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Move me

Teil VII der "Späte Erkenntnis"-Reihe
von

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Homesick again

So, und weiter geht's... Ich kann da doch nicht so vieles unbeantwortet lassen, das wäre zu grausam von mir, zumal da ja noch einiges kommen wird. Viel Spaß mit dem ersten Kapitel...
 

Ungeduldig tippte April auf ihren Konsolen herum. Die beiden Neuankömmlinge saßen wie selbstverständlich in ihren Satteleinheiten, hatten kein Auge für Größe und Details, wie sie murrend feststelle. Das hielt sie nicht aus. Klar, es war ein harter Kampf gewesen, sie waren alle müde, weil sie kaum geschlafen hatten, aber auffallen könnte es ihnen zumindest. Sie wartete noch einige Augenblicke und hoffte, dass Saber einen genaueren Blick auf ihren Untersatz warf, der sie nach Yuma zurückbringen würde. Aber nichts. Also drehte sie sich zu ihren drei Männern um und machte eine ausschweifende Handbewegung auf Colt und Saber zu: „Ist euch noch gar nichts aufgefallen?“

„Neben deiner Satteleinheit ist Blut.“, wie selbstverständlich schoss es aus Colts Mund hervor. Er war ein Scout und Fährtenleser und die Blutlache war ihm beim Eintreten sofort aufgefallen. Aber er hatte es nicht für wichtig angesehen. Wenn er das Vergnügen mit Jean-Claude gehabt hatte und Saber sich beinahe an Gattler die Zähne ausgebissen hatte, so war er sich doch zu tausend Prozent sicher, dass Jesse Blue und Tomas auch hier gewesen waren. Keine Party stieg ohne die neuen siamesischen Zwillinge.

Während Fireball den Friedenswächter sanft an Höhe gewinnen ließ, sah sich Saber aufmerksam um. Es hatte einen bestimmten Grund, weshalb April diese Frage stellte. Als Colt die Blutlache angesprochen hatte, hatte sich April genervt die Hand vor die Stirn geschlagen. Das hatte die Blondine also nicht gemeint. Je mehr er sich auf irgendwelche Details konzentrierte, desto verzagter wurde Sabers Gesichtsausdruck. An der Rampe unten hatte sich Saber gewundert, weshalb der Friedenswächter so seltsam glänzte, hatte es aber damit abgetan, dass Ramrod wahrscheinlich die oberste Lackschicht verloren haben könnte und deshalb das blanke Metall zum Vorschein gekommen war. Groß war ihm Ramrod vorgekommen, aber nur, weil er mit seinen Kräften am Ende war. Nun, da er sich zumindest wieder halbwegs gefangen hatte und sich die Brücke noch einmal genau ansah, stellte Saber immer noch eine Größe fest, die ungewöhnlich für Ramrod war. Stirn runzelnd warf er einen Seitenblick auf Colt. Dem war auch gerade ein Licht aufgegangen.

„Das ist gar nicht Ramrod!“, entfuhr es beiden wie aus einem Mund, als sie endlich hinter Aprils und Fireballs kleines Geheimnis gekommen waren.

Fireball schmunzelte in sich hinein. Ansonsten war er der Blitzmerker in dieser illustren Runde. Dass Colt ihm den Titel manchmal streitig machte, war nichts neues, aber dass auch Saber mal derart auf einer Leitung stehen konnte, war außergewöhnlich. April nickte zufrieden und drehte sich wieder ihrer Aufgabe zu.

Saber indes verfiel ins Grübeln. Das war nicht Ramrod. Sofort drängten sich ihm zwei Fragen auf, die er offen stellte: „Was ist mit unserem Ramrod passiert und was ist das für ein Vogel, wenn es nicht Ramrod ist?“

April grinste, die Frage gefiel ihr, denn Saber war ansonsten ziemlich helle. Gelöst und erleichtert, endlich alles überstanden zu haben, neckte sie: „Das, meine Herren, ist der neue Friedenswächter. Ramrod wurde von unserem Piloten in den Sand gesetzt.“

„Ihr habt keinen Piloten, schon vergessen?“, Fireballs Lächeln verschwand unverzüglich. Er war ein bisschen eingeschnappt, zuerst wollten sie ihn nicht dabeihaben und jetzt sollte er schön den Kopf für den Verlust des großen Cowboys hinhalten. Er fügte hinzu: „Ramrod ist von Jesse abgeschossen worden.“, er drehte sich zu April um und setzte ein gespieltes Lachen auf: „Meine Sachen sind nicht zufällig hier zu finden?“, er ließ April keine Zeit für eine Antwort, er wischte sein eigenes Argument sofort vom Tisch: „Ach, nein, warte! Ich war ja nicht mehr eingeplant, hätte ich jetzt beinahe vergessen.“

Colt fuhr sich durch die schweißnassen Haare. Hatte er sich auf dem Hinflug doch nicht getäuscht. Fireball war gekränkt, dass er tatsächlich konsequent weggelassen worden war. Es verwunderte den Scharfschützen, denn immerhin war Fireball weder gesund noch beim Oberkommando angestellt. Es tat ihm aber wahrscheinlich nur deswegen nicht gut, weil April diejenige gewesen war, die ihn weggekürzt hatte. Und da Colt nicht auf den Kopf gefallen war, konnte er sich auch vorstellen, dass das nicht das einzige war, was zwischen April und Fireball wieder zu Missverständnissen geführt hatte. Frustriert keuchte er, dass die zwei aber auch keine fünf Minuten einfach nur glücklich und dankbar sein konnten, sich endlich halten zu dürfen! Der Scharfschütze versuchte mit einem kleinen Scherz, die Debatte in eine andere Richtung zu schieben. Er wollte wieder was zu lachen haben und nicht hören, wie sich Fireball und April in die Wolle bekamen. Er grinste: „Ehrlich? Unser Baby ist in Flammen aufgegangen? Mann, dann will ich lieber doch nicht nachhause. Den Aktenberg will ich nicht bewältigen müssen, der dafür auf uns zukommt, Matchbox.“

Auch Saber stimmte mit ein. Er bekräftigte Colts Worte mit zusätzlichen Bedenken: „Das wird noch mehr Ärger geben, als wir beim Start schon hatten. Ist irgendwie unangenehm, daran zu denken.“

Sabers verzagtes Gesicht spiegelte alles wieder, was die vier am liebsten vergessen hätten. Einen Ausschuss, ein Pilot, der nicht an Board sein durfte und nun auch noch ein ganz anderes Schiff flog. Das konnte nur Schwierigkeiten im Oberkommando geben.

Fireball grummelte: „Ich kann ja viel erklären, aber nicht, wie ich an die Geheimwaffe des Oberkommandos gekommen bin.“

Colt zog die Mundwinkel nach oben. Mehr als Galgenhumor blieb ihnen eh nicht mehr übrig: „Wohl eher, wie du rein gekommen bist, in die Geheimwaffe mein ich. Au backe… Wir sitzen ganz schön in der Scheiße, wenn ich das so sagen darf.“

„Colt!“, halbherzig versuchte Saber, seinen Scharfschützen zu mäßigen. Aber eben nur halbherzig, weil dieser so prägnant wie immer den Nagel auf den Kopf traf. „Verdammter Mist ist das.“, Saber ließ seine Hände auf die Oberschenkel fallen. Irgendwas mussten sie dagegen doch unternehmen können. Der Schotte wollte sich den Ausgang dieser Schlacht nicht ausmalen, wenn Fireball nicht dabei gewesen wäre. Wieder grübelte er. Was konnten sie tun, um doch halbwegs unbeschadet aus der Angelegenheit raus zukommen? Saber legte die Stirn in Falten und senkte den Blick. Unbemerkt stützte er den Kopf auf die rechte Hand, was in dem Fall für die Schulter Schmerzen bedeutete. Irritiert wechselte Saber auf die linke Hand. Das war die Idee! Zumindest war es besser als gar nichts zu unternehmen und dieses Donnerwetter im Oberkommando einfach nur auszusitzen. Saber schnippte mit den Fingern und verkündete: „Eine Idee hätte ich da noch zum Anbieten, wie wir da noch rauskommen könnten.“

April drehte sich wieder Saber zu. Verzagt stellte sie fest, dass sie bei der Konstruktion des neuen Friedenswächters wieder mal vergessen hatte, wie unsympathisch es immer für sie gewesen war, wenn sie sich zu ihren Gesprächspartnern hatte umdrehen müssen. Aufmerksam hörte sie dem Säbelschwinger bei seinen Ausführungen zu, wie auch Colt und Fireball.

„Wenn wir es irgendwie schaffen, den General auf unsere Seite zu ziehen, könnten wir noch mal mit einem blauen Auge davonkommen. Aber wir brauchen auch die Hilfe von Commander Eagle.“, dabei sah er April bedeutungsvoll an. Sie musste mit ihrem Vater reden und ihn davon überzeugen, dass es richtig war, die Regeln mal wieder ein bisschen auszudehnen.

Mit neuem Mut nickte April: „Einen Versuch ist es wert.“

Und auch Colt war hellauf begeistert. Der alte Indianer hatte noch nie jemanden etwas abschlagen können, schon gar nicht den vier Freunden: „Der General wird uns bestimmt helfen, der lässt uns doch nicht hängen.“

Nur Fireball missfiel der Gedanke daran. Wenn sie die Hilfe von General Whitehawk gewiss haben wollten, mussten sie auch endlich mit der Sprache rausrücken und dem General erklären, weshalb Fireball nicht an Board sein sollte. Seine Begeisterung hielt sich in Grenzen, er wollte dem General nichts erzählen müssen. Denn es würde an ihm hängen bleiben, soviel stand fest. Fireball korrigierte den Kurs und seufzte: „Na, das kann ja ein heiteres Unterfangen werden.“

Saber zog die Augenbrauen bedenklich zusammen. Immer schoss einer quer, dass sich das nie ändern würde. Gedehnt brachte er ein einleuchtendes Argument vor: „So, wie ich das sehe, ist das unsere einzige Chance, die wir haben. Oder hast du einen besseren Vorschlag?“

Wenn er schon mit dem Vorschlag nicht zufrieden war, sollte er wenigstens mit einem Gegenvorschlag aufwarten können. Aber so, wie Saber seinen Piloten kannte, grämte der sich einfach nur, noch einen Mitwisser zu haben. Es war Fireball nach all den Jahren immer noch unangenehm und höchst zuwider, jemandem von seinen Erfahrungen zu berichten.

Und tatsächlich. Fireball hob die Schultern an, sein Unbehagen manifestierte sich in Sarkasmus: „Mein Erspartes reicht für eine Bestechung leider nicht mehr. Also nein, ich hab keine bessere Idee. Der General wird wissen wollen, warum ich nur noch Zivilist bin.“

Das war für Colt kein Grund, den General nicht um Hilfe zu bitten. Dafür gab es doch eine sehr simple Erklärung. Er hob die Hände und grinste: „Na, wegen dem Wisch vom lieben Onkel Doktor, weshalb denn sonst? Den schuldest du uns übrigens noch.“

Colt kam dabei nicht in den Sinn, dass Fireball die Entlassung gemeint haben könnte. Saber jedoch schmunzelte versöhnlich. General Whitehawk hatte Fireball doch eine Bescheinigung ausgestellt, die ihn dazu befähigte, ein halbes Jahr im Dienst des Oberkommandos zu stehen. Ob sich der gute General Whitehawk verschrieben hatte und das Datum vielleicht noch einmal änderte? Auch dem Schotten war nach Galgenhumor zumute und gerade hatte er die Chance, seinem Piloten seine Unvernunft noch einmal unter die Nase zu reiben. Das ließ er sich nicht nehmen. Er blies in das selbe Horn wie Colt: „Quatsch, die Krankmeldung hat er doch schon längst gebracht. Und Gesundmeldung kriegt der so schnell bestimmt keine.“

Colt nickte bestätigend. Das waren doch seine Worte: „Genau. Deshalb bist doch nur noch Zivi, oder nicht?“

„So ungefähr.“, Fireball keuchte frustriert. Er hatte einen anderen Zettel gemeint: „Weißt du, Viehtreiber. Da gibt’s noch einen anderen netten Wisch in meiner Akte. Der ist von Commander Eagle und nennt sich Kündigung.“, mit einem aufgesetzten Lächeln drehte er sich Colt zu und zwinkerte ihn an. Für ihn war weder das Thema Gesundheit witzig, noch die Fragestellung, weshalb er nur noch Zivilist an Board von Ramrod war.

Colt hingegen fand das amüsant. Der kringelte sich vor Lachen in seiner Satteleinheit, als er Fireballs Worte richtig stellte: „Der Zettel war deine unehrenhafte Entlassung, so viel Genauigkeit muss schon sein, Hombre.“

Colt war nicht der einzige, der das komisch fand. Neben und vor allem hinter ihm begannen auch Saber und April zu kichern. Genervt verdrehte Fireball die Augen: „Haha, sehr witzig!“, aber er ließ sich davon nicht aufhalten. Den schwarzen Humor seiner Freunde hatte er auch noch. Fireball machte eine ausschweifende Handbewegung und verdeutlichte mit einem gemeinen Unterton: „Macht nur weiter so und ich behaupte, dass ihr mich dazu“, seine Augen deuteten auf das riesige Schiff: „genötigt habt.“

Saber konnte sich das Lachen nun auch nicht mehr verkneifen. Er setzte noch einen drauf: „Klar, bei Aprils treuen Augenaufschlag konntest du ja schlecht nein sagen.“

Auch Colt stimmte in das Gelächter ein: „Ja, da kann dich jeder Mann verstehen, Kleiner.“

Die angesprochene Blondine nickte bestätigend. Auf ihre weiblichen Reize war Verlass: „Mein Augenaufschlag ist unwiderstehlich.“

Lachend setzte Colt seine Füße auf den Boden neben seiner Satteleinheit. Das war ein Heimflug ganz nach seinem Geschmack. Egal, wie tief die Tinte war, in der sie steckten, für dumme Scherze war immer Zeit. Er setzte noch einen drauf: „Dein Geklimper ist auch für Jesse Blue jedes Mal der Grund Ärger zu machen, Prinzessin.“

Fireballs Augen ruhten einen Moment auf Colt, ehe er ein schiefes Lächeln hervorbrachte. Noch ein Thema, von dem Fireball nicht reden wollte. Er brummte: „Er macht den Ärger und ich krieg ihn deswegen. Wirklich ganz toll.“

„Ach, komm schon, Matchbox!“, Colt schlug sich auf die Schenkel, er lachte immer noch. Okay, vielleicht hatte sein japanischer Freund mit dem Statement nicht so ganz Unrecht, aber genau genommen war das doch eine Bestätigung für Aprils Wirkung bei Männern.

April verließ ihren Platz. Sie hatte es satt, sich dauernd etwas zu verrenken, nur um mit ihren Jungs reden zu können. Sie stellte sich neben Sabers Satteleinheit, legte ihre Hand auf die Kanzel und blickte mit großen, treuen Augen in die Runde: „Ich kann meine Hände in Unschuld waschen. Bei meinem Augenaufschlag glaubt mir das jeder.“

Um dem Gesagten noch einmal Nachdruck zu verleihen schlug April die Augen in völliger Formvollendung nieder und machte ein unschuldiges Gesicht. Bei Saber und Colt zog es. Die beiden Männer nickten anerkennend.

Der Rennfahrer hingegen wandte sich von April ab. Für ihn war das alles kein ganz so großer Scherz, wie für seine Kollegen: „Und ich bin wieder der Sündenbock für alles im Oberkommando. Sehr schön, da sind die Rollen ja wieder richtig verteilt.“, Fireball schluckte bei dem Gedanken daran, einem Ausschuss wegen ihrem Ausflug hier Rede und Antwort stehen zu müssen. Abgekämpft schloss er einen Moment die Augen. Es war das Beste, sich in sein Schicksal zu fügen. Fireball öffnete die Augen und fuhr ernst fort: „Eins sag ich euch. Das war das definitiv letzte Mal, dass ich für den Verein hier tätig geworden bin.“

Sabers Lächeln gefror. Die doch heitere Stimmung war wie weggeblasen. Betreten sahen sich die Freunde an. Sie waren zu schnell wieder in der bitteren Realität gelandet. Der Schotte senkte den Blick, eigentlich hatte er etwas anderes gedacht: „Ich habe bis eben ehrlich gesagt noch geglaubt, dass du das für uns, insbesondere aber für April, getan hast.“ Als Fireball ihn nur mit einem seltsamen Ausdruck betrachtete, fügte er hinzu: „So kann man sich irren.“

Es war dem Schotten anzumerken, wie wenig ihm Fireballs letzte Worte geschmeckt hatten. Es hatte den Anschein bekommen, Fireball hatte lediglich seine Pflicht getan. Und das tat Saber in der Seele weh. Es war niemals für einen an Board nur reine Pflichterfüllung gewesen, auch immer ein Traum, für das Neue Grenzland zu kämpfen. Doch da hatte er sich getäuscht.

Der ernste Blick wechselte von Saber auf April, als Fireball trocken antwortete: „Das kann daran liegen, dass ich hier konsequent weg gestrichen wurde.“

Es war kein schönes Gefühl gewesen, zu sehen, wie gründlich man von einem Ort verbannt worden war, den man jahrelang sein Zuhause genannt hatte. Vor allem aber, weil April diejenige gewesen war, die Fireball aus ihrem Leben gestrichen hatte, war Fireball tief getroffen. Seine Frage hatte sie nicht beantwortet, sie machte keine Anstalten, dauerhaft bei ihm zu wohnen und auf Ramrod war er nun nicht einmal mehr geduldet worden. Es warf Fireball alles durcheinander, wieder einmal. Er glaubte langsam, auf jeden Schritt, den er endlich nach vorne machte, folgten zwei Schritte rückwärts. Als er bemerkte, wie betreten die Gesichter geworden waren, milderte er seine Aussage: „Ich werde euch immer helfen, das wisst ihr.“

April wollte das allerdings nicht mehr hören. Auf den Hinflug hatte Fireball schon seinen Unmut Kund getan, nach dem Kampf mit Jesse hatte er auch ein paar unangebrachte Kommentare bezüglich dem Verbleib seiner persönlichen Dinge abgegeben und nun rieb er ihr schon wieder ganz offen Salz in die Wunden. Ja, sie hatte alles aus Ramrod verbannt, was an ihn erinnert hatte, trotzdem hatte sie es niemals geschafft ihn zu vergessen. Und sie hatte es tun müssen. Fireball war kein Mitglied des Oberkommandos mehr, auf eine Rückkehr von ihm zu hoffen, wäre noch törichter gewesen, als ihren Vater nach dem Grund für die unehrenhafte Entlassung zu fragen. Sie hatte Fehler gemacht, das wusste sie selbst, aber Fireballs Worte taten ihr weh. Sie verzog böse das Gesicht: „Wie oft willst du mir das noch vorhalten, Fireball?“

„Das geht jetzt den ganzen Rückflug so!“, Colt lehnte sich in seine Satteleinheit zurück. Sein Gespür verriet ihm, dass gleich die Fetzen flogen. Offenbar konnte und wollte der kleine Japaner nicht verstehen, weshalb April ihn von Ramrod verbannt hatte und hakte darauf auch noch kräftig herum. Der Blondine wiederum tat es weh, immer wieder so offensichtlich auf ihre Fehler hingewiesen zu werden und nun war der Bogen beinahe überspannt.

Saber jedoch war schneller gewesen. Er hatte der Diskussion sofort ein Ende bereitet, bevor sie hatte ausarten können. Sie einigten sich darauf, General Whitehawk aufzusuchen, sobald dieser in Yuma eintreffen würde und sie würden Commander Eagle um Hilfe bitten. Fireball ließen sie am Stadtrand aussteigen, je länger sie dem Oberkommando vorspielen konnten, nur zu dritt gewesen zu sein, desto länger hatten sie ihre Ruhe. Der Flugschreiber und die Funksprüche würden sie ohnehin überführen. Aber vorerst war Tarnen und Täuschen angesagt. Mit viel Müdigkeit und einem knurrenden Magen landeten die drei Freunde wenig später auf dem Gelände des Oberkommandos.
 

Fireball kippte das Fenster im Bad, bevor er es frisch geduscht verließ. Er hatte so heiß geduscht, dass der Spiegel und das Fenster beschlagen waren, doch entspannend war der dampfende Schauer trotzdem nicht gewesen. Betreten schob Fireball die grüne Kletterpflanze, die auf dem Fensterbrettchen stand, etwas zur Seite und ging dann auf den Flur hinaus. Er trug bequeme Kleidung, einen asiatischen Tai Chi Anzug mit weiten Ärmeln und Hosenbeinen, und schlich durch die Wohnung. Auf dem Küchentisch lag die Post, die Laura wohl pflichtbewusst jeden Tag geholt hatte. Aber die interessierte Fireball gerade herzlich wenig. Sein Blick fiel auf die Bilder seiner Familie und von Haruto. Sie alle waren tot. Gestorben, noch bevor ihre Zeit gekommen war. Seine Mutter zuletzt. Fireball kniete sich vor den kleinen buddhistischen Altar. Es war kaum vier Monate her. Er vermisste sie und Haruto. An diesem Tag mehr noch als sonst. Auf Ramrod war ein Gefühl wieder aufgekommen, das sich seither nicht mehr wegdrängen ließ. Er fühlte sich fremd hier. Fremd auf Yuma. Ungewollt hatten ihm seine Freunde vermittelt, dass er weder nach Yuma noch auf den Friedenswächter gehörte. Gedankenverloren zündete er Räucherstäbchen an und stand auf.

Der Zimt- und Mandelduft der Räucherstäbchen durchströmte das sonnendurchflutete Wohnzimmer. Fireball sog den Geruch durch die Nase ein. Er schloss die Augen und senkte traurig den Kopf. Es erinnerte ihn an Zuhause. Doch es war weit weg. Er hatte kein Zuhause mehr. Sein Zuhause war mit seiner Mutter gestorben. Nun war er wurzel- und heimatlos. Schweren Herzens seufzte Fireball. Und niemand war mehr da, der ihm Geborgenheit vermittelte. Mit einem bekümmerten Blick schob er die Tür zur Dachterrasse auf und trat barfuss hinaus. Er blickte sich in seinem Reich um. Überall auf der Terrasse blühten die verschiedensten Blumen, auch in der Wohnung standen vereinzelt Orchideen auf den Fensterbänken. Die Wohnung war ordentlich und traf Fireballs Geschmack hervorragend. Doch er fühlte sich hier nicht zuhause. Noch war es eine befremdende Unterkunft für ihn, er hatte sich noch nicht daran gewöhnen können, dass es seine Wohnung war. Er fühlte sich wie ein Gast hier, so, wie die anderen ihn auch behandelten. Er war ein Gast. Gast, in einem fremden Land und von seinen Freunden lediglich geduldet.

Er lehnte sich mit den Unterarmen auf die gemauerte Terrassenbrüstung und beugte sich nach vor. Unter ihm tobte das Leben. Yuma war voller Leben, immer hektisch und auf den Beinen. Diese Stadt schlief nie. Aber es war eine grüne und saubere Stadt. Überall waren Bäume gepflanzt worden, in regelmäßigen Abständen gab es Parks und Ruhezonen. Fireball war in eines der reichen Viertel gezogen, nicht direkt ins Zentrum. Das merkte man deutlich an dem luftigen Baustil in dieser Umgebung. In der Stadtmitte drängte sich ein Gebäude an das nächste, öffneten sich die Häuserschneisen nur für Straßen. Hier war ab und an auch mal ein Grünstreifen zu finden. Fireball stieß die Luft aus. Jaja, das West End. Es war weit weg vom Oberkommando, das beinahe am anderen Ende der Stadt lag. Ob die drei ihr kleines Geheimnis bewahren konnten? Fireball ließ den Kopf hängen. Wo gehörte er hin? Wo war bloß sein Platz im Leben, wenn er doch offensichtlich nicht an Board des Friedenswächters gehörte, keine Rennen mehr fahren durfte und auch keine Aussichten darauf hatte, bei der Polizei von Yuma irgendwann aufgenommen zu werden. Und offenbar gehörte er auch nicht an Aprils Seite, zumindest nicht so, wie er es sich gewünscht hatte. Es war schrecklich und drückte aufs Gemüt.

Erschrocken fuhr Fireball aus seinen Gedanken hoch. Es hatte geläutet. Leise schlich er wieder hinein, durchs Wohnzimmer zur Wohnungstür. Wer konnte das sein? Er rechnete nicht mehr mit seinen Freunden, die hatten recht kleine Äuglein gehabt, als sie ihn abgesetzt hatten. Und alle hatten einen guten Grund, nach der Landung sofort nachhause zu fahren. Etwas ahnungslos öffnete er die Tür und blinzelte in Aprils Gesicht. Verblüfft stieß er die Tür ganz auf und bat seine Freundin herein: „Weshalb klingelst du? Du hast doch einen Schlüssel für die Wohnung?“

Unsicher trat die Navigatorin ein. Sie hatte sich auf dem Heimflug nicht mehr wohl gefühlt. Nicht nur, weil Fireball alte Wunden aufgerissen hatte, sondern auch weil sie zusehen hatte können, wie Fireball auf dem Rückflug immer ruhiger und betrübter geworden war. Sie sah an Fireball hinab. Er stand barfuss vor ihr, in einer völlig fremden Kleidung. So etwas hatte er noch niemals zuvor getragen, es sah irgendwie seltsam aus. Aus dem Wohnzimmer strömte der Duft der Räucherstäbchen, der April sofort in die Nase stieg. Auch das hatte er bisher noch nie getan. In Fireballs Wohnung waren nie Kerzen angezündet worden, schon gar nicht welche, die so süßlich und schwer rochen.

April schlug die Augen nieder und starrte auf ihre Füße, als sie gestand: „Na ja, ich dachte, es wäre dir heute nicht mehr gar so recht, wenn ich unangemeldet bei dir in der Wohnung stehe.“

Die Blondine traute sich noch nicht einmal, ihre Schuhe am Eingang auszuziehen. Sie hatte ein unbehagliches Gefühl, als ob Fireball sie gleich wieder rausschicken würde. Sein Blick war undefinierbar, wie so oft schon zuvor, wenn Kummer und Schmerz an ihm nagten.

Fireball nickte lediglich und drehte sich von der Eingangstür weg. Ihm war nicht wirklich danach, jemanden zu sehen. Aprils Auftauchen konnte er ebenso wenig begrüßen wie einordnen. Sie verhielt sich wie ein Besucher, hatte geklingelt.

„Ich…“, April griff nach der Tür und ging einen Schritt zurück. Fireball wollte sie nicht hier haben: „Dann geh ich mal besser wieder. Ich ruf dich an.“

Ihr Gefühl hatte sie nicht im Stich gelassen. Schweren Herzens drehte sich April weg und war im Begriff, Fireballs Wohnung zu verlassen. Sie senkte den Kopf und kämpfte mit den Tränen. Sie hatte doch nicht anders handeln können. Ihr war klar, dass es Fireball verletzt hatte, aber ihr selbst ging es im Moment auch nicht unbedingt besser. Eben weil sie sah, welche Krise es zwischen ihnen heraufbeschworen hatte, hätte April am liebsten losgeheult. Sie liebte Fireball, nach und trotz allem, was in den letzten Jahren nach dem Krieg vorgefallen war. Endlich hatten sie zueinander gefunden und nun schien es, als zerplatze ihr sehnlichster Wunsch an etwas, was selbstverständlich war. April ließ die Schultern hängen, sie fühlte sich hundeelend.

„Bleib da.“, Fireball war in der Wohnzimmertür stehen geblieben. Aber er hatte dem Flur den Rücken zugedreht. Er kannte April. Sagte sie, sie würde gehen, dann tat sie das auch. Aber das wollte er eigentlich nicht. Er hatte die Hoffnung, sich wieder besser zu fühlen, wenn sie bei ihm war. In so vielen schweren Stunden war sie ihm beigestanden, da konnte ein bisschen Trost nun auch nicht schaden. Vielleicht, so seine Annahme, würde sie ihm das Gefühl des Nicht-Willkommen-Seins durch ihre bloße Anwesenheit nehmen. Er horchte gespannt, ob April die Tür wieder schloss, doch die Blondine schien sich nicht gerührt zu haben. Weder in noch aus der Wohnung. Deshalb murmelte er bedrückt: „Bitte.“

Seufzend setzte er seinen Weg auf die Terrasse fort. Vielleicht kam April ihm nach, wenn sie es sich überlegt hatte. Warum war es so unerträglich still in seiner Wohnung? Das drückte ihm nur noch mehr aufs Gemüt. Deshalb blieb er kurz vor der Stereoanlage stehen und machte leise Musik. So konnte er seine Gedanken etwas ablenken, sie würden sich nicht mehr im Kreis drehen.

April war wieder in die Wohnung gekommen und hatte die Tür geschlossen. Als sie sich die Schuhe auszog, hörte sie dumpfe Musik aus dem Wohnzimmer. Auch das war ihr fremd. Asiatische Klänge, mehr klassisch als modern erfüllten den Raum. Melancholisch und schwermütig fühlte sich das Zusammenspiel der traditionellen Musikinstrumente an. April zog sich das Herz zusammen. Es klang so befremdend für die Blondine und dieser Eindruck verstärkte sich mehr und mehr, als sie ins Wohnzimmer trat. Es waren Räucherstäbchen gewesen, die der Wohnung diesen schweren Duft aufgezwungen hatten. Aprils Blick fiel auf die Fotos und die Räucherstäbchen, die beinahe abgebrannt waren. Plötzlich bekam das Wohnzimmer ein ganz anderes Gesicht. War April früher davon ausgegangen, dass das Wohnzimmer, so wie die ganze Wohnung, einfach nur schlicht eingerichtet worden war, so fühlte sich April gerade in eine völlig fremde Kultur gesetzt. Beinahe, als würde sie sich nicht in Yuma befinden. Und als würde sie nicht in einer Wohnung stehen, die ihrem Freund gehörte. Seit Fireball hier eingezogen war, zumindest wenn sie hier gewesen war, hatte er niemals Räucherstäbchen angezündet, hatte niemals asiatische Musik gehört und hatte niemals einen traditionellen Trainingsanzug mit Froschknöpfen getragen. Sie hatte nie gesehen, wie viel Heimat und Tradition in ihm schlummerten. April eiste ihre blauen Augen von Shinjiros Bild los und trat auf die Terrassentür zu. Fireball stand an der Brüstung und hielt sein Gesicht Richtung Himmel. Die Augen waren geschlossen. Es schien, als würde er sich im Gedanken nach Japan zurückflüchten.

April stellte sich neben Fireball. Sie legte die Hände auf die gemauerte Brüstung und blickte auf die Stadt hinunter. Die Blondine traute sich gerade nicht, ihn anzusehen. Sie konnte nicht sagen, wie lange sie neben ihm gestanden hatte, ohne sich zu bewegen, ohne näher zu ihm zu rutschen. Denn das hätte sie am liebsten getan. April wollte Fireball nahe sein, wollte seine Wärme spüren, doch sie hatte sich nicht getraut, sich an ihn zu schmiegen. Stattdessen stand sie neben ihm, wie eine Fremde, mit gehörig viel Luft zwischen ihnen. April ertrug es nicht länger. Wenn er sie noch länger anschwieg, würde sie neben ihm auf den Boden brechen. Deshalb hauchte sie schließlich: „Wie fühlst du dich?“

Es war besser, als gar nichts zu sagen. Aber April wollte sich schon wieder auf die Lippen beißen. Offensichtlicher als jetzt konnte Fireball nicht zeigen, wie er sich fühlte und sie fragte ihn auch noch danach.

Fireball senkte den Kopf und öffnete endlich die Augen. Weder die Atemübungen noch Aprils Anwesenheit hatten etwas geholfen. Er war aufgewühlt, durcheinander und hatte zum ersten Mal überhaupt in seinem Leben Heimweh. Aber Heimweh wonach? Es gab kein Zuhause mehr, in dem er Zuflucht hätte finden können. Er blinzelte zu April hinüber, als er sie anlog: „Ich bin ein bisschen müde, aber sonst…“

In jedem anderen Fall hätte April Fireball sofort dieser Lüge überführt. Doch gerade war es nicht klug, ihn darauf auch noch hinzuweisen, wie schlecht er gelogen hatte. So nickte April lediglich und drehte sich von der Brüstung weg. Sie bestätigte: „War ein harter Kampf, ja.“, kurz riskierte sie es, in seine braunen Augen zu sehen, doch sofort schlug sie den Blick wieder nieder. April stieß sich ab und deutete nach innen: „Darf ich etwas zu trinken haben?“

Sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen sollen. Es fiel ihr so unglaublich schwer ein Gespräch mit Fireball zu beginnen. Denn ihm stand der Sinn nicht danach, ansonsten wäre er ihrer Frage nie ausgewichen. Als Fireball sie aufforderte, sich ruhig zu bedienen, eilte die Blondine in die Küche. Sie vergrub ihren Kopf förmlich im Kühlschrank, als sie nach einen Saft suchte. Die Kühle tat ihr gut, sie bekam wieder einen klareren Kopf. Sie schenkte sich ein Glas ein und bereitete gleich ein zweites vor. Fireball würde sicherlich auch gerne etwas trinken. Sie schmunzelte leicht, als sie den Guavensaft wieder schloss und im Kühlschrank verstaute. Das Getränk hatte Colt ihnen in jahrelanger Kleinarbeit schmackhaft gemacht. Jedes Mal, wenn der Kuhhirte mit Einkaufen dran gewesen war, hatte er das Zeug literweise mitgebracht. Und nun fand es sich in jedem Kühlschrank, auch bei Saber.

Nachdem sie einen Schluck genommen hatte, hatte sie neuen Mut gefasst. Sie musste nur den Mund aufmachen und sagen, was sie fühlte, dann konnte das alles nicht so schlimm sein. Es würde jedenfalls kaum besser werden, wenn sie sich weiterhin anschwiegen und all ihren Kummer im Herzen trugen. Dadurch konnte es maximal schlimmer werden und ihre Beziehung völlig zerstören, aber weder ihr noch ihm würde es dadurch besser gehen.

April stellte die beiden Gläser auf den Tisch auf der Dachterrasse und trat wieder neben Fireball. Er lehnte immer noch an der Brüstung, den Blick über die Skyline Yumas. April nahm all ihren Mut zusammen: „Was genau hast du erwartet, auf Ramrod zu finden, Fireball?“

Die Augen des jungen Japaners blickten immer noch in die Ferne, aber sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Es strahlte nun ganz offen aus, wie bedrückt Fireball war. Heiser begann er: „Ich weiß auch nicht genau. Mir ist schon klar, dass ich nicht mehr eingeplant war. Aber ich war auch einmal Teil dieses Teams und habe dort gewohnt.“, Fireball ließ den Kopf hängen und fuhr sich durch die noch feuchten Haare: „Ramrod hat ausgesehen, als hätte ich niemals einen Fuß dorthin gesetzt.“, er schluckte, denn das war der eigentliche Grund, weshalb er sich nicht gut fühlte, was Ramrod betraf: „…Schon beim letzten Mal.“

April hielt den Atem an. Sie verstand, was Fireball meinte. Bei der letzten Mission hatten sie seine Hilfe angefordert, hatten ihn an Board haben wollen, doch eine warme Begrüßung hatte anders ausgesehen. Obwohl alle drei nur mit Fireball hatten fliegen wollen, war niemand auf die Idee gekommen, das vierte Zimmer wieder einzuräumen oder Fireballs Essbesteck wieder an Board zu holen. Und nachdem sie als Freunde wieder auf Yuma gelandet waren und Fireball sogar wieder in ihre Nähe gezogen war, hatte er gehofft, wieder fixer Bestandteil der Crew zu sein. Sie konnte ihn verstehen, endlich erkannte sie, wie grausam es gewesen sein musste, zu erfahren, dass sich nichts geändert hatte. Dieses Mal war ihm sogar ganz offen gesagt worden, er habe auf Ramrod nichts mehr zu suchen. April griff nach seiner Hand: „Beim letzten Mal… Das war also der Wunde Punkt. Es war die Zeit der größten Missverständnisse zwischen uns.“

Als ob er sich verbrannt hätte, zog Fireball seine Hand zurück und schloss die Augen: „Es war schmerzhaft.“, kopfschüttelnd korrigierte er sich: „Nein. Es ist schmerzhaft.“

Der Rennfahrer machte sogar einen Schritt von April weg. Ihre Berührungen taten weh. Er füllte seine Lungen mit Luft und stieß sie schwermütig wieder aus. Seine kraftlose Körperhaltung unterstrich sein Geständnis: „Ich fühle mich, als würde ich nicht hierher gehören.“

„Wie meinst du das, nicht hierher?“, verwirrt strich sich April die Haare hinter die Schultern und hielt sie dort fest. Mit großen Augen verfolgte sie Fireballs Bewegungen. Es behagte ihr nicht.

Traurig kehrte Fireball der emsigen Stadt den Rücken und lehnte sich gegen die Brüstung. Jetzt musste er April auch das noch erklären. Sie stand hier neben ihm, und wusste ebenso wenig, was sie nur sagen sollte, wie er. Doch es gab einen gravierenden Unterschied im Moment zwischen den beiden. Während April sich nach seinen Berührungen sehnte, von ihm in den Arm genommen werden wollte, konnte es Fireball gerade schlichtweg nicht ertragen, berührt zu werden.

Erstickt flüsterte er: „Es kommt mir so vor, als würde ich nicht nach Yuma gehören, nicht zu euch… oder zu dir.“, dabei drehte sich Fireball immer weiter von April weg. Er war so enttäuscht und verletzt, nicht zu April zu gehören, dass ihm das Herz gleich in zwei brach. Er war ihretwegen nach Yuma gezogen, hatte seinen Job in Tokio sausen lassen, nur um bei ihr sein zu können. Und nun stand er hier. Hatte nichts. Er hatte keinen Job, fühlte sich hier nicht willkommen und war nicht im Stande, der Frau, die er liebte, das zu geben, was sie wollte.

Tränen standen April abermals in den Augen. Das hatte sie nicht ahnen können. Für ihn hing alles zusammen, die Blondine hatte immer alles fein säuberlich getrennt. Ramrod war etwas ganz anderes für sie, als zuhause. Das hatte sie nicht bedacht. Für April war es selbstverständlich gewesen, dass Fireball nach Yuma gehörte, ihrer Ansicht nach war er sowieso kein richtiger Japaner. Aber wie sie heute gemerkt hatte, war das die falsche Annahme gewesen. Sie hatte niemals Bedenken gehabt, dass Fireball sich auf Yuma nicht einleben könnte, wo er doch früher schon hier gewohnt hatte. Und was ihr erst recht nie in den Sinn gekommen war, war die Tatsache, dass sie ihm das Gefühl vermittelt haben könnte, er gehöre nicht zu ihr. Voll gepackt mit Schuldgefühlen versuchte sie nun, Fireballs Aussagen zu entschärfen: „Das ist so nicht ganz wahr.“, April rutschte ein Stück weiter zu ihm auf. Weshalb nur suchte Fireball immer den Abstand, wenn er traurig oder bekümmert war? April war da das genaue Gegenteil, wie sie merkte. Sie brauchte dann ganz dringend Halt und Zuspruch, am besten ging das nur, wenn sie die körperliche Nähe dabei spüren konnte. Aber Fireball war da nicht so. Nach seinem Selbstmordversuch und nach dem Tod seiner Mutter hatte er sich verschlossen und niemanden an sich heran gelassen. Und nun tat er es schon wieder. April begriff langsam, dass Fireball das nicht nur ein bisschen störte, sondern ihn enorm belastete. Sie strich ihm über die Schulter, als sie ihm erklärte: „Shinji, du bist kein Star Sheriff mehr und du bist noch weit davon entfernt, endlich wieder gesund zu sein. Das, und nichts anderes sind die Gründe, weshalb wir dich nicht auf Ramrod sehen wollten. Es war viel zu gefährlich für dich.“, April trat vor ihn und sah Fireball fest in die Augen. Ihre blauen Augen schimmerten, sie füllten sich mit Tränen, je bewusster ihr wurde, was auf diesem Einsatz noch hätte passieren können: „Jesse Blue hätte dich umbringen können. Du hättest bei diesem Einsatz sterben können. Aber nur, weil wir dich nicht mitnehmen wollten, heißt das noch lange nicht, dass wir dich hier auf Yuma nicht haben wollen, dass ich dich nicht bei mir haben will.“

Fireball drückte sich an April vorbei und begann, unruhig auf der Terrasse hin und her zu tigern. Immer wieder fuhr er sich durch die Haare und richtete sein Hauptaugenmerk auf die Holzplanken, auf denen er schritt. Unvermittelt platzte es aus ihm hervor. Verstimmt und gleichzeitig todunglücklich erklärte er April, wie er sich dadurch gefühlt hatte, was es für ihn bedeutet hatte, von Colt als ‚Krankenständler’ tituliert zu werden: „Ich komm mir zum Altenteil gelegt vor.“, bedrückt blickte er an sich hinab und wimmerte: „Aber das will ich nicht. Ich hab’s satt, ich will kein Krüppel mehr sein!“

April zuckte zusammen. Fireball war im Vergleich zu vorhin richtig laut geworden, damit hatte sie nicht gerechnet. Und sie war zutiefst erschüttert über die Worte, die Fireball gerade ausgesprochen hatte. Zum letzten Mal hatte ihr Vater Fireball einen Krüppel genannt und das rief schlimme Erinnerungen in ihr wach. Ihr Herz krampfte sich zusammen, noch ein Ton in diese Richtung und April würde auf die Knie brechen und losheulen. Es tat ihr so weh. Ein letztes Aufbäumen würde ihr vielleicht helfen, ihren Gefühlssupergau zu verhindern. April schritt geradewegs auf Fireball zu und stellte sich ihm in den Weg. Seine Umtriebigkeit machte sie zusätzlich nervös. Sie hielt ihm die offenen Handflächen hin, hatte sich fest vorgenommen, ihm in die Augen zu sehen, doch das konnte sie nicht. Ihre blauen Augen hingen an seinen blanken Füßen. Sie hauchte: „Aber das bist du doch gar nicht, Shinji. Du sitzt nicht mehr im Rollstuhl. Wir wollen doch bloß nicht, dass du durch einen neuerlichen Unfall wieder an den Rollstuhl gefesselt bist.“

„Aber so komm ich mir vor!“, hilflos riss Fireball die Arme in die Höhe und sah April an. „Genauso komm ich mir vor, wie ein Krüppel. Ich hab weder meine Fahrerlaubnis, noch eine gültige Rennlizenz.“ Fireball verzog schmerzlich das Gesicht: „Die Polizei von Yuma hat mein Versetzungsgesuch abgelehnt, eben weil ich keinen Außendienst machen darf. Und nicht einmal mehr auf Ramrod darf ich helfen.“

Fireball schluckte unweigerlich. Er hatte nicht so laut sein wollen, aber er fühlte sich, als müsse er den ganzen Kummer einfach hinausschreien. Es kränkte den ehemaligen Piloten immens, einfach auf die Ersatzbank geschoben worden zu sein. Nachdem er sich in Tokio so hervorragend bei der Polizei eingearbeitet hatte und kurz vor seinen Examen zum Kriminalkommissar gestanden war, war ihm durch seinen Umzug wieder jegliche Basis, selbständig zu sein, entzogen worden. Sein Versetzungsgesuch war ohne nachzufragen einfach abgelehnt worden, nur weil er nicht am Außendienst teilnehmen durfte. Sein Rücken, sein verdammter Rücken erstickte jede Chance, ein normales Leben zu führen, im Keim. Es war zum Heulen.

Alarmiert griff April nach Fireballs Hand. Wenn sie ihm nun nicht zeigte, dass sie da war, dass sie zu ihm halten würde, würde er einbrechen. Die Blondine umschloss seine Finger so fest, dass er seine Hand nicht mehr zurückziehen konnte. Ganz wohl war ihr dabei nicht, aber es schien das einzig richtige zu sein. Sie würde ihn halten, gerade jetzt, wo er sie brauchte. Zärtlich zog sie ihn zu sich und fuhr ihm mit den Fingerspitzen hinter dem Ohr am Hals entlang. April spürte seine Haarspitzen und die Gänsehaut auf seiner Haut. Nun schlang sie ihre Arme um ihn, schmiegte ihre Wange an seine und hauchte: „Hab doch bitte Geduld und warte, bis dir die Ärzte das Okay geben. Wir sind alle da und helfen dir, so gut wir können. Ich bin da.“

„Weshalb bist du dann nicht bei mir?“, hilflos erwiderte Fireball ihre Umarmung. Er versteckte sein Gesicht in ihren Haaren, sie sollte nicht sehen, wie er gerade zu weinen angefangen hatte. Der Japaner fühlte sich so einsam und haltlos. Alles, was er jemals gewollt hatte, hatte er verloren. Er hatte keine Familie, die ihm den Rücken stärkte und auch die Freunde standen nicht hinter ihm. So schien es ihm zumindest. Fireball kam sich klein und winzig vor. Er war ganz alleine. Seine Mutter war tot, gestorben ohne sich von ihm zu verabschieden. Hiromi Hikari hatte ihren Sohn alleine gelassen. Warum nur hatte er seine Mutter verloren? Seit der Beerdigung hatte er die Gedanken daran konsequent zur Seite geschoben, doch zu allem Unglück brachen sie nun über ihn herein, wie ein Tropensturm. Er war der letzte Hikari. Niemand war ihm aus seiner Familie geblieben. Er hatte keine Familie mehr, das wurde Fireball so schmerzlich bewusst. Er schämte sich für seine Tränen, für seine Hilflosigkeit und die Gefühle, die in ihm hausten.

April zog Fireball unweigerlich noch näher zu sich. Sie verstand nicht, was er meinte, sie war doch hier. Sie war hier bei ihm. Die Blondine spürte das leichte Zittern, das ihr verriet, was sie nicht sehen konnte. Fireball weinte hilflose und bittere Tränen. Da war die Fassade des mutigen und unabhängigen Rennfahrers ein weiteres Mal wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Sie schmiegte sich an Fireball, ihre Hände strichen ihm beruhigend über den Rücken: „Aber ich bin doch da.“

Zitternd griff Fireball um Aprils Taille und schüttelte den Kopf: „Nein…“

April konzentrierte sich voll und ganz auf Fireball. Sie fühlte sein Zittern, hörte seine unruhige Atmung, atmete seinen Geruch ein. Sie achtete auf jede noch so kleine Bewegung ihres Gegenübers. April hatte plötzlich Angst um Fireball bekommen. Er schwieg immer so lange, wenn ihn etwas bedrückte, ließ sich nichts anmerken und schluckte alles hinunter, bis er unter der selbst auferlegten Last beinahe zugrunde ging. Sie versuchte, ihm einen Teil der Last abzunehmen, auch wenn sie gerade nicht wirklich eine Idee von dem eigentlichen Problem hatte: „Doch. Ich bin hier. Hier bei dir. In deiner Wohnung.“, die Blondine brachte sich selbst auf des Rätsels Lösung. Solange sie sich erinnern konnte, hatte Fireball nicht alleine gelebt. Nun war es so, dass Laura ohnehin die meiste Zeit bei Saber verbrachte und April nur gelegentlich bei Fireball blieb. Er wollte sie so bei sich wissen. Sie sollte nicht nur jetzt gerade bei ihm sein, sondern auch noch etwas länger. April griff mit ihrer linken Hand nach seinem Hinterkopf und vergrub ihre Finger in seinen Haaren: „Nur nicht oft genug. Das ist es, oder?“

Fireball nickte leicht, er versuchte sich wieder zu beruhigen: „Ich bin hergezogen, weil ich bei dir sein wollte. Aber“, Fireball schluckte die Tränen hinunter: „wir sehen uns kaum. Ich bin hier allein.“

Die Wohnung war ihm immer noch fremd. An vielen Tagen und manchmal auch Nächten war er alleine hier. Es war oft unerträglich still. In manchen Nächten, wenn April wieder bei sich zuhause schlief und Laura auch auswärts blieb, hielt er es im Bett nicht aus. Dann nahm er sein Kopfkissen und eine Decke und legte sich in die Hängematte auf der Terrasse. Er sah in das Firmament und verschwendete alle Gedanken an seine Sehnsüchte. Sehnsüchte, die so weit entfernt waren, wie die Sterne.

Die Blondine begann, Fireball die Kopfhaut zu kraueln. Sie stand so dicht bei Fireball, wie sie nur konnte, ihre Sorgen wurden dadurch aber auch nicht besser. Sie fand immer noch keinen richtigen Zusammenhang, deshalb forderte sie ihn mit sanfter Stimme auf: „Worauf willst du hinaus?“

„Ich hab hier niemanden.“, so fühlte es sich für Fireball oftmals an. Er wusste nicht, wie er April erklären sollte, dass er sie bei sich haben wollte, mehr als nur sprunghaft? Er griff ihre Worte auf und verdeutlichte ihr somit, was er sich wünschte: „Ich habe niemanden, der mit mir auf das Okay vom Arzt wartet.“

Darauf gab es nur eine Antwort: „Soll ich bleiben? Ist es das, was du willst?“

Die Blondine hatte gerade begriffen, dass es nicht darum ging, ob sie jetzt hier war. Es ging um einen beträchtlich größeren Zeitraum und um etwas, was ihre Beziehung ernsthafter werden ließ. Der junge Polizist wollte seine Freundin bei sich in der Wohnung wissen, sie um sich haben, wenn sie nicht arbeiten musste. April hätte es wissen müssen. Schon als er sie vor der Ausschusssitzung als seine zweite Seele bezeichnet hatte und sie darauf hingewiesen hatte, dass er sich die Wohnung aus nur einem Grund gekauft hatte, hätte sie ihn verstehen müssen. Er hatte sie indirekt gebeten, seine Frau zu werden, das hatte sie sofort begriffen, aber nicht, dass das hieß, dass er mit ihr zusammen leben wollte. Sie zu jeder Tages- und Nachtzeit um sich haben wollte. Sie war so dämlich! April griff fester um Fireball. Schlussendlich konnte auch sie jetzt nachfühlen, was Fireball wollte und brauchte.

