Vergessene Reiche von Teak-Wan-Dodo (Faerûns Helden) ================================================================================ Kapitel 1: Tharand Al´Rhun -------------------------- <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Die Pranken sich auf die Brustwunde drückend ging der Gnoll in die Knie. Das Monster verdrehte die Augen und kippte tot zu Seite. Er bekam nicht mehr mit, wie der gepanzerte Söldner an ihm vorbei in die Höhle seines Rudels schritt. Tharand Al´Rhun schob Drachenklinge zurück in die Scheide, während er in die Höhle schritt, in der sich ein Rudel blutrünstiger Gnoll niedergelassen hatte. Seit einigen Monaten überfielen die wolfähnlichen Humanoiden nahegelegene Siedlungen und Höfe und versetzten die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Die Bürgermeister der verschiedenen Siedlungen hatten ein großes Kopfgeld auf die Vertreibung des Rudels ausgesetzt. Al´Rhun hatte davon erfahren und war sofort in die Silbermarken aufgebrochen. Die Leute hatten schon von seinem Ruf, der Beste der Besten zu sein, gehört und ihn sofort mit der Aufgabe betraut. Wie hatte man auch nicht von Tharand Al´Rhun den Söldner hören können: Ein Mann, der in einer roten Drachenrüstung gewandet und schwer bewaffnet war, der in zahlreichen Schlachten gekämpft, böse Magier und Drachen erschlagen und dessen Gesicht kaum einer zu sehen bekommen hatte. Der Söldner war schon so etwas wie eine Legende. Die Leute erzählten sich die unmöglichsten Geschichten über den gepanzerten Söldner: Das er schon auf anderen Ebenen als Söldner gekämpft hatte, war wahr. Das er im Alleingang ganze Horden Ungeheuer und Dämonen niederstreckte, war nicht wahr. Nun, vielleicht nicht ganz. Doch er interessierte sich nicht für das Geschwätz der Leute. Er ging seinen Weg und das reichte ihm. Vorsichtig bewegte er sich vom Eingang einen langen Tunnel entlang, bevor er an einer Kreuzung angelangte. Er spähte durch das Visier seines Helms zu beiden Seiten und erspähte den Schein eines Feuers. Er schlich darauf zu, erzeugte trotz seiner Rüstung kein Geräusch dabei, das einen Feind alarmieren konnte. Um ein kleines Lagerfeuer herum saßen vier Gnolle, die einen Schlauch herumreichten. Sie waren in eine Unterhaltung vertieft, die aus Knurr- und Jaullauten bestand. Wahrscheinlich beglückwünschten sie sich für den erfolgreichen Überfall auf einen kleinen Hof, den Al´Rhun niedergebrannt vorgefunden hatte. Schnell warf der Söldner einen Blick in den Tunnel zurück, um sicher zu gehen, dass niemand in der Nähe war. Er musste die Gnolle ausschalten, bevor sie den Gong schlugen, der an der gegenüberliegenden Wand stand. Er war gründlich, sonst wäre er nicht so erfolgreich gewesen. Al´Rhun langte unter seinen Umhang und legte die Finger um die Griffe von Drachenklinge, seinem Langschwert, und des Kurzschwerts. Er richtete sich langsam auf und begann sich auf die Gnolle zu zugbewegen. Als die Gnolle ihn bemerkten, hatte er beide Klingen schon gezogen und dem ersten Gnoll, der gerade aus dem Schlauch getrunken hatte, das Kurzschwert ins Kreuz gestoßen. Der zweite Gnoll folgte sofort darauf. Die Kreatur sprang gerade auf, hatte ein Beil schon in der Hand, als Drachenklinge ihm die Kehle aufriss und sie ins Feuer fiel. Die zwei anderen Gnolle hatten sich bereits kampffertig gemacht und stürzten sich mit Säbel und Schild auf den Eindringling. Al´Rhun wehrte die erste Klinge mit dem Kurzschwert ab. Der zweiten wich er mit einem Schritt zur Seite aus und hieb mit Drachenklinge nach dem Träger der Waffe. Der Gnoll sprang hastig zurück und entkam dem Langschwert um Haaresbreite. Der andere Gnoll hatte weniger Glück. Als dieser wieder einen Schlag gegen den Söldner führen