Gravity Of Love von Ace-san ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1: The Mysterious Woman - Part 1 --------------------------------------------------- Jonne: „13.00 Uhr… So langsam sollte ich mich doch wieder auf den Weg machen! Die anderen warten sicherlich schon auf mich“, murmelte ich vor mich hin und stand auf. Langsam aber sicher hatte ich genug auf die Weiten des Sees hinausgestarrt. Heute war immerhin Probe, wenn auch nur eine kurze, da die Tour für dieses Jahr ja erstmal vorbei war, aber abgesehen davon wollten wir genau aus diesem Grund danach auch noch einen Trinken gehen und feiern bis zum Umkippen. Zu dumm nur, dass der ein oder andere das immer gleich so wörtlich nehmen musste. Da muss man sich immer darauf gefasst machen, dass man selbst der jenige sein könnte, der den anderen nach Hause helfen muss, wenn man es nicht schaffte genauso betrunken zu sein. Sich auf dies alles schon mal seelisch und moralisch vorbereitend machte ich mich nun auf den Weg zurück in die Stadt zu unserem Proberaum. Nicht mal zehn Minuten später befand ich mich wieder in Tampere. Es war Winter und da ging ich gerne mal zum See um mich von seiner Schönheit verzaubern zu lassen, ebenso wie von den bezaubernden schneebedeckten Bäumen und Sträuchern, dem Wald der in vollem Weiß erstrahlte. Da geschah es schnell mal, dass ich zu spät kam. Nicht, dass ich sonst pünktlich gewesen wäre, aber gerade zu dieser Zeit fiel es mir besonders schwer. Nun zu mindest redete ich mir das ein um den Winter immer positiv sehen zu können und ihn nicht zu sehr zu verfluchen. Ich war nun mal eindeutig ein Sommer liebender Mensch. Dennoch konnte ich nicht leugnen, dass der Winter etwas wirklich Magisches hatte. Ich schaffte es einfach nicht mit meinen Gedanken bei der Realität zu bleiben, sondern träumte immer geradewegs daran vorbei. So geschah es oft, dass ich versehentlich andere Leute anrempelte und mich dann aus meinen Gedanken gerissen immer noch leicht abwesend bei der betroffenen Person entschuldigen muss. Es missfiel mir einfach ständig jemanden um Verzeihung bitten zu müssen, nur weil ich unachtsam war. Aber so war ich eben und ich konnte leider nichts dagegen tun. So sehr ich es auch verabscheute, es passierte mir immer wieder und so auch heute. Wie schon gesagt, lief ich gedankenverloren durch die Stadt, als es plötzlich geschah. Sie war zwischen 1,60m und 1,70m (genau konnte ich nicht schätzen), war wohl etwa Anfang zwanzig, hatte wunderschöne lange blonde im Wind umherwehende Haare und wenn ich mich in diesem Moment nicht täuschte bezaubernde grüne Augen, kurz gesagt einfach umwerfend und ich schaffte es dieses liebliche Wesen einfach anzurempeln. Dafür hätte ich mich am liebsten selbst geohrfeigt. „Verzeihen Sie bitte“, entschuldigte ich mich routiniert und fragte mich wieso ich nur immer wieder so unkonzentriert durch diese Welt stolpern musste. „Schon gut“, antwortete die junge Frau, „Es ist ja nichts passiert.“ „Das ist gut… Ich… ich möchte mich aber dennoch vielmals bei Ihnen entschuldigen“, versuchte ich meiner Meinung nach zu retten was noch zu retten war. „Ach was… Sie können mich ja irgendwann mal zu einem Kaffee einladen, dann geht das schon in Ordnung“, erklärte sie und begann nach einem Zettel und einem Stift zu kramen, „Hier haben Sie meine Telefonnummer, dann können Sie mir jederzeit bescheid sagen, wann es ihnen recht wäre und falls sie mich überraschen wollen… Hier auch gleich noch meine Adresse, aber wundern sie sich nicht, falls ihnen ein junger Mann die Tür öffnet. Der ist nur ein Freund von mir, wir teilen uns nämlich eine Wohnung.“ „Aaaah ja… Ich verstehe“, gab ich zurück, obwohl mir das alles ziemlich merkwürdig vorkam. Diese Frau war irgendwie anders als die Frauen die ich sonst so kannte. Immerhin hätte mir wohl keine von ihnen gleich ihre Telefonnummer und Adresse in die Hand gedrückt so wie sie es getan hatte. Doch als ich meine gedanklichen Ausführungen beendet hatte und meinen Blick wieder nach vorne wandte, stellte ich fest, dass sie bereits verschwunden war. Noch ein paar Minuten stand ich einfach nur da und versuchte das eben geschehene zu begreifen. War es ein Traum oder doch Wirklichkeit? Hatte ich mir das alles eben nur eingebildet? Doch der Zettel in meiner Hand sprach eindeutig dagegen. Immer noch leicht verträumt sah ich auf die Uhr und stellte mir erschrecken fest, dass es ja schon halb zwei war. Ich musste mich beeilen und durfte nicht noch mehr Zeit verfliegen lassen, denn eigentlich hätte ich schon längst da sein müssen. Also rannte ich in Windeseile durch die Straßen und etwa fünfzehn Minuten später stand ich dann vor dem Haus in welchem sich unser Proberaum befand. Vorsichtig betrat ich den Proberaum, war gefasst auf alles was kommen würde. Es war ja doch immer das gleiche. Ich kam zu spät und die anderen beschwerten sich eine Weile darüber. Doch bereits einige Minuten später fanden sie immer ein anderes Thema und mir passierte trotz unzähliger Drohungen nichts. „Hei Jonne! Da bist du ja endlich!“, rief Larry mir zu während Antti mir schon entgegen kam und mich zur Begrüßung umarmte. „Warum schaffst du es nie pünktlich zu kommen?“, fragte Antti mehr sich selbst als mich und begann mich dabei regelrecht zu zerdrücken. „Ja oder zu früh!“, warf nun auch Snack zu dem Thema ein, „Das wäre doch auch mal was neues!“ Sicher sie hatten ja Recht, aber ich weiß selber nicht warum ich es einfach nicht auf die Reihe kriege. Aber wahrscheinlich liegt das an meinem verkorksten Biorhythmus. Meine innere Uhr geht einfach falsch und eine Uhr mit mir rumzuschleppen bringt es auch nicht, da ich ja immer rechtzeitig auf mein Handy gucke und sehe, dass ich noch eine halbe Stunde habe. Nur leider verkalkuliere ich mich immer mit dieser halben Stunde und komme trotzdem zu spät. Nachdem ich irgendwann von Antti wieder aus meinen Gedanken gerissen wurde, begannen wir mit dem Proben. Es war einfach ein tolles Gefühl der Musik zu lauschen, dem was die anderen spielten, denn das was ich selbst von mir gab, bekam ich selbst ja nicht wirklich mit, jedenfalls nicht so wie die anderen es empfanden. Denn sie sagten immer es wäre gut und ich selbst empfand es zu meist als kläglich. Aber gut, hinsichtlich dessen hatte ich mich selbst mittlerweile dazu bringen können ihnen einfach zu vertrauen und immerhin hatten wir unzählige Fans. Das Sprach schon für sich. Da musste es ja gut sein. Etwa zwei Stunden probten wir und ab und zu pausierten wir und besprachen gewisse Änderungen oder Dinge die wir noch verbessern wollten. Trotz allem kamen mir diese zwei Stunden allerhöchstens vor wie eine Viertelstunde. Aber so war das nun mal. Immer wenn man sich wohl fühlt, einem etwas besonders viel Spaß macht, dann verging die Zeit wie im Flug und je älter man wurde desto extremer dieser Effekt. Wahrscheinlich war das auch der Grund warum ich und die Zeit auf Kriegsfuß standen. Ich genoss das Leben wohl viel zu sehr. Jedenfalls immer wenn ich irgendwo (pünktlich) zu erscheinen hatte. Noch etwa zehn Minuten saßen wir da und trafen letzte Absprachen, bevor wir uns dann wieder trennten und ich bedauern würde, dass wir nur so kurz bei einander sein konnten. Doch irgendwie fiel mir in genau diesem Moment wieder ein, was mir heute in der Stadt passiert war und so auch diese komische Frau. Wie nur hatte ich es mal wieder geschafft mit so einer Schönheit zusammenzustoßen? Warum konnte es nicht irgendjemand sein der mich zusammenschiss und bei dem ich solche Angst kriegen würde, das mir das sicher nicht noch mal passierte. Aber es kam ja immer anders. Nun ja wenigstens hab ich ihre Telefonnummer und Adresse. Die hab ich bisher von keiner Frau bekommen mit der ich zusammenstieß. Auf einen Kaffee sollte ich sie einladen… Irgendwie war das schon sehr merkwürdig. Da musste es doch wohl irgendeinen Hacken geben an der Sache. „Jonne?“, versuchte Antti mich wieder in die Realität zurück zu holen. „Ähm… ja was ist denn?“, wollte ich wissen immer noch leicht abwesend. „Sag mal kann es sein, dass du an jemanden denkst?“ Irgendwas in Anttis Blick verriet mir, dass das eine rhetorische Frage war. „Ähm… nein… wie… wie kommst du denn darauf“, versuchte ich dennoch abzuwimmeln. „Frag lieber nicht, ich seh’ dir so was eben an. Kennen uns nicht umsonst so lange. Aber wie ich aus deiner Reaktion gerade schließen kann, muss es eine echt scharfe Frau sein an die du da denkst“, stellte unser rothaariger Bassist fachmännisch fest. Warum nur musste er mich immer so gut durchschauen. Aber es hatte wohl keinen Sinn sich darüber den Kopf zu zerbrechen oder noch zu versuchen ihm weiß zu machen, da wäre nichts. „Ja… du hast Recht“, gab ich zu. „Wie sieht sie denn aus? Wo hast du sie kennen gelernt? ... Und… kenne ich sie?“, überhäufte er mich nun mit unzähligen Fragen. „Na ja… erst einmal… Nein, du kennst sie nicht. Ich habe sie in der Stadt kennen gelernt. Du musst wissen ich habe es mal wieder geschafft jemanden anzurempeln…“, begann ich zu antworten. „Tja… wie du das nur immer wieder schaffst“, meinte Antti nur, der das schon zu genüge kannte und sah mich so ganz nebenbei mit einem breiten Grinsen an. „Ja ich weiß… Ich hasse es. Aber nun gut… nun zu ihrem Aussehen. Denn vorher gibst du ja eh keine Ruhe…“ „Richtig“, unterbrach mich Antti und grinste mich weiterhin gespannt an. „Ja also… sie hat lange blonde Haare… müsste so zwischen 1,60m und 1,70m gewesen sein und hatte glaube ich grüne Augen“, erklärte ich nun. „Aaaaaaaah ja… Das ist ja mal wieder eine äußerst detaillierte Auskunft. Größen schätzen kannst du wohl nicht besser. Na ja… und das du keine Angaben zu Statur oder anderen Details machst war ja klar“, gab er leicht enttäuscht wie immer zurück. Er hatte wohl mehr erwartet. Aber das sah ihm auch ähnlich. Alle anderen die wir kannten und die mit uns befreundet waren, konnten eben eindeutig bessere Angaben machen. Wenn auch nur zu Frauen, da sie Männer immer in einem Satz beschrieben. Es sei denn der Mann sah gut aus nach ihrer Definition, dann konnten das auch mal so locker zwanzig bis dreißig Sätze sein. Aber das schafften dann auch nicht alle von ihnen. Nach dem ich Antti alles noch etwas ausführlicher erzählt hatte und er mir versprach den anderen, die zum Glück nichts mitbekommen hatten, nichts zu sagen, verabschiedeten wir uns alle von einander und ich machte mich auf den Weg nach Hause. Kapitel 2: Kapitel 1: The Mysterious Woman - Part 2 --------------------------------------------------- Auri: Frustriert stapfte ich durch den Schnee. Wieso muss der Winter eigentlich immer so verdammt kalt sein?? Ich war nicht gerade ein Freund von Kälte, obwohl sie durchaus positive Seiten haben kann. Im Sommer würde zum Beispiel niemand vor dem Kamin sitzen und Glögi trinken. Lustige Vorstellung, sie zauberte mir ein kurzes Lächeln aufs Gesicht. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass mein Hungergefühl berechtigt war. Es war kurz nach zwölf und ich kam gerade von der Universität zurück, zum Glück hatte ich heute keine Vorlesung mehr. Ich mochte mein Studium durchaus, doch im Moment hatte ich einen ziemlichen Durchhänger, außerdem war mein Dozent nicht gerade einer der Nettesten. Er mochte mich nicht und ich mochte ihn nicht, und wir kamen damit super klar. Doch wie gesagt war ich gerade überhaupt nicht in Lernstimmung. Hinzu kam noch, dass ich demnächst eine Prüfung schreiben musste. Nun war ich auf dem Weg nach Hause, um mich den Rest des Tages zu entspannen. Und wer weiß? Vielleicht kam ich heute ja doch noch zum Lernen, auch wenn ich es bezweifelte. Ich wohnte nicht weit von der Universität weg, nur etwa zehn Minuten zu Fuß. Diese zehn Minuten waren im Winter allerdings ziemlich lang und man konnte nicht behaupten, dass die Stadtverwaltung Tampere großzügig im Bezug auf Salzstreuen war. Wie gern wäre ich jetzt am anderen Ende der Welt, dort wo sie nun am Strand saßen und sich bräunten, die Australier, Neuseeländer, Südafrikaner und alle, die noch die südliche Hemisphäre besiedelten. Reisen war mein allergrößtes Hobby. Andere Kulturen kennenlernen ein Traum. Ich hatte das große Glück in meiner Kindheit mit meinen Eltern und meiner Schwester viel zu reisen, sodass ich für meine zweiundzwanzig Jahre schon viel von der Welt gesehen hatte. In meinen Gedanken versunken, kam ich zu Hause an. Mein Mitbewohner Arho erwartete mich schon. Er war wie ich Student, musste aber erst heute Nachmittag zu einer Vorlesung. Ich zog mir meine nassen Winterstiefel und den Anorak aus und ging in die kleine Küche. „Auri Schatzi! Da bist du ja! Hast du Hunger? Tomatensuppe ist fertig!“, begrüßte mein Mitbewohner mich. „Hmm, lecker! Selbst gemacht oder aus der Tüte?“, fragte ich und setzte mich an den kleinen Küchentisch, auf dem bereits zwei Teller Suppe standen. Es duftete herrlich. „Nun ja, sie ist von mir…“, meinte Arho kleinlaut und setze sich mir gegenüber. Ich grinste ihn breit an. „Also aus der Tüte. Aber was soll’s? Solange es schmeckt.“ „Genau! Und jetzt guten Appetit!“ Arho hob sein Wasserglas und wir stießen an. Unser tägliches Ritual. „Wie war die Vorlesung heute?“, wollte mein blonder Mitbewohner wissen. „Na wie wohl?! Im Moment ist das echt die reinste Tortur. Ich hoffe, diese Phase endet so schnell wie sie begonnen hat.“, antwortete ich und pulte etwas Basilikum aus der Suppe. Nicht, dass ich was gegen Basilikum hätte, aber Arho nahm immer den aus der Tüte und der war nicht nur geschmacklos sondern auch noch von merkwürdiger Konsistenz… Er hatte es halt nicht so mit dem Kochen. „Ich denke schon. Jeder hat mal so eine Mir-ist-alles-scheißegal-Phase, das geht vorbei, ganz sicher. Und wenn nicht, dann darfst du mich verklagen, weil ich schlechte Ratschläge gebe und dann wander’ ich ins Gefängnis und du bist mich für immer los!“, meinte er. „Spinner!“, rief ich und warf eine Packung Papiertaschentücher nach ihm. Leider prallte diese an ihm ab und landete in seinem noch vollen Teller Tomatensuppe. Sein schwarzes Hemd bekam rote Flecken, genauso wie mein weißer Rollkragenpullover, wo man es natürlich noch mehr sah. Aber zum Glück gab es ja Waschmaschinen. Arho schüttelte den Kopf und wischte sich mit einem Handtuch sein Hemd sauber. Ich hatte in der Zwischenzeit aufgegessen und spülte meinen Teller kurz unter warmem Wasser ab. Das machten wir immer so, denn das hatte den großen Vorteil, dass sich das Geschirr nicht stapeln konnte und wir nicht stundenlang in der Küche stehen mussten, um abzuwaschen. Plötzlich fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, mir in der Universitätsbibliothek ein Buch auszuleihen, welches ich noch unbedingt benötigte, um die Prüfung nicht völlig in den Sand zu setzen. Ich berichtete Arho davon, zog mir meine immer noch nassen Winterstiefel wieder an, genauso wie die Jacke, und machte mich zum zweiten Mal an diesem Tage auf den Weg zur Uni. Ich machte extra einen Umweg, um mehr von der wunderschönen, zugeschneiten Landschaft zu sehen. Auch wenn ich Kälte nicht unbedingt mochte, liebte ich den Winter. Ein Widerspruch, den kaum jemand verstand. Ich liebte Schnee, und dass dieser kalt war, dafür konnte er nichts. Schnee war für mich einfach so unschuldig und rein. Ich ging durch den Hämeenpuisto, der Park sah zugeschneit einfach herrlich aus. Es war einer meiner Lieblingsplätze im Winter. Meine Armbanduhr sagte mir jedoch, dass ich mich nicht lange hier aufhalten könne. Es war inzwischen eins und in einer halben Stunde würde die Bücherei schließen. Von hier würde ich etwa eine Viertelstunde brauchen, und da ich wusste, welches Buch ich benötigte, musste ich mich nicht hetzen. So ging ich im gemütlichen Tempo weiter, in Gedanken versunken erreichte ich die Straße, die ich ansteuerte. Aus dem Augenwinkel konnte ich eine Person erkennen, die geradewegs auf mich zusteuerte. Leider achtete ich nicht weiter auf sie, konnte nicht einmal bestimmen, ob es ein Mann oder eine Frau war. Diese Unachtsamkeit wurde mir kurz darauf zum Verhängnis, denn diese Person schien genauso in Gedanken versunken zu sein wie ich und es kam wie es kommen musste: In einem Affenzahn, die Person hatte es offensichtlich eilig, kam sie auf mich zu und rempelte mich an. Ich wollte den Mann, wie ich es an seinen Augen und seiner Größe erkannte, gerade die Meinung sagen, als er mir zuvorkam: „Verzeihen Sie bitte!“ Seine Stimme war unbeschreiblich. Ich wusste nicht, woran es lag, aber sie war einzigartig, einfach unbeschreiblich. „Schon gut“, sagte ich. Meine Wut war wie verflogen. „Es ist ja nichts passiert.“ Er schaute mich erleichtert an. Dann meinte er „Das ist gut… Ich… ich möchte mich aber dennoch vielmals bei Ihnen entschuldigen“ Er war wirklich sehr süß. Langes blondes Haar, ein dicker schwarzer Anorak umspielte seine schlanke Figur. Ich schätzte ihn auf etwa 1,80. Rein optisch kam er auf jeden Fall schon an meinen Traummann ran. „Ach was… Sie können mich ja irgendwann mal zu einem Kaffee einladen, dann geht das schon in Ordnung“, erklärte ich und suchte in meiner Handtasche nach Schreibutensilien. Ich fand einen Kuli und einen Zettel auf dem ich ihm meine Handynummer und meine Adresse notierte „Hier haben Sie meine Telefonnummer, dann können Sie mir jederzeit bescheid sagen, wann es ihnen recht wäre und falls sie mich überraschen wollen… Hier auch gleich noch meine Adresse, aber wundern sie sich nicht, falls ihnen ein junger Mann die Tür öffnet. Der ist nur ein Freund von mir, wir teilen uns nämlich eine Wohnung.“, sagte ich und überreichte ihm das Schriftstück. „Aaaah ja… Ich verstehe“, antwortete er, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass er keine Ahnung hatte, wovon ich sprach. Ich hatte es schließlich auch nicht. Der Fremde starrte in die Ferne, als ob er nicht wusste, was er nun tun sollte. Er schien in einer anderen Welt zu sein. Ich nutzte die Gelegenheit, um schnell zu verschwinden. In letzter Minute schaffte ich es, die Bibliothek zu erreichen. Beinahe ließ mich die Bibliothekarin nicht mehr herein, doch als ich ihr schilderte, dass es dringend war und es wirklich nur ein paar Minuten dauern würde, war sie schließlich doch bereit, mich hineinzulassen. Schnell fand ich mein Buch, sodass ich das große Gebäude zügig wieder verlassen konnte. Auf dem gesamten Nachhauseweg konnte ich an nichts anderes denken, als an diesen Mann. War ich denn völlig bescheuert, ihm einfach so meine Adresse zu geben?? Ich kannte ihn doch gar nicht. Wer weiß, ob er nicht ein gefährlicher Killer war?? Er sah zwar nicht so aus, aber gerade die waren immer die Schlimmsten. Die Unscheinbaren. Ich musste unbedingt Arho um Rat fragen, mein kleines Sorgenkissen, wie er sich selbst immer nannte. Zu ihm konnte ich immer gehen, wenn ich Probleme hatte. Er verstand mich. Ich lief immer schneller, bis ich schließlich rannte. Völlig außer Atem kam ich zu Hause an und anstatt die Tür aufzuschließen, klingelte ich Sturm. „Ich komm ja schon!“, hörte ich Arhos Stimme vom anderen Ende der Wand. Er öffnete die Tür und schaute mich überrascht an. Ich lief an ihm vorbei ins Wohnzimmer und setzte mich auf die rote Couch. „Ich. Bin. So. BLÖD!!!“, rief ich. „Stimmt“, antwortete mein Mitbewohner, als er jedoch sah, wie ich schmollte, fragte er nach: „Was ist denn passiert, hm?“ „Auf dem Weg zur Uni da war so ein Typ, der in mich gerannt ist…“, schnell erzählte ich ihm die kurze Geschichte. Er hörte aufmerksam zu. „Und ich dachte immer, nur Männer seien geschlechtsgesteuert.“, fügte ich hinzu und starrte auf den Boden. Sollte mal wieder gewischt werden. „Auri, ich glaube nicht, dass er ein Killer sein wird, nicht nachdem wie du ihn beschrieben hast. Und ich denke, er wird sich gar nicht erst bei dir melden. Wozu auch? Ihr habt ja kaum miteinander gesprochen.“, versuchte er mich zu beruhigen. Es gelang ihm nicht wirklich. „Und was ist, wenn doch?? Ich kann mit Sicherheit die ganze Nacht nicht schlafen. Vielleicht ruft er heute noch an Oder kommt vorbei. Was ist, wenn er ein Perverser ist??“ Langsam bekam ich immer mehr Angst. „Hey, ich bin auch noch da! Falls er dir wirklich Böses will, was ich stark bezweifle, werde ich ihm so eine runterhauen, dass er nicht mehr weiß, wer er ist. Versprochen.“ „Danke, Arho.“ Ich lehnte mich an ihn. Er war wirklich ein super Freund. So einer, wie jeder sich ihn wünschte. Er schaute mich an. „So, und jetzt lass uns über was anderes reden. Hast du dein Buch bekommen?“ Ich nickte. „Das ist gut. Soll ich dich abfragen?“ „Bloß nicht! Ich sollte es mir vorher vielleicht angucken, bevor du mir irgendwelche Fragen zur modernen Fotographie stellst.“, erwiderte ich. „Stimmt auch wieder. Und was machen wir anstatt?“ „Musst du nicht zur Uni? Du hast doch heute auch noch ne Vorlesung.“ „Ach verdammt! Das hätte ich beinahe vergessen. Ich bin so gut wie weg.“, mit diesen Worten stand er auf und ließ mich allein. Ich schnappte mir ein Buch, ein netter Kriminalroman, und begann zu lesen. Es war nicht gerade das spannendste Buch, aber immerhin interessanter als dieses halbzerfledderte Ding aus der Bücherei. Die Zeit verging und es kam mir vor wie ein paar Minuten, da stand Arho wieder vor dem Sofa. Ich schrak hoch, war ich doch gerade in der Welt von Hauptkommissar Mikael Karppinen. „Ich hab dich gar nicht gehört.“, sagte ich überrascht und legte das Taschenbuch neben mich. „Schon gut. Und hat sich der Kerl gemeldet?“, wollte er wissen. „Welcher Kerl? Ach so der. Nein, hat er nicht. Du hattest wahrscheinlich Recht. Meine Nummer liegt wahrscheinlich in irgendeinem Mülleimer. Und wie war’s so? Hattest du Spaß?“ „Du, wir haben uns totgelacht, so viel Spaß hatten wir. Also Auri, studieren und Spaß ist ein Widerspruch. Das solltest du im Moment am besten wissen.“, meinte er, sein Blick lag auf dem Lehrbuch, welches immer noch dort lag, wo es war, als er ging. „Ach, ich soll dich von Tiia grüßen. Sie wollte die Tage mal rumkommen und mit dir quatschen. Sie faselte irgendwas von wegen `Frauensachen´.“, fügte er hinzu und verschwand in der Küche. Tiia war meine beste Freundin. Sie studierte zusammen mit Arho Politik und Geschichte und war die erste, die ich hier in Tampere kannte. Ich kam vom Land, etwa 10 Kilometer von der Großstadt entfernt. Sie hatte erst auch in der Wohngemeinschaft gelebt, bis sie mit ihrem Freund zusammengezogen war. Ich schaute auf die Uhr. Kurz nach sechs. Während ich noch am überlegen war, ob ich schon jetzt zu Abend essen sollte, oder nicht, riss mich mein Handy aus meinen Gedanken. Unbekannt. Wer könnte das sein? „Kukka Suvi Nevalainen?“, meldete ich mich mit meinem vollständigen Namen. „Ähm… ja, Jonne hier. Jonne Liimatainen.“, sagte die Person am anderen Ende. „Bitte wer? Ich kenne keinen Jonne.“ Wer zum Teufel war das? „Ich habe Sie heute Mittag ganz uncharmant angerempelt. Erinnern Sie sich?“, antwortete er. „Oh, ich hatte gehofft, dass Sie mich nicht mehr anrufen.“, sagte ich, ohne natürlich vorher zu denken. Verdammt, das war jetzt das zweite Mal heute, dass ich etwas Unüberlegtes machte. Und immer in seiner, Jonnes, Gegenwart. „Ach so… Na dann.“ Jonne klang etwas enttäuscht. „Nein, so war das nicht gemeint.“, versuchte ich zu retten, was ich angestellt hatte, „Die Sache mit dem Kaffee steht noch. Wenn Sie wollen. Sonst nicht. Finnland ist schließlich ein freies Land.“ „Öh, ja. Das ist es. Natürlich möchte ich Sie zu einem Kaffee einladen. Sonst hätte ich Sie nicht angerufen.“ Er schien leicht verwirrt zu sein, kein Wunder, schließlich faselte ich auch ziemlichen Stuss. „Wie wäre es mit morgen Nachmittag? So um drei im Café am Tammerjoki? Das find ich ganz hübsch.“, schlug er vor. Ich willigte ein. „Wäre sonst noch was zu klären? Ach, es kann sein, dass ich etwas später komme, aber ich beeile mich!“, sagte er schnell. „Wenn Ihnen drei zu früh ist, können wir uns auch um vier treffen.“, schlug ich vor, doch er lehnte ab. Komisch, erst drei Uhr vorschlagen, dann sagen, dass er eventuell später kommt und einen anderen Termin ablehnen… Männer! Eine Spezies für sich. Vielleicht sollte ich Arho mal fragen, wieso sie so merkwürdig sind. „Also dann morgen um drei in diesem Café?!“, vergewisserte sich der Anrufer. Ich nickte, doch dann viel mir ein, dass er mich gar nicht sehen konnte und sagte schnell: „Ja, alles klar.“ Eine Weile schwiegen wir uns an. „Ja, dann bis morgen.“, beendete ich das Gespräch und legte ohne auf ein „Tschüss“ zu warten auf. „Arho??“, rief ich meinen Mitbewohner leise und mit einem ängstlichen Unterton. „Was ist nun schon wieder, Schätzchen?“ Ein Schwarzbrot kauend kam er wieder aus der Küche heraus. „Was mach ich, wenn er doch ein Killer ist?“ „Wer? Ich habe keine Ahnung, wen du meinst.“ „Na Jonne, der Anrempler.“ „Hast du gerade mit ihm gesprochen, oder woher weißt seinen Namen?“ „Ja, er hat mich angerufen. Wir haben uns für morgen verabredet.“, klärte ich ihn auf. „Auri, er wird weder ein Killer, noch ein Perverser, noch ein Massenmörder oder sonst was sein. Da schwör ich dieses Schwarzbrot drauf!“, versuchte er mich zu beruhigen. Wieso hatte ich diesem Treffen überhaupt grünes Licht gegeben? „Kannst du nicht heimlich mitkommen?“, fragte ich. „Auri, nein! Das hast du dir selbst eingebrockt. Soll ich etwa hinter einem Busch hocken und euch beobachten? Außerdem trefft ihr euch doch an einem öffentlichen Ort, da wird nichts passieren.“ Er hatte ja Recht. Ich war auf der sicheren Seite. Und es war ja nur ein Kaffee und dann würde ich Jonne nie wieder sehen. Mehr oder weniger beruhigt ging ich mit Arho in die Küche und machte mir was zu essen. „Wie wär’s? Gucken wir uns gleich ’nen schönen Film an?“, fragte er. Ich stimmte zu. Filme hatten wir schon lange nicht mehr geguckt. „Aber was Lustiges, ja?“, stellte ich meine einzige Bedingung und so saßen wir eine halbe Stunde später vorm Fernseher und schauten „American Pie“. Am nächsten Morgen erwachte ich früh. Ich war ziemlich aufgeregt wegen dem Treffen, obwohl es doch noch einige Stunden dauerte, bis es so weit war. Schnell hüpfte ich ins Bad, bevor Arho es belagerte. Der brauchte immer Stunden, um sich tagfertig zu machen. Ach ja, es ging doch nichts über eine heiße Dusche am Morgen! Nachdem ich fertig war, frühstückte ich lang und machte mich auf den Weg zur Uni. Arho begleitete mich, er musste heute auch morgens hin. Heute war die Vorlesung ganz nett, nicht so wie sonst. Hoffentlich würde das so bleiben bis dieses Semester vorüber sein würde. „Und denken Sie daran, dass der Tag der Prüfung immer näher rückt.“, verabschiedete sich mein Dozent und ließ mich und die anderen Studierenden ziehen. In einer halben Stunde hatte ich meine nächste Vorlesung, dann war ich, zumindest für heute frei. Auch diese Vorlesung ging recht schnell rum und so machte ich mich wieder auf den Weg zu meiner Wohnung. Arho war noch nicht da, aber er hatte ja auch keinen Grund zur Eile. Ich hingegen schon. Ich machte mir ein paar Dosenravioli warm, das perfekte Essen, wenn es schnell gehen sollte, und stellte das Radio an. „Und hier die erste Single des bisher letzten Albums von *Negative*: Won’t Let Go!“, kündigte der Moderator an. Merkwürdige Musik ertönte, dicht gefolgt von den Drums. Schnell machte ich das Radio wieder aus. Nein, das war nicht ganz mein Musikgeschmack. Nachdem ich zu Ende gegessen hatte, spülte ich meinen Teller und ging noch einmal duschen, zog mir frische Sachen an und wartete bis es kurz vor drei war. Das dauerte nicht allzu lange, da ich mich nicht entscheiden konnte, was ich nun anziehen sollte. Schließlich hielt ich eine enge Röhrenjeans und einen flauschigen roten Pullover für passend. Pünktlich um drei erreichte ich das Café, für das wir uns entschieden hatten. Ich setzte mich an einen Fensterplatz und wartete. Der Kellner kam und wollte meine Bestellung wissen. Ich sagte ihm, dass ich auf jemanden wartete und er verschwand. Bei jeder Person, die hereinkam, schaute ich, ob es Jonne war, doch Fehlanzeige. Inzwischen war es halb vier. Ja, er kam etwas später, alles klar. Eine ganze halbe Stunde. Als der Kellner zum wiederholten Male zu mir rüberblickte, wurde es mir zu viel. Ich verließ das Café. Pech gehabt, Jonne. Wer fast eine Dreiviertelstunde brauchte, um zu einem Café zu kommen, sollte sich lieber nicht mit mir verabreden. Kapitel 3: Kapitel 2: Not Enough Time - Part 1 ---------------------------------------------- Jonne: Auf dem Weg nach Hause musste ich schon wieder die ganze Zeit an diese Frau denken. Sie ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Aber das war ja auch kein Wunder, denn immerhin war ihr verhalten schon sehr merkwürdig gewesen. Es war sogar so schlimm, dass ich ein paar mal stehen bleiben musste, nur um ganz in Ruhe und mit viel Konzentration auf das momentane Geschehen darüber nachzudenken wo ich denn nun lang musste und eigentlich sollte ich den Weg vom Proberaum zu mir nach Hause doch mittlerweile im Schlaf können. Doch teilweise stand ich ganze zehn Minuten da und überlegte, ehe ich meine Hand gegen die Stirn schlug und alles wieder so klar war, so einleuchtend und eigentlich selbstverständlich. Doch wenn die Gedanken eben woanders waren, fiel einem das echt nicht leicht. Nach geschlagenen zwei Stunden kam ich dann endlich zu Hause an. Ich hatte tatsächlich so lange gebraucht für einen Weg, den ich normalerweise in einer halben Stunde schaffte und das obwohl ich selbst da schon immer sehr in Gedanken versunken war? Aber besser ich dachte nicht weiter darüber nach, sonst würde ich noch Ewigkeiten brauchen ehe ich die Tür aufbekam. Denn so ein Schlüssel findet nun mal nicht allein ins Loch. Vorsichtig betrat ich die Wohnung, immer darauf bedacht nicht zuviel des Flures nass und schmutzig zu machen. Obwohl das mit dem Schmutz ja nun auch nich so tragisch war, da sich das in Grenzen hielt im Gegensatz zum Wasser. Warum kann Schnee auch nich einfach abfallen bevor man reinkommt, sondern bleibt an den Schuhen hängen und fängt an zu schmelzen wenn man sie ausgezogen hat. Na ja eigentlich tat er es ja auch schon vorher, aber die Wohnung bekam doch immer am Meisten ab. Endlich von allen möglichen Klamotten befreit begab ich mich erstmal unter die Dusche. Nach so einem Tag war es doch immer wieder schön, wenn man zu Hause alles von sich waschen konnte. Auch diese lästigen Gedanken, die ich sonst wohl nie loswerden würde. Zu mindest kam es auf einen Versuch an. Also ließ ich mich etwa eine viertel Stunde vom warmen Wasser berieseln und versuchte an nichts zu denken. „Sinnlos“, stellte ich danach fest. Es war einfach zwecklos, bevor ich diese Frau nicht angerufen hatte, um sie auf einen Kaffee einzuladen würde sie wohl nicht aus meinem Kopf verschwinden. Sie würde wohl für immer in ihm rumspuken und mich wahrscheinlich sogar in meinen Träumen verfolgen. Bei näherer Betrachtung machte mir dieser Gedanke Angst. Diese Frau war wirklich eine Hexe, ein Teufelsweib. Wenn sie es schaffte mich so zu quälen, dann konnte sie nicht normal sein und schon gar kein Mensch. Zehn Minuten später saß ich wieder angezogen auf meiner Couch mit meinem Handy in der rechten Hand und dem Zettel mit der Nummer in der linken. Zum zwanzigsten Mal, so kam es mir vor, tippte ich die Nummer nun schon ein. Doch jedes Mal löschte ich sie einige Sekunden später wieder und beschloss es zu lassen, wobei ich mich wieder einige Zeit danach wieder um entschied und die Nummer ein weiteres Mal eingab. Es benötigte fünf wirkliche, also etwa fünfzig gefühlte, Anläufe ehe ich mich traute die Taste mit dem grünen Hörer zu betätigen. Mir war nicht ganz wohl bei der Sache, aber ich musste da durch, ob ich nun wollte oder nicht. „Kukka Suvi Nevalainen?