Move me von Turbofreak (Teil VII der "Späte Erkenntnis"-Reihe) ================================================================================ Kapitel 2: Kriegsrat -------------------- So, man merkt, seit ich studiere und arbeite, dauerts ein bisschen länger. Aber ich hoffe doch, dass ihr immer noch gerne lest *g* Die zierliche Asiatin fand sich an diesem Abend bei einem Abendessen zu dritt wieder. Sie war nach der Arbeit zu Shinji in die Wohnung gefahren, mit dem jungen Herren hatte sie schließlich noch einiges zu klären. Sie musste ihm noch einmal ins Gewissen reden, er hatte Robin und sie doch nicht einfach so zurück lassen können. An der Tür war sie allerdings von April abgefangen worden, die ihr lächelnd die Jacke abgenommen hatte und sie an den großen Esstisch gelotst hatte. Nun saß Laura den beiden gegenüber und linste über ihren Tellerrand. Sie fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte, immerhin sah sie sich vor einem großen Tisch sitzen, der mit asiatischen Köstlichkeiten beladen war. Fireball wusste, dass sie die heimische Küche vermisste und er ihr so eine besondere Freude machen konnte. Aber trotzdem war es ihr unheimlich. Fireball und April saßen ihr gegenüber und verhielten sich merkwürdig. Die Japanerin wusste im Augenblick nicht recht, wie sie das einzuschätzen hatte. Colt hatte ihr am Vortag noch dringend davon abgeraten, einen der beiden noch zu besuchen, es hätte auf Ramrod dicke Luft gegeben. Und auch Saber hatte ihr an diesem Morgen Colts Worte bestätigt, als sie ihn danach gefragt hatte. Und jetzt saßen sie ihr gegenüber und schienen auf ihre Meinung zu dem Thema zu warten. Aber sie hatte weder Ahnung, worum es ging noch welche Meinung sie dabei haben sollte. Wohl oder übel musste sie darauf warten, dass man es ihr nach dem Essen ausführlich bei einer Tasse Tee schilderte. Die drei machten es sich nach dem üppigen Abendessen tatsächlich im Wohnzimmer bei einer heißen Tasse Tee gemütlich. Es war angenehm ruhig, lediglich leise Säuselmusik erfüllte den Raum. Doch Laura war es zu ruhig. Immer wieder linste sie über den Rand ihrer großen Tasse, hinüber zu dem Pärchen, das auf der Couch kuschelte. Fireball saß mit möglichst vielen Kissen im Rücken auf dem Sofa, die Füße lagen auf der Sitzfläche auf und April lehnte an seiner Schulter. Die Japanerin grinste in sich hinein. Mittlerweile war jedem klar, dass sie ein Paar waren, doch Zärtlichkeiten und Küsse wurden in Gegenwart anderer immer nur verhalten ausgetauscht. Dabei würden sich alle anderen freuen, wenn sie die beiden mal beim Turteln erleben würden. Laura fragte sich unweigerlich, ob sie das irgendwann mal könnten. Sie sah den beiden an, dass sie etwas mit ihr zu besprechen hatten, doch Laura hatte immer noch keine Idee. Und von alleine, so schien es, würden sie den Mund nicht aufkriegen. Also stellte Laura ihre Tasse ab und lächelte Fireball entgegen: „Womit hab ich das Abendessen verdient?“ So unschuldig die Frage auch klang, es war jedem klar, dass sich Laura lediglich an das große Geheimnis, das Fireball und April hüteten, heran tastete. Die Blondine setzte sich auf, sie drückte Fireball noch einmal kurz und blinzelte anschließend zu Laura. Der Rennfahrer erwiderte Lauras Lächeln, allerdings viel unschuldiger. Er drückte sich noch etwas mehr in die Kissen und gab seiner Weggefährtin eine lieblich klingende Antwort: „Ich hab dich eben vermisst.“ Lauras Schultern fielen herab, mit der Erklärung konnte er sie nicht einlullen, auch wenn es ihr schmeichelte. Es konnte schon sein, dass er sie vermisst hatte, aber deswegen bekochte er sie noch lange nicht. Viel eher steckte etwas anderes dahinter. Sie zerschlug sein Argument leichtfertig: „Nein. Für deine Mühe hast du doch ganz sicher einen anderen Grund.“ Verblüfft zog der pensionierte Rennfahrer die Augenbrauen hoch und wandte sich an April. Er verstand nicht, wie seine Freundin ihn so schnell ertappen konnte. Ungläubig fragte er April: „Bin ich wirklich so leicht zu durchschauen?“ Als diese auch noch bestätigend nickte, seufzte Fireball. Er musste Colt dringend um einige Unterrichtsstunden fragen, wie man überzeugend log. Fireball zuckte schließlich mit den Schultern, so tragisch war es nun auch wieder nicht. Und Laura gestand er: „Okay, du hast mich erwischt. Wir hätten etwas mit dir zu besprechen.“ Die Japanerin fühlte sich bestätigt. Sie hatte schließlich schon viel Zeit mit ihm verbracht und wirklich geändert hatte er sich nicht. Laura lächelte warm: „Ich kenn dich doch, Shinji.“ Lauras freundliche und offene Art ermutigte den Heißsporn. Er sparte sich die lieben Worte und fiel mit der Tür ins Haus: „Was hältst du eigentlich von einem Mitbewohner?“ So simpel und geradeheraus die Frage auch gestellt war, so war sie aber auch allgemein formuliert. Die Rechtsanwaltsgehilfin lehnte sich zurück und musterte noch einmal das junge Paar, das es sich auf der Couch gemütlich gemacht hatte. Sie hatten lange gebraucht, um sich ihre Gefühle einzugestehen. Ebenso lange hatte es gedauert, bis aus Gefühlen füreinander endlich eine Beziehung geworden war. Immer besser konnte Laura nachvollziehen, weshalb Fireball so sehr an April hing. Es schien etwas zwischen den beiden zu existieren, dass sie wie füreinander geschaffen machte. Eine solche Magie hatte sie selten in einer Beziehung erleben können. Natürlich, es hatte viele Schwierigkeiten und Hindernisse gegeben, an denen ihre Liebe immer wieder an ihre Grenzen geraten war, doch letztendlich hatten sie zueinander gefunden. Laura sah mit Wohlgefallen, wie sehr Fireball Aprils Nähe genoss. Es war klar, dass er sie bei sich haben wollte. Schmunzelnd deutete Laura auf ihre Nachfolgerin: „Wir reden von April, Shinji?“ Fireball konnte sein unschuldiges Lächeln nur mit seinen flehenden Augen toppen. Und das war ihm auch bewusst. Er setzte sein liebenswertestes Gesicht auf, als er nickte: „Bist du mir sehr böse, wenn sie hier einzieht?“ Ramrods ehemaliger Pilot wusste noch aus Tokio, wie gut sich die beiden Frauen, mit denen er im Wohnzimmer saß, manchmal gesinnt waren. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, aber es war eine Tatsache. Obwohl sie sich mittlerweile eigentlich ganz gut vertrugen, hatte Fireball doch Bedenken, Laura könnte es nicht wollen. Doch seine beste Freundin enttäuschte ihn nicht. Sie nickte bereitwillig. Was sollte sie denn auch sagen, außer: „Das war abzusehen.“ Sie klang allerdings nicht sonderlich begeistert. Denn für Laura bedeutete es, sich demnächst um eine neue Bleibe umsehen zu müssen. Sie wollte die beiden nicht stören, nicht das fünfte Rad am Wagen werden. Aber das würde sie, wenn sie weiterhin hier wohnen bliebe. Nein, Laura wollte ihnen nicht die wenige freie Zeit, die sie zusammen verbringen konnten, stehlen. Doch etwas enttäuscht zog Fireball einen Schmollmund. Laura hatte nicht wirklich ‚Ja’ oder ‚Nein’ gesagt. Sie würde ihm auch niemals verbieten, April zu sich zu holen, doch wirklich recht schien es der guten Freundin auch nicht zu sein. Er brummte: „Klingt nicht sonderlich begeistert.