Er legte sein Kinn auf ihre Schulter. Aprils Nähe gab ihm gerade Geborgenheit, ihre Streicheleinheiten wischten die Ängste beiseite. Aber eines gab ihm April nicht. Sie konnte ihm das Gefühl nicht nehmen, alleine gelassen worden zu sein. Nicht zuletzt ihre Worte hatten das ausgesprochen. Sie hatte es nicht absichtlich getan, das war Fireball klar geworden. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass er alleine war, sie dringend an seiner Seite brauchte. Fireball murmelte deshalb: „Zieh zu mir, bitte.“

Warum sagte er das nicht gleich? April verdrehte kurz die Augen, hätte er es doch von Anfang an so klar und deutlich formuliert, dann hätte sie ihn verstanden. April realisierte, dass sich immer wieder Bilder von Fireball, die sich in ihrem Kopf festgesetzt hatten, mit der Realität vermischten. Fireball war bei weitem kein solcher Freigeist, der lieber sein eigenes Reich hatte, wie sie früher immer angenommen hatte. Er war, wenn es ihm gut ging, unternehmungslustig und viel unterwegs, aber er brauchte dazu Rückhalt und Sicherheit. Beides hatte ihm früher Ramrod gegeben und später seine Mutter und Laura. All das hatte er nicht mehr und er hatte deshalb darauf gebaut, dass seine Freundin ihm nun den nötigen Rückhalt gab, um endlich wieder im Leben Fuß zu fassen. April nickte überzeugt und bestätigte: „Jederzeit, Shinji.“

„Danke.“, gelöst schlang Fireball seine Arme nun um April. Er wischte sich mit der rechten Hand übers Gesicht um sich die Tränen aus den Augen zu bekommen. Um Fassung ringend schob er April leicht von sich weg und sah in ihre blauen Augen. Auch sie kämpfte mit den Tränen. Er hatte sie verletzt, wieder einmal. Zärtlich fuhr er ihre Gesichtskonturen nach und hob ihr Kinn an. Für diese Geduld und Fürsorge hatte sie sich einen Kuss redlich verdient.
 

Erleichtert und unglaublich ausgezehrt stieß Colt die Tür zur Ranch auf. Helllichter Tag und es war mucksmäuschenstill in seinem Haus. Ob seine beiden Frauen ein Mittagsschläfchen hielten? Unwichtig. Achtlos ließ Colt seine Sporttasche im Eingangsbereich fallen und trabte ins Wohnzimmer hinüber. Ja, wie vermutet. Frau und Kind lagen auf der Couch und schliefen. Colt schmunzelte. Er könnte sich glatt dazulegen, wenn denn noch Platz für ihn auf der Couch gewesen wäre. So schlich er auf die beiden zu und kniete sich vor die Couch. Sanft, aber neckend, strich er Robin über die Nasenspitze, solange, bis aus dem Naserümpfen ein Seufzen wurde und sie schließlich die Augen aufschlug.

Sofort setzte sich die blonde Lehrerin kerzengerade hin, unfähig einen Ton zu sagen. Er war schon zurück! Er war an einem Stück wieder zu ihr und seiner Tochter zurückgekommen. Sie zog sich die Decke weg und stand auf. Robin wollte ihrem Mann nahe sein, wollte in seinen starken Armen liegen. Aber weit gefehlt. Noch ehe sie die Arme nach ihrem Mann ausstrecken konnte, hatte sich Colt schon weggeduckt und legte sein Ohr an ihren gewölbten Bauch. Noch war nicht allzu viel vom Familienzuwachs zu sehen, geschweige denn zu spüren, aber Colt startete bereits einen Lausch- und Fühlangriff auf das nächste Wilcoxfamilienmitglied.

„Na, mein kleiner Zwerg. Hast du gut auf die beiden wichtigsten Frauen in meinem Leben aufgepasst?“, Colt redete mit dem kleinen Etwas in Robins Bauch.

Das war einfach mehr, als Robin fassen konnte. Sie rollte kurz ihre blauen Augen und stemmte die Arme in die Hüften. Sie war völlig erledigt, dabei hatte sie heute noch gar nicht viel erledigen können. Jessica war ein braves und pflegeleichtes Kind und Robin hatte normalerweise auch Ausdauer und Kraft für zwei, aber seit sie schwanger war, war sie ständig müde und ausgelaugt. Nun strich sie Colt über seinen Wuschelkopf und rückte sein Gesicht in die richtige Richtung. Nämlich mit den Augen zu ihr hinauf. Robin lächelte milde: „Und zu mir sagst du nichts?“

„Doch!“, Colt schoss wieder in die Höhe, zog seine Frau stürmisch in die Arme und drückte ihr einen endlos langen, feurigen Kuss auf die Lippen. Überschwänglich strich er Robin über den kleinen Bauch und kokettierte mit der Lehrerin: „Hi, Babe!“

Somit war der Tag perfekt. Colt war wieder bei seiner Familie zuhause, dort wo er hingehörte und konnte Frau und Kind in seine Arme schließen. Mehr brauchte es gerade nicht, um ihn glücklich zu machen. Klein Jessica schlief selig auf der Couch und seine Robin hielt er in einer innigen Umarmung. Was wollte er mehr? Wohlwollend musterte er die Frau, die sein zweites Kind in sich trug. Robin war hübsch, das war sie immer gewesen, aber heute dachte der Cowboy, dass sie noch schöner strahlte, als sie es jemals zuvor getan hatte. Bei genauerer Betrachtung jedoch verschwand Colt seliges Lächeln aus dem Gesicht. Robin sah ein wenig abgekämpft aus und als er merkte, wie sie mit einer Hand über ihren Bauch strich, griff er nach ihren Händen. Er drückte sie wieder auf die Couch zurück und zog ihr die Decke bis zum Hals hoch. Ohne Robin zu Wort kommen zu lassen, bettete er sie hin und hetzte aus dem Wohnzimmer.

Verwundert ließ Robin all das über sich ergehen. Sie konnte nicht sagen, dass es sie störte, denn es wäre ihr im Moment wirklich netter gewesen, sich wieder zu setzen. Der kleine Racker wurde mit Sicherheit ein Junge, so wie sich Robin die ganze Zeit über fühlte. Dass Colt sie gleich wieder hinlegte und so einpackte, dass jedes Weihnachtsgeschenk lumpig verpackt dagegen ausgesehen hatte, hielt sie zwar für übertrieben, aber die Aufmerksamkeit genoss sie. Sie hatte Colt die letzten Tage schmerzlich vermisst, vor allem nachts. Das Bett war furchtbar groß und sie fühlte sich verloren alleine darin. Laura war zwar im Haus gewesen, doch die hatte die Lücke, die ihr Mann hinterlassen hatte, nicht füllen können. Wie denn auch? Nun war Robin froh, ihren Mann wieder zu haben, sie wunderte sich allerdings, wieso er wieder aus dem Wohnzimmer gestürmt war. Sie lugte zu Jessica hinüber. Das kleine Energiebündel schlief den Schlaf der Gerechten, bekam nicht mit, dass das Leben im Hause Wilcox wieder Einzug gehalten hatte.

Als Colt endlich wieder kam, jonglierte er ein Tablett auf den Tisch vor Robin. Schweißgebadet ließ sich Colt neben seine Frau nieder und holte tief Luft. Er keuchte schier und sah aufgerieben aus. Die Lehrerin verstand nicht. Was hatte Colt den Schweiß auf die Stirn getrieben? Colt drückte ihr eine große Tasse in die Hände und forderte sie auf: „Trink, Schatz!“

Immer noch verwundert nahm Robin einen Schluck. Colt hatte ihr Tee gekocht. Der gute verhätschelte sie. Verkehrte Welt war das, wie Robin sich vor Augen hielt. Eigentlich sollte doch sie sich um ihn sorgen, immerhin war er gerade erst von einer gefährlichen Schlacht zurückgekommen. Über den Tassenrand hinweg spähte Robin auf das Tablett, das Colt vor ihr platziert hatte. Noch ehe sie richtig erkennen konnte, was da auf einem Teller lag, erklärte ihr Colt: „Ich hab dir einen Gemüseauflauf gemacht.“

Das hätte Robin nie im Leben identifizieren können. Was auch immer da auf dem Teller darauf wartete, verspeist zu werden, es sah nicht wie ein Gemüseauflauf aus. Mit gerunzelter Stirn lehnte sich Robin zurück, hielt immer noch die dampfende Teetasse mit beiden Händen umschlungen. Colt hielt endlich den Mund, jetzt konnte sie ihre Fragen offen stellen. Robins blaue Augen hafteten an Colt. Ihr Mann saß in Jeans und Hemd vor ihr, so wie er vor einigen Tagen gegangen war. Er war frisch geduscht gewesen, das wusste Robin, das hatte sie gerochen. Aber das tat er für gewöhnlich immer. Nach einer Mission verschwand Colt unter der Dusche, noch auf Ramrod, er wollte nicht mit dem Schweiß und dem Schmutz einer Schlacht am Körper zu seiner Familie nachhause fahren. Es schien Robin fast so, als wollte er den Kampf an sich hinunter waschen. Robin deutete auf den Teller: „Womit hab ich das verdient, Colt?“

„Ich mach mir Sorgen um mein holdes Weib.“, Colts Wortwahl war nicht immer die nobelste, aber sein Schatz verstand ihn schon. Sie kannte ihn nun lange genug, um seine patzigen Sprüche richtig zu deuten. Zärtlich strich er Robin wieder über den Bauch und lehnte sich an sie: „Du siehst krank aus, mein Schatz. Es geht dir nicht gut, das habe ich gesehen, nachdem ich heimgekommen bin. Und ich will doch bloß, dass es meinen beiden gut geht.“

Colts Fürsorge war sagenhaft. Egal, wie hart der Cowboy auch tat, der weiche Kern war flüssiger als das Erdinnere. Er sah seiner Frau nach keinen zwei gewechselten Worten an, was ihr fehlte. Dafür liebte sie ihren Kuhhirten. Er würde immer für sie und seine Kinder da sein. Behutsam lehnte sie sich an Colt und genoss seine Nähe und Aufmerksamkeit. Sie fragte ihn nach dem Ausgang der Schlacht, wollte alles von ihm hören. Colt drückte sich so eng wie möglich an seine Frau, er hatte sie so sehr vermisst.
 

An Saber waren die unangenehmen Dinge des Lebens hängen geblieben. Als befehlshabender Offizier musste er zu Commander Eagle und einen vorläufigen Bericht erstatten. Doch zuvor war er beim Arzt gewesen und hatte sich seine Schulter ansehen lassen. Es war nichts Ernstes, lediglich ein Streifschuss. Aber der war tief und die Wunde tat verdammt weh. Saber bekam Schmerzmittel und wurde verbunden, ehe ihn der Doktor nachhause entließ. Wenigstens musste er nicht stationär behandelt werden.

Er ging gerade den Gang entlang zu Commander Eagles Büro, als ihn zwei Männer aufhielten und schließlich in die andere Richtung davon lotsten. Der Schotte landete in einem großen Büro und fand sich vor drei älteren Männern wieder. Noch ehe er die Chance gehabt hatte, Commander Eagle um dessen Hilfe zu bitten, stand er schon vor dem Ausschuss. Die drei Herren waren nicht mehr ganz so freundlich und ruhig, wie bei ihrem ersten Aufeinandertreffen. Ihnen war zu Ohren gekommen, dass eine nicht autorisierte Person zum Zeitpunkt des Angriffes auf Ramrod war. Saber musste sich nun schon vor ihnen verantworten. Er beging nicht den Fehler, alles sofort zu gestehen, viel eher wand er sich wie ein Fisch im Wasser und bemerkte immer wieder, dass er noch keine Zeit hatte, die Fakten zu prüfen. Er hatte lediglich genug Zeit gehabt, um zu handeln. Aber das akzeptierten die drei Weisen aus dem Oberkommando nicht. Saber würde sich zu verantworten haben. Wenn nicht an diesem Tag, dann an einem anderen. Ohne brauchbare Antworten entließen sie Saber wieder, stellten ihm aber forsch in Aussicht, dass es nicht das letzte gewesen war, was er von ihnen zu sehen bekommen hatte. Saber würde sich verantworten müssen.

Auch das angehängte Gespräch mit Commander Eagle lief nicht rosig. Offenbar war der Commander kurz vor Saber beim Ausschuss gewesen und hatte sich anhören müssen, welch schreckliche Konsequenzen ihnen drohten. Keine Frage, der Vater von April, war froh, alle wohlbehalten wieder zu haben, langsam aber sicher bekam er von seiner ehemals besten Truppe ein handfestes Magengeschwür. Commander Eagle war alt geworden, nach all dem Ärger war er müde geworden und das sah man ihm auch an. Aber, und das gestand er Saber sofort zu, er würde ihnen helfen und Saber informieren, sobald er die Nachricht über die Ankunft von General Whitehawk erhielt.

Müde und gequält schloss Saber seine Wohnung nach diesem endlos langen Tag auf. Es war ruhig hier. Viel zu ruhig. Und dennoch glaubte der Schotte an diesem Tag, dass er sich diese Ruhe verdient hatte. Er setzte sich auf das Sofa und schlug die Zeitung auf. Während er die Titelseite las, knöpfte er sich das Hemd auf, er hatte irgendwie das Gefühl, er würde ersticken. Aber auch nachdem er das Hemd komplett ausgezogen hatte, wurde es nicht besser. Ihm saß eine schwere Last auf Schultern und Brust, die würde so schnell nicht vergehen. Entnervt faltete der Schotte die Zeitung wieder und lehnte sich zurück. Er streckte die Beine von sich, legte den Kopf in den Nacken und hielt sich die Hände vors Gesicht. Er verkrampftes „Arh“ verließ seinen Mund. Trist und grau kam ihm diese Welt vor. Saber war sich sicher, nach dieser Aktion, die er im Oberkommando geliefert hatte, konnte er seine Sachen packen. Er wurde mit Sicherheit entlassen. Vielleicht nicht unehrenhaft, wie Fireball, aber das spielte keine Rolle. Saber hatte nicht nur seine Frau verloren, er würde in absehbarer Zeit auch seinen Job verlieren. Alles ging den Bach hinunter. Seit Monaten ging es stetig bergab, Auslöser war die vorletzte Mission gewesen, auf die sie Fireball unbedingt mitnehmen hatten wollen, und seitdem wurde es immer schlimmer. Saber hatte das Gefühl, alles war umsonst gewesen. Egal, was er angefasst hatte, letztendlich ging es in die Brüche.
 

Saber war noch so auf der Couch gesessen, als Laura in seine Wohnung geschlichen war. Die schwarzhaarige Japanerin war nach der Arbeit gleich zur Ranch der Familie Wilcox raus gefahren, niemand war auf die Idee gekommen, Fireballs Freundin anzurufen und ihr mitzuteilen, dass sie wieder im Lande waren. So hatte die zierliche Frau bei Colt und Robin mehr gestört als geholfen und nachdem Colt ihr den Tipp gegeben hatte, sich nicht mehr bei Fireball oder April blicken zu lassen, war sie zu Saber aufgebrochen.

Sie war erschrocken, als sie Saber so vorgefunden hatte. Colt hatte ihr nicht erzählt, dass er verwundet worden war. Er hatte zwar einige unangebrachte Scherze über ihre Mission gemacht, aber nie wirklich erwähnt, was passiert war. Sie würde dem Scharfschützen wohl irgendwann einen Schwindelzettel schreiben müssen, wie man richtig von einer Mission berichtete.

Hastig trat sie auf Saber zu, legte ihre Schlüssel auf den Wohnzimmertisch und setzte sich neben ihn. Er hatte sie nicht bemerkt. Laura wusste nicht, was sie tun sollte, sie traute sich nicht, Saber anzufassen oder ihn anzusprechen. Deshalb saß sie einfach nur da und beobachtete jeden Atemzug des Schotten. Sie hatte einen harten Tag hinter sich gebracht und war müde. Noch ehe sie es bemerkte, waren ihr die Augen zugefallen und sie war neben Saber eingeschlafen.

Bis er sich endlich aus seiner Starre löste. Langsam nahm er die Hände vom Gesicht und richtete sich auf. Saber stöhnte dabei leicht auf, seine Glieder waren steif geworden und die Wunde schmerzte. Wie lange hatte er in dieser ungemütlichen Position auf der Couch gesessen? Er blinzelte, denn er konnte von seiner Umgebung nichts ausmachen. Nachdem er die Hände vom Gesicht genommen hatte, hatte er direkt ins Licht geschaut, das ihn geblendet hatte. Als der Schotte bemerkte, dass er Besuch bekommen hatte, richtete er sich auf. Eine leichte Röte stieg ihm ins Antlitz, er saß ohne Hemd neben Laura. Diese Hitze verging ihm allerdings so schnell wieder, wie sie gekommen war, als er begriff, dass Laura längst schlief. Er raffte sich auf und hob die schlafende Frau auf seine Arme. Es tat ihm weh, ja, aber er wollte Laura nicht wecken. Sie schien müde gewesen zu sein, deshalb trug er sie in sein Bett hinüber. Er selbst würde sich noch schnell etwas zu essen machen und dann eben wieder die Schlafstätte auf der Couch beziehen.

Sanft legte er Laura ins Bett, zog ihr zumindest die Schuhe aus und deckte sie zu. Aber er konnte nicht gehen. Saber hatte sich umdrehen wollen und aus dem Schlafzimmer gehen, doch er stand wie angewurzelt vor seinem Bett und betrachtete Laura. Die Japanerin hatte ebenmäßige Haut, sinnliche Lippen und wunderbare Augen. Saber gefiel die Augenform von Laura, es war exotisch. Aber Laura stand es ausgezeichnet. Manchmal wirkte sie, wenn sie richtig geschminkt war, wie ein zerbrechliches Püppchen. Saber setzte sich an die Bettkante. Sie war kein Püppchen. Laura war weder zerbrechlich noch etwas, das man herzeigen konnte. Laura war wesentlich mehr als das. Fireballs hübsche Freundin war klug, sie war sensibel und sie hatte etwas Tröstliches an sich. Zumindest kam es dem Schotten so vor. Denn immer, wenn Laura in seiner Nähe war, begann sich der Recke unweigerlich leichter zu fühlen. Die halbe Nacht saß er an ihrem Bett und beobachtete ihren Schlaf. Er saß im Halbdunkel auf der Bettkante und verfolgte jede noch so kleine Bewegung der jungen Asiatin.
 

Nachdem Laura am folgenden Morgen die Wohnung verlassen hatte, machte sich Saber an die Arbeit. Noch am Vorabend hatte er sich von ihrem Betriebsarzt krank schreiben lassen. Nun war der Schotte froh darüber, zumindest eine Woche lang nicht ins Oberkommando gehen zu müssen. Den Papierkram erledigte er auch von zuhause aus. Er hatte mit der kleinen Asiatin gemeinsam gefrühstückt und als sie zur Arbeit gefahren war, hatte Saber seine Tasche ausgepackt. Seit er wieder ein Junggesellendasein führte, hieß es auch für ihn wieder Hausarbeit erledigen. Er gestand sich ein, dass er Synthia nie besonders viel im Haushalt geholfen hatte. Ab und zu hatte er den Geschirrspüler eingeräumt und eingeschaltet, oder auch schon mal einen schweren Wäschekorb von der Waschküche in den Garten getragen, aber wirklich aufgeräumt hatte er nicht mehr.

Saber wusch eine Ladung Wäsche und räumte die beiden Kaffeetassen in die Spüle. Mehr war nicht zu tun. Seine Wohnung war sauber und Saber staunte über sich selbst. Welches Chaos hatten sie auf dem neuen Friedenswächter hinterlassen? Der Schotte glaubte sich daran zu erinnern, dass alle am Vortag vom Friedenswächter gestürmt waren und kein einziger auf die Idee gekommen war, dass noch angebrauchtes Geschirr in der Küche wartete. Egal, es kostete Saber nicht mehr als ein kleines Lächeln. Den Dreck machte ihnen sowieso keiner weg.

Der Schotte sah die Post durch, die Laura jeden Tag aus dem Briefkasten geholt hatte. Es war nichts Aufregendes dabei. Ein Schreiben von seiner Hausbank, seine Telefonrechnung und Unmengen an Werbung. Der Vormittag war schon halb rum, als Saber sich endlich dazu durchringen konnte, seinen Bericht anzufangen. Der blonde Highlander klemmte seinen Laptop unter den angeschossenen Arm und setzte sich damit auf seinen Balkon. Er genoss die Ruhe in dieser Wohnsiedlung. Saber hatte im Oberkommando niemanden von seiner Trennung erzählen wollen, deshalb hatte er nicht wieder um eine Dienstwohnung auf dem Gelände der Kavallerie angesucht und sich privat eine Wohnung gesucht. Nun linste er in den Garten hinunter, wo sich eine Gruppe allein stehender Frauen unterhielt. Saber grüßte mit einem Winken und einem kleinen Lächeln nach unten und begann schließlich, seine Gedanken zu ordnen.

Vor einer Woche hatte er vor einem Ausschuss gestanden, der ihm und einem seiner besten Freunde mit Konsequenzen gedroht hatte, sollte es wirklich zu Missständen im Oberkommando gekommen sein. Fireball war längst kein Mitglied mehr, dennoch war er problemlos vorgeladen worden. Der Schotte hatte nach dem gestrigen Gespräch mit den drei Herren immer weniger den Eindruck, dass diese willkürlich entscheiden würden. Aber er glaubte nicht mehr daran, dass lediglich einer von ihnen eine Strafe bekommen würde. Commander Eagle hatte sich den Fehltritt geleistet, über mehr als eineinhalb Jahre hinweg. Aber er, der kommandierende Offizier, er hatte nichts dagegen unternommen. Saber hatte alles geschehen lassen, war nicht eingeschritten. Das machte ihm schwer zu schaffen. Immer noch. Saber fühlte sich nach wie vor mitschuldig. Er hätte die Augen aufmachen müssen. Er hätte mit Fireball öfter reden müssen und ihn vielleicht auch mal aushorchen sollen. Aber das hatte er nicht. Saber hatte das Gemüt des Rennfahrers hingenommen. Die Strafe für seine unbedingte Loyalität würde er bald erhalten, das wusste Saber.

Und er würde noch mehr Schwierigkeiten bekommen. Für die Verletzung der Regeln, die im Oberkommando herrschten. Saber würde die Quittung für sein eigenmächtiges Handeln bekommen. Oder viel eher war es die Unterlassung seiner Pflicht. Saber stützte den Kopf in die Hände und starrte auf den Bildschirm. Er hatte noch kein Wort geschrieben. Was sollte er denn schreiben? Er wusste, er hatte mindestens drei Todsünden auf der letzten Mission begangen. Zwei Todsünden hatten das Oberkommando betroffen, die dritte war eine freundschaftliche Sünde gewesen. Saber hatte eine nicht autorisierte Person Ramrod fliegen lassen. Noch dazu war diese Person unehrenhaft entlassen worden und er hatte Fireball auch noch blindes Vertrauen geschenkt. Zu allem Überfluss war gerade dem Ramrod abhanden gekommen. Eine Zivilperson hatte Ramrod geschrottet. Saber hatte keine Idee, wie er das erklären sollte. Noch schlimmer war allerdings die Tatsache, dass besagter Zivilist dann auch noch an ein streng geheimes Projekt gekommen war. Saber resignierte vor dieser Aufgabe. Da gab’s einfach nichts, was man nett umschreiben hätte können, oder weglassen. Fireball war dabei gewesen und er hatte den neuen Friedenswächter gesteuert. Punkt um. Das wussten auch die drei Mitglieder des Ausschusses. Saber stand bis zur Nase im Schlamassel. Das alles würde er zu verantworten haben. Commander Eagle hatte nur Colt, April und ihn auf diese Mission geschickt, es war Sabers alleinige Schuld als kommandierender Offizier, weil er die Verantwortung für das Projekt und die Mission trug. Und dann war da noch das freundschaftliche Desaster. Saber hatte gewusst, wie gut es um den Rennfahrer stand, trotzdem hatte er ihn nicht wieder nachhause geschickt. Nein, er war sogar noch heilfroh gewesen, Fireball dabei zu haben. Das konnte Saber nicht leugnen. Spätestens, nachdem sie von den Outridern derart in die Mangel genommen worden waren, war Saber dankbar für Fireballs Unterstützung gewesen.

Egal, wie es Saber drehte und wendete, die Problematik wurde nicht besser. Da waren so viele Variablen, so viele Unsicherheiten, dass Saber auf keinen eindeutigen Ausgang tippen konnte. Alles war möglich. Der Schotte hoffte, dass zumindest der General und Commander Eagle ihn unterstützten, ihm helfen würden.
 

Der Rennfahrer war einmal mehr bei seinem Hausarzt eingetrudelt. Obwohl sich Fireball gesträubt hatte, wie ein Kind vor dem Schulegehen, saß er nun hier und durfte sich einmal mehr eine Predigt über seine unverständliche Unvernunft anhören. April hatte ihn hingefahren und auch hingezerrt, als sie bei seiner morgendlichen Katzenwäsche die Blutergüsse an den Seiten bemerkt hatte. Sie war besorgt um ihn gewesen und wollte ihn in den fähigen Händen eines Arztes wissen, auch wenn er ihr tausend Mal gesagt hätte, dass es ihm gut ginge.

Sie verband das Nützliche gleich mit dem Notwendigen und fuhr nach dem Arztbesuch in ihre Wohnung, um schon mal einige Sachen von dort mitzunehmen. Die Blondine fühlte sich zwar bereit für diesen Schritt, dennoch war es ein seltsames Gefühl. Sie war noch nie zu jemanden gezogen, denn Chris hatte bei ihr gewohnt. April gab ihre Wohnung auf, aber sie wusste, dass sie es nicht bereuen würde. Nein, sie war sich ganz sicher, das richtige zu tun.

April drückte Fireball eine Blume in die Hand, die wollte sie als erstes übersiedelt wissen, genauso wie ihre Kosmetikartikel und einige Klamotten. Als Fireball sie verwirrt anblinzelte, deutete sie auf die Pflanze in seiner Hand: „Die kommt mit! Jetzt, wo sie endlich zu blühen anfängt.“

Fireball hielt den Hibiskus in Händen, den er der Blondine mitgebracht hatte, als er nach Yuma zurückgezogen war. Das eher schmächtige Blümchen, es war gerade mal so hoch wie eine offene Hand, trug sage und schreibe sieben große Knospen, die in den nächsten Tagen alle zu riesigen Blüten wurden. April würde dieses Grünzeug bestimmt nicht hier lassen. Sie hatte sich gut um die Blume gekümmert, hatte aus ihren Fehlern gelernt. Endlich überlebten nicht nur Grünpflanzen eine längere Zeit bei April, sondern schien auch ihre Beziehung aufzublühen. Sie würde beides weiterhin hegen und pflegen.
 

Colt fuhr auch an diesem Tag volles Verwöhnprogramm für seine Frau. Er hatte ihr Frühstück ans Bett gebracht, hielt ihr die gemeinsame Tochter vom Hals und kümmerte sich um die Hausarbeit. Für den nächsten Tag hatte er ihr einen Termin beim Arzt verschafft. Colt wollte sicher gehen, dass seiner Frau und seinem ungeborenen Kind nichts fehlten. Und wenn das bedeutete, dass er außer den üblichen Schwangerschaftsuntersuchungen noch einen außerordentlichen Arzttermin vereinbaren musste, sollte ihm das nur Recht sein. Seine Familie war sein wichtigstes Gut. Er würde es um jeden Preis beschützen.

Die Lehrerin fühlte sich wie ein rohes Ei von Colt behandelt. Er übertrieb maßlos, wie sie fand. Sie durfte nicht einmal die Couch verlassen, um sich etwas zu trinken zu holen, ohne dass Colt sie wieder zurückscheuchte. Er würde ihr alles bringen, sie bräuchte nur zu fragen. Kopfschüttelnd ließ sich Robin daraufhin wieder sinken: „Kannst du nicht wieder zu einer Mission aufbrechen?“

Natürlich war es ihr nicht Ernst mit dieser Frage. Sie war einfach nur so baff, dass ihr Mann sie am liebsten in Watte packen würde. Sie verstand diese Fürsorglichkeit nicht. Ihr ging es doch gut, sie war nur ein wenig müde! Aber das hätte sie auch einer Wand erklären können, die hätte das genauso verstanden.

Kriegsrat

So, man merkt, seit ich studiere und arbeite, dauerts ein bisschen länger. Aber ich hoffe doch, dass ihr immer noch gerne lest *g*
 

Die zierliche Asiatin fand sich an diesem Abend bei einem Abendessen zu dritt wieder. Sie war nach der Arbeit zu Shinji in die Wohnung gefahren, mit dem jungen Herren hatte sie schließlich noch einiges zu klären. Sie musste ihm noch einmal ins Gewissen reden, er hatte Robin und sie doch nicht einfach so zurück lassen können. An der Tür war sie allerdings von April abgefangen worden, die ihr lächelnd die Jacke abgenommen hatte und sie an den großen Esstisch gelotst hatte.

Nun saß Laura den beiden gegenüber und linste über ihren Tellerrand. Sie fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte, immerhin sah sie sich vor einem großen Tisch sitzen, der mit asiatischen Köstlichkeiten beladen war. Fireball wusste, dass sie die heimische Küche vermisste und er ihr so eine besondere Freude machen konnte. Aber trotzdem war es ihr unheimlich. Fireball und April saßen ihr gegenüber und verhielten sich merkwürdig. Die Japanerin wusste im Augenblick nicht recht, wie sie das einzuschätzen hatte. Colt hatte ihr am Vortag noch dringend davon abgeraten, einen der beiden noch zu besuchen, es hätte auf Ramrod dicke Luft gegeben. Und auch Saber hatte ihr an diesem Morgen Colts Worte bestätigt, als sie ihn danach gefragt hatte. Und jetzt saßen sie ihr gegenüber und schienen auf ihre Meinung zu dem Thema zu warten. Aber sie hatte weder Ahnung, worum es ging noch welche Meinung sie dabei haben sollte. Wohl oder übel musste sie darauf warten, dass man es ihr nach dem Essen ausführlich bei einer Tasse Tee schilderte.

Die drei machten es sich nach dem üppigen Abendessen tatsächlich im Wohnzimmer bei einer heißen Tasse Tee gemütlich. Es war angenehm ruhig, lediglich leise Säuselmusik erfüllte den Raum. Doch Laura war es zu ruhig. Immer wieder linste sie über den Rand ihrer großen Tasse, hinüber zu dem Pärchen, das auf der Couch kuschelte. Fireball saß mit möglichst vielen Kissen im Rücken auf dem Sofa, die Füße lagen auf der Sitzfläche auf und April lehnte an seiner Schulter. Die Japanerin grinste in sich hinein. Mittlerweile war jedem klar, dass sie ein Paar waren, doch Zärtlichkeiten und Küsse wurden in Gegenwart anderer immer nur verhalten ausgetauscht. Dabei würden sich alle anderen freuen, wenn sie die beiden mal beim Turteln erleben würden. Laura fragte sich unweigerlich, ob sie das irgendwann mal könnten. Sie sah den beiden an, dass sie etwas mit ihr zu besprechen hatten, doch Laura hatte immer noch keine Idee. Und von alleine, so schien es, würden sie den Mund nicht aufkriegen.

Also stellte Laura ihre Tasse ab und lächelte Fireball entgegen: „Womit hab ich das Abendessen verdient?“

So unschuldig die Frage auch klang, es war jedem klar, dass sich Laura lediglich an das große Geheimnis, das Fireball und April hüteten, heran tastete. Die Blondine setzte sich auf, sie drückte Fireball noch einmal kurz und blinzelte anschließend zu Laura.

Der Rennfahrer erwiderte Lauras Lächeln, allerdings viel unschuldiger. Er drückte sich noch etwas mehr in die Kissen und gab seiner Weggefährtin eine lieblich klingende Antwort: „Ich hab dich eben vermisst.“

Lauras Schultern fielen herab, mit der Erklärung konnte er sie nicht einlullen, auch wenn es ihr schmeichelte. Es konnte schon sein, dass er sie vermisst hatte, aber deswegen bekochte er sie noch lange nicht. Viel eher steckte etwas anderes dahinter. Sie zerschlug sein Argument leichtfertig: „Nein. Für deine Mühe hast du doch ganz sicher einen anderen Grund.“

Verblüfft zog der pensionierte Rennfahrer die Augenbrauen hoch und wandte sich an April. Er verstand nicht, wie seine Freundin ihn so schnell ertappen konnte. Ungläubig fragte er April: „Bin ich wirklich so leicht zu durchschauen?“

Als diese auch noch bestätigend nickte, seufzte Fireball. Er musste Colt dringend um einige Unterrichtsstunden fragen, wie man überzeugend log. Fireball zuckte schließlich mit den Schultern, so tragisch war es nun auch wieder nicht. Und Laura gestand er: „Okay, du hast mich erwischt. Wir hätten etwas mit dir zu besprechen.“

Die Japanerin fühlte sich bestätigt. Sie hatte schließlich schon viel Zeit mit ihm verbracht und wirklich geändert hatte er sich nicht. Laura lächelte warm: „Ich kenn dich doch, Shinji.“

Lauras freundliche und offene Art ermutigte den Heißsporn. Er sparte sich die lieben Worte und fiel mit der Tür ins Haus: „Was hältst du eigentlich von einem Mitbewohner?“

So simpel und geradeheraus die Frage auch gestellt war, so war sie aber auch allgemein formuliert. Die Rechtsanwaltsgehilfin lehnte sich zurück und musterte noch einmal das junge Paar, das es sich auf der Couch gemütlich gemacht hatte. Sie hatten lange gebraucht, um sich ihre Gefühle einzugestehen. Ebenso lange hatte es gedauert, bis aus Gefühlen füreinander endlich eine Beziehung geworden war. Immer besser konnte Laura nachvollziehen, weshalb Fireball so sehr an April hing. Es schien etwas zwischen den beiden zu existieren, dass sie wie füreinander geschaffen machte. Eine solche Magie hatte sie selten in einer Beziehung erleben können. Natürlich, es hatte viele Schwierigkeiten und Hindernisse gegeben, an denen ihre Liebe immer wieder an ihre Grenzen geraten war, doch letztendlich hatten sie zueinander gefunden. Laura sah mit Wohlgefallen, wie sehr Fireball Aprils Nähe genoss. Es war klar, dass er sie bei sich haben wollte. Schmunzelnd deutete Laura auf ihre Nachfolgerin: „Wir reden von April, Shinji?“

Fireball konnte sein unschuldiges Lächeln nur mit seinen flehenden Augen toppen. Und das war ihm auch bewusst. Er setzte sein liebenswertestes Gesicht auf, als er nickte: „Bist du mir sehr böse, wenn sie hier einzieht?“

Ramrods ehemaliger Pilot wusste noch aus Tokio, wie gut sich die beiden Frauen, mit denen er im Wohnzimmer saß, manchmal gesinnt waren. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, aber es war eine Tatsache. Obwohl sie sich mittlerweile eigentlich ganz gut vertrugen, hatte Fireball doch Bedenken, Laura könnte es nicht wollen.

Doch seine beste Freundin enttäuschte ihn nicht. Sie nickte bereitwillig. Was sollte sie denn auch sagen, außer: „Das war abzusehen.“

Sie klang allerdings nicht sonderlich begeistert. Denn für Laura bedeutete es, sich demnächst um eine neue Bleibe umsehen zu müssen. Sie wollte die beiden nicht stören, nicht das fünfte Rad am Wagen werden. Aber das würde sie, wenn sie weiterhin hier wohnen bliebe. Nein, Laura wollte ihnen nicht die wenige freie Zeit, die sie zusammen verbringen konnten, stehlen.

Doch etwas enttäuscht zog Fireball einen Schmollmund. Laura hatte nicht wirklich ‚Ja’ oder ‚Nein’ gesagt. Sie würde ihm auch niemals verbieten, April zu sich zu holen, doch wirklich recht schien es der guten Freundin auch nicht zu sein. Er brummte: „Klingt nicht sonderlich begeistert.“

April war die ganze Zeit über daneben gesessen und hatte sich die Unterhaltung angehört. Und sie hatte Lauras Reaktion beobachtet. Die Blondine war sich sicher, Laura dachte, sie müsse ausziehen, weil sie beide hier ihre Ruhe haben wollten. Und was tat ihr Rennfahrer? Der Blitzmerker kam nicht einmal auf die Idee, Laura noch einmal zu sagen, dass sie ohne weiteres noch bleiben konnte. Für Fireball war es klar, dass die Japanerin hier noch wohnen blieb, deshalb kam er gar nicht erst auf den Gedanken, es ihr auch noch einmal extra zu sagen. April wollte sich gerade nicht einmischen. Laura entschuldigte sich für ihren Tonfall, ganz bestimmt würde sie sich für die beiden freuen. Aber es komme etwas plötzlich.

Fireball wiederum beharrte auf seinem Standpunkt. Lauras Meinung war ihm sehr wichtig, ohne ihre ausdrückliche Zustimmung würde er April nicht zu sich holen. War er sich dieser Zustimmung vor einigen Minuten noch zu hundert Prozent sicher gewesen, so war er es nun nicht mehr. Laura schien verstimmt zu sein, aber den Grund dafür kannte er nicht.

Laura schüttelte ernst den Kopf. Ihre schwarzen, hochgesteckten Haare lösten sich vereinzelt und umrahmten ihr Gesicht. Sie machte sich noch einmal verständlich: „Nicht doch. Ich möchte euch nicht im Weg stehen, Shinji. Wenn ihr zusammenziehen wollt, ist das doch wunderschön und es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung für euch.“

Fireball legte den Kopf in den Nacken. Verstand Laura denn gar nichts? Die zierliche Asiatin war nicht nur weltmeisterlich darin, nirgends aufzufallen, sondern hatte immer und überall Bedenken, zu aufdringlich zu sein, oder im Weg zu sein. Mit einer wegwerfenden Handbewegung korrigierte er Lauras Bedenken: „Du stehst nicht im Weg. Im Gegenteil, Laura.“, Fireball verschränkte die Beine zu einem Schneidersitz. Er lehnte sich nach vor und legte die Arme auf die Knie: „Du warst in jeder Hinsicht bisher eine sehr große Hilfe für mich.“

Laura nickte lediglich verhalten. Sie legte die Hände in den Schoß: „Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, Shinji-kun.“

Sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen sollen. Laura wollte eine große Hilfe für Fireball bleiben, das bedeutete für sie aber, Fireball und April in Ruhe zu lassen, sie ihr Leben leben zu lassen. Sie wusste, dass sie sich nicht dauernd zu Saber ausquartieren konnte, deshalb hieß der nächste vernünftige Ansatz zwangsläufig, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Als Fireball zaghaft, aber lächelnd nach Aprils Hand griff, stand Laura auf. Sie verbeugte sich kurz vor dem Pärchen und entschuldigte sich: „Ich hatte einen anstrengenden Tag heute. Danke für das gute Essen, Shinji. Schlaft gut.“
 

Die vier Freunde trafen sich erst nach guten zwei Wochen wieder, weil Saber um ein Treffen gebeten hatte. Wieder stand ein Wochenende vor der Tür, am nächsten Montag würde der Schotte wieder zur Arbeit antreten, seine angeschossene Schulter hatte ihm geschlagene zwei Wochen das Arbeiten unmöglich gemacht. Mühselig hatte er mit einer Hand seinen Bericht getippt und sich fortwährend den Kopf zerbrochen. Er hatte die anderen drei damit nicht belasten wollen, aber im Endeffekt blieb ihm nichts anderes übrig. Der Highlander brauchte ihre Hilfe, besonders die von Fireball. Und so hatte er seine Freunde für Freitagnachmittag zum Kaffee eingeladen.

Colt war der erste, der am frühen Nachmittag vor seiner Wohnung stand. Er hatte Robin bei ihrem Arzt abgesetzt, nachdem er keinen früheren Termin hatte bekommen können. Für akute Notfälle gäbe es immerhin das Krankenhaus. Und so hatte der Cowboy geduldig gewartet und in dieser Zeit seine Frau verwöhnt. Er hatte sie bekocht, so gut er es konnte, sie bedient und sich um ihre gemeinsame Tochter gekümmert. Colt tollte gerne mit Jessica durchs Haus. Sie war sein kleiner Sonnenschein und in dem ganzen Familientrubel, der Colt glücklich und frei machte, hätte er das Oberkommando schon beinahe vergessen, hätte ihn nicht der edle Recke angerufen. Wie immer gut gelaunt ließ sich Colt selbst beim Säbelschwinger herein. Er hob den Hut zum Gruß und lachte: „Zeit hab ich nicht viel mitgebracht, aber für einen schnellen Krankenbesuch reicht es allemal.“

Saber kam dem Cowboy entgegen und nahm ihm die Jacke ab. Während er die Jacke aufhängte, musste er Colt schon wieder korrigieren: „Schneller Besuch? Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber wenn Fireball und April nicht bald auftauchen, wird es noch länger dauern.“

Der Schotte war angespannt. Er fragte sich, ob er sich nicht doch zu lange Zeit gelassen hatte, seine Freunde anzurufen und sie um Hilfe zu bitten. Aber andererseits war ihm durch seine Krankschreibung ein einmaliger Aufschub gewährt worden. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass er sich zu verantworten hatte. Er hatte lediglich ein paar Tage mehr Zeit um sich auf das Unausweichliche einzustellen. Kurz bevor Colt gekommen war, hatte er noch mit Commander Eagle telefoniert, hatte seinen Vorgesetzten noch einmal darum gebeten, General Whitehawks Erlaubnis zu verlängern. Aprils Vater hatte sich schon an Sabers letzten Arbeitstag dazu bereit erklärt, allerdings war es schwieriger als gedacht, Fireballs Erlaubnis umschreiben zu lassen.

Colt war ins Wohnzimmer vor gegangen. Er ließ sich aufs Sofa plumpsen und legte seine Arme auf die Lehne. Als Saber endlich nachgekommen war, maulte er: „Die zwei waren noch nie die Schnellsten.“, Colt lächelte dabei aber leicht. Die beiden jüngsten Freunde waren bei wichtigen Dingen wirklich nie die Schnellsten gewesen, vor allem, wenn es um ihre Gefühle ging. Im selben Atemzug fiel ihm jedoch wieder ein, wie er die zwei das letzte Mal auseinander gehen gesehen hatte. Seither hatte er nichts mehr von ihnen gehört, vielleicht war etwas nicht in Ordnung, deswegen schoss er sofort eine andere Frage nach: „Hast du von den zweien die Tage mal was gehört?“

Saber setzte sich auf die Armlehne seines Sofas. Er wollte sich nicht anmerken lassen, was ihm nachts den Schlaf raubte. Die anderen hatten selbst genug Probleme, es fiel ihm schon schwer, sie damit nun belasten zu müssen. Saber schmunzelte leicht und deutete auf seinen Kumpel: „Genauso viel wie von dir, Kuhhirte.“

Colt rutschte an der Lehne hinab. Er fühlte sich bei Saber pudelwohl, das konnte daran liegen, dass er diese Wohnung mit seinem Boss zusammen eingerichtet hatte. Dem Kuhhirten fiel nicht auf, dass ein Kopfkissen und eine Decke neben ihm lagen, darauf achtete er nicht. Er musste gerade nach einer guten Ausrede suchen, weshalb er es nicht geschafft hatte, in den vierzehn Tagen einmal wenigstens anzurufen und sich nach Saber zu erkundigen. Doch so recht fiel ihm keine ein, deshalb entschied er sich für die Wahrheit, verpackte sie aber in harmlose Worte. Colt wollte nicht, dass jemand mitbekam, wie viele Sorgen er sich tatsächlich um Robin machte. Der Viehtreiber machte sich verrückt, weil er nicht wusste, was mit seiner über alles geliebten Frau war. Sie war in der ersten Schwangerschaft nicht so gewesen. Als sie mit Jessica schwanger gewesen war, war die energische Lehrerin quietschfidel gewesen, hatte nur manchmal an Stimmungsschwankungen gelitten. Ganz anders jetzt. Colt brachte es um den Schlaf, er hatte Angst, dass mit seinem ungeborenen Kind etwas sein könnte, hatte Angst, dass es seiner Frau noch schlechter ging, als er es ihr ansah: „Ich hatte viel um die Ohren, Boss. Weißt du, meiner Holden geht’s nicht so gut. Sie bekommt bestimmt einen Jungen.“, Um sich von seinen Sorgen abzulenken, wechselte Colt sofort das Thema: „Und was ist mit deiner Schulter? Ist wieder alles zusammengewachsen?“

Kopfschüttelnd antwortete Saber. Das war wieder typisch Colt: „Mensch, deine Wortwahl. Aber ja, es heilt.“

Zum Beweis dafür hob Saber seinen Arm an. Seit einigen Tagen trug er keinen Verband mehr, die Wunde war vollständig verheilt, lediglich einen dunkelroten Streifen von der Blutkruste konnte man noch sehen. Saber hatte Glück gehabt, die Wunde hatte sich nicht entzündet. Allerdings waren seine Bewegungen noch etwas steif, die ruhig gestellte Schulter war eingerostet und musste sich erst wieder daran gewöhnen.

Grinsend gab Colt zur Antwort, während er sich den Hut aus dem Gesicht stupste: „Ich sage ja nur, wie es ist!“

„Klopf, klopf!“, schüchtern trat Fireball ein. Sabers neues Zuhause war ihm noch nicht ganz geheuer und Respekt und Anstand zu zeigen, kam immer gut, auch bei Freunden.

Saber reckte den Kopf in Richtung Flur und hob die Hand zum Gruß. Das war ja schnell gegangen, er hatte mit April und Fireball nicht vor einer halben Stunde gerechnet. Er lächelte leicht und bat sie herein: „Hey, kommt rein ihr zwei.“

Der Rennfahrer erschien kurz darauf im Wohnzimmer, er hatte sich noch schnell die Schuhe ausgezogen. Nun suchte er sich ein gemütliches Plätzchen auf der Couch und informierte genervt seine beiden Freunde: „Der Rauscheengel versucht noch einzuparken.“, ihm war anzusehen, dass er dafür keine Nerven mehr gehabt hatte, nachdem er sich auf der Fahrt zu Saber wahrscheinlich genug aufregen hatte müssen. „Das dauert gut und gerne noch eine halbe Stunde.“

Just in diesem Moment stand auch April im Wohnzimmer. Keck grinste sie ihre drei Jungs an und konterte trocken: „Die wäre dann jetzt auch um. Wie langsam wirst du denn auf deine alten Tage, Matchbox?“

Und der Konter hatte auch noch gesessen. Colt und Saber bissen sich auf die Lippen um bloß nicht laut zu lachen und Fireball kniff die Augen zusammen. Manche Dinge konnte der pensionierte Rennfahrer nicht leiden, das würde sich nie ändern. Und wenn es eines war, was er absolut nicht konnte, dann war es geduldig sein oder zu warten. Beides verband er mit dem Wort langsam und das mochte er als schnellster Pilot im Neuen Grenzland noch weniger. Abgesehen davon war er ein hundsmiserabler Beifahrer, immer noch, und in letzter Zeit noch unerträglicher als sonst. Der einzige Vorteil für April war gewesen, dass der unfreiwillige Beifahrer kein Auto mehr besaß, sie also mit ihrem Auto unterwegs gewesen waren. Während sich April keck zwischen Fireball und Colt drängte, rückte der ehemalige Pilot zur Lehne auf, auf der Saber saß und erklärte undiplomatisch: „Oha! Wie viele Dellen hat der Wagen jetzt?“, mit hochgezogenen Augenbrauen lehnte sich Fireball zurück, damit doch alle irgendwie Platz hatten und Saber auf der Lehne sitzen bleiben konnte. Dabei fiel sein Blick auf die verletzte Schulter: „Und Boss? Was macht die böse Schulter?“

April verschränkte die Arme vor der Brust und rümpfte empört die Nase. Ihre blauen Augen funkelten herausfordernd, von einem Kerl ohne Führerschein brauchte sie sich das nicht gefallen lassen, auch nicht, wen der Kerl der jüngste Champion aller Zeiten war und ihr Freund. Gerade dann schon dreimal nicht. Sie hob eine Hand aus der Verschränkung und legte Fireball den abgewinkelten Zeigefinger auf die Stirn, als würde sie an eine Tür klopfen: „Weniger als dein Kopf, wenn du weiter so frech bist.“

Sabers Antwort auf Fireballs Frage, verhallte unbeachtet. Er hatte es ohnehin nicht allzu laut ausgesprochen, denn der Schotte hatte keine Lust, alle fünf Minuten von seiner demolierten Schulter zu reden und dass sie langsam aber sicher verheile. Am Montag musste er wieder zum Dienst antreten, das hieß er war gesund und das war auch der Grund, weshalb seine Freunde hier waren.

Colt fuhr augenblicklich aus seiner legeren Sitzposition hoch und starrte das junge Paar unverhohlen an. Beide hatten in etwa so geklungen, wie auf dem neuen Friedenswächter. Ernst. Und genauso guckten die zwei auch aus der Wäsche. Colts Fühler waren aufgrund von Robins schlechter Verfassung momentan hypersensibel und so ahnte der Cowboy nichts Gutes, wenn er den Asiaten und die selbstsichere Blondine so betrachtete. Alarmiert wollte er wissen: „Hoppla. Dicke Wolken am Rennfahrerhimmel?“

Der nächste, der von den beiden ignoriert wurde. Geschickt wand sich Fireball von Aprils drohenden Fingern ab und schob seine Hand dazwischen. Er schlug die Augen in die andere Richtung nieder und erklärte ungerührt: „Du schläfst auf der Couch, wenn du mir auch das noch verbieten willst, Süße.“

Er hatte so schon keine Freuden mehr im Leben, da sollte ihm seine Freundin nicht auch noch seine große Klappe verbieten. Fireball hatte sich die letzten Tage nur schleppend von seinem erneuten Zusammenbruch erholt. Es dauerte oft ewig, bis Fireball an diesen Punkt gelangte, an dem er am liebsten alles hinter sich lassen wollte, doch dafür kam er dann kaum noch aus diesem Loch heraus. Nachdem die Blondine nicht wie Saber im Krankenstand war und auch kein freier Mitarbeiter, wie Colt, hatte sie nach einem Ruhetag wieder antreten müssen. Und so war Fireball die längste Zeit des Tages wieder alleine zuhause gewesen. Jeden Abend brachte April seit der Entscheidung, es miteinander in einer gemeinsamen Wohnung zu versuchen, ein kleines Bündel aus ihrer Wohnung mit. Schrittweise übersiedelte die Blondine zu ihm. Und noch gab es keine Platznöte in der großzügigen Dachgeschosswohnung.