“, riss mich eine Frauenstimme dann aus meinen Vielleicht-Sollte-Ich-Lieber-Rechtzeitig-Auflegen-Gedanken. „Ähm… ja, Jonne hier. Jonne Liimatainen.“, stammelte ich vor mich hin, immer noch nicht ganz sicher, ob das wirklich so eine gute Idee war. „Bitte wer? Ich kenne keinen Jonne.“, gab sie zur Antwort und langsam fand ich immer mehr Beweise für meine Das-War-Eine-Absolute-Scheiß-Idee-Jonne!-Teorie. „Ich habe Sie heute Mittag ganz uncharmant angerempelt. Erinnern Sie sich?“, erklärte ich, nach dem ich mich doch noch einmal zusammengerauft hatte. „Oh, ich hatte gehofft, dass Sie mich nicht mehr anrufen.“, erwiderte sie erstaunt. „Ach so… Na dann.“, meinte ich nur leicht enttäuscht, obwohl ich nicht mal wusste warum. Hey damit war die Sache doch vom Tisch oder nicht, also was war ich dann so geknickt. In diesem Moment konnte ich mich selbst nicht ganz nachvollziehen, aber bevor ich näher darüber nachdenken konnte, antwortete sie etwas schneller als zuvor: „Nein, so war das nicht gemeint. Die Sache mit dem Kaffee steht noch. Wenn Sie wollen. Sonst nicht. Finnland ist schließlich ein freies Land.“ „Öh, ja. Das ist es. Natürlich möchte ich Sie zu einem Kaffee einladen. Sonst hätte ich Sie nicht angerufen.“, meinte ich nur völlig verwirrt, obwohl ich mir dennoch im klaren war, dass das was ich da gerade gesagt hatte, nicht der Wahrheit entsprach. Es war eine Lüge. Zu mindest ein Teil von mir glaubte das, der andere war fest davon überzeugt, dass es mein Wunsch war, mit ihr einen Kaffee zu trinken. Fragte sich nur warum ich das dachte oder besser gesagt, dieser eine Teil von mir. Trotz meiner Verwirrung wagte ich dennoch einen Vorschlag: „Wie wäre es mit morgen Nachmittag? So um drei im Café am Tammerjoki? Das find ich ganz hübsch.“ Sie willigte kurz ein und ich fuhr jetzt erst so richtig in Fahrt gekommen fort: „Wäre sonst noch was zu klären? Ach, es kann sein, dass ich etwas später komme, aber ich beeile mich!“ „Wenn Ihnen drei zu früh ist, können wir uns auch um vier treffen“, meinte sie nur, doch ich lehnte ab. Sie hatte ja keine Ahnung mit wem sie redete. Bei diesem Gedanken musste ich seufzen. „Also dann morgen um drei in diesem Café?!“, wollte ich mich noch einmal vergewissern. „Ja, alles klar.“, antwortete die junge Frau am anderen Ende nur. Schien wohl auch etwas neben der Spur zu sein. Eine ganze Weile folgte nichts und es herrschte ein unangenehmes Schweigen. Ich hasste solche Momente, wer zum Teufel hatte das „Anschweigen“ überhaupt erfunden? Völlig unnötig diese Erfindung. Weiß gar nicht wozu das gut sein sollte. „Ja, dann bis morgen.“, erklang ihre Stimme dann ein letztes Mal und bevor ich mich ebenfalls verabschieden konnte, hatte sie auch schon aufgelegt. Völlig starr, blickte ich auf mein Handy und führte innerlich einen Kampf mit mir selbst. „Wie konntest du nur so blöd sein“, mahnte ich mich selbst in Gedanken, „Du bist ja so ein Idiot.“ Ich verstand mich selbst nicht mehr. Mochte ich diese Frau nun oder nicht? Wollte ich nun mit ihr einen Kaffee trinken gehen oder nicht? Obwohl ich wirklich so stark ich konnte darüber nachdachte, ja mich so sehr darauf konzentrierte eine Antwort zu finden wie nur möglich, kam ich zu keinem Ergebnis. Also gab ich es endgültig auf und schaltete den Fernseher ein. Ich zappte mich so durch die Programme, aber irgendwie lief heute überhaupt nichts Sehenswertes. Trauriger konnte dieser Abend nicht enden. Nach dieser Erkenntnis schaltete ich den Fernseher wieder aus und erhob mich von der Couch. Ich beschloss schlafen zu gehen. Das war wohl das Beste was ich jetzt noch tun konnte. Dann war ich morgen wenigstens ausgeschlafen. Obwohl ich nicht wusste, ob das nun positiv oder negativ zu sehen war. Womit ich schon wieder bei DIESEM Thema war, bei einer Frage, auf die ich einfach keine Antwort fand. Das mit dem Schlafen war wohl doch nicht so einfach, wie gedacht. Denn so schnell schlief ich sicher nicht ein, nicht wenn ich ständig an diese Frau denken musste. Es verging Stunde um Stunde ohne Erfolg. Ich sah auf die Uhr. „6 Uhr“, lass ich auf ihr, „Das darf doch nicht wahr sein. Ich liege hier jetzt schon acht Stunden wach in meinem Bett. Warum… warum ich?“ Nachdem ich mich kurz darüber aufgeregt hatte, startete ich einen neuen Einschlafversuch und etwa gegen neun oder zehn Uhr war ich dann wohl auch eingeschlafen. Ein Piepen drang an mein Ohr. Es wurde immer lauter. Langsam erwachte ich und rein intuitiv streckte ich meinen Arm zur Seite und schaltete den Wecker aus, nur um ihn danach in die Hand zu nehmen und ihn mir vor meine noch sehr müden Augen zu halten und einen Blick darauf zu werfen. „15 Uhr… Ach so… Kann ich ja noch ein bisschen… Moment… Waaaaaaaas… schon 15 Uhr… das is viel zu spät… das schaff ich doch nie mehr rechtzeitig“, rief ich erschrocken durch meine Wohnung. Hoffentlich hatten die Nachbarn das nicht gehört. Schnell zog ich mich an rannte ins Bad um mir die Zähne zu putzen. Duschen musste ausfallen, aber das hatte ich ja zum Glück auch schon am Abend zuvor erledigt. Ich tat mich schwer damit in nur wenigen Sekunden mit dem Kajal zu hantieren, aber es musste eben sein. Auch auf die Gefahr hin, mir die Augen auszustechen, aber ohne mit Kajal umrandeten Augen würde ich nicht aus dem Haus gehen. Allein schon deshalb, weil ich schon so viel zu verschlafen aussah. Da musste ich doch wenigstens meine Augenringe irgendwie überdecken. Auch wenn das schon seit Ewigkeiten nicht mehr viel brachte. Anschließend zog ich mir Schuhe und Mantel an und stürmte aus der Wohnung. Zum Glück viel mir noch rechtzeitig auf, dass ich wohl besser einen Schlüssel mitnehmen sollte, sonst hätte ich mich jetzt selbst ausgesperrt. Nach dem ich unten aus dem Haus war, rannte ich noch ein weiteres Mal hoch, nur weil ich in all der Eile auch noch mein Handy vergessen hatte und das war wirklich lebenswichtig. Irgendwann hatte ich es dann doch geschafft und rannte so schnell ich konnte zu verabredetem Café. Etwa eine halbe Stunde rannte ich ohne Pause durch Tampere, was mich schon ziemlich erstaunte, da ich eigentlich nicht ganz so ausdauernd war. Aber eine Verabredung gänzlich zu verpassen und das bei einer Person die ich kaum kannte, kam bei mir nicht in Frage. Bei meinen Freunden war das ja ok, die kannten mich eh nicht anders. Aber bei Leuten wie ihr, kam man wohl lieber nicht zu spät. Obwohl ich auch so schon längst die Zeit überzogen hatte. Endlich sah ich das Café und wurde zu mindest ein bisschen langsamer, doch zum stehen kam ich erst, als ich mal wieder versehentlich in jemanden hineingerannt war. „Oh mein Gott das tut mir wirklich Leid. Ich war in Eile, aber was versuche ich mich überhaupt rauszureden. Bitte verzeihen sie!“, rasselte ich mal wieder völlig gewohnt meine Entschuldigung runter. Doch als ich aufblickte, erschrak ich. „Kein Problem, im Gegensatz dazu, dass Sie mich eine dreiviertel Stunde haben warten lassen“, fuhr mich die junge blonde Finnin an. „Es tut mir wirklich leid. Ich weiß wirklich nicht wie ich das wieder gut machen kann, aber wenn es sein muss lade ich Sie auch noch zu drei weiteren Kaffees ein. Einen für jede Schandtat, die ich begangen habe“, versuchte ich sie zu besänftigen, doch wie immer war ein Teil von mir gegen ihre Sympathien. „Schon gut, schon gut“, wimmelte sie ab, „Lassen Sie uns lieber endlich reingehen.“ „Äh… natürlich“, meinte ich nur zustimmend. So betraten wir das Café und setzten uns an einen Tisch am Fenster. „Jonne ist also ihr Name sagten Sie?!“, wollte sie sich vergewissern. „Ähm ja genau… Jonne Aaron Liimatainen und Sie waren Kukka Suvi Nevalainen richtig?”, stellte ich die Gegenfrage und war über mich selbst erstaunt. Wie hatte ich es nur geschafft diesen Namen zu behalten? Es war mir mal wieder schleierhaft. „Ja, aber Sie können mich ruhig Auri nennen, dass tun meine Freunde auch“, gab sie zur Antwort. „Und Sie können mich auch ruhig duzen, wenn Sie wollen“, ergänzte ich. „Ah ja gut… und was machst… du… so... wenn du nich grad unschuldige Frauen anrempelst?“ Bei dieser Frage lief ich völlig unfreiwillig rot an. Wie konnte sie so etwas nur fragen, wo mir diese ganze Sache doch so schon peinlich genug war. „Ähm ja… ich geh spazieren, treffe mich mit Freunden, sehe fern, höre Musik und mache auch selbst welche. Die Musik ist eben mein ein und alles“, antwortete ich, „und Sie?“ „Äh erstmal… wenn ich dich duzen darf, darfst du mich selbstverständlich auch duzen und zweitens studiere ich Fotographie und Medienwissenschaft und was meine Freizeit anbelangt, die fülle ich mit reisen, fotografieren, kochen, lesen, shoppen, mit Freunden treffen und Sport in den unterschiedlichsten Formen“, erklärte sie. „Klingt interessant…“, meinte ich daraufhin nur, aber Auri schrie kurz darauf völlig entsetzt auf. „Aaah… verdammt ich muss los… tut mir leid, aber ich…“ „Schon gut“, unterbrach ich sie, „ich kann dich ja irgendwann noch mal zu einem Kaffee einladen, wenn du willst. Deine Nummer hab ich ja“ „Ähm… ok“, gab sie eilig zurück, „Auf wiedersehen dann… Mach’s gut…“ Mit diesen Worten verließ sie dann rennend das Café und ich wusste wirklich nicht recht was ich nun von ihr halten sollte. Ich trank meinen Tee aus und zahlte. Danach verließ ich ebenfalls das Café und angelte nebenbei nach meinem Handy. Irgendwo in meiner Jackentasche musste es ja sein. Nach dem ich es endlich gefunden hatte, suchte ich die Nummer raus, die ich jetzt brauchte und startete einen Anruf. „Mikkonen“, meldete sich Angerufener nach langer Zeit endlich am anderen Ende und das noch leicht verschlafen. Ich wollte wirklich nicht wissen was er gestern Abend schon wieder getrieben hatte, dass er um 16 Uhr noch im Bett lag. „Ja ich bin’s Jonne“, meinte ich nur. „Ach du bist’s. Was willst du denn? Ich bin gestern Abend… ähm… nein falsch… es war schon heute Morgen… um… zwei… nein um vier… oder war’s doch schon um sechs???“ „Schon gut du hast mal wieder wie üblich die Nacht zum Tag gemacht.“ „Richtig… und bin deshalb noch saumüde also was willst du?“, fragte er abermals. „Ich wollte dich fragen ob ich gleich bei dir vorbeikommen kann. Ich wäre in etwa ner Viertelstunde bei dir. Ist das ok? Ich brauch unbedingt jemanden mit dem ich reden kann“, flehte ich ihn schon leicht an. „Ja ja is ok… also bis inner halben Stunde“, gab er zurück. „Nein ich falsch ich sagte in fünfzehn Minuten bin ich bei dir…“ „Ja siehst du… also erst inner halben Stunde. So und jetz zieh ich mich erstmal an, esse was und füttere Ella die guckt schon ganz traurig und ausgehungert.“ Merkwürdig, warum bloß, dachte ich mir. So spät wie er aufstand. In der Zeit hätte jeder normale Hundebesitzer seinem Hund schon zum zweiten Mal Fressen hingestellt. „Also dann bis gleich“, verabschiedete ich mich vorläufig und er antwortete nur mit einem einfachen „Jo, bis gleich“. Ich verstaute mein Handy wieder in meiner Jackentasche und machte mich also auf den Weg zu Chris. Kapitel 4: Kapitel 2: Not Enough Time - Part 2 ---------------------------------------------- Auri: Ich war kaum hundert Meter weit gekommen, als schon wieder jemand in mich rein rannte. Langsam wurde es mir echt zu viel. Ich holte schon tief Luft, um diese Person richtig schön fertig zu machen, als ich sie erkannte. Ach nee, ließ er sich doch noch mal blicken, der Jonne oder so ähnlich? „Oh mein Gott das tut mir wirklich Leid. Ich war in Eile, aber was versuche ich mich überhaupt rauszureden. Bitte verzeihen Sie!“, sagte er, sein Blick war auf den verschneiten Boden gerichtet, er schien mich nicht erkannt zu haben. Doch dann blickte er auf und ich merkte, wie er leicht zusammenzuckte. Es war ihm sichtlich peinlich, noch mal mit mir zusammengestoßen zu sein. „Kein Problem, im Gegensatz dazu, dass Sie mich eine dreiviertel Stunde haben warten lassen“, fuhr ich ihn an. Das musste jetzt einfach sein. „Es tut mir wirklich leid. Ich weiß wirklich nicht wie ich das wieder gut machen kann, aber wenn es sein muss lade ich Sie auch noch zu drei weiteren Kaffees ein. Einen für jede Schandtat, die ich begangen habe“, entschuldigte er sich noch einmal. Süß war er ja schon irgendwie… Aber unpünktlich! „Schon gut, schon gut“, beruhigte ich ihn. Nachher bekam er noch Schuldgefühle oder so was, „Lassen Sie uns lieber endlich reingehen.“ Ein schöner heißer Kaffee war genau das, was ich jetzt brauchte. „Äh… natürlich“, sagte er schnell und ging voran. Ich folgte ihm, er steuerte auf den Tisch zu, den ich gerade verlassen hatte. Der Kellner von eben schien etwas überrascht zu sein, was ja auch kein Wunder war, denn schließlich habe ich das Café ziemlich schnell verlassen. Er kam auf uns zu und Jonne gab unsere Bestellung auf: Einen schwarzen Tee und einen Cappuccino. „Jonne ist also ihr Name sagten Sie?!“, wollte ich auf Nummer sicher gehen. „Ähm ja genau… Jonne Aaron Liimatainen und Sie waren Kukka Suvi Nevalainen richtig?”, antwortete er mir. Puh, war also doch der richtige Name. Was mich allerdings wunderte, war, dass er immer noch meinen Namen wusste. Die meisten meiner Studienkollegen hatten ihn immer noch nicht drauf. „Ja, aber Sie können mich ruhig Auri nennen, dass tun meine Freunde auch“, bot ich ihm an. Das war mir lieber, ich mochte meinen vollen Namen zwar, aber er war mir einfach zu lang. „Und Sie können mich auch ruhig duzen, wenn Sie wollen“, fügte Jonne hinzu. „Ah ja gut… und was machst… du… so... wenn du nich grad unschuldige Frauen anrempelst?“, meinte ich mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Er lief knallrot an, weshalb ich noch mehr grinsen musste. Ich versuchte, es mir zu verkneifen. Es gelang mir mehr oder weniger. „Ähm ja… ich geh spazieren, treffe mich mit Freunden, sehe fern, höre Musik und mache auch selbst welche. Die Musik ist eben mein ein und alles“, erwiderte er auf meine Frage, „und Sie?“ „Äh erstmal… wenn ich dich duzen darf, darfst du mich selbstverständlich auch duzen und zweitens studiere ich Fotographie und Medienwissenschaft und was meine Freizeit anbelangt, die fülle ich mit reisen, fotografieren, kochen, lesen, shoppen, mit Freunden treffen und Sport in den unterschiedlichsten Formen“, erklärte ich. Moment mal… Kochen?? „Klingt interessant…“, war anscheinend das einzige was ihm dazu einfiel. Auf einmal wusste ich, was mich vorhin zögern ließ. Ich schrie entsetzt auf. Ich hatte den Kochkurs, den ich Arho zum Geburtstag geschenkt hatte, völlig verschwitzt. Seine „Kochkünste“ waren wirklich etwas merkwürdig und er hatte mich gezwungen, ebenfalls am Kurs teilzunehmen, weil er allein keine Lust hatte. Männer… Aber dieses Opfer nahm ich gern in Kauf solange es nie wieder Tütenfraß geben würde. „Aaah… verdammt ich muss los… tut mir leid, aber ich…“, versuchte ich mich zu erklären, aber Jonne unterbrach mich: „Schon gut, ich kann dich ja irgendwann noch mal zu einem Kaffee einladen, wenn du willst. Deine Nummer hab ich ja“ „Ähm… ok“, stimmte ich zu, „Auf wiedersehen dann… Mach’s gut…“ Ich stand von meinem Stuhl auf und rannte in Eilmärschen aus dem Café. Wie schaffte ich es, in fünf Minuten am anderen Ende der Stadt zu sein?? Arho hätte mich auch ruhig mal informieren können, dass der Kurs heute ist… Obwohl… er hatte ja keine Ahnung, um wie viel Uhr ich mich mit Jonne verabredet hatte. Mensch, dieser Kerl brachte mich total durcheinander. Also Jonne, nicht Arho. Und während ich durch Tampere rannte, ließ ich das Treffen Revue passieren. Nun, es waren nur zehn Minuten, aber in zehn Minuten kann man oft viel erfahren. Leider nicht in diesem Fall. Das merkwürdigste und gleichzeitig faszinierendste an Jonne war seine Vorliebe für Musik. Ich kannte niemanden, der sich auch nur ansatzweise dafür interessierte, geschweige denn selbst welche machte. Ich hatte es in der siebten Klasse aufgegeben, Dreiklänge, Kadenzen und Co zu verstehen… Jonne hatte auf jeden Fall meinen Respekt. Allerdings schien er nicht sonderlich sportlich zu sein, zu mindestens nicht nach dem, wie er dort in mich rein gerannt ist vor dem Café… Aber schließlich hatte jeder seine geheimen Problemzonen. Völlig außer Atem erreichte ich die Volkshochschule, in der ich gleich mit Arho kochen durfte. Natürlich waren schon alle drinnen, also ging auch ich in das Gebäude. Der Weg zur Küche war zum Glück auf einem Raumplan gekennzeichnet, sodass ich sie schnell fand. Sie lag im Keller, und war verhältnismäßig groß. Arho kam direkt auf mich zu, in der weißen, langen Schürze, die er trug, und der Kochmütze sah er ziemlich lächerlich aus. Und wütend. Ups… „Auri!“, fuhr er mich an. „Wieso kommst du erst jetzt? Die halten mich schon alle für verrückt, weil die denken, ich spinne, weil ich denen erzählt habe, dass ich nicht allein hier bin. Eine ganze halbe Stunde. Und das für dich, da du Unpünktlichkeit doch so hast.“ „Aber jetzt bin ich ja hier“ genervt hing ich meinen Mantel an die Garderobe und verdrehte die Augen. Wie hatte Arho es eigentlich geschafft, mich zu diesem Kurs zu überreden? Ich konnte kochen. Oh, hatte ich das etwa laut gesagt? „Weil ich dein Geschenk sonst nicht eingelöst hätte. Und sooo eine gute Köchin bist du auch wieder nicht. Ohne Kochbuch wärst du aufgeschmissen.“ Das saß. „Ich kann auch wieder gehen, wenn du mich jetzt die ganze Zeit anmaulst.“, sagte ich. Doch bevor wir uns weiter streiten konnten, kam die Kursleiterin, die uns bat, uns am noch laufenden Gespräch zu beteiligen. Es sollte Schweinefilet auf Rosmarinkartoffeln geben. Ich sah das Chaos schon vor mir. Jetzt sah ich zum ersten Mal, wie groß der Kurs war. Es waren so um die 15 Leute, alle irgendwo zwischen dreißig und vierzig Jahre alt. Arho und ich waren mit Abstand die Jüngsten. „So, nachdem nun auch die letzten eingetroffen sind und wir uns vorgestellt haben, können wir ja anfangen. Wer weiß nicht, wie man Kartoffeln schält?“, fragte die Leiterin, eine dicke Frau Mitte vierzig mit blonden Locken. Arho meldete sich prompt, genauso wie drei weitere. Wo war ich bloß gelandet? „Das ist ganz leicht, ich zeige es Ihnen. Das wichtigste ist, dass Sie das Messer immer vom Körper weg führen. Sonst kann es zu bösen Verletzungen kommen.“, erklärte sie und machte vor, wie es richtig war. „Nun bilden Sie aber erst einmal Zweiergruppen und holen sich dann die Zutaten bei mir ab.“ Arho ging zu ihr und holte alles was wir brauchten: Schweinefleisch, Rosmarin, Kartoffeln, Salz, Sahne, Weißwein und noch ein paar weitere Sachen. „So, Arho, da du ja Kochen lernen musst, denke ich, dass ich die einfachen Sachen übernehme, ja?“, sagte ich und nahm mir etwas Pflanzencreme um ein Backblech damit zu bestreichen. Arho guckte dumm aus der Wäsche, mit dem scharfen Messer in der einen und einer Kartoffel in der anderen Hand. Ein sehr amüsanter Anblick. „Auri Schätzchen, ich halte das für keine gute Idee.“, trotzdem versuchte er, Messer und Kartoffel näher zueinander zu bringen. Mit dem Ergebnis, dass jene fast geviertelt und er fast verblutet wäre. „Aua!!!!“, schrie er und steckte den Daumen in den Mund, wie ein Baby, das nuckelte, woraufhin die Kursleiterin sofort angelaufen kam. „Ach, was machen Sie denn? Ich hole ein Pflaster. Immer vom Körper weg, hören Sie?“ Ich schaute die massakrierte Kartoffel an, schüttelte den Kopf und sagte: „Also Arho, so schwer ist das doch nicht. Das üben wir zu Hause. Und jetzt lass mich das lieber machen.“ Ich nahm das Messer, schälte und teilte die Kartoffeln sorgfältig, bevor ich sie auf das Blech mit dem Rosmarin legte und in den Backofen steckte. Wir schienen am weitesten zu sein, trotz Unfall. Alle anderen waren noch am Schälen, das Pärchen neben uns fing sogar gerade erst an. Mein Mitbewohner war fertig verarztet und ich zeigte ihm, wie man Fleisch schneidet. Er selbst wollte lieber nicht ans Messer. Nachdem ich das Fleisch angebraten hatte, ließ ich Arho die Soße zubereiten. Er sollte schließlich auch was tun. Und so schwer war das nicht. Nun mussten wir nur noch darauf warten, dass die Kartoffeln fertig wurden und dann waren wir fertig. „Ach, wie war eigentlich dein Date mit diesem Killer-Jonne?“, fragte Arho. „Kurz, wir hatten nur zehn Minuten, weil er eine Dreiviertelstunde zu spät kam und ich vergessen hatte, dass ich ja mit dir zu diesem Kurs musste. Außerdem war es kein Date, sondern eine einfache Einladung zum Kaffee.“, klärte ich ihn auf. Er nickte. Nach einiger Zeit meinte er: „Dann ist er anscheinend nichts für dich.“ Ich schaute ihn fragend an. „Na, wenn er eine Dreiviertelstunde zu spät kam… Du bist doch so auf Pünktlichkeit fixiert.“ „Ja, schon und ich wollte ja auch gerade wieder gehen, als er angerannt kam und mich angerempelt hat.“ „Schon wieder? Dann ist er aber kein Gentleman.“ „Wir passen auch nicht wirklich zueinander. Er hat ganz andere Hobbies als ich. Er treibt kaum Sport, glaub ich.“ „Er gefällt mir.“, grinste Arho, „Vielleicht sollte ich ihn mir mal anschauen…“ „Er ist nicht schwul, da bin ich mir sicher.“ „Hmm“, war seine einzige Reaktion, dann fuhr er fort: „Aber Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an.“ „Aber nicht Jonne und ich.“ Die Eieruhr signalisierte uns in diesem Moment, dass die Kartoffeln fertig waren und brachte zum Glück einen Themenwechsel. „Das duftet! Hoffentlich schmeckt es auch!“, meinte Arho und hing mit der Nase im Backofen. „Nanana, nicht noch mehr Verletzungen, der Herr!“, rief unsere Kursleiterin ihm zu. „Nun“, sagte ich, „bei der Soße bin ich mir nicht so sicher, aber der Rest dürfte gelungen sein.“ „Sehr lustig, Auri. Ich mach den Kurs nicht freiwillig.“ „Ich auch nicht“ Er holte die Kartoffeln aus dem Ofen und gemeinsam richteten wir das Gericht an. Es roch wirklich herrlich. Auch die anderen Teilnehmer näherten sich langsam dem Ende und einige fingen an, den Tisch zu decken. Als soweit alles fertig war, saßen wir alle um einen großen runden Tisch und aßen unser Schweinefilet. Jeder hatte von jeder Gruppe etwas, sodass man sich ein Urteil zu jedem Gericht machen konnte. Alle waren sehr lecker. Während des Essens passierte nichts Spannendes und es wurde nicht viel geredet, also waren wir schnell fertig und wuschen ab. Pünktlich um sechs verließen Arho und ich die Volkshochschule. Draußen auf den schneebedeckten Straßen klingelte mein Handy. Es war Tiia. „Hiiiiiii!“, quietschte sie in den Hörer, aufgedreht wie immer. „Tach, was willst du?“, antwortete ich. „Was hältst du davon, wenn wir morgen shoppen gehen. Ich brauche noch Weihnachtsgeschenke und du sicherlich auch.“ Da hatte sie ausnahmsweise Recht. „Klar, warum nicht? Soll ich dich abholen? So gegen zehn?“, schlug ich vor. Morgens waren die Geschäfte noch nicht so voll. „Okayyyyyy. Bis morgen, Süße. Tschauiii! Ach, grüß Arholein von mir!“ Ich legte auf. „Ich soll Arholein grüßen“, gab ich Tiias Wortlaut an meinen besten Freund weiter. „Wann hört sie endlich auf so zu sein, wie sie ist?? Das macht mich irgendwann noch krank.“, erwiderte er. „Aber liebenswert ist sie.“ Ein Nicken. Wir unterhielten uns noch etwas über den Kochkurs, bis wir bei unserer Wohnung ankamen. „Ich geh schon mal in mein Zimmer“, sagte ich. Ich wollte noch ein bisschen in meine Bücher gucken, wenigstens etwas. „Gute Nacht“, antwortete Arho. Ich verschwand im Bad um mich zu waschen und mir die Zähne zu putzen, obwohl es erst sieben Uhr war. Dann ging ich in mein Zimmer und kramte meine Studiensachen hervor. Ich ließ mich auf mein breites Bett mit der Rentierbettwäsche fallen, passend zu Weihnachten. „Fotographie gestern und heute“ war der Titel eines Buches. Ich schlug es auf und las. Es war für ein Sachbuch doch relativ spannend geschrieben und es machte mir sogar etwas Spaß, es zu Lesen. War meine Phase jetzt endlich vorbei? Ich hoffte es, aber erst die nächsten Tage würden es zeigen. Um zehn legte ich es zur Seite und betrachtete die Weltkarte, die neben meinem Bett hing. Auf ihr hatte ich alle Orte markiert, an denen ich schon war und in einer anderen Farbe alle, zu denen ich noch wollte. Ich mochte diese Karte sehr, hatte ich sie doch schon ziemlich lange. Ich schaltete das Licht aus und langsam fiel ich in einen tiefen Schlaf. Ich laufe durch tiefen Schnee, in weiter Ferne sehe ich den zugefrorenen See glitzern, nichts deutet auf Unruhe. Alles ist friedlich. Arho läuft neben mir, doch er scheint abwesend zu sein. Ich spreche ihn an, doch er antwortet mir nicht. Weil er mich nicht versteht, oder weil er nicht will? Auf einmal dreht er sich zu mir um. „Lauf!“, ruft er. „Wieso?“, will ich fragen, doch die Worte kommen nicht über meine Lippen. Ich rege mich nicht. „Lauf!!“, wiederholt er, diesmal energischer. Ich schaue ihn an, seine Art macht mir Angst. Doch dann laufe ich los, immer weiter und weiter, schaue mich nicht um. Nach einiger Zeit kann ich nicht mehr, ich lasse mich in den Schnee fallen. Wo bin ich überhaupt? Tampere ist es nicht. Ich bin mitten im Nirgendwo, völlig allein. Auf einmal höre ich Schritte hinter mir, ich drehe mich erschrocken um. „Hallo, Süße“, sagt Jonne. In der Hand hält er das Messer, mit dem Arho sich beim Kochkurs verletzt hat. Wo hatte er es her? Wie hat er mich gefunden? Was wollte er? „Auri, pass auf!!“ Auf einmal erscheint Arho. Er schnappt sich Jonne, dreht ihm den Arm um, doch er kann sich befreien und sticht zu. Rotes Blut tropft auf den Schnee, Arho fällt zu Boden. „So, Süße, jetzt bist du dran“, sagt Jonne mit einem wahnsinnigen Grinsen auf dem Gesicht, „Hasta la vista!“ Sein infernalisches Lachen wird von meinem Geschrei übertönt. Ich wachte auf. Was hatte dieser Traum zu bedeuten? War Jonne doch ein Killer? Ich schaute auf meinen Wecker. 4:23 Uhr. Ich ließ mich wieder in mein Bett fallen, völlig außer Atem, als wäre ich selber gerannt, und nicht mein Traum-Ich. Ich konnte nicht lange über diesen Traum nachdenken, die Müdigkeit holte mich ein und riss mich erneut in ihr Reich, diesmal ohne Träume. Um acht Uhr klingelte mein Wecker und mehr oder weniger ausgeschlafen machte ich mich tagfertig. Arho erzählte ich nichts von meinem Traum, ich dachte, es wäre das Beste, ihn einfach zu vergessen. Jonne und ein wahnsinniger Mörder, das passte einfach nicht. Es war kurz vor zehn, als ich mich auf den Weg zu Tiia machte. Sie wohnte in einer netten Gegend ganz in der Nähe von mir. Als ich klingelte, wurde mir die Tür direkt aufgerissen. „Heyyyyyy, Schatzi! Hab schon auf dich gewartet. Lass uns losgehen, ja?“, rief meine Freundin mir entgegen. Ihre hellgrünen Haare hatte sie zu zwei Zöpfen geflochten und sie trug einen Minirock und ein Neckholdertop. Absolut typisch für sie. „Klar. Weißt du schon, wo wir zuerst hingehen?“, antwortete ich. „Ich habe noch nichts gefrühstückt, also ab zur nächsten Fressecke!“ Ich stimmte zu, auch ich hatte noch nichts gegessen und ziemlichen Hunger. Tiia hakte sich bei mir ein und wir gingen los Richtung Innenstadt. Wir kamen zu einem kleinen Bäcker, der anscheinend auch Frühstück anbot, also gingen wir hinein. Es war sehr gemütlich, es gab vier Tische und sehr bequeme Stühle. Wir setzen uns an einen Tisch im hinteren Teil und bestellten je ein französisches Frühstück. Die Ladenklingel bimmelte und ließ mich aufschauen. Eine junge Frau kam herein, gefolgt von einem Mann. Ich wollte gerade wieder wegschauen und mein Croissant mit Erdbeermarmelade bestreichen, als der Mann mich ansah. Moment, das war doch… Jonne! Was machte der denn hier? Und wieso mit einer Frau? Aber wieso fragte ich mich das überhaupt? Wahrscheinlich war die Frau seine Freundin. Wie konnte ich annehmen, dass er solo war? Wie töricht. Die Einladung zum Kaffee kam ja schließlich von mir, in gewisser Weise. Ich hielt seinem Blick nicht stand, schaute auf mein Croissant. Tiias Gelaber bekam ich gar nicht mit. Als ich das nächste Mal hochsah, war Jonne verschwunden. „Willst du gar nichts essen?“, fragte Tiia mit vollem Mund. „Hm? Achso, nein, ich habe keinen Hunger“, antwortete ich. „Dann nehm ichs.“, sagte sie und nahm mir mein Frühstück weg. Kapitel 5: Kapitel 3: Crazy Shopping - Part 1 --------------------------------------------- Jonne: Als ich endlich bei Chris angekommen war, klingelte ich auch gleich an der Tür. Egal ob er nun fertig war oder nicht. Er ist ja auch selber schuld, wenn er ernsthaft glaubt ich bräuchte eine halbe Stunde. Neunundzwanzig Minuten taten es doch auch. „Ja Jonne… ich habe vernommen, dass du da bist, würdest du jetzt endlich deinen Arsch in meine Wohnung bewegen!“, riss mich Chris’ tiefe Stimme aus meinen Gedanken. „Ähm… sorry, ja klar…“, gab ich mit einem leicht verpeilten Lächeln auf den Lippen zurück, betrat Chris trautes Heim und setzte mich auf die Couch in seinem Wohnzimmer. „Willst’e was trinken?“, rief er mir aus der Küche zu. „Ja Wasser wär’ nett, danke!