“ April war die ganze Zeit über daneben gesessen und hatte sich die Unterhaltung angehört. Und sie hatte Lauras Reaktion beobachtet. Die Blondine war sich sicher, Laura dachte, sie müsse ausziehen, weil sie beide hier ihre Ruhe haben wollten. Und was tat ihr Rennfahrer? Der Blitzmerker kam nicht einmal auf die Idee, Laura noch einmal zu sagen, dass sie ohne weiteres noch bleiben konnte. Für Fireball war es klar, dass die Japanerin hier noch wohnen blieb, deshalb kam er gar nicht erst auf den Gedanken, es ihr auch noch einmal extra zu sagen. April wollte sich gerade nicht einmischen. Laura entschuldigte sich für ihren Tonfall, ganz bestimmt würde sie sich für die beiden freuen. Aber es komme etwas plötzlich. Fireball wiederum beharrte auf seinem Standpunkt. Lauras Meinung war ihm sehr wichtig, ohne ihre ausdrückliche Zustimmung würde er April nicht zu sich holen. War er sich dieser Zustimmung vor einigen Minuten noch zu hundert Prozent sicher gewesen, so war er es nun nicht mehr. Laura schien verstimmt zu sein, aber den Grund dafür kannte er nicht. Laura schüttelte ernst den Kopf. Ihre schwarzen, hochgesteckten Haare lösten sich vereinzelt und umrahmten ihr Gesicht. Sie machte sich noch einmal verständlich: „Nicht doch. Ich möchte euch nicht im Weg stehen, Shinji. Wenn ihr zusammenziehen wollt, ist das doch wunderschön und es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung für euch.“ Fireball legte den Kopf in den Nacken. Verstand Laura denn gar nichts? Die zierliche Asiatin war nicht nur weltmeisterlich darin, nirgends aufzufallen, sondern hatte immer und überall Bedenken, zu aufdringlich zu sein, oder im Weg zu sein. Mit einer wegwerfenden Handbewegung korrigierte er Lauras Bedenken: „Du stehst nicht im Weg. Im Gegenteil, Laura.“, Fireball verschränkte die Beine zu einem Schneidersitz. Er lehnte sich nach vor und legte die Arme auf die Knie: „Du warst in jeder Hinsicht bisher eine sehr große Hilfe für mich.“ Laura nickte lediglich verhalten. Sie legte die Hände in den Schoß: „Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, Shinji-kun.“ Sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen sollen. Laura wollte eine große Hilfe für Fireball bleiben, das bedeutete für sie aber, Fireball und April in Ruhe zu lassen, sie ihr Leben leben zu lassen. Sie wusste, dass sie sich nicht dauernd zu Saber ausquartieren konnte, deshalb hieß der nächste vernünftige Ansatz zwangsläufig, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Als Fireball zaghaft, aber lächelnd nach Aprils Hand griff, stand Laura auf. Sie verbeugte sich kurz vor dem Pärchen und entschuldigte sich: „Ich hatte einen anstrengenden Tag heute. Danke für das gute Essen, Shinji. Schlaft gut.“ Die vier Freunde trafen sich erst nach guten zwei Wochen wieder, weil Saber um ein Treffen gebeten hatte. Wieder stand ein Wochenende vor der Tür, am nächsten Montag würde der Schotte wieder zur Arbeit antreten, seine angeschossene Schulter hatte ihm geschlagene zwei Wochen das Arbeiten unmöglich gemacht. Mühselig hatte er mit einer Hand seinen Bericht getippt und sich fortwährend den Kopf zerbrochen. Er hatte die anderen drei damit nicht belasten wollen, aber im Endeffekt blieb ihm nichts anderes übrig. Der Highlander brauchte ihre Hilfe, besonders die von Fireball. Und so hatte er seine Freunde für Freitagnachmittag zum Kaffee eingeladen. Colt war der erste, der am frühen Nachmittag vor seiner Wohnung stand. Er hatte Robin bei ihrem Arzt abgesetzt, nachdem er keinen früheren Termin hatte bekommen können. Für akute Notfälle gäbe es immerhin das Krankenhaus. Und so hatte der Cowboy geduldig gewartet und in dieser Zeit seine Frau verwöhnt. Er hatte sie bekocht, so gut er es konnte, sie bedient und sich um ihre gemeinsame Tochter gekümmert. Colt tollte gerne mit Jessica durchs Haus. Sie war sein kleiner Sonnenschein und in dem ganzen Familientrubel, der Colt glücklich und frei machte, hätte er das Oberkommando schon beinahe vergessen, hätte ihn nicht der edle Recke angerufen. Wie immer gut gelaunt ließ sich Colt selbst beim Säbelschwinger herein. Er hob den Hut zum Gruß und lachte: „Zeit hab ich nicht viel mitgebracht, aber für einen schnellen Krankenbesuch reicht es allemal.“ Saber kam dem Cowboy entgegen und nahm ihm die Jacke ab. Während er die Jacke aufhängte, musste er Colt schon wieder korrigieren: „Schneller Besuch? Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber wenn Fireball und April nicht bald auftauchen, wird es noch länger dauern.“ Der Schotte war angespannt. Er fragte sich, ob er sich nicht doch zu lange Zeit gelassen hatte, seine Freunde anzurufen und sie um Hilfe zu bitten. Aber andererseits war ihm durch seine Krankschreibung ein einmaliger Aufschub gewährt worden. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass er sich zu verantworten hatte. Er hatte lediglich ein paar Tage mehr Zeit um sich auf das Unausweichliche einzustellen. Kurz bevor Colt gekommen war, hatte er noch mit Commander Eagle telefoniert, hatte seinen Vorgesetzten noch einmal darum gebeten, General Whitehawks Erlaubnis zu verlängern. Aprils Vater hatte sich schon an Sabers letzten Arbeitstag dazu bereit erklärt, allerdings war es schwieriger als gedacht, Fireballs Erlaubnis umschreiben zu lassen. Colt war ins Wohnzimmer vor gegangen. Er ließ sich aufs Sofa plumpsen und legte seine Arme auf die Lehne. Als Saber endlich nachgekommen war, maulte er: „Die zwei waren noch nie die Schnellsten.“, Colt lächelte dabei aber leicht. Die beiden jüngsten Freunde waren bei wichtigen Dingen wirklich nie die Schnellsten gewesen, vor allem, wenn es um ihre Gefühle ging. Im selben Atemzug fiel ihm jedoch wieder ein, wie er die zwei das letzte Mal auseinander gehen gesehen hatte. Seither hatte er nichts mehr von ihnen gehört, vielleicht war etwas nicht in Ordnung, deswegen schoss er sofort eine andere Frage nach: „Hast du von den zweien die Tage mal was gehört?“ Saber setzte sich auf die Armlehne seines Sofas. Er wollte sich nicht anmerken lassen, was ihm nachts den Schlaf raubte. Die anderen hatten selbst genug Probleme, es fiel ihm schon schwer, sie damit nun belasten zu müssen. Saber schmunzelte leicht und deutete auf seinen Kumpel: „Genauso viel wie von dir, Kuhhirte.“ Colt rutschte an der Lehne hinab. Er fühlte sich bei Saber pudelwohl, das konnte daran liegen, dass er diese Wohnung mit seinem Boss zusammen eingerichtet hatte. Dem Kuhhirten fiel nicht auf, dass ein Kopfkissen und eine Decke neben ihm lagen, darauf achtete er nicht. Er musste gerade nach einer guten Ausrede suchen, weshalb er es nicht geschafft hatte, in den vierzehn Tagen einmal wenigstens anzurufen und sich nach Saber zu erkundigen. Doch so recht fiel ihm keine ein, deshalb entschied er sich für die Wahrheit, verpackte sie aber in harmlose Worte. Colt wollte nicht, dass jemand mitbekam, wie viele Sorgen er sich tatsächlich um Robin machte. Der Viehtreiber machte sich verrückt, weil er nicht wusste, was mit seiner über alles geliebten Frau war. Sie war in der ersten Schwangerschaft nicht so gewesen. Als sie mit Jessica schwanger gewesen war, war die energische Lehrerin quietschfidel gewesen, hatte nur manchmal an Stimmungsschwankungen gelitten. Ganz anders jetzt. Colt brachte es um den Schlaf, er hatte Angst, dass mit seinem ungeborenen Kind etwas sein könnte, hatte Angst, dass es seiner Frau noch schlechter ging, als er es ihr ansah: „Ich hatte viel um die Ohren, Boss. Weißt du, meiner Holden geht’s nicht so gut. Sie bekommt bestimmt einen Jungen.