wollte, ließ er seine geschützte Stirn gegen die des Monsters krachen. Er hörte das Knacken des Schädels, hörte das schmerzhafte Jaulen des Gnolls, spürte den schwindenden Widerstand des Säbels an seinem Schwert. Er drückte den Gnoll von sich weg und spaltete ihm mit Drachenklinge den Schädel, bevor sie überhaupt reagieren konnte. In derselben Bewegung riss er die Klinge frei und wirbelte zu dem anderen Gnoll herum, der zum Gong hechtete, um Alarm zu schlagen. Schnell holte der Söldner mit dem Kurzschwert aus und schleuderte es auf das Monster. Noch bevor der Gnoll am Gong war, bohrte sich die rasiermesserscharfe Klinge in sein Kreuz, durch das Rückgrat. Als er auf dem Boden aufschlug, war er schon tot. Einen stillen Moment hielt Tharand inne und lauschte. Ein ereignisloser Augenblick verstrich, als er sich entspannte und hinüber zu seinem Kurzschwert ging, um es aus dem Leib des Gnolls zu ziehen. An der spärlichen Kleidung des Humanoiden strich er die Klinge grob sauber, bevor er sie wieder in die Scheide schob. Drachenklinges Klinge war dank eines dem Schwert selbst innehabenden Zaubers unbefleckt geblieben und er konnte es ebenfalls weg stecken. Bevor er nach dem Häuptling des Rudels suchte, untersuchte der Söldner die Kleidung der Gnolle. Ein jeder von ihnen besaß einige wenige Kostbarkeiten – goldenen oder silbernen Schmuck und einige Münzen. Eine magere Beute, doch jede Münze würde Al´Rhun später zugute kommen. Der Söldner setzte seinen Weg fort, auf jeden Schritt und jedes Geräusch achtend. Er musste auf der Hut sein, wenn er den Auftrag erfolgreich zu ende bringen wollte. Gnolle waren gefährliche Kreaturen, wurden von vielen für dumm gehalten, doch waren die Humanoiden sehr gerissen. Es gab schon viele Abenteurer, die unwissend in eine Falle oder Hinterhalt der bissigen Kreaturen gelaufen waren. Al´Rhun hielt mitten in der Bewegung inne. Er hatte ein Geräusch gehört, konnte es aber nicht einordnen. Vorsichtig schlich er weiter, bis er es zu ordnen konnte. Gedämpftes Weinen. Da weinte jemand. Der Söldner fluchte leise. Die Gnolle hatten Gefangene. Nun war der Auftrag eindeutig schwieriger geworden. Jetzt musste er nicht nur die Gnolle vertreiben, nein, jetzt musste er noch ihre Gefangenen befreien. Jetzt fehlte nur noch ein blutrünstiger Drache und alles wäre perfekt. Er musste nun entscheiden, was er unternahm. Zuerst die Gefangenen befreien und sich dann um den Häuptling der Gnolle kümmern oder anders herum? Beide Optionen gefielen dem Söldner nicht. Würde er die Gefangenen befreien, musste er sie zuvor in Sicherheit bringen und das sorgte schon für Aufmerksamkeit. Würde er aber mit ihrer Rettung warten, lief er Gefahr, dass sie als Geiseln genommen werden würden. Ein Schnauben entglitt ihm, als er sich aufmachte, erst einmal den genauen Standort des Gnoll-Kerkers aus zu machen. Dann konnte er sich für eine von beiden Optionen entscheiden, bevor er voreilig handelte. Der Gnoll-Kerker war schnell gefunden. Vor dessen Eingang, ein langer dunkler Tunnel, standen zwei bis an die Zähne bewaffnete Gnolle. Einer von beiden döste im Stehen, während er sich an die Wand lehnte. Der andere behielt aufmerksam die Gegend im Auge. Tharand dachte kurz nach und wusste schon, wie er die beiden Wächter erledigen konnte. Er warf sich seinen Umhang über die Schulter und zog sich den Beutel zurecht, denn er bei sich trug. Er öffnete ihn und griff hinein. Aus den unergründlichen Tiefen des Beutels zog er einen Kurzbogen und einen Köcher mit Pfeilen zu Tage. Ein nimmervoller Beutel war wirklich eine praktische Sache. Leise zog der Söldner einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn auf die Sehne des Bogens. Gemächlich hob er den Bogen und