April zog die Nase einen Stock höher und streifte sich selbstsicher die Haare hinter die Schulter, ehe sie Fireballs Drohung in den Wind schoss: „Ich kann auch wieder ausziehen. So viel Zeug hab ich ja ohnehin noch nicht bei dir.“

Das letzte Wort hatte April extra betont, noch gab es kein richtiges ‚Wir’ in dieser Wohnung. Sie arbeiteten daran, seit etwas über einer Woche, langsam erst begann die Beziehung wirklich fester zu werden. Das hatte April eines Nachts festgestellt. Sie hatte Fireballs Nähe immer gerne gehabt, hatte sie genossen. Vom ersten Augenblick an, seit der Japaner mit Pauken und Trompeten auf Ramrod eingezogen war. Es hatte nicht lange gedauert, bis sie sich in seiner Gegenwart immer besonders wohl und geborgen gefühlt hatte. Lange Zeit hatte es diese Seligkeit gegeben, wenn sie alleine gewesen waren, bis zu dem Tag, an dem er sie verlassen hatte. Dann war diese unglückselige Nacht mit all ihren Folgen über sie hereingebrochen und hatte eine undurchdringbare Mauer zwischen ihnen aufgebaut. Zwischenzeitlich hatten sie sich immer wieder mal angenähert, aber das Ergebnis waren noch mehr verletzte Gefühle und eine noch dickere Mauer gewesen. Erst seit Fireballs Mutter gestorben war, hatte sich ihr Verhältnis wieder normalisiert. Und Fireball hatte den richtigen Schritt gewagt, der es ihnen ermöglichte, endlich ihre Träume zu leben. Die Mauer war vollständig verschwunden, der ehemalige Rennfahrer lernte jeden Tag ein bisschen mehr, sich auf April einzulassen, sie an sich heran zu lassen. Vor allem Laura hatte das beobachten können, die Zärtlichkeiten, die sich die beiden ehemaligen Star Sheriffs oftmals am Abend neben ihr schenkten, waren zwar immer noch verhalten, aber für Fireballs Begriffe schon eine ganz andere Welt. April hatte Fireball beim Schlafen beobachtet, sie hatte nicht schlafen können, weil ihr erst langsam bewusst geworden war, welchen Schritt sie gewagt hatte. Sie hatte seine gleichmäßigen Atemzüge gehört, die manchmal von einem tiefen Seufzen unterbrochen worden waren. April war klar geworden, dass es das war, was sie immer gewollt hatte. Es fühlte sich richtig an. Glücklich hatte sich April umgedreht und sich in Fireballs Umarmung geschmiegt, bevor sie eingeschlafen war.

Völlig überfahren krallte Colt seine Fingernägel in die Tischplatte vor sich. Fieberhaft überlegte er, wieso er etwas verpasst zu haben schien. Er war sich zu hundert Prozent sicher, dass er alle wichtigen Informationen und kleinen Details kannte, immerhin fing er sonst auch immer alle Signale auf, die zwischen den Zeilen stattfanden. Aber dieses Mal dürfte er mit seiner Spürnase in die absolut falsche Richtung geschnüffelt haben. Es ergab keinen Sinn, es half alles nichts, der Kuhtreiber musste sich vergewissern. Er atmete tief durch und stellte so nüchtern wie möglich fest: „Okay, jetzt hab ich definitiv was verpasst.“, seine aufmerksamen, blauen Augen hingen an Fireball und besonders an April, denn die hatte was von übersiedeln fallen lassen. Wieso war das nur das genaue Gegenteil von dem, was sie bei ihrem letzten Aufeinandertreffen tun wollte? Stirnrunzelnd hob er die Schultern: „Seit wann“, noch einmal machte er eine kurze Pause und richtete seinen Zeigefinger auf die beiden jüngsten Teammitglieder: „wohnt ihr zusammen?“

Blitzschnell kam die nüchterne Antwort von der Navigatorin. Sie drehte sich von Fireball weg und dem Scharfschützen zu. Er hatte sie offen etwas gefragt und bei Antworten sah man seinem Gegenüber für gewöhnlich ins Gesicht. Unbeeindruckt erklärte sie: „Wohnten. Ungefähr für eine Woche.“

Es war der Blondine wichtig, so ungerührt und abgebrüht wie sie nur konnte, zu wirken. Tatsächlich hatten sie außer Laura noch niemandem von ihrem Vorhaben erzählt und wie sie es versuchen wollten. Und eines war April dabei völlig klar geworden. Es war das beste, wenn sie es auch niemanden so schnell erklären würden. Beide wollten ohne Ratschläge oder Tipps ihr gemeinsames Glück finden. Bei anderen mochte es vielleicht funktioniert haben, aber bei Fireball und April hatte die Erfahrung gezeigt, dass sie nicht wie die anderen waren. Sie hatten eine andere Geschichte, andere Hintergründe und vor allem hatten die beiden von vornherein einen bescheidenen Start in ihr junges Liebesglück gehabt. Immer wieder hatten sich Außenstehende in ihre Beziehung eingemischt, absichtlich oder auch unbewusst. Fakt aber war, dass dies nichts für die beiden war. Sie wollten keine Ratschläge und in dem Fall auch keine wirkliche Hilfe. Am wichtigsten war mittlerweile, dass sie füreinander da waren. Sonst zählte nichts. Und hätte April Colt nun freudestrahlend erzählt, dass sie es zusammen versuchen wollten, sie zusammen wohnen wollten, hätte der Freund seine unbändigen Vatergefühle auch an ihnen ausgelassen. Sie kannte ihren Viehtreiber, der würde sich nicht zurückhalten können, niemals.

Fireball sank nach hinten weg. Da er April nicht hatte sehen können, hörten sich ihre Worte auch für ihn seltsam an. Er verschränkte etwas eingeschnappt die Arme vor der Brust und brummte: „Na, abwarten.“

Der Schotte rutschte auf der Lehne leicht nach vor, das waren doch mal Nachrichten vom Feinsten. Denn im Gegensatz zum Scharfschützen war ihm durchaus bewusst, dass April ihnen nur vorgaukeln wollte, wieder ausziehen zu wollen. Das war doch klar, dass die beiden es nun richtig machen würden, da konnte sie sagen, was sie wollte. Er kannte die zwei doch. Saber schmunzelte: „Das freut mich für euch.“

Wenigstens ein Teil der Mannschaft hatte gute Neuigkeiten zu vermelden. Colt stand, auch wenn er es nicht ausgesprochen hatte, unendliche Angst um seine Frau und sein ungeborenes Kind aus. Colt war in dieser Hinsicht nie der besonders große Redner gewesen, das waren sie alle eigentlich nicht. Saber korrigierte seine eigenen Gedanken. Er konnte zwar festhalten, dass Colt Probleme nicht offen ansprach, zumindest nicht solch tief greifenden und persönlichen Sorgen, aber herabsetzen durfte er den Kuhhirten deswegen auch nicht. Denn von dieser Sorte kannte Saber mindestens noch zwei Kandidaten, die ebenfalls im Raum saßen. Alle vier waren sie so. Sie konnten anderen wunderbar helfen, nur sich selbst Hilfe zu holen, fiel ihnen schwer. Keiner von ihnen konnte es, Colt noch am ehesten, wie Saber fand. April zog es vor, Problemen aus dem Weg zu gehen, soweit sie konnte. Sie schob unangenehme Dinge einfach beiseite, redete sich ein, dass sie nicht existierten. So hatte sie es zumindest damals gemacht, nachdem Fireball weggegangen war. Permanent hatte die Blondine so getan, als hätte es den Rennfahrer nie in ihrem Leben gegeben. Saber riskierte einen Blick zu Fireball. Der Härtefall in Sachen Schweigsamkeit hätte es beinahe mit dem Leben bezahlt. Fireball versteckte sich hinter seiner immerwährenden Frohnatur, seiner großen Klappe und seinem Hitzkopf. Er konnte im Gegensatz zu April, Probleme zwar nicht zur Seite schieben, aber er war weltmeisterlich im Überspielen seiner Ängste und Gefühle und im Herunterspielen und Verharmlosen der Tatsachen. Fireball war mit Abstand der Kandidat, um den sich Saber die meisten Sorgen machte. Nicht zuletzt, weil er gesehen hatte, was passieren konnte, wenn der Rennfahrer seiner selbst auferlegten Selbständigkeit nicht mehr gerecht werden konnte, wenn ihm die Probleme seine Perspektive stahlen. Und zu guter letzt musste sich Saber noch selbst bei der Nase fassen. Auch er sprach nicht gerne über Probleme. Eigentlich überhaupt nicht. Bislang, und das gestand sich Saber zu, hatte er auch noch keine Schwierigkeiten gehabt. Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Dass seine Ehe in die Brüche gegangen war, würde er seinen Eltern erst noch erklären müssen und die würden damit keine Freude haben. Er wusste auch nicht recht, wie er an den Montag kommende Woche herangehen sollte. Es war selbstverständlich, dass sie eine Menge Ärger dieses Mal kassieren würden, aber das Ausmaß konnte er nicht abschätzen. Saber war der kommandierende Offizier, ihm allein war die Verantwortung für sein Team übertragen worden, er würde vorrangig den Kopf für das halbe Harakiri bei der letzten Mission hinhalten müssen. Saber tat sich schwer damit, eigene Ängste zu formulieren, sie mit anderen zu besprechen. Er hatte es niemals gelernt, weil ein Rider von Haus aus nie Probleme hatte. Sein Vater, Eduard, vertrat diese Ansicht mit eiserner Härte. Unbewusst blinzelte Saber bei diesem Gedanken wieder zu April. Sie konnte sich mit seinem Vater zusammensetzen, wie er amüsiert festhielt. Dann wanderten seine blauen Augen wieder auf Fireball. Nach dem schrecklichen Abschluss ihrer Mission auf New Witchita hatte sich das Verhältnis zwischen dem Ruhepol und dem Heißsporn grundlegend verändert. Der Schotte dachte an das Gespräch, das er mit Fireball damals in der Küche geführt hatte. Es war eine ganz neue Erfahrung für Saber gewesen. Hochsensibel hatte sich der Rennfahrer an die Schwierigkeiten herangetastet, war feinfühlig wie niemals zuvor gewesen, außer in seiner Wortwahl. Saber hatte das Gefühl bekommen, einen Vertrauten um sich zu haben. Er musste Fireball nicht alles haarklein erzählen, das konnte der kühl denkende Schotte auch gar nicht, um ihn zu verstehen. Der Rennfahrer hatte durch seine eigenen zwischenmenschlichen Schwierigkeiten ein ungeheueres Repertoire an Erfahrungen angehäuft, das ihm half, Saber zu unterstützen, ohne ihm seine Hilfe aufzudrängen. Der Schotte wusste, wenn er Fireball sachte zur Seite nahm und ihm nur oberflächlich schilderte, was und wie, der Rennfahrer würde ihm sofort alles vom Hals schaffen und halten, was ihn noch mehr belasten würde.

„Habt ihr schon was vom Oberkommando gehört?“, etwas zaghaft kam die Frage von Saber. Es war ihm verdammt unangenehm, derart mit der Tür ins Haus zu fallen, aber es war wichtig, immerhin war das der Grund für ihr aller Kommen.

Fireball und April schüttelten nachdenklich den Kopf. Der Rennfahrer hatte keinen Anruf bekommen, obwohl er schon fest mit einem gerechnet hatte. Aber bisher war sein Telefon stumm geblieben. Und die Blondine stand jeden Tag im Oberkommando auf der Matte, niemand hatte sie aber bislang irgendwohin zitiert oder ihr eine Nachricht zukommen lassen. Es dürfte also alles beim alten sein.

Colt schob die Unterlippe nach vor und verneinte ebenfalls. Allerdings in seinen eigenen Worten: „Nö, Hiob hat noch keine Botschaft dagelassen.“

Der Schotte schob sich auf seiner Armlehne nach vor. Das waren Informationen, die seine Befürchtung bestätigten. Er würde den kommenden Montag nicht überleben. Zumindest beruflich nicht. Keiner seiner Freunde hatte Nachricht aus dem Oberkommando erhalten, er selbst auch nicht. Nur diesen netten kleinen Hinweis an seinem letzten Anwesenheitstag vor zwei Wochen. Oh, er wollte am Montag gar nicht ins Hauptquartier gehen. Alles, was ihm jetzt noch übrig blieb, war beten oder Galgenhumor. Saber entschied sich für letzteres, beten würde ihnen wohl kaum helfen: „Dann geht die Welt überraschend unter.“

Das kleine Lächeln, das Sabers Gesicht umspielte, zeigte deutlich, wie ernst es mit diesem kleinen Spaß werden konnte. Sofort sprang Colt deswegen vom Sofa hoch. Er wollte gar nicht daran denken und darüber reden schon gleich zwei Mal nicht. Der Sturm, der sich im Oberkommando zusammenbraute, konnte nur in einer Sturmflut mit zahlreichen Opfern enden. Er entschuldigte sich: „Ich muss weg!“

Kopfschüttelnd hielt Saber seinen Scharfschützen an der Hand fest und drückte ihn auf den Sessel daneben gleich wieder nieder. Er tadelte ihn leicht: „Schön hier geblieben, Kumpel.“

Widerwillig sackte Colt auf den Sessel. Kaum hatte Saber ihn los gelassen, machte er schon wieder Anstalten, sich zu erheben und die Wohnung zu verlassen. Er stand wieder auf und erklärte Saber ohne große Unschweife und schöne Worte: „Wenn die gottverdammte Welt wirklich untergeht, dann will ich bei meinen zwei Weibern sein.“

Der Kuhtreiber hatte doch wirklich panische Angst, wie es Saber grinsend durch den Kopf schoss. Der Familienmensch hatte die letzten zwei Wochen konsequent zur Seite geschoben, was im Oberkommando auf sie wartete, dass er jetzt am liebsten die Flucht ergreifen würde, noch bevor er wusste, weshalb er hier war. Das war typisch Colt. Hauptsache, er war bei seiner Frau und seinem Töchterchen. Saber beschwichtigte ihn schmunzelnd: „Wenn, geht die Welt erst am Montag unter. Und dann auch nur für mich.“

Colts vier Buchstaben fühlten inzwischen wieder Polster unter sich, er hatte sich wieder gesetzt. Dann musste er wohl oder übel bleiben. Es war wichtig, aber mindestens genauso unangenehm. Aufmerksam musterte er die anderen drei. Der Schotte wirkte gefasst. Klar war er gefasst, immerhin und darauf verwettete Colt seinen Hut, wusste Saber schon seit geraumer Zeit, was das Oberkommando von ihm wollte. Der Rennfahrer begann unruhig auf seinem Platz hin und her zu rutschen. In spätestens zwei Minuten stand Fireball, das war sicher. Und April hatte sich nach vor gelehnt und die Unterarme auf den Oberschenkeln abgestützt. Mit fragenden Augen sah sie zu Saber auf, ehe sie nachhakte: „Was ist passiert?“

Bereitwillig gab der blonde Highlander Auskunft. Je genauer er ihnen schilderte, was los war, desto schneller konnten sie das unangenehme Thema auch wieder abhaken: „Ich hatte ein sehr nettes Gespräch.“, er machte eine kurze Pause, das Detail musste er glatt auspacken. Dabei sah er vor allem Fireball an: „Mit drei Herren.“

Colt begann schon gedanklich den Countdown anzuzählen, bis Fireball hoch ging. Achtundfünfzig, siebenundfünfzig… Er gab Fireball noch eine Minute, bis der junge Japaner zum ersten Mal die Beherrschung verlor.

Fireball allerdings lehnte sich zurück und musterte Saber unsicher. Das klang gar nicht gut. Verdammt, der Säbelschwinger brauchte nur zwei Sätze zu sagen und schon breitete sich ein Magengeschwür in Fireball aus. Seine braunen Augen machten einen kurzen Zwischenstopp bei April, ehe sie wieder an Saber haften blieben. Nein, der Schotte war in diesen Stunden nicht zu beneiden. Verdächtig ruhig nickte er: „Die rechte und die linke Hand des Teufels also.“, genervt verdrehte er die Augen: „Und der Leibhaftige natürlich.“

Soweit konnte auch Colt was mit der Information anfangen, dennoch wusste er absolut nicht, was sie denn nun von Saber gewollt hatten. Darüber hatte der Oberheld noch kein Sterbenswörtchen verloren. Deshalb rutschte Colt im Stuhl nach vor, bis er nur noch auf der Kante saß. Er faltete die Hände und nuschelte in seinen nicht vorhandenen Bart: „Was wollten die drei Weisen?“

„Was wohl?!“, gereizt fuhr nun Saber in die Höhe. Er hatte bestimmt nicht so grimmig und ungehalten sein wollen, aber Colts unschuldig doofe Frage hatte ihn gerade wahnsinnig gemacht. Wie konnte der Viehhirte nur nicht wissen, was die von ihnen und vor allem von ihm wollten? Grummelnd stapfte Saber in die Küche und vergrub seinen Kopf in einem Regal.

Die anderen drei beobachteten ihren Boss aufmerksam. Während Colt sich eingestand, dass er sich verkalkuliert hatte, warf April einen fragenden Blick auf Fireball. Der allerdings konnte nur mit den Schultern zucken und weiterhin aufmerksam zusehen und –hören. Colt hatte sich umgedreht und sah Saber dabei zu, wie er vier große Gläser aus dem Regal holte und auf ein Tablett stellte. Au backe, das würde länger dauern. Aus dem Kaffee würde wohl unter diesen Umständen nichts. Prüfend warf auch der Cowboy einen kurzen Blick auf Fireball. Er grübelte. Wie hatte er sich nur derart verschätzen können? Hatten sich Fireball und Saber dazu entschieden, mal die Rollen zu tauschen und dem Kuhhirten somit eins auszuwischen? Der kleine freche Japaner saß immer noch auf dem Sofa, die Arme vor der Brust verschränkt und einen Blick aufgesetzt, den Colt beim besten Willen nicht enträtseln konnte. Im Gegensatz zu Sabers. Der trug seinen Unmut offen wie selten zur Schau, als er mit einer großen Karaffe Saft und vier Gläsern wieder kam. Er stellte das Tablett auf den Tisch und setzte sich nun auf den Platz, an dem Colt vorhin noch gesessen hatte, neben April. Seufzend beschrieb er: „Die drei wirbeln mächtig Staub im Oberkommando auf. Und wir vier können uns beerdigen lassen, ich zumindest auf alle Fälle. Verflucht und zugenäht, Colt, wir haben Ramrod geschrottet, was glaubst du wohl, wer dafür verantwortlich ist?“, mit dem Zeigefinger deutete Saber auf sich selbst: „Zu allem Überfluss hatten wir – sie nennen es liebevoll – eine nicht autorisierte Person an Board, die weder Dienstvertrag noch Erlaubnis oder Gesundschreibung hat. Dieser Jemand fliegt dann auch noch die Geheimwaffe des Oberkommandos. Und das alles liegt in meinem Verantwortungsbereich. Was glaubst du denn, was die sonst wollen, außer unsere Köpfe?“

Das waren nun Worte gewesen, die auch Colt verstanden hatte. Unliebsam schob sich ihm wieder in den Vordergrund, was sie sich auf der letzten Mission geleistet hatten. Den Luxus einer guten Lebensversicherung in Form von Fireball. Zur Not, das gestand sich Colt ein, wären sie auch ohne Fireball geflogen, aber was dann geschehen wäre, wagte er sich nicht einmal auszumalen. Vielleicht wären sie gnadenlos untergegangen gegen die Outrider und ihre übermächtige Skrupellosigkeit. Der Cowboy begriff nicht, weshalb die drei Ausschussmitglieder das nicht verstanden und es sich nicht ausrechnen konnten. Die drei mussten doch wissen, wie gefährlich ihre Arbeit war, und wie willkommen Hilfe immer war. Aber nichts da. Sie suchten nun einen Schuldigen und der hatte sich mit dieser Aktion auf dem Präsentierteller gezeigt. Saber. Der blonde Highlander war der kommandierende Offizier. Er trug alle Entscheidungen und musste sie vor dem Ausschuss gegebenenfalls auch verteidigen, egal, ob die Entscheidung im Konsens gefällt worden war oder nicht. Colt riskierte einen Schwenk auf April und Fireball. Wie clever war der Ausschuss wirklich? Sie waren mitten in der Nacht aus dem Bett getrommelt worden, wie lange würden die drei Herren wohl brauchen, bis sie erkannten, dass Fireball es nur von April erfahren haben konnte. Au weia, bei diesem Gedanken zog Colt sofort den Kopf ein, sie hatten sich alle in den Schlamassel geritten. Die nächste Ausschusssitzung, so kam Colt zu dem Schluss, wurde noch wesentlich unangenehmer als die letzte, das konnte er mit Sicherheit weissagen.

Die Blondine hatte aufmerksam zugehört, mit jedem Wort war ihr unbehaglicher geworden. Gedanklich war sie schon längst wieder bei der Türe draußen. April erfasste bereits die Tragweite von Sabers Ausführungen. Die Freunde steckten noch tiefer im Sumpf als sie es ohnehin schon getan hatten. Vielleicht verlor nun nicht nur ihr Vater seinen Job, sondern auch Saber. Und wenn es ganz dick kommen sollte, würden auch sie und Fireball eins auf den Deckel bekommen. Unweigerlich rutschte April ein Stückchen näher an ihren Freund heran. Sie brauchte seine Nähe, denn in ihr keimte Angst auf. Was würde auf sie zukommen?

Fireball stützte den Arm auf die Armlehne und legte den Kopf darauf. Seine Gedanken rotierten. Alles, was sein durfte, aber Saber durfte seinen Posten bestimmt nicht verlieren. Sie mussten sich etwas einfallen lassen und das schnell. Wieso hatte der ehrenwerte Säbelschwinger das nicht schon früher erwähnt? Fireball biss sich auf die Lippen und strich sich die Haare aus der Stirn, was absolut keinen Zweck hatte. Sofort fielen ihm die kurzen Strähnen wieder ins Gesicht und kitzelten ihn. Als er merkte, dass April näher zu ihm gerutscht war, strich er ihr behutsam, aber auch zaghaft über den Rücken und ließ seine Hand dort ruhen. Hinter ihrem Rücken, damit es niemand sah.

Durch die kleine Geste bestärkt und nicht mehr so ängstlich wie noch kurz zuvor, nahm April schließlich allen das am nächsten liegende vorweg. Sie lehnte sich entspannter in Fireballs Hand und kräuselte die Stirn. Sie standen zu viert an dieser Front, das war sofort klar, aber: „Was ist mit Daddy? Wird er uns helfen?“

Auch Saber hatte die beiden Frischverliebten beobachtet. Sie agierten verhalten, beinahe, als dürften sie das nicht, was sie taten. Was fremde Menschen als Schüchternheit ausgelegt hätten, dem konnte Saber eine ganz andere Bedeutung entnehmen. Lange war es das gewesen, was Fireball und April sich gewünscht hatten, doch sie hatten sich tatsächlich nie berühren dürfen. Vor allem dem Rennfahrer merkte man deutlich an, dass er immer noch Commander Eagles mahnende Worte im Hinterkopf hatte. Welchen Schaden der Commander nur angerichtet hatte. Saber atmete tief durch. Commander Eagle. In dem Fall nun ihre einzige Rettung, wenn sie überhaupt noch jemand retten konnte. Bedächtig nickte Saber: „Ja. Commander Eagle steht auf unserer Seite. Er wird zumindest versuchen, uns Rückendeckung zu geben.“

„Und wie will er das anstellen?“, in dem Bezug fehlte April jegliche Idee. Sie hatte keine Ahnung, wie ihr Vater ihnen helfen wollte. Okay, helfen wollte er ja, aber ob er es konnte, war eine andere Frage. Die Geschichte nahm mittlerweile handfeste Formen einer Krise an. April verlor nicht nur den Glauben an das Gute, auch ihre Hemmungen. Seufzend sank sie vollends nach hinten, lehnte sich an die Schulter von Fireball und legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel. Sie brauchte seine Nähe jetzt mehr als sonst etwas auf Erden.

Ja, das war ihre April. Fast schon zufrieden stellten Colt und auch Saber fest, dass April Fireballs Nähe genoss und auch brauchte, um nicht allzu nervös zu werden. Es störte weder Colt noch Saber, im Gegenteil. Die beiden freuten sich für das junge Paar. Als Saber merkte, wie der Rennfahrer die Berührungen von April weniger entspannend fand, als die Blondine, nickte Saber ihm bestätigend zu. Es war nichts dabei, sich mal im Arm zu halten, wenn andere dabei waren. Bestärkt und auch ermutigt von Saber fand sich kurz darauf Fireballs Hand um Aprils Schulter gelegt wieder. Dass Colt mal kommentarlos alles beobachtete, verlieh zusätzlich Mut, wie Saber feststellte. Sie würden es schon noch lernen.

So schön der liebevolle Umgang auch mit anzusehen war, im Augenblick gab es Wichtigeres. Der Schotte schenkte sich und seinen Freunden ein Glas Limonade ein, während er den Plan erläuterte: „Commander Eagle versucht zumindest die Arbeitserlaubnis im Nachhinein aufzutreiben. Aber ich weiß nicht, ob er General Whitehawk schon erreichen konnte. Ansonsten wird er nicht viel tun können, die Sachlage ist zu eindeutig diesmal.“

April genoss die beruhigenden Bewegungen von Fireball. Ihre Anspannung fiel langsam wieder ab, zumindest in einem solchen Ausmaß, dass sie wieder rational und logisch denken konnte. Die Erlaubnis war nur die halbe Miete, deshalb bohrte sie weiter: „Und der Arzt?“

„Dr. Perry?“, verwundert fuhr Fireball hoch. Nie im Leben würde der alte Quacksalber eine Gesundmeldung rausrücken, schon gar nicht im Nachhinein. Das Donnerwetter beim letzten Arztbesuch klang ihm noch in den Ohren nach. Der gute Dr. Perry hatte sich als erstes nach seinem Rücken erkundigt und ob er ohne Operation besser geworden war. Leichtsinnig hatte Fireball daraufhin die Wahrheit ausgepackt, nur um dem Arzt im Oberkommando kurz darauf zu erklären, woher er die blauen Flecken und Abschürfungen hatte. Dr. Perry war zwar nicht an Dr. Shirota rangekommen, aber schimpfen konnte auch der Arzt aus Yuma wie eine Eins. „Du machst Witze, April!“, empört ließ sich Fireball vernehmen.

Doch das Argument ließ April nicht gelten. Sie hatte gerade erst angefangen, sich Gedanken zu machen, da ließ sie sich von der erstbesten Aussage doch nicht gleich wieder ins Boxhorn jagen. Sofort versetzte sie dem ehemaligen Piloten: „Mit ihm dürfte das noch eher verhandelbar sein, als mit Dr. Shirota.“

Sarkastisch lachte Fireball daraufhin auf. Das war mal ein Argument von seiner Liebsten: „Wenn mein lieber Onkel Doc erfährt, was ich auf Yuma so treibe, lyncht er mich.“, aber Recht hatte sie. Dr. Shirota brauchten sie gar nicht erst zu fragen, der würde Fireball doch sofort wieder wegschicken. Fireball rückte seine Freundin etwas zurecht, damit er wieder bequem sitzen konnte, ehe er grüblerisch versuchte, eine brauchbare Idee zu liefern. Dr. Perry war damals schon sein Arzt gewesen, hatte ihn während seiner Zeit im Oberkommando selten bis nie krank geschrieben. Mit einem unsicheren Nicken bedeutete der Rennfahrer schließlich seine Zustimmung. Er wollte einen Teil dazu beitragen, um vor dem Ausschuss nicht unter zu gehen. Er bestätigte: „Ich werde Perry nachher gleich noch anrufen und ihn anbetteln. Die Arbeitserlaubnis wäre dazu hilfreich, wenn ihr versteht, was ich meine.“

Der Kuhhirte hatte sich die letzten Minuten aufs Zuhören beschränkt. Sein Kumpel war immer noch nicht aus der Haut gefahren, er fragte sich langsam ob Fireball irgendwelche Schmerztabletten einnahm, die auch beruhigten. Anders konnte er sich das Schauspiel gerade nicht erklären. Der Fährtenleser dachte angestrengt darüber nach. Die Arbeitserlaubnis und eine Gesundmeldung waren ein guter Ansatz, aber weil beides erst nachgereicht wurde, bezweifelte Colt, dass es den Ausschussmitgliedern nicht auffallen würde. Sie würden fragen, wenn nicht sogar verlangen, weshalb das alles erst im Nachhinein aufgetaucht war. Und dann gab’s da noch zwei klitzekleine Kleinigkeiten. Colt fuhr sich übers Gesicht, als er erschöpft in den Sessel sank: „Dann haben wir nur noch das Problem, wie wir erklären sollen, wieso sie Ramrod vor dem Ausbildungslager nur noch Teilchenweise aufsammeln können und warum das neue Quietschentchen nicht da parkt, wo es soll.“

„Quietschentchen?!“, drei so fragende und erstaunte Gesichter hatte Colt noch nie verursacht. Seine drei Kameraden sahen ihn an, als wüssten sie nicht, was er meinte.

Dem Viehtreiber war sein Ausdruck jedoch logisch. Wie würde man das Ungetüm, den neuen Friedenswächter, sonst nennen, wenn nicht nach seinem Aussehen? Deswegen war der zerschossene Ramrod auch immer wieder von ihnen als großer Cowboy bezeichnet worden. Durften sie das mit dem neuen etwa nicht mehr machen? Fragend zog Colt seine Augenbrauen zusammen und deutete in die Himmelsrichtung, in der er das Oberkommando vermutete: „Na, der neue Friedenswächter eben. Gelb, groß und vor allem da, wo er nicht sein sollte. Schon vergessen?“

Da wich die Anspannung von den anderen dreien. Einen Moment lang hatten sie gedacht, er hätte wieder irgendwas gesehen, was sie nicht mitbekommen hatten. Colt würde es nie schaffen. In jedem Gespräch, egal wie ernst es war, brachte er unweigerlich alle zum Lachen. Während er April und Saber ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte, muckte der Rennfahrer auf. Bei technischen Geräten und Maschinen war er um einiges genauer, als es sein Freund war: „Der ist platinfarben, du Mustersöhnchen. Nicht gelb.“

Und auch April konnte sich nicht mehr zurückhalten. Sie witzelte: „Okay, ich glaube, wir haben bei der letzten Schlacht alle was abbekommen. Du ganz offensichtlich an den Augen, Colt.“

Beleidigt verschränkte Colt die Arme vor der Brust und drückte den Rücken in die Lehne. Die amüsierten sich aber auch immer nur über ihn, das war einfach nicht fair. Da war es besser, ihnen gleich wieder den Wind aus den Segeln zu nehmen. Colt war einerseits froh darüber, dass alle noch lachen konnten, andererseits aber war das Lachen gerade nicht angebracht. Sie hatten wirklich einen Haufen Ärger, der sie spätestens am Montag einholen würde. Etwas ungewöhnlich für ihn versuchte er nun, die Aufmerksamkeit wieder dem eigentlichen Thema zu zulenken: „Von mir aus, dann ist er platin. Der kann meinetwegen auch goldgelb oder lilablassblau sein. Der dämliche Kasten bedeutet eine Menge Ärger. Wie erklären wir den jetzt?“

Saber hielt sein Saftglas in Händen. Colts Frage war wie immer treffend genau auf den Punkt gebracht. Ohne Verschnörkelungen und ohne netter zu klingen, als es war. Dem Schotten graute schon vor Montag. Dass in letzter Zeit auch alles auf sie zurückfiel, was im Oberkommando schon seit Jahren so praktiziert wurde. Saber ahnte nichts Gutes dabei. Seit geraumer Zeit drängte sich ihm der Verdacht auf, dass sie an den berühmten Star Sheriffs ein Exempel statuieren würden, egal wie gut die Antworten auf die Fragen waren. Saber schluckte leicht: „Warum Ramrod nicht mehr existiert, lässt sich noch relativ einfach erklären, aber-.“,

„Ja. Der ist vom neuen Friedenswächter über den Haufen geschossen worden. Ramrod war erstens nicht voll funktionsfähig und zweitens der kleinen Platinente“, dabei schenkte Fireball dem Scharfschützen einen fröhlichen Blick: „nicht gewachsen. Die können doch nicht ernsthaft glauben, dass unser Baby einem neuen Kampfschiff auch nur ansatzweise das Wasser reichen kann, überhaupt, wenn auf Ramrod weder die Steuerung richtig funktioniert hat noch die Challangephase. Da kann auch ein unausgebildetes, nicht autorisiertes Naturtalent wie ich keine Wunder vollbringen. Arbeitserlaubnis hin oder her!“

Fireball hatte Saber unhöflich unterbrochen. Aber wenn der Säbelschwinger schon von einer Erklärung anfing, dann war das wohl eher seine Aufgabe, als die des Schotten. Übertrieben weit ausholen konnten sie angesichts der Tatsachen dieses Mal ohnehin nicht. Es war was anderes, Beurteilung schön zu reden, als den schrottreifen Friedenswächter. Und das war eindeutig auf seinem Mist gewachsen. Das konnte ihnen der Ausschuss auch anders unter die Nase halten, wie Fireball frustriert schnaubte.

Es war zum Verrücktwerden. Egal, wie sie es drehten und wendeten, der kommende Montag war eine Katastrophe. April fuhr sich nachdenklich durch die Haare und streifte sich ihren Haarreif ab. Wie viele Pluspunkte hatten sie überhaupt noch auf ihrem ‚Wir-sind-die-Besten’-Konto? April brachte einen weiteren Gedanken ins Spiel: „Was ist mit Tomas und vor allem mit Jesse? Gibt’s für die keine Bonuspunkte mehr?“

Zur Enttäuschung aller schüttelte Saber den Kopf: „Nein, den Bonus haben wir bei der letzten Sitzung schon verspielt. Und Tomas.“, wieder wanderten Sabers Augen zu Fireball. Allmählich dachte der Schotte, alles lief beim Rennfahrer zusammen, oder hatte mit ihm zu tun. Er versuchte den Gedanken beiseite zu schieben, denn er war nicht fair. Er konnte Fireball nicht die Schuld für den ganzen Schlamassel geben, auch, wenn alles irgendwie mit ihm zusammen hing. Saber senkte den Blick wieder auf den Tisch: „Tomas ist ein persönliches Problem von Fireball. Leider haben wir auch den gerettete Kadettenbonus vertan.“

Colt rümpfte die Nase. Prägnant fasste er Sabers Worte zusammen: „Okay, halten wir fest. Im Dienste der guten Sache haben wir erheblichen Sachschaden verursacht und uns über diverse kleine Regeln hinweggesetzt. Weder, dass wir Jesse Blue zum wiederholten Male einkassieren konnten, noch der Umstand, dass wir dem Nachwuchs den Hintern gerettet haben, hilft uns dabei. Schön, dann kriegen wir halt kein Danke dafür. Aber ich find’s richtig scheiße, dass es nichts zählt, das Richtige zu tun!“

Genervt griff Colt nach seinem Saftglas und leerte es in einem Zug. Guavensaft war es keiner gewesen, aber mit schnöden Orangensaft gab er sich auch zufrieden. Irgendwie regte es Colt maßlos auf, was da im Oberkommando grade ablief, vor allem, weil es seine Freunde und ihn direkt betraf. Klar, er war der Unbeteiligste daran, er war weder kommandierender Offizier, noch hatte er was getan, was er nicht hätte dürfen oder war der Grund für eine unehrenhafte Entlassung gewesen. Gott, er beneidete seine Freunde wirklich nicht. Aber er wusste auch nicht, wer ihm mehr leid tat. Alle drei Gestalten, wie sie da aneinander gereiht auf dem Sofa saßen, hatten ihr eigenes schweres Päckchen zu tragen.

Saber nickte grimmig: „Amen.“

„Aber das ist nicht fair!“, entrüstet und verärgert straffte April ihre Haltung. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass es nicht viel Sinn machte, sich darüber nun aufzuregen, aber sie konnte ihre Gefühle nicht einfach an der Haustüre ablegen wie eine Jacke. Ihr Verstand und ihre Logik vermeldeten eindeutig: „Das können sie nicht machen. Es liegen mittlerweile alle Berichte vor. Sie können die offensichtlichen Punkte nicht einfach leugnen.“

Fireball griff nach Aprils Hand und zog die Blondine mit sanftem Druck wieder auf ihre Sitzfläche zurück. Wieder strich er ihr über den Rücken, dieses Mal offensichtlicher als beim ersten Mal. Ruhig widersprach er April. Der Ausschuss würde nun genau das sehen, was sie nicht hätten sehen dürfen: „Ja. Zum Beispiel ist es nun offensichtlich, dass ich nicht hier her gehöre.“, Fireball machte eine kleine Pause, seine braunen Augen blickten zum Schotten auf. Der Highlander hatte ein schweres Los gezogen: „Und für alles muss Saber den Kopf hinhalten.“

Davon ließ sich April dieses Mal nicht beruhigen. Ihr Gerechtigkeitssinn ließ dieses Argument nicht zu, weil es in ihren Augen nicht stimmte. Auch sie konnte stur sein. Vor allem in dieser Hinsicht. Ihr Vater hatte sie gelehrt, mit offenen Augen und einem guten Herzen durch die Welt zu gehen und niemanden ungerecht zu behandeln, deshalb sollten es auch alle anderen tun: „Aber sie können auch Tomas und Jesse oder die ganzen Kadetten nicht übersehen!“

Nüchtern zermalmte Colt Aprils nächstes Aufbegehren: „Nö, das nicht. Aber sie könnten auf die Idee kommen, dass der antike Ramrod noch in einem Museum bestaunt werden könnte, wenn wir einen gesunden Piloten gehabt hätten. Wenn weder die Erlaubnis noch eine Gesundmeldung vorliegen, werden sie unserem Matchbox noch das Riesenbaby in Rechnung stellen. Blöd, wie die sind.“

„Nur mal interessehalber, April.“, Fireball griff nach ihrer Hand und lächelte unsicher: „Was hat Ramrod in der Anschaffung gekostet?“

Gedanklich begann Fireball schon zu rechnen, welche Konten er auflösen musste und welche Sparschweine er überfallen musste, um den Friedenswächter bezahlen zu können. Colts blödsinniger Spruch war gar nicht so abwegig gewesen. Immerhin, und das war ganz klar, hatte er Eigentum der Kavallerie vernichtet, die konnten ihm das wirklich in Rechnung stellen, noch dazu, wo er sich unbefugt an Board befunden hatte.

Grinsend hob Colt die Hand und versenkte Fireballs Idee gleich im nächst besten Mülleimer. Da gab es erstmal wichtigeres: „Spar dir dein Geld, Turbofreak. Zuerst muss mal der Arzt bestochen werden.“

Das alles war eigentlich nicht komisch, dennoch schmunzelten alle vier. Ihr Galgenhumor würde sie retten. Ebenso ihr starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Bei der letzten Ausschusssitzung hatten sie schon treffend bemerkt, dass sie eine Familie waren. In guten wie in schlechten Zeiten, dass sich die schlechten Zeiten gerade häuften, war Pech. Aber sie würden zueinander halten, das konnte ihnen kein Ausschuss des Universums nehmen. Das konnte ihnen niemand nehmen.

„Fehlt uns nur noch eine einleuchtende Erklärung, wieso der neue Friedenswächter den alten zusammen geschossen hat und weshalb er nicht mehr auf Alamo zur Fertigstellung ist.“, April lehnte sich grüblerisch zurück. Sie konnten alles erklären, doch die Schilderungen würden nur noch mehr Fragen aufwerfen. Klar, sie waren die beste Einheit im Neuen Grenzland gewesen, seit jeher. Aber seit der vermeintlich letzten Schlacht waren inzwischen Jahre vergangen, alles hatte sich geändert und nun standen sie in der Schusslinie. Ihnen wurde unterschwellig schweres Fehlverhalten vorgeworfen, allen, auch wenn es der Ausschuss so nicht formuliert hatte.

Saber lehnte sich ebenfalls zurück. Unbewusst strich er sich mit der linken Hand über seine angeschossene Schulter. Daran wollte er gar nicht denken, denn es war ein ehemaliger Kadett gewesen, der den neuen Friedenswächter gekidnappt hatte, damit Fireball und Ramrod abgeschossen hatte und jegliche Ordnung im Neuen Grenzland umkippen wollte. Aber recht erklären wollte Saber auch nicht müssen, wie Jesse Blue an den neuen Friedenswächter rangekommen war. Denn das fiel zwangsläufig auf jemand anderen im Team zurück. Niemand von ihnen hatte überhaupt gewusst, dass es einen neuen Ramrod geben würde, es kam nur eine Person dafür in Frage. Und zwar diejenige, die den ersten Friedenswächter bereits mitentwickelt hatte. Seufzend gestand Saber: „Wir werden alle zur Verantwortung gezogen. Sie werden die Ansicht vertreten, dass nichts von alledem jemals passiert wäre, wenn wir uns an die Vorschriften gehalten hätten, Leute.“

Ja, das war Saber, wie sie ihn alle kannten. Rational bis zum äußersten. Sachlich und inhaltlich korrekt, manchmal konnte man wirklich den Eindruck gewinnen, Saber würde das alles nur beobachten und nicht selbst mittendrin stecken. Colt bewunderte diese Gabe, wusste aber gleichzeitig, dass der Anblick immens täuschte. Das hatte man gerade vorhin gemerkt. Da wäre Saber beinahe ausgetickt. Genervt grummelte Colt schließlich: „Die verdammten Vorschriften. Jeder mit Kampferfahrung sollte wissen, dass man sich in der Hitze des Gefechts nicht immer an die Vorschriften halten kann. Dass man da nicht vergisst, wie man heißt, grenzt ja schon an ein Wunder!“

Der Rennfahrer nickte bestätigend, hatte aber noch einen Verbesserungsvorschlag zu Colts eben Gesagten anzubieten: „Ist alles schon passiert, wenn ich dich daran erinnern darf.“ Tatsächlich war es Fireball bereits passiert. Er hatte sich bei einem Gefecht Verletzungen zugezogen, die ihn hatten vergessen lassen, wer er war. Sein Gedächtnisverlust war eine harte Bewehrungsprobe gewesen, für alle Beteiligten. Wieder wandte er seine braunen Augen von Colt ab, hin zu Saber. Fireball bekam allmählich eine genaue Vorstellung vom nächsten Montag. Und die betraf vor allem zwei Star Sheriffs. „Wir“, dabei deutete er kurz auf Saber und sich selbst: „sollten uns gute Antworten einfallen lassen. Hauptsächlich wird es unser Problem werden, Säbelschwinger.“

Colt wollte gerade zu einer Rede ansetzen, was in Fireball gefahren war, doch noch ehe er den Mund aufbringen konnte, klingelte sein Telefon. Er würde Fireball wohl später nach den Tabletten fragen müssen. Behäbig stand Colt auf und entschuldigte sich: „Da klingelt’s in der Hose. Uno Momento.“

verkehrte Welt

Hi... es dauert momentan lange, bis ich was zu Stande bringe, und es wird definitiv in der nächsten Zeit noch länger dauern... Aber ich schreib immer noch gerne *g*... Ich wünsche viel Spaß beim Lesen, das Kapitel hat nämlich einige Lacher auf Lager
 

Kopfschüttelnd blickte April ihrem Freund hinterher, wie dieser abhob und auf den kleinen Balkon hinaustrat. Mit zusammengezogenen Augenbrauen kommentierte sie den Klingelton des Kuhhirten: „Das Lied vom Tod. Wie passend.“

Fireball zog die Schultern an, was anderes hatte er von Colt eigentlich nicht erwartet. Der hing an seinem Wildwestklischee, und was würde da besser passen, als ein solcher Klingelton? Der Titel war grade in dem Moment vielleicht nicht angebracht, aber dafür konnte der Anrufer nichts.

Auch Saber hob eine Augenbraue skeptisch an. Der Schotte fand das grad auch nicht übertrieben komisch. Dem beruflichen Tod waren sie nämlich sehr nahe. Aber wie das in solchen Situationen immer war, grade dann schien alles zusammen zu passen. In dem Fall auch der Klingelton. Gespannt verfolgte er Colts Bewegungen. Wer ihn wohl grade angerufen hatte? So schnell verschwand der Kuhhirte normalerweise wegen eines einfachen Telefonats nicht nach draußen.
 

„Bist du schon fertig, mein Spatz?“, Colt zog die Balkontür hinter sich wieder zu, dieses Mal wollte er keine ungebetenen Zuhörer haben. Er machte sich unendliche Sorgen um seine Frau und sollte bei der Untersuchung nun rausgekommen sein, dass ihr und dem Kind was fehlte, musste er das zuerst mit sich ausmachen, bevor er es seinen Freunden erzählen konnte. Colt drehte dem Wohnzimmer also bewusst den Rücken zu.

Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang allerdings nicht ganz so aufgewühlt oder traurig. Nein, Robins Stimme klang irgendwie sogar fröhlich, als sie Colt mitteilte: „Nein, noch nicht ganz, Schatz. Aber ich wollte dir unbedingt etwas sagen.“, sie holte tief Luft und brachte hervor: „Es werden zwei.“

Colt zog die Augenbrauen zusammen: „Zwei was? Golden Redriver?“

Übermütig bekam er zur Antwort: „Bin ich etwa ein Golden Redriver?! Colt! Es werden zwei. Wir kriegen Zwillinge.“

Robin hörte nur noch ein Knacksen in der Leitung, die Reaktion blieb Colt ihr schuldig. Und zwar, weil er einfach umgefallen war. Die Nachricht hatte ihn im wahrsten Sinne des Wortes umgehauen. Dabei fiel er gegen die Glasscheibe und verursachte einen Höllenlärm.

Alarmiert sprangen April und auch Saber sofort auf und rannten auf den Balkon hinaus zu Colt. Der Schotte konnte sich jedoch ein kleines Wortspiel nicht verkneifen, als er sich zu Colt hinunterbeugte, und ihm wieder hoch half: „Egal, was du grade erfahren hast, es muss wirklich umwerfend gewesen sein, Kumpel.“

April griff indes nach dem Telefon und sprach mit demjenigen, der Colt aus dem Konzept gebracht hatte. Sie konnte Robins Stimme, die sich besorgt überschlug, ganz deutlich ausmachen: „Colt? Hallo? Was ist mit dir?“

Die Blondine beruhigte ihre Freundin sofort wieder: „Hey, Robin. Colt kann grad nicht. Er ist wie ein Vogel gegen die Scheibe gepatscht. Was hast du ihm denn bloß erzählt?“

Die eine Blondine weihte die andere ein, während der Schotte Colt wieder auf die Füße zog. April blickte fragend zu Colt. Eine Antwort blieb sie Robin vorerst schuldig, dafür aber konnte sie nun verstehen, was Colt auf dem Boden gewollt hatte. Bevor Colt nach dem Telefon greifen konnte, beglückwünschte sie Robin doch noch: „Echt? Das ist ja… großartig.“

Die Lehrerin bat nach ihrem Mann, sie hätte ihm noch etwas mitzuteilen. April drückte Colt das Telefon wieder in die Hände und verschwand mit Saber wieder nach drinnen. Erst, als die Balkontür zu war, brachte Colt wieder etwas heraus. Völlig überrumpelt stammelte er: „Ist das wahr?“

„Freust du dich denn nicht?“, die Euphorie hatte bei Robin nicht lange gehalten. Colt klang nicht glücklich darüber. Das machte ihr Angst, immerhin war er der Vater des Doppelpacks. Gespannt horchte sie nun auf eine bessere Antwort.

Colt nickte eifrig, obwohl er genau wusste, dass Robin es nicht sehen konnte. Aber wie sollte er seine Worte sonst unterstreichen, als er geplättet zurückgab: „Doch. Doch! Ich freu mich wahnsinnig. Ich bin die Grinsekatze, bin ich“

Der Viehtreiber war im Augenblick nicht Herr seiner Sinne. Er wusste nicht, wie ihm gerade geschah. Seine Frau erzählte ihm einfach am Telefon, dass sie Zwillinge erwartete. Zwei kleine Lebewesen, seine Kinder. Dass das die simple Erklärung für Robins Kraftlosigkeit war, konnte sich Colt nicht zusammenreimen.

Robin atmete tief durch, nun war sie wieder beruhigt. Sie hatte das leichte Zittern in Colts Stimme gehört. Das gleiche freudige Zittern, das seine Stimme auch gehabt hatte, als sie ihm die Schwangerschaft mit Jessica gebeichtet hatte. Also war alles in ihrer kleinen Welt noch in Ordnung. Mutiger gestand die blonde Lehrerin nun: „Eins muss ich dir noch sagen, Schatz. Ich hoffe, du freust dich dann immer noch. Der Arzt hat ein Ultraschall gemacht.“, Robin hielt einen Moment lang den Atem an, ehe sie hervorbrachte: „Es werden zwei Jungs.“

Wieder knackste es in der Leitung und kein Ton von Colt.
 

Saber lehnte sich demonstrativ in seinen Stuhl zurück, verschränkte breit die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf: „Ich sammel die fette Taube sicherlich kein zweites Mal vom Boden auf.“, grinsend deutete er nun auf Fireball: „Du bist dran, Kumpel.“

Der Rennfahrer, der mit dem Rücken zum Balkon saß, drehte sich um und lehnte sich gegen die Rückenlehne. Instinktiv zog Fireball ein Bein auf die Sitzfläche und schob die Fußsohle unter seinen Hintern. Skeptisch beäugte er das Szenario auf Sabers Balkon, ehe er sich wieder halb zu seinem Boss drehte. Seinen rechten Arm ließ Fireball auf der Lehne, mit der Hand deutete er locker hinter sich: „Die fette Taube krieg ich doch nie im Leben hoch. Da braucht’s schon einen Lastenkran.“

April stieß Fireball leicht den Ellbogen in die Rippen: „Idiot!“

„Immer wieder gern, Süße.“, mit einem frechen Grinsen drehte sich Fireball wieder dem Balkon zu und beobachtete, wie sich Colt doch selbst wieder aufraffen konnte. Trotz Colts Geheimniskrämerei war die Situation für alle vier Freunde eine entspannte. Zumindest wieder. Colts zweimalige unfreiwillige Slapstickeinlage hatte alles aufgelockert. Nun waren die drei Freunde gespannt, was Colt tatsächlich aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.
 

Mühsam rappelte Colt sich wieder auf. Verkrampft hielt er sich an der Balkonbrüstung fest und stammelte seiner Frau ins Telefon: „Das ist nicht dein Ernst? Zwei Jungs? Kleine Cowboys?“, Robin durfte nun auf keinen Fall mit seinen Gefühlen spielen. Außer sich warnte er seine Liebste: „Robin, treib ja keine Späße mit mir.“

Die Lehrerin lachte herzlich auf. Sie hätte Colt in dem Moment am liebsten gesehen, sein Gesichtsausdruck musste einfach göttlich sein. Sie versicherte ihm: „Das tu ich nicht. Der Arzt ist sich ganz sicher. Zwei kleine, gesunde Racker.“, sie konnte es sich einfach nicht verkneifen: „Die sind jetzt schon so anstrengend wie du, Cowboy.“

Der Kuhhirte strahlte mit einem Mal übers ganze Gesicht. Endlich verstand er Robins Worte, endlich waren sie angekommen. Ungestüm jauchzte er, nur um gleich darauf einen Freudensprung zu machen. Übermütig fragte er: „Wann soll ich dich holen, Schatz?“

Robin gab Colt noch eine ungefähre Zeit durch, wann sie mit den nächsten Untersuchungen fertig sein würde. Ihr Mann würde sich sofort auf den Weg machen, sie kannte ihren Beschützer doch.
 

Mit einem seligen Lächeln im Gesicht trat Colt wieder durch die Balkontür ins Wohnzimmer zu seinen Freunden. Er lief wie ferngesteuert auf den Sessel zu, auf dem jetzt Saber saß, und blieb davor stehen.