“, Um sich von seinen Sorgen abzulenken, wechselte Colt sofort das Thema: „Und was ist mit deiner Schulter? Ist wieder alles zusammengewachsen?“ Kopfschüttelnd antwortete Saber. Das war wieder typisch Colt: „Mensch, deine Wortwahl. Aber ja, es heilt.“ Zum Beweis dafür hob Saber seinen Arm an. Seit einigen Tagen trug er keinen Verband mehr, die Wunde war vollständig verheilt, lediglich einen dunkelroten Streifen von der Blutkruste konnte man noch sehen. Saber hatte Glück gehabt, die Wunde hatte sich nicht entzündet. Allerdings waren seine Bewegungen noch etwas steif, die ruhig gestellte Schulter war eingerostet und musste sich erst wieder daran gewöhnen. Grinsend gab Colt zur Antwort, während er sich den Hut aus dem Gesicht stupste: „Ich sage ja nur, wie es ist!“ „Klopf, klopf!“, schüchtern trat Fireball ein. Sabers neues Zuhause war ihm noch nicht ganz geheuer und Respekt und Anstand zu zeigen, kam immer gut, auch bei Freunden. Saber reckte den Kopf in Richtung Flur und hob die Hand zum Gruß. Das war ja schnell gegangen, er hatte mit April und Fireball nicht vor einer halben Stunde gerechnet. Er lächelte leicht und bat sie herein: „Hey, kommt rein ihr zwei.“ Der Rennfahrer erschien kurz darauf im Wohnzimmer, er hatte sich noch schnell die Schuhe ausgezogen. Nun suchte er sich ein gemütliches Plätzchen auf der Couch und informierte genervt seine beiden Freunde: „Der Rauscheengel versucht noch einzuparken.“, ihm war anzusehen, dass er dafür keine Nerven mehr gehabt hatte, nachdem er sich auf der Fahrt zu Saber wahrscheinlich genug aufregen hatte müssen. „Das dauert gut und gerne noch eine halbe Stunde.“ Just in diesem Moment stand auch April im Wohnzimmer. Keck grinste sie ihre drei Jungs an und konterte trocken: „Die wäre dann jetzt auch um. Wie langsam wirst du denn auf deine alten Tage, Matchbox?“ Und der Konter hatte auch noch gesessen. Colt und Saber bissen sich auf die Lippen um bloß nicht laut zu lachen und Fireball kniff die Augen zusammen. Manche Dinge konnte der pensionierte Rennfahrer nicht leiden, das würde sich nie ändern. Und wenn es eines war, was er absolut nicht konnte, dann war es geduldig sein oder zu warten. Beides verband er mit dem Wort langsam und das mochte er als schnellster Pilot im Neuen Grenzland noch weniger. Abgesehen davon war er ein hundsmiserabler Beifahrer, immer noch, und in letzter Zeit noch unerträglicher als sonst. Der einzige Vorteil für April war gewesen, dass der unfreiwillige Beifahrer kein Auto mehr besaß, sie also mit ihrem Auto unterwegs gewesen waren. Während sich April keck zwischen Fireball und Colt drängte, rückte der ehemalige Pilot zur Lehne auf, auf der Saber saß und erklärte undiplomatisch: „Oha! Wie viele Dellen hat der Wagen jetzt?“, mit hochgezogenen Augenbrauen lehnte sich Fireball zurück, damit doch alle irgendwie Platz hatten und Saber auf der Lehne sitzen bleiben konnte. Dabei fiel sein Blick auf die verletzte Schulter: „Und Boss? Was macht die böse Schulter?“ April verschränkte die Arme vor der Brust und rümpfte empört die Nase. Ihre blauen Augen funkelten herausfordernd, von einem Kerl ohne Führerschein brauchte sie sich das nicht gefallen lassen, auch nicht, wen der Kerl der jüngste Champion aller Zeiten war und ihr Freund. Gerade dann schon dreimal nicht. Sie hob eine Hand aus der Verschränkung und legte Fireball den abgewinkelten Zeigefinger auf die Stirn, als würde sie an eine Tür klopfen: „Weniger als dein Kopf, wenn du weiter so frech bist.“ Sabers Antwort auf Fireballs Frage, verhallte unbeachtet. Er hatte es ohnehin nicht allzu laut ausgesprochen, denn der Schotte hatte keine Lust, alle fünf Minuten von seiner demolierten Schulter zu reden und dass sie langsam aber sicher verheile. Am Montag musste er wieder zum Dienst antreten, das hieß er war gesund und das war auch der Grund, weshalb seine Freunde hier waren. Colt fuhr augenblicklich aus seiner legeren Sitzposition hoch und starrte das junge Paar unverhohlen an. Beide hatten in etwa so geklungen, wie auf dem neuen Friedenswächter. Ernst. Und genauso guckten die zwei auch aus der Wäsche. Colts Fühler waren aufgrund von Robins schlechter Verfassung momentan hypersensibel und so ahnte der Cowboy nichts Gutes, wenn er den Asiaten und die selbstsichere Blondine so betrachtete. Alarmiert wollte er wissen: „Hoppla. Dicke Wolken am Rennfahrerhimmel?“ Der nächste, der von den beiden ignoriert wurde. Geschickt wand sich Fireball von Aprils drohenden Fingern ab und schob seine Hand dazwischen. Er schlug die Augen in die andere Richtung nieder und erklärte ungerührt: „Du schläfst auf der Couch, wenn du mir auch das noch verbieten willst, Süße.“ Er hatte so schon keine Freuden mehr im Leben, da sollte ihm seine Freundin nicht auch noch seine große Klappe verbieten. Fireball hatte sich die letzten Tage nur schleppend von seinem erneuten Zusammenbruch erholt. Es dauerte oft ewig, bis Fireball an diesen Punkt gelangte, an dem er am liebsten alles hinter sich lassen wollte, doch dafür kam er dann kaum noch aus diesem Loch heraus. Nachdem die Blondine nicht wie Saber im Krankenstand war und auch kein freier Mitarbeiter, wie Colt, hatte sie nach einem Ruhetag wieder antreten müssen. Und so war Fireball die längste Zeit des Tages wieder alleine zuhause gewesen. Jeden Abend brachte April seit der Entscheidung, es miteinander in einer gemeinsamen Wohnung zu versuchen, ein kleines Bündel aus ihrer Wohnung mit. Schrittweise übersiedelte die Blondine zu ihm. Und noch gab es keine Platznöte in der großzügigen Dachgeschosswohnung. April zog die Nase einen Stock höher und streifte sich selbstsicher die Haare hinter die Schulter, ehe sie Fireballs Drohung in den Wind schoss: „Ich kann auch wieder ausziehen. So viel Zeug hab ich ja ohnehin noch nicht bei dir.“ Das letzte Wort hatte April extra betont, noch gab es kein richtiges ‚Wir’ in dieser Wohnung. Sie arbeiteten daran, seit etwas über einer Woche, langsam erst begann die Beziehung wirklich fester zu werden. Das hatte April eines Nachts festgestellt. Sie hatte Fireballs Nähe immer gerne gehabt, hatte sie genossen. Vom ersten Augenblick an, seit der Japaner mit Pauken und Trompeten auf Ramrod eingezogen war. Es hatte nicht lange gedauert, bis sie sich in seiner Gegenwart immer besonders wohl und geborgen gefühlt hatte. Lange Zeit hatte es diese Seligkeit gegeben, wenn sie alleine gewesen waren, bis zu dem Tag, an dem er sie verlassen hatte. Dann war diese unglückselige Nacht mit all ihren Folgen über sie hereingebrochen und hatte eine undurchdringbare Mauer zwischen ihnen aufgebaut. Zwischenzeitlich hatten sie sich immer wieder mal angenähert, aber das Ergebnis waren noch mehr verletzte Gefühle und eine noch dickere Mauer gewesen. Erst seit Fireballs Mutter gestorben war, hatte sich ihr Verhältnis wieder normalisiert. Und Fireball hatte den richtigen Schritt gewagt, der es ihnen ermöglichte, endlich ihre Träume zu leben. Die Mauer war vollständig verschwunden, der ehemalige Rennfahrer lernte jeden Tag ein bisschen mehr, sich auf April einzulassen, sie an sich heran zu lassen. Vor allem Laura hatte das beobachten können, die Zärtlichkeiten, die sich die beiden ehemaligen Star Sheriffs oftmals am Abend neben ihr schenkten, waren zwar