Orden des Feuers von Taijou ================================================================================ Kapitel 1: Ferun ---------------- Die Erde war schwarz wie Obsidian, bedeckt von einer schweren Ascheschicht. Einst wuchsen hier üppige Gräser und duftende Blumen, doch nun stiegen nur der Geruch von Schwefel und verbrannten Fleisches empor. Der Rauch verdunkelte den Himmel und tauchte ihn in einem rötlichen Licht. Leben suchte man vergebens, denn die Herrschaft über dieses Land hatte der Tod mit grausamster Macht an sich gerissen. Das Feuer, welches einst das Leben bewahrte, hatte sich in diesem Krieg als schrecklichste Waffe erwiesen und dieses ausgelöscht. Überlebende suchte man vergeblich, denn diese mussten schon lange weitergezogen sein, um nicht an den giftigen Dämpfen zu ersticken, dies wurde auch jenem Geschöpf klar, welches mit kraftvollen Flügelschlägen am blutroten Himmel flog. Es war einer der letzten seiner Art, die tapfer und unerbittlich gekämpft hatten, aber die gleichzeitig auch für diese Zerstörung verantwortlich waren. Mit jedem Schlag seiner Schwingen wurde ihm immer gewisser, dass es vergeblich nach anderen seiner Art oder Menschen suchte. Von weit her war es gekommen, nachdem seine Schlacht zu Ende war und es sich schwer verletzt in einer Höhle zurückgezogen hatte. Lange hatten die Wunden gebraucht um zu heilen und die Hoffnung, dass es von seinen Freunden gefunden wurde, war gestorben als das Geschöpf nach der Genesung ihre Leichen nicht weit entfernt vom Schlachtfeld gefunden hatte. Nun suchte es vergeblich nach anderen Überlebenden, doch da war niemand. Hoffnungslos geworden flog es immer weiter, um vielleicht in einem anderen Gebiet jemanden zu finden. Es konnte nach all der langen Zeit nicht mehr ohne Gesellschaft leben, nicht wenn es nicht wesentlich wusste, dass es noch anderes Leben gab, irgendwo, egal in welcher Form. Der Krieg hatte in seiner Seele schwere Schäden hinterlassen und er wollte unbedingt sehen, dass dieser Jahrhunderte lang andauernder Kampf zwischen dem Orden des Feuers und der dunklen Union nicht alles beendet hatte, wofür er und so viele andere gekämpft hatten. Dieses wissen alleine würde ihn schon beruhigen. Doch die Überbleibsel der einst so idyllischen Landschaft, der düstere Himmel und der ständige Geruch des Todes bedrückten ihn und lasteten schwer auf seiner angeschlagenen Seele. Plötzlich durchzuckte ihn ein starker Schmerz an seiner Schulter, der sich bis zum Flügel erstreckte und ihm wurde erst jetzt bewusst, dass die Wunde, die ihm ein Schwarzflügeldrache zugefügt hatte, erneut aufgebrochen war. Ob es ihm nun passte oder nicht, er musste landen und das so schnell wie möglich. Er sah sich die zerstörte Landschaft auf der Suche nach einem geeigneten Landeplatz an und entdeckte einen solchen in Form eines großen Felsens. Trotz der Verletzung landete er geschickt auf dem harten Untergrund und zog dann seine schwarzen Schwingen ein. Nachdem er einige Zeit lang sicherheitshalber umgesehen hatte, ob in der Nähe nicht vielleicht doch irgendeine Gefahr lauerte, drehte er seinen langen Hals etwas, um sich seine Verletzung zu besehen. Die Wunde war tief und das Blut ronn aus dieser über die schwarzen glänzenden Schuppen bis zum Oberschenkel des Drachens und tropfte auf den felsigen Untergrund, der verätzt wurde und kleine Bläschen warf. Dies erinnerte den Drachen namens Alcatraz an den Augenblick in dem der Schwarzflügeldrache, obwohl diese Wesen eher eine Mischung aus Monster und Rabe waren, wurden sie fälschlicherweise als Drachen bezeichnet, seine Zähne in seinen Hals versenkte und wenig später kreischend von ihm abgelassen hatte, denn das Drachenblut hatte das Monstrum verletzt. Wie Alcatraz