Fireball runzelte die Stirn und deutete auf Colt. Er sah dabei April und Saber fragend an: „Was hat er denn?“

Die simple Antwort von April folgte auf dem Fuße: „Er wird Vater.“, dabei lächelte sie in Richtung des Kuhhirten. Colts Familienglück schien perfekt zu sein. April freute sich für die drei, die in wenigen Monaten zu fünft sein würden. Es war kein Geheimnis, dass Colt nun erst so richtig aufblühen würde.

„Ist er doch schon.“, Fireball brach angesichts dieser Worte nicht in Freudentaumel aus. Colt war schon Vater einer bezaubernden kleinen Tochter, er würde in wenigen Monaten ein zweites Kind mit Robin bekommen. Das war nun wirklich schon ein alter Hut. Das riss Fireball absolut nicht vom Hocker.

Saber schüttelte leicht den Kopf. Daran erkannte man eben doch, dass Fireball der jüngste im Freundeskreis war und mit Kindern bisher noch nichts zu tun gehabt hatte. Er war bei keiner Geburt dabei gewesen, hatte sowohl die ersten Monate von Jessica als auch die von seinem Sohn Matthew verpasst. Dieses Mal würde Fireball es aber sehr wohl erleben und hoffentlich auch seine Meinung diesbezüglich etwas ändern. Der Schotte schmunzelte leicht.

Die Blondine hingegen half Colt dieses Mal. Sie liebte Kinder ungemein und die Nachricht, die ihr Robin vorhin am Telefon gesteckt hatte, konnte man nun getrost fallen lassen, immerhin war Colt nun auch im Raum. Sie grinste breit: „Es werden zwei.“

Nun runzelte auch Saber erstaunt die Stirn und Fireball blieb die Spucke weg. Das war mal ein guter Grund, wie ein nasser Sack gegen eine Fensterscheibe zu fallen. Oh, das würde er Colt von heute an bei jeder Gelegenheit unter die Nase halten. Der Schotte hingegen fragte amüsiert: „Wie hast du das nur hingekriegt?“

Das glückliche Strahlen verging dem Viehtreiber nicht. Es wurde nur noch breiter, als er dem Highlander auf die Schulter klopfte: „Da es zwei Jungs werden, schätze ich, hab ich es so wie du gemacht, nur besser!“

Auch Saber grinste nun. Ein bisschen fies stichelte er: „Jetzt wird’s für euch zwei aber auch mal Zeit.“

Colt gluckste amüsiert. Nachdem Saber das so schön trocken hervorgebracht hatte, waren die Gesichter ihrer zwei Freunde feuerrot angelaufen, vor allem die Ohren. Fireball senkte den Kopf und nuschelte verlegen: „Ich hab keine Gesundschreibung.“

Das war mittlerweile sein Allheilrezept. Egal, worum es ging, die fehlende Gesundmeldung konnte man überall als Grund vorschieben. Zumindest hoffte es Fireball, dem plötzlich heiß geworden war. Er war noch nicht einmal richtig mit April zusammen gezogen, da kamen die beiden Schlauberger schon auf die Idee, dass sie Kinder haben sollten. In welcher Welt lebten die zwei bitte? Alles, wofür Fireball jetzt Nerven hatte, aber dafür sicherlich nicht. Zuerst gehörte sein Leben mit April geordnet und geregelt. Erst, wenn sich zwischen ihnen alles prächtig entwickeln sollte, konnte er sich vorstellen, irgendwann an eine Familie zu denken.

Offenbar hatte April dieselben Gedanken, denn die blickte gedankenverloren zum Fenster hinaus, weg von den Jungs. Ihre Ohren funkelten und glühten feuerrot, jede Ampel würde vor Neid erblassen. Wie konnten Saber und Colt bloß auf solche Gedanken kommen? Konnten sie es sich wirklich vorstellen? Die Blondine blinzelte zu den beiden Familienvätern hinüber. Sie konnten und sie taten es auch! Offenbar gingen sowohl Saber als auch Colt davon aus, dass April und Fireball gute Eltern waren. Aber noch nicht. April konnte es sich noch nicht vorstellen, es passte noch nicht in ihr Leben hinein. Deshalb murmelte auch sie verlegen: „Später mal, ja?“

Colt lachte noch breiter als zuvor. Er fand das ganze herrlich. Fies teilte er noch einen aus. Was Saber konnte, konnte der Viehtreiber auch, sogar noch besser. Verräterisch zuckten Colts Augenbrauen nach oben, als er brüllte: „Kumpel, dafür brauchst du keine Gesundschreibung. Ich weiß, was du alles mit einem verrenkten Rücken kannst.“

In dem Moment wäre Fireball am liebsten im Erboden versunken. Warum konnte Colt nicht endlich aufhören, das breitzutreten, was er in Tokio gesehen hatte? Fireball rutschte auf dem Sofa tief nach unten und verschränkte die Arme vor der Brust, ehe er Colt anfunkelte: „Haha. Sonst noch Schmerzen?“

Auf diesem Schlachtfeld konnte Fireball keinen Sieg erringen, denn die nötige Rückendeckung von April oder Saber fehlte. Die Blondine saß neben ihm und glühte wie Feuer. Colts anzügliche Sprüche trieben ihr soviel Farbe ins Gesicht wie sonst nichts und machten sie obendrein noch sprachlos. Es war ihr offensichtlich peinlich, wobei Colt sie damals erwischt hatte, mehr noch als Fireball. Und der Schotte setzte nur ein viel sagendes Lächeln auf. Also hatte Colt ihn schon ausführlich darüber informiert, wie aus ihm und April doch noch eine Partnerschaft geworden war. Fireball hätte Colt gerne den Hals umgedreht, so sauer war er plötzlich auf den Freund. Und April würde es ausbaden müssen, auch wenn sie noch nichts davon wusste.

Kopfschüttelnd machte sich Colt nun auf den Weg. Er zog sich im Flur die Schuhe an und die Jacke, während Saber aufgestanden war und ihn zur Tür begleitete. Sie verabschiedeten sich mit einer kurzen Umarmung. Saber gab seinem Scharfschützen noch mit auf den Weg: „Fahr vorsichtig, Colt.“

„Ich bin die Vorsicht in Person, bin ich. Du kennst mich doch, Säbelschwinger.“, lachte der Kuhtreiber munter auf und stieß die Wohnungstür auf. Der errungene Sieg nach Punkten beflügelte den werdenden Vater von Zwillingen zusätzlich.

Saber schüttelte amüsiert den Kopf und wies nach drinnen: „Eben deshalb. Ich kenn da auch noch einen gewissen Profirennfahrer und deshalb ist Vorsicht auch die Mutter der Porzellankiste.“, Saber grinste verstohlen, ehe er Colt auftrug: „Richte Robin unsere Glückwünsche aus, ja?“

Mit einem Nicken verschwand Colt schließlich und der Schotte drehte sich wieder den verbliebenen Gästen zu.
 

Colts dämliche Sprüche hatten wohl einen unangenehmen Nebeneffekt zu den roten Ohren gehabt, wie Saber verwundert feststellte, als er sich wieder auf dem Stuhl niederließ. April saß an einem Ende der Couch und Fireball quasi am anderen. Fireball hatte locker die Beine zu einem Schneidersitz auf die Sitzfläche gezogen und lehnte sich halb auf die Armlehne zurück. Seine Augen beobachteten aufmerksam was sich in der Wohnung tat, vor allem aber, was mit April los war.

April und Saber begannen sich über Laura zu unterhalten. Die Blondine wollte wissen, wann sie an diesem Abend nachhause kommen würde. Sie interessierte sich sehr für das Leben beider, immerhin zählte sie mittlerweile auch Laura zu ihrem Freundeskreis. Die Asiatin hatte zwar noch nicht den selben Stellenwert, den die Jungs oder auch Robin hatten, aber sie näherte sich ständig ein Stückchen an. Seit sie Laura davon in Kenntnis gesetzt hatten, dass sie und Fireball zusammen zogen, fand man die junge Rechtsanwaltsgehilfin noch weniger in der Wohnung vor. Dafür aber verbrachte sie viel Zeit mit dem Recken, vor allem die freien Abende.

Saber wollte keine rechte Auskunft geben. Laura war noch ein Problem auf seiner elendslangen Liste von Schwierigkeiten. Er genoss ihre Nähe, liebte es sich mit ihr zu unterhalten und ein Glas Wein dabei zu trinken. Und genau da lag das Problem und das war der Grund, weshalb neben April ein Kopfkissen und eine Decke auf der Couch lagen. Laura blieb oft bis spät nach Mitternacht hier, weil sie die Zeit ganz einfach übersahen. Saber wollte sie dann nicht mehr alleine nachhause schicken, deshalb schlief sie meistens bei ihm. Und dann siedelte der Schotte von seinem Bett auf das Sofa. Aber lange hielt er es dort nicht aus. Wusste er, dass Laura im Nebenzimmer lag, konnte Saber kein Auge zutun. Immer wieder schlich er ins Schlafzimmer hinüber und beobachtete sie beim Schlafen. Saber betrachtete sie stundenlang, fragte sich oft, wo sie so lange gewesen war und warum das Schicksal sie erst so spät zusammen geführt hatte. Saber wollte es sich nicht eingestehen, er durfte es ganz einfach nicht. Er war immer noch mit Synthia verheiratet, er brachte es nicht fertig, die Scheidung einzureichen. Immer noch hoffte er, dass sie sich wegen Matthew wieder vertragen würden, aber seit der letzten Mission war das nur noch ein vager Strohhalm, an den sich Saber klammern konnte. Laura verkörperte, ohne es zu wissen, Sabers Sehnsüchte. Er wollte so viele Dinge ausleben, durfte es aber nicht. Seine Auffassung und seine Erziehung ließen es nicht zu.

April fand immer neue Fragen, mit denen sie Saber löchern konnte, während Fireball schweigend daneben saß. Er beobachtete aufmerksam, sein Gesichtsausdruck blieb dabei aber eher teilnahmslos. Als April mit den Fragen eine unsichtbare Grenze überschritten hatte, reckte sich Fireball und rieb sich den Bauch: „Säbelschwinger, wie schaut’s in deinem Kühlschrank aus? Gähnende Leere?“

Verwirrt zog Saber eine Augenbraue nach oben, er hatte gerade über eine unverfängliche Antwort nachgedacht. Er wollte April nicht verletzen, aber preisgeben wollte er auch nichts. Nun hingen seine blauen Augen an Fireball. Er nickte bedächtig: „Hast du bei mir schon mal Hunger leiden müssen? Ich war erst heute Vormittag einkaufen. Es ist alles da, Fireball.“

Nun nickte Fireball mit einem bittenden Blick zu April: „Na, wenn das so ist… Süße, willst du uns schnell was zaubern?“

Ohne Widerworte stand April auf, bedachte Fireball dafür aber mit einem mahnenden Blick. Sie drückte sich an den beiden Männern vorbei und schlich in die Küche. April verstand nicht, weshalb Fireball sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr bei sich haben wollte. Was war so dringlich, wichtig und obendrein noch Männersache, dass April nicht einmal bei ihnen sitzen bleiben durfte? Wollte Fireball am Ende mit Saber über sie beide sprechen? Mürrisch schüttelte April den Kopf, als sie den Kühlschrank öffnete. Nein, Fireball würde nicht mit Saber über seine Beziehung sprechen, Shinji nicht. Es grenzte ja schon an ein Wunder, wenn er mit ihr darüber redete, da würde er wohl kaum einen Dritten um Rat fragen.
 

„Sehr höflich, dass du ihr nicht in den Hintern getreten hast.“, Saber neckte seinen ehemaligen Piloten. Fireball hatte sich äußerst ungeschickt angestellt, April aus dem Zimmer zu bekommen, es wäre auf das selbe hinausgelaufen, wenn er sie direkt gefragt hätte, ob sie die beiden Männer fünf Minuten alleine lassen könnte.

Der Japaner hingegen konnte Saber gerade nicht folgen. Ein unhöfliches wie fragendes „Was?“ verließ deshalb seinen Mund. Mit seinem braunen Augenpaar haftete er an Sabers Gesichtszügen. Der Schotte gefiel ihm nicht. Schon seit sie hier angekommen waren. Manche von Sabers Blicken erschreckten Fireball beinahe zu Tode, weil er darin erkannte, was ihm damals die Lebensfreude genommen hatte.

Der Schotte schüttelte verständnislos den Kopf. Der Rennfahrer war manchmal wirklich ein ungehobelter Klotz. Aber er konnte es Fireball auch nicht verübeln, denn immerhin sah Saber, dass seinem jungen Freund etwas auf der Seele brannte. Um Tadel kam er jedoch nicht herum: „Du hättest sie auch höflich bitten können, uns ein paar Minuten alleine zu lassen, Kleiner.“, spätestens jetzt brannte Saber allerdings die Neugierde unter den Fingernägeln: „Was willst du denn mit mir besprechen?“

Der Schotte kam auf keine brauchbare Idee, was Fireball alleine und unter vier Augen besprechen wollen könnte. Die Geheimniskrämerei war doch seit dem vorletzten Ausflug mit Ramrod abgehakt worden, zumindest hatte Colt das rigoros so entschieden. Saber musterte Fireball aufmerksam, aber er kam trotzdem auf keinen Gedanken. Auf alle Fälle war es jedoch etwas, das nicht einmal April wissen sollte, ansonsten hätte Fireball neben ihr zu reden angefangen.

Fireball linste noch einmal in die Küche, ehe er tief durchatmete und seine Aufmerksamkeit wieder Saber galt. Unschuldig lächelnd zuckte er mit den Schultern: „Wieso? Ich war doch höflich.“

Sabers Lippen umspielte ein kleines Lächeln. In der Hinsicht war bei Fireball Hopfen und Malz verloren. Der junge Rennfahrer mochte hochsensibel sein, aber feinfühlig war er deswegen noch lange nicht immer. Fireball stellte sich ungeschickt an, obwohl er es vielleicht nett meinte. Zum Glück verstanden seine Freunde diese Art, jeder andere wäre sich herumgeschubst vorgekommen.

„Meinst du, es wird so eine nette große Runde, wie beim letzten Mal?“, Fireball verzog das Gesicht, es war deutlich, dass er keine fremden Zuhörer mehr dabei haben wollte. Die nächste Anhörung wurde garantiert brisant, gespickt mit pikanten Details.

Sabers Augenbrauen stießen beinahe zusammen, so verzagt zog er sie zusammen. Diesen sprunghaften Gedanken musste er erst einmal folgen. Wovon sprach Fireball gerade? Saber kniff die Augen zusammen und dachte angestrengt nach. Die Lösung fiel ihm jedoch ziemlich schnell ein. Der Rennfahrer war auf den eigentlichen Grund ihres Besuches zurückgesprungen, dort hakte er noch einmal ein. Saber schob sich im Stuhl leicht nach vor und stützte seine Arme auf den Oberschenkeln ab. Er richtete den Blick zu Boden. Sie beide hatten definitiv den schwarzen Peter gezogen, ob sie es gewollt hatten, oder nicht.

Leise versuchte er, Fireball das aufkeimende Unbehagen zu nehmen: „Die Anhörung wird wohl eher hinter verschlossenen Türen stattfinden. Das ist ihnen zu heikel. Dabei wollen sie bestimmt keine Zuhörer mehr.“

Doch allzu groß konnte das Unbehagen auf Fireballs Seite nicht gewesen sein. Der Rennfahrer lehnte sich wieder zurück und schnaubte: „Da waren andere Sachen heikler!“, das war mal Fakt. Egal, wie sie es drehten und wendeten, Endergebnis würde eine Anhörung am Montag Vormittag sein, so wie es den Anschein hatte, hinter verschlossenen Türen. Aber trotzdem hatte Fireball damit keine Freude. Okay, das Debakel mit fremden Zuhörern war ziemlich sicher ausgeschalten, aber die unangenehmen Themenbereiche blieben. Und das machte den jungen Japaner unruhig und zugleich wütend. Nach all den Jahren wusste Fireball, wie das Oberkommando zu Entscheidungen kam, wer die Fäden hinter dieser riesigen Organisation zog und warum die Wahrheit nicht immer helfen würde.

Unvermittelt flüsterte er Saber entgegen: „Du weißt, dass ich auch lügen würde, Säbelschwinger.“

Wieder war Fireball von einem Gedanken zum anderen gesprungen und Saber hatte wirklich alle Mühe damit, seinem Piloten folgen zu können. Als er die Bedeutung seiner Worte jedoch verstand, schüttelte Saber vehement den Kopf. Nein, sie durften nicht lügen. Auch, wenn der Schotte seinen Rauswurf schon sehen konnte, so durften sie dennoch nicht die Wahrheit verdrehen. Es würde ihnen nur im ersten Moment helfen. Und es war zweifelhaft, ob eine derart große Lüge nicht doch auffallen würde und schlussendlich in einem noch größeren Desaster endete, als es die ganze Angelegenheit ohnehin tat. Außerdem wollte Saber nicht, dass sich ausgerechnet Fireball für ihn einsetzte. Eher sollte es umgekehrt sein, wie Saber schluckend feststellte. Er hätte Fireball helfen und ihn unterstützen müssen, vor Jahren schon. Er würde am Montag lediglich die Strafe für seine Nachlässigkeit und seine Gutgläubigkeit kassieren. Ja, in erster Linie war es Commander Eagle gewesen, der Fireball all das angetan hatte, aber Saber war nur unwesentlich weniger schuld. Er hätte es sehen müssen. Saber hätte es merken müssen. Immer wieder drangen diese Vorwürfe noch nach oben, besonders laut und schmerzlich waren sie jedes Mal wieder, wenn Saber seinen Freund vor einem neuerlichen Abgrund stehen sah. Er würde es sich niemals verzeihen können, einen seiner Freunde derart im Stich gelassen zu haben.

Traurig hob Saber den Kopf. Egal, was er tun und lassen würde, er konnte es nicht mehr rückgängig machen. Und gerade diese Tatsache bescherte Saber neuerdings Bauchschmerzen. Er begann sich immer öfter zu fragen, was wohl geschehen wäre, wie es wohl jetzt um die Star Sheriffs stehen würde, wenn er besser auf den Heißsporn aufgepasst hätte.

Saber war wortkarg geworden. Fireball fiel es deshalb auf, weil sein Boss ansonsten zumindest ‚Ja’ oder ‚Nein’ hervorbrachte. Saber war niemals der Typ Mensch gewesen, der Angebote einfach im Raum stehen ließ, ohne eindeutige Anweisungen zu geben oder zumindest seinen Standpunkt klar zu machen. Es missfiel Fireball, ganz eindeutig. Diese resignierende Haltung an Saber machte ihn beinahe krank vor Sorge. Deshalb versuchte nun Fireball den Schwertschwinger zu beruhigen und ihn aufzubauen: „Naja, wie auch immer. Ich seh zu, dass ich von Dr. Perry meine Gesundmeldung noch bekomme und alles weitere werden wir beide schon ausbaden.“

Wieder quittierte Saber Fireballs Worte mit Schweigen. Ausbaden. Ja, einer würde den Kopf hinhalten müssen. Und die Chancen konnte Saber an einer Hand abzählen. Die hohen Herren im Oberkommando würden mit Sicherheit nicht auf Fireball losgehen. Der Junge hatte weder Rang noch fixen Arbeitsplatz im Oberkommando, wofür wollten sie ihn schon großartig bestrafen? Und Commander Eagle würde für seine netten Umgangsformen eine Strafe erhalten. Aber was auf Ramrod passierte, lag einzig und allein in Sabers Verantwortungsbereich und dafür würde er gerade stehen müssen. Saber hatte keine Angst vor diesem Montag, er stand nach wie vor hinter seinen Entscheidungen. Aber er hatte nicht rechtens gehandelt und hatte viele Dinge einfach verabsäumt. Dafür würde er am Montag seine EDM abgeben müssen und das akzeptierte Saber. Er hatte aufgegeben. Seine Frau hatte ihn verlassen, entzog ihm seinen Sohn, warum sollte er dann nicht auch seinen Job verlieren? Saber stand auf und ging zum Fenster. Gedankenverloren richtete er seine Augen auf den kleinen Garten, in dem Kinder spielten. Würde er seinen Jungen aufwachsen sehen können?

Besorgt erhob sich auch Fireball. Noch einmal riskierte er einen Blick in die Küche, April sollte nicht allzu schnell wieder im Wohnzimmer stehen. Das hier war zu wichtig. Fireball konnte spüren, wie Saber unter der Last schier zusammenbrach. Nur noch ein Tropfen und das volle Fass würde brechen. Oh, wie gut konnte er Sabers Lage nachvollziehen. Bei ihm waren alle Dämme gebrochen, für ihn wäre es damals beinahe zu spät gewesen. Aber für Saber war es noch nicht zu spät. Der blonde Highlander hatte ihm etwas Entscheidendes voraus. Er war von seinen Freunden umgeben. Fireball blieb hinter Saber stehen. Der dunkelhaarige Japaner wusste nicht, wie er es formulieren sollte, deshalb wählte er die einfachsten Worte, die er finden konnte: „Lass es nicht so weit kommen, Saber. Du bist nicht allein, du musst da nicht alleine durch.“, die folgenden Worte brachte Fireball kaum hervor, niemals hatte er darüber gesprochen: „Sei nicht so dumm wie ich. Mach nicht den Fehler, der mich beinahe mein Leben gekostet hätte.“

Solche Töne spuckte der Rennfahrer selten bis gar nicht. Wenn Saber genauer darüber nachdachte, so hatte er so etwas bisher noch gar nicht von Fireball gehört. Verwirrt und auch verdattert drehte er sich dem Japaner wieder zu und musterte ihn. Er hatte so ernst wie leise gesprochen, Saber bezweifelte, dass Fireball nur die Schwierigkeiten im Oberkommando gemeint haben könnte. Fragend hob er deswegen eine Augenbraue.

Fireball atmete tief durch. Es war nicht der richtige Zeitpunkt um schüchtern zu sein und manche Dinge unausgesprochen zu lassen, auch, wenn man sie unter normalen Umständen unter den Teppich gekehrt hätte. Dafür machte sich der verhinderte Rennfahrer zu viele Sorgen um seinen Freund und ehemaligen Vorgesetzten. Fireball fühlte sich, als würde er in einen Spiegel sehen, wenn er Saber in die Augen sah. Ein Spiegel in die Vergangenheit. Das Tor in eine Zeit, in der er am liebsten gestorben wäre, weil er es nicht mehr verkraften hatte können, weil ihm jeglicher Halt gefehlt hatte. Fireball wollte und konnte nicht tatenlos dabei zusehen, wie Saber vor einem ähnlichen Scherbenhaufen seines Lebens niederkniete und aufgab. Er bedachte den Schotten mit einem tröstenden Blick, als er schließlich leise hervorbrachte: „Ich weiß, dass du Matt momentan nicht sehen darfst. Das geht vorbei, Saber. Es wird alles gut, das weiß ich. Weil du nicht alleine bist. Du hast deine Freunde um dich.“, mit einem sanften, aber neckenden Lächeln fügte er hinzu: „Und du hast Laura.“

Verlegen drehte sich der Schotte wieder weg. Laura. Was war sie für ihn? Saber schloss die Augen. Er konnte es nicht zuordnen. Sie war da. Sie war da, als die ersten Anzeichen für das Ende seiner Ehe an der Tür geschrieben standen. Laura war ein Schatten, hielt sich immer höflich im Hintergrund und war dennoch da, wenn Saber oder sonst jemand sie brauchte. Seufzend stieß der blonde Highlander die Luft zwischen den Zähnen aus. Warum nur kam sie ihm immer dann in den Sinn, wenn das einzige, was er wollte, eine zärtliche Umarmung war? Er blickte wieder zum Fenster hinaus. Unbewusst legte Saber die flache Hand auf die Scheibe. Alles Gute war so fern im Moment. Mit belegter Stimme zerschlug er schließlich Fireballs unausgesprochenen Ängste: „Ich weiß. Mach dir keine Sorgen, Fire.“

Die Antwort hatte zu lange auf sich warten lassen, um noch ehrlich oder glaubwürdig zu sein. Fireball hielt es für unklug, es gelten zu lassen. Wie oft hatte er seinen Freunden diesbezüglich ins Gesicht gelogen, nur weil er niemandem an seinem Schmerz teilhaben lassen wollte, ihn niemanden sehen lassen wollte? Alle Anzeichen standen bei Saber auf Sturm, und der Schotte schien noch nicht mal eine Schwimmweste mit an Board genommen zu haben. Wieder rang sich Fireball dazu durch, etwas auszusprechen, was er sonst niemals freiwillig ausgeplaudert hätte. Er legte behutsam eine Hand auf das Fensterbrettchen neben Saber und richtete seine braunen Augen aufmerksam auf den Schotten, als er ihm anriet: „Du weißt, dass ich mir nicht grundlos um etwas Gedanken mache, Saber. Bitte“, eindringlich blickte er nun in Sabers Augen: „bitte tu dir selbst den Gefallen und lass dir helfen. Das heißt ja nicht, dass du jedem erzählen musst, weshalb du Hilfe brauchst. Wir helfen dir auch ohne einen ausgesprochenen Grund.“

Die gewünschte Reaktion von Saber blieb allerdings aus. Bekümmert schüttelte Fireball den Kopf. Wieder riskierte er einen kurzen Blick zu April. Das sollte sie nun wirklich nicht hören. Fireball deutete auf sich: „Sieh mich an, Saber, und sag mir, dass du so enden willst, wie ich.“, Fireballs Blick wurde plötzlich bittend: „Niemand, vor allem aber nicht du, sollte alleine durch eine solche Hölle auf Erden gehen. Also bitte fahr in die Box, bevor dir der Reifen platzt. Sei nicht so blöd, wie ich es war!“

Eindringlicher und gleichzeitig schockierender hätte Fireball seine Angst nicht formulieren können, denn Saber zuckte merklich zusammen. Der kleine Japaner hatte Saber deutlich vor Augen geführt, was unweigerlich auf ihn zukommen würde, wenn er weiterhin versuchen würde, alle Probleme allein bewältigen zu wollen. Fireball hatte niemals bewertet, was ihm widerfahren war, aus seinen Erzählungen war man nie wirklich schlau geworden. Das hatten alle irgendwann einsehen müssen. Doch nun hielt Fireball ihm eine Tür in die Zukunft auf. So würde seine Zukunft aussehen, wenn er weiterhin alles alleine regeln wollte, niemanden um Hilfe bat. Auch Saber würde vor einem Abgrund stehen und wenn er Pech hatte, entschied er sich für den Sprung in die Tiefe.

Er musste seine Lage offensichtlich zur Schau gestellt haben, denn sonst hätte Fireball keine Angst um ihn bekommen. Saber straffte seine Haltung, versuchte seine Fassade wieder aufzubauen. Mit einem kleinen Lächeln im Gesicht, versuchte er ein weiteres Mal Fireballs Sorgen zu zerschmettern: „Ich werde nicht das selbe durchleben, wie du.“, milde und dankbar legte er Fireball seine Hand auf die Schulter: „Ich weiß, dass ich mich auf meine Freunde verlassen kann. Ich weiß, dass ihr da seid, wenn ich euch brauche.“

Fireball nickte Saber lediglich kurz zu. Die Nachricht war angekommen. Seit New Witchita hatte sich vieles geändert, wie Fireball neuerlich feststellte. Saber und er waren gute Freunde. Doch mehr noch als die berufliche Zusammenarbeit verband sie mittlerweile die Tatsache, dass sie beide nicht immer sagten, was sie tatsächlich meinten. Vor allem nicht, wenn es um persönliche Anliegen und Ängste ging. Der Rennfahrer und der Schotte waren in vielerlei Hinsicht nicht so verschieden, wie es oft den Anschein hatte.

Saber schmunzelte leicht. Diese kindliche Unbeholfenheit, die Fireball in diesen Dingen eigen war, machte es dem Schotten unmöglich, ihn nicht ernst zu nehmen. Denn auch, wenn Fireball nicht wusste, wie er manche Themen ansprechen oder formulieren sollte, gerade dadurch wurde seine Sorge und Fürsorge offensichtlich. Saber schätzte sich glücklich, in Zeiten wie diesen seine Freunde um sich zu haben.
 

„Ich hab gehört, meine Arbeitserlaubnis würde bei Ihnen auf dem Tisch liegen, Sir.“, Fireball hatte die Tür zu Commander Eagles Büro noch geschlossen, bevor er etwas gesagt hatte. Momentan hatten sogar die Wände im Oberkommando Ohren, da musste man nicht noch mehr Risiko eingehen.

Wieder stand der ehemalige Pilot im Büro und fühlte sich sichtlich unwohl. Erinnerungen suchten ihn in diesem Zimmer heim, Angst einflößende Erinnerungen. Obwohl sein letzter Besuch bei Aprils Vater durchaus positiv verlaufen war, stand Fireball nun unschlüssig neben der geschlossenen Tür und wusste nicht recht, ob er nicht doch gleich wieder gehen sollte. Nachdem sie mit Saber und auch mit Laura, die endlich mal wieder pünktlich aus der Arbeit gekommen war, zu Abend gegessen hatten, hatte Fireball seine Freundin noch gebeten, ihn zum Oberkommando zu fahren. Fireball wollte die Arbeitserlaubnis und die Gesundmeldung noch vor dem Wochenende erledigt wissen.

Der Commander nickte müde und bot Fireball einen Platz an: „Setz dich, Shinji. Ich muss sie erst suchen.“

Charles arbeitete die letzten Berichte seiner Schützlinge auf, er wollte alles erledigt wissen. An diesem Vormittag war man an ihn herangetreten, er war am Montag ebenfalls zur Befragung eingeladen worden. Aprils Vater wusste nicht, wie lange er noch an diesem Schreibtisch sitzen würde. Aber er wusste, dass er seinem Nachfolger keine unaufgearbeiteten Fälle liegen lassen wollte. Er war müde geworden. Mittlerweile hatte sich Charles damit abgefunden, was ihm als letzte Konsequenz aus den letzten Jahren blühen könnte. Und es wäre nur fair. Deshalb war er diese Arbeit nun leid. Nach Jahren ging Commander Eagle mit Klarheit und Sachlichkeit an seine Aufgabengebiete heran und das war es, was ihn resignieren ließ. Charles schloss den Stift und sah zu Fireball auf.

Die Star Sheriffs, seine Kinder, hatten nicht unrecht gehandelt. Sie waren die beste Einheit im Oberkommando. Niemand durfte sich das Recht herausnehmen, und diese vier jungen Menschen verurteilen. Charles schluckte schwer. Nichts anderes hatte er über all die Jahre mit Fireball gemacht. Aber nun, da er es endlich einsah, fragte er sich unweigerlich, um wie vieles besser die vier wohl gearbeitet hätten, wenn er Fireball wie den Sohn seiner Freunde behandelt hätte und nicht wie den Mitschuldigen an einem Mord. Die vier hatten immer hervorragende Arbeit geleistet, sogar jetzt taten sie es noch, obwohl sie es zum Teil nicht mehr durften.

Charles dachte an das kürzlich geführte Telefonat mit General Whitehawk zurück. Der Ausbilder des Oberkommandos war nicht minder überrascht gewesen, als Commander Eagle ihn darum gebeten hatte, Fireballs Arbeitserlaubnis nachträglich zu verlängern und die erste Version zu vernichten. Er hatte dem alten Indianer angesehen, dass er Fragen hatte. Es war fraglich, ob General Whitehawk noch lange stillschweigend alles hinnehmen würde. Aber vorerst hatte er ohne zu fragen die neu ausgestellte und verlängerte Versetzungsurkunde für Fireball ausgestellt. Irgendwo musste sie doch sein. Charles begann in seinen Akten zu suchen, die Unterlage hatte er vor einigen Minuten doch noch in Händen gehabt. Dieser verdammte Papierkram. Immer wieder verschwanden Zettel spurlos, nur um später in einem anderen Akt wie von Zauberhand wieder aufzutauchen.

Fireball setzte sich unterdessen doch auf den angebotenen Platz. Er sah dem Vater seiner Freundin dabei zu, wie er in einem Berg von Zetteln nach einem ganz bestimmten forschte, ihn aber bislang nicht auffinden konnte. Die Stille im Büro behagte Fireball nicht sonderlich. Er war im Augenblick wieder angespannt, nicht nur die Sache mit Saber machte ihm zu schaffen, auch das berufliche und private Niemandsland, in dem sich Fireball derzeit befand, stellte eine enorme Unsicherheit für den Japaner dar. Die unangenehmen Fragen am Montag machten es auch nicht besser, wie Fireball grummelnd feststellte. Als Commander Eagle im Begriff war, über die Arbeitserlaubnis einfach drüber zu schauen, schnellte Fireballs Hand nach vor und schob sich zwischen die Schriftstücke. Er zog den Zettel hervor und lächelte: „Hab sie schon.“

Erstaunt ließ Charles von dem Stapel ab und musterte Fireball. Anerkennend nickte er schließlich: „Du hast gute Augen, Junge.“

Fireballs Lächeln hielt nicht lange an. Verunsichert ließ er den Blick über die Fläche des Tisches gleiten, während er das Papier faltete und in der Hosentasche verschwinden ließ. Es war für den ehemaligen Rennfahrer immer noch mit einem schalen Beigeschmack behaftet, was Commander Eagle sagte. Er konnte kein Lob und keine nett gemeinten Worte von Charles annehmen. Auch, wenn seine Vernunft dazu appellierte, so saß ihm doch immer noch ein Knoten auf der Brust, wenn er vor Aprils Vater treten musste. Eigentlich konnte er nun wieder gehen. Er hatte von Commander Eagle bekommen, was er gebraucht hatte. Doch Fireball war unschlüssig. Er stemmte sich bereits mit den Händen gegen die Stuhllehnen um wieder aufzustehen, doch er war nicht dazu in der Lage, gleich wieder zu gehen. Ernst erklärte er Eagle dann doch noch: „Saber steckt in der Klemme, Commander Eagle.“

„Du steckst genauso in der Klemme, Shinji.“, dabei wies Charles auf die Hosentasche, in der sich die Arbeitserlaubnis befand. Sie war verlängert worden, ohne nachzufragen. Und offenbar hatte auch der Sohn von Hiromi und Shinji völlig vergessen, was diese Bestätigung für ihn bedeutete. Nicht nur Saber stand am Montag auf der Abschussliste im Oberkommando. Auch Fireball. Die Arbeitserlaubnis war hochoffiziell, also waren auch Fireballs Verfehlungen im Dienste des Oberkommandos offiziell. Aber vor Sorge um den Freund hatte Fireball das aus den Augen verloren.

Fireball drehte sich zur Tür. Nun wurde ihm klar, dass Aprils Vater Recht hatte. Auch er hatte nun ein Problem an den Backen, nicht nur Saber. Allerdings, und so zertrümmerte er die aufkeimenden Ängste, waren die im Gegensatz zu Sabers zweitrangig. Gleichzeitig hieß das aber auch, dass er sich als Kavallerist verantworten musste und Ramrod gar nicht unbefugt geschrottet hatte. Zumindest nicht, solange dem Ausschuss nicht noch andere Dinge einfielen. Er traute sich fast nicht, aber zu guter letzt brachte er es doch noch heraus. Fireball hielt bereits die Klinke in der Hand, als er dem Commander bittend in die Augen sah: „Helfen Sie uns, Commander. Wir haben nichts unrechtes getan.“
 

Colt steckte seine Robin unter eine dicke Wolldecke und zeigte seiner Liebsten somit deutlich, was er von ihr in den nächsten Stunden erwartete. Er hatte sie vom Arzt abgeholt, war ihr auf dem Gang schon um den Hals gefallen und war mit ihr noch in ein nettes Restaurant gegangen. Nun war es an der Zeit, Jessica in die Falle zu bringen und den Tag ausklingen zu lassen. Colt hauchte Robin noch einen Kuss auf die Wange und brachte anschließend seine Tochter in ihr Zimmer nach oben.

Auch die weibliche, kleine Ausgabe des Cowboys wurde unter die Decke gesteckt. Colt setzte sich zu Jessica ans Bett und las ihr noch eine Geschichte vor. Die kleine schmiegte sich dabei an den rechten Arm des Scharfschützen und legte ihren Kopf darauf. Immer wieder blickten die großen Kinderaugen zu ihrem Vater auf. Sie strahlten und gleichzeitig wurden sie mit jedem Aufsehen müder. Colt schenkte Jessica immer wieder ein warmes Lächeln. Er liebte seine Tochter. Sie war ein braves Kind. Klar, sie hatte ihn voll im Griff, aber welches vierjährige Kind hatte ihren Vater nicht im Griff? Diese unschuldigen Blicke, die Jessica ohne weiteres hervorbrachte, wenn sie etwas haben wollte. Die hatte sie eindeutig von ihrer Mutter. Robins Augenaufschlag machte ihn jedes Mal wieder schwach.

Als Jessica eingeschlafen war, legte Colt sein kleines Mädchen so ins Bett, wie es sich gehörte. Aber er stand nicht auf. Er sah der kleinen noch eine ganze Weile beim Schlafen zu. Aber mit den Gedanken war er ganz wo anders. Für den Kuhhirten war dieser Tag aufregend gewesen. Nicht nur, dass seine Frau Zwillinge erwartete, auch dass Saber vor einen Ausschuss treten musste, war für Colt eine Belastung gewesen. Der Scharfschütze war nicht auf den Kopf gefallen. Dem Schotten blühte am kommenden Montag sein blaues Wunder. Und er hatte auch gesehen, dass Saber trotz der Tatsache, seine Freunde in diesem Augenblick alle auf seiner Seite zu haben, nicht ganz so bei der Sache war, wie sonst auch. Ihn bedrückte etwas. Colt nahm sich fest vor, mit Saber nach der Anhörung darüber zu sprechen, denn vor Montag brauchte er nicht damit rechnen, den Säbelschwinger noch einmal zu sehen.

Seine Gedanken wanderten weiter, einen Stock hinunter, zu Robin Seine Frau erwartete zwei kleine Jungs. Colt konnte es noch gar nicht fassen. Robin würde ihm zwei kleine Cowboys schenken. Sie wusste gar nicht, wie glücklich sie ihn damit machte. Klar, er hätte sich ebenso über ein Kind gefreut und auch über ein weiteres Mädchen, aber zwei Jungs waren bombastisch. Leise stand Colt auf und ging zum Fenster. Er blickte nach draußen und dachte über sein Leben nach. Es war so großartig wie niederschmetternd gewesen. Eine einzige Achterbahnfahrt. Colt stützte die Hände auf dem Fensterbrett ab und blickte auf die Allee, die zu ihrem Anwesen führte, hinunter. Die Blätter tanzten im Wind. Im jungen Erwachsenenalter hatte Colt seine Eltern durch die Outrider verloren. Nun aber hatte er selbst eine kleine, glückliche Familie. Sie würden bald zu fünft sein. Seit Colt zu den Star Sheriffs gestoßen war, hatte sein Leben eine glückliche Wandlung genommen. Stetig war es mit dem ehemaligen Kopfgeldjäger bergauf gegangen. Und nun stand er hier und glaubte, alles in seinem Leben erreicht zu haben, wofür es sich zu kämpfen lohnte. Nichts anderes hatte Colt immer gewollt. Er stand mit beiden Beinen im Leben, umgeben von Freunden und Familie.

Glücklich seufzend drehte er sich vom Fenster weg und verließ das Kinderzimmer. Er wollte noch einen gemütlichen Abend mit Robin verbringen. Ob sich die zwei kleinen Racker schon bewegten?

schwarzer Montag

Ein kleiner Schreibflash hat mich dieses Wochenende heimgesucht und ihr kriegt schneller was zu lesen, als ich dachte... Ich wünsche viel Freude damit
 

Saber ließ sich erschöpft auf das Sofa nieder. Der Nachmittag mit Freunden war anstrengend gewesen. Vor allem deswegen, weil er knapp zwei Wochen davor jeden Tag alleine gewesen war und er einen solchen Rummel nicht mehr gewöhnt war. Aber, und das konnte Saber nicht abstreiten, es hatte ihm auch Kraft gegeben. Seine Freunde würden alle zu ihm halten. Er war nicht alleine. Saber zog die Decke über seine Beine und lugte ins Schlafzimmer hinüber. Laura hatte gar nicht erst gefragt, ob sie an diesem Abend bleiben sollte, sie war einfach hier geblieben. Saber hatte das Gefühl, dass Laura gar nicht nachhause wollte, ansonsten wäre sie sicherlich mit Fireball und April mitgefahren.

Aber es war Saber recht, wenn er nicht ganz alleine in seiner Wohnung sitzen musste. Die beiden hatten vorhin noch abgewaschen und waren einen Sprung an der frischen Luft gewesen. In den Abendstunden war es ruhig in der Wohnsiedlung und auf den Straßen klärte sich die Luft. Es war entspannend gewesen, auch, wenn sie sich meistens nur angeschwiegen hatten. Saber hatte das undefinierbare Gefühl, Laura würde ihn auch so verstehen, ohne große Worte. Traurig senkte Saber den Kopf. Das hatte er auch von Synthia einst gedacht. Seine Frau hatte einen vernünftigen und liebevollen Eindruck auf ihn gemacht, aber dem war nicht so gewesen. Sie hatte nicht akzeptieren wollen, dass Saber Verpflichtungen außerhalb des Familienverbandes hatte. Der Schotte schluckte schwer. In manchen Nächten vermisste er sie. Er vermisste ihr ebenholzschwarzes, weiches Haar, das immer nach Sandelholz roch und ihre Berührungen. Synthia war immer sparsam mit Zärtlichkeiten gewesen, trotzdem war es das gewesen, was Saber als erstes schmerzlich vermisste. Mit den trübsinnigen Gedanken sank er in sich zusammen. Es war aus und vorbei, das spürte Saber. Synthia machte keinerlei Anstalten, noch einmal mit sich reden zu lassen. Seit sie erfahren hatte, dass Saber Matthew bei Laura gelassen hatte, hatte sie jeden Kontakt abgebrochen.

Das schlimmste daran war, dass er Matthew seither nicht mehr gesehen hatte. Er war zu Synthia gefahren, nachdem er wieder zuhause angekommen war, wollte seinen Sohn abholen, wie jedes Wochenende. Doch seine Frau hatte ihn verteufelt und ihn sofort wieder fort geschickt. Er dürfte Matthew nicht mehr sehen. Es hätte ihr gereicht, dass Saber ihr Kind zu einer wildfremden Frau gegeben hatte und nicht einmal so viel war, sie anzurufen und sie über den Vorfall zu informieren. Saber schloss die Augen und fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. In diesem Moment hatte Synthia ihm das Herz aus der Brust gerissen. Kein Bitten und Flehen hätten Synthia erweichen können, sie war stur geblieben und hatte ihm vorerst jeglichen Kontakt zu Matthew untersagt. Alleine bei dem Gedanken daran stiegen Saber die Tränen in die Augen. Er wollte Matthew ein guter Vater sein, er wollte es wirklich, aber er war auch ein Star Sheriff. Der Schotte konnte nicht hier bleiben, wenn das Neue Grenzland die Star Sheriffs und Ramrod brauchte.

Langsam fiel Saber zur Seite und legte sich auf das Sofa. Wie lange würde er noch ein Star Sheriff sein? Bis Montag? Er glaubte nicht wirklich daran, nach dieser Ausschusssitzung noch im Dienst des Oberkommandos zu stehen. Saber musste sich eingestehen, dass er falsche Entscheidungen getroffen hatte. Und vieles hatte er schlicht und ergreifend gar nicht erst bemerkt. Aber Unwissenheit schützte bekanntlich nicht vor Strafe und so musste Saber den Tatsachen ins Auge sehen. Er würde nicht nur wegen der letzten Mission seinen Posten verlieren, sondern auch wegen der Angelegenheit mit Fireball.

Der jüngste Champion aller Zeiten kam Saber in den Sinn. Fireball war ein guter Kamerad und Freund, aber mehr noch als das, war Fireball ein enger Vertrauter. Wer hätte jemals gedacht, dass der Heißsporn ihm einmal Ratschläge erteilte? Saber schüttelte den Kopf, drehte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Niemals hätte Saber darauf gewettet, dass aus Fireball einmal ein solcher Mensch würde. Aber, und das gestand sich Saber sofort ein, diese Ereignisse hätten sogar den leichtsinnigsten und unbeschwertesten Menschen zur Vernunft gebracht. Saber war froh, dass der Japaner wieder nach Yuma gezogen war, auch wenn er für eine Wohnungsbesichtigung noch keine Zeit gehabt hatte. Es war ein gutes Gefühl, all seine Freunde in der Nähe zu wissen.

Es war ein beruhigendes Gefühl, Laura in der Nähe zu wissen. Mit diesen Gedanken schlief Saber schließlich ein.
 

Nachdenklich stützte Fireball den Kopf auf die Hände und starrte auf die beiden Papiere, die auf dem Tisch vor ihm lagen. Es war schon spät, doch schlafen konnte Fireball dennoch nicht. Er war mit April ins Bett gegangen, nur um wieder aufzustehen, nachdem sie eingeschlafen war. Und nun saß er im Schneidersitz auf der roten Couch und zermarterte sich den Kopf. Neben den Zetteln stand eine Tasse Tee, der Rennfahrer hoffte, dass ihn das Getränk schläfrig machte. Er hatte, was er brauchte, aber seit Commander Eagle ihn darüber informiert hatte, dass er nun ebenfalls belangt werden konnte, schien ihm ihr Vorhaben nicht mehr idiotensicher. Klar, die Arbeitserlaubnis würde keine Probleme machen, aber die auf den letzten Drücker nachgereichte Gesundmeldung würde die Ausschussmitglieder skeptisch machen. Fieberhaft überlegte sich Fireball eine Ausrede nach der anderen, wieso Dr. Perry erst jetzt eine rausrückte, nur um die Ideen allesamt gleich wieder zu verwerfen. Ob er sich bei Dr. Shirota absichern sollte?

Schnaubend schüttelte Fireball den Kopf. Niemals! Der gute Dr. Shirota würde sich vorher etwas abhacken, bevor er bei einer so linken Partie Helferlein spielte. Wenn er nicht gleich zu einem der Ausschussmitglieder ging und das Vorhaben seines Patienten verpetzte. Das würde Dr. Shirota sogar ähnlich sehen, Fireball verdrehte genervt die Augen. Auch der Weg war versperrt. Aber wie sollte er Saber bloß aus dieser misslichen Lage heraus helfen? Immerhin war er es gewesen, der sich über Sabers Befehl hinweggesetzt hatte und trotzdem an Board geblieben war. Und er war es auch gewesen, der Tomas auf den Plan gerufen hatte.

Haare raufend stand Fireball schließlich auf. Je länger er darüber nachdachte, desto eher wollte er das Zeug auf dem Tisch gegen die Wand schießen und aus der Haut fahren. Ein japanischer Fluch verließ zischend seine Lippen. Er wollte Saber nicht hängen lassen, wusste aber beim besten Willen nicht, wie er das machen sollte. Der Schotte hatte ihm strikt verboten, für ihn zu lügen. Und die Wahrheit war einfach nur bescheiden. Fireball konnte sich nicht einfach am Montag über Sabers Wunsch hinwegsetzen und alle Schuld auf sich nehmen. Saber vertraute ihm. Noch ein herzhafter Fluch sprudelte aus ihm heraus: „Verdammter Mist ist das!“

Als Fireball endlich einsah, dass er im Augenblick weder etwas tun konnte, noch mit seinem Ärger etwas erreichen würde, schlich er wieder ins Schlafzimmer zurück. Leise schob er sich unter die Decke, drängte seinen Körper an April und umarmte sie. Sie seufzte zufrieden auf und schob sich instinktiv in Fireballs Umarmung. Fireball strich ihr die Haare aus der Stirn, begann ihr eine Strähne zu zwirbeln, bis er schließlich einschlief.
 

„Huch, was sehen meine entzündeten Äuglein da?“, Colt rieb sich neben Saber die Augen und spähte ein zweites Mal den Weg hinunter. Fireball und April kamen an diesem Morgen gemeinsam ins Oberkommando. Beide in Uniform. Also würden alle vier dieses Mal in dieser blauen Uniform der Kavallerie vor den Ausschussmitgliedern stehen. Irgendwie sah es seltsam aus, wie Colt fand. Den Rennfahrer hatte man noch nie zuvor in einer Uniform dieser Art gesehen. Der Cowboy schüttelte den Kopf. Nein, stand dem Wuschelkopf nicht übertrieben gut. Da hatte der japanische Fuchs in seiner weißen Polizeiuniform um Welten besser ausgesehen. Es konnte aber auch sein, dass es Colt nur nicht gefiel, weil er diesen Klimbim des Oberkommandos nicht mehr riechen konnte.

Saber schüttelte leicht den Kopf. Colt würde es nie lernen. Der Schotte machte einige Schritte auf seine Freunde zu und begrüßte sie kurz. Das Unausweichliche stand ihnen nun bevor. Während April tapfer nickte und auf Colt zu ging, hielten sich Saber und Fireball kurz an der Schulter fest. Beide prüften den anderen kurz und nickten dann entschlossen.

Die Geste des gegenseitigen Haltens brauchte im Augenblick vor allem Saber. Er hatte ein mulmiges Gefühl, der Tag hatte für ihn schon mit einem schlechten Omen angefangen. Saber hatte die Befürchtung, dass sich der weitere Verlauf des Tages so fortsetzen könnte. Nachdem er tief Luft geholt hatte und sich im Geiste noch einmal eingeredet hatte, dass sich seine Ängste nicht bestätigen würden, führte Saber seine Freunde in das Hauptgebäude.
 

Wie der Säbelschwinger vorhergesagt hatte, fand die Anhörung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Lediglich die drei Mitglieder der ersten Untersuchungskommission, Commander Eagle und die vier Star Sheriffs nahmen an dieser außerordentlichen Sitzung teil. Die acht Personen verteilten sich über den großen Tisch, wobei die drei Ausschussmitglieder an einer Seite Platz nahmen und die Star Sheriffs sowie Commander Eagle am anderen Ende einen Stuhl zugewiesen bekamen. Der Aktenberg war im Vergleich zur letzten Sitzung auf die doppelte Größe angewachsen.