zielte auf den wachsamen Gnoll. Er ließ die Sehne vorschnellen und schickte den Pfeil auf den Weg. Der Pfeil bohrte sich in die Kehle des Humanoiden. Seine Spitze trat im Nacken wieder heraus und nagelte ihn an die Höhlenwand, ohne, dass der andere Wächter geweckt wurde. Der Gnoll starb ohne einen Ton von sich zu geben. Schnell verstaute der Söldner Bogen und Köcher und schlich auf den letzten Wächter zu. Als er ihn erreicht hatte, packte der Söldner den Gnoll am Kragen seiner Lederrüstung und ließ die Springklingen seiner beiden Panzerhandschuhe aus den Gelenkscheiden hervorschießen. Die Klingen bohrten sich in die Kehle der Kreatur, und bevor sie überhaupt ganz bei Sinnen war, war sie auch schon tot. Al´Rhun sorgte dafür, das beide Leichen aufrecht an der Wand lehnten, bevor sich in den Tunnel stahl, der ihn zum Kerker der Gnolle führte. Ein Mädchen kauerte an der Wand und hielt die Arme schützend vors Gesicht, während ein Gnoll, ein Exemplar mit pechschwarzen Pelz, einen dünnen Stab auf sie niederfahren ließ. Das Kind weinte panisch und unter Schmerzen, während der Gnoll knurrend lachte und einem außerhalb des Söldners Sichtbereichs sitzenden Kameraden warf er gelegentlich einige Rufe zu. Der Söldner schätzte die Lage ein. Zwei Feinde, vielleicht ein dritter. Sie befanden sich in einem kleinen Raum, der für Langschwerter nicht genug Platz bot. Also wieder die Sprungklingen. Er musste schnell handeln, wollte er das Mädchen nicht in Gefahr bringen. Überrascht heulte der schwarze Gnoll auf, als er von Al´Rhun mit einem harten Hieb gegen die Schultern gegen die Höhlenwand befördert wurde. Er schlug mit der Schnauze auf und verlor zwei Zähne. Der andere Gnoll wich ängstlich zurück, während er einen verrosteten Säbel in den Pranken hielt. Noch bevor der Gnoll Mutig werden konnte und ohne auf das Geschrei des Mädchens zuachten, stach der Söldner viermal hintereinander mit der rechten Sprungklinge zu und tötete den Gnoll schnell. Der schwarze Gnoll wand sich benommen Tharand zu und knurrte gefährlich, bevor er sich auf den Eindringling stürzte. Dieser erwartete ihn bereits. Mit schnellen und geübten Bewegungen seiner Klingen und Arme wehrte Al´Rhun das Kurzschwert des Gnolls ab. Er verpasste dem Humanoiden einen schmerzhaften Tritt gegen das Schienenbein. Der Gnoll knickte ein und spürte nur einen Augenblick darauf die blanke Klinge Al´Rhuns in seinen Schädel fahren. Er kippte vornüber, als der Söldner seine Klinge befreite. Der Söldner sah hinüber zu dem Mädchen, das sich noch kleiner gemacht hatte, als es überhaupt möglich gewesen wäre. Sie zitterte am ganzen Leib und ein leises, panisches Schluchzen kam ihr über die Lippen. Sie war noch jung, vielleicht fünf Jahre alt. Ihr dunkles Haar war verfilzt und verdreckt, genau wie die Lumpen, die sie trug. Ihr kleiner Körper bestand praktisch nur aus Haut und Knochen und ihre bleiche Haut war übersät mit eitrigen und blutigen Narben. Wie lang sie schon unter den Gnollen zu leiden gehabt hatte, konnte sich der Söldner nicht ausmahlen. Dass sie überhaupt noch lebte, überraschte ihn dafür umso mehr. Gnolle fraßen Menschen. Sie versklavten sie nicht. Als er sich dem Kind nährte, stieß es einen unverständlichen Laut der Furcht aus. Tharand hielt einen Moment inne und schnaubte leise. Wunderbar, dachte er. Das würde nicht einfach werden. Der Söldner kniete sich neben das Mädchen und berührte es leicht an der Schulter. Als hätte man sie geschlagen, zuckte sie zusammen und stieß mühselig hervor: „Nein, nicht weh tun. Bitte.“ Tharand schnaubte erneut. „Ich werde dir nichts tun“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Bist du die einzige Gefangene der Gnolle?“ Sie schluchzte und nickte. „Wie lange bist du schon hier?