zugeben musste, war dies ein sehr guter Schutz, doch auch ein extremer Nachteil, wenn man erst einmal schwer verletzt wurde, da die Versorgung der Wunden auf diese Weise schwierig wurde. In sehr geringer Konzentration besaß das Blut eines Drachens heilende Wirkung, doch in reiner Form war es fast unmöglich Wunden zu versorgen. Statt eines Verbandes musste man glühendes Metall auf die Wunde legen, das so stark erhitzt werden musste, dass das Fleisch und die Schuppen leicht schmolzen und sich die Wunde dadurch schneller schließt. Doch der Schmerz bei einem solchen Eingriff war entsetzlich und bei der bloßen Vorstellung schüttelte es den Drachen. Er würde lieber warten bis die Wunde von alleine abgeheilt war, zwar dauerte dies erheblich länger und bedeutete auf die Dauer einen höheren Blutverlust, aber war auch nicht mit gar höllischen Schmerzen verbunden. Nach Beendigung des Krieges konnte er sich ruhig die Zeit zur schonenden Heilung nehmen. Er legte sich auf den Bauch und würde solange warten bis die Wunde sich wieder etwas geschlossen hatte, danach würde er seine Suche fortsetzen und Ausschau nach geeigneter Beute halten müssen. So langsam brauchte er wieder etwas, was seinen leeren Magen füllte, auch wenn er dank seines geringen Stoffwechsels nicht allzu häufig fressen musste, kam er um die nächste Jagd nicht herum. Der Hirsch, den Zero entdeckt hatte, graste friedlich auf einer Wiese vor sich hin und nahm keine Notiz von ihm. So leise wie möglich wanderte Zeros linker Arm zum Köcher, den er auf seinem Rücken trug und zog einen Pfeil aus diesem. Während er den Pfeil an den Bogen legte, ließ er den Hirsch nicht aus den Augen und konzentrierte sich auf den Schuss, den er vorbereitete. Er spannte den Bogen und wollte den Pfeil gerade loslassen, als er plötzlich ein lautes Knacken hörte. Erschrocken sah der Hirsch auf, doch es war bereits zu spät, den aus dem Himmel war ein schuppiges Ungetüm auf den Herren des Waldes hinabgestürzt. Der Rumpf des Tieres befand sich zwischen den starken Kiefern des Drachens und wurde zermalmt. Man hörte nur noch das zerbersten von Knochen und der Körper des Hirsches hing schlaff im Maul des Monstrums. Zero konnte nicht glauben, was er da auf der Lichtung entdeckt hatte, doch es war ohne Zweifel da und zeriss den Hirschen vor seinen Augen. Erschrocken und ängstlich trat er etwas zurück, um nicht entdeckt zu werden, doch fliehen konnte er nicht. Fasziniert und gleichzeitig vom Schauspiel, was sich ihm bot abgestoßen betrachtete er das riesige Wesen. Seine Schuppen waren pechschwarz und schimmerten in der Sonne, es hatte einen langen Hals und auf dem Kopf waren zwei lange Hörner, die denen von Ziegen ähnlich waren. Es stand auf zwei Beinen und die Flügel waren nun am Körper angelegt. Sein ganzer Körper war muskulös und gleichzeitig auf eine Art elegant und anmutig. Nie hatte der Junge ein solch einzigartiges Geschöpf gesehen und er war sich sicher, dass es nichts vergleichbares gab. Die Kraft des Geschöpfes spürte er bis in seine Knochen. Was würde wohl geschehen, wenn der Drache ihn entdecken würde? Wahrscheinlich wäre er Tod, bevor er es bemerken würde. Ein solch blutrünstiges Monster, wie man immer in all den Erzählungen hörte, kannte keine Gnade und würde töten auch wenn es gesättigt wäre, nur aus purem Vergnügen und der Lust lebendiges Fleisch zu zerreißen. Zero musste bei der Vorstellung von diesen mächtigen Kiefern zermalmt zu werden schlucken und endlich nach so langer Zeit fand er Kraft sich fortzubewegen. Sein Plan war so simple, dass nichts schief gehen könnte. Er würde einfach langsam zurücktreten und das Monstrum dabei nicht aus den Augen lassen, bis er genügend Abstand zwischen ihn und dem geschuppten Geschöpf