immer noch verhalten, aber für Fireballs Begriffe schon eine ganz andere Welt. April hatte Fireball beim Schlafen beobachtet, sie hatte nicht schlafen können, weil ihr erst langsam bewusst geworden war, welchen Schritt sie gewagt hatte. Sie hatte seine gleichmäßigen Atemzüge gehört, die manchmal von einem tiefen Seufzen unterbrochen worden waren. April war klar geworden, dass es das war, was sie immer gewollt hatte. Es fühlte sich richtig an. Glücklich hatte sich April umgedreht und sich in Fireballs Umarmung geschmiegt, bevor sie eingeschlafen war. Völlig überfahren krallte Colt seine Fingernägel in die Tischplatte vor sich. Fieberhaft überlegte er, wieso er etwas verpasst zu haben schien. Er war sich zu hundert Prozent sicher, dass er alle wichtigen Informationen und kleinen Details kannte, immerhin fing er sonst auch immer alle Signale auf, die zwischen den Zeilen stattfanden. Aber dieses Mal dürfte er mit seiner Spürnase in die absolut falsche Richtung geschnüffelt haben. Es ergab keinen Sinn, es half alles nichts, der Kuhtreiber musste sich vergewissern. Er atmete tief durch und stellte so nüchtern wie möglich fest: „Okay, jetzt hab ich definitiv was verpasst.“, seine aufmerksamen, blauen Augen hingen an Fireball und besonders an April, denn die hatte was von übersiedeln fallen lassen. Wieso war das nur das genaue Gegenteil von dem, was sie bei ihrem letzten Aufeinandertreffen tun wollte? Stirnrunzelnd hob er die Schultern: „Seit wann“, noch einmal machte er eine kurze Pause und richtete seinen Zeigefinger auf die beiden jüngsten Teammitglieder: „wohnt ihr zusammen?“ Blitzschnell kam die nüchterne Antwort von der Navigatorin. Sie drehte sich von Fireball weg und dem Scharfschützen zu. Er hatte sie offen etwas gefragt und bei Antworten sah man seinem Gegenüber für gewöhnlich ins Gesicht. Unbeeindruckt erklärte sie: „Wohnten. Ungefähr für eine Woche.“ Es war der Blondine wichtig, so ungerührt und abgebrüht wie sie nur konnte, zu wirken. Tatsächlich hatten sie außer Laura noch niemandem von ihrem Vorhaben erzählt und wie sie es versuchen wollten. Und eines war April dabei völlig klar geworden. Es war das beste, wenn sie es auch niemanden so schnell erklären würden. Beide wollten ohne Ratschläge oder Tipps ihr gemeinsames Glück finden. Bei anderen mochte es vielleicht funktioniert haben, aber bei Fireball und April hatte die Erfahrung gezeigt, dass sie nicht wie die anderen waren. Sie hatten eine andere Geschichte, andere Hintergründe und vor allem hatten die beiden von vornherein einen bescheidenen Start in ihr junges Liebesglück gehabt. Immer wieder hatten sich Außenstehende in ihre Beziehung eingemischt, absichtlich oder auch unbewusst. Fakt aber war, dass dies nichts für die beiden war. Sie wollten keine Ratschläge und in dem Fall auch keine wirkliche Hilfe. Am wichtigsten war mittlerweile, dass sie füreinander da waren. Sonst zählte nichts. Und hätte April Colt nun freudestrahlend erzählt, dass sie es zusammen versuchen wollten, sie zusammen wohnen wollten, hätte der Freund seine unbändigen Vatergefühle auch an ihnen ausgelassen. Sie kannte ihren Viehtreiber, der würde sich nicht zurückhalten können, niemals. Fireball sank nach hinten weg. Da er April nicht hatte sehen können, hörten sich ihre Worte auch für ihn seltsam an. Er verschränkte etwas eingeschnappt die Arme vor der Brust und brummte: „Na, abwarten.“ Der Schotte rutschte auf der Lehne leicht nach vor, das waren doch mal Nachrichten vom Feinsten. Denn im Gegensatz zum Scharfschützen war ihm durchaus bewusst, dass April ihnen nur vorgaukeln wollte, wieder ausziehen zu wollen. Das war doch klar, dass die beiden es nun richtig machen würden, da konnte sie sagen, was sie wollte. Er kannte die zwei doch. Saber schmunzelte: „Das freut mich für euch.“ Wenigstens ein Teil der Mannschaft hatte gute Neuigkeiten zu vermelden. Colt stand, auch wenn er es nicht ausgesprochen hatte, unendliche Angst um seine Frau und sein ungeborenes Kind aus. Colt war in dieser Hinsicht nie der besonders große Redner gewesen, das waren sie alle eigentlich nicht. Saber korrigierte seine eigenen Gedanken. Er konnte zwar festhalten, dass Colt Probleme nicht offen ansprach, zumindest nicht solch tief greifenden und persönlichen Sorgen, aber herabsetzen durfte er den Kuhhirten deswegen auch nicht. Denn von dieser Sorte kannte Saber mindestens noch zwei Kandidaten, die ebenfalls im Raum saßen. Alle vier waren sie so. Sie konnten anderen wunderbar helfen, nur sich selbst Hilfe zu holen, fiel ihnen schwer. Keiner von ihnen konnte es, Colt noch am ehesten, wie Saber fand. April zog es vor, Problemen aus dem Weg zu gehen, soweit sie konnte. Sie schob unangenehme Dinge einfach beiseite, redete sich ein, dass sie nicht existierten. So hatte sie es zumindest damals gemacht, nachdem Fireball weggegangen war. Permanent hatte die Blondine so getan, als hätte es den Rennfahrer nie in ihrem Leben gegeben. Saber riskierte einen Blick zu Fireball. Der Härtefall in Sachen Schweigsamkeit hätte es beinahe mit dem Leben bezahlt. Fireball versteckte sich hinter seiner immerwährenden Frohnatur, seiner großen Klappe und seinem Hitzkopf. Er konnte im Gegensatz zu April, Probleme zwar nicht zur Seite schieben, aber er war weltmeisterlich im Überspielen seiner Ängste und Gefühle und im Herunterspielen und Verharmlosen der Tatsachen. Fireball war mit Abstand der Kandidat, um den sich Saber die meisten Sorgen machte. Nicht zuletzt, weil er gesehen hatte, was passieren konnte, wenn der Rennfahrer seiner selbst auferlegten Selbständigkeit nicht mehr gerecht werden konnte, wenn ihm die Probleme seine Perspektive stahlen. Und zu guter letzt musste sich Saber noch selbst bei der Nase fassen. Auch er sprach nicht gerne über Probleme. Eigentlich überhaupt nicht. Bislang, und das gestand sich Saber zu, hatte er auch noch keine Schwierigkeiten gehabt. Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Dass seine Ehe in die Brüche gegangen war, würde er seinen Eltern erst noch erklären müssen und die würden damit keine Freude haben. Er wusste auch nicht recht, wie er an den Montag kommende Woche herangehen sollte. Es war selbstverständlich, dass sie eine Menge Ärger dieses Mal kassieren würden, aber das Ausmaß konnte er nicht abschätzen. Saber war der kommandierende Offizier, ihm allein war die Verantwortung für sein Team übertragen worden, er würde vorrangig den Kopf für das halbe Harakiri bei der letzten Mission hinhalten müssen. Saber tat sich schwer damit, eigene Ängste zu formulieren, sie mit anderen zu besprechen. Er hatte es niemals gelernt, weil ein Rider von Haus aus nie Probleme hatte. Sein Vater, Eduard, vertrat diese Ansicht mit eiserner Härte. Unbewusst blinzelte Saber bei diesem Gedanken wieder zu April. Sie konnte sich mit seinem Vater zusammensetzen, wie er amüsiert festhielt. Dann wanderten seine blauen Augen wieder auf Fireball. Nach dem schrecklichen Abschluss ihrer Mission auf New Witchita hatte sich das Verhältnis zwischen dem Ruhepol und dem Heißsporn grundlegend verändert. Der Schotte dachte an das Gespräch, das er mit Fireball damals in der Küche geführt hatte. Es war eine ganz neue Erfahrung für Saber gewesen. Hochsensibel hatte sich der Rennfahrer an die Schwierigkeiten herangetastet, war feinfühlig wie niemals zuvor gewesen, außer in seiner Wortwahl. Saber hatte das Gefühl bekommen, einen Vertrauten um sich zu haben. Er musste Fireball nicht alles haarklein erzählen, das konnte der kühl denkende Schotte auch gar nicht, um ihn zu verstehen. Der Rennfahrer hatte durch seine eigenen zwischenmenschlichen Schwierigkeiten ein ungeheueres Repertoire an Erfahrungen angehäuft, das ihm half, Saber zu unterstützen, ohne ihm seine Hilfe aufzudrängen. Der Schotte wusste, wenn er Fireball sachte zur Seite nahm und ihm nur oberflächlich schilderte, was und wie, der Rennfahrer würde ihm sofort alles vom Hals schaffen und halten, was ihn noch mehr belasten würde. „Habt ihr schon was vom Oberkommando gehört?