“ „Weis nicht“, wimmerte das Mädchen, ohne es zu wagen, ihn anzusehen. „Steh auf“, befahl Tharand. Er erhob sich und schritt hinüber zum Tunnel, um sich zu vergewissern, dass kein Gnoll nahte. Das Mädchen blieb wo es war. Al´Rhun warf ihr einen kurzen Blick zu. Sie hatte zu große Angst, als des sie gehorchen konnte. Er ging zu ihr hinüber, und bevor sie sich versah, hatte der Söldner sie auf den Arm genommen. Panisch schrie sie auf und versuchte sich von ihm los zu reißen, doch Tharand war unbarmherzig und ließ sie nicht los. Schnell verlor es an Kraft und sank mit dem Kopf gegen Tharands Halsbeuge. Sie schluchzte leise, während sie sich in seinen Armen wieder klein machte. „Ganz ruhig“, sagte er, um sie etwas zu beruhigen. „Ich sagte schon, ich tu dir nichts. Ich bring dich hier raus, sobald ich mit den Gnollen fertig bin.“ Das Mädchen wagte aufzusehen. Der Söldner sah ihre großen blauen Augen, die einen hoffnungsvollen Glanz angenommen hatten. „W-wirklich?“, fragte sie stockend und bekam von Tharand ein Nicken zur Antwort. Ihre dürren Ärmchen legten sich um seinen Hals und sie drückte sich an ihn, um Schutz zu suchen. Kinder vertrauten schnell, wenn sie angst hatten, dachte Al´Rhun. Schnell sah er zu, dass er und sein kleines Anhängsel aus dem Kerker der Gnolle kamen. Der Weg war frei, als er tiefer in die Höhle vor drang, dabei darauf achtete, weiteren Gnollen aus dem Weg zu gehen. Mit dem Kind konnte er keinen Kampf wagen. Al´Rhun fand auf seinem Weg eine kleine Höhle, die vollgestopft mit Kisten und Fässern war. Es musste sich um ein Lager der hyänenähnlichen Kreaturen handeln, überlegte der Söldner. Er öffnete eine Kiste und spähte hinein. Darin lagen alte Stofffetzen, die wohl zum Flicken der Kleider der Monster gedacht waren. Tharand überprüfte die anderen Kisten, bis er eine gefunden hatte, die in einer schattigen Ecke stand und die zudem leer war. Er setzte das Mädchen vor sich ab und sah ihr unter dem Visier hindurch in die Augen. „Hör mir gut zu, Kind“, wies er sie an. „Du wirst dich in der Kiste verstecken, bis ich zurückkomme.“ Sie war wieder den Tränen nah und klammerte sich an seinen Umhang. „Nicht gehen!“, flehte sie ihn an. „Die Monster werden mich wieder hauen!“ Tharand legte ihr zwei Finger auf den Mund und unterbrach sie somit. „Nein, werden sie nicht“, antwortete Tharand sachlich. „Ich werde dafür sorgen. Also nehm jetzt deinen Mut zusammen und blieb hier.“ Der Söldner hob das Mädchen in die Kiste und wollte den Deckel schließen, als das Kind sich an einen seiner Arme klammerte. „Verspreche mir, dass du wiederkommst“, forderte sie in einem Anflug von Mut. Unter seinem Helm setzte der Söldner ein Grinsen auf. Also hatten die Gnolle sie noch nicht vollkommen gebrochen. Ein gutes Zeichen. „Gut, ich verspreche es.“ Um seine Worte zu unterstreichen, streifte er seinen Umhang ab und gab ihn dem Mädchen, das den Söldner mit großen Augen anstarrte. „Pass gut darauf auf.“ Das Kind nickte ernst und drückte den Umhang fester an ihren dünnen Körper. Tharand wies sie an, sich zu setzten, bevor er den Deckel der Kiste schloss und das Lager verließ. Nun konnte er sich ungehindert um die Gnolle kümmern, während das Kind in Sicherheit war. Tharand Al´Rhun folgte dem nächstbesten Tunnel tiefer in das Höhlenreich der Gnolle. Er musste nun leise vorgehen, damit ihn niemand bemerkte. Wie er feststellen musste, hielten sich hier mehr der haarigen Monster auf. Diese waren aber deutlich unachtsamer, als die Wachen am Eingang der Höhle. Ein Gnoll lief fast in Al´Rhun hinein, als er aus einer Seitenhöhle kam, die als Schlafstätte diente. Bevor er Alarm schlagen konnte, trieb Al´Rhun ihm die Faust in den Magen und