“, antwortete ich ihm. Jedoch erst nachdem er mal wieder einige Minuten warten musste, denn ich war gerade völlig auf das kleine Etwas zu meinen Füßen fixiert. Ella stand nämlich vor mir mit einem wedelnden Schwänzchen und bettelnden Blick, der mir sagte, ich solle sie doch neben mir auf die Couch setzen. Dies tat ich dann auch nachdem ich Chris endlich seine wohlverdiente Antwort gegeben hatte. Einige Minuten später kam dieser dann auch mit einer Tasse Kaffee und einer Flasche Wasser in der Hand zurück. „So, dann erzähl mal! Was bedrückt denn unser’n kleinen Jonne?“, fragte Chris scherzhaft nach, nachdem er sich neben mir auf der Couch platziert hatte, und begann Ella etwas hinter ihren Ohren zu kraulen, wofür sie sich mit einem fröhlichen Schwanzwedeln bedankte. „Naja weißt du…“, begann ich, zeigte ihm jedoch nicht, dass ich mir von seiner Frage mal wieder mächtig verarscht vorkam, „Ich habe da eine Frau kennen gelernt. Ihr Name ist Auri. Aber ich weiß partout nicht was ich von ihr halten soll. Im einen Moment macht mir ihre merkwürdig abstruse Art Angst und im nächsten finde ich sie aber unheimlich nett und attraktiv.“ „Ah ja… das Problem kenne ich. Nicht, dass es mir jemals so gegangen wäre, aber ich kenne einige Leute die ähnliche Probleme hatten“, versuchte er mir gleich mal klar zu machen, dass er genau der Richtige für die Lösung solcher Probleme sei. „Also dann, wie hast du sie denn überhaupt kennen gelernt?“, wollte unser ehemaliger Gitarrist dann wissen. „Nun ja, ich habe sie versehendlich angerempelt. Du weißt schon, so wie mir das eigentlich ständig passiert. Nur, dass sie mir gleich ihre Nummer gegeben hat und meinte das ich sie zu einem Kaffee einladen solle und dann wäre alles wieder ok. Nun ja zu mindestens so ähnlich war es“, begann ich ihm die Sachlage zu schildern. „Verstehe, nun dann nehme ich an, dass sie echt ein ganz schön großes Ding an der Waffel haben muss. Etwa so groß wie das von Antti falls du verstehst was ich meine“, erwiderte er darauf und lehnte sich zurück, hörte jedoch nicht auf seinen süßen Schatz, der sich mittlerweile auf seinem Schoß hingelegt hatte, weiterhin zu verwöhnen. Sie musste zwar morgens immer ziemlich lange auf ihr Fressen warten, aber wenigstens wusste Chris, wie er sie anderweitig glücklich machen konnte. „Na ja… sicher sie ist schon etwas komisch, aber sie gleich mit Antti zu vergleichen? Ich weiß nicht. Eigentlich wollte ich ja wissen was ich jetzt machen soll. Ich meine, wenn ich wollte könnte ich sie ja jederzeit anrufen und sie zu einem weiteren Kaffee einladen, aber…“ „Schon gut ich verstehe“, gab Chris zurück und warf den Kopf in den Nacken. Er lehnte sich mit ihm über die Couch, wobei sich seine schwarzen Haare soweit möglich alle nach unten richteten, als ob diese Stellung viel bequemer wäre als die vorhergehende, als ob er so besser nachdenken konnte. „Ich finde, du machst dir so viele Gedanken über sie, dass muss doch etwas zu bedeuten haben. Ich denke, dass du dich bereits in sie verliebt hast. Tief in deinem Innersten scheinst du das ja auch schon zu wissen. Aber dein Äußeres, deine anderen Seiten hindern dich daran es endgültig zu erkennen und einzusehen. Wenn du mich fragst…“, begann er und richtete sich dann wieder auf um dann fortzufahren, „… solltest du dich noch einmal mit ihr treffen. So wie du sie bisher beschrieben hast, was nicht viel ist, aber immerhin, kann ich nur sagen, dass sie zu dir passen würde, in gewissen Hinsichten jedenfalls. Zu mindestens ist das keine aussichtslose Angelegenheit. Nun und wenn du sie nicht nimmst, nehm’ ich sie und wenn sie mich nicht wollen sollte, dann werde ich höchstpersönlich dafür sorgen, dass du sie nimmst. Kurz gesagt dann werde ich euch höchstpersönlich zusammenbringen.“ Er lächelte mich an, als er das sagte. Ich wusste genau, dass er nicht scherzte. So etwas war ihm wahrlich zu zutrauen und wenn er so lächelte wie er es gerade tat, dann wusste er auch genau wovon er da sprach. Wenn Chris sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann sorgte er auch dafür, dass es eintraf. „Aber sag mal Jonne, warum wolltest du eigentlich gerade von mir einen Rat? Ich meine sonst lässt du dich doch auch eher von Antti beraten und…“ „Weil ich mit Antti schon darüber geredet hatte und du nicht mehr zur Band gehörst. Dementsprechend also extern bist, nicht so davon betroffen, falls…“, unterbrach ich ihn, doch wurde dann von ihm unterbrochen. „…du mit ihr zusammen kommen solltest?... Aber Jonne du kennst die anderen genauso gut wie ich, wenn nicht besser und solltest wissen, dass das für sie kein Problem ist. Du kannst doch jederzeit mit jedem von ihnen reden. Außerdem… auch wenn ich nicht mehr offiziell zur Band gehöre, bleibe ich immer ein Teil der Geschichte von NEGATIVE, bleibe ein Mitglied in Ehren und immer ein sehr guter Freund, weshalb ich nicht so extern bin, wie du es vielleicht empfindest. Glaub mir ich bin euch näher als manchen von euch lieb ist“, erklärte er mir mit einem frechen Grinsen im Gesicht und ich musste zugeben er hatte Recht. Egal ob er bei den Proben, auf den Konzerten oder auf Tour dabei war oder nicht. Er war bei uns. Durch die Songs begleitete er uns, das war der Punkt in dem er uns immer nahe war und was den anderen Punkt betraf… Er wurde doch von uns eh immer über alles auf dem Laufenden gehalten, über alles informiert und wenn ich ihn nicht anrief um es ihm zu erzählen, dann war es Larry oder manchmal auch Antti, wenn er mal jemanden zum Reden brauchte. Ja sogar Snack rief ihn gelegentlich mal an und wenn Jay mal danach war, dann auch er und wenn es mal dazu kam, dass ihn längere Zeit keiner mehr angerufen hatte, dann rief ER einfach Tommi an und terrorisierte ihn, weshalb dieser dann mir wieder auf den Keks ging. Gut, das war aber auch das einzige womit er mir auf den Keks gehen konnte, eben wenn er sich mal über einen unserer Band aufregte oder eben Chris, der ja eigentlich kein Mitglied dieser mehr war. Ich begann zu schmunzeln. Die Tatsache, dass ich gerade daran dachte, wie Tommi sich über Chris aufregen konnte, war schon amüsant und ich merkte wie sehr es mir doch manchmal fehlte. Chris wie er irgendwelche merkwürdigen Kommentare in den seltsamsten Situationen von sich gab oder einfach mit Larry mal wieder etwas Double-Trouble-Power einsetzte. Wie Tommi sich darüber aufregte, wenn Chris es mal wieder geschafft hatte verloren zu gehen und er das ganze ausbaden durfte, überhaupt wenn er Chris’ Mist ausbaden durfte. Das alles und selbstverständlich noch so vieles mehr waren Dinge die ich einfach vermisste. „Jonne hättest du Lust dir mal wieder einen Film mit mir anzusehen. Ich meine wo du nun schon hier bist. Du kannst ja auch bei mir pennen wenn du willst“, riss mich Chris dann wieder aus meinen Gedanken. „Ähm… ja gerne, warum nicht…“ gab ich zurück und Chris begann daraufhin in seinem Schrank nach einem guten Film zu kramen. Als er endlich einen gefunden hatte packte er die DVD in den DVD-Player und setzte sich wieder zu mir auf die Couch und setzte auch Ella wieder auf seinem Schoß ab um sich von ihr ein wenig die Hand ablecken zu lassen und sie danach dann doch weiter zu kraulen. Gemeinsam genossen wir den Film, der wohlgemerkt schon sehr amüsant war und als er zu Ende war überlegten wir, ob wir uns noch einen ansehen wollten, entschieden uns dann jedoch dagegen und begaben uns zu Bett um schlafen zu gehen. Für uns war es nie ein Problem gewesen uns ein Bett zu teilen. Nein, dafür hatten wir einfach zu viel miteinander durchgemacht und ehrlich gesagt, war es ja auch nichts wirklich anderes, als wenn man morgens nach einem Saufgelage nebeneinander im Wohnzimmer auf dem Fußboden aufwachte, nur eben, dass das Bett sehr viel bequemer war. Bevor wir jedoch schlafen konnten, machte mir mein Handy klar, dass mich da so spät in der Nacht noch jemand sprechen wollte. Ich staunte nicht schlecht als ich abnahm und sich statt Ville, wie mein Handy es eigentlich angezeigt hatte, Arttu meldete. „Hei Jonne, verzeih, dass ich anrufe und dann auch noch mit Villes Handy, aber mein Akku war alle und Ville ist mal wieder mehr als zu. Ich weiß nich wie ich ihn alleine nach Hause kriegen soll, mal davon abgesehen, dass er sich in seiner Trunkenheit Ärger angelacht hat“, redete Arttu sofort auf mich ein. Ich wusste genau, dass er jetzt von mir erwartete, dass ich ihnen half. Sicher, das würde ich wohl auch tun, denn so viel Scheiße Ville auch baute, ich konnte nicht umhin sie für ihn auszubaden auch wenn ich es hasste. Dass er es auch immer schaffen musste, erst zu tief ins Glas zu schauen und dann andere Leute dumm anzufahren und sich damit Feinde zu machen. Doch andererseits konnte ich ja Arttu jetzt auch nicht im Stich lassen. Er war zwar bloß einer von Villes besten Freunden, aber auf der anderen Seite immerhin der jüngere Bruder einer meiner besten Freunde. Ja Anttis kleiner Bruder, er tat mir manchmal richtig leid, wegen Villes kleinen Exzessen. Ich mein, ich war sein älterer Bruder, aber warum musste er da auch noch Arttu ständig mit reinziehen. Jedes Mal wenn es soweit kam, machte ich mir Vorwürfe, nicht genug auf ihn Acht gegeben zu haben in der Vergangenheit. Warum schafften wir es einfach nicht in davon abzubringen. Tommi und ich hatten ja sogar schon versucht ihn in eine Entzugsklinik einzuweisen, was soweit kein Problem war, nur leider musste Ville seinen Ausstieg ja unbedingt mit einer Flasche Whiskey feiern und uns so provokativ beweisen, dass er von alledem gar nicht loskommen wollte. „Jonne???“, versuchte Arttu nun schon zum hundertsten Mal mich aus meinen Gedanken zu reißen. „Oh ja verzeih… ich war nur etwas…“ „…in Gedanken versunken, schon klar. Ich kenne dich ja Jonne. Kommt bei dir ja nicht selten vor. Also was ist nun, kommst du nun zum Amadeus?“ Arttu begann schon etwas zu drängeln. Anscheinend wurde es im Hintergrund bereits kritisch. Ich sah zu Chris, der mir mit einem Nicken zu verstehen gab, dass er mitgehört hatte und wir uns dann auch langsam auf den Weg machen sollten, wenn wir nicht wollten, dass den beiden noch etwas Ernsthaftes zustieß. „Ok, Arttu versucht noch etwas auszuhalten, wir beeilen uns und sind so schnell es geht bei euch“, gab ich zur Antwort und legte dann schlagartig auf. Wir zogen uns unsere Schuhe und Mäntel an und waren somit bereit um uns auf den Weg zu machen. Chris überlegte noch kurz ob er Ella mitnehmen sollte, immerhin war sie an diesem Tag noch kein einziges mal draußen gewesen, wohl wissend, dass seiner kleinen Prinzessin sonst nur unnötig etwas zustoßen könnte, was er selbstverständlich nicht wollte, ließ er sie dann aber doch lieber zu Hause. So schnell wir konnten rannten wir durch die Straßen und schafften es „Gott sei dank“ noch rechtzeitig am Amadeus anzukommen. „Ville!“, rief ich ihm entsetzt zu, als er gerade versuchte auf zwei um weiten nüchternere Typen einzuschlagen. Wie in Trance schüttelte ich den Kopf. Das durfte doch nicht wahr sein. Warum tat er so etwas immer wieder, wieso? Chris stupste mich kurz an um mich in die Realität zurück zu holen und dann ging er auf das Geschehen zu. Die beiden Kerle die wohlgemerkt auch ein ganzes Stückchen größer waren als Ville schlugen mittlerweile auf ihn ein. Ich stand immer noch wie angewurzelt da und versuchte mir darüber klar zu werden, dass mein kleiner Bruder es ein weiteres Mal ernsthaft verbockt hatte. Doch als er mir auf mysteriöse Art und Weise lallend entgegen kam, erwachte ich aus meinen Gedanken. Chris hatte den beiden Typen mal auf seine Art klar gemacht, dass sie sich gefälligst nicht mit ihm anlegen sollten und kam mir nun mit meinem Bruder auf den Armen und Arttu an seiner Seite, der immer noch versuchte Ville etwas zu beruhigen, entgegen. „Ich hab das mal eben geklärt“, sagte der Schwarzhaarige trocken. „Ah… ja gut… lass uns zu dir zurückgehen“, schlug ich vor. „Gute Idee“, entgegnete Chris und so machten wir uns wieder auf den Weg zurück zu seiner Wohnung. Bei ihm angekommen sorgten wir dafür, dass Ville und Arttu für diese Nacht erstmal im Wohnzimmer schlafen konnten. Ella hatte es sich nachdem sie uns mit fröhlich wedelndem Schwanz und einem freudigen Kläffen begrüßt hatte, dann aber auch schon nach kurzer Zeit in ihrem Körbchen bequem gemacht. Die Gute wusste eben, dass sie heute wohl mal wieder nicht bei Chris mit im Bett schlafen konnte. Immerhin war ich ja da. Nach getaner Arbeit verzogen auch wir uns ins Schlafzimmer, wo wir dann schon nach kurzer Zeit einschliefen. Am nächsten Morgen wurde ich durch das Klingeln meines Handys geweckt. Es war gerade mal um sieben. „Ja?“, meldete ich mich dann am Telefon. „Hei Jonne, ich bin’s Capri. Sag mal wollen wir uns heute Morgen mal treffen? Ich wollte mit dir noch mal über diese Sache reden. Du weißt schon“, erklärte die junge Sängerin. „Ähm, ja klar… was hältst du von zehn Uhr?“, fragte ich zurück. „Ja gute Idee. Wir treffen uns dann am üblichen Ort. Du kennst mich ja“, antwortete sie und ich konnte ihr Grinsen förmlich hören. „Gut dann, bis nachher…!“ „Ja bis dann!“ Damit legte sie auf und ich tat es ihr gleich. Chris war in der Zwischenzeit auch aufgewacht und hatte beschlossen erstmal Kaffee zu machen und da er wusste, dass ich schon lang keinen mehr trank auch Tee. Als er wieder aus der Küche kam, ließ er es sich nicht nehmen Ville und Arttu einen Stups zu geben und sie zu wecken, was Ville jedoch ganz und gar nicht lustig fand. „Chris du Arsch ist es denn zu viel verlangt uns noch ein wenig schlafen zu lassen?“, maulte er rum. „Ja! Besonders wenn man bedenkt, dass du gestern mal wieder eindeutig die Grenze überschritten hast. Warum zum Teufel musst du dich ständig so hemmungslos zusaufen? Ich weiß es ist unglaublich lustig, aber würdest du endlich mal anfangen dein Gehirn einzuschalten und auch mal an deine Mitmenschen denken? An die Leute die dir gestern mal wieder deine Haut gerettet haben?“, versuchte Chris den deutlich Jüngeren zu belehren. „Ich habe nicht um Hilfe gebeten. Weder um deine, noch um Jonnes und eigentlich nicht mal um die von Arttu“, erklärte Ville dann mürrisch. „Wenn du so weiter machst, wird dir auch keiner mehr helfen. Dann kannst du sehen wo du bleibst. Einsam und allein irgendwo im nirgendwo, höchstwahrscheinlich stockbesoffen und zusammengeschlagen. Du hast ja ein Talent dafür dir Ärger anzulachen.“ Chris ließ sich nicht beirren und versuchte weiterhin Ville klar zu machen, wie viel Mist er da eigentlich mittlerweile fabriziert hatte. Während er sich von Ville nicht klein machen ließ, musste er jedoch seiner süßen Ella nachgeben und begann ihr nebenbei schon mal Fressen zu machen. Immerhin konnte diese Unterredung wohl noch eine Weile dauern. „Das sagt absolut der Richtige. Mal ernsthaft Chris, du bist doch keinen Deut besser als ich. Du säufst dich doch selber ständig zu und wenn einer dich dumm vonner Seite anmacht, denkst du nicht einmal daran es zu ignorieren, sondern gehst darauf ein, was meist in einer Schlägerei endet. Also sag mir, warum ist es bei mir so schlimm und bei dir kein Problem.“ Ganz offensichtlich war Ville absolut nicht scharf darauf, von alle dem loszukommen. Jedes mal aufs neue versuchte er sich rauszureden. Unglücklicher Weise gelang ihm das auch immer, da ich ihm einfach nie etwas entgegen zusetzen hatte. In der Zwischenzeit war auch Chris wieder ins Wohnzimmer zurückgekehrt und setzte nun Ville wieder direkt anblickend zur nächsten Konter an. „Es ist nicht besser, das hat nie jemand gesagt. Aber es gibt einen kleinen aber feinen Unterschied zwischen mir und dir und der ist, dass du ständig versuchst dich rauszuwinden. Du willst dir diesen Fehler nicht eingestehen und am liebsten einfach so weiter machen, wie jetzt. Doch ich versuche wenigstens aus meinen Fehlern zu lernen. Ich versuche wenigstens dieses Problem der Alkoholsucht in den Griff zu bekommen, während es dir scheißegal ist, ob du eines Tages daran krepierst oder nicht.“ Chris war sichtlich am Ende seines Lateins. Obwohl er die letzten Worte schon beinahe geschrien hatte, saß Ville immer noch trotzig vor ihm auf dem Boden und wollte sich seine Worte gar nicht zu Herzen nehmen. Gekonnt wie immer ignorierte er alle Ratschläge und Versuche ihm Schuldbewusstsein einzureden und grinste Chris einfach nur frech an. Ja das war Ville. Trotzig, stur und ein richtiger Idiot, wenn es darum ging einsichtig zu sein. Nach dem wir alle etwas getrunken hatten, die anderen Kaffee, ich Tee, machten wir uns fertig um den Tag richtig beginnen zu lassen. Ville wollte sich heute noch mit dem Rest seiner Band treffen und Arttu wollte Antti besuchen gehen. Nun und was Chris betraf, der hatte beschlossen shoppen zu gehen. Den Richtigen dafür würde er vorher noch schnell vom Bahnhof abholen und dann sollte es losgehen. Nur er und Jack, mal wieder auf Shoppingtour in Tampere. Das war eine der Sachen, die er nur zu gern tat, eines seiner großen Hobbys. Nun gut und seinen süßen Schatz nahm er natürlich auch mit, konnte ihr ja auch nicht schaden, auch mal raus zu kommen aus Chris’ Wohnung. Ich derweilen wollte mich ja mit Capri treffen und deswegen machte auch ich mich nun auf den Weg um möglichst nicht schon wieder zu spät zu kommen. Es war Viertel nach Zehn und Capri wartete bereits vor dem Bäcker bei ihr um die Ecke. Sie liebte es sich früh am morgen dort ihr Frühstück zu besorgen und danach ihre wichtigen ausgiebigen Gespräche zu führen für die sie sich mit jemandem getroffen hatte, in diesem Fall mit mir. „Hei Jonne, da bist du ja endlich. Pünktlich wie immer“, begrüßte sie mich freudig. Ich wusste genau wie sie das mit dem pünktlich meinte. Wenn man eben nicht gerade davon ausging das ich direkt zu der Zeit kam die vereinbart war, sondern so um die fünfzehn bis dreißig Minuten später, dann war ich für diese Leute schon pünktlich. Wir betraten den kleinen Laden und Capri ging schnell zur Theke um sich vom Bäcker das Übliche geben zu lassen, während ich nur wie angewurzelt stehen blieb und völlig erstaunt in die Augen einer mir bekannten Person sah. Es war Auri die da an einem Tisch zusammen mit einer Freundin zu sitzen schien und sie sah mich völlig verwirrt an. Warum, was sollte diese Verwirrung in ihrem Blick. War es etwa, dass sie einfach nicht glauben konnte mich hier anzutreffen? Oder was war es? Doch ich kam nicht weiter dazu, darüber nachzudenken, denn schon kam Capri fröhlich zurück und schob mich aus dem kleinen Geschäft. Danach gingen wir gemeinsam die Straßen endlang immer weiter Richtung See. Dort angekommen standen wir am Ufer und betrachteten die schneebedeckte Oberfläche des Sees. „Jonne, also was ist nun? Gilt der Vorschlag immer noch, dass ich euch mal auf einer Tour begleiten könnte?“, fragte Capri mich dann nach einer Welle langen Schweigens. „Ähm, ja natürlich gerne. Wir würden uns sehr freuen, wenn du uns mal auf einer Tour begleiten würdest. Einfach nur so aus Spaß an der Freude“, entgegnete ich dann und es schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen. „Gut, dann werde ich mal sehen, was sich machen lässt, denn ich will euch nämlich unbedingt einmal begleiten“, antwortete die junge Finnin. Nach dem sie dies gesagt hatte, schwiegen wir wieder eine Weile. Ich wusste selbst nicht was es war. Ich konnte gar nicht recht über das nachdenken worüber wir gerade geredet hatten, weil SIE ständig in meinem Kopf rumspukte. Noch immer fragte ich mich, was dieser Blick wohl zu bedeuten hatte. Warum war sie so verwirrt über diese Situation? Warum? Doch ich kam zu keiner Erklärung. Diese Auri ließ mich einfach nicht los, doch auch wenn ich noch so sehr über all dies nachdachte, kam ich zu keiner Einigung mit mir selbst. Meine Gedanken blieben sich uneins, was mir weitere Überlegungen einfach unmöglich machte. Entweder musste ich sie endlich aus meinem Leben für immer verbannen oder ihr sagen, dass ich sie liebte, doch dies konnte ich ja nur tun, wenn es auch zutraf und da war ich wieder bei meinem vorhergehenden Problem angelangt. Die eine Hälfte von mir sagte mir, dass ich sie liebte und die andere, dass sie mich einfach nur unnötig verrückt machte durch ihre merkwürdige Art. Ich erschrak, als in diesem Moment des Schweigens mal wieder mein Handy klingelte. Ich sah auf das Display und es zeigte eindeutig den Namen Auri an. Ja ich hatte ihre Nummer in meinem Handy eingespeichert. Warum wusste ich auch nicht genau, doch ich hatte es getan. Immer noch völlig perplex starrte ich auf das Handy in meiner rechten Hand, bis Capri mich von der Seite her anstupste und mich so aus meinen Gedanken riss. „Ja?“, meldete ich mich dann schon zum zweiten Mal an diesem Tag an meinem Handy. „Ähm… ja hei Jonne, ähm… ich bin’s Auri…“, kam auch schon die Antwort. „Ja hei, was ist los? Warum rufst du an?“, erkundigte ich mich sichtlich neugierig, denn das sie mich anrufen würde, hatte ich sicher nicht erwartet. „Ähm ja ich wollte fragen, ob wir uns vielleicht treffen könnten… Also meine Freundin und ich sind gerade auf Shoppingtour und… na ja… ich hab dich vorhin gesehen, da wollte ich dich fragen ob du uns vielleicht begleiten möchtest. Ich könnte gut jemanden gebrauchen, der mich hier und da mal berät. Wir besorgen nämlich Weihnachtsgeschenke. Naja und zum Beispiel bei meinem Mitbewohner weiß ich nie so recht was ich ihm schenken soll und meine Freundin is mir auch keine große Hilfe, die… wählt irgendwie immer absolut genau das Falsche“, erklärte mir die junge Studentin ziemlich nervös. Aber warum war sie nervös? Das war sie doch sonst auch nicht gewesen? „Ähm…“ Ich sah zu Capri, die mir mit einem Nicken zu verstehen gab, dass das kein Problem sei und ich ruhig gehen solle. Ich glaube in dieser Sache scheinen alle anderen die Umstände besser zu begreifen als ich. Warum scheinen alle zu wissen das ich in diese Frau verknallt bin, nur ich selbst weiß es nicht so recht? Warum? „… ja ok… wo und wann treffen wir uns?“ „Ähm… dort wo sich unsere Blicke trafen… um zwölf… schaffst du das?“ Ok, sie ging wohl schon davon aus, dass ich zu spät kommen würde. „Äh… ja klar kein Problem… ich denke das dürfte zu schaffen sein…“, meinte ich nur, wobei ich aber etwas völlig anderes dachte. Ich wusste genau, dass ich es wohl nie im Leben schaffen würde auch nur einmal pünktlich zu sein. Wenn ich mal pünktlich war, war das wirklich schon eine Ausnahme und traf wenn dann eigentlich nur auf Konzerte zu. Nach dem wir uns dann auch noch vorerst von einander verabschiedet hatten, legte ich auf und machte mich sofort auf den Weg. Capri begleitete mich noch bis zu besagtem Ort. Allem Anschein nach dachte sie schon ans Mittagessen. So streiften wir wieder durch die Straßen, bis wir genau Viertel nach Zwölf ankamen. Kapitel 6: Kapitel 3: Crazy Shopping - Part 2 --------------------------------------------- Auri: „Ist Etwas nicht in Ordnung mit dir?“, fragte Tiia mit vollem Mund. Ich schaute auf. „Wieso?“, fragte ich zurück. „Na ja, wenn jemand sein Frühstück verweigert und dann wie blöd auf seine bereits zerrissene Papierservierte starrt, kann man das schon annehmen“, antwortete die Grünhaarige mir. „Kein Grund zur Sorge, mir geht es gut.“, versuchte ich sie, und gleichzeitig auch mich, zu überzeugen. Wieso bloß hatte diese Begegnung mich gerade so aus den Socken gehauen? Was ist denn schon dabei, wenn ein flüchtiger Bekannter mit seiner Freundin in eine Bäckerei kommt? Gehört doch schließlich zum Alltag. Trotzdem wollte ich den Ort des Geschehens so schnell wie möglich verlassen. „Bist du fertig?“, wollte ich von Tiia wissen und stand von meinem Stuhl auf. „Wie soll ich innerhalb von zehn Minuten zwei französische Frühstücke schaffen??“ Das war natürlich ein Argument… „Weißt du was? Wir nehmen sie einfach mit. Langsam krieg ich nämlich doch Hunger.“, sagte ich, und das war noch nicht einmal gelogen. „Aber dann können wir doch auch hier bleiben.“ „Eben nicht.“ „Deine Gedankensprünge muss man nicht verstehen!“ Stöhnend fügte sich Tiia meinem Wunsch und stand ebenfalls auf. Nachdem wir bezahlt hatten, verließen wir gemeinsam die Bäckerei, unser Frühstück in den Händen. „Hast du schon eine Idee, was du Arho schenken willst?“, fragte Tiia. Ich schüttelte den Kopf. „Ich auch nicht. Was will man ihm auch schenken? Er ist so… na, ich weiß auch nicht.“ Wehe, Tiia sagt noch einmal, dass man meine Gedanken nicht versteht! Nach einem kurzen Gang kamen wir in der Fußgängerzone an. Wie immer zur Weihnachtszeit war viel los, überall liefen Menschen eilig hin und her, einige mit voll beladenen Einkaufstüten, andere ohne. Man konnte die vorweihnachtliche Atmosphäre fühlen. Das Kaufhaus, auf welches wir zusteuerten, war mit duzenden Lichterketten behangen, die allerdings nicht brannten. Das wäre ja noch schöner gewesen, wenn um halb elf Uhr morgens schon die Lichter leuchteten. „Puh, es ist ganz schön viel los heute.“, sagte ich. „Wundert dich das? Morgen ist schließlich der dritte Advent. Ohh, in etwa einer Woche ist Weihnachten!! Ich freu mich so! Das ist das Fest der Liebe!“ „Tiia! Komm wieder runter! Sonst krieg ich noch Angst!“, versuchte ich meine beste Freundin auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Sie schaute mich böse an. „Darf ich mich nicht einmal freuen?“ Ich atmete tief aus, gab aber keine Antwort. Warum auch, es war ja schließlich eine rhetorische Frage. In der Zwischenzeit waren wir bei dem Kaufhaus angekommen und betraten es. Überraschenderweise war es leerer als wir vermuteten, sodass wir uns gleich auf die angebotenen Waren stürzten. Ich überlegte, für wen ich alles ein Geschenk besorgen musste. Für Arho natürlich und für Tiia. Und für meine Eltern und meine Schwester. Sonst noch jemand? Nein, mehr fielen mir nicht ein. Nun, Tiias Geschenk konnte ich jetzt natürlich nicht besorgen, das musste ich an einem anderen Tag machen. „Hey, hey, hey, hey!! Ich hab was für Arho für dich!!“, rief Tiia mir durch den halben Laden zu. Was denn nun? Für Arho oder für mich? Auf diese Frage antwortete sie: „Für Arho was du ihm schenken könntest.“ Na da war ich aber gespannt. Ich lief in ihre Richtung. „Was hältst du davon? Ich mein nur, weil er jetzt doch so gern kocht…“ „Tiia, erstens kocht er nicht gerne, ich zwinge ihn dazu, und zweitens ist das eine Kochschürze auf der der Körper eines nackten Mannes abgebildet ist. Findest du das nicht etwas niveaulos?“ Ich schüttelte den Kopf. Auf so etwas konnte nur Tiia kommen. „Also nicht? Okay. Dann such selber.“ Das würde ich auch machen, sonst bekam ich noch Ärger. Nein, so schlimm war Tiia natürlich nicht, bloß etwas „strange“. Ja, dieses Wort traf es am besten. „So war das nicht gemeint. Es ist bloß… so eine Schürze passt einfach nicht zu Arho.“ „Schon klar. Hätte mich auch gewundert, wenn du darauf eingegangen und das Ding gekauft hättest.“, sie schaute auf das Preisschild, „Oh, vierzig Euro sind auch ziemlich happig für so nen Fummel.“ Tiia hing die Schürze wieder zurück und wir streiften weiter durch das Einkaufsparadies. „Was holst du denn für deine Eltern, Auri Schatzi?“ „Ich denke, für meinen Vater werde ich ein Buch holen. Irgendwas Historisches… und für meine Mutter vielleicht was nützliches.“ „Was nützliches, verstehe.“, grinste Tiia, dann fuhr sie fort: „Aber bei diesen historischen Romanen musst du aufpassen. Nur wenige beachten die Fakten!“ Ja, da sprach die Fachfrau. „Machs doch besser“, lachte ich. „Nee, ich kann so was nicht. Bei mir würde die Hauptperson rosa Elefanten sehen. Oder noch schlimmer!“ Ich wollte nicht widersprechen, denn es stimmte, was Tiia da gesagt hatte. Sie hatte eine sehr merkwürdige Fantasie. „Boah! Das ist genau das Richtige für Arho!“, rief meine Freundin. „Was ist es diesmal?“ „Ein Wecker! Guck mal, was da drauf steht: NEGATIVE. Wenn das nicht zu Arholein passt? So ungern wie der aufsteht.“ Ich musste lachen. Ja, Arho war schon ein Langschläfer. Aber ich hielt es für ziemlich unhöflich, ihm einen Wecker zu schenken. „Lass mal, nachher denkt er noch schlecht über uns.“, redete ich ihr die Idee aus. „Feierst du Heiligabend mit deinen Eltern?“, wollte Tiia wissen. Arho war auch bei seinen Eltern und Tiia hatte ihren Freund. Und da sie die einzigen richtigen Freunde waren, die ich hier in Tampere hatte, wollte ich nicht allein rum sitzen und hatte mich bei meinen Eltern angemeldet. „Hab sie schon lange nicht mehr gesehen. Die Uni ist grad ziemlich stressig für mich.“ „Ja, ich weiß. Aber das wird wieder.“, antwortete Tiia, lenkte aber gleich wieder vom Thema ab, da sie ein weiteres mögliches Weihnachtsgeschenk sah. „Deine Mum macht doch Yoga, oder? Dann wäre das hier doch genau das Richtige. So als Gag.“ Tiia hob ein kleines Notizbuch hoch mit der Aufschrift: Yoga für Kühe. „Spinnst du? Meine Mutter macht mich einen Kopf kürzer wenn ich damit ankomme.“, rief ich entsetzt aus. Obwohl… lustig war es ja. „Mein Gott! Da will man dir mal helfen und dann pflaumst du einen gleich so an.“ „Sorry, das war nicht so gemeint. Aber du kennst meine Eltern nicht. Sie sind, was so was angeht, ziemlich komisch.“ „Schon gut. Warte, ich geh mal eben für kleine Tiias. Bin gleich wieder da.“ Ich holte mein Handy heraus und spielte ein bisschen herum. Völlig in Gedanken versunken drückte ich im Menüpunkt „Empfangene Rufe“ auf den grünen Hörer und hielt mein Handy ans Ohr. „Ja?“, meldete sich Jonne. Oh verdammt! Ich hatte jetzt nicht wirklich bei ihm angerufen, oder?? Scheiße… „Ähm… ja hei Jonne, ähm… ich bin’s Auri…“, stotterte ich mir was zusammen. Was sagte ich bloß? „Ja hei, was ist los? Warum rufst du an?“, wollte er wissen. Eine sehr gute Frage, eine wirklich sehr gute Frage. In dem Moment kam Tiia wieder, ein überdimensionales Weihnachtsmannkostüm hochhaltend. Sie war kurz davor, etwas zu sagen, doch mit einer Handbewegung brachte ich sie dazu, ruhig zu sein. „Ähm ja ich wollte fragen, ob wir uns vielleicht treffen könnten… Also meine Freundin und ich sind gerade auf Shoppingtour und… na ja… ich hab dich vorhin gesehen, da wollte ich dich fragen ob du uns vielleicht begleiten möchtest. Ich könnte gut jemanden gebrauchen, der mich hier und da mal berät. Wir besorgen nämlich Weihnachtsgeschenke. Naja und zum Beispiel bei meinem Mitbewohner weiß ich nie so recht was ich ihm schenken soll und meine Freundin ist mir auch keine große Hilfe, die… wählt irgendwie immer absolut genau das Falsche“, versuchte ich zu erklären. Tiia warf mir einen bösen Blick zu. „Ähm…“, Jonne zögerte kurz. Wahrscheinlich war seine Freundin in der Nähe, „… ja ok… wo und wann treffen wir uns?