Der Vorsitzende erhob die Stimme, nachdem alle Platz genommen hatten. Er stand auf und deutete auf Saber und Fireball: „Sie beide sind ziemlich raffiniert. Aber nicht raffiniert genug. Dachten Sie wirklich, dass wir keine zweite Meinung zu Ihrer nachgereichten Gesundmeldung einholen würden?“

Der scharfe Blick des Vorsitzenden blieb an Fireball haften. Unweigerlich zog Fireball den Kopf ein. Es hatte sich bewahrheitet. Warum wunderte es ihn nur so sehr? Überwältigt brummte der ehemalige Rennfahrer: „Dr. Shirota.“

Missbilligend nickte der Vorsitzende. Er kam sich von den Beteiligten mittlerweile im großen Stil an der Nase herumgeführt vor und das wollte er so schnell als möglich in dieser Sitzung unterbinden. Wenn die Herren vor ihm nicht aufpassten, würde sie alle gleichermaßen zur Verantwortung gezogen werden. Nur ein falscher Ton und der Vorsitzende war zu allem bereit. Er fuhr mit dunkler Stimme fort: „Ihr Hausarzt war so frei uns einige Unterlagen zukommen zu lassen, Mister Hikari. Und Ihre Pflicht, Offizier Rider, wäre es gewesen, das auch zu tun. Haben Sie aber nicht. Und da ich annehme, dass Sie ein guter Freund von Mister Hikari sind, behaupte ich, dass Sie es ohnehin wussten.“, nun bekam Saber sein Fett weg: „Kurzum, es war verantwortungslos, Mister Hikari an Board gehen zu lassen. Das wissen Sie genauso gut wie ich.“

Saber blinzelte zwischen dem Vorsitzenden und Fireball hin und her. Sein schlechtes Gefühl bestätigte sich. Am besten wäre gewesen, wenn er an diesem Morgen nicht aufgestanden wäre. Zuerst die Hiobsbotschaft beim Frühstück und nun das hier. Sabers schlimmster Albtraum wurde war. Er blickte in Fireballs Gesicht und senkte schließlich gebrochen den Blick. Der Ausschuss hatte Recht. Mit jeder Silbe hatten die drei Herren vor ihnen Recht. Er hätte Fireball wieder nachhause schicken sollen, der Säbelschwinger hätte nicht riskieren dürfen, dass Fireball bei diesem Einsatz sein Leben riskierte. Betroffen nickte er lediglich und antwortete einsilbig: „Ja, Sir.“

Ein Geständnis vom kommandierenden Offizier war ganz nach dem Geschmack des Vorsitzenden. Dennoch blieb es ihm ein Rätsel, wie Saber derart unverantwortlich hatte handeln können. Er wusste von Colonel McRae und auch aus der Gerüchteküche des Oberkommandos, dass diese Einheit hier nicht bloß ein wild zusammen gewürfelter Haufen war, sondern Freunde. Die vier Star Sheriffs der Einheit Ramrod waren die besten Freunde, das war dem Vorsitzenden bereits bei der ersten Sitzung aufgefallen. Der eine würde für den anderen durchs Feuer gehen. Und auch das hatte der Vorsitzende bereits gesehen. Diese Einheit würde nämlich auch für Commander Eagle durchs Feuer gehen. Aber wie, wie konnte ein kommandierender Offizier und noch dazu ein guter Freund, einen verletzten Freund an Board gehen lassen? Der Vorsitzende verstand das überhaupt nicht, noch dazu, wo der Ausgang der letzten Schlacht alles andere als glücklich verlaufen war. Der Schaden für das Oberkommando war enorm, vom Imageschaden mal abgesehen. Dieses Mal hielt er auf Saber zu: „Sie können doch nicht einfach jemanden ein Schiff steuern lassen, der vor wenigen Monaten erst am Rücken operiert wurde. Offizier Rider, niemand hier ist Arzt, aber auch mir leuchtet es ein, dass Mister Hikari nichts an Board von Ramrod verloren hatte. Egal, ob General Whitehawks Zustimmung vorlag, oder nicht.“

Oh, ja, der Ausschuss wusste, wo es weh tat. Saber machte sich diese Vorwürfe selbst zur Genüge, dass der Vorsitzende nun genau dort ansetzte, tat Saber in der Seele weh. Die eigenen Vorwürfe, die ihn seit Jahren immer wieder heim suchten und in letzter Zeit wieder vehement lauter geworden waren, von fremden, unbeteiligten Menschen zu hören, riss dem Schotten das Herz aus der Brust. Obwohl, und da sank der Schotte noch weiter in sich zusammen, sein Herz konnte niemand mehr herausreißen. Es lag bereits auf dem Boden, wurde mit Füßen getreten und wartete nur noch auf den finalen Stoß. Wieder blickten die blauen Augen auf die Tischplatte, als Saber lediglich nickte und die Worte des Vorsitzenden bestätigte: „Ja, Sir.“

Die Freunde beobachteten mit Unbehagen, in welche Richtung der Ausschuss abzielte. Bislang war kein einziges Mal die Sprache auf Commander Eagle gefallen. Colt verzog grantig das Gesicht zu einer undefinierbaren Fratze und drehte sich vom Ausschuss weg. Er konnte kaum glauben, worauf die feinen Herren hinauswollten. Sein sechster Sinn, sein Gespür ließen ihn nicht im Stich, das taten sie nie. Colt schnaubte und fiel in den Stuhl zurück. Das durfte einfach nicht wahr sein! Er verschränkte die Arme vor der Brust und sagte sich immer wieder im Gedanken, dass er die Klappe halten musste, dass er sich beruhigen musste. Allerdings wurde der Ausschuss von Minute zu Minute mehr wie ein rotes Tuch für den Kuhhirten.

Die Blondine, die zwischen Saber und Fireball Platz genommen hatte, ließ ihre Arme unter dem Tisch verschwinden und richtete die Augen ebenfalls nach unten. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie fühlte sich nicht wohl hier, aber da war sie garantiert nicht die einzige. Sie riskierte einen kurzen Blick zu Colt und Fireball und stellte fest, dass sie unterschiedlichere Reaktionen nicht auf einmal hätte sehen können. Während Colt schon sichtlich Farbe im Gesicht hatte und im Begriff war, sich aufzuregen, saß Fireball stumm und blass neben ihr. Er schien nicht einmal zu atmen. Und Saber? Sah April nun ihren Boss an, rang sie mit den Tränen. Saber badete tapfer alles aus, was sie miteinander verbrochen hatten. Er nahm alles hin, nahm alle Schuld auf sich.

Plötzlich spürte sie eine Hand, die nach ihrer griff. Fireball hielt Aprils Hand unter dem Tisch, verschränkte seine Finger und zog sie auf seinen Oberschenkel hinüber. Erschrocken hatte April zuerst ihre Hand zurückziehen wollen, doch Fireballs Griff war zu fest gewesen. Nun war sie dankbar, seine Nähe spüren zu dürfen. Fireball war da, er hielt sie fest, wenn auch nur im Geheimen. Der Rennfahrer drückte Aprils Hand und schenkte seiner Freundin einen aufmunternden Blick. Der Heißsporn strahlte ungewöhnlich viel Ruhe an diesem Tag aus.

Genauso sicher, wie er Aprils Hand hielt, klang auch seine Stimme, als er sich dem Ausschuss zuwand: „Ist Ihnen noch nicht in den Sinn gekommen, dass ich freiwillig mit war? Saber hat mir weder befohlen noch mich gebeten, zu Ramrod zu kommen. De facto ist es meine Verantwortung und nicht seine.“

Saber schloss kurz die Augen und schüttelte leicht den Kopf. Der kleine Rennfahrer würde es niemals im Leben lernen. Immer würde er alle Schuld auf sich nehmen, nur um seinen Freunden zu helfen. Das selbstlose Blut von Captain Hikari strömte eindeutig auch durch die Adern seines Sohnes.

Das Argument ließ der Vorsitzende jedoch nicht gelten. Es schürte viel mehr seinen Ärger über die ganze Angelegenheit noch mehr: „Mr. Hikari, ich darf Sie daran erinnern, dass es seither Offizier Rider war, unter dessen Befehl und Verantwortung die Besatzung des Friedenswächters Ramrod stand. Die Hauptverantwortung liegt folglich bei ihm. Sie haben ihrem Vorgesetzten und Freund mit Ihrem Erscheinen einen schlechten Dienst erwiesen. Und er sich selbst auch. Er hätte Sie sofort wieder wegschicken müssen.“

Für den Vorsitzenden war der Fall klar. Das Oberkommando kam vor einer Freundschaft. Auch, wenn in diesem Fall beides nur einen einzigen Schluss zugelassen hätten. Nämlich Fireball wieder weg zu schicken. Als kommandierender Offizier hätte Saber an das Wohl der restlichen Mannschaft denken müssen, als Freund an das des verletzten Piloten. Doch der Anführer von Team Ramrod hatte weder das eine noch das andere getan. Er hatte den Rennfahrer an Board gehen lassen, was für den Vorsitzenden unverantwortlich war.

Colt fiel es in diesem Augenblick schwer, seinen Mund zu halten. Die Pappnase da vor ihm hatte ja keine Ahnung! Der kannte den Sturschädel des Japaners nicht, der wusste nicht, wie lange es gedauert hätte, Fireball von Board zu bekommen. Also warf der Scharfschütze dazwischen: „Als ob das so einfach wäre.“

Fireball ließ sich ironisch zu dieser Debatte vernehmen. Er war und blieb ein Sturkopf, in jeder Hinsicht. Beharrlich, aber dennoch ruhig unterstützte er Colt: „Klar doch... Ich würde den fähigsten Piloten auch sofort wieder wegschicken, wenn er schon mal da ist. Wäre sicher das Beste für das Neue Grenzland in dem Moment gewesen.“

Der Vorsitzende konnte nur noch mit dem Kopf schütteln. Da hatte er die Bande aber schnell gegen sich aufgehetzt. Er hätte nicht gedacht, dass es dafür nur weniger Worte bedurfte. Die Freunde unterstützten den kommandierenden Offizier, bestätigten seine Entscheidungen noch einmal mit Nachdruck. Jede andere Einheit hätte das nicht gemacht. Die hätten den Offizier alleine ausbaden lassen, was geschehen war. So gesehen hatte der Vorsitzende eine eingeschworene Mannschaft vor sich sitzen. Doch in diesem Moment missfiel ihm das ungemein. Erstens waren die beiden nicht nach ihrer Meinung gefragt worden und zweitens schrie der gesunde Menschenverstand danach, einen nicht einsatzfähigen Piloten am Boden zu belassen. Der Vorsitzende deutete funkelnd auf Fireball: „Ihr Gesundheitszustand war kein Geheimnis. Es war also Zeit genug eine Vertretung für Sie zu organisieren. Zumal Sie ohnehin nicht mehr im Dienst des Oberkommandos gestanden haben.“, es war schlicht und ergreifend verabsäumt worden, einen geeigneten Piloten für Ramrod zu suchen. Und das wiederum lag im Entscheidungsbereich des Anführers. Der Vorsitzende ging wieder auf Saber los: „Dieser Schritt hätte schon längst erfolgt sein müssen. Wieso haben Sie das versäumt?“

Saber schluckte schwer. Mit jedem Wort brannten sich die Vorwürfe tiefer in Sabers Bewusstsein. Saber hatte eine Reihe von Fehlern begangen. Beruflich wie privat. Heute war der Tag gekommen, an dem er sich verantworten musste, zumindest für die beruflichen Fehltritte. Das private Übel würde ihn in den nächsten Wochen und Monaten weiter den Boden unter den Füßen wegziehen. Vorerst allerdings sollte seine gesamte Aufmerksamkeit dieser Verhandlung gelten. Resignierend, weil Saber nichts so gelungen war, wie er es sich gewünscht hatte, unternahm er einen letzten Versuch, seine Entscheidungen vertretbar zu erklären: „Es gab keinen geeigneten Ersatz für Shinji, Sir. Wir konnten bis zur letzten Mission niemanden finden, der auch nur annähernd Shinjis Fähigkeiten als Pilot gehabt hätte. Ich weiß, wir hätten zu dritt starten sollen, Sir.“

Beinahe wäre der Viehtreiber von seinem Stuhl gefallen, als er Sabers letzten Satz vernommen hatte. Hatte der Schotte schon vergessen, was ihnen passiert wäre, wenn sie nur zu dritt gestartet wären? Saber war angeschossen worden, dieses heillose Durcheinander hatten sie zu viert kaum bewältigen können, wie wäre es erst ausgegangen, wenn ihnen auch noch der Pilot gefehlt hätte? Vielleicht wäre April dann nicht mehr bei ihnen, weil sie bei Ramrod hätte bleiben müssen. Es war gut möglich, dass die Blondine den Angriff des neuen Friedenswächters nicht überlebt hätte, das war Colt vollkommen bewusst. Deshalb rutschte er auch empört in seinem Stuhl nach vor und entkräftete Sabers Aussage: „Das ist doch Schwachsinn, Saber. Zu dritt hätten die uns unter die Erde befördert, bevor wir ‚Hi’ gesagt hätten.“

Die Besatzung von Ramrod war sich also einig darüber, dass die Schlacht ohne ihren Piloten nicht so glimpflich ausgegangen wäre. Gut, damit mochten sie Recht haben, das räumte ihnen der Ausschuss stillschweigend ein. Aber keinesfalls ließen sie diese Argumente gelten. Fireball hatte keinerlei Ausbildung zum Piloten, er konnte unmöglich besser sein, als ein Pilot der Kavallerie. Der alternde Commander, der für die Ausbildung mancher Kadetten verantwortlich war, ergriff nun das Wort. Er zweifelte an der Sinnlosigkeit einer fundierten Ausbildung: „Sie wollen mir nicht allen ernstes weis machen, Offizier Rider, dass keiner unserer Piloten, die einen Flugschein, den Nachweis einer abgeschlossenen Ausbildung, die teilweise mit Auszeichnung abgeschlossen haben, qualifiziert genug für den Posten des Piloten des Friedenswächters war?“

Colt fiel Saber schon wieder ins Wort. Da hatten er und April auch noch ein Wörtchen mitzureden. Auf Ramrod konnte nicht jeder x-beliebige arbeiten, wie es den Herren des Oberkommandos gerade passte. Der Cowboy trommelte mit den Nägeln auf die Tischplatte, harsch und ungeduldig. Mit der Ausbildung zum Piloten war es ja nicht getan. Er gab ihnen zu verstehen: „Sorry, Meister. Aber ins Team muss der Vogel ja auch passen.“

Nun meldete sich auch April zu Wort. Durch Fireballs zärtliche und aufbauende Geste bestärkt, teilte sie nun Colts Meinung. Niemals hätte sie einen anderen Piloten als Fireball akzeptiert, egal wie gut er auch gewesen sein mochte. Für sie stand ebenso fest: „Was hätten wir mit so einem Snob mit Auszeichnung sollen, Sir? Fireball war“, ihre Augen ruhten einen Moment auf ihrem ehemaligen Piloten, dann korrigierte sie sich energisch: „ist der einzige, der ein Schiff wie Ramrod mit einer solchen Präzision steuern kann, wie er es tut. Ein Jetpilot könnte das nicht.“

Und auch Saber fand Widerworte für die Theorie des Ausschusses. Der Schotte hätte zwar bei der letzten Mission ohne Fireball starten sollen, das wäre für alle Beteiligten das Beste gewesen, doch geeigneten Ersatz für ihn zu finden, war auf die Schnelle tatsächlich nicht möglich gewesen. Auch Saber vertrat die Ansicht seiner beiden Freunde. Fireball gehörte zu Ramrod: „Eine Auszeichnung macht noch lange keinen guten Piloten und Kameraden aus einem Menschen, Sir.“

Die Mitglieder des Ausschusses hatten ihre Augen überall und so war dem Vorsitzenden schnell aufgefallen, wo die Hände der beiden jüngsten Mitglieder des Team Ramrod hin verschwunden waren. Er griff Sabers Worte auf, um nun April ins Gebet zu nehmen: „Und der gute Pilot und Kamerad ist er, weil er eine Liaison mit Ihnen hat, Miss Eagle?“

Ertappt zog April sofort ihre Hand zurück. Sie lief feuerrot an. Die dämlichen Bemerkungen von Colt hätten nicht schlimmer für sie sein können. Nur, weil sie Fireballs Nähe gesucht hatte, war der Ausschuss wieder auf die Idee gekommen, dass es für April um mehr als nur einen guten Kameraden gehen könnte. Sie flüsterte peinlich berührt: „Sir...“

Schlagartig war es nun mit der Ruhe vorbei. Der kleine Japaner drückte die Finger, die Sekunden zuvor noch Aprils Hand umschlossen hielten, in den Oberschenkel und wischte wütend mit der zweiten Hand über die Tischplatte vor sich. Der Hitzkopf konnte lange ruhig bleiben, nicht jedoch, wenn es um April ging. Und das verflucht dreckige Grinsen, das der Vorsitzende an den Tag gelegt hatte, brachte Fireball zur Weißglut. Er schnauzte ihn deshalb ungehalten an: „Das gehört hier absolut nicht her!“

Das Grinsen wurde dadurch keineswegs schmäler. Die beiden hatten sich durch ihre Reaktion eindeutig verraten. Was bei der letzten Ausschusssitzung noch Andeutungen gewesen waren, war nun Wirklichkeit. Der Vorsitzende kannte die Gesten junger Verliebter. Oft genug hatte er schon Disziplinarverhandlungen genau deswegen geführt. In seinem Alter ließ ihn die Erfahrung nicht mehr im Stich. Mit einem selbstherrlichen Nicken deutete er wieder auf April und erklärte: „Leider doch. Verbindungen wie diese trüben das Urteilsvermögen von Miss Eagle in einem unangebrachten Maße.“ Den Triumph hatte der Vorsitzende nun zur Genüge genossen. Deswegen waren sie an diesem Vormittag nicht hierher gekommen. Er räusperte sich kurz und fuhr fort: „Nun, diese Vorkommnisse haben Konsequenzen. Nachdem Ihre Position im Oberkommando nicht ausreicht, um Sie zu belangen, Mister Hikari, kommen Sie in dieser Angelegenheit so davon. Mit Ihrem Fall werden wir uns allerdings noch einmal auseinander setzen und dann, und davon können Sie ausgehen, wird auch eine Arbeitserlaubnis von General Whitehawk keinen Wert mehr haben. Aber Sie, Offizier Rider, können und werden wir hierfür zur Verantwortung ziehen.“

Saber senkte ergeben den Blick. Damit hatte er schon gerechnet, als er vor zwei Wochen den drei Herren über den Weg gelaufen war. Trübsinnig nickte er wieder: „Ich weiß, Sir.“

Colt hingegen war nicht in der Lage, das so einfach hinzunehmen, wie Saber. Stinksauer polterte er ein weiteres Mal los. Wenn die mit Folgen drohten, konnte das der Scharfschütze schon lange. Er war nicht auf den Sauhaufen hier angewiesen: „Also ehrlich! Das wird Nachwehen geben, Meister!“

Für den Ausschuss allerdings war die Entscheidung bereits gefallen. Colt konnte wüten so viel er wollte, das änderte das Urteil auch nicht mehr. Der Vorsitzende schob Saber einen Zettel entgegen und erklärte ungerührt: „Der Ausschuss hat beschlossen Sie für ihr Fehlverhalten zu suspendieren und-“

„Das ist nicht euer Ernst! Das könnt ihr nicht machen, verdammt noch mal!“, in dem Augenblick war jegliche Raison bei Fireball den Bach hinunter gegangen. Das durfte nicht wahr sein! Der Japaner zitterte fast vor Wut. Wie konnten die nur ein solch ungerechtes Urteil fällen? Das war nicht fair. Saber war nicht Schuld an den Unannehmlichkeiten. Die sollten gefälligst froh sein, einen Offizier wie ihn zu haben. Ein weiteres Mal hatten sich die Worte seiner Mutter bestätigt. Fireball grämte sich: „Meine Mum hatte Recht, als sie vom Oberkommando behauptet hat, es wäre ein Haufen unmenschlicher und unfähiger Idioten. Wird bei euch jeder bestraft, der für den Frieden im Neuen Grenzland eintritt und alles dafür opfert?! Echt, das fass ich einfach nicht!“

Fireball war nicht der einzige, der aus der Haut hätte fahren können. Die Blondine legte ihre Hände auf den Tisch und kreischte den Ausschuss empört an: „Das ist nicht fair, Sir! Dann müssen Sie uns alle suspendieren. Saber fällt keine einzige Entscheidung, die Ramrod betrifft alleine. Wir tragen alle die Verantwortung dafür.“

Der Vorsitzende klopfte mit der Faust mahnend und energisch auf den Tisch: „Ruhe!“, ein tadelnder Blick auf die erhitzte Runde folgte. Der Vorsitzende wartete ab, bis die Einheit auch wirklich wieder den Mund hielt und gab dann das Urteil im vollen Ausmaß bekannt: „Offizier Rider wird für sein Fehlverhalten suspendiert und verzichtet damit für den folgenden Monat auch auf seine Bezüge. Wir behalten uns vor, diesen Zeitraum auszudehnen, sollten wir über weitere Vorfälle informiert werden, die gegen die Dienstvorschrift verstoßen.“

„Scheiße, Mann! Ihr habt sie doch nicht alle!“, diese polternde Stimme gehörte zu Colt, der sich nicht mehr beruhigen konnte. Sie waren ein Team, sie hatten als solches gehandelt und nur einer sollte die Strafe für ihr Verhalten kassieren? Also, vom Gleichbehandlungsgrundsatz hatten die im Oberkommando auch noch nie was gehört! Colt schnaubte wie ein Bulle, den man mit einem roten Tuch traktierte. Noch ein Wort von diesen unfähigen, unfairen Heinis da vorne und er verabschiedete sich für immer von diesem Zusammenschluss unfähiger Bürokraten. Das war doch nicht deren wirklicher Ernst, oder etwa doch?

Mit welcher Einheit hatten sie es hier nur zu tun bekommen? Der Vorsitzende war entrüstet über soviel Respektlosigkeit. Dauernd wurde er in seiner Befragung unterbrochen, kein einziges mal war er von Fireball und Colt mit ‚Sir’ angesprochen worden und zu allem Überfluss glaubte er nun auch noch, dass Commander Eagles Einträge gar nicht so unberechtigt gewesen waren. Der Vorsitzende sah Colt direkt an: „Mister Wilcox, es ist Ihr gutes Recht Beschwerde einzulegen. In angemessener Form. Sollten Sie sich noch einmal daneben benehmen, verlassen Sie diesen Raum.“

Colt schob seinen Stuhl ächzend zurück und stand auf. Er steckte die Hände in die Taschen und wandte sich von dem großen Tisch ab. Er hatte die Schnauze gestrichen voll. Der Ausschuss hatte eine Entscheidung gefällt, aber auch Colt hatte eine getroffen. Er ließ sich doch nicht von denen zum Heinz machen! Er kommentierte sein Handeln: „Das tu ich auch ohne Aufforderung. Das ist doch Schwachsinn. Ich hab’s Commander Eagle schon gesagt und euch sag ich es auch noch mal, zum Mitschreiben sozusagen.“, noch einmal drehte sich Colt um. Dabei deutete er auf seine drei Freunde, die ihm entgeistert nachsahen. Diese Worte hatte er Commander Eagle an den Kopf geworfen, bevor sie zur Mission nach New Witchita aufgebrochen waren. Und er meinte sie immer noch ernst. Colt gab sie leicht abgeändert wieder: „Kein Fireball an Board und kein Saber dabei, auch kein Colt mit von der Partie. Ihr könnt mir den Allerwertesten küssen, ich bin doch nicht lebensmüde, bin ich doch nicht!“

Da flog die Tür auch schon wieder in Schloss. Das war das definitiv letzte gewesen, was Colt zu der Debatte noch zu sagen hatte. Das war’s gewesen. Nie wieder setzte er sein Leben dafür aufs Spiel. Nie wieder!

April gab ihrem ehemaligen Kollegen ganz leise recht: „Wo er Recht hat.“

Es war ihr klar, dass das eben Colts Kündigung gewesen war. Den Kuhhirten hatten sie für immer aus dem Oberkommando vergrauelt. Er würde für diese Organisation nie wieder arbeiten. Und, wie April schon festgestellt hatte, der gute alte Cowboy hatte durchaus Recht.

Irritiert beobachteten auch die Ausschussmitglieder, wie Colt die Tür von außen schloss. Das war ein starkes Stück, aber das sollte den Ausschuss nun nicht mehr kümmern. Vielleicht, so war der Vorsitzende der Ansicht, war es ganz gut, Team Ramrod in dieser Konstellation aufzulösen. Der Vorsitzende wandte sich nach einer kurzen Schrecksekunde wieder der eigentlichen Sache zu. Nämlich dem blonden Anführer der ehemals besten Einheit: „Offizier Rider, Sie haben den Beschluss gehört? Auch Ihnen steht es zu, Beschwerde gegen diese Entscheidung einzulegen.“

Der Schotte nickte leicht. Damit hatte er gerechnet. Gezeichnet und bekümmert antwortete er schließlich: „Ich akzeptiere Ihre Entscheidung, Sir.“

Die Blondine war ansonsten ein sehr rationaler Mensch. Aber das schlug dem Fass den Boden aus. Sie konnte eins und eins zusammenzählen und nach Adam Riese blieb sie als einzige auf Ramrod übrig. Und das ging ihr komplett gegen den Strich. Ja, sie hatte Ramrod mitentwickelt und gebaut, aber ohne ihre Freunde würde sie keine Sekunde länger die Navigation des Friedenswächters übernehmen. April schob ihren Stuhl nach hinten, bedachte Fireball und Saber jeweils mit einem entschuldigenden Blick und folgte Colts Beispiel: „Sir, ich schlage vor, Sie suchen sich ein neues Team für den neuen Friedenswächter.“

Verwirrt beobachteten die drei Herren, wie nun auch die Navigatorin des Teams den Saal, freiwillig und mit einem bösen Kommentar, verließ. Es war nicht alltäglich für den Ausschuss, ein derart eingeschworenes Team vor sich zu haben. Die Freunde standen füreinander ein, das hatte nun auch der letzte begriffen. Mit Sabers Suspendierung war die Sitzung jedoch noch nicht beendet. Der Vorsitzende nickte nun dem Commander zu, der sich die ganze Zeit über zu keiner Aussage hatte hinreißen lassen. „Kommen wir zum zweiten Punkt dieses Zusammentreffens. Commander Eagle.“

Das war das Zeichen für Fireball, um Saber mit dem Zeigefinger leicht anzustoßen und ihm gequält lächelnd zu gestehen: „Spätestens jetzt sollte ich mich verkrümeln, Boss.“

Er hatte zwar leise gesprochen, doch ganz bestimmt war er laut genug gewesen, damit ihn jeder verstanden hatte. Fireball war nicht unbedingt in der Stimmung, auch Commander Eagles Strafmaß hautnah mit zu erleben. Charles hatte sich entschuldigt, mehr als einmal. Und Fireball hatte an dem Abend, an dem er sich die Arbeitserlaubnis im Büro geholt hatte, für sich entschieden, dem Commander zu verzeihen. Es würde nicht leicht werden, immerhin war viel zwischen ihnen vorgefallen, aber alleine schon wegen April wollte er versuchen, sich mit dem Vater seiner Freundin zu verstehen.

Commander Eagle meldete sich auf die Aufforderung des Vorsitzenden: „Sir.“

Team Ramrod bestand wohl nur aus Querulanten, wie der Vorsitzende verärgert feststellte. Zuerst verließen der Scharfschütze und die Navigatorin lautstark die Sitzung und nun meinte der ehemalige Pilot, gehen zu müssen. Der jedoch sollte nun unbedingt bleiben. Er warf Fireball einen tadelnden Blick zu: „Es war Ruhe geboten, Mister Hikari. Und Sie bleiben bitte. Dies wird für Sie interessant sein.“

Der Ausbildner ergriff nun das Wort und gab Aprils Vater ein paar Anhaltspunkte für die Entscheidung: „Commander Eagle, wir schätzen es überhaupt nicht, wenn Mitglieder des Oberkommandos, ganz besonders die Hochrangigen unter ihnen, ihre Kompetenzen überschreiten oder gar missbrauchen. So löblich Selbstanzeigen gewöhnlich sind, in Ihrem Fall sind sie schlichtweg beschämend. Ausgerechnet ein Mann Ihres Rufes und Formates lässt sich dazu hinreißen, seine Position auszunutzen um den nicht ganz so genehmen Verehrer seiner Tochter aus deren Umfeld zu entfernen. Diesem Gremium fehlen die Worte um dieses Verhalten angemessen zu beurteilen.“

Auch Commander Eagle war bewusst, was er sich geleistet hatte, so wie Saber. Leise bestätigte er dem Ausbildner: „Ich weiß, Sir.“

Seine müden Augen blickten zu den verbliebenen beiden des Team Ramrod. Er hatte nicht verhindern können, dass Saber suspendiert worden war. Es tat Charles leid, aber vielleicht war es so, wie es nun gelaufen war, das Beste gewesen. Der Commander war sich nicht sicher, wie lange es noch gut gegangen wäre, mit den vieren an Board von Ramrod. Ständig hatte er sich Sorgen um April gemacht, sie würde nicht wieder von einer Mission zurückkommen. Sollten sie lieber ein Team mit mehr Erfahrung in den Kampf schicken. Die Zeit der glorreichen Star Sheriffs und Ramrod war vorbei. Die Kinder sollten sich auf ihr Leben konzentrieren und nicht auf den Krieg, der draußen im Neuen Grenzland tobte.

Der Vorsitzende bedachte Commander Eagle mit einem abfälligen Blick. Der Befehlshaber wirkte abwesend. Aber, und das wusste der Vorsitzende, ihre Entscheidung diesbezüglich war sehr milde: „In diesem Fall sprechen nur zwei Dinge für Sie. Zum einen, dass Sie Ihr Fehlverhalten gestanden haben, zum anderen, dass der Vorfall verjährt ist. Sie haben, zu Ihrem Nachteil nun, sehr lange geschwiegen und unter Berücksichtigung aller Punkte aus der vorangegangenen Sitzung haben wir entschieden, dass sie dennoch nicht so ohne weiteres damit durchkommen werden.“

Der Schotte atmete tief durch. Er war auf eine seltsame Art erleichtert. Nicht nur er wurde für seine Versäumnisse bestraft, auch Commander Eagle sah einer Strafe entgegen. Saber hatte einen Moment lang gedacht, der Ausschuss hätte es sich noch einmal anders überlegt. Aber dem war nun nicht so gewesen. Saber schluckte wieder, als er die Augen auf Commander Eagle richtete. Hier und jetzt ging eine Ära zu Ende, das fühlte er.

Fireball hatte sich wieder von seinem Ausbruch erholt. Ruhig und geduldig wartete er nun auf das Urteil des Ausschusses. Gedanklich versuchte er noch einmal kurz zu umreißen, wie es so weit hatte kommen können. Niemand hätte jemals von seiner unansehnlichen Personalakte erfahren, wenn Mandarin und Allan nicht Freunde wären. Von einem solchen Moment hätte Jesse Blue immer geträumt. Wenn der inhaftierte Verräter wüsste, was sich eigentlich im Oberkommando abspielte, er hätte sich sabbernd die Hände gerieben. Genau das war immer Jesses Ziel gewesen: die Einheit Ramrod zu sprengen. Wer hätte gedacht, dass sie mal vom Oberkommando selbst auseinander genommen würden? Fireball seufzte langatmig: „Okay.“

Der Commander bestätigte lediglich durch ein Nicken seine Zustimmung. Er würde alles akzeptieren, schließlich hatte er sich eines Verbrechens Schuldig gemacht. Jede Strafe war gerechtfertigt.

Erhobenen Hauptes teilte der Vorsitzende mit: „Wir haben unter Berücksichtigung Ihrer vielen Dienstjahre hier und ihrer Tätigkeit entschieden, dass Sie es verdienen, etwas früher als geplant, in den Ruhestand zu treten. Ihre Pensionierung beginnt im kommenden Monat.“

Erleichtert wich die Anspannung von Commander Eagle. Ihm war bewusst, welch großen Gefallen ihm der Ausschuss damit tat. Sie ließen ihn in Ehren in den Ruhestand gehen. Er verlor sein Gesicht nicht. Überwältigt brachte Commander Eagle hervor: „Danke, Sir.“

„Die Suspendierung von Saber war schon Blödsinn, aber das ist schlichtweg dümmer als die Polizei erlaubt!“, Fireball schüttelte fassungslos den Kopf. Ab nächsten Monat gab es nicht nur eine völlig neue Besatzung des Friedenswächters, sondern auch noch einen neuen Commander der Sektion West. Fireball wusste nicht, ob sich die Herren darüber im Klaren waren, wie sehr sie sich damit schwächten. Im Moment mochte es ruhig im Neuen Grenzland sein, aber das konnte sich auf einen Schlag wieder ändern. Dem jungen Japaner war dabei allerdings nicht bewusst, wie milde die Urteile sowohl für Saber als auch für Commander Eagle gewesen waren. Das verlor er gerade aus den Augen.

Der Vorsitzende schüttelte tadelnd den Kopf. Die beiden Verurteilten akzeptierten ihr Schicksal, weshalb dann nicht auch ihre Freunde? Er nahm Fireball ins Gebet: „Ihrer Beschwerde fehlt die angemessene Form, Mister Hikari.“, mit einem kühlen Blick zu Commander Eagle fuhr er fort: „Ich entnehme Ihren Worten, dass Sie mit der Entscheidung einverstanden sind.“

Während Commander Eagle bestätigend nickte, muckte der ehemalige Rennfahrer noch einmal auf. Ungehalten bemerkte er: „Ich formulier’s anders. Bei der umsichtigen Entscheidung bleibt dem Neuen Grenzland nur noch zu wünschen, dass nicht eines Tages Nemesis zurückkommt.“ Wütend schnaubte Fireball weiter: „Jeder Outrider hat mehr in der Birne als-“

Saber unterbrach den Heißsporn, bevor er mit seinen Worten noch mehr Schaden anrichten konnte. Er griff Fireball bestimmt an die Schulter und sah ihn mahnend an: „Fireball!“

Fireball schlug Saber grantig die Hand von der Schulter und maulte: „Ist doch wahr, Herrgott! Falls es noch nicht aufgefallen sein sollte, Ramrod hat zumindest einen Monat lang gar keine Besatzung und nach dem Monat bist du alleine, Saber. Das ist doch Irrsinn!“

Der Sturschädel des jungen Mannes war sagenhaft, wie der Vorsitzende feststellte. Der Junge arbeitete noch nicht einmal mehr im Oberkommando und machte sich dennoch Sorgen um die Besatzung von Ramrod. Das war zwar löblich, aber angesichts des Tonfalles und der Wortwahl weder angebracht noch förderlich, was die Entscheidungen betraf. Der Vorsitzende versuchte Fireball in seine Schranken zu weisen, nachdem Saber schon versagt hatte: „Hier ist überhaupt nichts Irrsinn, Mister Hikari. Sollten Miss Eagle und Mister Wilcox ihre Kündigungen tatsächlich ernst meinen, nun denn, das Oberkommando hat noch mehr befähigtes Personal. Es steht außer Frage, dass wir einen solchen Austritt bedauern würden, dennoch sehen wir uns noch nicht dem Untergang geweiht.“

Fireball hielt nichts mehr auf seinem Stuhl. Das Wesentliche war besprochen worden. Die Entscheidungen stanken für den Japaner zum Himmel. Er konnte weder etwas Faires noch etwas Mildes daran erkennen. Und nun sah er sich auch noch zu einer Grundsatzdiskussion mit dem Vorsitzenden gezwungen: „Das Oberkommando nicht, aber das Neue Grenzland! Wie kann man nur wegen so einem…“, für so einen Schwachsinn fehlten Fireball die Worte, weshalb er nach einer kurzen Überlegung den Satz einfach fallen ließ und fort fuhr: „Ihr müsstet schon wesentlich mehr Mitarbeiter suspendieren oder in frühzeitige Rente schicken, wenn ihr hier jedem Pups nachgehen würdet. Verdammt, Commander Eagle war jahrzehntelang der gerechteste Befehlshaber, den ihr aufbringen konntet. Ihr gehört doch alle in die geschlossene Anstalt!“

Der Vorsitzende unternahm einen letzten Versuch, dem Rennfahrer seine Grenzen aufzuzeigen. Er tadelte Fireball ein weiteres Mal: „Mister Hikari, mäßigen Sie sich. Der Gerechtigkeitssinn von Commander Eagle hatte offenkundig seine Grenzen erreicht, als er Ihnen begegnete. Und ich muss ehrlich gestehen, ich kann ihn auch verstehen. Na ja, wie auch immer. Das Gremium hat entschieden und weder Offizier Rider noch Commander Eagle erheben Einspruch dagegen. Damit beenden wir die Sitzung.“

Ohne auf weitere Wortmeldungen zu warten erhoben sich die drei Ausschussmitglieder und verließen den Saal. Für sie war der Fall erledigt. Sie hatten ihre Urteile gefällt, befanden diese stellenweise zwar als zu milde, aber im Großen und Ganzen als gerecht. Sie hatten zum Wohle aller entschieden.

bittere Pille

so, und noch mal schnell zum Ausklang des Wochenendes ein Kapitel on stelle *g*. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen, es sei nur schnell verraten... alles hat mal ein Ende... und diesem nähern wir uns hier langsam ^^
 

Die Aufbruchstimmung der Ausschussmitglieder übertrug sich allerdings nicht auf die anderen Anwesenden. Zwar waren alle aufgestanden, doch den Raum hatte noch keiner von ihnen verlassen. Verblüfft, verwundert und zumindest einer auch bitter enttäuscht, starrten die drei Männer aneinander vorbei. Charles seufzte schwer und verschränkte die Arme hinter dem Rücken, ehe er sich dem Fenster zuwandte. Er hatte mit einer Entlassung gerechnet, deswegen hatte er die letzten Tage doch wie ein Verrückter versucht, seinen Schreibtisch leer zu bekommen. Aber er hatte niemals erwartet, dass sie ihn in Ehren ausscheiden lassen würden. Seine Pensionierung war nur eine kleine Buße im Vergleich zu dem, was er sich geleistet hatte. Aprils Vater fühlte sich deswegen kein Stück besser. Nach so vielen Jahren hatte er endlich sein Unrecht eingesehen, hatte endlich erkannt, was er angerichtet hatte. Es war niederschmetternd. Er würde niemals gut machen können, was er Fireball, aber auch seiner Tochter und schlussendlich auch Saber angetan hatte. Commander Eagle ging auf das große Fenster zu und richtete den Blick auf den Hof. Lange Jahre hatte er hier im Oberkommando gearbeitet. Ob er diesen Innenhof vermissen würde? Charles schloss die Augen. Er und Fireballs Vater hatten lange auf diesem Stützpunkt zusammen gearbeitet, waren durch ihren Beruf gute Freunde geworden. Seine Tochter war mehr hier aufgewachsen, als sonst wo. Und auch er hatte die meiste Zeit seines Lebens hier verbracht. Schwer atmend redete sich der Befehlshaber des ehemaligen Team Ramrod ein, dass es Zeit war, zu gehen. Er würde das Oberkommando in guter Erinnerung behalten.

Saber hatte sich am wenigsten von den dreien bewegt. Der Commander stand am Fenster, Fireball tigerte wieder mal im Raum auf und ab und er stand mit verschränkten Armen neben dem Tisch. Saber hatte sich mit dem Becken gegen die Tischkante gelehnt. Er war sich sicher, schlimmer als jetzt konnte es gar nicht mehr werden. Der Schotte war suspendiert worden. Zwar nur für einen Monat, aber danach war fraglich, wie es mit ihm im Oberkommando weiterging. Saber kannte die Dienstvorschriften, er hatte sie selbst zigmal gepredigt, in Fällen wie diesem hatte er auch mit einer Degradierung zu rechnen. Er würde nicht der kommandierende Offizier des Friedenswächters bleiben. Aber wollte er das überhaupt? Saber führte sich Fireballs Worte genau vor Augen. Er würde alleine dort zurückbleiben. Colt und April hatten beide keine Scherze gemacht, dessen war sich Saber sehr wohl bewusst. Und der Heißsporn, der ihn mit der offenkundigen Unruhe gerade nervös machte, würde auch nicht mehr ins Oberkommando kommen. Das würden drei ganz nette Herren nicht zulassen. Nicht Commander Eagle oder sie selbst hatten das Team gesprengt, es war ein Ausschuss der Dienstaufsichtsbehörde gewesen. Alles andere hatten sie überstanden, aber gegen diese höhere Macht waren sie chancenlos gewesen. Saber schüttelte resignierend den Kopf und fuhr sich mit der rechten Hand über die Augen. Tränen glitzerten in seinen Augenwinkeln. Sie hatten eine unglaubliche Zeit zusammen, diese war nun endgültig vorbei. Diese bitteren Gedanken brannten in der Seele.
 

Durch die offene Tür drückten sich Colt und April wieder in den Saal. April schloss vorsorglich die Tür, nachdem sie eingetreten war. Beide, sie und der Kuhhirte, hatten die Mitglieder der Untersuchungskommission mit düsteren Blicken bedacht, als diese an ihnen vorbei marschiert waren. April fiel gleich danach in Fireballs Arme. Sie dachte nicht an Etikette oder sonstiges. Sie wollte Fireballs Nähe spüren, fühlen, dass er sie festhielt. Mehr wollte sie im Augenblick nicht. April war aufgewühlt und sauer auf den Ausschuss.

Zögernd legte Fireball seine Arme um April. Er strich ihr über die Wange, hob ihren Kopf an und wisperte: „Es wird alles gut, Süße.“

In wie weit er sich diese Worte selbst glaubte, konnte April nicht sagen. Alles, was sie wahr nahm, war seine ruhige Stimme, seine schüchternen Berührungen und die Tatsache, dass alle im Raum leise waren. April schüttelte energisch den Kopf. Sie glaubte nicht an Fireballs Worte. Dafür waren die Mundwinkel von ihm, Saber und ihrem Vater zu weit nach unten gezogen. Die Blondine drückte sich enger an Fireball und fragte überraschend ihren Vater nach Auskunft: „Was ist passiert, Daddy?“
 

Charles hatte beobachtet, wie April ihren Freund beinahe umgerannt hätte. Sie brauchte ihn. Der Commander schluckte bekümmert. April brauchte Fireball. Und er hatte jahrelang nichts anderes zu tun gehabt, als ihn von ihr fern zu halten. Dabei tat ihr Hiromis Sohn gut. Er war alles, was sein kleines Mädchen brauchte. Zum ersten Mal erkannte Charles, welches Unglück er angerichtet hatte. Er sah, wie spärlich und verhalten die Berührungen waren, wie unangenehm es vor allem Fireball in der Öffentlichkeit war, Zärtlichkeiten auszutauschen.

Er wandte sich wieder ab, denn Charles ertrug es nicht, daran schuld zu sein. Es tat ihm weh, das alles angerichtet zu haben. Wieder blickte der Commander zum Fenster hinaus. Leise gab er seiner Tochter schließlich Auskunft: „Ich darf in den Ruhestand gehen.“

„Du darfst?“, April runzelte verwundert die Stirn, als sie sich von Fireball wieder abstieß. Sie strich Fireball dabei kurz über den Arm. Die Blondine verstand gar nichts mehr. Was war bloß nach Sabers Suspendierung vorgefallen? Die drei waren so weit wie möglich voneinander entfernt gestanden, als sie mit Colt wieder eingetreten war. Und nun die Worte ihres Vaters. Die Stimmung in diesem Raum war unerträglich bedrückend. Und es wurde nicht besser.

Aprils Vater erklärte ihr in einem ruhigen Tonfall, was der Ausschuss entschieden hatte, währenddessen rotteten sich die drei Jungs auf einem Fleckchen zusammen. Colt war mit einem Ohr bei Commander Eagles Erklärung, mit dem anderen bei seinen Freunden. Aber das hätte er sich sparen können. Fireball und Saber schwiegen sich aus. Das behagte Colt gleich gar nicht. Seit der dämlichen Wortmeldung des Ausschusses hatte Colt das Bild vor Augen, dass sie zerbröckelten, dass ihre Freundschaft zerbröckelte. Und das jagte Colt einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Als er auch noch vernahm, dass Commander Eagle aus dem Oberkommando ausschied, hielt er es beinahe nicht mehr aus. Colt warf die Hände in die Höhe und vermeldete verunsichert: „Was wird nun“, ihm stockte der Atem einen Augenblick. Der Cowboy schluckte, ehe er weiter sprechen konnte: „aus uns?“

Er hatte seine Freunde dabei aufmerksam angesehen. Ihre Gesichter sprachen dabei Bände. Alle waren im Augenblick ratlos und aufgewühlt. Das war angesichts der Urteile auch kein Wunder.

April drehte sich Colt zu und blinzelte ihn verwundert an: „Was meinst du?“

Der Rennfahrer hingegen verschränkte die Arme vor der Brust und begann, vor sich hin zu funkeln. Seit er nicht mehr umherlief, manifestierte sich sein Frust über die ganze Sache in seinem Blick. Er grummelte dem Kuhhirten entgegen: „Du meinst eure Kündigungen? Das hat sie nicht beeindruckt. Eigentlich war’s ihnen total egal.“

Der Viehtreiber zog mürrisch die Augenbrauen zusammen. Auch sein Blick verfinsterte sich. Er kam sich vor, als hätte man ihn nicht ernst genommen. Und das vertrug der Cowboy schon zwei Mal nicht. Er machte keine Scherze, schon gar nicht über solche Dinge. Deswegen hob er nun die Faust und polterte: „Ich hab meine verdammt ernst gemeint und die kriegen sie auch noch schriftlich! Darauf können die Gift nehmen.“, nun brach die Frustration in Colt hervor: „Ich werde nicht für etwas weiterkämpfen, für das es sich nicht lohnt. Es ist Selbstmord, da ohne euch raus zu gehen. Das ist es nicht wert, absolut nicht.“

Colt hatte nicht so unrecht mit seiner Aussage. Stumm bestätigten ihm Commander und April, dass sie auf seiner Seite standen. Fireball brummte lediglich. Aber von Saber kam eine Reaktion. Der Schotte stieß sich vom Tisch ab und trat Colt entgegen. Er sah ihm geradewegs in die Augen: „Das Neue Grenzland ist es wert, dafür zu kämpfen.“

In diesem Punkt war er an Colt allerdings an einen sturen Bock geraten. Der Kuhhirte hatte es satt, für die gute Sache zu kämpfen. Für sie kämpfte schließlich auch niemand. Es war den Ärger, die Sorge und die Angst einfach nicht mehr wert. Für den Scharfschützen stand deshalb felsenfest: „Nein! Meine Familie und meine Freunde sind es wert. Das hier ist es nicht mehr wert, Saber. Wir haben jahrelang für ein freies Grenzland gekämpft, und das ist der Dank dafür? Sie zerfetzen unser Team, suspendieren dich und behandeln uns wie Verräter, eben weil wir für das Neue Grenzland gekämpft haben, ohne an uns zu denken. Nein, bei aller Liebe der Freiheit und der Gerechtigkeit gegenüber, aber das ist es nicht mehr wert!“

Der Schotte senkte den Kopf. Er war suspendiert worden, nicht Colt. Und dennoch stand einer seiner besten Freunde vor ihm und warf seinen Glauben an das Gute einfach über Board. Saber versuchte, Colt auszureden, einen solchen Job zu kündigen: „Es gibt einen Unterschied zwischen einigen Leuten im Oberkommando, die sich an Befehle und Vorschriften halten, und Menschen außerhalb, allen voran Familie und Freunde, die ohne uns in Gefahr wären und die es sehr wohl wert sind, dass man für sie kämpft. Verstehst du, was ich meine? Kein noch so unnachgiebiger Ausschuss kann mich davon abhalten, meinem Sohn oder sonst einem Kind Sicherheit und Frieden zu geben. Colt, nicht hier im Oberkommando, sondern im Neuen Grenzland, findest du ein neues Team Ramrod. In unseren Kleinen und in Kindern, die wir nicht kennen.“

Die Argumente waren gut. Aber nicht gut genüg für Colt. Eben weil er an seine Kleinen dachte und an die Unart, wie das Oberkommando seine besten Mitarbeiter verheizte, ließ er Sabers Ausführungen zu diesem Thema nicht mehr gelten. Colt war zu enttäuscht, um für diese Organisation noch einmal etwas zu tun. Er konnte dem Neuen Grenzland auch anderwärtig einen guten Dienst erweisen, dafür brauchte es das Oberkommando nicht. Colt dachte an all die Kinder im Neuen Grenzland, die wegen des Krieges ihre Väter verloren hatten. Kinder, wie Fireball eines gewesen war. Nein, nichts und niemand brachte ihn dazu, seine Familie noch einmal zu verlassen. Schon gar nicht, wenn er mit fremden Leuten auf Ramrod arbeiten sollte. Das musste sogar Saber einsehen, er war immerhin selbst Vater. Deswegen blaffte Colt seinen Freund ungehalten an: „Willst du, dass es deinem Junior eines Tages so geht, wie Fireball? Willst du wirklich, dass Matthew ohne Vater aufwachsen muss? Nein, also ehrlich, ich will meine Kinder aufwachsen sehen. Sehen wie sie sich zu großartigen Menschen entwickeln und Großartiges vollbringen. Ich lass mich vom Oberkommando nicht mehr verheizen, nie wieder.“

Der Schotte schlug die Augen nieder. Colts Worte rieben zusätzlich Salz in die offenen Wunden. Saber musste sich an den letzten Strohhalm klammern, den er noch hatte. Und der hieß, weiterhin für ein freies Grenzland einzutreten. Er blickte Colt mit unendlich traurigen Augen an, als er ihm entgegnete: „Tut mir leid, dass du das so siehst, Colt. Denn ich werde weiter mit Ramrod fliegen. Ich hatte gehofft, du überlegst es dir und bist mit dabei. Es geht dabei nämlich nicht um den Dank, den mir vielleicht das Oberkommando schuldet. Es geht die Dankbarkeit, die unsere Kinder uns entgegen bringen und sehr viele Menschen mehr, als ein Ausschuss von drei Leuten. Es geht hier um eine sichere Zukunft, Kumpel.“

Colt widerlegte auch diese Argumente von Saber. Es gab nur ein einziges Team Ramrod. Deswegen waren sie doch an diesem Tag hier gestanden und hatten diese Probleme mit dem Ausschuss gehabt. Es gab kein zweites Team wie dieses. Niemand konnte einen fehlenden Kameraden an Board ersetzen. Weshalb verstand das Saber nicht? Colts Stimme bebte förmlich: „Es ist töricht, Saber, ohne Matchbox abheben zu wollen! Ich scheiß auf die Dankbarkeit des Oberkommandos und ich verzichte auf die Dankbarkeit anderer Leute, die, wenn die Outrider erst einmal weg sind, einen Bürgerkrieg anzetteln werden. Ich will, dass meine Kinder eines Tages von der Schule oder der Uni nachhause kommen und mir sagen, dass ich ein guter Vater war. Nichts anderes will ich. Ich habe eine liebende Frau zuhause, die jedes Mal beinahe stirbt, wenn ich fortfliege. Verstehst du? Ich will mit Robin gemeinsam alt werden. Alt und grau und wenn geht, bitte nicht alt und verkrüppelt. Ich will meine Kinder aufwachsen sehen und das Leben mit meiner Frau genießen.“

Colt war sauer, ganz eindeutig. Aber er ließ seine Wut an dem falschen aus. Saber schluckte alles hinunter, die Traurigkeit, die Tränen, die sich bei Colts Worten in seinen Augen gesammelt hatten und das Gefühl, seine Freunde in diesem Augenblick auch noch zu verlieren. Saber drehte sich weg. Er musste gehen, ehe er alles verlor. Er brachte gebrochen hervor: „Wenn du meinst.“

Entschieden nickte Colt: „Ja, ich meine! Was ist mit dir, Prinzessin?“, der Vater einer kleinen Tochter war felsenfest überzeugt. Er würde seine Meinung nicht mehr ändern. Und eben, weil er so überzeugt war, übersah er, was er Saber gerade getan hatte. Colt war laut gewesen, wütend und ungehobelt. All das war er zu Saber gewesen und nicht zu einem Mitglied des Ausschusses oder einem anderen Oberkommandomitarbeiters.