zerrte ihn anschließend in den Tunnel. Dort beendete er das Leben der Kreatur und versteckte sie bestmöglich. Leider war er nicht unbeobachtet geblieben, wie er feststellen musste, als er sich entfernende Schritte hörte. Verdammt! Schnell rannte er in den Tunnel und erspähte einen Gnoll, der mit weiten Schritten tiefer in die Höhle vordrang und dabei laut bellte. Bald waren aus allen Tunneln das Knurren und Heulen von Gnollen zu hören. Tharand Al´Rhun schloss in leiser Verzweiflung die Augen und verwünschte sein Pech. Nun musste er sich den Weg zum Häuptling durchkämpfen. Unnötig viel Aufwand. Er würde einen Bonus für das Kopfgeld verlangen, wenn er in die Siedlung zurückkehren würde. Kurzschwert und Drachenklinge glitten aus ihren Scheiden und Tharand machte sich auf den Weg, um sich den Gnollen im offenen Kampf zu stellen. Eine Welle jaulender Gnoll-Krieger strömte aus einen der unzähligen Tunnel. Tharand wirbelte zu ihnen herum und erschlug gleich zu Anfang zwei Gnolle, die ihm mehr oder weniger schon in die Schwerter liefen. Die folgenden Gnolle erledigte er mit schnellen Kombinationen seiner Schwerter. Er hatte keine Zeit zum Verschnaufen, als er den letzten Gegner niederstreckte. Er hörte bereits die nächsten Ungeheuer sich nähern und rannte in den nächsten Tunnel. Tharand kam in eine große Höhle, in der unzählige Kissen, Teppiche und Felle den Boden bedeckten. Drei weitere Tunnel führten aus der Höhle hinaus. In der Mitte stand ein großer Thron aus bearbeitetem Stein, der an beiden Seiten von Feuerbecken flankiert wurde. Das musste der Thronsaal des Häuptlings sein, da war sich Tharand sicher. Doch wo war der Häuptling? Das Heulen seiner Verfolger drang an die Ohren des Söldners. Er rannte zum Thron und wand sich dem Tunnel zu, aus dem er selber gerade gekommen war. Er machte sich kampfbereit und wartete. Aus jeden Tunnel drangen die Gnolle, bis an die Zähne bewaffnet, in den Thronsaal ein. Sie heulten und knurrten, fletschten die Zähne und bellten angriffslustig, als sie den in der Drachenrüstung gewandeten Söldner sahen, der sich erdreistet hatte in ihr Lager einzudringen. Schnell war er umzingelt. Die Gnolle drohten ihm mit ihren Waffen, griffen aber nicht direkt an. Tharand sah ihnen an, das sie es gerne würden, doch scheinbar hatten sie den Befehl, ihn nicht anzurühren. Vor Al´Rhun teilte sich die knurrende Menge und ein großer - ein sehr großer – Gnoll betrat den Ring. Er war geschmückt mit Schmuck und farbigen Stofffetzen. Als Waffe trug er eine große Axt und ein Langschwert guter Machart. Der Häuptling, erkannte der Söldner. „Widerlicher Mensch“, knurrte der Gnoll in schlechter Handelssprache. „Du sterben werden.“ Tharand blieb ungerührt. Wie oft hatte er schon diesen Spruch gehört. „Du wirst mich töten, oder?“, fragte er monoton den Häuptling. „Ich dein Blut werde trinken und mich an deinem Fleisch satt essen“, heulte der Gnoll-Häuptling und erhielt zustimmende Rufe seines Rudels. „Du nicht erster sein wirst. Ich viele schon gefressen! Viele waren wie du, Mensch.“ Das glaub ich kaum, dachte Tharand, behielt seine Worte aber für sich. „Dann komm her“, meinte Tharand und winkte dem Gnoll zu. Der Häuptling ließ es sich nicht zweimal sagen und stürzte sich heulend auf den Söldner. Drachenklinge parierte das Schwert des Gnolls, während die Streitaxt von dem Kurzschwert geblockt wurde. Al´Rhun spürte die Kraft hinter den Schlägen des Gnolls. Es wunderte den Söldner nicht, wieso gerade er das Rudel anführte. Er ermahnte sich zur Vorsicht, als er vor dem Gnoll zurück wich, hinüber zum Thron, um seinen Rücken frei zu halten. Der Häuptling ließ seine Waffen in unkontrollierter Abfolge auf den Söldner nieder gehen, der sie mit seinen