“ „Ähm… dort wo sich unsere Blicke trafen… um zwölf… schaffst du das?“, antwortete ich ihm. Wo sich unsere Blicke trafen?? Was faselte ich denn für einen Stuss? „Äh… ja klar kein Problem… ich denke das dürfte zu schaffen sein…“, versprach er mir. Mal sehen was draus wird… Ohne Tschüss zu sagen legte ich den Hörer auf und sah Tiia entsetzt an. „Hau mich!“, befahl ich ihr. „Mann, Mann, Mann, du bist aber ganz schön verknallt“, stellte sie trocken fest und haute mich wirklich. „Aua! Spinnst du? Moment, was hast du gerade gesagt? Ich soll verknallt sein? In den?“ Ich zeigte auf das Handy. Auf so was konnte auch nur Tiia kommen. „Das war gerade mehr als offensichtlich, Auri Schatzi. `Dort wo sich unsere Blicke trafen…´ hach, wie romantisch. Und dein unsicheres Gelaber die ganze Zeit. Alles Indikatoren.“ „Ich kann gar nicht in Jonne verliebt sein. Ich kenn ihn doch erst seit vorgestern. Und außerdem haben wir überhaupt gar keine gemeinsamen Interessen. Der ist viel zu unpünktlich. Er war es… gestern… Ach, das wichtigste: Er hat eine Freundin.“ „Hä? Jetzt steig ich gar nicht mehr durch. Du triffst dich mit fremden Kerlen, die ne Freundin haben? Was bist du denn für eine? Er könnte ja sonst was sein…“ „Also, es war so…“ Schnell erzählte ich Tiia die ganze Geschichte. Sogar den Traum ließ ich nicht aus. „Das ist echt gruselig. Wann wollte er kommen? Um zwölf?“ Sie schaute auf ihre Uhr. „Dann mach ich mich mal auf den Weg. Wenn ich eh immer das Falsche aussuche, ist es wohl besser, wenn ich euch allein lass“, sagte sie und zwinkerte mir zu. Tolle Freundin, in der Not ließ sie einen im Stich. Was soll’s? Nach kurzer Zeit machte auch ich mich auf den Weg zur Universitätsbibliothek. Was wohl wäre, wenn ich einfach nicht komme? Ob Jonne sauer wäre? Oder erleichtert? Richtig begeistert war er von meinem Vorschlag, shoppen zu gehen, ja nicht gerade. Der Gedanke, nicht zum Treffen zu gehen, nahm immer mehr Form an. Vielleicht war es albern, aber je näher ich der Bibliothek kam, desto sicherer war ich mir, dass ich das Treffen gar nicht mehr wollte. Mit jedem Schritt wurde ich nervöser, ging immer langsamer, um möglichst lange zu brauchen. Es war Punkt zwölf als ich mein Ziel erreicht hatte. Nun hieß es warten. Oder doch lieber gehen? Wieso war ich überhaupt so aufgeregt? Das war ich bei dem ersten Treffen doch auch nicht. Was, wenn ich wirklich verliebt war? Aber das war ja völliger Schwachsinn. Oder? Je öfter ich mir diese Frage stellte, desto klarer wurde mir, dass dieses Treffen nicht stattfinden konnte. Und das hatte nichts mit Jonne zu tun. Zehn nach zwölf, Jonne war immer noch nicht da. Doch dieses Mal kam es mir sehr gelegen. So konnte ich jetzt wenigstens fliehen. Schnell rannte ich um die nächste Ecke, in der Hoffnung, dass Jonne aus der anderen Richtung kam. Ich hatte Glück, ich war allein auf der Straße. Doch wo sollte ich hin? Zu Tiia konnte ich nicht, nach Hause wollte ich nicht. Obwohl ein Ratschlag von Arho jetzt wahrscheinlich genau das Richtige wäre, wollte ich ihn nicht schon wieder mit meinen Problemen belasten. Ich entschloss mich, zum Hafen zu gehen. Er war ganz in der Nähe und obwohl dort immer eine Menge los war, war dies einer der Orte wo ich am besten nachdenken konnte. Ich setzte mich auf eine relativ schneefreie Bank und schaute auf das Wasser. Hatte ich das Richtige getan? Oder war ich einfach nur feige? Was würde Jonne jetzt von mir denken? Er würde mich wahrscheinlich für eine zickige Kuh halten, der es Spaß machte mit ihm zu spielen. Aber war ich etwas anderes? Eher nicht. Ich versuchte, meine Gedanken völlig von Jonne zu lösen und für einige Zeit gelang es mir. Verdammt war ich albern! Ich war doch kein Teenager mehr, der vor jedem Problem wegläuft. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es noch nicht zu spät war. Zwanzig vor eins. Zum ersten Mal in meinem Leben hoffte ich, dass jemand unpünktlich war und so schnell ich auf den glatten Straßen konnte, lief ich zurück zur Bibliothek. Ich kam mir vor wie in einer schlechten Soap, wo die Hauptdarstellerin ihrem großen Schwarm hinterher rennt. Nach fünf Minuten war ich da, von Jonne weit und breit keine Spur. „Puh, gerade noch rechtzeitig“, sagte ich zu mir selber. Doch dann sah ich auf und konnte in letzter Sekunde erkennen, wie er in einen Bus stieg und in Richtung Norden davonfuhr. „Scheiße!“, dachte ich. Das war mal wieder typisch. Wieso passierte so was immer nur mir? Was sollte ich jetzt tun? Ich entschloss mich nach Hause zu gehen und mich bei Arho auszuheulen. Bei ihm konnte man das noch am besten. Doch was sollte ich ihm sagen? Wie sollte ich ihm die Situation erklären? Am besten sagte ich ihm einfach wie es war. Und er würde irgendetwas Nettes sagen und mir würde es dann besser gehen. So war es immer wenn ich Mist gebaut hatte was leider recht häufig der Fall war. Kaum war ich zu Hause angekommen, rief ich auch schon nach meinem Mitbewohner. „Was willst du?“, fragte er. „Mit dir reden.“, antwortete ich, „Ich habe Mist gebaut.“ „Ach Auri Schatzi, wie kriegst du das bloß immer hin? Aber was ist es diesmal?“ Wir gingen ins Wohnzimmer und setzen uns auf die Couch. Dann erzählte ich ihm alles, was heute passiert war, angefangen mit der Situation in der Bäckerei bis hin zu meiner Flucht vor ihm. Nur das Gespräch mit Tiia ließ ich weg. „Was soll ich denn jetzt machen? Er hält mich jetzt doch sicher für eine eingebildete Tussi!“, meinte ich geknickt. „Ja, das könnte durchaus sein.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Aber es gibt eine Möglichkeit, das wieder gerade zu biegen.“ Ich schaute auf. Da war ich gespannt. „Ja?“, fragte ich. „Du musst ihn anrufen und ihm alles erklären“ „Mensch, Arho! Das kann ich aber nicht. Was soll ich ihm denn sagen??“ „Das musst du selbst entscheiden, Liebes.“, sagte er. Viel half mir das nicht, aber etwas anderes konnte ich in dieser Situation von Arho nicht erwarten. Er gab mir Tipps, aber umsetzen musste ich sie selber. „Soll ich das wirklich machen?“ „Dir scheint was an diesem Jonne zu liegen, sonst würdest du hier nicht sitzen. Und wenn dir was an ihm liegt, dann ruf ihn an!“ Er hatte Recht. Wieso hatte er immer Recht? Mir wäre es auch mal ganz nett, wenn er nicht immer Recht hätte. „Meinst du wirklich? Okay, aber auf deine Verantwortung.“ Ich zog mein Handy aus der Tasche. Sollte ich? Ich zögerte, doch Arho nickte mir aufmunternd zu und verließ das Wohnzimmer. Ich atmete einmal tief ein und drückte die Wahlwiederholung. Kapitel 7: Kapitel 4: Sleepless - Part 1 ---------------------------------------- Jonne: Capri verabschiedete sich noch von mir und machte sich dann auf die Suche nach etwas Essbarem. Ich derweilen war erstaunt, dass Auri noch nicht anwesend war, dennoch beschloss ich zu warten, denn immerhin hatte ich sie auch schon einmal zu lange warten lassen und jetzt war ich eben an der Reihe auf sie zu warten. Es verging viel Zeit, so kam es mir zu mindest vor. Doch als ich auf die Uhr meines Handys sah, signalisierte mir dieses, dass gerade mal fünf Minuten vergangen waren, seit meiner Ankunft. Also wartete ich weiter und hoffte, dass sie möglichst bald kommen würde. Die Minuten strichen davon und immer wieder blickte ich auf die Uhr, doch waren es immer nur ein bis zwei weitere Minuten die vergangen waren. Jedoch nach fünfmaligem auf die Uhr sehen, begann ich mir ernsthaft Gedanken zu machen. Ich fragte mich, ob sie wohl überhaupt noch mal kommen würde heute oder ob sie überhaupt jemals vorgehabt hatte zu kommen und das hier nicht vielleicht nur ein mieser Scherz von ihr war, aber diesen Gedanken verwarf ich auch sofort wieder, denn das traute ich ihr nun weiß Gott nicht zu. Immer wieder überlegte ich, warum ich überhaupt noch wartete. Für eine Frau, wie sie, die allem Anschein nach doch recht viel Wert auf Pünktlichkeit legte, kam sie jedenfalls reichlich zu spät, wenn sie denn überhaupt noch vorhatte zu kommen. Bevor ich mir darüber jedoch weiter den Kopf zerbrechen konnte, klingelte auch schon mein Handy. Perplex wie ich war, sah ich auf den Display um zu erfahren, wer mich da anrief. „Chris“, stellte ich für mich selbst fest und ging ran. „Ja?“, meldete ich mich auch sofort. „Hei Jonne, na wie war dein Tag? Hatten du und Capri viel Spaß?“, erkundigte er sich. „Ja soweit ganz gut. Capri und ich haben uns jetzt darauf geeinigt, dass sie später mal eine Tour mit uns machen wird und bei dir? Wie war dein Tag?“, wollte ich nun selbiges von ihm wissen. „Joa angenehm. War mit Ella mal wieder ausgiebig Gassi und heute Abend wird Party gemacht. Larry hat mich vorhin angerufen und meinte das Olli, also der Gitarrist von Day Eleven ne Parte bei sich schmeißt, weil er sich verlobt hat. Na ja und eigentlich hatte ich nich wirklich Lust auf diese Verlobungsparty zu gehen, aber dann rief auch noch mein süßer kleiner Bruder an und meinte, dass er hingeht, sowie so ziemlich jeder hab ich das Gefühl“, erklärte Chris und ich wusste genau, was wohl als nächstes kommen würde. „Sag mal, du kommst doch bestimmt auch oder?“ „Ja… sicher doch…“, meinte ich nur leicht resigniert und beschloss mich auch gleich auf den Weg zu machen. Auri würde wohl sowieso nicht mehr kommen. Also versprach ich Chris mich mit ihm in einer halben Stunde vor unserem Proberaum zu treffen, damit wir dann zusammen hingehen konnten. Sicherlich würde mich das wenigstens etwas von dieser ganzen Sache mit Auri ablenken und außerdem war ein bisschen Party machen sicherlich auch so das Richtige. Ich beschloss sofort den nächsten Bus zu nehmen, denn ich dachte, wenn Auri jetzt noch kommen würde, dann hätte ich ein Problem, da ich Chris ja nun schon zugesagt hatte und er, so wusste ich, wenigstens da sein würde, wo wir uns treffen wollten. Der Bus sollte mich schnellstmöglich aus der Gefahrenzone bringen. Mehr als eine Station wollte ich eigentlich eh nicht fahren, denn mit Laufen war ich im Grunde eh viel schneller da wo ich hin wollte. Als der Bus kam, stieg ich sofort ein. Mehr oder weniger in der Gewissheit, dass ich damit irgendwie vor Auri floh, aber eigentlich floh ich wohl mehr vor mir selbst und vor meinen Gefühlen als vor ihr. Bereits einige Minuten später erreichte der Bus dann auch schon die nächste Station und ich verließ ihn sogleich. Ich lief und lief und seit ich aufgebrochen war, waren schon zwanzig Minuten vergangen. Es dauerte auch nicht mehr lang und ich kam an unserem Proberaum an. Chris war bereits da und wartete auf mich. Ella hatte er auch mitgebracht, warum war mir zwar schleierhaft, doch er würde schon seinen Grund haben, so dachte ich mir und fragte deshalb nicht weiter nach. Immerhin war Ella, die einzige die ihn nie im Stich gelassen hatte. Sie war immer für ihn da gewesen, egal was auch passiert war. Aber ich meine, Hunde sind ja auch nicht umsonst die besten Freunde des Menschen. „Hei“, begrüßte mich Chris, während er mit verschränkten Armen und einer Zigarette in der rechten Hand an der Hauswand lehnte und den Rauch nach oben wieder heraus blies. Ella stand dabei mit ihrem kleinen schwarzen Schwanz wedelnd neben ihm, um den Hals hatte sie wie immer ihr rosa Halsband, an dem die bis zu Chris hoch reichende rosa Leine befestigt war, die er locker in seiner linken Hand hielt. „Hei“, antwortete ich dann nach dem ich mal wieder sein verdammt gutes Aussehen bewundert hatte. Ja ich war schon immer ein Fan seines Stylings gewesen. „Wollen wir?“, fragte er dann und stieß sich leicht von der Wand ab, wobei Ella begann noch aufgeregter mit ihrem Schwanz zu wedeln. Sie schien wohl zu merken, dass es damit wohl los gehen würde. „Ja sicher oder glaubst du ich stehe mir gerne in einer solchen Arschkälte nen Wolf?“, gab ich belustigt über die Frage zurück. „Hm, du kannst dir doch gar keinen Wolf stehen, denn ich bin doch hier der Wolf, wenn überhaupt, du mein niedliches kleines Lieblingshasilein“, erwiderte Chris nur gekonnt. Nach diesem äußerst entspannenden Gespräch machten wir uns also auf den Weg. Ich musste zugeben, dass Chris es doch ziemlich gut schaffte, mich von dieser ganzen Sache mit Auri abzulenken. Etwas, was mir einmal mehr vor Augen führte, warum er mein Freund war. Es war halb Sechs als wir bei Olli zu Hause ankamen. Er begrüßte uns auch sogleich freudig und stellte uns seine Verlobte vor. Binnen weniger Sekunden waren die beiden dann aber auch schon wieder in der Menge verschwunden und wir machten uns auf die Sache nach den anderen. Wir brauchten nicht lange ehe wir auch schon Antti und Jay in bester Partylaune auf der Couch im Wohnzimmer vorfanden. Jay hatte gerade aufgehört zu reden und Antti schien ihm wohl nun eifrig seinen Standpunkt bezüglich des Themas zu erläutern, was man daran sah, dass er schon wieder dabei war wild herumzugestikulieren. Nicht allzu weit von den beiden entfernt saß Larry am Fenster und rauchte. Er war allem Anschein nach in einem Gespräch mit Janne, dem Gitarristen von Uniklubi vertieft. Worüber sie sich jedoch unterhielten, konnte ich nicht sagen. Ich ließ meinen Blick weiter schweifen und erblickte alle sechs Mitglieder von Lovex wie sie vor dem Fernseher saßen und sich über ein dort laufendes Musikvideo amüsierten. Etwas weiter rechts waren Jann und Tender gerade dabei besagtes Geschehen zu beobachten. Ich folgte Chris, der sich gerade den Weg in die Küche suchte und diese auch schlussendlich fand. Auch hier schienen die Anwesenden bestens mit feiern beschäftigt zu sein. Jussi und Teemu kamen uns gerade entgegen als wir besagten Raum betraten. Sie waren wohl auf dem Weg ins Wohnzimmer. Ich begann mir einen Überblick über die sich hier aufhaltenden Gäste zu verschaffen. Ganz links am Tisch, der wohlgemerkt in der Mitte stand, saßen Aleksi und Paavo, welche mit Matthau, der direkt neben Paavo saß, über alte Zeiten plauderten. Simo der wiederum nur einen Stuhl weiter saß, lauschte diesem Gespräch mit Freuden. Ihnen gegenüber saßen Eliaz, Spit, Jack und Sammy die gerade dabei waren, den am Tischende sitzenden Snack über die letzten Geschehnisse rund um ihre Band zuzulabern. Chris hatte sich inzwischen auf den Stuhl ans andere Ende des Tisches gesetzt und versuchte einem der laufenden Gespräche zu lauschen. Was ihm jedoch allem Anschein nach mehr als nur schwer viel und ich konnte sehen, wie er gerade dabei war daran zu verzweifeln. Kurze Zeit später drehte er sich dann auch noch mit resigniertem und zugleich bittendem Ausdruck in seinem Gesicht zu mir um und sah mich an. Ich folgte seiner stillen Aufforderung und lehnte mich an den Kühlschrank. Kurze Zeit später spürte ich dann wie sich etwas langsam an meinen Beinen zu schaffen machte und als ich gen Boden sah, erblickte ich Ella wie sie versuchte mich noch näher zu Chris zu ziehen, der das ganze nur mit einem Grinsen beobachtete. Sie glaubte wohl, er könne mich bei diesen lautstarken Unterhaltungen auf diese Entfernung nicht verstehen, wenn ich mit ihm reden würde, aber wer weiß, vielleicht hatte sie ja Recht. Immerhin kannte sie ihn auch schon länger als ich, was ich gerne ab und an übersah, weil es einfach unvorstellbar für mich war. Schlussendlich kam ich ihrem Wunsch nach und stellte mich neben Chris, der mich erst einmal grinsend auf seinen Schoß zog. „Sag mal, hat sich diese Auri eigentlich noch mal bei dir gemeldet heute?“, begann er dann und ich stutzte. Kurze Zeit überlegte ich doch ernsthaft wen und was er meinte, ehe ich begriff. „Ähm ja hat sie, wieso fragst du?“, gab ich verwundert zurück und hoffte, dass dieses Thema nicht lange anhalten würde und ich es wieder genießen konnte nicht darüber nachdenken zu müssen. „Nur so“, antwortete er knapp, „und was hat sie gesagt?“ „Sie hatte mich gefragt, ob wir uns treffen könnten und ich willigte ein. Ich war pünktlich das schwöre ich, überpünktlich, doch sie kam und kam einfach nicht. Naja und dann, riefst du mich an und ich machte mich auf den Weg um mich mit dir zu treffen und danach mit dir hierher zu gehen“, erzählte ich alles in Kurzform. „Verstehe… Ich frage mich wirklich, was in dieser Frau vorgeht. Also wirklich, dich kann man doch nicht einfach versetzen, wenn ich dieses Weib erwische, dann bekommt sie es mit mir zu tun, denn niemand, ja wirklich niemand, wagt es ungestraft meinen kleinen Jonne zu versetzen. So was lässt ein Sir Christus nicht mit sich machen“, erklärte er empört. In diesem Moment betraten Olli und seine Verlobte gefolgt von seiner Band die Küche. „Hei Leute, kommt ihr alle mit ins Wohnzimmer, damit die Party endlich richtig losgehen kann“, bat er uns allem Anschein nach schon leicht angetrunken und wir kamen dieser Bitte auch sogleich nach und folgten ihm in besagten Raum. In der Zwischenzeit waren wohl auch sämtliche Mitglieder von Heijaste eingetroffen und alle waren dabei sich mit irgendwem über irgendetwas auszutauschen. Dabei hatten sie auch beinahe alle ein alkoholisches Getränk in der Hand oder zu mindest neben sich zu stehen und einige wirkten auch schon nicht mehr so ganz nüchtern. Ich genoss den Abend mit meinen Freunden und Bekannten und hatte es auch wieder geschafft Auri aus meinen Gedanken zu vertreiben, bis ich erneut meinen Blick schweifen ließ und dabei mit meinen Augen an Olli und seiner Verlobten, welche sich gerade küssten, kleben blieb. Wie gebannt starrte ich die beiden an und schaffte es einfach nicht mich davon abzuwenden. Ich stellte mir vor, wie es wohl wäre, wenn ich und Auri uns küssten, stellte mir vor wir wären es die dort säßen und allen unsere Liebe demonstrierten. Es schmerzte mich bei dem Gedanken, dass es wohl niemals dazu kommen würde. Nie würde sie mich erwählen und wir würden uns auch niemals küssen und… nein das würde erst recht nicht geschehen. Ich wurde beinahe irre bei dem Gedanken, sie vielleicht nie mehr wieder zu sehen. Sie würde mich wohl nie mehr anrufen, denn immerhin hatte ich nicht auf sie gewartet, so wie sie es für mich getan hatte. Die Vorwürfe begannen mich aufzufressen. Ich war kurz davor durchzudrehen. Dieses Gefühl ließ mich einfach nicht los. Schmerz, sowie Hass und Wut auf mich selbst kamen in mir hoch und so sehr ich es auch versuchte es zu unterdrücken, es gelang mir nicht und im nächsten Moment spürte ich bereits wie eine Träne über meine Wangen lief, bemerkte jedoch auch, dass sie aufgefangen wurde. Ich blickte neben mich wo Chris saß und mich bedrückt ansah. Er wusste, was mir so zu schaffen machte, das konnte ich ihm ansehen. Langsam wischte er mit seiner Hand die Träne aus meinem Gesicht und drückte mich fest an sich. „Gib nicht auf Jonne. Wenn du sie wirklich liebst und sie wirklich die Richtige für dich ist, dann wirst du die richtige Chance erhalten“, flüsterte er mir sanft zu und plötzlich spürte ich noch weitere Arme, die sich von hinten um mich schlangen. Ich ahnte nur zu gut um wen es sich handelte. Diese weichen Hände die meine eigenen sanft festhielten, gehörten eindeutig Antti und auch die anderen zwei Hände waren unverkennbar. Ich wusste, dass sie Snack gehörten und da ich von der Seite auch noch zwei weitere Personen spürte, wie sie mich umarmten, von denen der eine eindeutig Larry war, wie seine lockigen Haare verrieten, konnte ich mir ausmalen das der letzte im Bunde wohl Jay war und sie gaben mir damit sehr viel Kraft. Nur wahre Freunde konnten einem so zur Seite stehen und einem ein solches Gefühl der Geborgenheit verschaffen. Noch einige Zeit saßen wir so da und ich genoss es, doch irgendwann beschloss ich dennoch mich auf den Weg zu machen. Es war schon spät und außerdem hatte ich Angst wieder so einzubrechen, wenn ich die frisch Verlobten noch einmal in so inniger Zweisamkeit sah. Vorsichtig begann ich die anderen von mir zu schieben und ihnen damit klar zu machen, dass ich mich jetzt auf den Weg machen würde. Jay und Antti wollten noch ein wenig bleiben und weiter feiern und Larry war schon zu betrunken um heute noch diesen mehr oder weniger weiten Weg zurückzulegen. Also waren es nur Snack und Chris die mich begleiteten, nun ja, und Ella nicht zu vergessen. Doch als wir gerade das Haus verlassen wollten, gesellte sich dann letztendlich auch noch Matthau zu uns, der der Meinung war, dass er sich ja heute noch nicht mit uns unterhalten hatte und es eh langsam Zeit zu gehen gewesen wäre und uns deshalb begleiten wollte. Stundenlang stapften wir durch den Schnee der immer mehr wurde, da es gerade wie verrückt schneite. Matthau erzählte Chris freudig von seinem neuen Album was wohl Anfang 2009 erscheinen würde und von seinen Tourplänen für selbiges Jahr. Snack und ich hingegen unterhielten uns über die, wie wir glaubten, rosige Zukunft von NEGATIVE. Niemals würden wir aufhören neue Musik zu machen und zu Touren und weiter an uns zu arbeiten, so beschlossen wir und niemals würden wir uns gegenseitig im Stich lassen, selbst wenn, was wir selbstverständlich nicht hofften, NEGATIVE als solches eines Tages nicht mehr weiter existieren würde. Irgendwann kam ich dann bei mir zu Hause an. Es kam mir vor als wäre ich Wochen weg gewesen, dabei waren es nur zwei Tage. Meine Wohnung wirkte auf mich so bedrückend und verlassen. Ich konnte nicht einmal sagen wieso. Aber wahrscheinlich war es einfach nur diese Einsamkeit und diese Angst wirklich nie wieder etwas von Auri zu hören. Es dauerte nicht lange und ich beschloss schlafen zu gehen. In meinem Bett liegend, stellte ich fest, dass ich einfach nicht einschlafen konnte. Ich verfluchte diese ganze Sache und auch die Tatsache, dass ich mir so sehr den Kopf darüber zerbrach. Diese Auri ließ mir einfach keine Ruhe, nicht einmal bei mir zu Hause wenn ich schlafen wollte. Stundenlang lag ich wach in meinem Bett und dachte über alles nach. Mehr und mehr versuchte ich eine Lösung zu finden in der Hoffnung dann endlich meine Ruhe zu haben, die ich wirklich bitternötig hatte. Aber ich bekam einfach kein Auge zu. Ich wälzte mich hin und her, aber nicht einmal eine Position, in der ich vielleicht irgendwann hätte einschlafen können, schien ich heute zu finden. Nach einer Antwort suchend, sah ich aus dem Fenster und betrachtete den Mond der mir so hell und beruhigend entgegen schien. Eine Antwort gab er mir zwar nicht, aber trotzdem fand ich endlich die gewünschte Ruhe. Die Ruhe, die ich brauchte um endlich schlafen zu können und am nächsten Tag wenigstens halbwegs ausgeschlafen zu sein. Dieses strahlende Licht des Mondes, welches mein Zimmer erhellte, brachte mir endlich meinen Frieden, zu mindest für diesen Tag und so schlief ich wenige Minuten später zufrieden ein in der Hoffnung, dass dieses Gefühl auch für die nächsten Tage anhalten und ich eine endgültige Lösung für dieses Problem finden würde. Kapitel 8: Kapitel 4: Sleepless - Part 2 ---------------------------------------- Auri: „Der gewünschte Gesprächspartner ist zur Zeit nicht zu erreichen“, tönte mir mein Handy entgegen. Na toll, da hat der auch noch sein Handy aus. „Verdammt!“, machte ich meinem Ärger Luft und war kurz davor mein Mobiltelefon auf den Laminatboden zu schmeißen. Seufzend betrat Arho wieder den Raum. „Was ist denn nun los, Auri Schätzchen? Gibt’s Ärger mit Jonne?“ „Schön wär’s! Ich hab’s jetzt endgültig versaut mit dieser Weglaufaktion. Er hat sein Handy ausgeschaltet, will nix mehr von mir wissen.“ „Ach, Auri Schätzchen. Es ist noch lange nicht aller Tage Abend“ Liebevoll nahm mich mein Freund in den Arm. In solchen Momenten war ich froh, dass ich ihn hatte. „Weißt du was komisch ist, Arho?“, fragte ich ihn. Ich musste jetzt einfach mit jemanden über meine Gefühle reden. Und er war am besten geeignet. „Was denn?“ „Jonne… Weißt du, ich kenn ihn erst ein paar Tage. Wenn man es genau nimmt, eigentlich gar nicht. Wir hatten ja gar keine Zeit uns richtig kennen zu lernen. Aber trotzdem… da ist irgendetwas zwischen uns. Habe ich zumindest das Gefühl. Das ist so ungewohnt, so etwas hatte ich noch nie… Verstehst du, was ich meine?“ „Ich bin jetzt natürlich kein Profi auf diesem Gebiet, aber nach allem was du mir geschildert hast, sieht es ganz danach aus, als wärst du bis über beide Ohren in Jonne verliebt.“, sagte Arho mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Das hätte er sich auch sparen können. „Das hat Tiia auch schon festgestellt.“, klärte ich ihn auf. Arho schaute mich an, „Na dann ist doch alles klar“, sagte er. „Nichts ist klar, verstehst du nicht?? Jonne will nichts von mir wissen, ich bin für ihn doch nur eine kleine Zicke mit extrem sturem Kopf. Ach scheiße.“ Ich schmiss mich auf das rote Sofa und klammerte mich an ein Kissen. Arho verschwand aus dem Wohnzimmer, nur um kurze Zeit später mit einer Riesenportion Schokoladen Eis wiederzukommen. Genau das, was ich jetzt brauchte. „Danke“, nuschelte ich leise in das Kissen. Dass ich dabei Fusseln in den Mund bekam, merkte ich gar nicht. Mein bester Freund lächelte nur und setzte sich neben mich. „Hast du vielleicht auch schon mal daran gedacht, dass sein Akku leer sein könnte?“, fragte er. „Ts, wer hat denn schon ein nicht aufgeladenes Handy dabei?“ „Ziemlich viele Leute. Es ist nämlich echt schwer, mitten im Wald eine Steckdose für das Ladegerät zu finden.“ Unfreiwillig musste ich lachen. Aber wie wahrscheinlich war es, dass Jonne ausgerechnet jetzt im Wald oder anderen Orten ohne Steckdose war? Sehr gering… Ich versuchte Arho meinen Einwand klar zu machen, doch er meinte nur: „Man hat auch nicht gedacht, dass mal jemand auf dem Mond spazieren gehen wird, und es ist trotzdem passiert.“ „Ach, das ist doch was völlig anderes.“, erwiderte ich. „Vielleicht, aber was ich damit sagen will, ist, dass auch Dinge passieren können, die total unrealistisch sind. Das kommt ganz auf die Situation an und hast du nicht selbst gesagt, dass du Jonne in einer Bäckerei gesehen hast? Vielleicht war er ja den ganzen Vormittag draußen und hat gar nicht mitgekriegt wie sein Akku langsam den Geist aufgab.“ „Danke Arho, dass du mich aufmuntern willst, aber das bringt nichts. Jonne will nichts von mir wissen.“ „Wenn du das so siehst, kann ich dir auch nicht mehr helfen“, meinte Arho und stand auf. „Ich bin dann mal für ein Weilchen weg.“ Seine Jacke von der Garderobe nehmend, verließ er die Wohnung und ließ mich mit meinem bereits zur Hälfte verspeisten Eis allein. Das war ja mal wieder typisch… Wieso kriegte ich es eigentlich immer hin, alle zu vergraulen? Erst Jonne, und jetzt ließ mich Arho auch noch im Stich. Und das zur Weihnachtszeit. Allein wollte ich auch nicht hier bleiben und so beschloss ich, ebenfalls etwas frische Luft zu schnappen, vielleicht brachte es mich auf andere Gedanken. Oder es sorgte dafür, dass ich mir klar darüber wurde, was ich wirklich wollte. Das Eis stellte ich zurück ins Gefrierfach, dann konnte ich heute Abend wieder darauf zurückgreifen, zog mir meine Jacke wieder an, meine Stiefel, Schal und Handschuhe, schnappte mir meine Handtasche und ging los. Ich wusste noch nicht, wo es mich hin ziehen würde, mal sehen, wohin es mich zog. Langsam stieg ich die Treppen unseres Wohnhauses hinunter und begrüßte meinen Nachbarn, der gerade seinen Müll hinunterbrachte, mit einem kurzen Hallo. Ich lebte in einem ruhigen Viertel der Stadt, die Leute hier waren alle sehr nett und man sorgte sich für das Wohl der Anderen. Ich mochte diese Atmosphäre, es hatte etwas Familiäres. Doch heute hatte ich keine Lust, ein Gespräch anzufangen, hatte ich doch genug eigene Probleme. Unten angekommen, lief ich immer weiter Richtung stadtauswärts. Ich wusste selbst nicht, warum es mich dorthin zog, wahrscheinlich war es die Ruhe, die dort herrschte. Dort gab es sehr viel Wald, für mich ein Ort, an dem ich am besten entspannen konnte. Ich genoss den Anblick der verschneiten Wipfel. Hier lag noch ziemlich viel Schnee, im Vergleich zu der Innenstadt, die mehr von Matsch als von dem weißen Niederschlag bedeckt war. Lange konnte ich diesen Anblick des Friedens allerdings nicht genießen. Ein verliebtes Pärchen lenkte meinen Blick auf sie. Die beiden scherzten herum, bewarfen sich mit Schnee, schienen die Welt um sich herum vollkommen vergessen zu haben. Ich drehte mich weg, stellte mir vor, dass Jonne und ich die beiden waren. Ein Gedanke, der schmerzte. Ich schien wirklich in Jonne verliebt zu sein, in einen Mann, den ich kaum kannte und der so anders war als ich. Zumindest nach dem, was ich von ihm wusste. Das Paar entfernte sich immer weiter und mit ihm auch meine wunderschöne, verzweifelte Vorstellung. Immer kleiner wurde sie, doch ich schaffte es nicht, sie vollkommen aus meinem Kopf zu verdammen. Oder wollte ich es nicht? Wollte ich meinen letzten Zipfel Hoffnung, den ich irgendwo in mir drin hatte, nicht aufgeben? Doch woher kam dieser Sinneswandel? Gestern noch dachte ich, Jonne sei ein Massenmörder… Oder zumindest hatte ich es mir eingeredet. Was für ein Schwachsinn, wenn ich genauer darüber nachdachte. Nun, wo ich mir meine Gefühle eingestand, fiel es mir viel leichter, einen klaren Gedanken zu fassen. Arhos Meinung, Jonnes Akku könnte leer sein, war gar nicht so abwegig, wie ich vor einer Stunde noch gedacht hatte. Trotzdem war ich mir immer noch sicher, dass Jonne mich für komplett bescheuert halten musste. Und diese Feststellung war fast genauso schmerzhaft, wie der Anblick des Pärchens. Doch das alles war noch keine Antwort auf die Frage, die mich am meisten bedrückte: Warum er? Mir war klar, dass es darauf keine Antwort gab, so war sie nun mal, die Liebe. Gemein und hinterhältig. Zumindest solange man völlig unsicher über die Gefühle des Anderen war. Ein Piepen riss mich aus meinen Gedanken. Eine SMS ist eingetroffen. „Uuuund wie ist das Shoppen mit Jonni-Bonni so?“ Tiia. Wer sonst? Schnell schickte ich eine Antwort: „Du hast Recht, ich liebe Jonne. Und bitte kein Wort mehr vom Shoppen!!!