gebracht hatte, danach würde er sich umdrehen und vorsichtig flüchtigen. Doch da trat er schon auf einen kleinen Ast hinter ihm, der Zeros Meinung nach für die winzige Größe viel zu laut knackte. Es kam wie es kommen musste. Der Drache hob abrupt sein Haupt und entdeckte auch gleich den Jungen, der nun erschrocken versuchte zu flüchten. Aber wie es das Schicksal wollte, stolperte er über eine Wurzel und fiel unsanft zu Boden. "Scheinbar hassen mich die Bäume", fluchte er und stöhnte laut auf als ihn ein starker Schmerz durchfuhr. Er verfluchte seinen heutigen Tag und schloss innerlich bereits mit dem Leben ab, als er versuchte irgendwie weiter weg von dem Drachen zu krabbeln. Belustigt beobachtete Ferun das gesamte Geschehen. Vor Hunger hatte er nicht auf seine Umgebung geachtet und den Jungen bemerkt, doch den knackenden Ast, konnte er bei weitem nicht ignorieren. Eigentlich hatte er Mitleid mit dem Menschlein, welches Todesängste vor ihm durchlitt, doch der Fluchtversuch war doch einfach zu köstlich anzusehen. Er war nicht schadenfreudig, doch er musste unvermeidlich an einen Käfer denken, als der junge Mensch anfing krabbelnd zu flüchten und ein Grinsen umspielte sein Maul, wobei seine Zähne entblösst wurden, dies entging auch dem Jungen nicht, der das Grinsen jedoch als ein siegessicheres verhöhnendes Grinsen interpretierte, und sich daraufhin noch mehr bemühte zu entkommen. Mit ein paar wenigen Schritten schloss der Drache zu ihm auf und stubste ihn neckend am Rücken an. Der Menschenjunge zuckte augenblicklich zusammen und erstarrte aus purem Entsetzen zur Salzsäule. Um sein Leben bangend drehte Zero langsam seinen Hals in die Richtung des Drachens, um seinem Tode wesentlich mutig ins Angesicht gesehen zu haben. Doch es geschah nichts. Der Drache sah ihn einfach nur an und Zero starrte zurück. Plötzlich jedoch passierte etwas womit der Junge nie in seinem Leben gerechnet hatte, das Monstrum schleckte sein Gesicht mit der langen Zungen ab, als ob er ihn ärgern wollte. "Igitt!", meinte Zero dazu nur leicht angeekelt und versuchte sein Gesicht mit dem Ärmel zu trocknen. "Wenn du mich schon fressen willst, dann tu es doch wesentlich gleich!" Nun konnte sich Ferun nicht mehr zurückhalten und musste lachen. "Wer sagt, dass ich dich fressen will?", fragte er belustigt und versuchte nicht noch einem Lachanfall zu unterliegen. Zero hingegen wäre am liebsten vor Schreck aufgesprungen, doch sein verletztes Bein ließ dies nicht zu, und so schaute er nur vollkommen verblüfft zu dem Wesen. "Was?! Du kannst sprechen?!" In seinem gesamten Leben hatte der Junge nie gehört, dass solche Bestien in der Lage waren zu sprechen. In keiner Sage in denen Drachen vorkamen, war überliefert, dass sie solche Fähigkeiten hatten. "Natürlich! Hälst du uns denn etwa für dumme Bestien, die nichts anderes zu tun haben, als irgendetwas zu zerfleischen oder eure Felder zu verwüsten?", sagte Ferun leicht beleidigt. "Aber dieses Land hier ist sehr abgeschieden und weit entfernt von dem ehemaligen Gebiet des Ordens. Außerdem liegen die dunklen Kriege lange zurück." Nun war Zero erst recht verwirrt. "Dunkle Kriege? Orden?" Der Drache rollte mit den Augen und seufzte. "Vergiss es, es war nicht wichtig." Zumindest für den Menschen, ergänzte Ferun im Geiste. "Wie dem auch sei, ich werde dir nichts zu leide tun. Kannst du stehen?" So ganz konnte Zero nicht glauben, dass er scheinbar nicht in Gefahr war, doch gegen seine Vermutungen verhielt sich der Gigant ruhig und jegliche Angst wich von dem Jungen, was er sich selbst nicht recht erklären konnte. In aller Ruhe versuchte er sich aufzurichten und stand schließlich beim dritten Male. Als er jedoch versuchte einige Schritte zu machen, schmerzte