Klingen abwehrte. Der Gnoll besiegte seine Gegner mit purer Kraft und Wildheit. Tharand legte sich bereits eine Taktik zurecht, die ihm den Sieg über den Gnoll sichern würde. Die flache Seite der Streitaxt krachte gegen Tharands linke Schulter und ließ ihn straucheln. Bevor der Gnoll diesen Vorteil ausnutzen konnte, wich der Söldner aus. Er ließ seine Klingen kreisen, um den Gnoll abzulenken, während er leise fluchte. Er hatte kaum noch Gefühl in Arm und Schulter. Schnell ließ er Drachenklinge vorschnellen und jagte den Häuptling zurück. Der machte einen weiten Sprung zurück zum Ring seines Rudels und bellte mürrisch. Zwei seiner Krieger lösten sich aus der Menge und warfen sich Tharand entgegen. Feige Bestie, knurrte Tharand und wehrte die beiden Krieger mit einer Abfolge von Schlägen und Stichen ab. Der Häuptling umrundete die Kämpfenden, um dem Söldner in den Rücken zu fallen. Doch Tharand war darauf gefasst. Als der Gnoll-Häuptling sich auf ihn stürzte, seine Streitaxt dem ins Kreuz schlagen wollte, sprang Tharand eine Schritt zur Seite. Statt den Söldner oder die leere Luft zu treffen, versenkte sich die Axt in einem der verblüfften Gnolle. Der andere Krieger starrte verdattert auf seinen Häuptling und seinen toten Kameraden, bevor er sich daran erinnerte, das er gerade noch mit Al´Rhun die Klingen gekreuzt hatte. Er war eine Nummer zu langsam. Tharand nutzte die Unachtsamkeit des Gnolls schnell aus und stach den Gnoll mit dem Kurzschwert nieder. Tharand stellte sich dem Häuptling wieder zum Kampf. Dieser hatte seine Axt bereits befreit und griff seinen Gegner wütend an. Beide wechselten schnelle Hiebe und Streiche, bevor es zu einer Wende im Kampf kam. Als der Häuptling erneut nach Verbündeten rufen wollte, stach Tharand ihm mit Drachenklinge in die Seite. Überrascht und schmerzerfüllt heulte der Gnoll auf. Der Söldner riss die Klinge zurück und hinterließ eine blutige Wunde. Nun war es Al´Rhun, der überrascht drein sah, als der Gnoll sich auf ihn warf, voller blinder Wut. Das Maul der Kreatur klappte weit auf und der Häuptling schnappte zu. Die Zähne verfingen sich am Visier des Söldners. Tharand starrte dem Gnoll direkt in den Rachen, konnte seinen widerlichen Atem riechen, während er darum kämpfe, nicht von dem Humanoiden nieder geworfen zu werden. Würde er einmal am Boden liegen, so wäre er des Todes, wusste er, und so weit wollte er es nicht kommen lassen. Er versuchte Drachenklinge dem Gnoll in den Leib zu rammen, doch die kräftigen Pranken des Gnolls hinderten ihn daran. Selbst das Kurzschwert war in diesem Moment nutzlos, da sich die andere Pranke um seine Hand legte. So rangen beide miteinander. Gnoll gegen Mensch. Al´Rhun verlor allmählich den Halt, da sich der Häuptling mit seinem ganzen Gewicht gegen ihn presste. Es sah nicht gut für ihn aus, erkannte er. Schnellstens musste er etwas unternehmen, wollte er noch als Sieger hervor gehen. Die rettende Idee kam ihm, als der Gnoll versuchte ihm die Hand zu zerquetschen. Der Panzerhandschuh verhinderte dies, dennoch musste er ihn frei kriegen und Tharand wusste schon, wie. Die Sprungklinge schoss heraus und bohrte sich in das Handgelenk des Gnolls. Dieser jaulte gepeinigt auf, versuchte zurück zu weichen, doch er hatte sich in Tharands Helm verbissen und würde nicht los kommen, ohne einige Zähne dabei einzubüssen. Tharand riss seine Klinge aus der Hand des Gnolls, der sehr erpicht darauf war, sie selber zu befreien. Der Söldner ballte die Hand zur Faust und schlug zu. Die Klinge bohrte sich in den Hals des Gnolls, der nun lauter aufheulte. Der Häuptling riss mit aller Gewalt und riss sein Maul frei, büßte dabei aber einige seiner Zähne besonders schmerzhaft ein. Tharand