“, etwas zaghaft kam die Frage von Saber. Es war ihm verdammt unangenehm, derart mit der Tür ins Haus zu fallen, aber es war wichtig, immerhin war das der Grund für ihr aller Kommen. Fireball und April schüttelten nachdenklich den Kopf. Der Rennfahrer hatte keinen Anruf bekommen, obwohl er schon fest mit einem gerechnet hatte. Aber bisher war sein Telefon stumm geblieben. Und die Blondine stand jeden Tag im Oberkommando auf der Matte, niemand hatte sie aber bislang irgendwohin zitiert oder ihr eine Nachricht zukommen lassen. Es dürfte also alles beim alten sein. Colt schob die Unterlippe nach vor und verneinte ebenfalls. Allerdings in seinen eigenen Worten: „Nö, Hiob hat noch keine Botschaft dagelassen.“ Der Schotte schob sich auf seiner Armlehne nach vor. Das waren Informationen, die seine Befürchtung bestätigten. Er würde den kommenden Montag nicht überleben. Zumindest beruflich nicht. Keiner seiner Freunde hatte Nachricht aus dem Oberkommando erhalten, er selbst auch nicht. Nur diesen netten kleinen Hinweis an seinem letzten Anwesenheitstag vor zwei Wochen. Oh, er wollte am Montag gar nicht ins Hauptquartier gehen. Alles, was ihm jetzt noch übrig blieb, war beten oder Galgenhumor. Saber entschied sich für letzteres, beten würde ihnen wohl kaum helfen: „Dann geht die Welt überraschend unter.“ Das kleine Lächeln, das Sabers Gesicht umspielte, zeigte deutlich, wie ernst es mit diesem kleinen Spaß werden konnte. Sofort sprang Colt deswegen vom Sofa hoch. Er wollte gar nicht daran denken und darüber reden schon gleich zwei Mal nicht. Der Sturm, der sich im Oberkommando zusammenbraute, konnte nur in einer Sturmflut mit zahlreichen Opfern enden. Er entschuldigte sich: „Ich muss weg!“ Kopfschüttelnd hielt Saber seinen Scharfschützen an der Hand fest und drückte ihn auf den Sessel daneben gleich wieder nieder. Er tadelte ihn leicht: „Schön hier geblieben, Kumpel.“ Widerwillig sackte Colt auf den Sessel. Kaum hatte Saber ihn los gelassen, machte er schon wieder Anstalten, sich zu erheben und die Wohnung zu verlassen. Er stand wieder auf und erklärte Saber ohne große Unschweife und schöne Worte: „Wenn die gottverdammte Welt wirklich untergeht, dann will ich bei meinen zwei Weibern sein.“ Der Kuhtreiber hatte doch wirklich panische Angst, wie es Saber grinsend durch den Kopf schoss. Der Familienmensch hatte die letzten zwei Wochen konsequent zur Seite geschoben, was im Oberkommando auf sie wartete, dass er jetzt am liebsten die Flucht ergreifen würde, noch bevor er wusste, weshalb er hier war. Das war typisch Colt. Hauptsache, er war bei seiner Frau und seinem Töchterchen. Saber beschwichtigte ihn schmunzelnd: „Wenn, geht die Welt erst am Montag unter. Und dann auch nur für mich.“ Colts vier Buchstaben fühlten inzwischen wieder Polster unter sich, er hatte sich wieder gesetzt. Dann musste er wohl oder übel bleiben. Es war wichtig, aber mindestens genauso unangenehm. Aufmerksam musterte er die anderen drei. Der Schotte wirkte gefasst. Klar war er gefasst, immerhin und darauf verwettete Colt seinen Hut, wusste Saber schon seit geraumer Zeit, was das Oberkommando von ihm wollte. Der Rennfahrer begann unruhig auf seinem Platz hin und her zu rutschen. In spätestens zwei Minuten stand Fireball, das war sicher. Und April hatte sich nach vor gelehnt und die Unterarme auf den Oberschenkeln abgestützt. Mit fragenden Augen sah sie zu Saber auf, ehe sie nachhakte: „Was ist passiert?“ Bereitwillig gab der blonde Highlander Auskunft. Je genauer er ihnen schilderte, was los war, desto schneller konnten sie das unangenehme Thema auch wieder abhaken: „Ich hatte ein sehr nettes Gespräch.“, er machte eine kurze Pause, das Detail musste er glatt auspacken. Dabei sah er vor allem Fireball an: „Mit drei Herren.“ Colt begann schon gedanklich den Countdown anzuzählen, bis Fireball hoch ging. Achtundfünfzig, siebenundfünfzig… Er gab Fireball noch eine Minute, bis der junge Japaner zum ersten Mal die Beherrschung verlor. Fireball allerdings lehnte sich zurück und musterte Saber unsicher. Das klang gar nicht gut. Verdammt, der Säbelschwinger brauchte nur zwei Sätze zu sagen und schon breitete sich ein Magengeschwür in Fireball aus. Seine braunen Augen machten einen kurzen Zwischenstopp bei April, ehe sie wieder an Saber haften blieben. Nein, der Schotte war in diesen Stunden nicht zu beneiden. Verdächtig ruhig nickte er: „Die rechte und die linke Hand des Teufels also.“, genervt verdrehte er die Augen: „Und der Leibhaftige natürlich.“ Soweit konnte auch Colt was mit der Information anfangen, dennoch wusste er absolut nicht, was sie denn nun von Saber gewollt hatten. Darüber hatte der Oberheld noch kein Sterbenswörtchen verloren. Deshalb rutschte Colt im Stuhl nach vor, bis er nur noch auf der Kante saß. Er faltete die Hände und nuschelte in seinen nicht vorhandenen Bart: „Was wollten die drei Weisen?“ „Was wohl?!“, gereizt fuhr nun Saber in die Höhe. Er hatte bestimmt nicht so grimmig und ungehalten sein wollen, aber Colts unschuldig doofe Frage hatte ihn gerade wahnsinnig gemacht. Wie konnte der Viehhirte nur nicht wissen, was die von ihnen und vor allem von ihm wollten? Grummelnd stapfte Saber in die Küche und vergrub seinen Kopf in einem Regal. Die anderen drei beobachteten ihren Boss aufmerksam. Während Colt sich eingestand, dass er sich verkalkuliert hatte, warf April einen fragenden Blick auf Fireball. Der allerdings konnte nur mit den Schultern zucken und weiterhin aufmerksam zusehen und –hören. Colt hatte sich umgedreht und sah Saber dabei zu, wie er vier große Gläser aus dem Regal holte und auf ein Tablett stellte. Au backe, das würde länger dauern. Aus dem Kaffee würde wohl unter diesen Umständen nichts. Prüfend warf auch der Cowboy einen kurzen Blick auf Fireball. Er grübelte. Wie hatte er sich nur derart verschätzen können? Hatten sich Fireball und Saber dazu entschieden, mal die Rollen zu tauschen und dem Kuhhirten somit eins auszuwischen? Der kleine freche Japaner saß immer noch auf dem Sofa, die Arme vor der Brust verschränkt und einen Blick aufgesetzt, den Colt beim besten Willen nicht enträtseln konnte. Im Gegensatz zu Sabers. Der trug seinen Unmut offen wie selten zur Schau, als er mit einer großen Karaffe Saft und vier Gläsern wieder kam. Er stellte das Tablett auf den Tisch und setzte sich nun auf den Platz, an dem Colt vorhin noch gesessen hatte, neben April. Seufzend beschrieb er: „Die drei wirbeln mächtig Staub im Oberkommando auf. Und wir vier können uns beerdigen lassen, ich zumindest auf alle Fälle. Verflucht und zugenäht, Colt, wir haben Ramrod geschrottet, was glaubst du wohl, wer dafür verantwortlich ist?