sein Bein so stark, dass er beinahe umfiel und er stützte sich sicherheitshalber an einem nahestehenden Baum ab. "Ist dein Dorf weit entfernt?", wollte das geschuppte Wesen nun in Erfahrung bringen. Kurz überlegte Zero, ob er diese Frage beantworten sollte, da er sich nicht sicher war, was der Drache mit dieser Information machen wollte, doch er sah kein verschwörerisches Glitzern oder Ähnliches in dessen durchdringenden Augen, was eine bösartige Absicht vermuten lassen hätte. "Nicht sehr weit, aber weit genug, dass ich weiß, dass es mich in diesen Zustand bestimmt den halben Tag kosten wird bis ich es erreiche." Seufzend sah der Junge in die Richtung seines Zuhauses und erahnte wie schmerhaft der Rückweg sein würde. "Das ist schlecht, aber da ich indirekt für deine Verletzung verantwortlich bin, werde ich dir helfen." Ferun drehte sich so zu ihm, dass er mit seinem Bauch zur Seite des Mensch stand und dieser leicht auf seinen Rücken steigen konnte. Zwar verstand Zero die Geste, doch er wagte es nicht dem Drachen näherzukommen. Vielleicht hatte er die Geste ja falsch verstanden und würde dem Riesen am Ende noch Anlass geben ihn doch zu fressen. An diesem Tag hatte er sein Glück sowieso schon herausgefordert und er würde es nicht noch einmal tun, dazu hängte er einfach zu sehr am Leben. "Na komm schon oder willst du lieber den Weg zurückhumpeln? Steig auf meinen Rücken, dann bringe ich dich in die Nähe deines Dorfes, aber das letzte Stück musst du schon selbst laufen. Ich habe keine Lust von Bauern gejagt zu werden und sie durch Selbstverteidigung zu verletzen." Nach diesem Angebot und Bestätigung der vorangegangenen Geste, wollte der Junge dieses besser nicht abschlagen, wer wusste schon, wie ein Drache uf so etwas reagieren würde? Außerdem tat ihm sein Bein zu weh, als dass er wirklich den ganzen Weg ohne Hilfe zurücklegen wollte. Vorsichtig näherte er sich dem Ungetüm und zog sich unter pochenden Schmerzen hoch auf dessen Rücken. Er spürte die harten, aber zu seiner Verwunderung auch sehr warmen Schuppen unter sich und auch die gewaltige Kraft des Drachens, als dieser sich ein bisschen wegen dem ungewohnten Gewicht bewegte. Prompt wurde Zero auch bewusst, dass dieses Wesen aus reiner Muskelkraft, einem undurchdringlichen Panzer bestand und einen schärferen Verstand besaß als so manch einer aus seinem Dorf, dies hatte er in den Augen des Wesens erkannt. Ob sie wirklich so alt werden, wie man in den Sagen immer hörte? Wie viel hatte er schon gesehen und erlebt? Es war bestimmt eine Menge. "Halt dich am besten an den Stacheln hinter meinem Hals fest. Die, die direkt vor deiner Nase sind. Dann hast du einen besseren Halt", meinte Ferun grinsend und stieß sich auch schon vom Boden ab. "Ach du...!" Zero hielt sich eiligst fest und wusste zuerst gar nicht wie ihm geschah. Er hatte damit gerechnet, dass er am Boden bleiben würde. Doch nun saß er auf dem Rücken des Drachens fest und wurde hoch in die Lüfte getragen. Der Wind wehte stark an ihm vorbei und mit jedem mächtigen Schlag der Schwingen des Ungetüms wurde ihm bewusster, wie mächtig Drachen wirklich waren und welche Kraft sich unter ihrem Schuppenpanzer befand. Einerseits empfand er große Angst, dass er sich nicht richtig festhalten und vom Rücken des Wesens rutschen konnte, doch gleichzeitig war dieses Gefühl so einzigartig und überwältigend, dass es in ihm ein Glücksgefühl und pure Faszination auslöste. Es dauerte nicht lange bis er all seine Ängste vergessen hatte und er sich neugierig umschaute. Die Aussicht aus dieser Höhe war wundervoll und er vernahm ein Sehnsuchtsgefühl als er sich daran erinnerte, dass sie wohl bald schon landen würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)