April nickte, sah jedoch gleichzeitig mit großem Unbehagen, wie Saber das Zimmer verließ. Sie stand immer noch neben ihrem Vater, zu weit weg, um irgendwie eingreifen zu können.

„Ich kann dich verstehen, Colt, ehrlich...“, hin und her gerissen machte Fireball verzagt einen Schritt vor, nur um gleich darauf wieder einen Schritt Richtung Tür zu gehen. Sabers Reaktion hatte dem jungen Japaner Angst gemacht. Da war was absolut nicht in Ordnung. Deshalb entschied sich Fireball, seinem Boss hinterher zu gehen, bevor dieser zu viel Vorsprung heraus holen konnte. Er deutete entschuldigend auf die Tür: „Aber...“

Colt zog die Stirn in Falten, das war ja nicht zu fassen. Jetzt verließ auch noch der kleine Japaner das sinkende Schiff fluchtartig. Genervt nörgelte Colt: „Was ist denn jetzt schon wieder?“

Colt war sich nicht bewusst, was er gerade angerichtet hatte. Denn wäre er sich dessen bewusst gewesen, hätte er es ja nicht getan. Sein Blick wanderte von der offenen Tür zu April hinüber, die noch da stand. Konnte sie ihm mal erklären, was das alles nun zu bedeuten hatte?

Die Blondine kannte Colts Blicke. Und gerade diesen kannte sie nur zu gut. Er hatte wieder mal rein gar nichts mitbekommen. Die Blondine rollte genervt die Augen und stemmte die Arme in die Hüften: „Liebende Frau zuhause? Guter Vater sein? Klingelt’s langsam, Kuhtreiber?“

Währenddessen war Fireball auf den Flur hinausgetreten und hatte gerade noch gesehen, dass Saber den Weg nach unten eingeschlagen hatte. Schnellen Schrittes ging auch Fireball zur Treppe und lehnte sich dort nach vor. Das war nicht gut, was gerade mit Saber passierte. Fireball entschied sich, den Schotten nicht einfach alleine gehen zu lassen. Colt hatte zu viel Schaden angerichtet, wie er befürchtete. Er rief Saber hinterher: „Hey, Säbelschwinger, warte mal!“

„Oh, Scheiße!“, Colts Erkenntnis stand ihm ins Gesicht geschrieben. Mit großen Augen und peinlich berührt nahm nun auch der Kuhtreiber die Beine in die Hand und sprang seinen beiden Freunden hinterher. Dass sein Ausruf das halbe Oberkommando erschrecken konnte, war ihm egal. Er rief so laut er nur konnte: „Boss!“

April war die einzige, die noch bei ihrem Vater im Raum stand. Als ob sich eine Epidemie ausgebreitet hätte, hatten ihre drei Jungs das Weite gesucht. Sie sah ihren Vater fragend an. Er war sehr still gewesen. Während der Verhandlung und auch jetzt. Er schien selbst nicht auf der Höhe zu sein, weshalb April nun nicht wusste, was sie tun sollte. Sollte sie bei ihrem Dad bleiben und ihm zur Seite stehen, oder sollte sie ebenfalls hinter Saber herhetzen und versuchen, den wieder aufzubauen? Das blonde Mädchen war hin und her gerissen. Ihr Vater hatte niemanden mehr. Bei Saber waren wenigstens im Moment Fireball und der ungehobelte Kuhhirte.

Commander Eagle schien das bemerkt zu haben. Er drückte April kurz, bevor er sie in Richtung Tür davon schob. Sein kleines Mädchen sollte bei ihren Freunden sein: „Schon in Ordnung, April. Geh...“

April sah ihren Vater verblüfft an. Er hatte erkannt, wohin sie gerade mehr tendierte, damit hatte sie nicht gerechnet. Zögerlich aber doch setzte sie sich in Bewegung. Sie lächelte ihrem Vater warmherzig zu, als sie in den Flur trat. Sie versprach: „Wir sehen uns, Daddy!“

April versuchte im ganzen Stock ihre Freunde auszumachen, doch die waren schon längst weiß Gott wo. April atmete tief durch und startete einen Sprint, um zumindest Colt noch einzuholen. Sie hatte wohl zu viel Zeit vertrödelt. Hastig rief sie nach ihren Freunden: „Wartet auf mich!“
 

Fireball hatte einige Zeit gebraucht, um Saber endlich einzuholen. Der gute Säbelschwinger war selbst beim Gehen schneller als Fireball im Rennen. Der Japaner legte Saber einen Arm auf die Schulter und zwang ihn somit zum Stehen bleiben. Er stützte die zweite Hand auf den Oberschenkel und schnaubte außer Atem, dafür aber mit einem zweideutigen Lächeln: „Hey, kannst du auf den Krüppel mal warten?“

Saber blieb zwar stehen, aber dass er zu einem Gespräch aufgelegt war, hieß das noch lange nicht. Matt bat er Fireball: „Kann ich ein paar Minuten für mich haben?“

Der Schotte wollte gerade nicht reden. Er fühlte sich schlecht, seine Welt lag in Trümmern und er stand Mutterselen alleine mittendrin. Kein Job, keine Frau und das Schlimmste, keinen Sohn mehr. Saber fühlte sich, als müsste er sterben. Bei dem Gedanken daran, dass Synthia ihm Matthew für immer weg nehmen würde, setzte sich ihm ein dicker Kloß in den Hals. Es war Saber alles zu viel geworden. Colts Worte hatten ihr übriges dazu beigetragen.

„Du solltest grade nicht alleine sein, wenn du mich fragst.“, Fireball erhob sich aus seiner Position wieder. Besorgt hingen seine Augen an Saber. Der Schotte sah geschunden aus. Nicht körperlich, das war klar, aber seine Seele war zerrüttet. All das konnte Fireball nur aufgrund von Sabers Gesichtsausdruck sagen. Die Sorgen des Rennfahrers nahmen wieder überhand. Kurz sah Fireball sich um, auf dem Gang im Erdgeschoss war es verwunderlich ruhig. Nur hie und da kam ein Mitarbeiter des Oberkommandos hier vorbei. So bald würde hier niemand etwas hören, das nicht für seine Ohren bestimmt gewesen war, deshalb fuhr Fireball mit einem ängstlichen Tonfall fort: „Was ist los, Saber?“

Der Schotte wankte einen Schritt zurück. Überrascht, weil dieser Umschwung von Fireball nicht nachvollziehbar war, runzelte Saber die Stirn. Fireball konnte in Windeseile von einem Gemütszustand zum anderen schwanken, als ob er einfach einen Schalter umlegte. Das faszinierte Saber, gleichzeitig jedoch bescherte es ihm ein unbehagliches Gefühl. Diesen Schalter gab es wahrscheinlich schon ewig. Deswegen hatte man Fireball niemals angesehen, dass er sich mit Commander Eagle gestritten hatte. Saber schluckte, wenn er daran dachte. Auch das war keine Ausrede, weshalb er nie etwas bemerkt hatte. Saber schüttelte schließlich ausweichend den Kopf: „Nichts.“

Sabers Augen waren in diesem Augenblick noch trauriger geworden. Alle Alarmsirenen schrillten in Fireballs Kopf. Das war definitiv kein gutes Zeichen. Der Hitzkopf zog Saber etwas zum Ausgang hin, weg von den Bürotüren. Er versuchte, Saber zu helfen. Allerdings war das nicht gerade einfach, wenn man nicht wusste, was den Schotten eigentlich bedrückte. Deshalb deutete Fireball auf Sabers Gesicht und zerschlug dessen Hoffnungen, ihn in Ruhe zu lassen, vorläufig: „Würdest du mir das abkaufen, wenn ich dir sagen würde, es ist nichts und so aus der Wäsche schau, wie du?“ Sabers Reaktion bestätigte Fireball in seiner Vermutung. Etwas bedrückte seinen Kumpel und da der Gemütszustand seit der Verhandlung stetig in diese Richtung gegangen war, nahm Fireball an, dass Saber immense Probleme mit der vorläufigen Suspendierung hatte. Er klopfte seinem Freund auf die Schulter und schenkte ihm einen verständnisvollen Blick: „Eine Suspendierung ist kein Weltuntergang, Boss.“

Saber lehnte sich abgekämpft gegen die Wand. An Fireball kam er gerade nicht vorbei, das war ihm klar. Der Hitzkopf war ein äußerst aufmerksamer Freund, das war Saber nie so sehr aufgefallen, wie nun, da er einen brauchte. April hatte da ein Goldstück an Land gezogen. Ehrlich gestand Saber deswegen: „Die allein nicht.“

Fireball blieb vor Saber stehen und beobachtete die resignierende Haltung von Saber. Das passte absolut nicht zum Highlander, wie Fireball fand. Er dachte an Colts Ausbruch, der war der Auslöser für Sabers gedrückte Stimmung gewesen: „Nimm dir Colts dumme Worte nicht so zu Herzen. Der Vollkoffer ist doch der erste, der wieder auf der Matte steht, wenn’s darum geht, das Neue Grenzland zu retten.“

Der Schotte konnte nur hilflos mit den Schultern zucken. Er hoffte, dass Fireball in der Hinsicht zumindest Recht behielt. Deshalb murmelte er niedergeschlagen: „Das hoff ich doch.“

Es wurde von Minute zu Minute schlimmer, wie Fireball verzagt feststellte. Egal, was er sagte, es schien den Schotten nur noch mehr nach unten zu ziehen. Fireball zog die Augenbrauen zusammen, seine Augen verengten sich ein wenig und funkelten dadurch noch mehr als sonst. Er dachte nach, fand aber keine passenden Worte. Wie sollte er Saber denn nur erklären, dass sie alle zu ihm hielten, wenn der Viehtreiber gerade das Gegenteil hinaus posaunt hatte? Unbeholfen wälzte Fireball kurzerhand die Schuld auf Colt: „Du kennst ihn doch... Redet immer, bevor er denkt.“

„Ja. Und wie es sich für einen Scharfschützen gehört, landet er dabei auch saubere Treffer.“, Saber kam nicht umhin, das noch einmal durchklingen zu lassen. Colt hatte nicht nachgedacht, das war er von seinem Scharfschützen auch nicht anders gewöhnt. Was Saber allerdings daran deprimierte, war die Art und Weise, wie es Colt gesagt hatte. Er war laut gewesen, ungehobelt und stur. Aber vor allem hatte er die Wahrheit gesagt. Saber biss sich auf die Unterlippe, bevor diese zu zittern beginnen konnte. Er sollte bei seiner Familie zuhause sein und sich nicht für etwas opfern, das im Neuen Grenzland keinen Wert mehr hatte. Aber bei welcher Familie sollte Saber sein? Er war gerade im Begriff alles zu verlieren, wahrscheinlich hatte er bereits alles verloren. Saber senkte den Kopf und schloss die Augen. Fireball sollte nicht sehen, dass dem ansonsten kühlen Schotten die Tränen in den Augen standen.

Fireball sah einem Mitarbeiter argwöhnisch nach, als dieser gerade an ihnen vorbeigegangen war und sie gemustert hatte. Die gingen hier ihrem eintönigen Leben nach und wussten es absolut nicht zu schätzen, was Saber und seine Freunde für die ruhige Kugel, die die meisten hier schieben konnten, geleistet hatten. Das schürte den Unmut in Fireball. Allerdings hatte das noch Zeit. Zuerst war ihm nämlich nur eines wichtig. Saber wieder auf die Beine zu helfen. Sabers Anblick bescherte Fireball unheimliche Angst. Diesen Anblick kannte er. Sein Spiegelbild hatte selbst lange genug so ausgesehen, wie Saber es im Moment tat. Und deshalb setzte Fireball nun alles daran, dem Schotten zu helfen. Er legte ihm den Arm um die Schultern und lächelte ihm aufmunternd zu: „Er hat's nicht so gemeint. Du bist ein guter Vater, Schwertschwinger.“

Hoffnungslos schüttelte der Schotte darauf hin den Kopf. Der Brief, den er heute Morgen bekommen hatte, erzählte da eine ganz andere Geschichte. Wieso nur um alles in der Welt griff sie zu einem solchen Mittel? Saber wusste, worauf diese Hiobsbotschaft hinauslaufen würde. Synthia hatte es getan, ohne vorher noch einmal mit ihm zu sprechen, ohne zu versuchen, sich mit ihm aus zu söhnen. In diesem Kampf würde Saber untergehen, ohne jemals das Licht gesehen zu haben, das war ihm vollkommen klar. Er sah Fireball kurz an, senkte jedoch sofort wieder den Blick. Welchen Zweck hatte es, ihn nicht einzuweihen? Es war an der Zeit, sich helfen zu lassen. Immerhin, und so schlau war Saber, wusste er, dass seine Freunde ihn nicht im Stich lassen würden, wenn er sie brauchte: „Ich werd nur nicht allzu viele Möglichkeiten haben, das auch zu beweisen.“

Alarmiert stutzte Fireball bei diesen Worten. Colt hatte unentwegt davon gesprochen, dass er seinen Kindern ein guter Vater sein wollte und Saber hatte das tief getroffen. Wie sich jetzt herausstellte, konnte Saber seinem Sohn kein guter Vater mehr sein. Das konnte nichts mit dem Ausschuss zu tun haben, so helle war der Rennfahrer. Vorsichtig fragte er nach: „Weshalb?“

Saber brummte bedrückt: „Synthia hat die Scheidung eingereicht. Im Moment bereitet sie einen Umzug vor.“

Betroffen nickte Fireball. Nun war ihm alles klar. Für den Schotten schwamm gerade alles den Bach hinab, das jemals wertvoll für ihn gewesen war. Noch ehe er darauf etwas erwidern konnte, stolperten April und Colt auf sie zu.

Saber neigte den Kopf lediglich zum Ausgang und lotste seine Freunde aus dem Gebäude hinaus. Ihm war nicht mehr danach zumute, länger als nötig im Oberkommando zu bleiben. Saber war nicht über die Urteile enttäuscht, nur über die Art und Weise, wie der Ausschuss sie vier hingestellt hatte und was die drei Vorsitzenden damit letztendlich angerichtet hatten. Ihre beste Einheit hatte sich in Nichts aufgelöst, innerhalb weniger Minuten. Das hatte Commander Eagle nicht geschafft, egal, wie sehr es auch versucht hatte, und auch Jesse Blue hatte sich an dieser Nuss mehr als einmal die Zähne ausgebissen. Aber drei Vertreter der Dienstaufsichtsbehörde hatten ein Team gesprengt, das ihnen allen einen guten Dienst erbracht hatte. Saber sah sich an einem Punkt, an dem er den Glauben an das Gute ablegte. Zumindest den Glauben an das Gute in fremden Menschen. Er drehte dem Gebäudekomplex den Rücken zu und schwor sich, weiterhin im Dienst der guten Sache für das Oberkommando zu arbeiten. Vielleicht nicht mehr als kommandierender Offizier und ganz sicher nicht mehr an Board von Ramrod, aber es gab genügend andere Abteilungen, die dringend gutes Personal benötigten.

Colt brachte seine Freunde ohne zu fragen zu sich nachhause. Er wollte unbedingt zu Robin und außerdem hatte er das dumpfe Gefühl, dass er den Recken nicht alleine lassen konnte. Während der Fahrt hatten sie sich alle angeschwiegen, was sein schlechtes Gewissen überhaupt nicht erleichterte. Der Cowboy hatte seine Kündigung verdammt ernst gemeint, er würde diese in den nächsten Tagen schriftlich nachreichen. Und zwar, trotzig wie er war, zuerst an Saber und dann an Commander Eagle. Sie waren seine Vorgesetzten, niemand anderer und unter ihnen würde er seinen Beruf auch an den Nagel hängen. So stur war Colt alle mal. Er wusste, dass es ihm nicht leicht fallen würde, aber er wusste auch, dass er mit niemand anderen auf Ramrod zusammen arbeiten wollte. April, Saber und Fireball würde er jederzeit sein Leben anvertrauen, aber ein Fremder würde sich dieses Recht niemals bei ihm verdienen können, egal wie gut er wirklich war.

Der kleine Rennfahrer telefonierte auf der Ranch kurz nach Laura, sie sollte nach der Arbeit zu Colt hinaus kommen, sie wären alle dort. Als endlich alle um den großen runden Tisch versammelt saßen und ein voll gefülltes Glas vor sich stehen hatten, wurden sie wieder gesprächiger. Sie alle hatten die Urteile erst mal sacken lassen müssen und ihre Entscheidungen noch einmal überdenken müssen. Robin steckte sich zu ihrem Mann, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und nickte zustimmend, als er ihr seine Entscheidung mitteilte. Sie würde zu ihm halten, so oder so.

Auch April suchte Fireballs Nähe, doch dieser schob sie immer wieder dezent von sich. Er hatte die schmerzerfüllten Blicke von Saber aufgefangen und kannte die üblen Nachrichten. April und er konnten zuhause auch noch kuscheln und sich nahe sein, da mussten sie Saber nicht dauernd vor Augen halten, was er nicht mehr hatte.
 

Bereits am nächsten Morgen legten Colt seine Kündigung und April ihr Versetzungsgesuch auf Commander Eagles Schreibtisch. Charles nickte und bestärkte die beiden in ihrem Tun: „Ich kann euch verstehen.“

Colt zuckte unbeeindruckt die Achseln, er brauchte den Zuspruch nicht. Er stand mit dem Commander ein wenig auf Kriegsfuß, seit das Theater mit Fireball und dem Tod seiner Mutter vorgefallen war. Colt hatte niemals zuvor erlebt, wie entsetzlich schief ein Leben gehen konnte, nur wegen ein paar kleiner Worte. Der Kuhhirte hatte sich zwar immer wieder vor Augen gehalten, dass auch Aprils Vater nur ein Mensch war und dass er vor guten zwanzig Jahren verletzt gewesen sein musste, aber er verstand den Groll und den Unmut nicht, den der Commander deshalb auf Fireball projiziert hatte. Ein Kind konnte nichts dafür. Ein Kind konnte niemals etwas dafür, wenn es zwischen Erwachsenen nicht funktionierte. Er grummelte deswegen: „Die Erkenntnis kommt reichlich spät, Chef.“

April stieß Colt den Ellbogen in die Rippen und zog verärgert die Augen zusammen. Sie fauchte ihren Kumpel an: „Die Erkenntnis hat uns alle reichlich spät getroffen, findest du nicht?!“

Charles stand auf und beschwichtigte seine Tochter. Er nahm April in den Arm und nickte Colt zu. Er war dem ehemaligen Scharfschützen nicht böse, absolut nicht. Es war Colts gutes Recht, seine Meinung zu sagen. Allerdings korrigierte er Colt: „Nicht Chef, Colt. Einfach Charles. Ab heute sind wir per du.“

Es war vorbei. Das Abenteuer Ramrod hatte sich für alle erledigt. Jedem tat es weh, auf seine Weise. Auch Commander Eagle, immerhin war er der Initiator des Projektes gewesen und hatte immer wieder die Lorbeeren für die Taten seiner Schützlinge einheimsen dürfen. Die Vorurteile, die viele anfangs einer derart jungen Besatzung gegenüber gehabt hatten, waren nach den ersten Einsätzen verschwunden. Und egal, wen man heute im Oberkommando fragte, die vier Star Sheriffs, die mit Ramrod das Neue Grenzland verteidigt hatten, kannten alle. Und alle hatten nur tiefste Bewunderung für sie übrig. Sie würden eine Lücke hier hinterlassen, eine große.
 

***
 

Aprils Versetzungsgesuch war vorerst abgelehnt worden. Sie musste die Reparaturen am neuen Friedenswächter, den Colt liebevoll auf Quietscheentchen getauft hatte, noch fertig stellen, ehe sie in die Forschungsabteilung wechseln durfte. Die Blondine arbeitete nicht mehr gerne an dem platinfarbenen Ungetüm, alleine schon, weil es sie immer wieder schmerzlich daran erinnerte, dass es kein Team Ramrod mehr gab. Aber was sie noch weniger ausstehen konnte, waren die Blicke, die von den anderen Kollegen kamen, die ihr mit der Arbeit helfen sollten. Die Gerüchteküche im Oberkommando war geschäftiger als jemals zuvor, ihr Vater war in den Ruhestand gegangen, Fireball und Colt waren nun offiziell keine Star Sheriffs mehr und dass Saber suspendiert worden war, wussten bereits alle. April bemerkte, dass sich ihre Kollegen nicht zu fragen trauten, aber ihre Blicke und Gesten waren beinahe genauso schlimm. Die Blondine zog es deshalb vor, Dienst nach Vorschrift zu machen und pünktlichst um fünf das Oberkommando hinter sich zu lassen.
 

Colt vertrieb sich die Zeit mit seiner Familie. Robin hatte es sich nach dem OK des Arztes nicht nehmen lassen, weiterhin die Kinder zu unterrichten und nachdem Colt nun definitiv zu Hause blieb, brauchte sie Jessica gegenüber auch kein schlechtes Gewissen zu haben. Der Cowboy managete den Haushalt, die Erziehung seiner Tochter und machte nun endlich das aus der Farm, was er sich beim Kauf fest vorgenommen hatte. Ohne seine Frau zu fragen, hatte sich Colt eine Hand voll Kühe und ein paar Pferde gekauft. Die Stallungen und den Platz im Freien hatten sie ja. Er kam nach geraumer Zeit auf die Idee, Reitstunden zu geben. Er verband das Angenehme einfach nur mit dem Nützlichen. Und es gab mehr als genug Städter, die ein bisschen Wildnis zum Anfassen sehen wollten. Der Cowboy kümmerte sich um die Familie und die Tiere. In dieser Rolle blühte er auf und schnell hatte er sein altes Leben hinter sich gelassen. Colt war Farmer und Reitlehrer von Beruf, kein Kopfgeldjäger und schon gar kein Star Sheriff mehr.
 

Dem Schotten fiel es schwer, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Er war alleine in seiner Wohnung, hatte nichts zu tun und den Kopf voller beißender und quälender Gedanken. Hätte er die Suspendierung mit der anschließenden Versetzung noch locker weggesteckt, so kam er mit dem Brief von Synthias Rechtsanwalt nicht klar.

Eines Morgens, nachdem sich Saber die Zähne geputzt hatte und das Gesicht gewaschen hatte, war ihm aufgefallen, dass er seinen Ehering noch am Finger stecken hatte. Gedankenverloren nahm Saber ihn ab und betrachtete ihn. Ein schlichter, goldener Ring, ohne Anfang und Ende. Ein Symbol für die Ewigkeit. Die Ewigkeit, die er mit Synthia zusammen hatte verbringen wollen. Es war nur ein Wunsch, ein frommer Gedanke gewesen. Ihre Ehe war am Ende, seit geraumer Zeit schon. Hatte Saber nach seinem Auszug noch gehofft, dass sich die Wogen wieder glätten würden und beide wieder einen Schritt aufeinander zugehen konnten, war er nun zu der nüchternen Erkenntnis gelangt, dass er seine Frau nicht wieder zurückerobern konnte. Es gab nur noch eines, was der blonde Highlander tun konnte. Unachtsam legte er den Ring auf den Waschbeckenrand und zog sich fertig an.

Wenig später stand er vor der Tür zum gemeinsamen Haus und klingelte. Saber hatte den Schlüssel bei seinem Auszug abgegeben, er hatte es als nicht angebracht empfunden, bei Synthia ein und ausgehen zu können, wie er wollte. Seine Frau öffnete die Tür. Verwundert musterte Saber Synthia von oben bis unten. Sie war nicht so adrett gekleidet, wie sonst und ihre schwarzen, langen Haare hatte sie zu einem strengen Knoten zusammen gebunden. Hinter Synthia im Flur standen aufeinander gestapelte Umzugskartons. Sie zog wirklich aus.

Erstaunt, aber unterkühlt deutete Synthia auf Saber: „Was machst du hier? Es ist weder Freitag noch darfst du Matt momentan sehen.“

Knappe, kurze Worte, versehen mit vielen versteckten Aggressionen. Das war eine Begrüßung, die sich niemand wünschte. Der Schotte zog sofort den Kopf ein, er hatte auch Schuldgefühle seiner Frau und Matthew gegenüber. Saber ging auf die offene Tür zu und brachte sofort sein Anliegen dar: „Lass uns nicht so auseinander gehen, Synthia. Lass uns darüber reden und eine Lösung finden.“

Ungeachtet dessen versperrte Synthia ihm den Weg zum Haus. Saber hatte keine Berechtigung mehr, hier her zu kommen. Er hatte seine Pflichten als Vater und als Ehemann grob vernachlässigt. Nun, nachdem sie die Scheidung eingereicht hatte, kam er auf die Idee, noch einmal darüber reden zu wollen. Das ließ Synthia nicht gelten, das wollte sie nicht gelten lassen. Sie wollte Saber gerade wieder wegschicken, als Matthew zwischen ihren Füßen durchschlüpfte und zu Saber rannte. Der Junge strahlte über das ganze Gesicht und streckte die kleinen Ärmchen nach Saber aus: „Papa!“

Saber ging sofort in die Knie und hob sein Ebenbild mit den stahlblauen Augen auf den Arm. Matthew drückte sich an Saber, warf sich ihm förmlich an den Hals. Der Junge herzte seinen Vater, weil er sich so freute, ihn wieder zu sehen. Der Schotte strich ihm über den Schopf. Er hatte Synthia in dem Moment, als Matt zu ihm gelaufen gekommen war, vollkommen vergessen. Es war für ihn ein erfüllter Moment, denn Saber hatte Matthew schmerzlich vermisst. Es war für Saber schon schwer gewesen, ihn nur an den Wochenenden sehen zu können, als Synthia ihm jeglichen Kontakt verboten hatte, war das die Hölle auf Erden für Saber gewesen.

Synthia hatte Matt noch zurückhalten wollen, doch sie war zu langsam gewesen, deshalb hatte sie nur noch beobachten können. In diesem Moment war ihr klar geworden, was sie beim Rechtsanwalt vergessen hatte. Matthew vermisste seinen Vater. Es war ein Fehler, Saber das gemeinsame Sorgerecht zu verwehren, das erkannte Synthia in diesem Augenblick. Das, was sich vor ihren Augen gerade abspielte, war das gewesen, was sich Synthia immer gewünscht hatte. Ein Vater für Matt. Der kleine Mann wusste genau, wer sein Papa war und er freute sich wie ein Schneekönig, ihn wieder zu sehen. Es war für alle Beteiligten besser, zusammen eine Lösung zu finden, als durch einen Richter.

Unvermittelt stieß Synthia die Tür ganz auf und deutete nach drinnen, ehe sie sich umdrehte: „Komm rein, Saber.“
 

Nicht mehr ganz so fremd war ihm dieses Gebäude, als er es an diesem frühen Vormittag betrat. Schon einmal war er hier gewesen, damals allerdings nicht ganz freiwillig und mit einem Anstandsdackel in Form von Seiji. Doch an diesem Tag war es anders. Fireball war aus einem völlig anderen Grund hier. Er war angerufen worden und hatte einen Termin in der Kriminalabteilung mit Captain Jefferson. Wie auch in Tokio befand sich diese Abteilung der Polizei ziemlich weit oben im Gebäude. Er fuhr mit dem Fahrstuhl in den zwanzigsten Stock und meldete sich bei der Sekretärin an. Während er auf seinen Gesprächspartner wartete, sah sich der Japaner aufmerksam um. Schmunzelnd fiel ihm auf, dass der Job an der Front von einer Frau erledigt wurde. Überall würde es nur Sekretärinnen geben, Männer würden dieses Aufgabengebiet freiwillig wohl nie übernehmen. Sein Blick glitt über das Stockwerk. Geschäftiges Treiben überall. An einem Tisch klingelte das Telefon, eine Bürotür wurde eilig ins Schloss gezogen. Ja, das Verbrechen schlief nie.

Die nette Sekretärin riss ihn aus seinen Gedanken und begleitete Fireball in ein Büro. Dort wurde er bereits erwartet. Ein Mann Mitte vierzig, um einiges größer als er, und mit aschblondem Haar empfing ihn. Der Captain, das war an seiner Uniform nicht zu übersehen, war schwer einzuschätzen. Er erinnerte Fireball an Kommandant Tomoei in Tokio, der war auch auf den ersten Blick undefinierbar gewesen.

Captain Jefferson hielt Fireball die offene Hand hin und begrüßte den merkwürdig anmutenden jungen Mann freundlich: „Guten Tag, Mister Hikari. Schön, dass Sie kommen konnten. Bitte, setzen Sie sich doch.“

Mit einem höflichen Lächeln schüttelte Fireball dem Abteilungsleiter die Hand und setzte sich auf den angebotenen Stuhl: „Sehr erfreut, Captain. Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen.“

Der Chef der Kriminalpolizei setzte sich ebenfalls wieder. Aufmerksam musterte er den jungen Mann, dessen Bewerbungsunterlagen vor ihm auf dem Tisch lagen. Captain Jefferson war gespannt, ob sich das Bild des Japaners nach einem persönlichen Gespräch klären würde. Aus der Bewerbung jedenfalls war er nicht sonderlich schlau geworden. Es fanden sich überall Widersprüche, der Lebenslauf las sich sprunghaft und für einen Mann in Fireballs Alter, mit ziemlich vielen Stellenwechseln, sehr ungewöhnlich. Unverfänglich begann der Captain schließlich das Gespräch, er wollte den jungen Herren endlich näher kennen lernen: „Wie geht es Ihnen? Sind Sie nervös, Mister Hikari?“

Dabei hatte der Captain noch einmal kurz auf den Lebenslauf gelinst, mit fremd klingenden Namen war das immer so eine Sache. Jefferson konnte sich diese auf Anhieb nicht merken und bevor er jemanden falsch ansprach, spickte er lieber ein bisschen.

Fireball lächelte zögerlich. Er konnte dem Captain schlecht erzählen, dass er bereits einmal hier in der Abteilung gewesen war und ihm die Räumlichkeiten deshalb keine Angst mehr einjagten. Da würde Jefferson bloß auf die Idee kommen und genauer nachfragen. Deshalb rückte Fireball sein weißes Hemd etwas zurecht. Das Gespräch war für Fireball unerwartet gekommen, immerhin hatte er nicht ernsthaft damit gerechnet, dass sich jemand die Bewerbung ansah, wenn sein Versetzungsgesuch von Tokio nach Yuma vor einem guten halben Jahr einfach abgelehnt worden war. Aber er wollte seine Chance nützen, die er nach so langer Zeit endlich bekam. Fireball blickte seinem Gesprächspartner in die Augen und erklärte: „Ich fühl mich ganz gut, danke. Meine Nervosität hält sich allerdings in Grenzen, Sir.“

Jefferson nickte. Der junge Mann schien tatsächlich keine beruhigenden Worte zu brauchen, deshalb konnte er gleich beginnen und versuchen auszuloten, ob der Japaner in diese Abteilung passen würde. Ohne Umschweife kam Jefferson auf den Lebenslauf zu sprechen: „Das glaub ich Ihnen gerne. Bei Ihrem – sagen wir bewegten – Berufsleben sollten Sie Situationen wie diese schon gewöhnt sein.“

Unweigerlich schmunzelte Fireball. Bewegt war untertrieben. Der Captain drückte sich sehr vorsichtig aus, daran erkannte man den Kriminalpolizisten in ihm. Der gute Mann konnte sogar aus einem Vorstellungsgespräch ein Verhör machen, wenn er nicht vorsichtig war. Fireball antwortete deswegen sehr umsichtig: „Ja, aber es ist jedes Mal ein bisschen anders. Man kann sich nie hundertprozentig darauf einstellen.“

„Naja, es sollte jedenfalls leichter fallen.“, der Captain beobachtete Fireball in jeder seiner Bewegungen. Wie sicher war sich der Japaner in dem, was er antwortete? Der etwas klein geratene Asiate lieferte allerdings sehr gute Punkte, um gleich an die Auffälligkeiten in seiner Bewerbung zu knüpfen. Somit fiel es Jefferson sehr leicht, das zu fragen, was er eigentlich wissen wollte. Er informierte den Bewerber schlicht: „Sie können sich sicher denken, dass es in diesem Berufszweig ausgesprochen wichtig ist, dass man sich schnell auf veränderte Situationen einstellen kann. Flexibilität und Ausdauer sind bei uns unabdingbar.“

Das klang doch schon sehr skeptisch vom Captain, wie Fireball verzagt feststellte. Seine Bewerbung und der Lebenslauf sagten augenscheinlich aus, dass der Japaner sprunghaft war. Der Captain hatte Fireball somit in den Mund gelegt, dass er ihn nicht unbedingt für ausdauernd hielt. Das war dann schon die erste missliche Lage für Fireball. Er wollte dem Captain jetzt nicht ins offene Messer laufen, er wollte diesen Job. Er brauchte diesen Job. Nicht etwa, weil er auf den Verdienst angewiesen war, aber weil er endlich wieder eine Aufgabe brauchte, weil er wieder mit beiden Beinen im Leben stehen wollte. Fireball durfte es sich nicht schon in den ersten fünf Minuten damit verscherzen. Deshalb nickte er nur: „Ich weiß, Sir.“

Jefferson biss sich auf die Lippen. Das war noch nicht das, wonach er den jungen Japaner also beurteilen konnte oder ihn aus der Reserve locken konnte. Er hatte die Bewerbung von Fireball vor einigen Wochen auf den Schreibtisch bekommen. Und seither hatte er sie jeden Tag angesehen, sich aber nicht entscheiden können. Einerseits sprachen die Qualifikationen und auch die Berufserfahrung, die Fireball ohne Zweifel mitbrachte, für den Polizisten aus Japan, andererseits sprachen die Beurteilungen aus dem Oberkommando und der Lebenslauf an sich gegen ihn. Jefferson hatte sich kein Bild von ihm machen können. Er war nicht dazu im Stande gewesen, die Bewerbung einfach abzulehnen. Deswegen hatte er Fireball zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Und nun saß der junge Hüpfer, der Fireball ohne jeden Zweifel noch immer war, vor ihm und stellte den Captain vor eine große Herausforderung. Dieses Mal warf er einen sehr offensichtlichen Blick in die Bewerbungsunterlagen, zog den Lebenslauf heraus und erklärte dem Bewerber: „Sie haben einen sehr seltsam anmutenden beruflichen Werdegang, Mister Hikari. Polizei, Formel 1, Kavallerie Oberkommando. Dann sind Sie wieder in die Formel 1 gegangen. Zurück zur Polizei und dem Oberkommando. Sehr lange haben Sie es nicht in einem Bereich ausgehalten und trotzdem kehren Sie mit einer gewissen Treue immer wieder zu diesen Bereichen zurück. Erklären Sie mir, warum, Mister Hikari.“

Ein bisschen überfahren straffte Fireball seine Haltung. Tatsächlich musste er nun weiter ausholen. Vieles, gerade aber private Dinge, tauchten in einem Lebenslauf nicht auf, auch in Fireballs nicht. Und deswegen sah sein beruflicher Werdegang holprig, sprunghaft und alles andere als ausdauernd aus. Er hätte dem Captain jetzt flapsig antworten können, dass es immer wieder Schicksal gewesen war, aber das wäre dann schon das unerfreuliche Ende seiner Bewerbung gewesen. Deshalb versuchte Fireball zumindest ein etwas umfangreicheres Bild daraus zu machen, als es sein Lebenslauf tat. Aufrichtig startete er, nachdem er die Hände auf dem Schoß gefaltet hatte: „Wie Sie wissen, habe ich die Polizeiakademie in Kobe besucht und danach den Dienst in Tokio angetreten. Ich war sehr gerne dort, konnte mich mit den Aufgaben sehr gut identifizieren und habe mich mit meinen Kollegen gut verstanden. Allerdings war ich noch sehr jung damals, aus heutiger Sicht würde ich sogar behaupten, dass ich mit sechzehn einfach noch zu jung war. Nachdem mein direkter Vorgesetzter bei einem Fall umgekommen ist, hab ich mich nicht mehr in der Lage gesehen, weiterhin dort zu arbeiten. In die Formel 1 bin ich über meinen Beruf als Polizist gekommen. Für die Arbeit in der Verkehrsabteilung brauchte ich eine Rennlizenz, die ich bei diesem Rennstall gemacht habe. Ich hatte nach dem Tod meines Vorgesetzten dort die Chance, wieder ins Berufsleben einzusteigen. Ins Kavallerie Oberkommando bin ich eher zufällig gekommen. Ich hab fürs Oberkommando während der Outriderkriege mehr als zwei Jahre lang Spezialeinsätze geflogen. Danach hat es keinen Platz mehr für mich gegeben, obwohl ich gerne geblieben wäre und die Ausbildung zum Piloten nachholen wollte. Also bin ich wieder in die Formel 1 eingestiegen. Nach einem Unfall war damit aber dann Schluss. Die Gesundheit hat weder den Beruf als Rennfahrer zugelassen, noch war ich im Oberkommando für einen Beruf ausgebildet.“

Aufmerksam hatte Captain Jefferson zugehört. Ein Punkt war ihm jedoch gleich aufgefallen und der war ihm nun ein großes Anliegen. Da Fireball nicht erwähnt hatte, dass er seinen direkten Vorgesetzten zuvor vierzehn Jahre jeden Tag gesehen hatte und der ihn aufgezogen hatte, stellte sich für Jefferson eine andere Frage. Vielleicht war der Japaner zu sensibel für diesen Beruf. Und das wollte er genauer wissen: „Ihnen sollte bewusst sein, dass Sie, ob nun bei den Kollegen vom Oberkommando oder bei uns, jeder Zeit einen Kollegen oder Kameraden verlieren können. Sind Sie sicher, dass Sie nun damit umgehen können? Vielleicht müssen Sie diese Nachricht dann auch an seine Angehörigen überbringen.“

Es waren ehrliche Bedenken des Captain. Immer wieder kam es vor, dass ein Polizist angeschossen wurde, und im Kampf gegen das Verbrechen sein Leben ließ. Er befürchtete gerade, dass Fireball diesem Umstand nicht gewachsen sein könnte. Immerhin war der Tod eines Kollegen offenbar der Auslöser für eine Kündigung gewesen. Würde er auch in Yuma damit nicht umgehen können, war Polizist eindeutig der falsche Beruf für den Japaner.

Die Ehrlichkeit ritt Fireball noch tiefer in die kleine Misere des Bewerbungsgespräches. Aber zumindest dafür hatte er eine sehr gute Erklärung. Nur schien die sein Gegenüber nicht mitbekommen zu haben. Fireball biss sich kurz auf die Unterlippe, ehe er das Thema doch etwas mehr ausleuchten musste, als er gewollt hatte. Unterbewusst gab er sich nach wie vor die Schuld an Harutos grausamen Ende: „Das habe ich im Laufe der Jahre gelernt, Sir. Wie gesagt, damals war ich noch zu jung. Ich glaube nicht, dass man von einem sechzehnjährigen verlangen kann, sofort damit umgehen zu können. In diesem Alter fehlt einem leider noch die innere Stärke, um den Verlust eines Kollegen leichter verschmerzen zu können.“

Der Blick von Captain Jefferson senkte sich noch einmal auf den Lebenslauf hinab. Er rechnete schnell zurück und überprüfte die Antwort des Japaners so. Ja, er war tatsächlich erst sechzehn gewesen. Für einen Polizisten verdammt jung. In Yuma gab es ein Mindestalter für den Eintritt, das schien in Tokio nicht der Fall zu sein. Der aschblonde Mann nickte verständnisvoll: „Nein, das kann man tatsächlich nicht von einem Jugendlichen erwarten.“, Jefferson stand auf und befreite sich von seiner Uniformjacke. Seine Augen gingen aus dem Fenster, eine kurze Ablenkung tat gut, um die Gedanken zu sortieren. Er hatte einen interessanten Gesprächspartner vor sich, allerdings auch einen hochgradig komplizierten. Jefferson setzte sich wieder und musterte mit aufmerksamen Augen sein Gegenüber, als er die einzelnen Beurteilungen und Dienstzeugnisse hervor holte: „Den Zeugnissen Ihres Vorgesetzten entnehme ich, dass Sie mit sehr viel Überzeugung und Einsatz im Dienst waren, für Ihr Alter sehr erwachsen gehandelt haben. Man hat Ihnen viel zu getraut. Das spricht für Sie. Allerdings scheinen Sie auch ein Freund des Risikos gewesen zu sein. Selbiges geht aus Ihrer Beurteilung beim Oberkommando sehr eindeutig hervor. Und der Rennfahrerberuf unterstreicht diese Aussage zusätzlich.“

Fireball hätte nie gedacht, dass ihm ein Argument von Captain Jefferson mal in die Hände spielen könnte. Aber tatsächlich tat er das gerade. Mit einer guten Portion Selbstsicherheit konnte er widerlegen, was seine Akte vom Oberkommando ausspuckte: „Risikoreich sind alle diese Berufe, Sir. Egal, ob wir vom Oberkommando sprechen, oder von der Polizei. Im Gegensatz zum Rennsport ist da sogar sehr viel nicht kalkulierbares Risiko dabei. Ein Rennfahrer weiß in der Regel wesentlich besser, was auf ihn zukommt, als ein Polizist oder ein Star Sheriff.“

„Da muss ich Ihnen zustimmen, zumindest teilweise.“, Fireball hatte sich gut hinausmanövriert, aber nicht gut genug. Immerhin lagen da zwei Dienstzeugnisse vom Oberkommando, die beide den selben Zeitraum betrafen und unterschiedlicher nicht sein konnten. Jefferson war gespannt, wie er das nun zu verstehen hatte: „Doch heißt es in der ersten Beurteilung, dass Sie das Risiko regelrecht gesucht haben und ihre Kameraden damit gefährdet haben. In der zweiten ist davon nichts mehr zu finden. Wieso habe ich eigentlich zwei Zeugnisse, Mister Hikari?“

Fireball war baff. Er hatte nur sein schlechtes Dienstzeugnis beigelegt. Wo war das zweite Dienstzeugnis vom Oberkommando hergekommen? Er hatte gedacht, das wäre nur intern geändert worden, nachdem der Ausschuss das so entschieden hatte. Er hatte mit Allan kurz nach der Ausschusssitzung noch eine Unterhaltung diesbezüglich geführt. Im Oberkommando war man der Ansicht gewesen, Fireball für die Untaten von Commander Eagle zu entschädigen, mit der Bedingung, nichts nach außen dringen zu lassen. Der Rennfahrer hatte das kurzerhand in Schweigegeld umtituliert und mit Allan einen Deal ausgehandelt. Es war ihm egal, wie viel sie zahlten, er hatte nur den Wunsch gehabt, aus seiner damaligen unehrenhaften Entlassung eine einvernehmliche Lösung zu machen und das Dienstzeugnis diesbezüglich auszubessern. Allan hatte zwar zugestimmt, doch wirklich daran geglaubt hatte Fireball nicht. Und nun saß er vor Captain Jefferson und hörte, dass er zwei unterschiedliche Dienstzeugnisse in Händen hatte. Hatten die vom Oberkommando also eine neue Ausfertigung ausgeschickt? Verblüfft murmelte Fireball: „Sie haben zwei Dienstzeugnisse vom Oberkommando aufliegen? Von meinem ersten Aufenthalt dort?“, als der Captain auch noch bestätigend nickte, seufzte Fireball merklich und sank zusammen. Das würde er erklären müssen, wollte er den Posten immer noch haben. Irgendwie, so grummelte Fireball gedanklich, wär es wesentlich einfacher gewesen, eine schlechte Beurteilung zu erklären, als zwei zu ein und demselben Zeitraum. Also gestand er: „Mein Vorgesetzter war nicht immer objektiv in seiner Beurteilung, Sir.“

„Tja, diese Zeugnisse sind recht unterschiedlich.“, Jefferson legte die beiden Beurteilungen nebeneinander auf und betrachtete sie noch einmal eingehend. Eine lag im Original vor, die andere war direkt vom Kavallerie Oberkommando gefaxt worden. Und beide trugen das selbe Datum und die selbe Unterschrift. Jefferson war ein Kriminalbeamter, für ihn stank die ganze Sache zum Himmel. Entweder war an der ersten Beurteilung wirklich was faul gewesen, oder aber da wollte eine Akte aufpoliert werden. Der Captain vermutete: „Es ist kaum zu glauben, dass sie von der gleichen Person geschrieben wurden und daher auch nicht einfach für mich zu beurteilen, welche von beiden nun die objektive ist. Aber offensichtlich ist, dass Sie und Ihr Vorgesetzter Probleme miteinander hatten. Der beste Beweis sind die beiden Zeugnisse. Sagen Sie mir, welcher Art die Probleme waren?“

Es gab eine Reihe von Möglichkeiten, weshalb der ehemalige Star Sheriff mit seinem Vorgesetzten nicht ausgekommen war. Die meisten davon lagen im Bereich des Rennfahrers, die von ungebührlichem Verhalten bis hin zu totaler Respektlosigkeit reichen konnten. In der Hinsicht war der Captain ein bisschen ratlos, aber sicher nicht einfallslos. Er war gespannt, welche Antwort diese Frage brachte.

Dass ihm die Frage aber auch nie erspart blieb. Fireball schloss die Augen und biss sich abermals auf die Lippen. Unüberlegte Antwort durfte er jetzt keine geben, das war nicht der Untersuchungsausschuss des Oberkommandos. Fireball blinzelte zu Boden und entschied sich, so diplomatisch, wie er nur konnte, zu antworten: „Die Probleme waren sehr privater Natur, Sir. Das möchte ich - ehrlich gesagt - nicht ausbreiten.“, das war nicht sehr aufschlussreich, wie Fireball selbst bemerkte. Deshalb hängte er noch eine kurze Info hinten an: „Aber ich war wohl nicht so, wie mein Vater, der ebenfalls mit Commander Eagle, meinem Vorgesetzten, zusammengearbeitet hat.“

Die Auskunft hatte dem Captain trotzdem gefallen. Er nickte, ließ es somit dabei bewenden und konnte sich sicher sein, dass zumindest die Beurteilung eines anderen Mitglieds des Oberkommandos nicht nachgebessert werden musste und somit wesentlich objektiver war. Jefferson zog noch ein Schreiben aus den Unterlagen und sprang auf den nächsten Punkt auf seiner schier endlosen Liste an Fragen: „Mit Ihrem direkten Vorgesetzten Offizier Rider hatten Sie offensichtlich keine Probleme. Er erwähnt nur Gutes.“

Ein spitzbübisches Lächeln umspielte plötzlich Fireballs Lippen. Ob er wohl so frech sein konnte, und einen kleinen Scherz machen konnte? Er bestätigte dem Captain nicht mehr ganz so ernst: „Mit Offizier Rider hatte ich überhaupt keine Probleme. Der kannte meine Eltern nicht, wissen Sie?“

Noch hielt sich der Japaner gut, wie Captain Jefferson feststellte. Bis auf eine kleine Unsicherheit hatte er Fireball noch nicht dran gekriegt. Er war gespannt, wie er auf den nächsten Punkt reagierte. Der war nämlich nicht so angenehm. Jefferson nickte leicht lächelnd, ein Scherz zwischendurch war immer drin: „Verstehe.“, sein Lächeln verschwand jedoch schnell wieder. Es gab wie gesagt einige Fähigkeiten, die für den Dienst in der Öffentlichkeit unabdingbar waren: „Für uns hier ist Disziplin auch ein sehr wichtiger Punkt. Absolut erforderlich um seinen Job gut zu machen. Leider geht aus Ihrer Akte hervor, dass Sie, zusammen mit Offizier Rider, vor kurzem vor dem Disziplinarausschuss standen. Dass dies weder ein gutes Licht auf dessen Beurteilung, noch auf Sie selbst wirft, ist ihnen klar.“

„Glasklar.“, Fireball nickte. Der dämliche Ausschuss hing ihnen nun schon lange genug nach, in jeden erdenklichen Lebensbereich. Auch, wenn Fireball gehofft hatte, dass der hier nicht zur Sprache kam, so war er wenig erstaunt darüber, dass er doch angesprochen wurde. Die Polizei brauchte Mitarbeiter, die sich an die Vorlagen hielten und ihren Job gewissenhaft erledigten. Wie aber sollte er dem Captain so beweisen, dass er diese Vorraussetzungen sehr wohl mitbrachte? Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Wahrheit: „Team Ramrod hat den Vorschriften zuwider gehandelt, in einer Lage, in der man nicht lange nachdenken kann oder sich an die Vorschriften halten kann. Kurzer Rede, langer Sinn, Sir. Ich habe, obwohl ich aus ärztlicher Sicht nicht hätte dürfen, an einer Mission teilgenommen. Das war der Grund für diesen Ausschuss.“

Dem Captain wäre beinahe der Kuli zwischen den Fingern hindurch gefallen, als er Fireballs Stimme vernommen hatte. Mit einer Selbstverständlichkeit gab der junge Mann darüber Auskunft, dass Jefferson auch noch mit dem Verlust der Sprache zu kämpfen hatte. Völlig erstaunt und verständnislos ließ er sich zu dem Thema vernehmen: „Das ist schlichtweg unverantwortlich.“

„Das war schlichtweg notwendig, um das Neue Grenzland zu verteidigen, Sir.“, Fireball wusste selbst, dass es unverantwortlich gewesen war, aber so stur war er allemal noch. Die Antwort war wie aus der Pistole geschossen gekommen und war mit ordentlich Bestimmtheit in der Stimme versehen gewesen. Sofort verzog Fireball das Gesicht. Das war vielleicht taktisch unklug gewesen. Er fuhr den Captain schon beim Bewerbungsgespräch an, ob ihm das die Chance auf eine Karriere bei der Polizei von Yuma nahm?