setzte der Kreatur nach, packte Drachenklinge und Kurzschwert fester. Er trat dem Gnoll in die Weichteile und sah dabei zu, wie dieser vor ihm in die Knie ging. Tharand kannte keine Gnade. Er legte die blanken Klingen seiner Schwerter wie eine Schere an den Hals des Häuptlings und sah ihm dabei direkt in die blutunterlaufenen Augen. Ein Ausdruck von Panik huschte über das Gesicht des Gnolls, als Tharand die Klingen zuschnappen ließ. Der Kopf fiel von den Schultern des Häuptlings: Der Körper zuckte einmal kurz, bevor er zur Seite kippte und sich eine Lache Blut ausbreitete. Die anderen Gnolle starrten entsetzt auf ihren toten Anführer. Tharand atmete einmal tief ein und wieder aus, bevor er sich den Humanoiden stellte. Diese sahen zu ihm und fingen aufgeregt an untereinander zu reden. Al´Rhun war klar, das sie sich absprachen, was nun geschah. Schließlich hatte er gerade ihren Anführer getötet, der sie lange Zeit befehligt hatte. Ähnliche Situationen hatte er schon erlebt. Etwa würden sie angreifen oder flüchten. Die Gnolle schienen sich für die Flucht entscheiden zu haben. Entmutigt durch den Tot ihres Anführers zogen sie sich in die Tunnel zurück, tiefer in die Höhle, um dem Söldner aus den Weg gehen zu können. Tharand entspannte sich. Er sammelte den Kopf des Gnoll-Häuptlings ein und verstaute ihn gut in seinem nimmervollen Beutel, bevor er den Rückweg einschlug. *** Tharand öffnete den Deckel der Kiste, in der er das Mädchen versteckt hatte. Er fand sie schlafend in seinen Umhang gekuschelt vor. Das Mädchen sah zufrieden aus. Ob das an ihrer Rettung lag? Vorsichtig berührte er sie an der Schulter. Sie erwachte augenblicklich und sah zu ihm hinauf. Sie schien ihn erst nicht zu erkennen, lächelte aber dann. Sie erhob sich und raffte den Umhang zusammen. „Du hast nicht gelogen“, sagte sie zu ihm und Tharand nickte leicht. Er hob sie aus der Kiste. Statt sich den Umhang selber anzulegen, legte der Söldner ihn dem Mädchen um die Schultern. Die Lumpen, die sie trug, würden sie nicht wärmen. Zusammen verließen sie die Höhle. Der Eile wegen hatte Tharand das Mädchen wieder auf den Arm genommen und es war friedlich eingeschlafen, fühlte es sich doch sicher bei ihm. Der Söldner störte sich nicht daran, obwohl er solche Situationen wahrlich nicht gewohnt war. Das Kind hatte keine Heimat und keine Familie mehr. Er musste sie gut unterbringen, bevor er zu der Gnoll-Höhle zurückkehrte, um die restlichen Gnolle zu töten. Aber wer würde sich ihrer annehmen? Tharand dachte nach, als er am Abend ein kleines Lager aufschlug. Die Kleine hatte viel Mut bewiesen, als sie sich in der Kiste versteckt hatte, obwohl sie davon hätte ausgehen müssen, von den Gnollen entdeckt zu werden. Es war ein Zeichen, das die Gnolle sie nicht hatten brechen können. Egal, was sie mit ihr angestellt hatten. Ein Stück Hoffnung war ihr geblieben. Erinnerungen an ein anderes Kind kamen in dem Söldner auf, das in den Straßen von Luskan aufgewachsen war, ohne Familie, ohne Gewissheit, ob es den nächsten Tag überleben würde, bevor es etwas gefunden hatte, das seine ganze Zukunft verändert hatte. Beim Essen sah das Mädchen den Söldner die ganze Zeit über an. Kein Wunder, denn das Gesicht Al´Rhuns war mit Narben übersäht. Am Beeindrucksteen war eine die linke Hälfte seines Gesichts bedeckende Brandwunde, die sich der Söldner als Kind zugezogen hatte. „Haben dir Monster weh getan?“, fragte sie in kindlicher Unschuld. „Einige“, war seine monotone Antwort, während er sich ein Stück Brot in den Mund schob. „Aber sie leben nicht mehr. Ich hab sie getötet.“ „Ich will die Monster auch töten, die mir weh getan haben“, meinte das Mädchen. „Das hab ich schon getan“, sagte er und erhielt einen erstaunten Blick Seitens des Kindes. „Wie heißt du?