“, mit dem Zeigefinger deutete Saber auf sich selbst: „Zu allem Überfluss hatten wir – sie nennen es liebevoll – eine nicht autorisierte Person an Board, die weder Dienstvertrag noch Erlaubnis oder Gesundschreibung hat. Dieser Jemand fliegt dann auch noch die Geheimwaffe des Oberkommandos. Und das alles liegt in meinem Verantwortungsbereich. Was glaubst du denn, was die sonst wollen, außer unsere Köpfe?“ Das waren nun Worte gewesen, die auch Colt verstanden hatte. Unliebsam schob sich ihm wieder in den Vordergrund, was sie sich auf der letzten Mission geleistet hatten. Den Luxus einer guten Lebensversicherung in Form von Fireball. Zur Not, das gestand sich Colt ein, wären sie auch ohne Fireball geflogen, aber was dann geschehen wäre, wagte er sich nicht einmal auszumalen. Vielleicht wären sie gnadenlos untergegangen gegen die Outrider und ihre übermächtige Skrupellosigkeit. Der Cowboy begriff nicht, weshalb die drei Ausschussmitglieder das nicht verstanden und es sich nicht ausrechnen konnten. Die drei mussten doch wissen, wie gefährlich ihre Arbeit war, und wie willkommen Hilfe immer war. Aber nichts da. Sie suchten nun einen Schuldigen und der hatte sich mit dieser Aktion auf dem Präsentierteller gezeigt. Saber. Der blonde Highlander war der kommandierende Offizier. Er trug alle Entscheidungen und musste sie vor dem Ausschuss gegebenenfalls auch verteidigen, egal, ob die Entscheidung im Konsens gefällt worden war oder nicht. Colt riskierte einen Schwenk auf April und Fireball. Wie clever war der Ausschuss wirklich? Sie waren mitten in der Nacht aus dem Bett getrommelt worden, wie lange würden die drei Herren wohl brauchen, bis sie erkannten, dass Fireball es nur von April erfahren haben konnte. Au weia, bei diesem Gedanken zog Colt sofort den Kopf ein, sie hatten sich alle in den Schlamassel geritten. Die nächste Ausschusssitzung, so kam Colt zu dem Schluss, wurde noch wesentlich unangenehmer als die letzte, das konnte er mit Sicherheit weissagen. Die Blondine hatte aufmerksam zugehört, mit jedem Wort war ihr unbehaglicher geworden. Gedanklich war sie schon längst wieder bei der Türe draußen. April erfasste bereits die Tragweite von Sabers Ausführungen. Die Freunde steckten noch tiefer im Sumpf als sie es ohnehin schon getan hatten. Vielleicht verlor nun nicht nur ihr Vater seinen Job, sondern auch Saber. Und wenn es ganz dick kommen sollte, würden auch sie und Fireball eins auf den Deckel bekommen. Unweigerlich rutschte April ein Stückchen näher an ihren Freund heran. Sie brauchte seine Nähe, denn in ihr keimte Angst auf. Was würde auf sie zukommen? Fireball stützte den Arm auf die Armlehne und legte den Kopf darauf. Seine Gedanken rotierten. Alles, was sein durfte, aber Saber durfte seinen Posten bestimmt nicht verlieren. Sie mussten sich etwas einfallen lassen und das schnell. Wieso hatte der ehrenwerte Säbelschwinger das nicht schon früher erwähnt? Fireball biss sich auf die Lippen und strich sich die Haare aus der Stirn, was absolut keinen Zweck hatte. Sofort fielen ihm die kurzen Strähnen wieder ins Gesicht und kitzelten ihn. Als er merkte, dass April näher zu ihm gerutscht war, strich er ihr behutsam, aber auch zaghaft über den Rücken und ließ seine Hand dort ruhen. Hinter ihrem Rücken, damit es niemand sah. Durch die kleine Geste bestärkt und nicht mehr so ängstlich wie noch kurz zuvor, nahm April schließlich allen das am nächsten liegende vorweg. Sie lehnte sich entspannter in Fireballs Hand und kräuselte die Stirn. Sie standen zu viert an dieser Front, das war sofort klar, aber: „Was ist mit Daddy? Wird er uns helfen?“ Auch Saber hatte die beiden Frischverliebten beobachtet. Sie agierten verhalten, beinahe, als dürften sie das nicht, was sie taten. Was fremde Menschen als Schüchternheit ausgelegt hätten, dem konnte Saber eine ganz andere Bedeutung entnehmen. Lange war es das gewesen, was Fireball und April sich gewünscht hatten, doch sie hatten sich tatsächlich nie berühren dürfen. Vor allem dem Rennfahrer merkte man deutlich an, dass er immer noch Commander Eagles mahnende Worte im Hinterkopf hatte. Welchen Schaden der Commander nur angerichtet hatte. Saber atmete tief durch. Commander Eagle. In dem Fall nun ihre einzige Rettung, wenn sie überhaupt noch jemand retten konnte. Bedächtig nickte Saber: „Ja. Commander Eagle steht auf unserer Seite. Er wird zumindest versuchen, uns Rückendeckung zu geben.“ „Und wie will er das anstellen?“, in dem Bezug fehlte April jegliche Idee. Sie hatte keine Ahnung, wie ihr Vater ihnen helfen wollte. Okay, helfen wollte er ja, aber ob er es konnte, war eine andere Frage. Die Geschichte nahm mittlerweile handfeste Formen einer Krise an. April verlor nicht nur den Glauben an das Gute, auch ihre Hemmungen. Seufzend sank sie vollends nach hinten, lehnte sich an die Schulter von Fireball und legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel. Sie brauchte seine Nähe jetzt mehr als sonst etwas auf Erden. Ja, das war ihre April. Fast schon zufrieden stellten Colt und auch Saber fest, dass April Fireballs Nähe genoss und auch brauchte, um nicht allzu nervös zu werden. Es störte weder Colt noch Saber, im Gegenteil. Die beiden freuten sich für das junge Paar. Als Saber merkte, wie der Rennfahrer die Berührungen von April weniger entspannend fand, als die Blondine, nickte Saber ihm bestätigend zu. Es war nichts dabei, sich mal im Arm zu halten, wenn andere dabei waren. Bestärkt und auch ermutigt von Saber fand sich kurz darauf Fireballs Hand um Aprils Schulter gelegt wieder. Dass Colt mal kommentarlos alles beobachtete, verlieh zusätzlich Mut, wie Saber feststellte. Sie würden es schon noch lernen. So schön der liebevolle Umgang auch mit anzusehen war, im Augenblick gab es Wichtigeres. Der Schotte schenkte sich und seinen Freunden ein Glas Limonade ein, während er den Plan erläuterte: „Commander Eagle versucht zumindest die Arbeitserlaubnis im Nachhinein aufzutreiben. Aber ich weiß nicht, ob er General Whitehawk schon erreichen konnte. Ansonsten wird er nicht viel tun können, die Sachlage ist zu eindeutig diesmal.“ April genoss die beruhigenden Bewegungen von Fireball. Ihre Anspannung fiel langsam wieder ab, zumindest in einem solchen Ausmaß, dass sie wieder rational und logisch denken konnte. Die Erlaubnis war nur die halbe Miete, deshalb bohrte sie weiter: „Und der Arzt?“ „Dr. Perry?“, verwundert fuhr Fireball hoch. Nie im Leben würde der alte Quacksalber eine Gesundmeldung rausrücken, schon gar nicht im Nachhinein. Das Donnerwetter beim letzten Arztbesuch klang ihm noch in den Ohren nach. Der gute Dr. Perry hatte sich als erstes nach seinem Rücken erkundigt und ob er ohne Operation besser geworden war. Leichtsinnig hatte Fireball daraufhin die Wahrheit ausgepackt, nur um dem Arzt im Oberkommando kurz darauf zu erklären, woher er die blauen Flecken und Abschürfungen hatte. Dr. Perry war zwar nicht an Dr. Shirota rangekommen, aber schimpfen konnte auch der Arzt aus Yuma wie eine Eins. „Du machst Witze, April!“, empört ließ sich Fireball vernehmen. Doch das Argument ließ April nicht gelten. Sie hatte gerade erst angefangen, sich Gedanken zu machen, da ließ sie sich von der erstbesten Aussage doch nicht gleich wieder ins Boxhorn jagen. Sofort versetzte sie dem ehemaligen Piloten: „Mit ihm dürfte das noch eher verhandelbar sein, als mit Dr. Shirota.