“ Ich konnte mir Tiias fragenden Blick nur zu gut vorstellen. Ich stellte mein Handy aus, weil ich keine Lust hatte, ihr alles per SMS zu erklären. Sollte sie sich ruhig gedulden und sich dann später die lange Version anhören. Ich ging noch lange weiter, war aber immer nur körperlich anwesend. Meine Gedanken kreisten um Jonne, um mich, Arho… Zum Glück war diese Gegend eher verlassen, niemand kam mir entgegen, ich war allein. Es dämmerte bereits, als ich mich wieder auf den Heimweg machte. Ich war froh, dass ich die Zeit so schnell rumgekriegt hatte und dass ich jetzt wieder einigermaßen normal war. Zumindest hoffte ich es. Und das Eis war jetzt auch wieder runter von den Hüften. Als ich um etwa sieben Uhr zu Hause ankam, saß Arho Fernsehen guckend auf dem Sofa. „Tach, wo bist du denn gewesen?“, begrüßte er mich ohne aufzusehen. „Ich war etwas spazieren. Ein paar klare Gedanken fassen. Es hat sogar etwas gebracht.“, antwortete ich und setzte mich neben ihn. „Inwiefern?“ „Nun, ich weiß jetzt, dass du und Tiia Recht hattet. Und das ich mich manchmal echt daneben benommen habe. Also dir gegenüber. Dafür möchte ich mich entschuldigen.“ „Ach Schätzchen, das ist doch alles gar nicht schlimm. Ich weiß doch selber wie das ist, wenn man verliebt ist. Und außerdem waren es ja nur drei Tage, die du so komisch drauf warst.“ Arho nahm mich in den Arm. „Was guckst du denn da?“, lenkte ich vom Thema ab, obwohl mir natürlich klar war, dass es irgendeine amerikanische Realityshow war. Nicht sonderlich spannend, aber immerhin sehr amüsant. Ich schaute kurz zu, wie sich ein Mann aus Los Angeles sein zweiunddreißigstes Tattoo stechen ließ, doch dann wurde es mir zu langweilig und ich ging in mein Zimmer, um weiter in diesem Krimi zu lesen. Der Mond schien hell in den Raum hinein, beinahe wäre elektronisches Licht nicht nötig gewesen. Immer wieder schaute ich zu ihm auf, zu seinem gelblichen Schein, konnte meine Augen nicht von ihm lassen. Es schienen Stunden zu vergehen, bis sich eine Wolke vor ihn schob und ich endlich in einen tiefen Schlaf fiel. Am nächsten Morgen wachte ich früh auf, dennoch leuchtete bereits die Sonne mein Zimmer aus. Mein Magen meldete, dass es Zeit war für das Frühstück. Langsam krabbelte ich aus dem Bett und begab mich in die Küche. Arho war noch am Schlafen, doch es hätte mich gewundert, wenn er schon wach wäre. Also setzte ich mich allein an unseren kleinen Küchentisch und machte mir ein Marmeladentoast, meiner Meinung nach der beste Start in den Tag. Nachdem ich die Kaffeemaschine angestellt hatte und sie nun friedlich vor sich hin arbeitete, schaute ich nach, ob die Zeitung schon da war. Mir war es nicht peinlich, im Bademantel die Wohnung zu verlassen. Das machten die meisten so und außerdem hatte ich ja ein sehr gutes Verhältnis zu den Nachbarn. Dass die Zeitung schon da war, war natürlich vorauszusehen und so ging ich mit dem Bild eines strahlenden Kimi Räikkönen, der den großen Preis von China gewonnen hatte, unter dem Arm wieder zurück. In der Zwischenzeit musste wohl auch Arho auf wundersame Weise das Bett verlassen haben, denn nun saß er Kaffee trinkend am Küchentisch. „Guten Morgen. Schon wach?“, begrüßte ich ihn. Der Blick zur Uhr sagte mir, dass es noch nicht einmal acht war, eine Zeit, die Arho eigentlich nur aus Erzählungen kannte. „Der Toaster hat mich geweckt.“, antwortete er und schickte mit seinem Blick das Küchengerät in die Hölle. „Dann hast du aber einen leichten Schlaf“, meinte ich achselzuckend und steckte mir ein weiteres Toast in den Toaster. „Hast du gestern Abend eigentlich noch mal versucht, Jonne zu erreichen?“, wollte der Blonde wissen. „Nein, habe ich nicht… Das wollte ich heute machen. Dann können wir das Treffen auch gleich nachholen.“ Die Frage war bloß, wann ich das machen wollte. Ich hatte ziemlich Bammel vor Jonnes Reaktion. Arho nickte und schenkte sich noch etwas Kaffee ein. „Solange du nicht wieder einen Rückzieher machst…“ „Dieses Mal nicht, versprochen!“ Das Ploppen des Toasters ließ mich zusammenzucken. Das Ding war wirklich ziemlich laut… Schnell aß ich mein Toast auf. Ich hatte mir vorgenommen, die Sache mit Jonne so schnell wie möglich zu klären, schnappte mir mein Handy und ging schnurstracks in mein Zimmer. „Hey!“, rief Arho mir hinterher, „Meinst du nicht, dass der Kerl wie alle normal tickenden Menschen auf dieser Welt noch schläft?“ „Auf dieser Welt wäre schlecht, denk an die Zeitverschiebung“, gab ich grinsend zurück. Arhos Einwand ignorierend, drückte ich die Wahlwiederholungstaste. Dieses Mal ertönte wenigstens ein Piepen, das ließ mich hoffen. Es dauerte recht lange, doch nach dem dreizehnten Tuten hörte ich endlich Jonnes Stimme: „Ja?“, brummte er mir verschlafen entgegen. Upps, er hat wohl doch noch geschlafen. Einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte ich mir wirklich nicht aussuchen können. „Ja, hallo ich bin’s. Auri“, meldete ich mich verschüchtert, bereit für eine Standpauke. „Ach, Madame lässt auch mal wieder von sich hören. Wie nett. Vielen Dank noch mal, dass du mich gestern so nett hast sitzen lassen.“. Er schien wirklich sauer zu sein. „Du Jonne, das tut mir Leid. Ich… ich wollte mich mit dir treffen, aber…“, ich brach mitten im Satz ab, wusste nicht, wie ich mein Verhalten erklären sollte. „Aber was? War das Shoppen mit deiner komischen Freundin wohl doch besser und du hast mich vergessen, was? Und wieso rufst du mich überhaupt um diese gottverdammte Uhrzeit an?!?“ „Können wir uns vielleicht treffen? Dann kann ich es dir erklären.“ Eine Zeit lang war es still, doch dann sagte Jonne: „Okay, aber nur, wenn du wirklich kommst!“ „Ja, das verspreche ich!“, sagte ich, glücklich, dass er sich noch mal mit mir treffen wollte. „Wo denn? Wieder an der Bibliothek? Um zehn Uhr?“ Jonne stimmte zu und ich legte ohne tschüß zu sagen auf. Leicht verwirrt, aber zufrieden ging ich zurück zu Arho in die Küche. „Wir treffen uns gleich.“, sagte ich nicht ohne Stolz. „Soll ich mitkommen und aufpassen, dass du keinen Mist machst? Ich kann mich hinter nem Baum verstecken.“, schlug Arho vor. Ich war mir nicht sicher, ob er es ernst meinte oder nicht. Dennoch lehnte ich seinen Vorschlag lachend ab. Um halb zehn machte ich mich langsam auf den Weg Richtung Bibliothek. Ohne Arho, wohlgemerkt. Als ich ankam, war von Jonne noch nichts zu sehen, und so stellte ich mich unter das Dach und wartete. Es dauerte keine fünf Minuten, als Jonne pünktlich um zehn eintraf. Ohne eine Begrüßung kam er auf mich zu. „So, dann erzähl mal!“, forderte er mich auf. „Jonne, es tut mir Leid. Ich weiß echt nicht, was da gestern in mich gefahren ist. Ich war hier, wirklich!“ „Dann scheinen dir unsere ‚Treffen’ ja nicht sonderlich wichtig zu sein, wenn du noch nicht mal eine Viertelstunde wartest.“ „Ich… ich war irgendwie durcheinander. Und wieso bist du gestern nicht an dein Handy gegangen?“ Auf einmal fing Jonne an zu brüllen. „Vielleicht weil mein Akku leer war und ich das erst nachts um zwölf bemerkt habe?? Und wieso schiebst du jetzt mir die Schuld in die Schuhe? Was soll ich jetzt eigentlich von dir denken?? Sag es mir!! Erst drückst du mir deine Nummer in die Hand, dann rennst du bei unserem Treffen ohne eine wirkliche Erklärung weg, dann rufst du mich an, um mit mir shoppen zu gehen, bist aber nicht am Treffpunkt. Dann rufst du mich morgens um acht, um ACHT Uhr an um dich zu entschuldigen. Und dann machst du MIR auch noch Vorwürfe, weil ich nicht ans Handy gehe, weil mein verdammter Akku leer ist!! Sag es mir, was soll ich von dir halten??“ Die wenigen vorbeilaufenden Passanten schauten uns verwirrt an. Jonne war schon richtig rot im Gesicht vor Wut. Ich traute mich nicht, ihn anzusehen. Immer noch brüllend fuhr er fort: „Seitdem wir uns kennen, bringst du mich regelmäßig beinahe zum Nervenzusammenbruch, seitdem ich dich kenne, habe ich schon ein Dutzend Mal den Glauben an dich verloren. Mensch Auri, macht es dir Spaß, mit mir zu spielen? Hör endlich auf damit!! Ich kann das echt nicht mehr länger ertragen. Und weißt du warum? Weil ich mich in dich verliebt habe, verdammt noch mal!!“ Ich schaute Jonne perplex an. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Nein, das kann nicht sein. Noch bevor ich etwas dagegen tun konnte, rannte ich an Jonne vorbei weg. Kapitel 9: Kapitel 5: Hard Words And Feelings - Part 1 ------------------------------------------------------ Jonne: Es war noch dunkel als mich irgendetwas aus dem Schlaf riss. Langsam versuchte ich auszumachen, was es sein könnte. Als ich es dann endlich als das Klingeln meines Handys identifiziert hatte, beschloss ich mich einfach noch mal umzudrehen und zu warten bis der Anrufer endlich aufgegeben hatte. Jeder der mich kannte, wusste, dass ich zu dieser Zeit noch schlief, also konnte es niemand wichtiges sein, so dachte ich. Immer wieder lief der Klingelton durch und ich begann mich zu fragen, wer denn da bitte so hartnäckig war. Völlig verschlafen öffnete ich die Augen und blickte zu erst auf meinen Wecker, welcher mir signalisierte, dass es gerade mal kurz vor acht war und danach stieg ich genervt aus meinem Bett und kämpfte mich immer noch völlig übermüdet zu meinem Handy vor, welches ich am Abend zu vor noch ans Ladegerät angeschlossen hatte und bevor ich schlafen gegangen war auch noch angeschaltet hatte. Hätte ja sein können, es ruft jemand wichtiges an, wenn ich noch penne, aber doch verdammt noch mal nich schon um acht. Total genervt ging ich also ans Telefon und meldete mich mit einem „Ja?“, welches wirklich äußerst verschlafen klang, dass fiel sogar mir selbst auf. „Ja, hallo ich bin’s. Auri“, meldete sich die Stimme am anderen Ende, bei der ich schon längst nicht mehr damit gerechnet hatte, sie jemals wieder zu hören. „Ach, Madame lässt auch mal wieder von sich hören. Wie nett. Vielen Dank noch mal, dass du mich gestern so nett hast sitzen lassen“, schmetterte ich ihr meine Meinung entgegen. Erst lässt sie mich sitzen, dann macht sie mich verrückt und lässt mich nicht zur Ruhe kommen und dann weckt sie mich auch noch mitten in der Nacht. Das war nun endgültig zu viel des Guten. „Du Jonne, das tut mir Leid. Ich… ich wollte mich mit dir treffen, aber…“, begann sie mit ihrer Rechtfertigung, doch so richtig schien ihr kein Ende dafür einzufallen. „Aber was? War das Shoppen mit deiner komischen Freundin wohl doch besser und du hast mich vergessen, was? Und wieso rufst du mich überhaupt um diese gottverdammte Uhrzeit an?!?“, fuhr ich also immer noch stinksauer fort. Eigentlich wollte ich sie ja nicht anschreien, wollte mich nicht aufregen, doch ich konnte einfach nicht anders. Es musste einfach raus. All der Ärger, der sich angesammelt hatte. „Können wir uns vielleicht treffen? Dann kann ich es dir erklären“, fragte sich mich daraufhin. Ich dachte ernsthaft ich hätte mich verhört. Sie hatte mich doch jetzt nicht tatsächlich gefragt, ob wir uns noch einmal treffen könnten? Ich zwang mich zur Beherrschung und beschloss ihr noch eine Chance zu geben. Immerhin war das ja auch in meinem Interesse, nur dummer Weise war ich um solch eine Uhrzeit noch nie dazu in der Lage gewesen, so etwas zu realisieren. „Okay, aber nur, wenn du wirklich kommst!“, gab ich dann letztendlich zur Antwort und ich hoffte wirklich, dass das nicht umsonst war. „Ja, das verspreche ich!“, antwortete sie auch sogleich und das wohl sehr glücklich, wie es den Anschein hatte. „Wo denn? Wieder an der Bibliothek? Um zehn Uhr?“, schlug sie vor und ich gab mich widerstandslos geschlagen, nur um direkt danach sofort aufzulegen. „Zehn Uhr!“, dachte ich. „Diese Frau hat doch echt nich mehr alle Tassen im Schrank!“ Nun gut, nicht das mir dieser Gedanke etwas genützt hätte. Im Prinzip hätte ich ja einfach nicht hingehen müssen, doch das wollte ich ihr nun auch wieder nicht antun. Immerhin war ich doch ein anständiger Mensch und legte es nicht darauf an, dass sie mich für das Gegenteil hielt und außerdem liebte ich sie doch. Das konnte ich nicht leugnen. Ich legte mich noch einmal kurz auf mein Bett und dachte über das Telefonat nach. Je mehr sich meine Müdigkeit verzog, desto mehr wurde ich mir dessen bewusst, dass ich ganz schön hart zu ihr gewesen war. Nein, „ganz schön“ ist wohl noch untertrieben. Viel zu hart war ich zu ihr. Ich hatte schlichtweg überreagiert und so etwas passierte mir nun wirklich nicht oft. Das war eigentlich absolut nicht meine Art und ich das ja auch nicht umsonst, denn ich hasste es wenn andere überreagierten und ebenso wenn ich es selber tat. Eine halbe Stunde später beschloss ich dann jedoch endlich aufzustehen und mich fertig zu machen. Immerhin hatte ich nicht mehr allzu viel Zeit und ich wollte ja auch nicht schon wieder zu spät kommen. Sie noch mal enttäuschen kam nicht in Frage. Langsam schleppte ich mich ins Bad. Ich war zwar mittlerweile wach, aber mein Körper war da anderer Meinung und versuchte strickt sich gegen all das zu wehren. Im Bad angekommen duschte ich erst einmal für eine Viertelstunde um all das an diesem Tag bisher geschehene von mir zu waschen. Mit Erfolg. Denn zu mindest konnte ich mein innerliches Brodeln, was ich anfangs nicht unterdrücken konnte, endlich zur Ruhe bringen. Danach ging ich in die Küche um noch etwas zu essen, bevor ich dann zurück in mein Schlafzimmer ging um mir etwas anzuziehen und meinem Aussehen danach im Bad noch den letzten Schliff zu verleihen. Eine Dreiviertelstunde nach Aufstehen machte ich mich nun endlich auf den Weg zur Bibliothek. Weder war ich völlig in Eile noch trödelte ich zu sehr rum. Ich hatte eine halbe Stunde Zeit, genug, um nicht rennen oder mich übermäßig beeilen zu müssen, doch zu wenig, um vollends rumzutrödeln und trotzdem nicht zu spät zu kommen. Auf dem Weg ließ ich mir noch mal alles durch den Kopf gehen. Ich liebte Auri soviel war klar, doch deshalb hatte ich keine Lust wieder versetzt zu werden und deshalb sagte ich mir auch, dass das die letzte Chance sei, die ich ihr geben würde. Wenn sie dann noch einmal angerannt käme, wäre es zu spät und ich würde nicht mehr nachgeben. Ich konnte es mir nun einmal nicht leisten allzu sehr über diese Frau nachzudenken, mir so den Kopf über sie zu zerbrechen und wegen ihr noch völlig den Verstand zu verlieren. Ich hatte Freunde, Verwandte, Bekannte und vor allem Fans, denen ich es nun einmal nicht antun konnte mich wegen so etwas fertig zu machen. Die Leute, denen ich wirklich etwas bedeutete und die es mir auch zeigten, hatten nun einmal Vorrang. Sie hatten das Recht nicht von mir enttäuscht zu werden, nur weil ich mit meinem Leben nicht mehr klar kam, weil ich nicht mehr klar denken konnte. Mein Entschluss stand fest. Das war die letzte Chance die diese Auri bekam und wenn sie sie nicht wahrnehmen sollte, so musste ich sie vergessen. Da gab es kein „aber“. Bereits ein paar Minuten später erblickte ich endlich die Bibliothek, ebenso wie Auri. Ich musste zugeben, dass ich nicht damit gerechnet hätte, dass sie wirklich kommt, doch ich war gerne bereit ihr diese Chance zu geben, die sie ja, wie es aussah, nutzen wollte. Langsam ging ich auf sie zu und begann auch sogleich unser Gespräch. „So, dann erzähl mal!“ „Jonne, es tut mir Leid. Ich weiß echt nicht, was da gestern in mich gefahren ist. Ich war hier, wirklich!“, versuchte sie nun erneut sich zu rechtfertigen, doch diesmal mit ein bisschen mehr Inhalt. Ein Argument hatte sie zwar nicht vorzuweisen, doch ich wollte dennoch probieren, sie nicht gleich zu verschrecken. „Dann scheinen dir unsere ‚Treffen’ ja nicht sonderlich wichtig zu sein, wenn du noch nicht mal eine Viertelstunde wartest“, stellte ich dennoch fest und war auch ehrlich gesagt nicht sehr glücklich darüber, es schon wieder so hart formuliert zu haben. „Ich… ich war irgendwie durcheinander. Und wieso bist du gestern nicht an dein Handy gegangen?“ Ein völlig normale verständliche Frage ihrerseits, dennoch begann es in mir zu kochen und ich konnte es einfach nicht verhindern, dass mein innerer Vulkan auch ausbrach. Es musste wohl einfach raus, so leid es mir auch für sie tat und deshalb redete ich einfach ohne zu denken ohne wirklich zu realisieren, was ich da sagte, wie ich es sagte und… warum ich es sagte. „Vielleicht weil mein Akku leer war und ich das erst nachts um zwölf bemerkt habe?? Und wieso schiebst du jetzt mir die Schuld in die Schuhe? Was soll ich jetzt eigentlich von dir denken?? Sag es mir!! Erst drückst du mir deine Nummer in die Hand, dann rennst du bei unserem Treffen ohne eine wirkliche Erklärung weg, dann rufst du mich an, um mit mir shoppen zu gehen, bist aber nicht am Treffpunkt. Dann rufst du mich morgens um acht, um ACHT Uhr an um dich zu entschuldigen. Und dann machst du MIR auch noch Vorwürfe, weil ich nicht ans Handy gehe, weil mein verdammter Akku leer ist!! Sag es mir, was soll ich von dir halten??“ Ich hielt kurz inne um Luft zu holen, nur um dann ebenso laut fortzufahren. „Seitdem wir uns kennen, bringst du mich regelmäßig beinahe zum Nervenzusammenbruch, seitdem ich dich kenne, habe ich schon ein Dutzend Mal den Glauben an dich verloren. Mensch Auri, macht es dir Spaß, mit mir zu spielen? Hör endlich auf damit!! Ich kann das echt nicht mehr länger ertragen. Und weißt du warum? Weil ich mich in dich verliebt habe, verdammt noch mal!!“ Wartend sah ich Auri an. Ich wusste, dass sie wohl nicht wirklich in der Lage war darauf noch etwas zu erwidern, doch irgendetwas sorgte dafür, dass sie völlig perplex vor mir stand. Als könne sie nicht glauben, was ich eben gesagt hatte, doch… was hatte ich eigentlich gesagt? Kurz dachte ich nach, ehe mir klar wurde, was es sein musste. VERDAMMT… ich hatte ihr einfach so meine Liebe gestanden und das auch noch in solch einer Situation, in solch einem Tonfall, in solch harten Worten. Ich verfluchte mich selbst und meinen Wutausbruch. Selbst wenn sie jetzt wieder davonrennen würde, wenn sie jetzt die Chance einfach aufgeben würde, könnte ich sie nicht mehr vergessen, könnte ich das nicht einfach für erledigt erklären und einfach abhaken, denn ich hatte ihr jetzt meine Liebe gestanden und damit, hatte ich nicht das Recht dazu, dass einfach vergessen. Jetzt musste ich ihr auch beweisen, dass ich sie wirklich liebte und das bedeutete, dass ich ihr jede Chance der Welt geben müsste, nun ja, zu mindest musst ich es ein ganzes weiteres Jahr wenn nicht mehr versuchen, ehe ich es mir selbst erlauben konnte endlich aufzugeben. Doch noch ehe ich genauer darüber nachdenken konnte, geschah das, was ich bereits befürchtet hatte, sie rannte an mir vorbei geradewegs davon. Wohin auch immer. Ich stand noch eine ganze Weile wie angewurzelt einfach nur da, ehe ich mir selbst eingestand, dass es einfach keinen Sinn hatte. Da sie A so schnell eh nicht umdrehen würde und B es sowieso viel zu kalt war. Völlig betrübt machte ich mich also auf den Weg nach Hause. Ich hatte ihr doch nur eine Chance geben wollen. Es sollte wohl einfach nicht sein. Weder standen meine Chancen bei ihr sonderlich gut, wie sie mir ja nun endgültig eindrucksvoll bewiesen hatte, noch ihre Chancen bei mir. Denn die hatte sie sich endgültig zu Nichte gemacht. Dennoch betrachtete ich es als meine Pflicht nicht aufzugeben und es weiter zu versuchen, in der Hoffnung zu leben, dass ich doch eine Chance bei ihr hätte und sie mich doch lieben würde. Auch wenn das alles völlig aussichtslos war. In Gedanken versunken, lief ich durch die Straßen. Immer wieder durchdachte ich alles. Mal war da etwas für sie und dann wieder etwas gegen sie. So recht konnte ich mich nicht entscheiden, was ich nun tun sollte. Aber ich war mir sicher, dass es jetzt erst einmal das Beste war, nach Hause zu gehen. Schritt für Schritt kam ich dem Ort näher den mein Herz nun am meisten begehrt, dass wusste ich, doch als ich direkt davor stand, musste ich feststellen, dass es dennoch nicht der Ort war, an den ich dabei gedacht hatte. Allerdings war dieser Ort vielleicht auch der bessere, jetzt wo ich ihn vielleicht einmal mehr mehr brauchte als alles andere. Hastig durchsuchte ich meine Tasche nach dem Schlüssel, in der Hoffnung, dass ich ihn überhaupt dabei hatte und ich hatte Glück, denn nach wenigen Minuten fand ich ihn. Langsam schritt ich zur Tür und schloss sie auf. Ich betrat das Haus und ging den Flur entlang bis ich endlich angekommen war und vor dem Raum stand, zu dem es mich in solchen Moment immer gezogen hatte. Doch eigentlich war es weniger der Ort, sondern viel mehr, dass was darin stand und die Tatsache, dass die Atmosphäre des Raumes einfach viel besser zu alledem passten. Vorsichtig öffnete ich die Tür und trat ein. Schnurstracks ging ich auf die gegenüberliegende Seite des Raumes zu und ergriff eine Freundin, ohne die ich schon das ein oder andere Mal an der Stärke meiner Gefühle gestorben wäre, zu mindestens glaubte ich das, meiner Gitarre. Sie war es, die mir immer geholfen hatte jedes Gefühl zu verarbeiten und aus etwas Negativem etwas Positives zu machen. Ich ging rüber zu der Couch die auf der linken Seite des Raumes stand und setzte mich mit meiner Gitarre hin. Nachdem ich sie kurz etwas gestimmt hatte, begann ich nun einfach ein paar unserer Songs zu spielen. Solche, die zu der Situation oder meinem jetzigen Gefühl passend erschienen. Meine Finger glitten über die Saiten und meine Stimme gab den Text zu kraftvoll wieder, wie es ihr möglich war und das war nicht besonders kraftvoll, denn ständig wurde der Gesang durch ein Schluchzen gestört. Ich konnte nicht einmal verhindern, dass mir einige Tränen die Wangen hinab rannen und schließlich auf meiner Gitarre landeten, so wie schon so viele vor ihnen. Selbst wenn ich es versucht hätte, wäre es mir wohl unmöglich gewesen, meine Gefühle noch zurückzuhalten. Doch in diesem Moment wollte ich es auch nicht. Ich nutzte die Gelegenheit und ließ alles raus. Nach dem ich mich etwas eingespielt und abgeregt hatte, konnte ich mich nun der endgültigen Verarbeitung meiner Gefühle widmen und ging zu einem kleinen Schrank der ebenfalls in dem Raum stand. In ihm kramte ich nach einem Blatt Papier und einem Stift und ging dann wieder zurück zu der Couch und griff nach meiner Gitarre. Ich fing an irgendetwas zu spielen, was mir gerade in den Sinn kam und meine momentanen Gefühle widerspiegelte und als ich endlich eine geeignete Melodie gefunden hatte begann ich damit nach den passenden Worten zu suchen und sie nach und nach auf das Blatt zu schreiben. Mehr und mehr nahm der Song Gestallt an und mehr und mehr schaffte ich es meine Gefühle zu verarbeiten und aus ihnen statt negativer nun positive Energie zu schöpfen. Der Song schaffte es nun mehr und mehr mir Kraft zu schenken. Er gab mir so viel Kraft und positive Energie, dass ich mit seiner Hilfe endlich den letzten Rest meiner negativen Gefühle und Gedanken besiegen konnte. Erneut ein Kampf gegen meine Gefühle, den ich mit meiner Gitarre bewaffnet austrug und schlussendlich gewann. Wieder und wieder spielte ich mein neues Werk und verlor mich schließlich völlig in ihm, so dass ich gar nicht bemerkte, wie sich hinter mir die Tür öffnete und jemand eintrat. Erst als die Person direkt vor mir stand, registrierte ich ihre Anwesenheit und sah auf. „Hei“, begrüßte mich mein rothaariger Freund. „Hei Antti“, gab ich zurück und hoffte, das man mir nicht ansah, dass ich noch vor weniger Minuten geweint hatte. „Wie immer pünktlich was? Sieht dir ja eigentlich gar nicht ähnlich. Na gut, obwohl, bei den Proben schaffst du es ja doch meist pünktlich zu sein und manchmal auch etwas früher zu kommen“, begann unser Bassist mich zuzuquatschen. „Wie Proben?“, fragte ich ihn dann. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass wir heute proben wollten. „Ja doch Proben, das hatten wir doch ausgemacht oder?“, kam nun seine Frage zurück. „Ich…“, begann ich völlig verwirrt und versuchte meine Gedanken zu ordnen und herauszufinden, ob wir heute wirklich proben wollten, doch dann kam mir der morgige Tag, als verabredeter Tag für die nächste Probe in den Sinn. „Wollten wir nicht morgen proben?“, erkundigte ich mich nun danach, was richtig sei. „Nun ja… ja… das hatten wir erst ausgemacht, aber Larry meinte heute Morgen als ich mit ihm zusammen nach Hause ging, dass wir heute proben wollten und auch auf mein mehrmaliges Nachfragen, beharrte er darauf, dass heute die nächste Probe anstünde. Aber da hat unser Larry wohl im Vollrausch mal wieder ein paar Daten durcheinander gebracht, was?!“, erklärte mein Gegenüber lachend. Ja das war Larry, verdammt verpeilt manchmal, besonders, wenn er betrunken war. „Tja, kommt Larry denn dann heute?“, wollte ich von Antti wissen, doch eigentlich konnte der das wohl genauso wenig genau wissen wie ich. „Hm… ich denke nicht. Der wird sich ins Bett gelegt haben und bis morgen durchpennen, wie ich ihn kenne und dann morgen aufwachen und denken es sei heute, wie verabredet zur Probe erscheinen und denken er hätte Recht gehabt, dass die Probe HEUTE sei“, erläuterte Antti seine wirre, aber dennoch logische Ausführung. Doch wie wirr es auch sein mochte, zweifeln, tat ich daran nicht, denn ich kannte Larry nur zu gut und wusste genau, dass er so etwas durchaus drauf hatte. „Und wie geht es dir so?“, stellte Antti nun die Frage, die ich eigentlich am wenigsten hören wollte und die ich schon gänzlich verdrängt hatte. „Naja… ganz gut soweit“, antwortete ich knapp. Doch Antti sah mich nur wissend an. „Es ist wegen dieser Frau nicht wahr? Hat sie dir wehgetan?“, vergewisserte er sich, dass er Recht hatte. „Ja, ich… ich weiß nicht, wahrscheinlich soll es einfach nicht sein. Ich weiß nicht was in ihr vorgeht und warum sie das alles tut. Sie bringt mich völlig um den Verstand und dann konnte ich nicht mehr und bin ausgerastet und habe ihr dabei meine Liebe gestanden und daraufhin lief sie einfach weg und wieder einmal weiß ich nicht wieso. Antti, ich verstehe Auri einfach nicht. Aber das ist jetzt auch egal. Ich habe meinen Kampf bereits ausgetragen und ein neues Werk ist bereit gleich bei der nächsten Probe bearbeitet zu werden und damit hat sich das Thema erledigt!“, erklärte ich mehr mir selbst als Antti. „Nein, es ist nicht erledigt. Jonne ich kenne dich nur zu gut und ich weiß genau, dass sich so ein Thema für dich nicht so einfach erledigt, das tut es für die wenigsten Menschen und du bist nun mal ein besonders emotionaler Mensch und deshalb braucht es bei dir noch länger als bei anderen“, versuchte Antti mich von meinem falschen Pfad wieder runter zukriegen. „Aber es dauerte doch schon viel zu lang“, begann ich meinen Entschluss zu rechtfertigen. Auch wenn ich es mir ja eigentlich nur einredete. Denn eigentlich wusste ich, dass Antti mehr als nur Recht hatte. „Das mag sein, aber alles braucht seine Zeit und ich denke, ein weiterer Versuch könnte endlich das gewünschte Ergebnis bringen“ redete Antti nun schon fast wie Liebeshoroskop auf mich ein. So sehr ich es auch versuchte, ich konnte nicht leugnen, dass Antti Recht hatte und musste es mir wohl oder übel auch eingestehen. Traurig über diese Tatsache, dass das doch noch nicht das Ende war, rann mir erneut eine Träne übers Gesicht. „Ja Antti es stimmt… das Thema ist noch nicht vorbei und wahrscheinlich wäre es angebracht noch nicht aufzugeben…“ „Nicht nur wahrscheinlich“, unterbracht mich mein Freund, „Ganz sicher sogar und ich weiß, dass du stark genug bist, es noch einmal zu versuchen und auch wenn es schief gehen sollte, das ganze durchzustehen.“ Darauf konnte nun selbst ich nichts mehr erwidern. Ich nickte nur stumm und gab ihm Recht. Erneut würde ich es versuchen und deshalb hoffte ich, dass dies auch nicht vergebens sein würde. Doch wollte ich auch nichts dem Zufall überlassen und überlegte deshalb, wie ich sie nun endgültig für mich gewinnen konnte und auch in diesem Fall war mein guter Freund Antti mehr als nur eine Hilfe und ich war froh, dass er da war. Kapitel 10: Kapitel 5: Hard Words And Feelings - Part 2 ------------------------------------------------------- Auri: Ich rannte einfach, rannte weg von dem was ich mir am meisten auf der Welt wünschte. Warum? Warum, das fragte ich mich die ganze Zeit. Warum musste ich alles zerstören?? Mir stiegen Tränen der Verzweiflung in die Augen. Etwas, was mir seit Jahren nicht mehr passiert ist. Heulend rannte ich weiter, ohne Ziel. Ich hatte keine Ahnung wo ich hinsollte. Die Tränen verschleierten meinen Blick und ich wurde langsamer. Einige Meter vor mir konnte ich eine Parkbank ausmachen. Dort ließ ich mich nieder, um etwas zur Ruhe zu kommen. Mit einem Taschentuch wischte ich die Tränen weg und versuchte tief einzuatmen. Doch der Kloß in meinem Hals verhinderte es. Wieder liefen mir Tränen übers Gesicht. „Auri?“ Ich hörte, wie jemand meinen Namen sagte und schaute auf. Tiia stand vor mir, mit sorgenvollem Blick. Sie setzte sich neben mich. „Was ist passiert? Wieso weinst du?“, fragte sie, während sie einen Arm um mich legte. „Jonne…“, schniefte ich. „Oh nein! Was hat er gemacht? Gestern war doch noch alles gut.“ „Er hat nichts gemacht. Beziehungsweise, er hat das gemacht was ich mir so gewünscht habe. Und ich habe es versaut!“ Tiia drückte mich. „Weißt du was? Wir gehen jetzt erst mal zu dir nach Hause. Dort mach ich dir erstmal einen heißen Kakao mit Sahne und du redest über alles, ja?“ Ich nickte, war dankbar für diesen Vorschlag. Wir standen auf und liefen langsam zu meiner Wohnung. Der Weg kam mir endlos lang vor, was auch an Tiias mitfühlendem Schweigen lag. Zu Hause angekommen, führte mich Tiia zuerst ins Wohnzimmer und drückte mich in die Couch. Dann verschwand sie in die Küche, von wo sie nach kurzer Zeit wieder auftauchte. In der Hand hielt sie, wie versprochen, einen großen Becher heiße Schokolade mit einer Extraportion Sahne. „Dann erzähl mal, Schätzchen. Was ist passiert?“ „Gestern“, fing ich an, „da war ich gar nicht mit Jonne shoppen. Ich habe mich nicht getraut. Und ich bin dann einfach nicht gekommen. Und heute wollte ich mich bei ihm entschuldigen…“, ich musste ein Schluchzen unterdrücken, fuhr dann aber fort: „Und dann hab ich bei ihm angerufen, heute morgen. Und er hat mich am Telefon so fertiggemacht. Doch zum Glück hat er eingewilligt, sich mit mir zu treffen. Das war vor einer Stunde. Er war richtig sauer. Und auf einmal hat er gesagt, dass er mich liebt. Ganz plötzlich. Und was mach ich dumme Kuh? Ich laufe einfach weg!