Überrascht hob Jefferson die Augenbraue. Hörte er da schon Widerspruch von einem potentiellen Mitarbeiter? Der Captain war die Kaltschnäuzigkeit beim ersten Gespräch gar nicht gewöhnt, aber es imponierte ihm mehr, als es ihm vor dem Kopf stieß. Das Argument des Japaners war simpel, aber auch einleuchtend gewesen, deswegen war der sofortige Widerspruch wohl auch angemessen. Jefferson entschied sich dafür, den offensichtlichen Sturkopf etwas zu reizen und auszuloten. Dass er Biss hatte, hatte der Captain mittlerweile bemerkt, aber wie war es mit der Disziplin wirklich bestellt: „Mir scheint doch, Sie haben ein Problem mit Autorität.“

Auch damit hatte Fireball gerechnet. Schließlich war der Punkt mehr als nur einmal im Oberkommando gefallen. Und dass auch der Captain der Kriminalabteilung zwangsläufig wissen wollte, wie weit es wirklich mit dem Respekt von Fireball her war, war dessen gutes Recht. Fireball lehnte sich zurück und erläuterte: „Im gewissen Maße trifft das zu, Sir. Autorität ist schön und gut, aber manche Entscheidungen sollte man doch hinterfragen und gegebenenfalls genug Courage haben, um die Entscheidungen auch anzuzweifeln.“

Für ihn war es immer selbstverständlich gewesen, auch seinen eigenen Kopf zu benützen, ansonsten hätte er den vollkommen unnötig zwischen den Schultern sitzen gehabt. Haruto und auch seine Mutter hatten ihm diese Denkweise beigebracht, was in Japan nicht immer positiv angenommen wurde. Aber, und das stand für Fireball fest, für das Wohl aller konnte nicht nur einer denken, dafür brauchte es alle.

Noch ein Stückchen weiter nach oben wanderte Jeffersons Augenbraue. Mit einer solch aufrichtigen Antwort hatte er nicht gerechnet. Da hatte er definitiv keinen Schleimer und Kuscher vor sich sitzen. Imponierte ihm irgendwie, aber es stellte auch eine gewisse Gefahr dar. Gefahr zu Auseinandersetzungen, die man sich sparen könnte, denn der Japaner konnte genauso gut ein ständiger Querulant sein und das ganze Gefüge durcheinander bringen. Und er konnte, so wie es die erste Beurteilung von Commander Eagle sagte, keinen Respekt vor Autorität haben. Dies galt es nun genauer herauszufinden: „Manchmal mag ein Befehl genau dazu reizen, ist eine Diskussion aber unangebracht, sondern erfordert dessen Einhaltung einfach nur Vertrauen. Wissen Sie, wovon ich rede?“

„Ja.“, Fireball nickte. Er verstand die Denkweise des Captains. Jede Hierarchie würde augenblicklich in sich zusammenbrechen, wenn jeder so offen seine Meinung Kund tat, wie er selbst. Er musste seine Absichten und seine Denkweise in das richtige Licht rücken. Offenbar hatte der Captain ihn da ein bisschen falsch verstanden: „Aber blindes Vertrauen kann Leben gefährden. Ich gebe zu, es klingt, als hätte ich wirklich ein Problem mit Vorgesetzten, Sir. Aber man kann nicht immer alle Befehle befolgen, vor allem dann nicht, wenn es um unzählige Menschenleben geht. Ich kann sehr wohl abschätzen, wann ich eine Entscheidung meines Vorgesetzten hinterfragen muss.“

Jefferson seufzte unterdrückt. Der Bewerber war eine wirklich schwere Aufgabe. Aber es hatte sich gelohnt, ihn zu einem Gespräch einzuladen. Entscheidung konnte er jedoch immer noch keine treffen. Das alles war einfach in sich zu widersprüchlich. Der Captain stützte die Ellbogen auf die Tischplatte, legte das Kinn in seine Hände und musterte den jungen Mann vor sich noch einmal eingehend. Es war so schwer, ihn richtig einzuschätzen, ihn richtig zu beurteilen. Er seufzte wieder: „Es ist sehr schwer, einen vernünftigen Eindruck von Ihnen zu gewinnen. Sie werden in den Himmel gelobt und gleichzeitig in die Hölle verflucht.“

Während Fireball nur leicht nicken konnte und überlegte, ob er nicht doch auch ein Dienstzeugnis von Scott hätte anfordern sollen, schlug der Captain die Bewerbungsmappe noch einmal auf. Er blätterte sie aufmerksam durch, um irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, wie er den Fall gewichten und werten sollte. Jefferson wusste nicht, ob ihm mit Fireball ein guter Polizist durch die Lappen ging, wenn er ihn einfach wieder fortschickte, oder ob er sich einen Zerstörer einhandelte, wenn er ihn einstellte. Beim Durchblättern stellte er plötzlich hoch interessiert fest: „Ihnen fehlt noch der Abschluss zum Kriminalpolizisten?“

Ein kurzes „Ja.“ war die Antwort. Fireball hatte die Prüfung ja tatsächlich nicht abgelegt.

Schmunzelnd hob Jefferson wieder den Blick zu seinem Bewerber. Etwas frech hakte er nach: „Warum? Prüfungsangst?“

Verzagt verzog Fireball daraufhin das Gesicht. Wenn er jetzt die falsche Antwort gab, konnte er dem Captain die Hand reichen und sich für die Zeit bedanken, die er ihm geopfert hatte. Einsilbig gestand er schließlich: „Nein, Oberkommando, Sir.“

„Ah ja, die Mission, an der Sie eigentlich gar nicht hätten teilnehmen dürfen.“, wieder seufzte der Captain. Das Leben des Japaners war verworren, da musste man höllisch aufpassen, was wann passiert war. Die Kurse hatte der ehemalige Polizist vor einem guten dreiviertel Jahr absolviert, zur Prüfung war er nie angetreten.

Fireball nickte zögerlich und gab genauere Auskunft: „Die erste Mission, Sir.“, die Erinnerung daran war unangenehm. Fireball hatte mit der Arbeit auf Ramrod die Chance vertan, in der Polizei für immer einen Fuß in der Tür zu haben. Hätte er die Prüfung abgelegt, wäre das Bewerbungsgespräch hier nun kein solcher Drahtseilakt für ihn, das war ihm klar: „Der Prüfungstermin hat sich nicht mehr verschieben lassen. Die werden, wie bei Ihnen sicherlich auch, vom Ministerium nur einmal im Jahr abgehalten.“

Bestätigend nickte Jefferson: „Ja, stimmt. Der nächste Termin ist in einem halben Jahr.“, wieder musterte er Fireball eingehend. Endlich kam der Captain auf des Rätsels Lösung. Probezeit war bei der Polizei ohnehin üblich und er konnte nun zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und sehen, ob er da jemanden vor sich sitzen hatte, der Gold wert war. Er offenbarte Fireball seinen Geistesblitz: „Folgender Vorschlag. Sie gehen in die Kurse. Beweisen Sie mir, was Sie drauf haben. Da es eine Wiederholung für Sie ist, sollte ein sehr guter Abschluss kein Problem sein.“

Fireball konnte sich mit Müh und Not auf dem Stuhl halten. Zu euphorisch durfte er jetzt nicht werden, auch wenn das in seinen Ohren gerade nach einer fixen Zusage geklungen hatte. Verblüfft hakte er nach: „Wann soll’s losgehen?“

Die Reaktion hatte Jefferson gerade eines verraten. Die Motivation war dem Rennfahrer gewiss. Er grinste zufrieden: „In drei Wochen.“

So viel Glück war für Fireball nicht zu fassen. Er konnte es nicht glauben. Der kleine Japaner wusste, was die Ausbildung zum Kriminalpolizisten kostete, denn Kommandant Tomoei hatte diesbezüglich immer sehr offen mit seinen Mitarbeitern gesprochen. Obwohl er sich grade krumm und dämlich hätte freuen können, einen Job zu bekommen, so recht wollte er nicht an sein Glück glauben. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sein neuer Vorgesetzter wusste, wie viel Geld er in etwas steckte, das in den Sternen für ihn stehen musste. Vorsichtig fragte er: „Ist Ihnen klar, welches Risiko Sie damit eingehen, Sir? Diese Kurse sind schweineteuer, das weiß ich.“

Der Captain zerstreute die Bedenken des Japaners. So viel Selbstvertrauen hatte der Bewerber wohl doch nicht. Aber gegen einen Fehlschlag schützte sich Jefferson: „Risiko ist bekanntlich immer dabei. Ich könnte einen Kandidaten mit absolut blütenweißer Weste vor mir haben. Einen Musterknaben und könnte mich so gründlich in ihm irren. Sie könnten unterschiedlicher nicht beurteilt werden. Je mehr Meinungen ich mir einhole, desto mehr Unterschiede scheint es zu geben und dann verlasse ich mich doch lieber auf mein eigenes Urteilsvermögen. Dass ich Sie während dieser Zeit und ganz besonders wegen dieses Betrages verdammt genau im Auge behalten werde, nun, ich setze voraus, dass Ihnen das klar ist. Und natürlich reicht die leiseste Verfehlung um das ganze jeder Zeit abzubrechen und Ihnen die Kosten in Rechnung zu stellen. Es ist absolut an Ihnen zu beweisen, dass Sie hierher gehören können und wollen, Mister Hikari.“

Es war dem Captain ernst, wie Fireball schnell herausgefunden hatte. Also konnte er sich bei diesem Gespräch nicht ganz so ungeschickt angestellt haben, wie er gedacht hatte. Jefferson hatte allerdings noch mit keinem Wort wirklich erwähnt, ob er ihn in der Zeit auch Dienst machen ließ, weshalb er nachhakte: „Ich nehme an, dass wir gerade nicht nur davon reden, die Kurse noch einmal zu besuchen und den Abschluss zu machen, Sir. Alleine von Prüfungen und abgelegten Kursen können Sie nicht beurteilen, wie gut und gewissenhaft ich arbeite. Hab ich Sie richtig verstanden?“

„Sie sind ein helles Köpfchen, Mister Hikari.“, das Lächeln im Gesicht des Captains wurde immer breiter. Kombinieren konnte der Risikofang also auch vortrefflich. Es würde interessant werden und Jefferson bereute seine gerade getroffene Entscheidung in keiner Sekunde. War Fireball ein guter Polizist, würde er dies auch beweisen und war er ein absoluter Fehlgriff, konnte Jefferson ihn sofort entlassen. Somit hatten beide gewonnen. Lächelnd stand er auf und reichte Fireball die Hand: „Wir sehen uns also am Montag in zwei Wochen zum Dienst, Mister Hikari. Nach einer Woche, in der Sie sich einarbeiten, werden die Kurse dann abends beginnen.“

Hocherfreut griff Fireball nach der ausgestreckten Hand. Am liebsten hätte er Luftsprünge gemacht. Endlich, endlich ging es in seinem Leben wieder bergauf. Schmunzelnd versprach er: „Ich werde pünktlich sein, Captain Jefferson. Und natürlich bringe ich eine gültige Gesundmeldung mit.“

„Davon gehe ich aus.“, Jefferson hielt Fireball an: „Sie wollen doch nicht gleich verlieren, was Sie eben gewonnen haben.“

Er gab ihm somit noch einmal die Anweisung, sich zu bemühen. Jefferson wollte seine Entscheidung nicht korrigieren müssen, noch bevor die Bewährungsfrist überhaupt begonnen hatte.

Fireball nickte. Innere Stärke machte sich wieder in ihm breit, seit langem. Fireball hatte endlich wieder einen Grund, hart zu arbeiten und sah sich endlich in der Lage, seine Ziele wieder mit vollem Einsatz zu erreichen. Er gab dem Captain zu verstehen: „Ich habe generell nicht vor, noch einmal zu verlieren, Captain Jefferson.“

So gefiel es dem Captain. Zufrieden nickte er noch einmal, bevor er Fireball entließ. An diesem Tag hatten beide gewonnen.

Abschließen können

So, nach mehr als vier Jahren bin ich heute soweit, diese FF als abgeschlossen betrachten zu können :) Ich habe lange dafür gebraucht, war nie bereit dazu, aber jetzt passt alles. Diese FF hat mich lange Jahre begleitet, ist mit mir gewachsen. Es war mir wichtig, ihr einen würdigen Schluss zu geben. Viel Spaß
 

Übermütig hatte Fireball gleich darauf Scott angerufen, er hatte sich dazu entschieden, weder April, noch Saber und Colt vorläufig davon zu erzählen, solange nichts fix war. Er wollte seine Freunde nicht enttäuschen. Aber er brauchte dringend jemanden, mit dem er die guten Nachrichten feiern konnte. Und da war ihm nur Scott eingefallen.

Der Renndirektor las Fireball vor der Polizeistation auf und entführte ihn auf die Rennstrecke. Scott wusste sehr genau, womit er Fireballs Tag noch perfekter machen konnte. Deshalb erklärte er ihm auf dem Hinweg: „Hör mal, Junior. Was hältst du davon, wenn du mir mal wieder ein bisschen zur Hand gehst? Wir haben ja grade Zwischensaison und testen die neuen Wagen.“

„Wobei genau soll ich da helfen? Du hast doch genug Fahrer“, unterbrach Fireball seinen Kumpel grinsend. Der Japaner war nicht auf dem letzten Stand, wie er kurz darauf zu hören bekam, denn Scott erzählte ihm, dass er gerade Fahrerflaute hatte. Scott stand für das nächste Jahr noch ohne Fahrer da und der Nachwuchs war noch nicht soweit, ein Auto komplett zu entwickeln und zu testen. Sie würden einen Rennwagen nie soweit bekommen, dass er konkurrenztauglich war.

Scott angelte sich bei der Streckenleitung eine Sondergenehmigung für Fireball und setzte ihn kurzerhand in einen Wagen. Der kleine Japaner durfte auf dieser Strecke jederzeit testen, ob mit oder ohne Gesundmeldung oder gültiger Rennlizenz. Scott war froh, dass die Streckenleitung von Yuma das alles nicht so eng sah, in Suzuka oder Valencia hätte das niemals hingehauen. Wie er am Dauergrinsen seines ehemaligen Schützlings erkennen konnte, freute der sich über die Chance scheckig. Eingehend prüfte der das Dokument, das ihm Scott unter die Nase hielt, bevor er seine Skepsis über Bord warf und in einen Rennanzug schlüpfte.

Wenig später saß der Japaner im Rennwagen für das nächste Jahr und machte sich mit der Bedienung vertraut. In der Boxengasse herrschte helle Aufregung, wie üblich, wenn alle Teams gleichzeitig testeten und sich auf die kommende Saison vorbereiteten. Nach einer kurzen Einweisung durch einen Mechaniker, was sie von ihm haben wollten, setzte Fireball seinen Helm auf und startete den Wagen. Fireball spürte, wie er vor Aufregung und Vorfreude leicht zu zittern begann und sein Herzschlag in die Höhe schnellte. Seit Laura und Scott ihn auf der Rennstrecke von Suzuka überrascht hatten, war er in keinem Auto mehr als Fahrer gesessen. Noch dazu war Scott damals daneben gesessen und war für den Ernstfall da gewesen. Nun saß er ganz alleine in einem Tourenwagen, neben ihm war nur die Gangschaltung. Würde er es überhaupt noch können? Scott setzte maßloses Vertrauen in Fireball, wobei sich der Rennfahrer nicht sicher war, ob es berechtigt war. Hoffentlich hatte er in all den Jahren nichts verlernt. Seit seinem Unfall waren inzwischen Jahre ins Land gezogen, immer wieder hatte er Rückschläge hinnehmen müssen und hatte nicht mehr damit gerechnet, jemals wieder in einem Rennwagen zu sitzen.

‚Komm schon, das ist wie Ramrod fliegen. Das verlernt man nicht‘, Fireball sprach sich im Gedanken Mut zu. Früher war er doch auch kein solcher Feigling gewesen. Da hatte sich Fireball hinter das Steuer von allem gesetzt, was sich in irgendeiner Weise hatte steuern lassen. Er hatte nicht lange nachgedacht, ob er es konnte, er hatte es einfach getan. Fireball umfasste das Lenkrad fester und atmete tief durch. Da bemerkte er, wie sich auf seinen Lippen ein Lächeln formte und seine innere Stimme nach mehr verlangte. Ein gutes Zeichen. Das Zittern legte sich und machte dem berühmtberüchtigten Kribbeln Platz. Ungeduldig nickte er den Mechanikern zu und verließ die Box.

Wahnsinnig weit kam er allerdings nicht. In seiner übersprühenden Ungeduld hatte er beim Verlassen einen Wagen übersehen, der ihn seitlich touchierte. Empört streckte ihm der Fahrer des anderen Wagens die Faust entgegen und fuhr weiter. Fireball zog entschuldigend den Kopf ein und deutete mit der offenen Hand den Vorrang des anderen an. Das war ihm nicht mal peinlich. Im Gegenteil, so was passierte laufend in der Hektik und dass es nicht gekracht hatte, war der beste Beweis dafür, dass es nicht übertrieben knapp hergegangen sein konnte. Fireball tuckerte dem anderen Fahrer aus der Boxengasse hinaus nach und beobachtete dessen Fahrverhalten, dann vermeldeten sein Elan und sein Spieltrieb eindeutig, dass er den anderen herausfordern sollte.

Als ob er niemals weg von diesem Beruf gewesen wäre, schaltete Fireball zwei Gänge hinunter, näherte sich im Windschatten an und überholte den anderen Fahrer vor einer engen Kurve. Wider Erwarten hatte ihn das keine großen Mühen gekostet, was Fireball überraschte. Er hatte nichts verlernt. Lachend vermeldete er über Funk: „Das macht irrsinnig Spaß, Scott!“

Runde für Runde drehte der Rennfahrer, lieferte den Mechanikern und Technikern Daten am laufenden Band. Fireball versuchte, so viele verschiedene Stile wie möglich zu fahren, immer drei bis vier Runden hintereinander, damit die Männer im Hintergrund aussagekräftige Daten über das Verhalten der Telemetrie bekamen. Den Hitzkopf brachte an diesem Tag nur der Benzinmangel zur Box zurück. Naja, und der eigene Durst.
 

„Wer von euch Anfängern hat noch immer nicht gelernt, wie man sich beim Verlassen der Box zu verhalten hat?!“, wütend stieß der touchierte Rennfahrer von vorhin die Tür auf und schnaubte in die Runde. Seine Wut war nicht zu übersehen.

„Der Anfänger hat mehr Titel geholt als du, Kumpel“, Fireball stieß sich von dem Schreibtisch ab, an dem er gelehnt hatte und mit den Mechanikern die Ergebnisse besprochen hatte. Übermütig grinste der Japaner. Seinen Tag konnte nichts mehr trüben. Bis auf die Kleinigkeit, die er plötzlich in der Tür stehen erkannte. Unweigerlich senkte Fireball den Blick und stellte sich auf ein Donnerwetter ein, das seinesgleichen suchte.

Der angerempelte Rennfahrer betrat den Raum und musterte den Unfallverursacher von vorhin. Ungehalten fuhr er ihn schließlich an: „Was hast du hier überhaupt zu suchen?!“

Oh ja, Chris war stinksauer. Verständlicherweise, wie es Fireball durch den Kopf schoss. Aber alleine wegen dem kleinen Rempler in der Boxengasse konnte er schlecht so eine Lautstärke an den Tag legen. Fireball sah skeptisch auf den Anzug seines Freundes. Eines der schwächeren Teams. Für Chris war es also nicht übertrieben gut im Geschäft gelaufen, seit er mit April zusammen gewesen war. Fireball hatte sich von allen Sportzeitungen ferngehalten, zu weh hatte es ihm getan, von April und Chris zu lesen sowie von den täglichen Rochaden des Rennzirkus. Die Sehnsüchte nach diesem Business waren ohnehin stetig wieder mehr geworden, je mehr er erkannt hatte, dass auf Ramrod kein Platz mehr war. Deswegen überraschte es ihn nun, Chris in einem hinteren Team arbeiten zu sehen.

Sein alter Freund war auf der Beerdigung seiner Mutter erschienen, das hatte Fireball ihm hoch angerechnet. Klar, sie hatten sich kaum unterhalten, aber Fireball war doch davon ausgegangen, dass sich ihre Freundschaft wieder erholen würde. Das war nicht passiert. Chris war nicht halb so sauer bei seiner Begrüßung gewesen, wie er es jetzt war, nachdem er den Japaner gesehen hatte.

Leise brachte Fireball hervor: „Ja, lang nicht mehr gesehen, Chris.“

„Nicht lange genug“, Chris hatte sich nicht unter Kontrolle. Alle Wut, Ärger und verletzter Stolz, der noch in ihm hausten, brachen hervor. Bei der Beerdigung hatte er sich im Griff gehabt, doch nun konnte er nicht mehr anders. Chris verspürte eine unglaubliche Wut auf Fireball. All das, was schlussendlich passiert war, hätte niemals passieren müssen, wenn der kleine Rennfahrer nur einmal den Mund aufgebracht hätte und gesagt hätte, was mit ihm los war. Das ganze Dilemma hatte schließlich damit angefangen, dass er April nicht gesagt hatte, was ihr Vater getan hatte. Patzig deutete er auf den Wagen: „Hast du deinen Rollstuhl getunt?“

Fireball folgte der Handbewegung. Die Aussage war nicht gerecht von Chris. Aber was wollte er ihm schon vorwerfen? Fireball hatte schon mehr verbrochen, was nicht gerecht war, damit brauchte er Chris also nicht zu kommen. Er seufzte unterdrückt und band sich die schlackernden Ärmel seines Anzugs um die Hüften, den er halb ausgezogen hatte. Also musste er Chris sachlich kommen. Deshalb entgegnete er trocken: „Nicht, dass ich wüsste. Was willst du überhaupt hier? Entschuldigung kriegst du keine, weil du in der Boxengasse viel zu schnell warst.“

Chris riss die Augen auf. Das war doch die Höhe! Wütend machte der braunhaarige Rennfahrer einige Schritte auf Fireball zu. Dieses überhebliche kleine Mistvieh. Wie konnte es Fireball nur wagen, sich hier noch einmal sehen zu lassen? „Was ich hier mach? Das ist immer noch mein Job. Aber du solltest aus der Gasse verschwinden, wenn du nicht gucken kannst, wann einer kommt.“

„Es wär sich locker ausgegangen, wenn du dich an die Geschwindigkeitsbegrenzung in der Boxengasse gehalten hättest“, erwiderte auch Fireball, allerdings in einem sachlichen Tonfall. Zu jedem anderen hätte er das auch gesagt. Sein Blick wäre dabei allerdings ein anderer gewesen. Der Japaner senkte betreten den Kopf. Sie waren mal Freunde gewesen. Es war gar nicht so lange her, da hatte Chris ihm geholfen und war ihm zur Seite gestanden. Fireball vermisste ihn ab und an, meistens, wenn er dann doch im Fernsehen Rennen anguckte. Niemand war da, mit dem er fachsimpeln konnte, denn die Ramrodbesatzung interessierten fahrbare Untersätze in rasend schneller Ausführung nach wie vor nicht wirklich.

Fireball knotete die Ärmel seines Rennanzuges fester um die Hüften und ging zur Tür hinaus. Er nickte Chris im Vorbeigehen zu, er sollte ihm folgen. Der ehemalige Rennfahrer wollte sich unter vier Augen mit ihm unterhalten, er brauchte dabei keine ungebetenen Zuhörer. Die Mechaniker von Scotts Team würden ohnehin überdimensional große Ohren bekommen. Die hatten in den letzten Jahren mehr als nur eine Geschichte erlebt, Konkurrenzkämpfe unter Teamkollegen mit eingeschlossen, allerdings war so eine Auseinandersetzung nie privat geworden. Umso interessanter war das Hühnchen, das Chris und Fireball miteinander zu rupfen hatten.

Der größere Rennfahrer folgte, verdrehte allerdings die Augen und fuhr den kleineren an, kaum hatten sie den Gang erreicht: „Wenn du meinst, dass du einen auf Friede, Freude, Eierkuchen machen kannst, kannst gleich wieder zurück hinken. Ich hab keinen Bock auf die Mitleidsmasche.“

„Hör mir doch wenigstens zu. Zwei Minuten. Länger werde ich dich nicht mehr belästigen“, Fireball lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Er hasste diese Gespräche, Streitigkeiten und Unmut hatte er lange genug über sich ergehen lassen müssen. Aber der Japaner war dabei, seine Sterne neu zu ordnen. Er wollte alles hinter sich lassen und endlich abschließen können. Momentan war er auf dem besten Weg dazu. Als er das gleichgültige Schulterzucken von Chris registrierte, fuhr er fort: „Ich behaupte nicht, dass ich unschuldig bin. Und ich behaupte auch nicht, dass alles gut wird, nur weil ich mich bei dir entschuldige. Das kleine Manko der Naivität hab ich mittlerweile abgelegt. Was ich dir zu sagen habe, meine ich ernst. Es tut mir leid, dass ich der andere in der Beziehung von April und dir war. Nur kann ich es nicht rückgängig machen und ich würde lügen, wenn ich jetzt behaupte, ich würde es bereuen. Aber ich möchte mich auch bedanken. Du warst die letzten Jahre ein guter Freund. Du hast damals alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit ich wieder Anschluss im Rennzirkus finde, nach meinem Unfall warst du derjenige, der Saber und die anderen auf mich angesetzt hat. Ohne dich sähe meine Freundschaft zu ihnen heute anders aus, wenn es überhaupt noch eine gäbe. Ich finde es schade, dass wir so auseinander gegangen sind, aber ich verstehe es auch. Umso mehr hab ich mich über deine Anwesenheit bei der Beerdigung gefreut. Das war hochanständig von dir.“

Chris biss sich auf die Lippen. Er verkniff sich eine Antwort, was ihm sichtlich schwer fiel. Er war immer noch aufgebracht und natürlich schwelte der Groll der letzten Zeit noch deutlich in ihm. Fireball war Schuld, dass April und er nicht mehr zusammen waren. Sie war fremdgegangen. Mit einem seiner besten Kumpels. Wie viel schlimmer hätte es einem Mann nur ergehen können? Der Rennfahrer konnte sich immer noch keine größere Schmach und Pein als das vorstellen. Chris entfernte sich einige Schritte von Fireball und schlug die Faust in die geöffnete andere Hand. Er hegte immer noch Mordgelüste, klar, es war noch nicht lange genug her. Als er in Japan gewesen war, da hatte er sich benehmen können. Ein Blick in die traurigen Gesichter und der Anlass selbst waren genug Grund gewesen, um Mitgefühl zu empfinden. Es war für Chris selbstverständlich gewesen, zur Beerdigung zu kommen, als Colt ihn vor einigen Monaten angerufen und darum gebeten hatte. Aber nun war die Trauerzeit offensichtlich auch bei Fireball vorbei, er brauchte kein Mitleid mehr. Schon gar nicht von Chris.

Plötzlich fuhr er herum und keifte den Japaner an: „Ja, ich war hochanständig! Das war ich immer. Im Gegensatz zu dir war für mich die Freundin eines Kollegen immer Tabu. Aber dir ist überhaupt nichts heilig!“

„Da magst du Recht haben“, gestand Fireball ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen: „Ich hänge nicht einmal an meinem eigenen Leben.“

Nun kam Chris wieder auf Fireball zu. Er blieb ganz dicht vor ihm stehen und schnaubte wutentbrannt. Sein Atem war heiß, so wie sein Gemüt. Bedrohlich drückte er Fireball die flache Hand gegen die Brust. Doch dann ließ er kopfschüttelnd von ihm ab, ohne ihn berührt zu haben. Chris zischte: „Du bist es nicht wert. Es ist eine Frechheit, dass du dich immer noch traust, mir unter die Augen zu treten, ehrlich. Deine selbstgefällige Art kotzt mich an.“

Fireball stieß sich von der Wand ab und betrachtete Chris aufmerksam. Er war immer ein loyaler Freund gewesen und es war schade, dass es ausgerechnet ein Mädchen war, das sie auseinander gebracht hatte. Unentschlossen wippte Fireball kurz vor und zurück, ehe er noch einmal ansetzte: „Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass du ein guter Freund für mich warst. Und ich kann dir das Angebot machen, dass du bei Scott mal wieder auf der Matte stehst. Das Team bräuchte Fahrer wie dich.“

Nun schrie der braunhaarige Rennfahrer erbost auf: „Ich brauch keine Almosen! Mir geht’s in meinem Team gut!“

Chris ließ Fireball nun stehen. Was zu viel war, war zu viel und das hatte dem passionierten Rennfahrer gar nicht geschmeckt. Er wusste selbst, dass er in einem Low-Budget-Team seine Runden drehte und in gewisser Hinsicht auch fristete, aber das gab Fireball noch lange nicht das Recht, ihm gönnerhaft einen Job bei seinem alten Team anzubieten. Wutschnaubend stob er davon.

Der Japaner sah Chris nach. Es hätte ihm klar sein müssen, dass eine Aussprache so enden musste. Aber zumindest hatte Fireball sein Gewissen erleichtert. Es war ihm schwer auf der Seele gelegen, sich nie wirklich bei Christian bedankt zu haben. Der Hobbyrennfahrer verschränkte die Arme hinter dem Rücken und seufzte leise. Vielleicht heilte die Zeit auch hier die Wunden. Fireball war sich nicht sicher, aber seine Hoffnung sagte ihm, dass es irgendwann wieder anders zwischen ihm und Chris laufen würde.
 

Eine Regelung zu finden, mit der beide einverstanden waren und die das Beste für den kleinen Matthew war, konnte mitunter zu einer wirklichen Herausforderung werden. Saber war es als ehemaliger Captain des Team Ramrod gewöhnt, zähe Verhandlungen zu führen, aber er hätte niemals gedacht, dass das Gespräch mit seiner Frau bezüglich des Sorgerechts derart anstrengend werden würde. Aber sein Einsatz hatte sich gelohnt, Synthia und er hatten sich ohne Rechtsanwälte darauf einigen können, dass der Highlander seinen Sohn sehen konnte, so oft er wollte. Er sollte allerdings mit Synthia das vorher vereinbaren und nicht unangemeldet auftauchen. Die beiden Noch-Rider packten ihre Habseligkeiten, die sie mitnehmen wollten, aus dem Haus und inserierten es schließlich in den lokalen Zeitungen zum Verkauf. Saber blutete das Herz nach wie vor, als er in dem leer stehenden Haus, das einmal sein Zuhause gewesen war, den Schlüssel ins Schloss steckte und abschloss. Zumindest aber hatten er und Synthia es geschafft, beim Inventar nicht zu streiten.

Saber sah vom Straßenrand noch einmal zurück. Das war es nun also. Kein Job, kein Zuhause, keine Familie mehr. Er hatte versagt. Yuma war augenscheinlich kein gutes Pflaster für den Schotten. Es war einfach kein gutes Jahr gewesen. Saber umschloss den Umzugskarton, den er in der Hand hielt, fester und senkte den Blick. Das war ihm geblieben. Ein paar Bücher und unglaublich viele Fotos von einer glücklichen Zeit. Irgendwann musste er endlich seinen Eltern sagen, dass er versagt hatte. Er wusste nur noch nicht wie.

„Hey, lass den Kopf nicht hängen“, Colt klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter: „Es kommen auch wieder bessere Zeiten auf uns zu. Und solange du keinen Job hast, engagier ich dich gerne als Stallburschen.“

Verwirrt blickte der Schotte in Colts aufmunterndes Gesicht. Er wollte wissen: „Was machst du hier?“

Colt nahm Saber den Umzugskarton ab und begleitete ihn den Weg vom Haus weg. Er zwinkerte: „Ich wollte nach dir sehen und da du in letzter Zeit öfter im alten Eigenheim anzutreffen warst, hab ich mir gedacht, ich probier’s einfach mal. Und siehe da: der gute alte Colt mutiert noch zum Hellseher.“

Tatsächlich hatte Robin den passionierten Papa an die frische Luft gesetzt, weil der sie mit seiner Fürsorge in den letzten Wochen schon beinahe an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte. Keine Sekunde hatte Colt seine schwangere Frau mehr aus den Augen lassen wollen, und das war Robin dann doch zu viel des Guten gewesen. Immerhin war sie schwanger und nicht schwer krank! Sie hatte den Cowboy von der Ranch geschickt und ihm aufgetragen, nach seinen Freunden zu sehen. Robin kannte da zumindest einen Freund, der ihn gut gebrauchen konnte.

Also war Colt losmarschiert um Saber die Zeit zu vertreiben. Der Recke hatte es nicht leicht im Moment. Überall in seinem Umfeld gab es mehr oder weniger gute Nachrichten zu verzeichnen, nur bei ihm lag alles in Scherben. Das musste Saber unheimlich zusetzen.

„Wie war das mit dem Stallburschen gleich nochmal“, mit einem kleinen Zwinkern wandte Saber seinem alten Haus endgültig den Rücken zu. Er konnte nicht sagen, wie dankbar er war, dass er auf seine Freunde in jeder Lage zählen konnte. Mit Colts plötzlichem Auftauchen verzogen sich die trüben Gedanken wieder und machten der kleinen Sonne an seinem Horizont Platz. Er war sich sicher, Colt würde ihn tatsächlich als Stallburschen einstellen, wenn es ihm helfen würde. Zugegeben, vom Kommandanten einer Einheit zum Knecht war es ein steiler und rasanter Abstieg. Aber es wäre besser, als gar kein Job. Es würde Saber dabei ohnehin nicht ums Geld gehen, sondern um eine Aufgabe. Er brauchte etwas zu tun, einen Sinn in seinem Dasein, sonst würde er noch komplett durchdrehen. Und zur Not war auch das Säubern des Stallgebäudes bei Colt etwas, das Sinn stiftete.

Naserümpfend legte Colt den Kopf schief: „Die Gebühren für die Unterbringung von Steed stell ich dir auch nicht in Rechnung. Und wenn du mit der Berufsbezeichnung ein Problem hast, titulieren wir deine Arbeit eben als“

Saber unterbrach ihn schmunzelnd, während sie Richtung Innenstadt spazierten: „Horse Facility Manager!“

„Na na na!“, Colt schüttelte entrüstet den Kopf: „Felicitas wird nicht angetatscht!“

Gleich darauf lachte er jedoch herzlich auf. Er fand Sabers hochgestochene Sprachwahl einfach jedes Mal wieder zum Schießen komisch. Mit dem Schelm im Blick berichtigte er Saber: „Ich hätte da an einen Pferdeflüsterer gedacht. Ich denke da an die ersten zwei Wochen, die Steed noch auf dem Gelände fristen musste, bis sie ihn freiwillig außer Dienst gestellt haben.“

Tatsächlich hatte Steed, obwohl es ein Robotpferd war und eigentlich Eigentum des Oberkommandos, sehr genau gespürt was sich abgespielt hatte. Als Saber suspendiert worden war, war ihm gleichzeitig auch untersagt worden, auf das Gelände zu kommen und sich um sein Streitross zu kümmern. Sehr lange hatte es nicht gedauert, bis man zumindest April zu Rate ziehen musste, weil sich Steed wie ein wilder Hengst benommen hatte und niemanden auf sich reiten ließ. Das Ende vom Lied war gewesen, dass es zwei Optionen gegeben hatte. Pferd abschalten oder an Saber übergeben. Commander Eagle hatte sich trotz seiner Strafe dafür eingesetzt, dass Saber sein tapferes Pferd behalten konnte. Ohne Steed oder auch den Bronco Buster, den Colt schneller vom Gelände des Oberkommandos geschafft hatte, als die netten Hüter ‚Hallo‘ sagen konnten, hätten sie den Krieg nicht gewonnen und so war es für den dahinscheidenden Commander eine Selbstverständlichkeit gewesen, Saber das Pferd anzuvertrauen. Seither war das stolze schwarze Robotpferd auf Colts Ranch einquartiert und bekam von Colt täglich ein Kännchen Öl kredenzt.

„Ich will doch stark hoffen, dass du mir die Unterkunft für Steed nicht in Rechnung stellst, Kumpel“, empörte sich nun Saber lachend: „Immerhin arbeitet er auch für dich!“

„Jo“, war die knappe Antwort von Colt. Der Cowboy dirigierte Saber unauffällig in ein nettes Cafe. Dabei ließ er seinen ehemaligen Boss rotzfrech wissen: „Steed hat erkannt, dass ich ein guter Chef bin. Er arbeitet gut.“

„Was glaubst du, wer ihn erzogen hat?“, der Schotte blickte kopfschüttelnd zum Himmel auf. Worauf hatte er sich da bloß wieder eingelassen, als er zugestimmt hatte, dass Colt sein kybernetisches Wunderwerk der Technik für Reitanfänger zum Lernen verwendete? Steed war ein Schlachtross und kein Karussellpferdchen für kleine Kinder. Aber anscheinend funktionierte es prima. Colt hatte damit eine Marktnische gefunden. Er war weit und breit der einzige, der eine hundertprozentige Garantie abgeben konnte, dass bei ihm alle das Reiten lernen würden. Steed warf immerhin niemanden ab und war geduldiger als ein richtiges Pferd. Vor allem aber mochte Sabers Robotpferd Kinder mindestens genauso gerne, wie sein Besitzer. Wenn das Oberkommando wüsste, was aus einer ihrer Waffen geworden war, sie würden alle Zustände bekommen.

„Um jetzt noch mal auf den Job zurück zu kommen, Colt“, begann Saber noch einmal von vorne, als sie auf der Terrasse eines gemütlichen Cafes zu sitzen kamen. „Kannst du wirklich jemanden in der Wirtschaft gebrauchen?“

Colt nickte zur Bestätigung: „Aber holla die Waldfee! Robin ist mehr oder weniger schon ausgefallen und die Kundschaft wird immer mehr. Ich könnte tatsächlich Hilfe gebrauchen. Und ganz ehrlich, Boss, ich kenne keinen besseren für den Job als dich.“

Saber schlug die Augen nieder: „Nenn mich nicht Boss. Das bin ich nicht mehr.“

„Für mich wirst du das immer bleiben“, bestimmt widersprach Colt seinem Freund. Niemand anderes würde diese Bezeichnung jemals von ihm bekommen. Saber war immer schon der Boss gewesen, das würde er auch bleiben. Er führte weiter aus: „Das mit dem Stallburschen war natürlich ein Scherz. Ich hab so derart viel Kundschaft in den letzten Wochen dazubekommen, dass ich es alleine nicht mehr bewältigen kann. Ich werde noch ein halbes Dutzend Pferde kaufen. Und du sollst mit den sattelfesteren Reitern Ausflüge ins Gebüsch machen.“

Saber gefiel der Gedanke, dennoch musste er anmerken: „Aber bilde dir nicht ein, dass ich mich so anziehe, wie du!“

„Bitte“, der Lockenkopf zuckte mit den Schultern und erfreute sich an seiner Limonade: „Solange du nicht im Röckchen daher kommst, soll’s mir nur recht sein.“

Mindestens noch bis zur Rechnung ging dieser Schlagabtausch hin und her. Die beiden Männer genossen ihre Blödeleien ganz offensichtlich und vergaßen darüber die Zeit. Erst am frühen Abend brachen sie zu Sabers Wohnung auf.
 

Nach endlos langen Tagen der Einsamkeit im Oberkommando hatte sich tatsächlich mal jemand getraut, April bei ihrer Arbeit anzusprechen. Ihre Kollegen beschränkten sich verschämt auf das allernötigste und bedachten sie beinahe täglich mit diesem seltsam anmutenden Blick. Oh ja, April kannte diesen Ausdruck in den Augen. Sie hatte ihn selbst oft genug zur Schau gestellt, um zu bekommen, was sie wollte. Dieser Ausdruck verriet der blonden Frau nur allzu deutlich, dass ihre Kollegen die Neugierde beinahe umbrachte und sie sich dennoch nicht fragen trauten. Diese Feiglinge! Da hörten sie sich lieber Gerüchte an, als einen Betroffenen selbst zu fragen. Wovor hatten die Angst? Dass April ihnen keine Auskunft gab etwa?

Als wieder ein Ingenieur ewig nach Beantwortung seiner beruflichen Fragen noch unschlüssig vor ihr gestanden war, nur um dann doch nichts zu sagen, schüttelte April frustriert den Kopf. Wann konnte sie endlich in eine andere Abteilung wechseln?

„Miss Eagle?“

An diese Stimme konnte sich April noch erinnern. Verdattert hob sie den Kopf und sah sich aufmerksam um. Was wollte er denn noch hier? Der Fall war doch abgeschlossen. Und dennoch. Die Stimme gehörte wie nicht anders zu erwarten gewesen war zu Allan. April streckte ihm dennoch die Hand entgegen und begrüßte ihn: „Colonel McRae. Wollten Sie das Corpus Delicti mal persönlich kennen lernen?“

Allan schmunzelte leicht. Nein, wegen des platinfarbenen Friedenswächters war er nicht hier. Er erkundigte sich höflich: „Diesen Vogel kenne ich schon, April. Ich wollte eigentlich gerne mit Ihnen einen Kaffee trinken gehen.“

Nun war April alarmiert. Der ganze Zirkus mit der Dienstaufsicht hatte doch auch so angefangen! Da war Mandarin mit ihrem Kumpel auf einen Kaffee gegangen. Oh nein, April würde sich nicht in irgendwas hinein theatern lassen. Sie schüttelte den Kopf: „Tut mir leid, Colonel. Ich möchte mit dem neuen Ramrod endlich fertig werden. Ich habe leider keine Zeit für ein Pläuschchen in der Arbeitszeit. Sonst jederzeit gerne.“

Der Colonel lehnte sich gegen die Wand, an der er stand. Sein kleines Lächeln verschwand allerdings allmählich. Er hatte wohl bei den ehemaligen Star Sheriffs keinen guten Stand. Dabei war sein Gespräch mit dem Hauptbeteiligten vor einigen Tagen doch eigentlich sehr freundschaftlich verlaufen. Aprils Lebensgefährte hatte durchaus die Zeit für einen Kaffee gefunden. Allan versuchte ihr die Scheu zu nehmen: „Keine Angst, April. Ich werde Ihnen bestimmt keine unangenehmen Fragen mehr stellen oder irgendetwas in Erfahrung zu bringen versuchen. Ich möchte lediglich sehen, wie es Ihnen nun geht und Ihnen eventuell helfen.“

„Wie wollen Sie mir denn helfen?“, verwundert zog April die Augenbrauen nach oben. Nun war ihr die Arbeit plötzlich doch egal geworden. Naja, eigentlich war sie ihr schon von Anfang an egal, aber sie hatte ihrem Vater versprechen müssen, den Friedenswächter zu reparieren, bevor sie sich weg versetzen ließ. Die Jungs hatten sie mit dieser unangenehmen Arbeit alleine gelassen. Fireball, weil er sowieso nicht durfte, Colt, indem er gekündigt hatte. Und Saber, der einzige, der ihr in dieser Situation sicherlich geholfen hätte, war mit sofortiger Wirkung suspendiert worden. Manchmal wünschte sie sich von den Kommandanten etwas mehr Hausverstand. Saber hätte ihr hier vorher noch wunderbar helfen können, danach hätten sie ihn immer noch eine Weile vom Dienst ausschließen können. Aber soweit hatten sie in ihrer Gerechtigkeitsheuchelei nicht gedacht. April warf ihre blonde Mähne hinter die Schulter und seufzte schwer.

Allan erkannte seine Chance und nützte diese schamlos aus: „Sie brauchen eine Pause, April. Kommen Sie, ich lade Sie auf einen Kaffee ein.“

Schon hatte er die hübsche Frau mit sich gezogen und in die Offiziersmesse entführt. Als beide mit einer Tasse an einem Tisch Platz genommen hatten, begann Allan schließlich: „Nachdem Sie sich so standhaft zu weigern versucht haben, mit mir hier her zu kommen, nehme ich an, Mister Hikari hat Ihnen nichts von unserem Gespräch vor einigen Tagen erzählt.“

April sah erstaunt auf und murmelte: „Hat er nicht, stimmt.“

„Es gab noch einige Punkte zu klären“, rückte Allan sofort alles ins rechte Licht. Er ließ April wissen: „Letzen Endes war Ihr Freund der Geschädigte. Ich wollte mit ihm ausverhandeln, was er an Wiedergutmachungen verlangt.“

April lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Unverhohlen musterte sie ihr Gegenüber. Sie überlegte, wie das Gespräch wohl gelaufen sein könnte. Bei der einzig möglichen Option stahl sich ein Lächeln über Aprils Lippen davon. Wie sollte es schon gelaufen sein? Immerhin saß sie dem Colonel bei einem Kaffee gegenüber. Also hatte er definitiv mal wieder auf japanischen Granit gebissen. April vermutete: „Lassen Sie mich raten. Sie haben keine brauchbare Antwort bekommen.“

„Nein. Eigentlich waren wir uns ziemlich schnell einig. Und alles, was er sich gewünscht hat, versuche ich gerade in die Tat umzusetzen.“

Allan hatte tatsächlich Interesse daran, die Wünsche von Fireball zu erfüllen. Und ausnahmsweise sahen das die hochrangigen Mitglieder des Oberkommandos ebenso. Nicht nur, weil sie sich viel Geld damit sparten, sondern auch, weil es der Reputation der Organisation nicht schadete. Allan hatte die Pflicht auferlegt bekommen, sich darum zu kümmern. Und deswegen saß er mit April nun zusammen bei einem Kaffee.

Skeptisch hoben sich Aprils Augenbrauen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, setzte sich allerdings wieder aufrechter hin. „Wie muss ich mir das vorstellen? Sind Sie zum Wichtelmännchen aufgestiegen?“

April konnte nicht anders als argwöhnisch zu sein. Mit Allans Einschreiten war immerhin alles völlig aus dem Ruder gelaufen. Die blonde Frau wollte eigentlich alles nur noch hinter sich lassen können. Sie wollte endlich ein neues Kapitel in ihrem Leben beginnen, ein freundlicheres und lebenswerteres. So viele schlimme Dinge waren in den letzten Jahren passiert, manches Mal hatten sich die Ereignisse überschlagen und nie schien es wirklich gepasst zu haben. Und jetzt, da sich endlich alles richtig anfühlte und langsam besser wurde, da wollte sie eigentlich nichts mehr vom Oberkommando hören, was mit Ramrod zu tun hatte. Das Team Ramrod gab es offiziell nicht mehr. Von der ehemaligen Stammbesatzung würde niemand mehr auf dem neuen Friedenswächter arbeiten. Sogar Saber hatte sich diesbezüglich einmal kurz geäußert und darum gebeten, nach Ablauf seiner Suspendierung wieder in der Ausbildung tätig sein zu dürfen.

Wieder musste der Colonel versuchen, seine guten Absichten deutlich zu machen. Er erzählte April, was er mit Fireball vor einigen Tagen besprochen hatte. April wollte von dem Friedenswächter weg, das wusste Allan von Fireball. Und er hatte da auch etwas arrangieren können. Allan ließ die Katze aus dem Sack: „Sie sind eine gute Wissenschaftlerin und Ingenieurin, April. In Kürze startet ein neues Projekt zur Entwicklung neuartiger Raumstationen. Das Team besteht aus hochangesehenen Akademikern und erfahrenen Technikern. Sie würden dort gut hinein passen. Denn Sie verfügen über das technische Wissen und über den praktischen Verstand. Man würde Sie mit sofortiger Wirkung vom Dienst am – Sie nannten es doch – Corpus Delicti entbinden.“

„Und wo ist der Haken?“, es klang in Aprils Ohren schon sehr verlockend. Aber sie konnte nicht recht daran glauben, wieder an einem so wichtigen Projekt, wie es Ramrod damals gewesen war, mitarbeiten zu dürfen.

„Kein Haken“, versicherte Allan: „Ihre Akte wird so blütenweiß sein, wie sie vor dem Erkenntnis des Ausschusses war. Sie können endlich abschließen.“

April neigte nachdenklich den Kopf zur Seite. So ganz verstehen wollte sie es noch immer nicht: „Darf man fragen, was der gute Fireball bei dem Gespräch noch so angeleiert hat?“

So richtig skeptisch war April nämlich erst bei Allans letztem Satz geworden. Denn sie selbst hatte vor nicht allzu langer Zeit zu Fireball gesagt, dass sie mit den Ereignissen endlich abschließen wollte. Es nun in ähnlicher Form von Allan zu hören, bestätigte zwar dessen Aussage, er hätte sich mit Fireball getroffen. Dafür aber fragte sich nun April, was Fireball als Wiedergutmachung ausgehandelt hatte.

„Zum Einen Ihre Versetzung. Zum Anderen die Korrektur seines Dienstzeugnisses in eine realistische Einschätzung und die völlige Rehabilitation aller Beteiligten. Letzteres konnte man ihm nicht erfüllen“, ergänzend fügte er noch hinzu: „Ihr Vater wird mit Ende des Monats in den Ruhestand gehen. Allerdings hat man Offizier Riders Suspendierung korrigiert. Er braucht gerade seinen Urlaub auf.“

April staunte. Allerdings flammte auch so etwas wie Bitterkeit in ihr auf: „Wozu dann das ganze Theater? Wenn Sie im Nachhinein Ihre Entscheidungen wieder revidieren?“

Ein berechtigter Einwand von Aprils Seiten, das musste auch Allan zugeben. Immerhin, wenn man es aufs Wesentliche runterbrach, was letzten Endes wirklich an Konsequenzen herausgekommen war, hätte man sich den Aufwand mit dem Untersuchungsausschuss in zweifacher Ausführung sparen können. Da hätten auch seine Berichte locker für eine Einschätzung gereicht. Aber es war ein Präzedenzfall gewesen. Hätte man ihn nicht mit einem solchen Aufwand betrieben, wären über kurz oder lang die Auswirkungen im Oberkommando ungleich höher gewesen. Im schlimmsten Fall hätte eine Nichtverfolgung der Angelegenheiten einen Freifahrtschein für alle befehlshabenden Offiziere gewesen, mit ihren Angestellten umzuspringen, wie es ihnen gerade in den Sinn kam. So waren zumindest potentielle Täter abgeschreckt und für Opfer war es ein weiterer Anreiz, ihre Situation öffentlich zu machen. Die Handhabung der Erkenntnisse war wieder ein anderes Thema. Auch für Allan war es an der Zeit, diesen Fall abzuschließen. Er hatte für genug Aufsehen in den Reihen des Oberkommandos gesorgt, nicht nur dank seiner Hartnäckigkeit, sondern auch wegen der Prominenz der Beteiligten vor dem Ausschuss. Auch wenn Allan kaum stolz auf diese Berühmtheit sein wollte, den Fall Ramrod vor eine Dienstaufsichtssitzung zu bringen, so war es für die Dienstaufsichtsbehörde ein großer Fall gewesen und hatte deren Reputation ordentlich gepusht.

Nickend gab er April Recht: „Für das Team Ramrod hat es keine Bedeutung, das stimmt. Obwohl die Auswirkungen ungleich gewaltiger sind. Kein Stein ist auf dem anderen geblieben. Vom ehemaligen Team Ramrod wird kein Mitglied mehr den neuen Friedenswächter steuern. Das ist das Ende einer Ära, eines Mythos.“

„Übertreiben Sie mal nicht“, bremste April ihren Gesprächspartner sofort: „Für einen guten Mythos braucht es mindestens einen Toten. Wir alle leben aber noch!“

April wollte mit Allan ganz und gar nicht über das Ende des Team Ramrod sprechen. Zu schmerzhaft war jeden Tag die Erinnerung daran, wenn sie auf dem neuen Friedenswächter die Wartung durchführte. Sie wusste doch selbst am besten, dass eine Ära zu Ende gegangen war. Für manche war dieses Ende vielleicht überraschend gekommen, doch für alle auf Ramrod war vor Jahren schon der Anfang vom Ende gestanden. Es fehlte lediglich an einem würdigen Abschied von Ramrod.