“ Sarkastisch lachte Fireball daraufhin auf. Das war mal ein Argument von seiner Liebsten: „Wenn mein lieber Onkel Doc erfährt, was ich auf Yuma so treibe, lyncht er mich.“, aber Recht hatte sie. Dr. Shirota brauchten sie gar nicht erst zu fragen, der würde Fireball doch sofort wieder wegschicken. Fireball rückte seine Freundin etwas zurecht, damit er wieder bequem sitzen konnte, ehe er grüblerisch versuchte, eine brauchbare Idee zu liefern. Dr. Perry war damals schon sein Arzt gewesen, hatte ihn während seiner Zeit im Oberkommando selten bis nie krank geschrieben. Mit einem unsicheren Nicken bedeutete der Rennfahrer schließlich seine Zustimmung. Er wollte einen Teil dazu beitragen, um vor dem Ausschuss nicht unter zu gehen. Er bestätigte: „Ich werde Perry nachher gleich noch anrufen und ihn anbetteln. Die Arbeitserlaubnis wäre dazu hilfreich, wenn ihr versteht, was ich meine.“ Der Kuhhirte hatte sich die letzten Minuten aufs Zuhören beschränkt. Sein Kumpel war immer noch nicht aus der Haut gefahren, er fragte sich langsam ob Fireball irgendwelche Schmerztabletten einnahm, die auch beruhigten. Anders konnte er sich das Schauspiel gerade nicht erklären. Der Fährtenleser dachte angestrengt darüber nach. Die Arbeitserlaubnis und eine Gesundmeldung waren ein guter Ansatz, aber weil beides erst nachgereicht wurde, bezweifelte Colt, dass es den Ausschussmitgliedern nicht auffallen würde. Sie würden fragen, wenn nicht sogar verlangen, weshalb das alles erst im Nachhinein aufgetaucht war. Und dann gab’s da noch zwei klitzekleine Kleinigkeiten. Colt fuhr sich übers Gesicht, als er erschöpft in den Sessel sank: „Dann haben wir nur noch das Problem, wie wir erklären sollen, wieso sie Ramrod vor dem Ausbildungslager nur noch Teilchenweise aufsammeln können und warum das neue Quietschentchen nicht da parkt, wo es soll.“ „Quietschentchen?!“, drei so fragende und erstaunte Gesichter hatte Colt noch nie verursacht. Seine drei Kameraden sahen ihn an, als wüssten sie nicht, was er meinte. Dem Viehtreiber war sein Ausdruck jedoch logisch. Wie würde man das Ungetüm, den neuen Friedenswächter, sonst nennen, wenn nicht nach seinem Aussehen? Deswegen war der zerschossene Ramrod auch immer wieder von ihnen als großer Cowboy bezeichnet worden. Durften sie das mit dem neuen etwa nicht mehr machen? Fragend zog Colt seine Augenbrauen zusammen und deutete in die Himmelsrichtung, in der er das Oberkommando vermutete: „Na, der neue Friedenswächter eben. Gelb, groß und vor allem da, wo er nicht sein sollte. Schon vergessen?“ Da wich die Anspannung von den anderen dreien. Einen Moment lang hatten sie gedacht, er hätte wieder irgendwas gesehen, was sie nicht mitbekommen hatten. Colt würde es nie schaffen. In jedem Gespräch, egal wie ernst es war, brachte er unweigerlich alle zum Lachen. Während er April und Saber ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte, muckte der Rennfahrer auf. Bei technischen Geräten und Maschinen war er um einiges genauer, als es sein Freund war: „Der ist platinfarben, du Mustersöhnchen. Nicht gelb.“ Und auch April konnte sich nicht mehr zurückhalten. Sie witzelte: „Okay, ich glaube, wir haben bei der letzten Schlacht alle was abbekommen. Du ganz offensichtlich an den Augen, Colt.“ Beleidigt verschränkte Colt die Arme vor der Brust und drückte den Rücken in die Lehne. Die amüsierten sich aber auch immer nur über ihn, das war einfach nicht fair. Da war es besser, ihnen gleich wieder den Wind aus den Segeln zu nehmen. Colt war einerseits froh darüber, dass alle noch lachen konnten, andererseits aber war das Lachen gerade nicht angebracht. Sie hatten wirklich einen Haufen Ärger, der sie spätestens am Montag einholen würde. Etwas ungewöhnlich für ihn versuchte er nun, die Aufmerksamkeit wieder dem eigentlichen Thema zu zulenken: „Von mir aus, dann ist er platin. Der kann meinetwegen auch goldgelb oder lilablassblau sein. Der dämliche Kasten bedeutet eine Menge Ärger. Wie erklären wir den jetzt?“ Saber hielt sein Saftglas in Händen. Colts Frage war wie immer treffend genau auf den Punkt gebracht. Ohne Verschnörkelungen und ohne netter zu klingen, als es war. Dem Schotten graute schon vor Montag. Dass in letzter Zeit auch alles auf sie zurückfiel, was im Oberkommando schon seit Jahren so praktiziert wurde. Saber ahnte nichts Gutes dabei. Seit geraumer Zeit drängte sich ihm der Verdacht auf, dass sie an den berühmten Star Sheriffs ein Exempel statuieren würden, egal wie gut die Antworten auf die Fragen waren. Saber schluckte leicht: „Warum Ramrod nicht mehr existiert, lässt sich noch relativ einfach erklären, aber-.“, „Ja. Der ist vom neuen Friedenswächter über den Haufen geschossen worden. Ramrod war erstens nicht voll funktionsfähig und zweitens der kleinen Platinente“, dabei schenkte Fireball dem Scharfschützen einen fröhlichen Blick: „nicht gewachsen. Die können doch nicht ernsthaft glauben, dass unser Baby einem neuen Kampfschiff auch nur ansatzweise das Wasser reichen kann, überhaupt, wenn auf Ramrod weder die Steuerung richtig funktioniert hat noch die Challangephase. Da kann auch ein unausgebildetes, nicht autorisiertes Naturtalent wie ich keine Wunder vollbringen. Arbeitserlaubnis hin oder her!“ Fireball hatte Saber unhöflich unterbrochen. Aber wenn der Säbelschwinger schon von einer Erklärung anfing, dann war das wohl eher seine Aufgabe, als die des Schotten. Übertrieben weit ausholen konnten sie angesichts der Tatsachen dieses Mal ohnehin nicht. Es war was anderes, Beurteilung schön zu reden, als den schrottreifen Friedenswächter. Und das war eindeutig auf seinem Mist gewachsen. Das konnte ihnen der Ausschuss auch anders unter die Nase halten, wie Fireball frustriert schnaubte. Es war zum Verrücktwerden. Egal, wie sie es drehten und wendeten, der kommende Montag war eine Katastrophe. April fuhr sich nachdenklich durch die Haare und streifte sich ihren Haarreif ab. Wie viele Pluspunkte hatten sie überhaupt noch auf ihrem ‚Wir-sind-die-Besten’-Konto? April brachte einen weiteren Gedanken ins Spiel: „Was ist mit Tomas und vor allem mit Jesse? Gibt’s für die keine Bonuspunkte mehr?“ Zur Enttäuschung aller schüttelte Saber den Kopf: „Nein, den Bonus haben wir bei der letzten Sitzung schon verspielt. Und Tomas.“, wieder wanderten Sabers Augen zu Fireball. Allmählich dachte der Schotte, alles lief beim Rennfahrer zusammen, oder hatte mit ihm zu tun. Er versuchte den Gedanken beiseite zu schieben, denn er war nicht fair. Er konnte Fireball nicht die Schuld für den ganzen Schlamassel geben, auch, wenn alles irgendwie mit ihm zusammen hing. Saber senkte den Blick wieder auf den Tisch: „Tomas ist ein persönliches Problem von Fireball. Leider haben wir auch den gerettete Kadettenbonus vertan.“ Colt rümpfte die Nase. Prägnant fasste er Sabers Worte zusammen: „Okay, halten wir fest. Im Dienste der guten Sache haben wir erheblichen Sachschaden verursacht und uns über diverse kleine Regeln hinweggesetzt. Weder, dass wir Jesse Blue zum wiederholten Male einkassieren konnten, noch der Umstand, dass wir dem Nachwuchs den Hintern gerettet haben, hilft uns dabei. Schön, dann kriegen wir halt kein Danke dafür. Aber ich find’s richtig scheiße, dass es nichts zählt, das Richtige zu tun!