“ Ich musste wieder weinen. Tiia nahm mich liebevoll in den Arm. „Du bist keine dumme Kuh, Auri. Du warst einfach nur verschreckt. Das kam für dich alles viel zu plötzlich, du warst überfordert. Es war völlig normal, dass du weggerannt bist.“ „Nein, war es nicht! Was soll ich denn nun tun? Ich liebe ihn doch so sehr“, weinte ich. „Du bist eine starke Frau, Auri. Kämpfe um ihn. Er liebt dich, das hat er dir gesagt. Und wenn du ihm zeigst, wie ernst es dir ist, wird er dir eine zweite Chance geben. Ganz sicher“, versuchte Tiia mich zu beruhigen. Es gelang ihr nicht wirklich. In dem Moment kam Arho zur Tür hereinspaziert und sah uns auf dem Sofa sitzen. Natürlich war ihm sofort klar, dass etwas passiert sein musste. Er setzte sich auf die andere Seite von mir und fragte was los sei. Ich erzählte ihm schnell was er noch nicht wusste. „Können wir irgendetwas für dich tun?“, fragte er liebevoll, doch ich verneinte. „Es reicht schon vollkommen aus, dass ihr überhaupt hier seid“, sagte ich. „Das ist doch das selbstverständlichste, Auri.“, erwiderte Tiia. „Und wisst ihr, was das Schlimmste ist? Diese Ungewissheit, diese Angst. Ich weiß nicht, was ich tun soll, weiß nicht, wie er reagieren wird. Was ist, wenn er gar nichts mehr mit mir zu tun haben möchte? Ich glaube, damit könnte ich nicht leben.“ Tiia seufzte. „Doch, das kannst du! Die Auri, die ich kenne, die kann das. Auch wenn es hart wird, irgendwann wird der Schmerz nachlassen und dann wirst du wieder die lebensfrohe und lustige Auri, die wir lieben.“ „Das glaube ich nicht. Ich habe noch nie jemanden so geliebt wie ihn, und dass obwohl ich Jonne gar nicht richtig kenne. Könnt ihr das verstehen?“ Arho schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube, das kann keiner von uns. Dafür ist die Liebe viel zu kompliziert.“ „Du kannst echt froh sein, dass du momentan Single bist, Arho. Liebe ist nicht nur kompliziert, sondern auch verdammt schmerzhaft. Wer hat die eigentlich erfunden?“ Ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal so gut und vor allem so offen mit den beiden gesprochen hatte. Ich glaubte, dass es noch nie vorgekommen ist. Normalerweise machte ich solche Sachen wie jetzt immer mit mir selbst aus. Doch besondere Umstände bedurften besonderer Maßnahmen. Und ich musste zugeben: Es tat gut, mit meinen besten Freunden darüber zu reden. Sie waren schließlich die Menschen, die mich am besten kannten, auch wenn sie sich nicht in mich hineinversetzen konnten. Aber das mussten sie gar nicht. Ich war einfach froh, dass sie da waren und mir zuhörten. Mehr wollte ich nicht, und mehr brauchte ich auch nicht. „Danke“, sagte ich. „Danke wofür? Dass wir dir zuhören und dir helfen? Dafür musst du dich nicht bedanken“, antwortete Tiia. „Doch. Wärt ihr jetzt nicht hier, ich wüsste nicht, was ich tun sollte. Doch Dank euch geht es mir gerade einigermaßen gut“, erklärte ich den beiden und schaute sie lange an. Tiia umarmte mich. In diesem Moment konnte ich nicht anders: Ich musste wieder weinen. Doch diesmal nicht wegen Jonne, sondern einfach nur, weil ich so dankbar war, dass ich die beiden hatte. „Nicht weinen, Auri-Schätzchen“, sagte Arho und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. „Danke“, wiederholte ich und nahm nun auch Arho in den Arm. So saßen wir da auf dem Sofa, zu dritt, jeder in dem Arm des anderen. Ich löste mich aus den Umarmungen. „Ich möchte mich etwas ablenken, helft ihr mir dabei?“, fragte ich. „Natürlich. Was hast du denn vor?“, informierte sich Tiia. „Kochen. Ich muss jetzt meine Gefühle an dem Gemüse auslassen!“ „Oh nein, alles bloß nicht Kochen!“, jammerte Arho gespielt leidend. Anscheinend hatte der Kochkurs bleibende Schäden hinterlassen. Bei dieser Vorstellung musste ich unfreiwillig lachen, was auch die beiden anderen zum Lachen brachte. „Schön, dass du jetzt schon wieder lachen kannst, Auri-Schätzchen. Was gibt unser Kühlschrank eigentlich her?“ Ich öffnete den Kühler und warf einen Blick hinein. „Nicht viel. Milch, Eier… das typische eben. Wie wär’s, wenn wir Pfannkuchen machen. Das dürftest sogar du hinkriegen, Arho.“ „Danke…“ „Hm, also ich wäre dafür. Ich mag Pfannkuchen. Darf ich mir den auch aufmotzen?“, fragte Tiia. „Ähm, kommt drauf an… Wenn die Küche hinterher noch steht, gerne“, antwortete ich. „Keine Angst, ich mach da nur etwas mehr Power rein. Ich habe dahinten Chili gesehen… Vielleicht könnte ich…?“ Ich schaute meine Freundin perplex an. „Sag mal, hast du völlig einen an der Waffel? Aber wenn’s dir schmeckt.“ Arho hatte auch ein großes Fragezeichen im Gesicht, sagte aber nichts. Er kannte sie auch schon etwas länger als ich und war an ihre Eigenheiten gewöhnt. „Ich schlag schon mal die Eier auf. Wie viele brauchen wir?“, meinte er und holte sie aus dem Kühlschrank. „Nimm einfach alle, die wir noch haben. Und vergiss nicht, für Tiia einen Extrabehälter zu benutzen“, riet ich ihm. Und leise zu Tiia fügte ich hinzu: „Wehe, ich schmecke auch nur das kleinste bisschen Chili, Knoblauch oder ähnliches in meinem Pfannkuchen!“ Tiia grinste nur. Ich wusste nicht, wie ich es deuten sollte, überlegte mir aber, dass sie nicht so fies sein würde. „Ok, die Eier sind soweit fertig. Was kann ich jetzt tun?“, wollte der Hahn im Korb wissen. „Aufpassen, dass Tiia keine Dummheiten anstellt“, meinte ich und genoss Arhos fragenden Blick, weil er ja nichts von unserem Gespräch mitbekommen hatte. Ich kümmerte mich um den Rest des Teiges, während die beiden anderen Unfug machten. Erst als es an Tiias Spezialwürzung ging, hörten sie auf und Tiia dosierte mit genauem Augenmaß die richtige Menge für das Chilipulver. Arho und ich schauten ihr dabei interessiert zu, konnten nur mit dem Kopf schütteln. „Und du bist sicher, dass du nicht schwanger bist?“, wollte Arho auf Nummer sicher gehen.“ „Jupp“, war Tiias einziger Kommentar dazu. Nach kurzer Zeit waren die Pfannkuchen fertig und wir saßen zu dritt um unseren kleinen Küchentisch. „Ihr solltet echt mal probieren, ist verdammt lecker“, riet Tiia uns mit vollem Mund, doch Arho und ich lehnten dankbar ab. Es wurde immer später und gegen halb sieben verabschiedete sich Tiia von uns. Um ehrlich zu sei, hätte ich nie damit gerechnet, dass der Tag noch so schön werden würde. Doch ich war froh, dass es so gekommen war. Es hat mir gezeigt, wie viel ich an meinen Freunden hatte und dass ich mich immer auf sie verlassen konnte. Und, ganz wichtig, dass sie es immer wieder schafften, mich auf andere Gedanken zu bringen. Ich nahm meinen Teller und wollte ihn ins Waschbecken stellen, doch Arho nahm ihn mir aus der Hand. „Das übernehme ich, geh du in dein Zimmer und entspann dich!“, sagte er. Also tat ich dies. In meinem Zimmer schaute ich erst mal auf meinen Globus, drehte an ihm herum, versank in Gedanken. Jetzt an einem anderen Ort sein, ein Ort an dem mich keiner kennt. Doch natürlich war das nicht möglich. So saß ich nun auf meinem Bett, versunken in Gedanken. Irgendwo im Nirgendwo. Nach kurzer Zeit erwachte ich aus meiner Starre, war wieder in der Realität. Ich warf einen Blick auf das Buch neben mir und begann zu lesen. Man konnte sagen, was man wollte, doch der Krimi war spannend. Während die Hauptperson gerade einen Schwerverbrecher durch die Straßen Helsinkis jagte, machte ich es mir auf dem Bett bequem, mich voll und ganz auf die Geschichte konzentrierend. Logischerweise schnappte er diesen auch nach kurzer Zeit. War ja klar, in einem Buch kommt es schließlich immer zu einem Happy End. Seufzend legte ich das Buch wieder zur Seite. Wieso war das Leben nicht wie ein Buch? Spannend, abwechslungsreich und immer mit einem schönen Ende versehen? Ein Hauch von Melancholie suchte mich heim, doch wurde von dem Türklingen verdrängt. Ich schaute auf die Uhr. Kurz nach sieben, wer könnte das sein um diese Zeit? Und wieso klingelte er an der Wohnungstür und nicht unten an der Haustür, wie es die meisten Menschen taten? „Machst du auf, Schätzchen? Ich stecke mit den Händen im Waschbecken“, rief Arho aus der Küche. „Klar“, antwortete ich und ging zur Tür. Neugierig öffnete ich sie – Und sah die Person, die ich im Moment am allerwenigsten und allermeisten sehen wollte. Dort stand er. Jonne wollte etwas sagen, doch ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. Erst musste ich ihm beweisen, wie ernst es mir mit ihm war. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Zuerst wich er überrascht zurück, doch nach kurzer Zeit erwiderte er den Kuss. Es fühlte sich wunderbar an, ich spürte tausend Schmetterlinge in meinem Bauch. Ich konnte den Kuss nicht beschreiben, mir fehlten die Worte. Ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal so gefühlt hatte. Es schien Ewigkeiten her gewesen zu sein. Nach einer gewissen Zeit, ich konnte nicht sagen, wie lange wir so verharrten, löste ich meine Lippen von seinen. „Ich liebe dich, Jonne“, sagte ich und schaute ihm tief in die Augen, die so blau waren wie das Meer. Und wie man in einem Meer versinken konnte, so versank ich nun auch in seinen Augen. „Ich liebe dich auch, Auri“, antwortete er und küsste mich von Neuem. „Es… es tut mir so leid, die Sache heute morgen. Ich stand vollkommen neben mir“, entschuldigte ich mich für mein Verhalten. „Schon gut“, er lächelte mich warm an, sodass mir ein Stein vom Herzen fiel, „Ich war auch ziemlich grob zu dir. Deshalb bin ich auch hier. Um mich zu entschuldigen und dich zu fragen, wie es mit dir ist… Ob du mich auch liebst. Aber ich glaube, die Frage hat sich erübrigt.“ Er lächelte wieder. „Ja, das glaube ich auch. Komm doch rein, es ist so ungemütlich im Hausflur.“ Jonne folgte meiner Einladung. Er kräuselte die Nase. „Fass das jetzt bitte nicht negativ auf, aber es riecht hier etwas merkwürdig“, meinte er. Ich musste lachen. „Ja, das sind die Chilipfannkuchen von einer Freundin. Musst du nicht verstehen.“ Jonne schaute etwas irritiert, sagte jedoch nichts mehr, sondern marschierte schnurstracks ins Wohnzimmer. So, als wäre er hier schon zum hundertsten Mal. Als ich an der Küchentür vorbei kam, hob ich beide Daumen, um Arho zu signalisieren, dass alles rund lief. Er verstand und erwiderte das Zeichen mit einem Grinsen. Ich betrat das Wohnzimmer. „Möchtest du etwas trinken?“ „Ja, ein Wasser wäre nett, danke“, antwortete Jonne, der es sich bereits auf dem Sofa bequem gemacht hatte. Ich brachte ihm das Wasser und setzte mich neben ihn. „Wieso bist du gekommen?“, fragte ich. „Das habe ich dir doch gesagt. Ich wollte…“ „Nein, das kann es doch nicht gewesen sein. Nicht, nachdem ich dich so stehen gelassen habe. Ich hätte zu dir kommen müssen, um mich zu entschuldigen. Ich hätte um dich kämpfen müssen.“ „Um ehrlich zu sein wollte ich erst gar nicht kommen, du hast mich ziemlich verletzt.“ Ich schaute beschämt zu Boden, doch Jonne fuhr fort: „Aber ein guter Freund hat mir die Augen geöffnet. Und du glaubst gar nicht, wie glücklich ich bin, dass er es getan hat.“ „Woher hast du eigentlich meine Adresse?“, lenkte ich ein. „Na, die hast du mir doch ganz spontan in die Hand gedrückt, als wir uns das erste Mal sahen“, erinnerte er mich, „Und herauszufinden in welcher Wohnung du lebst, war nicht sonderlich schwer.“ „Ach ja, ich erinnere mich…“ Da hatten meine Anfälle von Spontaneität doch tatsächlich was Gutes an sich. In diesem Moment schlich Arho durch das Zimmer auf dem Weg in seines, darum bemüht, möglichst wenig Aufsehen zu erregen. Natürlich bezweckte es das Gegenteilige. Jonne schaute ihn interessiert an. „Hei!“, sagte er, Arho nickte nur freundlich zur Erwiderung und schlich weiter. „Das war Arho, mein Mitbewohner. Beachte ihn gar nicht“, erklärte ich. Jonne trank einen Schluck von seinem Wasser, erwiderte aber nichts. Vermutlich hielt er Arho nun für etwas merkwürdig und wollte lieber nichts Falsches sagen. „Was machst du eigentlich beruflich?“, wollte ich von ihm wissen. Jonne spannte sich an. Anscheinend hatte ich ein unpassendes Thema angeschnitten. Und wie zur Bestätigung meinte er: „Ach, nichts besonderes… Aber lass uns mal von was Spannenderem reden. Arbeit… das hat so viel mit Arbeit zu tun.“ Ich lachte. Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Wir unterhielten uns weiter, sprachen über Gott und die Welt und noch sehr viel mehr. Ich erfuhr so viel von Jonne, er erzählte mir Sachen, die ich kaum glauben konnte und hatte Sachen erlebt von denen ich nur träumen konnte und die ich ihm nie zugetraut hätte. Wir entdeckten immer mehr Gemeinsamkeiten. In einer gewissen Art war es schon gruselig, wie sehr wir uns teilweise ähnelten. Doch natürlich gab es auch Eigenheiten an ihm, die gar nicht mit meinen übereinstimmten. Wie zum Bespiel seine Vorliebe für Musik, etwas, was mir überhaupt nicht einleuchtete. Wir redeten so viel, dass wir total die Zeit vergaßen. Erst als Jonne zufällig auf die Uhr an der Wand neben mir blickte, fiel uns auf, wie spät es eigentlich war. „Oh, schon viertel nach eins… Ich glaub, ich geh dann lieber mal.“ „Spinnst du, du kannst um diese Zeit doch nicht mehr raus. Du schläfst hier!“ „Aber…“, versuchte er mich umzustimmen. „Keine Widerworte!“ „Wenn du meinst… Das Sofa ist ja auch ziemlich bequem“, gab er sich geschlagen. „Wie Sofa? Wenn hier einer auf dem Sofa schläft, dann bin ich das. Du bist schließlich der Gast. Mein Zimmer ist dort drüben.“ „Kommt überhaupt nicht in Frage. Du bist die Lady, du schläfst im Bett und ich mach es mir auf dem Sofa gemütlich“, sagte Jonne streng, sodass mir gar nichts anderes übrig blieb als nachzugeben. Nachdem wir aus dem Bad kamen, ich hatte noch eine unbenutzte Zahnbürste für Jonne gefunden, gingen wir in mein Zimmer. Dort legte ich mich in mein Bett. Jonne setzte sich noch kurz auf die Kante, um mir eine schöne Nacht zu wünschen und mir einen Gute-Nacht-Kuss zu geben. Dann ging auch er schlafen. Es dauerte nicht lange, da war ich eingeschlafen. Kapitel 11: Kapitel 6: Silent Breakfast - Part 1 ------------------------------------------------ Jonne: Nachdem ich mich ausführlich mit Antti über meine Problem mit Auri unterhalten hatte und zu dem Schluss gekommen war nicht aufzugeben, erinnerte ich mich an den Zettel, den Auri mir bei unserer ersten Begegnung in die Hand gedrückt hatte und durchsuchte meine Tasche nach ihm. Es dauerte nicht lange und ich hatte ihn gefunden, warf einen Blick darauf und beschloss Auri doch einfach mal einen Besuch abzustatten. Ich stellte fest, dass sie eigentlich gar nicht soweit von unserem Proberaum entfernt wohnte. Vor dem Haus angekommen wollte ich gerade klingeln, als gerade eine alte Dame das Haus verließ und das ließ ich mir natürlich nicht entgehen und schob mich an ihr vorbei ins Haus. Danach ging ich immer weiter die Treppe hinauf, solange bis ich endlich den Nachnamen von Auri an einem der Schilder erblickte und begann dann bei der entsprechenden Wohnung zu klingeln. Es dauerte nicht lange ehe mir die Tür geöffnet wurde. Eigentlich wäre ich ja total nervös gewesen, wenn es nicht alles so schnell gegangen wäre und meine Gedanken nicht schon viel weiter gewesen wären, als bei der Frage, was wohl wäre, wenn Auri mich jetzt einfach wieder abweisen würde. Die Tür ging auf und ich schaute direkt in Auris Gesicht. Sie wirkte leicht verwirrt, so als wäre sie sich selbst nicht einig, ob ich ihr nun gelegen oder ungelegen kam. Ich musste diese Unsicherheit aus ihr vertreiben, das war mir klar und deshalb legte ich mir bereits die richtigen Worte zurecht. Doch gerade als ich etwas sagen wollte, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste mich. Einfach so. Ich war völlig baff und ich war mir sicher, dass mein Blick das auch zeigte, doch irgendwann nahm ich es einfach hin und erwiderte diesen Kuss, den ich mir ja immerhin schon so lange ersehnt hatte. Es war ein so unglaubliches Gefühl. So etwas hatte ich vorher noch nie gefühlt, bei niemandem. Keine Frau hatte jemals so ein Gefühl in mir auslösen können, doch wenn ich ehrlich sein sollte, hatte ich auch nie solche Probleme gehabt, bevor ich mit einer Frau zusammen war. Sonst kamen die Probleme eigentlich immer erst danach, doch in diesem Fall war das ganz eindeutig anders. Doch so bezaubernd dieses Gefühl auch war, dieser Kuss musste ja irgendwann enden, denn wir hätten uns ja nicht ewig so weiterküssen können, auch wenn wir es noch so sehr wollten. Sie löste ihre Lippen von den meinen und begann nun endlich das Gespräch, was eigentlich längst schon in dieser Form hätte stattfinden müssen. „Ich liebe dich, Jonne“, kam es von ihr während sie mir tief in die Augen sah. „Ich liebe dich auch, Auri“, war das einzige, was ich darauf antworten konnte, doch ich bewies ihr dies auch gleich mit einem weiteren Kuss. „Es… es tut mir so leid, die Sache heute morgen. Ich stand vollkommen neben mir“, begann sie danach sich zu entschuldigen, was sie jedoch meiner Meinung nach nicht hätte tun müssen, denn ich hatte ihr schon längst verziehen. Wie hätte ich ihr denn auch weiter böse sein können, wo ich sie doch liebte und wir nun endlich vereint waren. Deshalb beließ ich es auch einfach bei einem einfachen „Schon gut“ und fuhr dann fort: „Ich war auch ziemlich grob zu dir. Deshalb bin ich auch hier. Um mich zu entschuldigen und dich zu fragen, wie es mit dir ist… Ob du mich auch liebst. Aber ich glaube, die Frage hat sich erübrigt.“ Ich lächelte sie sanft an und hoffte darauf, dass sie das wieder etwas aufmuntern würde. „Ja, das glaube ich auch. Komm doch rein, es ist so ungemütlich im Hausflur“, meinte sie nur und ich folgte diese Aufforderung nur zu gerne, denn ein wenig kalt war es im Flur ja schon. Doch sofort als ich die Wohnung betrat, kroch mir so ein merkwürdige, ja regelrecht widerlicher Geruch in die Nase, wenn ich ehrlich war, hätte ich in diesem Moment am liebsten das nächste Klo aufgesucht und gekotzt, doch das wollte ich Auri nun wirklich nicht antun. Deshalb stellte ich lediglich kurz fest, dass es merkwürdig roch. „Fass das jetzt bitte nicht negativ auf, aber es riecht hier etwas merkwürdig.“ Daraufhin begann sie zu lachen. Ich wusste wirklich nicht was es da nun zu lachen gab, doch das sollte sich bereits mit ihrer nächsten Aussage klären. „Ja, das sind die Chilipfannkuchen von einer Freundin. Musst du nicht verstehen.“ Darauf konnte ich nun wirklich nichts mehr erwidern und schaute sie deswegen nur leicht irritiert an, ehe ich dann einfach so in ihr Wohnzimmer spazierte und kurze Zeit später folgte sie mir. „Möchtest du etwas trinken?“, fragte sie mich dann und ich antwortete nur schnell mit: „Ja, ein Wasser wäre nett, danke.“ Kurz darauf brachte Auri mir das Wasser und setzte sich neben mich auf das Sofa. „Wieso bist du gekommen?“, fragte sie mich dann. „Das habe ich dir doch gesagt. Ich wollte…“, wollte ich antworten, doch sie unterbrach mich einfach nur. „Nein, das kann es doch nicht gewesen sein. Nicht, nachdem ich dich so stehen gelassen habe. Ich hätte zu dir kommen müssen, um mich zu entschuldigen. Ich hätte um dich kämpfen müssen.“ Nun darauf konnte ich jetzt wohl nur noch mit der Wahrheit antworten, was ich dann auch tat. „Um ehrlich zu sein wollte ich erst gar nicht kommen, du hast mich ziemlich verletzt.“ Auri schien darüber sehr betrübt zu sein, auch wenn sie es sich sicher schon gedacht hatte, aber es traf sie eben doch sehr hart. Deshalb beschloss ich schnellstens fortzufahren in der Hoffnung, dass sie das beruhigen würde. „Aber ein guter Freund hat mir die Augen geöffnet. Und du glaubst gar nicht, wie glücklich ich bin, dass er es getan hat.“ „Woher hast du eigentlich meine Adresse?“, wollte sie dann wissen. „Na, die hast du mir doch ganz spontan in die Hand gedrückt, als wir uns das erste Mal sahen“, antwortete ich darauf, „Und herauszufinden in welcher Wohnung du lebst, war nicht sonderlich schwer.“ „Ach ja, ich erinnere mich…“, meinte sie daraufhin nur. Kurz darauf lief allem Anschein nach Auris Mitbewohner durchs Wohnzimmer, mehr als auffällig wohl bemerkt und meine Höfflichkeit verlangte es ihn wenigstens zu grüßen. „Hei!“, kam es deshalb von mir, was nur mit einem freundlichen Nicken erwidert wurde. „Das war Arho, mein Mitbewohner. Beachte ihn gar nicht“, gab Auri mir dann zu verstehen, „Was machst du eigentlich beruflich?“ Das musste ja so kommen. Es war doch gerade so schön gewesen und jetzt schaffte sie es doch tatsächlich das mit einem Mal alles kaputt zu machen. Nicht das sie das gewollt hat, aber dennoch hat sie es getan, die unpassendste Frage gestellt die gestellt werden konnte. „Ach, nichts besonderes… Aber lass uns mal von was Spannenderem reden. Arbeit… das hat so viel mit Arbeit zu tun“, versuchte ich mich deshalb aus dieser Situation wieder herauszuwinden. Daraufhin begann sie kurz zu lachen ehe wir weiterredeten und wir redeten wahrlich über eine Menge. Wir kannten uns vorher so gut wie gar nicht, wusste nahezu überhaupt nichts über den anderen, doch dieses Gespräch klärte alle Fragen, die für eine Beziehung geklärt sein sollten. Nun ja und noch so einiges mehr. Denn man konnte ja auch über so viel anderes reden und wenn es eben einfach nur sinnloser Schwachsinn war. Dennoch waren es wohl gerade solche Themen, die uns so sehr die Zeit vergessen ließen, doch als ich auf die Uhr sah stellte ich fest, dass es wirklich langsam Zeit fürs Bett war. „Oh, schon viertel nach eins… Ich glaub, ich geh dann lieber mal.“ „Spinnst du, du kannst um diese Zeit doch nicht mehr raus. Du schläfst hier!“, begann Auri auf mich einzureden. „Aber…“, versuchte ich noch mich zur Wehr zu setzten. „Keine Widerworte!“, beendete sie dann ihr Werk und mir blieb nichts anderes übrig als ihrem Wunsch folge zu leisten. „Wenn du meinst… Das Sofa ist ja auch ziemlich bequem.“ „Wie Sofa? Wenn hier einer auf dem Sofa schläft, dann bin ich das. Du bist schließlich der Gast. Mein Zimmer ist dort drüben“, wollte sie mich jetzt auch noch dazu bewegen ihr Zimmer zu beziehen, doch das kam ja nun mal überhaupt nicht in die Tüte. Das konnte sie ja mal getrost vergessen. „Kommt überhaupt nicht in Frage. Du bist die Lady, du schläfst im Bett und ich mach es mir auf dem Sofa gemütlich“, wehrte ich gekonnt ab und wies ihr an selbst in ihrem Zimmer zu schlafen und sie gab daraufhin auch widerwillig nach. Als sie sich dann endlich in ihr Bett gelegt hatte, setzte ich mich noch kurz neben sie und gab ihr noch einen Gute-Nacht-Kuss. Danach ging ich dann zurück ins Wohnzimmer und legte mich auf die Couch, doch es dauerte noch einige Zeit ehe ich einschlafen konnte, denn zuvor ließ ich noch einmal den ganzen Tag Revue passieren. Von dem Moment an, an dem sie mich angerufen hatte, bis hin zu dem Moment als ich neben ihr auf dem Bett saß und ihr noch eine gute Nacht wünschte. Jeden einzelnen Moment durchlebte ich vor meinem inneren Auge noch einmal. Die Momente zu Beginn des Tages mit einem unguten und die Momente am Ende mit einem mehr als guten Gefühl. Ich genoss diese wunderschönen Momente und Gedanken, an die ich mich noch einmal erinnerte. Doch irgendwann war es dann doch Zeit für mich einzuschlafen und ich driftete langsam ab ins Land der Träum, begleitet von meinem letzten Gedanken bevor ich einschlief, welcher Auri galt, der Liebe meines Lebens. Am nächsten Tag wurde ich ziemlich früh vom Klingeln meines Handys geweckt und wie hypnotisiert griff ich auch sofort danach um ran zu gehen. „Ja?!“, meldete ich mich völlig verschlafen. „Hei Jonne, rate mal wer mich heute Morgen angerufen hat!?!“, forderte mich mein Bruder zum raten auf noch ehe er mich begrüßt hatte. „Nein! Keine Lust! Bin müde! Wer denn?“, gab ich nur verschlafen zurück. „Ville… also unser lieber Freund, der nette Mr. Valo und rate mal was er gefragt hat!“ „Nein, was denn? Ob du noch normal bist weil du ernsthaft um frag mich nich wie viel Uhr ans Telefon gehst, wenn man dich anruft?“, entgegnete ich nur mürrisch. „Nein, aber fast Brüderchen“, meinte Tommi nur und ich konnte sein Grinsen förmlich hören, „Er fragte, ob ihr dieses Jahr vielleicht wieder Lust hättet beim Helldone – Festival mitzumachen.“ „Aaaah ja… und so was fragt er dich am frühen Morgen?!!! Der ist doch nich mehr ganz normal der Alte… Glaubt er, wenn er sich mal anständig schlafen legt, wacht er vielleicht nich mehr auf, weil er an Altersschwäche draufgegangen is in der Nacht?“ „Nein, ich denke nicht, aber vielleicht haben sie einfach die Nacht durchgefeiert oder er konnte nicht richtig schlafen und hatte einfach diesen Geistesblitz und rief mich dann an“, spekulierte Tommi vor sich hin. „Ville und Geistesblitz??? Vergib mir oh Herr, dass ich mir das nun wirklich nicht vorstellen kann! Es fällt mir schon schwer zu glauben, dass der überhaupt noch denken kann!“, erklärte ich Tommi meine Sicht zu seiner Spekulation. „Du bist müde, ich merk schon! Müde und total mürrisch im Moment, aber wenn ich euer Hochwohlgeboren denn jetzt noch mal die alles entscheidende Frage stellen darf: Möchtet ihr nun oder nicht?“ „Woher soll ich denn das wissen! Tommi du weißt genau, dass ich so etwas nicht allein entscheide, da wird erst die Band gefragt und basta! Kurz gesagt, das klären wir später. Sagen wir bei der nächsten Probe ja?!“ „Na gut einverstanden“, gab er sich geschlagen, „Aber dann will ich auch wirklich eine Antwort haben, ich mein Ville und die anderen mögen vielleicht spontan noch eine Zusage annehmen, aber ich weiß lieber ein paar Wochen vorher wo ihr auftreten werdet. Verstanden?!!!“ „Ja ja is ja schon gut…”, wimmelte ich nur ab und verabschiedete mich dann von ihm, nur um endlich auflegen zu können. Etwa eine Stunde später hört ich dann wie etwas durch die Wohnung tippelte, allem Anschein nach in die Küche. Ich setzte mich auf um über die Couchlehne in Richtung Flur blicken zu können und da sah ich sie, Auri. Sie war wohl gerade dabei sich einen Kaffee zu machen und das Frühstück vorzubereiten. Aber nicht mit mir. Das konnte ich doch nicht zulassen, dass meine geliebte Auri das Frühstück machte und ich hier faul rum lag. Also beschloss ich aufzustehen, mich anzuziehen und in die Küche zu schleichen. Ich wollte sie zwar nicht erschrecken, doch wenigstens überraschen. Jedoch schien ich eher ersteres zu erreichen. „Mensch Jonne, du hast mich erschreckt!“, schrak sie hoch, als ich sie stillschweigend von hinten umarmte. „Tut mir leid Süße! Das wollte ich nicht! Ich wollte dich nur überraschen und dir beim Frühstück machen helfen. Ich kann dich doch nicht alleine schuften lassen. Eigentlich sollte ich dich gar nicht schuften lassen“, erklärte ich und gab ihr einen Kuss. „Ach du spinnst doch! Leg dich wieder hin und schlaf noch ein bisschen. Solange bis das Essen fertig ist ja?! Du bist immerhin der Gast und da mache ICH das Frühstück… und zwar ALLEIN!“, protestierte sie, doch mich konnte sie so leicht nicht abwimmeln. „Ich liebe dich!“, meinte ich darauf bloß und küsste sie erneut, erst liebevoll auf den Mund und dann an ihrem Hals entlang bis zu ihrer linken Schulter. Als ich ihr dann endlich ein leises ersticktes Stöhnen entlockt hatte und damit sozusagen erreicht hatte, was ich erreichen wollte, schob ich sie in Richtung Tisch und auf einen Stuhl. „Also… was brauchen wir denn alles und vor allem, wo finde ich es?“, fragte ich sie als wäre nichts gewesen, doch sie sah mich einfach nur starr und völlig eingeschüchtert an. „Auri???“, versuchte ich Kontakt zu ihr herzustellen und wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. „Ah ja ähm ich…“, stotterte sie sogleich los. „Ganz ruhig Schatz, was brauchst du so normalerweise zum Frühstück und… wo finde ich es?“ „Ähm… ich… Kühlschrank…“ Zu mehr war sie wohl in diesem Moment nicht fähig und deshalb beschloss ich darauf leicht resigniert einfach einmal den Kühlschrank nach frühstückstauglichen Sachen zu durchforsten. Nach einiger Zeit hatte ich dann auch ein, wie ich fand, ordentliches Frühstück für uns beide zusammengestellt und hatte mich gegenüber von Auri auf einen Stuhl gesetzt. Auri hatte derweilen bereits begonnen ihre soeben geschmierte Stulle zu essen und kaute leicht abwesend darauf herum. Ich weiß nicht warum aber aus irgendeinem Grund miet sie meinen Blick. Wieder und wieder wich sie meinen Blicken aus und irgendwann gab ich es auch auf Blickkontakt herstellen zu wollen. Es war etwa eine halbe Stunde vergangen seit wir begonnen hatten zu essen und uns so gegenüber saßen, als Auri plötzlich aufstand. Sie schien völlig durch den Wind, denn sie lief ganz nebenbei noch gegen den Türrahmen und wie ich hören konnte noch gegen so einige andere Dinge. Allein zurückgelassen beschloss ich daraufhin einfach erstmal das Essen wieder wegzustellen und das Geschirr abzuwaschen. Es dauerte gerade einmal eine halbe Stunde, da war ich auch schon fertig mit aufräumen der Küche und begab mich auf den Weg ins Wohnzimmer. Von Auri war nichts zu sehen, deswegen beschloss ich mich erstmal auf die Couch zu setzten und zu warten. Irgendwann musste ich mich jedoch wieder beschäftigen. Ich war einfach zu nervös, da ich nich wusste was los war, warum Auri mir auswich. Also begann ich auch im Wohnzimmer für Ordnung zu sorgen, sozusagen die von mir geschaffene Unordnung wieder zu beseitigen und danach setzte ich mich wieder hin und wartete. Eine ganze Stunde lang wartete ich darauf, dass etwas passierte und abgesehen davon, dass der Akku meines Handys mal wieder den Geist aufgab, passierte auch danach nichts. Also beschloss ich nach zweistündigem Warten einmal nach Auri zu sehen und sie zu fragen, was denn eigentlich los sei. Immerhin war ihr Verhalten ja schon äußerst merkwürdig und abgesehen davon konnte ich auch nicht ewig bleiben. Denn mir fiel ein, dass ich ja um 15 Uhr mit den anderen im Proberaum verabredet war und das war auch schon in drei Stunden. Also gerade so noch etwa anderthalb Stunden Zeit um mit Auri zu reden und vielleicht… Kapitel 12: Kapitel 6: Silent Breakfast - Part 2 ------------------------------------------------ Auri: Das Klingeln meines Handys riss mich aus dem Schlaf. Noch müde und mit geschlossenen Augen tastete ich mit meiner Hand den Nachttisch ab, solange bis ich es fand. Die Uhr sagte mir, dass es noch nicht einmal neun Uhr war. Mit einem verschlafenen „Hallo“ meldete ich mich zu Wort. „Hallo Kukka“, antwortete meine Mutter am anderen Ende. Sie klang durch den Wind und auch die Tatsache, dass sie mich Kukka nannte, machte mich stutzig. Das tat sie sonst nie. „Was ist los?