Die blonde Ingenieurin unterhielt sich noch eine ganze Weile mit Allan und stimmte schließlich zu, sich für das neue Projekt zumindest zu melden. Sie glaubte nicht ernsthaft daran, dass sie sofort dorthin wechseln konnte, aber zumindest bestand Aussicht auf ein Ende.
 

Er genoss den Blick auf die untergehende Sonne von seiner Terrasse aus. Fireball stand am Geländer und starrte gedankenverloren in die Ferne. Mit einem versonnenen Lächeln auf den Lippen. Seit einigen Tagen verließ er kurze Zeit nach April die Wohnung und kam am frühen Nachmittag wieder nachhause. Scott hatte ihm ein Dauerticket auf der Rennstrecke von Yuma verschaffen können. Die beiden Männer halfen sich so gegenseitig. Fireball, indem er für Scott die Einstellungen der Rennwägen für die neue Saison überprüfte. Und Scott half Fireball, in einen geregelten Tagesablauf wieder hinein zu wachsen. Beide profitierten davon, auch wenn der ehemalige jüngste Champion mit wesentlich mehr Ruhe an die Testfahrten ging. Sein Elan war immer noch da, aber kontrollierter und somit auch für die Mechaniker umgänglicher.

Fireball lehnte die Unterarme auf die Brüstung. Es war herrlich hier in Yuma. Nirgendwo sonst wollte der Japaner in diesem Augenblick sein. Ein wundervoller Frühlingstag neigte sich dem Ende zu, tauchte seine Dachterrasse in orangerotes Licht. Fireball würde es niemals zugeben, aber er spürte tief in sich den Beginn von etwas Neuem. Er wusste nicht, woran er das festmachen sollte, aber es fühlte sich nach einem Aufbruch in bessere Zeiten an. So, wie sich die Dinge in der letzten Zeit entwickelten, gab es keinen Grund, betrübt an seine Zukunft zu denken. Seine Freunde schlugen neue Wege ein. Mehr oder weniger erzwungen. Aber Fireball glaubte fest daran, dass sich vor allem in Sabers Fall alles zu einem Besseren wenden würde. Garantiert sogar.

„Neben dir könnte man am helllichten Tag die Wohnung leer räumen!“, April lehnte sich mit einem frechen und neckischen Grinsen neben Fireball. Sie gab ihm einen schnellen Kuss zur Begrüßung. Nach dem Kaffee mit Allan hatte April nicht mehr allzu viel gearbeitet. Sie hatte sich von Allan noch alle Daten zu diesem Projekt geben lassen und hatte sich schlau gemacht. In den nächsten Tagen würde sich zeigen, wohin ihr weiterer Weg führen würde.

Erstaunt hob Fireball die Augenbrauen. Er hatte noch nicht mit April gerechnet. In den letzten Tagen war sie immer erst ziemlich spät zu ihm gekommen. Was der Japaner auch verstand. Immerhin hatte April noch eine eigene Wohnung, hatte auch dort immer noch Sachen gebunkert und sah jeden Tag dort nach dem Rechten. Fireball erwiderte die kleine Geste etwas verhalten, aber dennoch zärtlich.

Der junge Mann ging auf ihre Neckerei nicht ein. Stattdessen wies er auf die rotglühende Kugel am Horizont: „Sieh dir das an. Ist der Sonnenuntergang nicht herrlich?“

Aprils Augen folgten der ausgestreckten Hand und ihr Blick wurde milde. Sie umschloss seine Hand und senkte sie. Mit einem wohligen Gefühl und dem unbestimmten Wissen, dass alles gut war, wie es war, lehnte sich April an Fireballs Schulter.

Dieser erwiderte ihre Berührungen, indem er den Kopf an ihren schmiegte und seine Finger fester in ihrer Hand verschränkte.

Sie blickten zusammen in den Sonnenuntergang und schwiegen sich an. Keiner musste etwas sagen. Der Moment war vollkommen. Beide fühlten sich geborgen, waren glücklich. Aus dem Händchenhalten wurde allmählich eine innige Umarmung. Wie lange sich April und Fireball im Arm hielten und einfach den Moment genossen, wussten sie nicht. Erst, als die Sonne völlig hinter den Hochhäusern verschwunden war, ließen sie einander los.

April begann als erste wieder ein Gespräch. Gespielt streng tadelte sie Fireball: „Sag mal, Turbo. Wann wolltest du mir eigentlich sagen, dass du dich mit Allan getroffen hast?“

Unschuldig lächelnd erwiderte der Angesprochene: „Wenn er seine Liste brav abgearbeitet hat, die er von mir bekommen hat.“

Kopfschüttelnd verdrehte April die Augen. Sie boxte ihm leicht gegen die Schulter. Aber sie war nicht böse auf Fireball, bestimmt nicht. Die blonde Frau wusste, wie selbstlos Fireballs Forderungen Allan gegenüber tatsächlich ausgefallen waren. Dieses unbeschreiblich großzügige Herz und die innere Kraft, die Fireball trotz aller Schicksalsschläge hatte, machten ihn zu einem ganz besonderen Menschen.

Fireball verzog gespielt wehleidig das Gesicht, nahm dabei allerdings sofort ihre Hand und drehte sie geschickt in eine Umarmung. Es waren Momente wie dieser, nach denen sich Fireball immer gesehnt hatte. Unbeschwert und ungezwungen. Er war mit dem Mädchen zusammen, das er liebte. So wie jetzt könnte es für immer bleiben. Das wäre schön, aber nicht realistisch, das wusste niemand besser als er selbst. Im Augenblick war alles vollkommen und perfekt. Aber das Leben hielt meistens anderes für die Menschen parat und perfekt war da maximal das Chaos. Also genoss er jede einzelne Sekunde, die ihr Glück in einer solchen Momentaufnahme verharrte und ihn für all die traumatischen Erlebnisse und Wunden entschädigte.
 

***
 

Nachdem Fireball den Tag erfolgreich für sich genützt und auch vertrödelt hatte, stand er nun im Bad und versuchte sich mit dem dunkelroten Hemd anzufreunden. Es war ein herrlicher Samstagabend, und der Rennfahrer wusste, wie er enden würde. Scott hatte das Geburtstagskind zu einer Gala eingeladen, natürlich mit Freundin und Freunden. Ein kleines Liedchen pfeifend reckte Fireball den Kopf zur Badezimmertür hinaus und prüfte, wie weit April war. Seine Freundin war längst fertig angezogen. Ein Blick zur Uhr, sie sollten schon längst unterwegs sein. Der pensionierte Star Sheriff prüfte sein Aussehen noch einmal im Spiegel nach und entschied sich kurzerhand auf die Krawatte zu pfeifen. Immerhin war es sein Geburtstag und die guten Gäste waren bekanntlich die späten.

Mit dem selben Lächeln, das er schon den ganzen Tag mit sich rum trug, nahm er April an der Hand und machte sich mit ihr auf den Weg zum Kongresszentrum Yuma. Die Blondine hatte sich herausgeputzt, jedes Model würde bei diesem Anblick vor Neid erblassen. Fireballs Freundin hatte sich in ein schlichtes, aber atemberaubendes Kleid gepackt. Es lag hauteng an ihrem Körper an, bis zu den Hüften, von dort aus wurde es ausladend. Ohne gewusst zu haben, was Fireball an diesem Abend tragen würde, hatte sich April ein rotes Kleid gekauft. Es hatte sogar den selben Farbton, den Fireballs Hemd hatte.
 

Wie zu erwarten, wurden die beiden am Eingang zum Kongresszentrum schon ungeduldig empfangen. Sie waren die letzten gewesen. Ein beträchtliches, kleines Grüppchen stand vor dem Einlass und wartete nur noch auf die beiden. Colt hielt die schwangere Robin im Arm, damit sie nicht allzu viel fror. Er war der erste, der auf die beiden aufmerksam wurde. In dem Trubel hätte man sie leicht übersehen können, doch Colt hätte sie unter Tausenden wieder gefunden. Sobald Fireball und April in Hörweite waren, machte er seinem Frust Luft: „Hey, ihr zwei! Wenn ihr das nächste Mal nicht voneinander lassen könnt, ruft uns wenigstens vorher an, damit wir uns hier nicht die Beine in den Bauch stehen müssen. So muss ich dem Babysitter eine Stunde mehr bezahlen, als ich hätte müssen.“

Der Kuhhirte grinste übers ganze Gesicht. Auch er trug einen Anzug, allerdings eher in Wildwestmanier. Es sah nicht ganz so vornehm aus, wie der schwarze Zwirn des Rennfahrers, aber für Colts Verhältnisse war er fein gekleidet.

Als Robin die glühenden Ohren bemerkte, stieß sie ihrem Mann leicht in die Rippen. Der brauchte noch nicht mal „Hallo!“ zu sagen, da bekamen Fireball und April schon Farbe im Gesicht. Seit die Beziehung zwischen den beiden ehemaligen Star Sheriffs hochoffiziell war, machte sich ihr Liebster am laufenden Band darüber lustig und zog die beiden damit auf. Die blonde Lehrerin begrüßte April und Fireball lieber mit einer herzlichen Umarmung.

April umarmte die gute Freundin und erklärte den Freunden dabei: „Der Kerl war den ganzen Tag unterwegs und hätte es beinahe nicht geschafft.“

Saber und Laura schmunzelten. Das konnte man sich nur schwer vorstellen, immerhin hatte Fireball weder Job noch Gesundmeldung. Was sollte er denn schon den ganzen lieben Tag treiben, überhaupt an einem Samstag? Und dann auch noch an seinem Geburtstag? Den würde er wohl mit April verbringen. Der Schotte straffte sein Sakko der highländischen Tracht und schielte zur Blondine hinüber. Nein, da war es schon wahrscheinlicher, dass April nicht aus dem Bad gekommen war, so atemberaubend, wie sie an diesem Abend aussah. Sie hatte sich schick gemacht für diesen besonderen Abend.

Lachend traten die Freunde schließlich in die riesigen Hallen. Die erste Geburtstagsüberraschung stand am Tisch der Freunde. Saber und Colt hatten hinterrücks Seiji und Sarah angerufen und sie ebenfalls eingeladen. Es war das erste Fest nach den schweren Tagen für alle und deshalb sollte es auch ausgiebig und mit allen Freunden und Bekannten gefeiert werden.

Die beiden Japaner fanden sich schnell in der Runde zurecht, sie kannten immerhin alle mittlerweile. Seiji hatte sich mit Sarah freiwillig neben Colt und Robin gesetzt. Der hoch gewachsene Japaner versetzte Colt einen fiesen Kommentar nach dem anderen. Alleine schon, dass Robin schwanger war und, wie Seiji kurz darauf von Laura gesteckt bekommen hatte, Zwillinge erwartete, erheiterte den Polizisten ungemein. An der runden Tafel wurde den ganzen Abend über gelacht, die Zeit verging wie im Flug. Natürlich kam man nicht umhin, Fireball alle heiligen Zeiten nach dem Grund dieser Gala zu fragen. Aber mehr als „Die Party schmeißt Mitsubishi und Scott hat mich gefragt, ob ich auch komme.“ bekamen Saber und die anderen nicht zu hören.

Wenige Minuten bevor der Höhepunkt des Abends erreicht war, verschwand Fireball mit der Entschuldigung, noch mal dringend wohin zu müssen. Colt scherzte wieder übermütig, Fireball würde noch die große Überraschung verpassen, wegen derer sie alle gekommen waren. Mit einem spitzbübischen Lächeln stand der kleine Japaner auf und verließ den Saal.
 

Um fünf vor zwölf wurden alle Gäste von Scott aufgefordert, sich bitte warm anzuziehen und ihm nach draußen zu folgen. Kopfschüttelnd nahm Colt seine Robin an der Hand und bestätigte seinen Freunden: „Was hab ich gesagt? Unser kleiner Aushilfsfahrer verpasst das Beste am ganzen Abend.“

Saber nahm Laura an der Hand und führte auch April galant nach draußen. Er korrigierte seinen Kumpel lächelnd: „Er wird schon auftauchen. Sollte doch sogar Fireball auffallen, dass der Saal menschenleer ist.“

Der dritte Mann im Bunde informierte die Freunde aus Yuma: „Er hat bei der Kripo gearbeitet. Soviel Auffassungsgabe sollte Shinji dann doch noch haben.“

Auf dem Gang begegneten sie noch einmal Scott, der die Bande einfach mit sich zog und durch die ganze Gesellschaft lotste. Er platzierte Fireballs Freunde direkt an einer Absperrung, die den Gehweg von der Straße trennte. Keiner wusste, was gespielt wurde, aber Scott versicherte ihnen, dass sie hier den besten Ausblick haben würden, worauf auch immer.

Sie sahen sich aufmerksam um, April drehte sich immer wieder zum Eingang um Fireball vielleicht doch erspähen zu können, der würde sie in dieser Menschenmenge niemals sehen. Ein ganzer Straßenabschnitt war vor dem Kongresszentrum gesperrt worden. Wenn Saber sich das so betrachtete, glaubte er sogar, dass die Straße rund um das Kongresszentrum und die umliegenden Häuser gesperrt worden war. Der Schotte zählte die Fakten gedanklich zusammen. Sie befanden sich auf einem Fest eines großen Automobilkonzerns und vor ihnen befand sich purer Asphalt, der für jeden Verkehr gesperrt worden war. Das roch nach einer Autopräsentation der besonderen Art. Und Fireball würde das Spektakel verpassen! Ausgerechnet der Turbofreak in der Runde fehlte und sie, die alle nichts mit Autos am Hut hatten, würden den Flitzer begutachten können. Saber schmunzelte, Fireball musste an seinem Timing noch einmal feilen, wenn er es sich genauer überlegte.

Die Beleuchtung des Kongresszentrums hinter ihnen wurde dezenter. Plötzlich sah man, was man vorher aufgrund der starken Lichter nicht gesehen hatte und was am Beginn des Abends noch nicht da gewesen war. Entlang des gesperrten Straßenabschnittes hing eine Lichterkette aus roten und weißen Lampions und tauchte die Straße in seltsames, aber angenehmes, Licht. Die Uhr schlug Mitternacht und eine einzelne Rakete sauste in den Nachthimmel. Sie platzte mit einem lauten Knall und schillernder Goldregen hob sich von der schwarzen Nacht.
 

Seine rechte Hand strich behutsam über das Dach des schwarzen Wagens, als er an der Beifahrerseite entlang von vorne nach hinten ging. Der Lack war glatt, das Auto hatte noch keinen einzigen Kratzer. Es war unberührt. Fast. Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen umrundete er das Heck des Autos. Er bückte sich leicht, immer noch die rechte Hand leicht am Wagen. Vier Auspuffe, immer noch. Der Heckspoiler hob sich breit von der Heckklappe ab und verkündete, wie der Wagen gefahren werden wollte. Nämlich zügig und am Besten ordentlich riskant. Er würde auf der Straße kleben, wenn der Fahrer keine Fehler machte. Die roten Buchstaben auf der Heckscheibe verkündeten immer noch seinen Spitznamen. Fireball. Der ehemalige Rennfahrer schmunzelte leicht. Der Feuerball in ihm hatte lange schon nicht mal mehr einen Glutstock gehabt, geschweige denn dass er gebrannt hätte. Sein sprühender Elan und sein Drang nach Neuem und nach Fortschritt waren lange nicht da gewesen. Beinahe hätte er diese Seite an sich verloren, die ihn doch viele Jahre so geprägt und begleitet hatte. Sein Spitzname hatte ihn jahrelang treffender als alles andere beschrieben. Ein Wort, das seine Persönlichkeit so präzise auf den Punkt genau gebracht hatte. Er war ein Feuerball gewesen. Ein brennender, lodernder Punkt, voller Leidenschaft. Er hatte das Leben geliebt. Auch nun empfand er endlich wieder Freude an seinem Dasein, aber das war nicht immer so gewesen.

Fireball strich mit den Fingerspitzen über die silbernen Kanjischriftzeichen auf der Seite des Wagens. Sein Name. Der Name, dem ihm seine Eltern gegeben hatten, weil sie ihn passend gefunden hatten. Er war nach seinem Vater benannt worden. Aber war er wirklich würdig, den Namen seines Vaters zu tragen? Doch melancholisch senkte Fireball daraufhin den Blick. Ob seine Eltern stolz auf ihn wären? Immerhin bedeutete die sinngemäße Übersetzung seines japanischen Namens Neuanfang. Und darin war Fireball unschlagbar. Irgendwie hatte er es immer wieder geschafft, sich aufzuraffen, einen Neuanfang zu wagen. Und dieses Mal schien es auch geklappt zu haben. Fireball lebte in Yuma, zusammen mit der Frau, die er liebte, bei den Freunden, die ihn respektierten und ihn schätzten. Fireball hob die braunen Augen wieder an. Seine Eltern hatten allen Grund stolz auf ihn zu sein. Der junge Japaner brauchte sich nicht zu verstecken. Er hatte soviel Gutes getan in den letzten Jahren, und nun war er auch wieder im Begriff in den Dienst der guten Sache zu treten. Sie wären stolz auf ihn, ganz sicher.

Mit einem tiefen Seufzen schritt er weiter. An der Frontscheibe linste er kurz in den Wagen hinein, er wollte die Fahrgestellnummer sehen. Nach der Buchstabenkombination und vielen Nullen kam endlich, als letzte Ziffer, eine Eins zum Vorschein. Es war der erste Wagen dieser Serie, der im Werk vom Band gelaufen war. Das erfüllte Fireball mit Freude. Er stand vor dem ersten Serienwagen, der seinen Namen trug, und würde diesen auch noch herzeigen dürfen. Beim Autokonzern, wie auch bei Scott, war Fireball noch immer hoch im Kurs. Sie schätzten ihn als guten Mitarbeiter, durfte sich noch alle Freiheiten herausnehmen, auch, wenn er schon längst kein Angestellter mehr war. In manchen Bereichen hatte er sogar mehr Befugnisse als ein anderer Mitarbeiter. Vor allem was die Testfahrten betraf. Fireball hatte ohne weiteres für den Konzern Autos testen dürfen, vor allem diejenigen, die für den Renngebrauch entwickelt wurden, auch ohne Lizenz. Sie hatten immer Wege gefunden ihn fahren zu lassen. Er würde seiner Firma immer treu bleiben, das wusste Shinji mit einem weiteren Blick auf die Fahrgestellnummer. Es würde ihn immer wieder auf die Rennstrecke treiben, wenn auch nicht mehr beruflich.

Shinji fühlte sich geehrt, an diesem Abend den Wagen präsentieren zu dürfen. Auf der Erde gab es das Model schon einige Zeit auf dem freien Markt zu kaufen, aber in Yuma wurde er erst mit diesem Galaabend offiziell vorgestellt und zum Verkauf angeboten. Scott war freudestrahlend auf ihn zugekommen und hatte ihn gebeten, das zu übernehmen. Es würde so gut passen, hatte er gesagt. Wenn der gute alte Scott nur mal gewusst hätte, wie gut es tatsächlich passte, hätte er sich gar nicht mehr halten können. Der alte Rennleiter von Fireball hatte die Präsentation sogar extra zwei Wochen vorverlegt, nachdem er die fixe Zusage von Fireball gehabt hatte und gesehen hatte, dass dessen Geburtstag auch anstand. Der Abend sollte unvergesslich werden, für alle.
 

„Die brauchst du noch“, Fireball wurde ein Schlüsselbund vor die Nase gehalten.

Verwundert blickte er auf. An die Wagenschlüssel hatte er gar nicht mehr gedacht. Als er dem Arm folgte und schließlich an Chris’ Gesicht stoppte, war die Verwunderung noch größer. Wie kam der ehemalige Freund und Kollege an die Schlüssel für einen Konkurrenzwagen? Verblüfft griff Fireball nach den Schlüsseln, sehr vorsichtig und bedacht, und bedankte sich perplex beim Überbringer: „Äh… Danke.“

Chris zog die Hand langsam zurück. Tatsächlich war die Situation zwischen ihm und Fireball etwas seltsam. Beide hatten eine distanzierte, abwartende Haltung eingenommen. Keiner von beiden wusste, wie er sich richtig verhalten sollte. Sie waren vor ewigen Zeiten mal gute Freunde gewesen, sehr gute sogar. Was war daraus geworden? Aus teaminternen Konkurrenten waren private geworden. Hatten sie mit den beruflichen Reibereien auch gut umgehen können, es war für beide nie persönlich gewesen, so waren sie an den privaten Herausforderungen schließlich gescheitert. Niemals hätte Chris gedacht, dass eine einzelne Frau zwei gute Freunde auseinander bringen könnte. Aber es war gelungen, mit Leichtigkeit sogar. Das Mädchen hatte das noch nicht einmal beabsichtigt, und trotzdem. Sie hatte es locker hingekriegt.

Der Rennfahrer war nicht besonders stolz darauf. Weder darauf, unter welchen Umständen er sich mit April eingelassen hatte, noch wie schädlich es ihrer Freundschaft gewesen war. Chris hatte immer gewusst, welche Gefühle sowohl Fireball als auch April füreinander hegten. Er hätte ahnen müssen, dass er den Japaner nicht ersetzen konnte. Und Chris hätte auch erkennen müssen, dass April bei der ersten Chance versuchen würde, herauszufinden, ob ihre Gefühle für Fireball nur ein Traum, eine Täuschung gewesen waren. Seine eigenen Gefühle hatten alles überdeckt. Er schenkte Fireball einen entschuldigenden Blick. Chris hatte sich zuerst zwischen die beiden gedrängt, seine Beziehung zu April war von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Aber auch das war nicht unbedingt tröstlich. Er war betrogen worden. Von der Frau, die er geliebt hatte und mit dem Kerl, der einmal sein bester Freund gewesen war.

Chris konnte nachvollziehen, weshalb sich Fireball so unsterblich in April verliebt hatte, aber er sah auch ein, dass seine Gefühle für die Blondine nicht ganz so tief sitzend waren, wie die des Japaners. Er war von Anfang an auf verlorenem Posten gestanden. Aber zumindest war die Zeit schön gewesen, die er mit April hatte verbringen können. Das war das einzige, was Chris Fireball voraus hatte. Das konnte der kleine Rennfahrer nämlich nicht behaupten, der hatte mehr als genug schlechte Zeiten mit April gehabt.

„Scott hat mich geschickt“, brachte Chris schließlich hervor. Ihm spukte ihr letztes Aufeinandertreffen noch im Kopf rum. Fireball hatte sich entschuldigt, war aufrichtig gewesen. Etwas, was Chris dem Rennfahrer immer wieder abspenstig machen wollte. Aber dieses Mal war er es gewesen. Fireball hatte seine Fehler eingestanden, auch zugegeben, dass er an dieser Männerfreundschaft nach wie vor hing. Und was hatte er getan? Blind vor Wut und gekränkt hatte er den Japaner angebellt. Nun tat es dem Profirennfahrer leid und er hatte gelernt. Deswegen war er nun auch hier in der Tiefgarage, nicht nur weil Scott ihm die Schlüssel für das Baby in die Hände gedrückt hatte.

Fireball indes stand ein Fragezeichen nach dem anderen ins Gesicht geschrieben. Scott hatte den alten Freund geschickt? Also, irgendwas war ohne Zweifel in den letzten zwei Wochen passiert. Fireballs letzter Stand der Dinge war, dass Chris für einen fremden Rennstall seine Runden drehte und de facto nicht mehr daran interessiert war, bei Scott wieder anzufangen. Da hatte auch das Angebot, das Fireball ihm unterbreitet hatte, nichts helfen können. Unschlüssig drückte Fireball auf den Schlüssel und entriegelte das Fahrzeug. Die xenonbestückten Blinker leuchteten zwei Mal kurz hintereinander durch das orange Klarglas auf. Fireball griff nach der Fahrertür und öffnete sie leicht. Er war sich absolut nicht sicher, was das plötzliche Auftauchen von Chris zu bedeuten hatte. Schmerzlich erinnerte er sich an die letzten Begegnungen mit dem Freund. Alle waren sie im Streit auseinander gegangen. Zuletzt in der Boxengasse. Chris hatte keine Lust mehr gehabt, sich Fireballs Entschuldigung anzuhören und war gegangen.

Fireball lehnte sich gegen die offene Fahrertür und legte den Kopf darauf. Er musterte den braunhaarigen Kollegen. Seit seiner Erklärung, Scott hätte ihn geschickt, hatte er nichts mehr verlauten lassen. Es war seltsam, soviel stand allemal fest. Fireball deutete mit dem Kopf leicht nach oben, zu den Feierlichkeiten und lächelte leicht: „Was machst du eigentlich hier? Betriebsspionage?“

Chris schüttelte grinsend den Kopf. Der kleine Hobbyrennfahrer vor ihm konnte doch glatt immer noch Scherze machen. Es ermutigte Chris, denn Fireballs Tonfall war nicht unterkühlt oder abwertend gewesen, das hätte man dem Japaner sofort angehört, weshalb er nun davon ausging, dass Fireball sich sehr wohl über den unerwarteten Schlüsseldienst freute. Er ging auf die offene Fahrertür zu und lehnte sich mit dem Becken gegen den Kotflügel. Bedächtig verschränkte er die Arme vor der Brust und antwortete schließlich: „Nein, Geschäftsessen. Zumindest nennt Scott das halblustige Besäufnis da oben so.“

Die beiden Männer konnten sich das Lachen kaum verkneifen. Sie sahen sich kurz an und grinsten übers ganze Gesicht. Scott würde es nie im Leben lernen. Obwohl er mittlerweile beinahe so alt war, wie Chris und Fireball zusammen, ging er bis in die frühen Morgenstunden feiern und verkaufte das seinen Bossen im Konzern auch noch als Geschäftsessen. Dass dieser Abend sowieso kein richtiges Geschäftsessen war, konnten sich die Bosse ohnehin denken. Aber wann würden sie wieder die Gelegenheit für so viel Publicity finden? Während Fireball den Kopf senkte und in den Wagen hineinlinste, stieß sich Chris wieder vom Wagen ab.

Unvermittelt platzte es aus ihm heraus: „Happy Birthday, Shinji“, Chris drehte sich um und schritt wieder Richtung Ausgang davon, als er sich von Fireball verabschiedete: „Fahr vorsichtig mit dem Ding und lass dich wieder öfter auf der Strecke blicken, Kumpel.“

Egal, was es nun gewesen war, Fireball hatte keine Zeit mehr gehabt um zu reagieren. Von den Glückwünschen komplett überfahren, stand er noch neben dem Wagen, als Chris sich längst schon wieder unters Volk gemischt hatte. Der Japaner wusste nicht, wie er Chris’ Worte zu werten hatte, sie waren viel zu plötzlich gekommen. Er starrte in die Richtung, in die Chris gegangen war. Sein Gefühl sagte ihm, dass ein Freund gegangen war, kein Bekannter. Erst als Fireball den Krach der ersten Rakete vernahm, stieg er ein und startete den Wagen.
 

Die Herren der Schöpfung machten sich mittlerweile lautstark über den fehlenden Freund lustig. Er würde definitiv was verpassen, was ihm Spaß gemacht hätte. Denn nicht nur Saber, sondern auch Seiji hatte die Fakten zusammenzählen können und war auf die Überraschung gespannt. Colt schloss Robin fester in seine Arme und spöttelte ganz offen: „Mensch, ehrlich. Den Kasten auf vier Rädern hätten sie auch drinnen herzeigen können. Da hätte man wenigstens was gesehen, aber hier ist ja zappenduster.“

Laura schmunzelte und griff vorsichtig nach Sabers Hand. Auch für sie und den edlen Recken hatte sich in den letzten Wochen und Monaten viel verändert. Nach Sabers Suspendierung war auch die Scheidung ins Haus geflattert. Es war schwer für Saber gewesen, diesen Umstand zu akzeptieren, aber mittlerweile war er geschieden. Synthia war mit Matthew aus der Stadt weggezogen, sie hatte im gemeinsamen Haus nicht bleiben wollen. Sie wohnte nun außerhalb von Yuma, in einer guten Stunde war sie zu erreichen. Der Schotte holte seinen Sohn immer noch jedes Wochenende ab. Während seiner Suspendierung hatte er Matthew streckenweise sogar eine Woche am Stück bei sich gehabt. So stur Synthia auch gewesen sein mochte, sie hatte doch eingesehen, dass das gemeinsame Sorgerecht das Beste für ihr Kind war.

Die kleine Asiatin stupste Colt kurz an und schüttelte den Kopf. Sie musste ihn einfach berichtigen, auch, wenn sie nicht wusste, weshalb sie hier draußen standen: „Du würdest auch bei Festbeleuchtung im Saal noch nix erkennen. Sie haben bestimmt etwas Tolles vorbereitet, Colt. Das weiß ich.“

Doch auch damit gab sich Colt nicht zufrieden. Er grummelte gespielt weiter, als er mit einer Hand auf die Straße vor sich deutete: „Was wollen die da groß vorbereiten? Ein Kasten, vier Räder, Licht drauf und fertig. Maximal kann das Ding da lilablassblau sein, aber das ist dann schon das höchste der Gefühle.“

Das Grinsen, das Colt zur Schau trug, wurde mit jedem Wort hinterhältiger und fieser. Die Freunde schüttelten dieses Mal kollektiv den Kopf. Irgendwie hatte Colt sogar Recht, so besonders konnte der neue Wagen eigentlich nicht sein. Aber das verkniffen sich die Freunde zu erwähnen, sonst hätte sich Colt auch noch in seiner Argumentation bestätigt gesehen. Sie genossen lieber die heitere und ausgelassene Stimmung.

Ein Lichtkegel blendete die sieben. Alle kniffen die Augen zusammen und blinzelten zur Lichtquelle. Noch ehe sie etwas erkennen hätten können, hörten sie Reifen quietschen. Jemand driftete mit dem Auto gekonnt um die Kurve.

Als Colt endlich wieder genug ausmachen konnte, maulte er lachend: „Jetzt ist der Kübel auch noch schwarz wie die Nacht. Also echt, ich geh sofort wieder rein, das war die Zeit nicht wert, die wir uns hier den Hintern abgefroren haben.“

Aber Colt bewegte sich nicht, der rührte sich noch nicht einmal. Die Katzenaugen und die kugelrunden Nebelscheinwerfer leuchteten die Straße davor präzise aus. Und irgendwie gefiel Colt die Form der Scheinwerfer doch, vor allem aber, weil sie gut zum Kühlergrill passten. Ganz so simpel gestrickt war der Wagen nicht, wie er vorhin gegaukelt hatte.

Auch die anderen konnten den Blick nicht loseisen. Laura, Seiji und Sarah glaubten, den Wagen schon einmal gesehen zu haben. Sie tauschten ahnungsvolle Blicke aus. War der Sohn von Hiromi deswegen nicht mehr zu finden? Jetzt zeichnete der Wagen auch noch exakte Kreise in den Boden. Der Fahrer hatte sichtlichen Spaß an seinen Fahrmanövern, die nicht immer ganz ungefährlich waren.

Unbewusst krallte April ihre Finger ins Kleid. Ein ungutes Gefühl überkam sie plötzlich. Oft hatte sie im Kampf ähnliche Fahrmanöver gesehen. Genauso exakt ausgeführt, wie diese vor ihnen. Der Blondine pochte das Herz bis zum Hals, ihr Puls raste und Angst kroch in ihr unaufhörlich hoch. Irgendwann musste sich April wegdrehen, weil ihr vor Angst die Tränen in die Augen stiegen. Ihre Vermutung durfte sich nicht bewahrheiten. Nicht jetzt.

Saber bestaunte die Genauigkeit und das Können, das der Fahrer an den Tag legte. Ein solcher Wagen war bestimmt nicht leicht zu kontrollieren, die unbändige Kraft konnte man dem ungeduldigen Schnurren des Motors deutlich entnehmen, da brauchte man sich noch nicht mal für Autos zu interessieren. Saber hielt Lauras Hand etwas fester, denn nun drängten hinter ihnen immer mehr Menschen nach vor, er wollte sie nicht in dem Gewirr verlieren.

Schließlich hielt der Wagen direkt vor ihnen an. Pechschwarz und muskulös versprühte das Auto Kraft und Ungeduld. Nun konnte man seitlich die japanische Aufschrift lesen und die Haifischkiemen bewundern. Die drei Japaner im Bunde tauschten noch einmal kurze Blicke aus und nickten. Den Wagen kannten sie wirklich schon. Ihnen stellte sich die Frage nicht mehr, wer hinter dem Steuer sitzen könnte.
 

Scott quetschte sich zwischen ihnen hindurch auf den Wagen zu. Blitzlichtgewitter begleitete den Rennsportleiter auf seinem Weg. Jeder wollte ein Foto von dem Auto schießen. Am nächsten Tag würden alle Zeitungen von diesem Event berichten. Egal, ob im Sportteil oder im Kulturteil, Scotts Strategie war aufgegangen. Er platzierte sich neben der Fahrertür und richtete einige Worte an die Gesellschaft: „Meine Damen und Herren! Jetzt, um kurz nach Mitternacht, erfahren Sie endlich, weshalb wir uns heute zusammengefunden haben und was wir feiern. Aber nicht nur dieses Baby hier hat Geburtstag, auch sein Fahrer feiert heute sein Wiegenfest. Er war der jüngste Champion aller Zeiten, unser bester Fang. Er feiert heute nicht nur Geburtstag, sondern auch sein Comeback“, Scott grinste breit und machte einen kleinen Scherz: „Sie merken schon, uns genügt ein Grund zu feiern noch nicht. Unser Punktelieferant mag zwar ein Jahr älter geworden sein, aber deswegen noch lange nicht klüger. Und auch nach einer ewig langen Zwangspause“, der Rennleiter öffnete nun die Wagentür und bat Fireball, auszusteigen: „kein Bisschen langsamer!“

Fireball lehnte sich an die offene Wagentür und strahlte übers ganze Gesicht. So unbeschwert und glücklich war er lange nicht gewesen, das sah man ihm auch an. Gelöst und locker posierte er für einige Fotos, sein Blick ging dabei auch immer auf seine Freunde, die den Mund nicht mehr zubekamen. Alleine für diesen herrlichen Anblick hatte sich die Geheimniskrämerei der letzten Wochen schon wieder gelohnt. Und das Beste würde erst noch auf sie zukommen.

Für einige Momente brachte keiner der Freunde ein Wort heraus. Auch die Gäste aus Fernost nicht, obwohl die schon damit gerechnet hatten, dass Fireball hinter dem Steuer des Wagens sitzen würde. Auch für sie war es dann doch etwas überraschend gekommen. Sie hatten eher damit gerechnet, dass Fireball auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte.

Endlich fand Saber die richtigen Worte für das, was wenige Meter vor ihnen passierte. Ungläubig blickte er auf seinen Freund, der ihm in den letzten Wochen eine große Hilfe gewesen war. Wüsste man nicht, was Fireball in seinem Leben bereits widerfahren war, man würde es niemals glauben. Mit großen Augen kommentierte Saber: „Als ob er nie halbtot gewesen wäre.“

„Als ob er nichts dazugelernt hätte“, Robin drückte ihrem Mann den Mund wieder zu, der kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Sie schenkte Saber einen verständnislosen Blick. Was Fireball da nun wieder fabriziert hatte, war hochgradig leichtsinnig gewesen. Die schwangere Lehrerin richtete ihr Augenmerk auf die Freundin des Hitzkopfes. Betrübt schüttelte sie den Kopf. April war anzusehen, wie sie sich fühlte.

Commander Eagles Tochter stand dort, neben ihren Freunden und zitterte wie Espenlaub. Sie versuchte krampfhaft, das Zittern abzustellen, aber es gelang ihr nicht. Ihre blauen Augen hingen an Fireball und dem Wagen. Weshalb um alles in der Welt hatte er wieder eine solche Dummheit begehen müssen? Ja, es war nichts passiert, aber was wäre gewesen, wenn ihm der Wagen aus irgendeinem Grund ausgebrochen wäre? April senkte den Blick zu Boden, sie konnte Fireball nicht länger ansehen. Er war glücklich, aber zu welchem Preis? Sie hatte das Gefühl, Scott hätte Fireball da irgendwie hinein geritten.

Der pensionierte Rennfahrer rutschte von der Motorhaube hinunter und stolperte zu seinen Freunden hinüber. Er griff sofort nach April, er wollte sie halten, sie spüren, dann wäre alles perfekt. Doch diese zog augenblicklich ihre Hand wieder weg und ging einen Schritt zurück. Ihre Angst entlud sich in Zorn.

Noch bevor Fireball ein Wort herausgebracht hätte, grummelte April ihn aufgebracht an: „Ich hoffe, du hast dein Testament gemacht.“

Irritiert fuhr der Rennfahrer ein Stück zurück. Offenbar hatte er April einen riesigen Schrecken eingejagt. Aber das konnte seine Laune nicht trüben. Fireball lächelte seine Freundin unschuldig an: „Weshalb sollte ich?“

Fireball wollte austesten, wie weit seine Freunde im Augenblick noch eins und eins zusammen zählen konnten. Alle, nicht nur April, sahen Fireball verständnislos an. Dabei hatten sie ihn die letzten Wochen immer wieder gelobt, dass er vernünftig geworden wäre. Konnten sie sich denn nicht denken, weshalb er, gerade er, den Wagen vorgestellt hatte?

April deutete auf den rabenschwarzen Wagen vor ihnen und giftete Fireball an. Ihre Sorge in der Stimme war trotz ihrer gereizten Stimmung nicht zu überhören: „Weil ich dich gleich da drunter schubs. So tief kann der gar nicht sein, dass ich dich da nicht drunter kriegen würde. Wie kannst du nur so leichtsinnig sein, Shinji?!“

Fireball biss sich auf die Lippen, damit er nicht zu lachen anfing. Das hätte April nur noch wütender gemacht. Auf ihrem Nasenrücken kräuselten sich viele kleine Fältchen, sie sah irrsinnig niedlich aus. Doch das durfte Fireball nicht anspornen, sie noch weiter auf die Palme zu bringen. Er durfte ihr keinen Grund geben, böse auf ihn zu sein, das wollte er nicht. Aber ein klein wenig aufziehen war noch drin. Der Japaner drehte sich dem Wagen wieder zu und hob unschuldig lächelnd die Schultern an: „Wieso leichtsinnig?“

Nun griff Saber alarmiert ein. Er konnte die Tränen deutlich in Aprils Augenwinkeln blitzen sehen, das übersah der Heißsporn gerade geflissentlich. Und vor allem stand Saber auf Aprils Seite. Rational betrachtet, war das gerade nicht nur gefährlich, sondern lebensmüde gewesen, das musste sogar Fireball einsehen. Der Schotte hob verständnislos und kopfschüttelnd den Arm und deutete ebenfalls auf das Sportgefährt. Seine Stimme klang fest und tadelnd, wie die eines Vaters: „Wieso nicht? Ohne ärztliche Zustimmung? Ohne Fahrerlaubnis? Fireball, was ist nur in dich gefahren?“

An diesem Punkt entschied sich Fireball, klein bei zu geben. Seine Freunde machten sich alle Sorgen, deshalb trieb er es mit seinen Scherzen nicht auf die Spitze. Beschwichtigend hob Fireball beide Hände vor die Brust und tat, als ginge ihm ein Licht auf: „Ach so ist das!“, ohne auf weitere Vorwürfe zu warten, stapfte Fireball wieder davon. Es dauerte seine Zeit, bis er von den Fotografen wegkam und endlich die Beifahrertür des Wagens aufbekam. Vom Sitz nahm er einige Unterlagen, die vorhin nicht freiwillig mitgegangen waren, hoch, und drängte sich wieder zu seinen Freunden zurück. Breit grinsend drückte Fireball seinem ehemaligen Vorgesetzten schließlich eine kleine Scheckkarte in die Hände, der Kuhhirte bekam eine andere zum Studium gereicht.

Erstaunt beäugte Saber die Karte, auf dem ein Foto von Fireball abgebildet war. Laut las er den anderen die Daten, die auf der Scheckkarte aufgedruckt waren, vor. Erst nachdem Saber die Karte noch einmal genau unter die Lupe genommen hatte, brachte er erstaunt hervor: „Das ist… ein Dienstausweis für die Polizeidirektion Yuma City.“

„So ist es!“, Fireball konnte nicht aufhören, vor sich hin zu lachen. Es war eindeutig der beste Tag seit langem. Nun forderte er Colt auf: „Und, was steht auf deiner Karte, Kuhhirte?“

Colt drehte und wendete das Kärtchen, das ihm Fireball in die Hände gegeben hatte und runzelte dabei grüblerisch die Stirn. Die Schriftzeichen konnte er nicht ausmachen, zumindest nicht die auf der Vorderseite. Sicher war, dass Fireballs krakelige Unterschrift auf dieser Karte war. Anders konnte Colt Fireballs Haken nicht beschreiben. Der Japaner unterzeichnete seit geraumer Zeit wieder in japanischen Schriftzeichen und das konnte Colt noch nicht mal als moderne Kunst anerkennen. Das da auf der Karte konnte alles sein, von einem verunglückten Strichmännchen bis hin zu einer höheren Kalligraphieform. Die Daten auf der Vorderseite der Karte waren durchnummeriert und als Colt das Plastikdingens umdrehte, konnte auch er entziffern, was es mit dem Ding nun auf sich hatte. Zwei, nein drei Mal, musste Colt die Bedeutung der Nummern lesen, bis er es endlich begriffen hatte. Mit ordentlich Schmackes warf er Fireball schließlich die Karte vor die Brust, die dieser behände auffing. Er fuhr Fireball aufgebracht an: „Eine Rennlizenz! Wen in Dreiteufelsnamen hast du bestochen, um die zu kriegen?!“

Fireballs Augen strahlten. Noch immer hatten seine Freunde nicht verstanden. Normalerweise waren die nicht so schwer von Begriff. Er dürfte sie alle ordentlich aus dem Konzept gebracht haben. Mit einem schelmischen Augenzwinkern bestätigte er Colt: „Den Arzt natürlich.“

April blitzte Fireball daraufhin wütend an. Sie krallte ihre Finger wieder ins Kleid und versuchte sich ihre Emotionen nicht anmerken zu lassen. Empört stellte sie klar: „Ich hoffe für dich, dass das ein Scherz war, Fireball.“

Nicht auszudenken, wenn ihr Schatz in der Hinsicht auch noch die Wahrheit sagen würde. Wenn der Arzt sich wirklich von Fireball bestechen hatte lassen, dann sollte er sofort seinen Job verlieren. Er konnte doch nicht für ein paar Mäuse das Leben seiner Patienten aufs Spiel setzen.

Während die Freunde aus Yuma die Zeichen nicht deuten konnten, begannen die drei Japaner von einem Ohr zum anderen zu strahlen. Seiji nahm Sarah fester in den Arm und drückte sie kurz. Er sah ihr in die Augen und lächelte dabei. Beide freuten sich für den Freund. Laura hingegen riss sich von Sabers Hand los und umarmte Fireball stürmisch. Es war normalerweise nicht ihre Art, ansonsten war Laura eher zurückhaltend, aber als ihr endlich klar wurde, was die zwei Ausweise zu bedeuten hatten, konnte sie sich nicht mehr halten. Sie fiel ihm neben April und den anderen um den Hals, wie in alten Zeiten. Die schlanke Japanerin drückte ihn herzlich und jubelte: „Ich freu mich so für dich, Shinji-kun!“

Viel blieb den Freunden nicht mehr übrig, außer verwunderte Gesichter zu machen. Saber beobachtete mit gemischten Gefühlen, wie stürmisch Laura dem Hitzkopf um den Hals gefallen war. Sie riss ihn ja beinahe von den Beinen und irgendwas musste er verschlafen haben. Es konnte doch nicht gut sein, wenn Fireball wieder in den Rennbetrieb eingegliedert wurde. Laura musste hier etwas ganz anders verstanden haben. Saber blickte in die Gesichter seiner Freunde. Auch die guckten ähnlich verwundert und auch überfordert. Keiner von ihnen schien verstanden zu haben, was das alles zu bedeuten hatte.

Colt schielte zwischen April und Fireball umher. Und immer wieder mal lugte der Viehtreiber auch zu dem schwarzen Ungetüm hinüber. Das war doch dämlich und obendrein gefährlich. Er maulte den Freund doch noch einmal an: „Du versuchst dich wirklich mit aller Macht um die nächste Ecke zu bringen, was?! Das kannst du auch einfacher haben, Reifenschänder. Geh zum Oberkommando zurück.“

Fireball ließ Laura wieder los. Sein Gesichtsausdruck schwankte. Er war doch etwas enttäuscht, dass ihm seine Überraschung nicht gelungen war. Allen voran April hatte Angst um ihn. Er hatte sich krumm und dämlich darüber gefreut, dass er endlich wieder geregelte Bahnen einschlagen konnte und eine Aufgabe hatte. Fireball seufzte kurz. Er freute sich immer noch, um sich diese Lebensfreude wieder nehmen zu lassen, bedurfte es mehr, als einer Handvoll Freunde, die sich Sorgen machten. Noch dazu, wo sich alle unnötige Sorgen machten. Fireball strich seinen Anzug glatt und packte seine Ausweise in die Sakkotasche zurück. Nach einem kurzen Blick auf den Boden sah Fireball wieder auf. Mit dunklen, aber strahlenden Augen stellte er klar: „Punkt eins: Ich fange am Montag bei der Polizeidirektion von Yuma City als Inspektor an. Punkt zwei: Meine Rennlizenz hab ich ehrlich erstanden. Übrigens so wie meinen Führerschein. Das bedeutet nach Adam Riese was?“

Er ließ seine Augen kurz durch die Runde wandern, dann ergänzte er selbst: „Ich werde zwar nach wie vor piepsen, wenn ich durch die Sicherheitsschleuse am Flughafen will, aber ich bin kerngesund. Leute, ich wurde vergangene Woche für vollkommen gesund und diensttauglich erklärt! Ist das was oder ist das was?“

Seine Freunde blieben ihm eine Antwort schuldig. Zumindest mit Worten. April fiel ihm stürmisch um den Hals und schien ihn nicht wieder loslassen zu wollen. Freudig lächelnd erntete er von Colt und auch von Saber leichte Klapse auf die Schultern. Diese Gesten sagten mehr als tausend Worte. Sie waren froh und stolz. Und auch die Freunde aus Tokio teilten die Freude. Der kleine Pulk stand so nahe beisammen, jeder konnte den anderen in den Arm nehmen. Sie verschwanden beinahe in der Masse.

Zu Scott neben dem Wagen hatte sich in der Zwischenzeit Chris gesellt. Der ältere klopfte dem jüngeren auf die Schulter und nickte. Scott war froh, den braunhaarigen Rennfahrer wieder in seiner Talenteschmiede begrüßen zu können. Mit einem Zwinkern auf die Freunde, die neben dem Wagen standen, brachte Chris schließlich hervor: „Wer hätte das vor fünf Jahren noch für möglich gehalten?“

Scott lehnte sich gegen den Wagen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte gedankenverloren den Kopf: „Kämpfer. Alle, wie sie da stehen.“

Fireballs Rennleiter beobachtete noch eine ganze Weile, wie die Freunde sich freuten und langsam aber sicher ausgelassen zu feiern anfingen. Das Blitzlichtgewitter um sie herum nahmen sie nicht wahr. Sie freuten sich an ihrem Dasein und diesem unvergesslichem Moment. Mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen stieß sich Scott schließlich vom Wagen ab und schlug zusammen mit Chris den Weg in den Saal zurück ein, so wie es die meisten anderen Gäste ebenfalls taten. Schließlich blieben nur noch die Freunde zurück. Lachend, scherzend und ausgelassen feiernd.



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Kommentare zu dieser Fanfic (24)
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Von:  Sannyerd
2013-03-07T10:17:30+00:00 07.03.2013 11:17
Ein Tolles Ende!!
Ich mag diese FF sehr gerne.
Und juhuuu, Fire fährt wieder Rennen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Von:  Missie
2013-03-06T01:37:23+00:00 06.03.2013 02:37
Und ich bin sehr begeistert über das würdige Ende! Danke dafür
Von:  Missie
2013-03-06T01:00:34+00:00 06.03.2013 02:00
Omg. Ich habe gestern deine Ff. Wieder gefunden und nun hast du wirklich ein neues Kapitel on gestellt *_*
Von: abgemeldet
2009-06-14T08:41:28+00:00 14.06.2009 10:41
super super super!!!!!
spannend ohne ende, als ob man in der geschichte mit drin steckt!!
wann gibts denn das nächste kapi?? du musst unbedingt weiter schreiben, dein schreibstil ist einfach grandios!!



Von:  Sannyerd
2008-12-06T00:21:02+00:00 06.12.2008 01:21
wow, spät (also ich) ...aber besser als gar nicht *hehe*..ein Klasse kapi wieder!!!!
Von:  collie
2008-11-22T13:48:34+00:00 22.11.2008 14:48
Sister ...

bd

das gefällt ... *g*

Knuddels
Von:  Kittykate
2008-11-17T18:22:47+00:00 17.11.2008 19:22
Hallöle!
Also hab es endlich geschafft mich hier durchzulesen ;) und somit folgt auch gleich ein Kommi.

Schön, dass es langsam wieder besser wird. Synthia und Saber vielleicht können sie sich doch friedlich einigen? Und auch mit Fireball und seinem neuen Job...

*seufz* das freut mich... Mal sehen wie es weitergeht...

Schön, schön, schön und schön weiter so ;)
Von: abgemeldet
2008-11-17T18:20:57+00:00 17.11.2008 19:20
Colt als Reitlehrer, ohhhhhh nein, das ist ja lustig :-)
Süße, wieder ein tolles Kapitel.
Von:  collie
2008-11-14T10:26:55+00:00 14.11.2008 11:26
Man, Sister
... du reizt eine ganz schöne Palette an Emotionen aus. Immer wieder ... tja, bewegend ... *g* ... das hält keinen auf dem Stuhl und weckt Mordgelüste auf den Ausschuss. Einfach perfekt.

*knuddels*


Von:  Misano
2008-11-12T19:50:50+00:00 12.11.2008 20:50
kurze Kritik: Welche Sporttaschen packen Colt und Saber aus bzw. lassen sie im Flur fallen? Konnte Fire die beim Angriff von Ramrod retten?
Die sind doch eigentlich mit dem guten, alten Rammy verschmort, oder?

So, das war's dann auch mit der Kritik. Auch wenn ich zuerst dachte, nein, nicht wieder so ein Rumgeheule, es deutete sich ja schon mit der Trainingshosenaktion an, dass Fire damit Probleme haben würde. Schön, dass du die beiden zusammen ziehen lässt. Ein Hoffnungsstrahl am Horizont! Hoffentlich hab ich jetzt nicht irgendwas kommentiert, was erst im 2. Kapitel steht +_+


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