“ „Warum?“ „Weil ich das wissen will“, sagte sie. Er seufzte. „Tharand Al´Rhun.“ Der Söldner wusste, dass sich das Kind den Namen nicht merken können würde. Er war kompliziert, selbst für einige Erwachsene. „Klingt komisch“, brummte es. „Tharand Al´Rhun.“ Das überraschte den Söldner nun. Das Mädchen konnte den Namen aussprechen? „Ich heiße Kitty.“ „Komischer Name“, war Tharands trockene Antwort. „Haben deine Eltern dich so genannt?“ Kitty nickte bedrückt und faltete die Hände im Schoss. „Ja. Mama hat mich so immer genannt. Papa nannte mich immer Sturkopf.“ Tharand konnte sich lebhaft vorstellen, wieso ihr Vater dies getan hatte. „Wie ist dein richtiger Name?“ „Weis nicht.“ Sie zuckte unschlüssig mit den Schultern. „Alle haben mich nur Kitty genannt.“ „Du bist mutig, Kitty“, sagte Tharand zu seiner eigenen Überraschung und der des Kindes. „Hast du hier in der Gegend gelebt?“ Sie nickte nur. „Hast du noch Familie?“ „Weis nicht.“ „Kennst du sonst jemanden in der Gegend.“ Sie schüttelte den Kopf. Nicht gut, dachte Al´Rhun. Er konnte sie nicht mit sich nehmen, das war ihm klar. Sie wäre mehr eine Last, als eine Hilfe für ihn. Aber irgendwas in ihm sagte ihm, er sollte sie unter seine Fittiche nehmen. Der Söldner ging hinüber zu dem Kind und hob es in seine Arme. „Schlafenszeit.“ Statt zu Wiedersprechen, gähnte das Kind ausgiebig und rieb sich übermüdet die Augen. Tharand bettete sie in seinen Schlafsack und blieb bei ihr sitzen, bis sie eingeschlafen war. *** „Das klingt ja wunderbar“, sagte der Bürgermeister von Douvon und sah auf den Kopf des Gnoll-Häuptlings. „Ich danke euch, Al´Rhun. In Namen aller Siedlungen natürlich.“ Tharand nickte knapp. „Meine Bezahlung.“ „Oh, gewiss doch“, sagte der Bürgermeister und zog aus einem Tisch einen großen Beutel. Diesen reichte er dem Söldner, der den Inhalt eines kurzen Blickes würdigte, bevor er ihn sich an den Gürtel heftete. „Noch einmal Danke, Tharand Al´Rhun. Wir werden die restlichen Gnolle sicher schnell vertreiben können. Was werdet ihr nun tun?“ „Weiter ziehen“, war Tharands Antwort. Er ging zur Tür, um zu gehen, wurde aber vom Bürgermeister gestoppt. „Wo bringt ihr das Kind hin?“, wollte er wissen. „Sie kommt mit mir.“ „Was? Aber das geht doch nicht!“, keuchte der alte Mann. „Lasst sie bei uns. Ich und meine Frau werden sie wie unser eigenes Kind aufziehen.“ Tharand wand sich dem Bürgermeister zu. Allein diese Geste des gepanzerten Mannes ließ den Bürgermeister den Kopf einziehen. „Wollt ihr mir vorschrieben, was ich zutun habe, Bürgermeister?“ „N-nein, mein Herr“, stotterte dieser. „Aber sie ist noch ein Kind. Sie braucht einen Ort, wo sie aufwachsen kann. Ihr seit immer auf...“ „Schweigt. Ich weis, was ihr sagen wollt. Aber ich habe mich entscheiden. Sie kommt mit mir. Wollt ihr mich daran hindern, warne ich euch jetzt schon. Es wäre keine gute Idee, mich zu reizen. Ich kann sehr nachtragend sein.“ Kitty kam zu Al´Rhun gerannt, als er aus dem Arbeitszimmer des Bürgermeisters kam. Die Dienerin, die sich um das Kind gekümmert hatte, verschwand schnell, war ihr in Al´Rhuns Gegenwart nicht wohl zu mute. Bevor sie zum Bürgermeister gegangen waren, hatte Al´Rhun Kitty einige neune Sachen gekauft, damit sie nicht verwahrlost durch die Gegend lief. Zudem hatte er sie gründlich gewaschen, bis sie porentief sauber war. „Gehen wir jetzt?“, fragte das Mädchen neugierig, während es nach der Hand des Söldners griff. Ihr Mut war erstaunlich. „Ja“, sagte der Söldner. Zusammen verließen sie Douvon auf direkten Weg, ohne einen Blick zurück zu werfen. Tharand und seine Tochter folgten dem Ruf der Straße. <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)