“, wollte ich wissen, „Ist etwas passiert?“ Auf einmal brach meine Mutter in Tränen aus, ihr Schluchzen wurde durch das Telefon noch mehr verzerrt, es hörte sich noch verzweifelter an. „Mama, was ist los?!“, rief ich entsetzt. Lange Zeit kam gar nichts aus dem Hörer, doch dann sagte sie: „Tuuli hatte heute nacht einen Autounfall. Sie musste in ein künstliches Koma versetzt werden.“ Alle Farbe wich aus meinem Gesicht. Ich atmete tief ein um nicht die Fassung zu verlieren. Wie konnte meiner Schwester das passieren? Sie war doch erst neunzehn, hatte gar keinen Führerschein... Es dauerte eine Zeit bis ich meine Sprache wiederfand und meine Mutter danach fragen konnte. „Sie war bei einer Freundin zum Geburtstag eingeladen und irgend so ein besoffener Typ ist auf die Idee gekommen, sie nach hause zu bringen. Und dabei...“, weiter sprach meine Mutter nicht, aber ich verstand auch so was sie meinte. Ohne es zu wollen fragte ich: „Und ihre Chancen?“ Kurzes Schweigen am anderen Ende, dann atmete meine Mutter tief ein und sagte: „50:50...“ „Scheiße!“, rutschte es mir heraus. Wieso musste ausgerechnet ihr so etwas passieren? Sie hatte es doch am allerwenigsten verdient. Aber das Schicksal traf immer die, die es am wenigsten verdient hätten, egal ob in positiver oder negativer Weise. „Ich komme zu euch. Seid ihr im Krankenhaus?“ „Schatz, ruh dich erst mal aus! Ich möchte nicht, dass dir auch so etwas passiert.“, warf meine Mutter ein, doch ich ließ mich nicht unterkriegen. Es war vielleicht das letzte Mal, dass ich meine Schwester sah, das ließ ich mir nicht nehmen. Zwar musste ich meiner Mutter versichern, dass ich frühstücken und ein Taxi nehmen werde, aber solange ich zu Tuuli konnte, war mir das egal. Leise schlich ich aus meinem Zimmer um Arho nicht zu wecken. In der Küche machte ich mir zuerst einen starken Kaffee, um richtig wach zu werden und das eben Erfahrene bewusst wahrzunehmen. Tuuli lag im Koma... Doch lange konnte ich meinen Gedanken nicht nachhängen, denn plötzlich legten sich zwei Arme um meine Schultern. Erschrocken drehte ich mich um und sah in Jonnes Gesicht. Den hatte ich ja komplett vergessen. „Mensch Jonne, du hast mich erschreckt!“, sagte ich. „Tut mir leid Süße! Das wollte ich nicht! Ich wollte dich nur überraschen und dir beim Frühstück machen helfen. Ich kann dich doch nicht alleine schuften lassen. Eigentlich sollte ich dich gar nicht schuften lassen“, erwiderte er mit einem Lächeln auf den Lippen und gab mir einen leichten Kuss. Das konnte ich im Moment am wenigsten gebrauchen, doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und meinte nur: „Ach du spinnst doch! Leg dich wieder hin und schlaf noch ein bisschen. Solange bis das Essen fertig ist ja?! Du bist immerhin der Gast und da mache ICH das Frühstück… und zwar ALLEIN!“ Doch er blieb bei mir. „Ich liebe dich!“, meinte er nur und küsste mich von Neuem. Langsam fuhren seine Lippen von meinem Mund herunter zu meinem Hals und meiner Schulter. Auch wenn ich es nicht wollte, entfuhr mir ein leises Stöhnen. Verwirrt und geschockt darüber, was gerade passiert ist, blieb ich stehen, doch Jonne schob mich entschlossen Richtung Stuhl und ich setzte mich. Jonne schien mich irgendetwas zu fragen, aber ich war immer noch entsetzt von mir selbst. Meine Schwester lag im Koma, würde wahrscheinlich nie wieder aufwachen und ich ließ mich hier von einem Mann abknutschen. Ich fühlte Scham und Enttäuschung mir gegenüber. „Auri???“, holte mich Jonnes besorgte Stimme wieder in die Küche. „Ah ja ähm ich...“, stotterte ich, immer noch leicht abwesend. Da halfen auch Jonnes wilde Gesten nicht viel. „Ganz ruhig Schatz, was brauchst du so normalerweise zum Frühstück und… wo finde ich es?“ „Ähm… ich… Kühlschrank…“ Daraufhin stand Jonne auf und begann in unserem Kühlschrank zu suchen, allen Anschein nach, nach Frühstückssachen. Nach ein paar Minuten kam er mit einem voll beladenen Tablett wieder. Ich fragte mich wer das alles essen sollte. Aber anscheinend hatte Jonne wohl einen gesunden Appetit. Immer noch mit den Gedanken bei Tuuli griff ich in den Brotkorb und zog mir eine Scheibe Graubrot heraus. Ohne vorher Butter darauf zu schmieren, klatschte ich eine Unmenge an Marmelade darauf und begann zu essen. Den extrem süßen Geschmack nahm ich kaum war, genauso wenig wie Jonnes Blicke. Ich schaute beinahe ununterbrochen auf meinen Teller, ließ wieder und wieder das Revue passieren, was vor wenigen Minuten passiert war. Ich konnte es immer noch nicht glauben, und als ich einmal hoch schaute und direkt in Jonnes große, fragende Augen sah, wurde es mir zu viel. Ich stand auf und lief in mein Zimmer. Dass ich dabei gegen den Türrahmen und die Kommode im Flur rannte und auch noch das Telefon herunterriss, war mir nicht bewusst. Ich musste jetzt einfach nur allein sein. Als ich die Tür hinter mir schloss, schossen mir die Tränen in die Augen und ich musste zum wiederholten Male in der letzten Zeit heulen. Die Angst um Tuuli war so groß, dass ich alles andere vergaß. Ich schmiss mich auf mein Bett und als mir alle Tränen ausgegangen waren, legte ich mich auf den Rücken und starrte an die Decke. Die ganzen Kindheitserinnerungen kamen hoch, schreiten auf, wollten heraus. Ich sah ein Bild vor mir. Es war an Tuulis viertem Geburtstag und ich bewarf sie mit Wasserbomben, bis sie weinend zu unserer Mutter lief. Diese Erinnerung hatte ich total verdrängt und als sie jetzt wieder auftauchte, wusste ich nicht ob ich lachen oder wieder weinen sollte. Eine ganze Zeit lang lag ich auf meinem Bett, bis sich auf einmal meine Tür öffnete und Jonne das Zimmer betrat. Als ich ihn erblickte, drehte ich mich schnell auf die Seite, ich wollte nicht, dass er mich so sah. „Ist alles okay mit dir?“, wollte er wissen und als ich nicht antwortete, setzte er sich zu mir auf die Bettkante. Ich drehte mich zu ihm um und als er meine verheulten Augen sah, nahm er mich in den Arm und meinte: „Auri, was ist los? Wieso weinst du?“ „Nichts, alles in Ordnung“, gab ich vor. Doch meine Stimme brach ab und ich musste neue Tränen unterdrücken. Jonne kaufte mir meine Aussage natürlich nicht ab und wollte schon nachbohren, aber ich bat ihn, mich allein zu lassen. Er warf mir noch einen langen, sorgenvollen Blick zu, bevor er das Zimmer verließ und ich wieder meine Ruhe hatte. Kurze Zeit später hörte ich die Haustür ins Schloss fallen. Anscheinend war Jonne gegangen. Aber wie es in einer WG nun mal so war, hatte ich nicht lange meine Ruhe. „Kuckuck!“, Arho öffnete meine Zimmertür und grinste mich voller Elan an. Das Grinsen verschwand jedoch sofort, nachdem er mich sah. „Auri Schatzi, was ist los? Glücklich Verliebte gucken für gewöhnlich anders. Oder hast du dich etwa mit Jonne gestritten?“ „Nein... das heißt eigentlich schon, aber auch wieder nicht“, sagte ich und sah sofort die Fragezeichen in Arhos Blick „Tuuli liegt im Koma, es ist noch nicht klar, ob sie je wieder aufwachen wird.“ „Oh nein! Kann ich irgendetwas für dich tun?“, fragte mein Mitbewohner mich fürsorglich, doch ich schüttelte den Kopf. „Hast du denn schon was gegessen? Das darfst du jetzt nicht vergessen“, erklärte er mir. „Ja, ein Brot. Mehr habe ich nicht runtergekriegt. Und außerdem brauchte ich Abstand von Jonne.“ Ich erzählte Arho kurz, was passiert war, und was ich davon hielt. „Und ich kann wirklich nichts für dich tun?“, vergewisserte er sich noch einmal. „Doch...“, antwortete ich, „Du könntest mich ins Krankenhaus bringen. Das geht schneller als mit dem Bus.“ „Natürlich. In welchem ist sie denn?“ Ich nannte ihm den Namen des Krankenhauses, danach ging ich in den Flur, um mir Jacke und Schuhe anzuziehen. Arho folgte mir und zusammen gingen wir nach unten zu seinem quietschgrünen Fiat Cinquecento. Auf der Fahrt zum Krankenhaus sagte ich kein Wort und auch Arho schwieg. Erst als wir nach zehn Minuten ankamen, meinte er, ich solle anrufen, wenn er mich abholen sollte. Dann fuhr er wieder weg. Ich betrat das große Gebäude, dessen steriler Geruch nach Desinfektionsmitteln mich jedes Mal wieder erschrecken ließ. Wie sollte man in so einer Umgebung denn wieder gesund werden? Ich wollte gerade am Empfang nach meiner Schwester fragen, als meine Mutter bereits auf mich zulief. „Da bist du ja endlich! Wie geht es dir?“, sagte sie, immer noch total durcheinander. „Wie soll es mir schon gehen? Scheiße natürlich“, gab ich kund, „Aber kann ich zu ihr?“ Meine Mutter schüttelte den Kopf. „Der Arzt ist gerade bei ihr. Außerdem meinte er, dass Tuuli jetzt vor allem Ruhe braucht und zu viel Besuch vermieden werden sollte.“ „Aber ich bin die Schwester! Ich habe ein Recht, sie zu sehen!“, rief ich entsetzt über diese Anordnung aus. „Kukka, du solltest zuerst an die Gesundheit deiner Schwester denken. Die Ärzte wissen, was sie tun. Du wirst sie schon noch sehen, bloß nicht jetzt“, versuchte meine Mutter mich zu beruhigen. Und irgendwo hatte sie mit ihrer Aussage ja auch recht. Aber dennoch machte es mich fertig, nicht zu wissen, wie es meiner kleinen Schwester ging. Jetzt kam auch mein Vater vorbei. „Ich habe gerade mit Doktor Häkkinen gesprochen. Er meinte, dass Tuulis Zustand immer noch sehr kritisch ist und dass sie auf jeden Fall noch einige Wochen hier bleiben muss, selbst wenn alles gut verläuft. Sie hat sehr starke innere Blutungen und wenn diese nicht möglichst schnell behandelt werden, kann es sogar zu Organversagen kommen. Aber er ist auch zuversichtlich, dass die Operationen gut verlaufen werden.“ Das sagen sie alle, dachte ich nur. Doch natürlich hoffte ich, dass es diesmal stimmte, was der Arzt sagte. Wir setzten uns auf eine Reihe von Stühlen ganz in der Nähe des Eingangs, wo ich auch gleich meine Jacke auszog. Es war doch extrem warm hier drinnen. Eine Weile dominierte Schweigen unsere Runde, doch dann fragte mein Vater: „Und Auri, gibt es bei dir was Neues? Hast dich ja lang nicht mehr gemeldet.“ Ich wusste nicht, ob es einfach nur eine Feststellung oder schon ein Vorwurf war. Ich entschied mich für ersteres. Kurz überlegte ich, ob ich ihnen von Jonne erzählen sollte, oder ob die Sache noch zu frisch war. Doch was sprach dagegen? Nichts, und außerdem konnten meine Eltern besonders heute eine gute Nachricht gebrauchen. „Ich habe einen neuen Freund“, sagte ich also. Mein Vater nahm es ohne größere Fragen hin, aber etwas anderes hätte ich bei ihm auch nicht erwartet. Er war kein Freund großer Worte, in dieser Hinsicht war er typisch finnisch. Doch meine Mutter war sofort Feuer und Flamme, fragte mich tausend Sachen, auf die ich noch nicht einmal im Traum gekommen wäre. Ob es Ablenkung war oder wirkliches Interesse, konnte ich nicht sagen. „Bitte was?“, fragte ich halb entsetzt, halb amüsiert über die Frage, ob Jonnes Wohnung nach dem Feng Shui Prinzip eingerichtet sei. „Na Feng Shui, die Harmonisierung des Menschen mit seiner Umgebung“, erklärte sie mir. „Um ehrlich zu sein, war ich noch gar nicht in seiner Wohnung, aber wenn du es wissen willst, kann ich ihn gerne fragen.“ „Ja, das würde mich sehr interessieren.“ Damit war das Thema durch und wieder schwiegen wir. Zufällig schaute ich zur Seite und sah gerade noch, wie mein Vater sich Tränen aus den Augen wischte. Ich hatte ihn noch nie Schwäche zeigen sehen und als er merkte, dass ich ihn beobachtete, schaute er beschämt nach unten. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich entschließ mich, kurz allein zu sein. Deshalb stand ich auf und teilte meinen Eltern mit, dass ich einen Spaziergang machen würde. „Wenn du nichts dagegen hast, komme ich mit“, meinte mein Vater und erhob sich ebenfalls. „Ich bleib hier, vielleicht kommt Doktor Häkkinen mit neuen Informationen vorbei“, sagte meine Mutter, „Ich ruf euch dann an.“ Mein Vater und ich verließen das Krankenhaus und machten uns auf den Weg zum nahegelegenen See. „Du hast schon immer gerne Spaziergänge gemacht wenn es dir nicht gut ging. Immer rein in die Natur“, erinnerte sich mein Vater. „Das scheine ich wohl von dir zu haben“, erwiderte ich. Mein Vater lächelte kurz, dann sagte er: „Ich wünsche dir und Jonne viel Glück. Noch eine schlechte Neuigkeit könnte ich nicht ertragen.“ „Danke.“ Ich schwieg kurz, dann fuhr ich fort: „Wann habt ihr von Tuulis Unfall erfahren?“ „Heute nacht gegen vier. Wir sind dann natürlich sofort ins Krankenhaus gefahren, doch Tuuli lag da schon im Koma.“ Wieder Schweigen. „Ich wünschte, ich könnte irgendetwas für sie tun!“, meinte ich verzweifelt, mein Vater nahm mich in den Arm. „Das wünsche ich mir auch, doch das einzige, was wir im Moment tun können, ist warten und für sie beten.“ „Es tut so weh. Was ist wenn...“ „Schsch, daran darfst du gar nicht denken, Auri. Du kennst unsere Tuuli doch, sie ist so zielstrebig. Wenn sie etwas will, dann schafft sie es auch. Und so lebensfroh wie sie ist, will sie leben. Und das wird sie auch.“ „Aber es ist so unfair. Womit hat sie das verdient?“ „Keiner hat so etwas verdient, Schatz, aber trotzdem passiert es. Und leider kann es keiner verhindern.“ Ich konnte mich an kein so tiefgründiges Gespräch mit meinem Vater erinnern. Ehrlich gesagt, hatte ich mich noch nie so offen mit ihm unterhalten. Wenn ich früher Probleme hatte, hatte ich immer mit meiner Mutter darüber gesprochen. Aber es tat gut, auch mal mit meinem Vater über so etwas zu reden. Auch wenn es schrecklich klingt, musste ich zugeben, dass dieser Unfall mich und meinen Vater näher zusammengebracht hat. „Ich hab dich lieb“, sagte ich. Mein Vater sah mich überrascht an. Ich hatte es ihm noch nie so spontan und erst recht nicht so direkt gesagt, doch dann lächelte er und gab mir einen Kuss auf die Wange. Auf einmal klingelte sein Handy. „Ja? Ach du bist es. Gibt es Neuigkeiten von Tuuli? Achso. Ja, richte ich aus“, sagte mein Vater, „Das war deine Mutter. Tuuli wird jetzt operiert. Danach entscheidet sich, ob sie überlebt.“ Kapitel 13: Kapitel 7: How To Forget The Pain - Part 1 ------------------------------------------------------ Jonne: … um sich noch etwas die Zeit mit ihr zu vertreiben. Langsam legte ich meine Hand auf die Klinke ihrer Schlafzimmertür und drückte sie nach einem tiefen Atemzug herunter. Ich trat in ihr Zimmer und herüber zu ihrem Bett auf dem sie lag und in tiefen Gedanken versunken zu sein schien. „Ist alles okay mit dir?“, erkundigte ich mich sofort, doch als auch nach mehreren Minuten keine Antwort kam, setzte ich mich neben sie aufs Bett und betrachtete sie näher. Ihre Augen waren völlig von Tränen durchnässt und das war ein Anblick, den ich einfach nicht ertrug. Ich konnte und wollte sie nicht weinen sehen. Also nahm ich sie kurzerhand einfach in den Arm und drückte sie fest an mich. „Auri, was ist los? Wieso weinst du?“, hakte ich dann genauer nach. „Nichts, alles in Ordnung“, schluchzte sie mir mit gesenktem Blick entgegen. Ich wusste, dass sie nicht die Wahrheit sagte, es ihr total beschissen ging und es dafür auch mit Sicherheit einen triftigen Grund gab, doch ebenso wusste ich auch, dass es wohl keinen Sinn machen würde sie weiter mit Fragen zu quälen. Ihr Blick verriet mehr als tausend Worte und sagte mir, dass ich gehen soll, weil sie jetzt einfach nur allein sein wollte. Doch wenn ich mich jetzt so einfach geschlagen geben würde, dann würde sie mich wahrscheinlich für total gefühlskalt halten und denken, dass ich es ja wenigstens hätte versuchen können und wer weiß, vielleicht interpretierte ich ihren Blick ja doch falsch. Deshalb setzte ich erneut zu einer Frage an. Doch dann sprach sie ihre Bitte aus, die ich schon zufuhr in ihren Augen lesen konnte und ich begab mich zur Tür, jedoch nicht ohne ihr wenigstens noch einen letzten Blick zu zuwerfen und dieser Blick war voller Sorgen und Fragen, auf die ich jedoch schon keine Antwort mehr erwartete. Nach dem ich Auris Zimmer verlassen hatte, packte ich meine weniger Sachen zusammen die ich dabei hatte und machte mich auf den Weg zu unserem Proberaum. Mir war klar, dass ich damit mal wieder zu früh dran sein würde, doch das war mir in diesem Moment egal. Dann konnte ich wenigsten die Zeit nutzen um meinen Gefühlen noch einmal freien Lauf zu lassen und in eine nicht ganz so traurige, besorgte Stimmung zu kommen wie in diesem Moment. Da ich einfach nur noch mein Ziel erreichen wollte, wurde ich zunehmend schneller und versuchte mich so sehr zu beeilen wie möglich, bis ich irgendwann sogar begann zu rennen. Ich spürte wie die Fragen und Sorgen um Auri mich immer weiter innerlich fertig machten und in mir hoch kochten. Irgendwann konnte ich meine Gefühle nicht mehr zurückhalten und die Tränen begannen sich ihren Weg gen Boden zu bahnen. Ich war nur froh, dass das keiner sehen konnte, so schnell wie ich an allen vorbei rannte. Es war eine Flucht. Eine Flucht vor Auri, den Fragen und den Sorgen, die ich mir machte, eine Flucht vor mir selbst, meiner Liebe zu Auri und meiner Trauer, sie anscheinend auch schon wieder verloren zu haben ohne zu wissen warum und eine Flucht vor allen anderen die mich mit Fragen quälen könnten, die mich so sehen könnten, wie ich im Moment war, völlig aufgelöst und schwach. Kurz gesagt, war es eine Flucht vor allem, was mir gerade zu schaffen machte oder mir noch mehr zu schaffen machen könnte, wenn ich nicht flüchten würde. Es war gerade mal halb eins als ich am Proberaum ankam und das bedeutete, das ich gerade einmal ein drittel der Zeit benötigt hatte, die ich sonst brauchte und zu meist noch überschritt. Aber das war ja auch kein Wunder, denn immerhin war ich so schnell gerannt wie noch nie zuvor in meinem Leben, selbst wenn es um Leben und tot ginge, wäre ich wohl um längen lahmarschiger. Ich betrat den Raum in dem wir unsere Heiligtümer aufbewahrten und mit ihnen eins wurden, sofern wir es nicht gerade im Studio oder auf der Bühne taten oder irgendwo sonst. Doch zu meist erklangen sie hier, in dem Raum in dem ich noch träumen konnte von Zeiten, in denen alles besser wird. Ich ergriff meine Akustikgitarre und setzte mich auf die Couch am anderen Ende des Raumes. Meine Finger glitten über die Saiten und bereits wenige Sekunden später war ich so in mein Spiel und meinen Gesang versunken, dass alles was gerade um mich herum passierte und alles was in den letzten Minuten, Stunden und Tagen passiert war, in weite Ferne rückte, so weit, dass ich es nicht mehr sehen konnte. Ich begann sogar mich erst in meine Kindheit zu träumen, in einen Moment, wo ich mit meinen Brüdern und meiner Großmutter zusammen am Tisch saß und das leckere Essen verspeiste. Wir unterhielten uns, lachten, genossen den Augenblick, als würde es nichts geben, was diesen Moment zerstören könnte. Ich konnte ihn riechen, den leckeren Duft des Essens, was meine Großmutter gekocht hatte und auch den Duft der Umgebung, den Duft ihres Hauses, ihres Gartens und dann begann ich in einen anderen Moment abzudriften. Ich sah mich gemeinsam mit meinen Brüdern in einem kleinen Ruderboot sitzen. Keine ungewöhnliche Situation. Es war etwas, was wir heute noch taten, wenn auch nicht mehr so oft wie früher. Wir ruderten über den See und lachten. Schon wieder. Gab es denn wirklich so viele glückliche Momente in meinem Leben. Ich meine gut, immerhin sage ich ja selbst immer, dass ich zwar eine schwere, aber dennoch keine schlechte Kindheit hatte und ich versuche ja auch immer alles positiv zu sehen und optimistisch zu bleiben, auch wenn sich das mit meinem Perfektionismus und meiner damit zusammenhängenden starken Selbstkritik nicht wirklich verträgt, aber trotzdem hatte ich in Wirklichkeit immer das Gefühl, dass in meinem Leben zu viel schief gelaufen ist und die schlechten Seiten eindeutig überwogen. Doch so sehr ich auch versuchte mich zu erinnern, mir fielen nur gute Dinge ein. Nur positive, schöne, fröhliche Ereignisse. An die schlechten Seiten meines Lebens konnte ich mich einfach nicht erinnern. Konnte ein Mensch so etwas etwa wirklich so gut verdrängen, wenn er es nur wollte? Oder war mein Erinnerungsvermögen nur durch zu viele Saufgelage und mein früheres Rauchen doch schon zu sehr beeinträchtigt? Ich wusste es einfach nicht. Sicher, nach langem Überlegen kamen die Erinnerungen ein einige wenige Schreckensmomente wieder, doch das konnte doch wohl kaum alles sein, denn wenn ich es mit dem verglich, an das ich mich erinnern konnte, das positiv war, dann kam ich vielleicht auf ein gefühltes Verhältnis von 1:99 oder so ähnlich. Nun ja ich hatte es eben noch nie wirklich mit Mathe, aber in solchen Fällen reichte das Gefühl ja auch vollends aus. Stundenlang saß ich da, spielte auf meiner Gitarre, sang und bekam gar nicht mit als sich irgendwann die Tür öffnete und jemand vorsichtig eintrat. Ich schrak hoch, dachte im ersten Moment, dass es wohl Antti sein würde, doch ich irrte. Es war Snack und er schien wohl nicht weniger überrascht als ich. „Also, was immer du da gespielt hast, aber es klang echt gut. Ich hoffe du hast es aufgeschrieben oder dir zu mindest gemerkt“, meinte er dann nur mit einem Lächeln auf den Lippen, nach dem er aus der Starre wieder erwacht war. „Ähm… ich weiß nicht“, antwortete ich, „Aber ich habe es mir auch nicht aufgeschrieben und auch nicht gemerkt, wenn ich ehrlich sein soll. Verzeih!“ Ich senkte den Kopf. „Ach kein Problem, ein bisschen davon krieg ich vielleicht auch noch zusammen. Du musst ja nicht denken, dass ich wirklich erst seit ein paar Minuten da wäre. Nur als ich ankam, hörte ich dich und dachte mir, dass es wohl besser wäre, dich jetzt nicht zu stören. Ich wollte dich ja in keiner Kreativphase unterbrechen oder so“, erklärte er mir dann, wobei er erneut ein Lächeln aufsetzte. „Hm… also wenn du meinst, dass es wirklich gut war, dann können wir es ja gerne irgendwann mal rekonstruieren, nur jetzt ist wohl grad schlecht. Immerhin kommen die anderen ja sicher auch gleich.“ „Hey, nun komm schon. Ich mein ich weiß, dass du sehr selbstkritisch bist, aber du wirst doch noch erkennen, dass das mal absolut der Hammer war, was du da eben gespielt hast“, empörte er sich ein wenig, musste darauf jedoch kurze Zeit später lachen. Er kam schloss nun die Tür und kam zu mir herüber um sich dann neben mich auf die Couch zu setzten und mir tief in die Augen zu sehen. Ich versuchte ihm mit einem Blick mein Unverständnis klar zu machen, doch er blieb hartnäckig und versuchte mich weiterhin zu einem eindeutigen „Ja!“ zu zwingen. Aber ich konnte es nicht sagen, denn es stimmte nun einmal, ich hatte keinen blassen Schimmer, ob es gut war, was ich eben gespielt hatte. „Du Snack. Ich glaub du kannst damit aufhören. Ich meinte das ernst. Ich habe wirklich keine Ahnung, ob es gut war. Ich war einfach viel zu sehr in Gedanken versunken und habe einfach nur gespielt und gar nicht realisiert, was ich da überhaupt gespielt habe. Verstehst du?“, versuchte ich nun mich zu erklären und mich so davor zu retten, noch vollständig irre zu werden, bei diesem Blick. „Jetzt im Ernst? Das geht? Also ich meine ich kann ja auch abschalten, wenn ich etwas spiele, aber nicht wenn ich etwas spiele, was ich vorher noch nie gespielt habe. Ich meine, dann würde da bei mir wahrscheinlich nur sinnloses, schwachsinniges, total bescheuertes Zeugs rauskommen, was absolut unterstes Niveau wäre“, kam es mir lachend entgegen und ehrlich gesagt, wie konnte man dem schon widerstehen. Es riss mich einfach mit, weshalb ich nur wenige Sekunden später ebenfalls zu lachen begann. Zu schön, dieser Moment, wäre es nach mir gegangen, dann hätte er wohl für immer angedauert, doch eigentlich bin ich froh, dass ich nicht mein ganzes Leben NUR mit Snack verbringen muss, sondern nun endlich auch Larry, Jay und Antti wieder in mein Leben traten und wir nun endlich zu proben beginnen konnten. Natürlich nicht bevor Snack den anderen von meinem genialen Werk, an das ich mich nicht einmal mehr erinnere, erzählt hatte, Antti mich kurz über Auri ausgefragt und ich nun nicht nur ihm, sondern auch dem Rest, jede noch so kleine Kleinigkeit aufs ausführlichste berichtet hatte. Natürlich sorgte das nun wieder dafür, dass ein gewisses Maß an Trauer seinen Weg zurück zu mir fand. Wenn es nicht die ganze Zeit über da gewesen war und nur geschrumpft war, dank der Macht der Musik. Doch jetzt konnte es mich nicht unterkriegen, denn diesmal hatte ich etwas bei mir, was alles Leid und alle Sorgen vergessen lässt, was mich stark macht, stark genug um alles Leid zu überstehen, egal wie groß es ist oder um was es sich dabei handelt. Das was ich hatte, waren meine Freunde. Neben der Musik waren sie das, was mir am meisten Kraft gab. Sie gaben mir immer einen Funken Hoffnung. In diesem Fall bedeutete das, dass sie mir einredeten, dass es vielleicht gar nicht so schlimm war, wie es vielleicht schien und Auri vielleicht gar nicht wegen mir so merkwürdig war, sondern nur einfach nicht darüber reden wollte. Nun definitiv eine Möglichkeit, doch wären es nicht meine Freunde gewesen, die mir dies einreden wollten, so hätte ich es wohl nicht geglaubt und ehrlich gesagt, auch nicht glauben wollen. Etwa eine Stunde saßen wir alle gemeinsam zu fünft auf der Couch. Die anderen hatten mich anfangs einfach nur umarmt, zwischenzeitlich hatten wir dann einfach nur geredet und dann hatten sie mich wieder nur umarmt, bis Antti dann der Ansicht war, dass wir vielleicht doch endlich anfangen sollten. Daraufhin standen die anderen einer nach dem anderen auf und begaben sich zu ihren Instrument. Einige Minuten später, als sie ihr Instrumente sofern nötig kurz gestimmt hatten, folgte ich ihnen dann und stellte mich hinter mein Mikrofon. Wir überlegten kurz, was wir spielen wollten und entschieden uns dann kurzer Hand für „Gravity Of Love“ als langen Auftakt. Ich genoss es diesen Song zu spielen und versank vollends in ihm. Nur ab und zu wurde ich mir dessen bewusst, was ich da eigentlich sang, des Textes den ich einst schrieb und im Moment war er zu mindest in gewissen Hinsichten mehr als passend, auch wenn er das ganze negative nicht widerspiegelte, doch das war mir eigentlich ganz recht so, denn immerhin wollte ich ja alles positiv sehen und so gelang es mir wenigstens etwas besser. Als nächstes spielten wir dann „A Song For The Broken Hearted“, der zu mindest von der Stimmung her meine momentanen Gefühle wider gab. Doch um nicht zu sehr in Trauer zu versinken fuhren wir gleich mit dem nächsten Song fort, welcher ein eindeutig fröhlicherer war nun ja zu mindest wenn man nicht auf den Text achtete, obwohl auch der Text kein wirklich schlechter war. Es war „Dead As We“, welches wir spielten und darauf folgend noch „Dream Flowers“ und „Black Light“. Diese Songs schafften es immer mich etwas aufzumuntern und so genoss ich jeden Ton den die anderen spielten und jeden Beat, ebenso wie jedes Wort was ich sang. Nach etwa zwei Stunden Songs nach Lust und Laune spielen, reden und chillen, beschlossen wir dann uns am darauffolgenden Tag zur nächsten Probe zu treffen, da wir ja an diesem Tag nicht wirklich ernsthaft geprobt hatten und gingen dann nach Hause. Nun ja, genau genommen ging Larry ins Amadeus einen Trinken, da er dort mit Chris verabredet war, Jay ging zu sich nach Hause, er genoss es Zeit für sich zu haben und Snack, Antti und ich gingen zu mir nach Hause um uns gemeinsam den Abend zu versüßen. Bei mir angekommen, machten wir es uns erst mal bei mir auf der Couch bequem. Ich ging noch kurz in die Küche um etwas zu trinken zu holen, dass bedeutete, dass ich mal eben einen ganzen Kasten Bier neben die Couch stellte. An so einem Abend wusste man ja nie wie viel man am Ende trank und bevor ich noch hundertmal aufstehen musste nur um ein neues Bier für jeden von uns zu holen, stellte ich gleich den ganzen Kasten hin. Genaugenommen fehlen da eh schon drei Bier, die ich vor einiger Zeit so nach und nach geleert hatte. Anfangs schalteten wir uns ein wenig durch das Fernsehprogramm und amüsierten uns prächtig über einige unsinnige Shows und Serien, doch etwas was wir wirklich sehen wollten, lief nicht. Also überlegten wir was wir gucken könnten und kamen zu dem Schluss, dass wir wohl am besten gar nichts gucken sollten und so schaltete ich das Radio ein, doch auch das kotzte uns nach einiger Zeit aufgrund der derzeitig laufenden Musik an und so einigten wir uns auf eine CD, die dann eingelegt wurde. „Hach ja, es hat schon was einfach mal gemeinsam zu chillen und zu labern“, kam es von dem Rothaarigen, der es sich mittlerweile mit seinem Kopf auf meinem Schoß bequem gemacht hatte. „Da hast du vollkommen Recht Antti. Genau das ist es, was manchen Leuten fehlt. Entweder Freunde oder die Zeit mit ihnen abzuhängen“, stimmte Snack unserem Bassisten zu. „Irgendwie tun mir die Leute leid, denen eines von beiden fehlt, obwohl sie es doch so sehr brauchen würden. Ich meine jeder braucht Freunde und ohne Zeit für diese nützt es auch nichts sie zu haben“, setzte ich nun auch ins Gespräch ein. „Ja eben, das ist wirklich bedauerlich und bemitleidenswert, einfach nur traurig. Also ich wüsste wirklich nicht was ich ohne meine Freunde tun würde. Was ich ohne euch tun würde“, meinte Snack nur und erntete darauf auch gleich ein Grinsen Anttis. „Dich in die nächste Ecke setzen und heulen“, lachte er. „Ja wahrscheinlich. Dann sollte man wohl alle Klingen und ähnliches aus meiner Nähe entfernen, denn dann wäre Suizidgefahr vorprogrammiert“, erwiderte unser Keyboarder das Lachen unseres jüngsten Mitgliedes. „Und was würdest du tun Antti?