“ Genervt griff Colt nach seinem Saftglas und leerte es in einem Zug. Guavensaft war es keiner gewesen, aber mit schnöden Orangensaft gab er sich auch zufrieden. Irgendwie regte es Colt maßlos auf, was da im Oberkommando grade ablief, vor allem, weil es seine Freunde und ihn direkt betraf. Klar, er war der Unbeteiligste daran, er war weder kommandierender Offizier, noch hatte er was getan, was er nicht hätte dürfen oder war der Grund für eine unehrenhafte Entlassung gewesen. Gott, er beneidete seine Freunde wirklich nicht. Aber er wusste auch nicht, wer ihm mehr leid tat. Alle drei Gestalten, wie sie da aneinander gereiht auf dem Sofa saßen, hatten ihr eigenes schweres Päckchen zu tragen. Saber nickte grimmig: „Amen.“ „Aber das ist nicht fair!“, entrüstet und verärgert straffte April ihre Haltung. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass es nicht viel Sinn machte, sich darüber nun aufzuregen, aber sie konnte ihre Gefühle nicht einfach an der Haustüre ablegen wie eine Jacke. Ihr Verstand und ihre Logik vermeldeten eindeutig: „Das können sie nicht machen. Es liegen mittlerweile alle Berichte vor. Sie können die offensichtlichen Punkte nicht einfach leugnen.“ Fireball griff nach Aprils Hand und zog die Blondine mit sanftem Druck wieder auf ihre Sitzfläche zurück. Wieder strich er ihr über den Rücken, dieses Mal offensichtlicher als beim ersten Mal. Ruhig widersprach er April. Der Ausschuss würde nun genau das sehen, was sie nicht hätten sehen dürfen: „Ja. Zum Beispiel ist es nun offensichtlich, dass ich nicht hier her gehöre.“, Fireball machte eine kleine Pause, seine braunen Augen blickten zum Schotten auf. Der Highlander hatte ein schweres Los gezogen: „Und für alles muss Saber den Kopf hinhalten.“ Davon ließ sich April dieses Mal nicht beruhigen. Ihr Gerechtigkeitssinn ließ dieses Argument nicht zu, weil es in ihren Augen nicht stimmte. Auch sie konnte stur sein. Vor allem in dieser Hinsicht. Ihr Vater hatte sie gelehrt, mit offenen Augen und einem guten Herzen durch die Welt zu gehen und niemanden ungerecht zu behandeln, deshalb sollten es auch alle anderen tun: „Aber sie können auch Tomas und Jesse oder die ganzen Kadetten nicht übersehen!“ Nüchtern zermalmte Colt Aprils nächstes Aufbegehren: „Nö, das nicht. Aber sie könnten auf die Idee kommen, dass der antike Ramrod noch in einem Museum bestaunt werden könnte, wenn wir einen gesunden Piloten gehabt hätten. Wenn weder die Erlaubnis noch eine Gesundmeldung vorliegen, werden sie unserem Matchbox noch das Riesenbaby in Rechnung stellen. Blöd, wie die sind.“ „Nur mal interessehalber, April.“, Fireball griff nach ihrer Hand und lächelte unsicher: „Was hat Ramrod in der Anschaffung gekostet?“ Gedanklich begann Fireball schon zu rechnen, welche Konten er auflösen musste und welche Sparschweine er überfallen musste, um den Friedenswächter bezahlen zu können. Colts blödsinniger Spruch war gar nicht so abwegig gewesen. Immerhin, und das war ganz klar, hatte er Eigentum der Kavallerie vernichtet, die konnten ihm das wirklich in Rechnung stellen, noch dazu, wo er sich unbefugt an Board befunden hatte. Grinsend hob Colt die Hand und versenkte Fireballs Idee gleich im nächst besten Mülleimer. Da gab es erstmal wichtigeres: „Spar dir dein Geld, Turbofreak. Zuerst muss mal der Arzt bestochen werden.“ Das alles war eigentlich nicht komisch, dennoch schmunzelten alle vier. Ihr Galgenhumor würde sie retten. Ebenso ihr starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Bei der letzten Ausschusssitzung hatten sie schon treffend bemerkt, dass sie eine Familie waren. In guten wie in schlechten Zeiten, dass sich die schlechten Zeiten gerade häuften, war Pech. Aber sie würden zueinander halten, das konnte ihnen kein Ausschuss des Universums nehmen. Das konnte ihnen niemand nehmen. „Fehlt uns nur noch eine einleuchtende Erklärung, wieso der neue Friedenswächter den alten zusammen geschossen hat und weshalb er nicht mehr auf Alamo zur Fertigstellung ist.“, April lehnte sich grüblerisch zurück. Sie konnten alles erklären, doch die Schilderungen würden nur noch mehr Fragen aufwerfen. Klar, sie waren die beste Einheit im Neuen Grenzland gewesen, seit jeher. Aber seit der vermeintlich letzten Schlacht waren inzwischen Jahre vergangen, alles hatte sich geändert und nun standen sie in der Schusslinie. Ihnen wurde unterschwellig schweres Fehlverhalten vorgeworfen, allen, auch wenn es der Ausschuss so nicht formuliert hatte. Saber lehnte sich ebenfalls zurück. Unbewusst strich er sich mit der linken Hand über seine angeschossene Schulter. Daran wollte er gar nicht denken, denn es war ein ehemaliger Kadett gewesen, der den neuen Friedenswächter gekidnappt hatte, damit Fireball und Ramrod abgeschossen hatte und jegliche Ordnung im Neuen Grenzland umkippen wollte. Aber recht erklären wollte Saber auch nicht müssen, wie Jesse Blue an den neuen Friedenswächter rangekommen war. Denn das fiel zwangsläufig auf jemand anderen im Team zurück. Niemand von ihnen hatte überhaupt gewusst, dass es einen neuen Ramrod geben würde, es kam nur eine Person dafür in Frage. Und zwar diejenige, die den ersten Friedenswächter bereits mitentwickelt hatte. Seufzend gestand Saber: „Wir werden alle zur Verantwortung gezogen. Sie werden die Ansicht vertreten, dass nichts von alledem jemals passiert wäre, wenn wir uns an die Vorschriften gehalten hätten, Leute.“ Ja, das war Saber, wie sie ihn alle kannten. Rational bis zum äußersten. Sachlich und inhaltlich korrekt, manchmal konnte man wirklich den Eindruck gewinnen, Saber würde das alles nur beobachten und nicht selbst mittendrin stecken. Colt bewunderte diese Gabe, wusste aber gleichzeitig, dass der Anblick immens täuschte. Das hatte man gerade vorhin gemerkt. Da wäre Saber beinahe ausgetickt. Genervt grummelte Colt schließlich: „Die verdammten Vorschriften. Jeder mit Kampferfahrung sollte wissen, dass man sich in der Hitze des Gefechts nicht immer an die Vorschriften halten kann. Dass man da nicht vergisst, wie man heißt, grenzt ja schon an ein Wunder!“ Der Rennfahrer nickte bestätigend, hatte aber noch einen Verbesserungsvorschlag zu Colts eben Gesagten anzubieten: „Ist alles schon passiert, wenn ich dich daran erinnern darf.“ Tatsächlich war es Fireball bereits passiert. Er hatte sich bei einem Gefecht Verletzungen zugezogen, die ihn hatten vergessen lassen, wer er war. Sein Gedächtnisverlust war eine harte Bewehrungsprobe gewesen, für alle Beteiligten. Wieder wandte er seine braunen Augen von Colt ab, hin zu Saber. Fireball bekam allmählich eine genaue Vorstellung vom nächsten Montag. Und die betraf vor allem zwei Star Sheriffs. „Wir“, dabei deutete er kurz auf Saber und sich selbst: „sollten uns gute Antworten einfallen lassen. Hauptsächlich wird es unser Problem werden, Säbelschwinger.“ Colt wollte gerade zu einer Rede ansetzen, was in Fireball gefahren war, doch noch ehe er den Mund aufbringen konnte, klingelte sein Telefon. Er würde Fireball wohl später nach den Tabletten fragen müssen. Behäbig stand Colt auf und entschuldigte sich: „Da klingelt’s in der Hose. Uno Momento.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)