“, fragte ich ihn nun grinsend und dennoch mit größtem Interesse, was er darauf wohl antworten würde. Definitiv würde es etwas sein, worüber wir uns danach totlachen könnten. „Ganz klar. Verhungern. Mal im Ernst ich kann mir zwar das ein oder andere selber machen und bin in der Lage mir was zu kaufen, aber ohne das Essen gewisser Freunde würde ich wohl definitiv verhungern“, erklärte Antti auf völlig sinnlose, abstruse Art und Weise, weshalb wir, wie nicht anders zu erwarten, erst einmal auf dem Boden lagen vor lachen. „Aber mal im Ernst Leute… ich habe Kohldampf! Ich brauch jetzt was um meinen Magen zu besänftigen sonst frisst der mich noch auf. Ich meine, hört ihr nicht, wie er mich schon anknurrt“, scherzte Antti weiter. „Zu schade, dass er nicht bellt, sonst würde ich dir jetzt sagen, bellende Mägen beißen nicht, aber ob das auch auf knurrende zutrifft, kann ich dir nicht sagen“, entgegnete Snack nur lachend. Doch trotz der anfänglichen Witzeleien, machten wir uns dann alle gemeinsam auf den Weg in die Küche und begannen uns was zu kochen. Nun ja und da wir das auch wirklich alle zusammen taten, endete das natürlich in einem absoluten Chaos. Überfreudig, lachend und uns ab und an mit Essen bewerfend verunstalteten wir die Küche. Am Ende sah sie aus wie ein Schlachtfeld, aber eigentlich war das ja auch kein Wunder, denn immerhin hatten wir ja ein paar Schlachten ausgetragen. Eine Essensschlacht nach der nächsten, man sollte gar nicht meinen, dass wir erwachsene Männer wären. Letztendlich kamen wir aber wenigstens zu einem passablen Ergebnis und verließen mit unseren Tellern die Küche in Richtung Wohnzimmer. Jedoch nicht ohne vorher noch einmal einen Blick zurück zu werfen und uns zu fragen, wer das alles aufräumen und sauber machen sollte und vor allem wann, wenn nicht sofort. Die Zeit verging, das Abendessen war längst beendet, die Küche weitestgehend aufgeräumt, man staune und wir saßen gerade gemütlich in der Küche und knabberten ein paar Chips und Salzstangen vor uns hin, als es plötzlich an der Tür klingelte. Verwundert darüber, dass es um diese Uhrzeit an meiner Wohnungstür klingelte, saß ich auf der Couch, ehe ich mich endlich in Bewegung setzte und zur Tür ging. Als ich sie geöffnet hatte, erschrak ich. Völlig versteinert stand ich da und konnte es nicht fassen, wer dort vor mir stand. Ich hatte nicht einmal damit gerechnet, dass um diese Uhrzeit überhaupt irgendwer klingeln würde und dann auch noch sie. Das war wahrlich kein normaler Tag. Da stand sie und sagte kein Wort. Ich blickte in ihre Augen und hoffte auf eine Reaktion von ihr. Nichts. Auf all die Fragen, die ich immer noch hatte, bekam ich wohl auch jetzt keine Antwort. Doch gerade, als ich mich umdrehen und zurück in die Wohnung gehen wollte um die Tür zu schließen und ihr damit zu zeigen, dass ich auch nicht alles mit mir machen lasse, auch wenn mein inneres Ich das eigentlich nicht wollte, kam sie einen Schritt auf mich zu und küsste mich. Wie versteinert stand ich da. Weder erwiderte ich den Kuss, noch sträubte ich mich dagegen. Aber auch wenn ich noch immer keine Antwort hatte, eines wusste ich ganz genau und zwar das ich definitiv die Welt nicht mehr verstand. Nach diesem absolut merkwürdigen Abend an dem sie mir sagte, dass sie mich auch liebt und dem darauffolgenden noch merkwürdigeren Morgen, an dem sie mich mit Missachtung strafte, folgte nun also „Moment der Merkwürdigkeiten Nummer 3“. Auri küsste mich auch wenn sie wohl längst realisiert haben musste, dass ich es nicht erwidern würde, nicht solange ich weiter so verwirrt, ahnungslos und vor allem unwissend war. Ich spürte schon, wie einige Tränen ihre Wangen hinab rannen und am liebsten hätte ich sie gefragt was all das soll und sie bei Nichtbeantwortung meiner Frage einfach rausgeschmissen, doch das konnte ich einfach nicht. Vorsichtig schloss ich meine Arme um sie und versuchte sie zu beruhigen, ehe ich endlich ihren schon so lange andauernden Kuss erwiderte. Kapitel 14: Kapitel 7: How To Forget The Pain - Part 2 ------------------------------------------------------ Auri: „W... w... was? A...a...aber sie ist doch noch im Koma... Wie wollen die denn...“, stotterte ich völlig durch den Wind. „Die Ärzte meinten, je länger sie mit der Operation warten, desto geringer werden Tuulis Chancen. Wir müssen ihnen vertrauen.“ „Wie lange dauert die OP?“, fragte ich, doch mein Vater konnte mir keine Antwort geben. Wieder musste ich daran denken, was wäre, wenn Tuuli nicht überlebt. Ich wusste, dass dies die falschen Gedanken waren, doch ich konnte nicht anders. Sie fraßen sich immer tiefer in mich hinein, und jetzt, wo es kurz davor war, dass über das Leben meiner Schwester bestimmt wurde, stießen sie an meine Grenzen. „Hey Auri, Tuuli wird es schaffen. Sie darf so kurz vor Weihnachten nicht von uns gehen“, versuchte mein Vater mich zu erheitern. Da er aber selbst nicht lachte oder irgendein anderes Gefühl zeigte, konnte ich es auch nicht. „Möchtest du vielleicht was essen? Da vorne ist ein Restaurant, ich lad dich ein.“ Mein Vater wollte mich ablenken, doch ich lehnte ab. „Danke, aber ich habe keinen Hunger.“ Wieder schwiegen wir und keiner ergriff das Wort. Ich betrachtete die vereiste Wasseroberfläche des Sees. Seine atemberaubende Schönheit schien paradox zu dem nahegelegenen Krankenhaus. Doch wer weiß, vielleicht half er den Patienten, schneller gesund zu werden. Wasser vermochte viel, und wir Finnen vertrauten in die Kraft dieses Elementes. „Es ist kalt, ich gehe wieder zurück. Bleib du ruhig noch hier, wenn es dir gut tut“, sagte mein Vater und lief zurück zum Krankenhaus. Ich hingegen wollte noch bleiben. Im Krankenhaus würde ich eh nur herumsitzen und konnte nichts tun. Hier konnte ich wenigstens versuchen, auf andere Gedanken zu kommen. Auch wenn es mir sehr schwer fiel. Auf einmal klingelte mein Handy. Eine SMS von Tiia: Arho hat mir erzählt, was passiert ist. Kann ich irgendetwas für dich tun? Ich schrieb ihr zurück, dass sie zu mir kommen solle und nannte ihr meinen Aufenthaltsort. Ich musste mit jemandem reden und meine Eltern hatten genug Probleme. Es dauerte keine Viertelstunde, und Tiia war bei mir. Sie fiel mir um den Hals und drückte mich an sich. Mir kamen wieder die Tränen, die ich die ganze Zeit versuchte zu unterdrücken. „Danke, dass du es so schnell geschafft hast. Länger hätte ich es glaub ich nicht ausgehalten“, schniefte ich. „Das ist doch selbstverständlich, Auri. Ich bin deine beste Freundin, und wozu sind beste Freunde da, wenn nicht, um da zu sein, wenn es einem schlecht geht.“ „Trotzdem danke. Du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet. Weißt du, ich konnte noch gar nicht richtig darüber reden. Meine Eltern sind selbst völlig durcheinander, Arho musste schnell wieder weg und Jonne... ja der... das ging einfach nicht“, sagte ich. „Aber jetzt bin ich ja hier und du erzählst mir, was passiert ist“, erwiderte Tiia und ich begann zu berichten: Von heute Morgen, als ich den Anruf erhalten hatte, von Jonnes Verhalten, für das er ja gar nichts konnte, von meiner Reaktion daraufhin, von der Situation im Krankenhaus, von dem Spaziergang mit meinem Vater und von dem Anruf meiner Mutter. Ich ließ kein Detail aus. Es tat gut, über alles zu sprechen. Tiia hörte einfach nur zu und sagte nichts, worüber ich sehr froh war. Ich erzählte ihr auch von meinen Ängsten. „Weißt du, das schlimmste ist, dass ich mich immer wieder frage, was passiert, wenn die OP schief geht. Wenn sie...“ „Ich kann dich verstehen, Auri. Als ich sechzehn war, erkrankte mein Vater an Krebs. Ich habe nie darüber gesprochen, es irgendwie verarbeitet. Aber es war die schlimmste Zeit meines Lebens. Zu sehen, wie die Chemotherapien meinen Vater immer mehr schwächten, aber nie etwas bewirkten. Wie er immer kränker wurde, weil der Krebs sich immer mehr ausbreitete. Und wie er dann nach Monaten der Qual starb. Das war kurz vor meinem siebzehnten Geburtstag. Ich habe seine Hand gehalten und mein Vater hatte gesagt, dass er immer stolz auf mich war, egal was ich getan hatte. Und dass er mich immer beschützen würde. Das waren seine letzten Worte.“ Ich schaute Tiia an, sie hatte Tränen in den Augen. Sie sprach das erste Mal mit mir über ihre Familie, das war mir zuvor nie aufgefallen. „Das... das tut mir Leid! Wieso hast du nie davon erzählt?“, fragte ich, doch sie antwortete: „Hat sich halt nie ergeben. Aber wir wollen ja über dich reden. Was ich damit sagen wollte, ist, dass ich dich und deine Ängste durchaus nachvollziehen kann. Ich kenne deine Schwester nicht, aber wenn sie auch nur ansatzweise so lebensfroh ist wie du, wird sie die Operation super überstehen und Weihnachten wird in aller Harmonie gefeiert. Da bin ich mir sicher.“ „Bis Weihnachten ist es nicht mal mehr eine Woche. Wie soll das denn bitteschön in Harmonie gefeiert werden? Sollen wir um Tuulis Bett stehen und Oh Tannenbaum singen?“ „So war das doch gar nicht gemeint. Natürlich wird es anders als sonst, aber ihr seit vereint. Tuuli wird überlebt haben, und das ist doch die Hauptsache, oder?“ „Und was ist, wenn Tuuli es wirklich nicht schafft? So wie es dein Vater nicht geschafft hat, obwohl er immer und immer öfter therapiert wurde wie du sagtest?“ Ich merkte wie ich mich langsam in meine Verzweiflung hineinsteigerte. Auch Tiia fiel das auf und sie drückte mich auf eine nahegelegene Parkbank. „Pass mal auf, Tuuli ist erst neunzehn. Mein Vater war 49 und außerdem hatte er schon gesundheitliche Probleme. Deine Schwester wird das schaffen. Du musst den Ärzten und vor allem ihr vertrauen. Wenn du das nicht tust, ist der Grundstein nicht gelegt.“ „Woher nimmst du eigentlich immer deine weisen Sprüche? Grad eben war ich noch am verzweifeln und jetzt...“ „Tja... That’s me!“, lachte Tiia. „Nee, mal ehrlich. Du schaffst es damit immer, mich aufzuheitern. Das war bei der Sache mit Jonne auch so. Dabei sind die Sprüche noch nicht mal lustig.“ „Hm... Ich glaub der Tod meines Vaters hat mich ziemlich geprägt. Danach war ich mehr oder weniger allein für mich verantwortlich, weil meine Mutter total fertig und mit der Situation überfordert war. Ja, ich glaub das ist der Grund. Vielleicht noch das ein oder andere gute Buch, wo die auch immer so ein Zeugs sagen, aber mehr auch nicht“, antwortete meine Freundin nach langem Überlegen. „Was für Bücher liest du? Musst mir mal eins empfehlen“, meinte ich. Tiia hatte es wieder mal geschafft, mich auf andere Gedanken zu bringen. Sie war eine Freundin, wie man sie sich wünschte. Leider gab es davon nicht viele... Ein Grund mehr, warum ich glücklich war, sie und Arho zu haben. „Danke noch mal, dass du gekommen bist. Ich wüsste nicht, was ich sonst getan hätte.“ „Ach komm“, Tiia nahm mich in den Arm, „Das war doch wirklich mehr als selbstverständlich, dir zu helfen, wenn es dir schlecht geht.“ „Du bist lieb.“ Das musste ich gerade sagen. Ich wusste nicht wieso, es war mir einfach so herausgerutscht. Tiia lächelte. „Und du bist süß.“ Wir unterhielten uns noch mehrere Stunden. Die meiste Zeit ging es über Jonne. Tiia wollte unbedingt wissen, was passiert war, nachdem sie gestern Abend gegangen war. Also begann ich zu erzählen, was es zu erzählen gab und ich sah es in Tiias Blick, wie sehr sie sich für mich freute. Als mein Handy klingelte, hörte ich überrascht auf, zu sprechen. Wer konnte das sein? Ein Blick auf die Anzeige sagte mir, dass es meine Mutter war. Verdammt, was wollte sie wohl...? War irgendetwas mit Tuuli? „Ja, Mama? Gibt es was Neues von Tuuli? Ja, okay. Ich komme. Nein, es geht mir ganz gut, Tiia ist hier. Ja, mach ich. Bis gleich.“ „Schöne Grüße von meiner Mutter“, sagte ich zu Tiia, „Sie möchte, dass ich jetzt ins Krankenhaus komme. Tuulis OP ist bald beendet.“ „Willst du, dass ich mitkomme?“, fragte Tiia nach. „Nein danke, geht schon. Ich ruf dich an...“ Wir verabschiedeten uns schnell voneinander und ich machte mich eilig auf zum Krankenhaus. Dort angekommen, schüttelte ich den Schnee von meinen Stiefeln und setzte mich zu meinen Eltern, die immer noch am selben Platz saßen. „Was gibt’s“, fragte ich. Meine Mutter lächelte mich an. „Dr. Häkkinen war gerade hier. Tuuli hat die Operation gut überstanden. Sie ist zwar noch nicht übern Berg, aber die Ärzte sind zuversichtlich, dass sie es schaffen wird.“ Ich fiel meiner Mutter um den Hals. Tuuli lebte!! Ich war noch nie so glücklich wie in diesem Moment. „Ja! Ja! Ja!“ Ich hüpfte durch den gesamten Korridor; die anderen Leute schauten mich merkwürdig an, doch das war mir egal. Hauptsache, meine Schwester lebte. „Können wir zu ihr??“, fragte ich enthusiastisch. Meine Mutter schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht. Dr. Häkkinen meinte, es wäre besser, wenn Tuuli noch einige Zeit allein wäre. Aber er wollte vorbeikommen, wenn wir sie sehen können.“ „Hoffentlich bald.“ Im Moment wollte ich nichts mehr, als bei meiner kleinen Schwester zu sein. „Auri, wenn du willst, kannst du auch wieder nach Hause, wir informieren dich, wenn es was Neues gibt“, meinte mein Vater. „Nein, ich bleibe noch ein bisschen hier. Vielleicht kommt der Arzt ja gleich...“, erwiderte ich. Das glaubte ich zwar nicht, aber man konnte ja wenigstens hoffen. „Ganz, wie du meinst...“ Mein Magen begann zu knurren. Jetzt, wo alles wieder in Ordnung war, bemerkte ich, wie hungrig ich wirklich war. „Hol dir was zu essen, Schatz. Nicht, dass noch einer unserer Familie im Krankenhaus landet“, lächelte mein Vater und drückte mir fünf Euro in die Hand. „Ich hab selbst Geld, danke“, lehnte ich ab, doch mein Vater bestand darauf, dass ich den Schein annahm. Mit dem Geld lief ich zum Kiosk, der nur wenige Meter entfernt war, und holte mir ein Käsebrötchen. Lecker. „Was sagt Tiia denn so?“, fragte meine Mutter mit gespieltem Interesse. Sie mochte meine beste Freundin nicht, allerdings hatte sie mir nie einen triftigen Grund für ihre Abneigung nennen können. Trotzdem wiederholte ich den unwichtigen Teil unseres Gespräches. Der Rest ging nur Tiia und mich etwas an. Eine Tür öffnete sich und ein kleiner Mann mit Halbglatze und einem Stethoskop um seinen Hals trat heraus. Mein Vater stand auf und ging auf ihn zu. „Herr Nevalainen, ich habe gute Nachrichten. Der Zustand ihrer Tochter ist weitgehend stabil, Sie können jetzt zu ihr. Aber bitte einzeln“, fügte er mit einem Blick auf meine Mutter und mich hinzu, „Und bleiben Sie nicht zu lange Frau Nevalainen ist immer noch geschwächt. Sie können immer zu mir kommen.“ Der Arzt, der anscheinend Dr. Häkkinen war, ging nun den Flur hinunter und betrat ein weiteres Krankenzimmer. Meine Eltern sahen sich fragend an. „Geh du zuerst, Meri“, sagte mein Vater und ließ meine Mutter ins Krankenzimmer. Er setzte sich neben mich. „Hab ich es nicht gesagt, Tuuli wird überleben!“ „Zum Glück. Ich wüsste nicht, was ich sonst gemacht hätte“, sagte ich. „Ich ruf schnell bei Tiia und Arho an und sag, dass alles in Ordnung ist.“ Ich stand auf und lief auf den Parkplatz des Krankenhauses, wo ich ungestört telefonieren konnte. Zuerst Tiia. Ich wählte ihre Nummer, es dauerte nicht lange, bis sie ranging: „Auri? Ist alles in Ordnung mit Tuuli?“ „Sie lebt!!“, rief ich und sprang durch den Schnee, „Sie hat es geschafft!!“ „Jaaaa!“ Ich konnte förmlich sehen, wie auch Tiia herumhüpfte. „Ich erzähl dir morgen mehr, muss noch Arho anrufen. Wie ich den kenne, schläft der schon“, lachte ich und legte auf. Es war zwar erst neun Uhr, aber Schlafen war sein größtes Hobby. Mein Mitbewohner war jedoch noch wach und freute sich fast genauso sehr wie Tiia. Bloß hüpfen tat er nicht. Nachdem auch das Gespräch beendet war, ging ich zurück zu meinem Vater. Der war jedoch bereits in Tuulis Zimmer verschwunden und meine Mutter saß wieder auf ihrem Platz. „Wie geht es ihr?“, fragte ich, auf die Zimmertür deutend. „Den Umständen entsprechend. Aber die Hauptsache ist, dass ihr Zustand stabil ist“, antwortete sie. Ich setzte mich wieder auf den Stuhl und wartete, dass mein Vater wiederkam. Es dauerte keine fünf Minuten, und er war wieder bei uns. „Wenn du willst, kannst du jetzt zu Tuuli. Aber fass dich kurz, ja?“, sagte er. Natürlich wollte ich zu ihr! Ich betrat das Zimmer. Die Vorhänge waren zugezogen, es war stockdunkel. „Hey, Schwesterchen“, lächelte ich und betrachtete das Gesicht von Tuuli. Sie war blass, soviel konnte man erkennen, und ihre Augen waren geschlossen. „Ich bin’s, Auri. Ich bin so froh, dass du noch lebst!“ Tränen der Erleichterung flossen mir über die Wangen. „Na ja, ich will auch nicht groß stören, deshalb geh ich auch gleich wieder...“ Doch bevor ich den Raum verließ, setzte ich mich auf einen Stuhl und schaute meine Schwester einfach nur an, nicht mehr. Sie lag da wie tot. Nach ein paar Minuten stand ich auf, blickte noch einmal auf Tuuli hinab und verließ das Zimmer. Auf dem Flur standen bereits meine Eltern aufbruchbereit da, sodass auch ich schnell meinen Mantel anzog. „Könnt ihr mich vielleicht zu Jonne bringen? Ich muss noch was mit ihm klären“, fragte ich meinen Vater. „Natürlich. Wo wohnt er denn?“ Ich nannte ihm Jonnes Adresse, die er mir glücklicherweise gestern Abend noch gesagt hatte und wir verließen das Gebäude. „Ach, Schatz, und denk ans Feng Shui!“, erinnerte mich meine Mutter. „Jaaaa...“ Als ob es nichts Wichtigeres gäbe... Bei Jonne angekommen, stand ich erst einige Zeit unsicher vor der großen Eingangstür. Was sollte ich ihm sagen? Was, wenn er mich wieder fortschickte? Schließlich kannte er die Gründe für mein Verhalten heute Morgen nicht. Ich klingelte bei einer Familie Kurkinen, Jonne musste ja nicht sofort wissen, dass ich kommen würde. Die Tür ging auf und ich ging hinein ins Treppenhaus. Im ersten Stock öffnete sich eine Tür und ein nett wirkender Mann schaute heraus. Das musste Herr Kurkinen sein. Ich grüßte freundlich und ließ den verwirrten Kerl allein. Jonnes Wohnung befand sich im dritten Stock, direkt gegenüber der Treppe. Eine „Herzlich Willkommen“ - Fußmatte ließ den Besucher fröhlich stimmen. Nun ja, ich war’s ja schon. Mir fiel auf, dass es in der Zwischenzeit ja schon kurz nach zehn war. Hoffentlich schlief Jonne noch nicht. Ich überlegte, ob ich klingeln sollte oder ob es um diese Uhrzeit unhöflich war, unangemeldet zu erscheinen. Natürlich war es letzteres, doch ich musste noch mit Jonne sprechen, sonst hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich drückte auf die Klingel und es dauerte eine halbe Ewigkeit bis mir endlich geöffnet wurde. Dort stand Jonne und sah mich mehr als überrascht an. Ich brachte kein Wort heraus, blickte ihn einfach nur an. Kurz bevor er sich wegdrehte, hielt ich ihn zurück und küsste ihn. Er tat nichts, weder erwiderte er meinen Kuss, noch stieß er mich weg. Das verwirrte mich, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Wieder liefen mir ein paar Tränen über die Augen. Ich wusste nicht, wieso. War es die Erleichterung, dass Tuuli lebte? Oder diese Ungewissheit gegenüber Jonne? Vielleicht war es auch beides. Der Tag war ja alles andere als leicht gewesen. Jonne legte die Arme um mich und endlich erwiderte er den Kuss. „Was machst du denn da die ganze Zeit an der Haustür, Jonne?“, kam es von dem Raum, der anscheinend das Wohnzimmer war. Der Gerufene schrak zurück. „Ähm, komme gleich“, rief er und sah mich Schulter zuckend an. „Okay, ich gehe ja schon...“, sagte ich. Ich hoffte, dass er meine Enttäuschung nicht bemerkte. „Quatsch, du bleibst. Jetzt wo du schon mal hier bist. Und außerdem hast du mir doch sicherlich etwas zu erklären, oder?“, er lächelte. Puh, er schien mir mein Verhalten nicht so übel zu nehmen, wie ich dachte. Zusammen gingen wir ins Wohnzimmer, wo zwei skurrile Typen saßen. Einer mit knallroten Haaren. Könnte Tiias Traummann sein, dachte ich. „Das sind meine Kumpels Antti“, Jonne deutete auf den Rothaarigen, „und Snack.“ „Oh, das tut mir Leid!“, rutschte es mir heraus. Peinlich... „Was?“, fragte dieser Snack, der mir nicht so ganz koscher vorkam. „Ähm... dass ich hier einfach so reinplatze... Hätt’ mir ja denken können, dass Jonne Besuch hat...“, antwortete ich. Grad noch so gerettet. „Ich bin übrigens Auri!“ „Duuu bist Auri???“, fragte Antti überrascht, „Na, dich hab ich mir ja ganz anders vorgestellt, nachdem was Jonne alles erzählt hat. Aber einen guten Geschmack hast du, Kumpel, da hast du nicht übertrieben.“ Ich wurde rot. Was hatte Jonne bloß erzählt? Wahrscheinlich alles, so wie ich Tiia und Arho alles erzählt hatte. Was die beiden wohl von mir dachten? Wahrscheinlich das, von dem ich dachte, dass auch Jonne das von mir denken würde... Hilfe, wo war ich gelandet? „Willst du nicht deine Jacke ausziehen, Schatz?“, fragte Jonne und sah mich interessiert an. „Ähm... klar. Wo ist denn die Garderobe?“ „Du bist gerade dran vorbeigelaufen. Dort drüben im Flur.“ „Okay“ Schnell ging ich wieder in den Flur und hing meine Jacke auf. Dabei warf ich einen genauen Blick auf Jonnes Einrichtung. Es standen viele kleine Dekorartikel herum, allerdings nicht in der Menge, dass es schon wieder unordentlich war. Man konnte beinahe vermuten, Jonne wäre Innenarchitekt. Ich kam wieder zurück ins Wohnzimmer, wo die Männer gerade dabei waren, weitere Bierflaschen zu killen. Jonne fragte mich, ob ich auch eine wolle, doch ich lehnte dankbar ab und fragte stattdessen nach einem Glas Wasser. Er schickte mich in die Küche. Sie war ziemlich ordentlich, kein bisschen Staub oder irgendwelche Essensreste lagen herum. Jonne musste ein guter Hausmann sein, denn ich bezweifelte stark, dass er vorhin mit Antti und Snack die Küche auf Vordermann gebracht hatte. Bei der Vorstellung musste ich lachen. Nachdem ich mir etwas Leitungswasser ins Glas gegossen hatte, kehrte ich zu den Jungs zurück und setzte mich neben Jonne aufs Sofa. Es war mir etwas unangenehm, in ihrer Anwesenheit über die Sache von heute Morgen zu reden. „Ich glaub, wir gehen jetzt lieber...“, schien der Rothaarige meine Gedanken zu lesen, doch Jonne forderte sie auf, zu bleiben. Muchas gracias, señor Liimatainen... „Also, was war heute Morgen los mit dir? Wieso hast du mich weggeschickt?“ „Ich habe einen Anruf gekriegt... von meiner Mutter. Sie meinte, dass meine Schwester einen Autounfall hatte und vielleicht stirbt...“ „Ich glaube, wir gehen jetzt wirklich lieber...“, unterbrach mich Antti und stand mit Snack zusammen auf. „Okay, dann bis morgen“, sagte Jonne, schien in Gedanken aber völlig abwesend zu sein. Als die Tür geschlossen war, nahm Jonne mich fürsorglich in den Arm. „Hätte ich das gewusst...“, sagte er geschockt. Ich konnte ihm sein schlechtes Gewissen ansehen. „Ist doch schon gut, Jonne. Die Hauptsache ist doch, dass meine Schwester noch lebt!“ Jonne atmete erleichtert aus und drückte mich. Dann erzählte ich ihm schnell den Rest der Geschichte. Auf die Frage mit dem Feng Shui schaute er mich bloß mit zwei riesigen Fragezeichen in den Augen an. „Was zum Teufel ist Feng Shui?“ „Na Feng Shui, die Harmonisierung des Menschen mit seiner Umgebung“, rezitierte ich den Wortlaut meiner Mutter. „Das einzige, mit dem ich harmonisiert bin, ist meine Gitarre“, lachte Jonne, „Richte das bitte deiner Mutter aus.“ „Mach ich“, gähnte ich. Peinlich berührt hielt ich mir eine Hand vor dem Mund. Der Tag hatte mich ganz schön geschafft. Jonne lachte erneut. „Ich glaube, wir gehen jetzt lieber ins Bett. Sonst schläfst du mir noch auf dem Sofa ein, und das möchte ich wirklich nicht verantworten!“ „Ist mir nur recht“, erwiderte ich. Ich stand auf und ließ mich von Jonne ins Badezimmer führen. „Ich hab leider keine zweite Zahnbürste, aber wenn du willst, kannst du meine haben“, bot er an. „Äh, lieber nicht. Von einmal nicht putzen werden meine Zähne schon nicht ausfallen. Ich ess’ Zahnpasta“, sagte ich und schmierte mir tatsächlich etwas von der weiß-rot gestreiften Creme auf die Zähne. „Hat man dir eigentlich schon mal gesagt, dass du einen an der Waffel hast?“, fragte Jonne. „Täglich“ „Mensch, ich liebe dich!“, sagte mein Freund und gab mir einen Kuss auf den Kopf. Kurze Zeit später lag ich neben ihm auf seinem Bett und kuschelte mich an seinen Körper. Kapitel 15: Kapitel 8: Merry X-Mas - Part 1 ------------------------------------------- Jonne: „Was machst du denn da die ganze Zeit an der Haustür, Jonne?“, rief Antti aus dem Wohnzimmer und ich schrak zurück. „Ähm, komme gleich“, antwortete ich nur zu Auri blickend und zuckte mit den Schultern. Doch Auri schien das irgendwie unangenehm zu sein und meinte nur: „Okay, ich gehe ja schon...“ Doch so einfach ließ ich sie nicht gehen. Kam ja gar nicht infrage, dass sie einfach so wieder abhaute, wo ich sie doch unbedingt noch fragen musste, was heute Morgen mit ihr los war. „Quatsch, du bleibst. Jetzt wo du schon mal hier bist. Und außerdem hast du mir doch sicherlich etwas zu erklären, oder?“ Ich lächelte sie sanft an und zu mindest hatte es den Anschein, als sei sie etwas erleichtert über meine Reaktion. Gemeinsam gingen wir ins Wohnzimmer, wo ja immer noch Antti und Snack saßen und auf meine Rückkehr warteten. „Das sind meine Kumpels Antti“, ich zeigte auf unseren Bassisten gefolgt von unserem Keyboarder, „und Snack.“ „Oh, das tut mir Leid!“, entschuldigte sich Auri, ihr schien das wohl doch sehr unangenehm gewesen zu sein. „Was?“, erkundigte sich Snack. Doch ich konnte mir schon denken, was es war. „Ähm... dass ich hier einfach so reinplatze... Hätt’ mir ja denken können, dass Jonne Besuch hat...“, antwortete meine Freundin und stellte sich dann auch noch vor, „Ich bin übrigens Auri!“ „Duuu bist Auri???“, Antti schien sichtlich überrascht. Er hatte bei diesem Namen wohl etwas anderes erwartet, „Na, dich hab ich mir ja ganz anders vorgestellt, nachdem was Jonne alles erzählt hat. Aber einen guten Geschmack hast du, Kumpel, da hast du nicht übertrieben.“ Aus dem Blickwinkel konnte ich erkennen, wie Auri plötzlich rot wurde. Ihr war das wohl alles doch ziemlich peinlich. Also versuchte ich sie abzulenken und das Gespräch aufzulockern. „Willst du nicht deine Jacke ausziehen, Schatz?“ „Ähm... klar. Wo ist denn die Garderobe?“, kam auch sogleich die Antwort. „Du bist gerade dran vorbeigelaufen. Dort drüben im Flur.“ Ich zeigte auf die Garderobe im Flur. „Okay“, gab sie noch zurück, bevor sie kurz im Flur verschwand. Wir nutzten hingegen die Gelegenheit und eröffneten die nächste Runde Bier. Kurz darauf kam Auri wieder und ich bot ihr ebenfalls eine Flasche Bier an, doch sie lehnte nur dankbar ab und fragte mich stattdessen nach einem Glas Wasser, woraufhin ich sie einfach in die Küche schickte. Bei näherer Betrachtung war das schon alles mehr als unhöflich von mir gewesen. Wie konnte ich sie nur so in meiner Wohnung hin und her schicken. Ich meine, eigentlich hätte ich ihre Jacke anhängen und ihr etwas zu trinken holen sollen. Abgesehen davon hoffte ich, dass ihr nicht irgendwelcher Dreck oder Müll auffallen würde, den wir vielleicht bei unserer Aufräumaktion übersehen hatten. Das wäre wirklich peinlich gewesen. Doch zu meiner Erleichterung kam sie ohne ein Wort über solcherlei Dinge zu verlieren zurück ins Wohnzimmer und setzte sich neben mir auf die Couch. „Ich glaub, wir gehen jetzt lieber...“, meinte Antti dann, doch ich wollte sie jetzt nicht einfach gehen lassen, wo wir doch so viel Spaß gehabt hatten an diesem Abend, sie es geschafft hatten mir jegliche Sorgen wegen Auri zu nehmen und abgesehen davon brauchte ich sie, da ich nicht wusste, was mit Auris Erklärung auf mich zu kommen würde. Ich konnte ja nicht wissen, was mich erwartete und wollte sie einfach als seelische Unterstützung bei mir haben, damit sie mir im Notfall beistehen konnten. Auri jedoch schien irgendwie nicht so begeistert davon, dass ich die beiden zum Bleiben aufforderte. Dennoch stellte ich nun meine Frage noch ein mal deutlich und hoffte, dass ich eine klare und nicht so schmerzhafte Antwort erhalten würde, wie die Ablehnung am vergangenen Morgen. „Also, was war heute Morgen los mit dir? Wieso hast du mich weggeschickt?“ „Ich habe einen Anruf gekriegt... von meiner Mutter. Sie meinte, dass meine Schwester einen Autounfall hatte und vielleicht stirbt...“, begann sie sofort zu erklären und ich stellte fest, dass ich Antti und Snack vielleicht doch lieber hätte gehen lassen sollen. „Ich glaube, wir gehen jetzt wirklich lieber...“, unterbrach Antti Auris Ausführung auch sogleich und sprach damit eben genau das aus, was ich zuvor schon gedacht hatte. Gemeinsam mit Snack begab er sich dann in den Flur, zog sich an und öffnete die Wohnungstür. „Okay, dann bis morgen“, verabschiedete ich mich noch völlig in Gedanken versunken und daraufhin verließen die zwei dann auch meine Wohnung und ich vernahm nur noch hintergründig das Klacken der Tür als sie ins Schloss fiel. Als ich somit sicher war, dass die beiden weg waren, nahm ich Auri wie hypnotisiert und dennoch tröstend in den Arm. „Hätte ich das gewusst...“, setzte ich das Gespräch nun wieder an, war dabei in Gedanken jedoch immer noch ziemlich abwesend, da mich diese Nachricht schon mehr als schockiert hatte. Wie musste Auri sich nur fühlen? Nun, eigentlich war diese Frage echt bescheuert, denn wenn ich nicht wusste, wie sie sich fühlte, wer dann. Ich meine, mein jüngerer Bruder hatte so oft in seinem Leben Mist gebaut, so oft bangten wir um sein Leben, mal mehr, mal weniger und auch um mich hatten meine Brüder schon bangen müssen, denn immerhin, war ja auch ich schon mal dem Tode nah gewesen. „Ist doch schon gut, Jonne. Die Hauptsache ist doch, dass meine Schwester noch lebt!“, versuchte Auri mich zu beruhigen und ich musste zugeben, sie hatte Recht. Immerhin konnte ich ihr nicht helfen, indem ich Trübsal blies, sondern eher indem ich mich aufraffte und ihr Mut machte. Stattdessen musste sie mich eben beruhigen. Bei näherer Betrachtung war das irgendwie schockierend. So konnte ich mich ihr gegenüber nicht verhalten. Nicht jetzt, nicht so, ich musste ihr beistehen verdammt und nicht ihren Beistand in Anspruch nehmen. Ich drückte sie fest an mich und verlieh meiner Erleichterung Ausdruck, indem ich tief ein- und ausatmete. Danach fuhr sie mit ihrer Geschichte fort, erzählte mir alles was wichtig war und fragte mich auf Bitten ihrer Mutter, ob ich meine Wohnung nach dem Feng Shui-Prinzip eingerichtet hätte. Nicht das ich davon noch nie etwas davon gehört hatte, aber das ihre Mutter so etwas wissen wollte ließ zwei riesige Fragezeichen in meinen Augen aufblitzen. Das fand ich schon wirklich mehr als merkwürdig. Da Auri das wohl bemerkt hatte und natürlich nicht zugeben wollte, dass ich diese Frage von ihrer Mutter wirklich mehr als dämlich fand, immerhin wollte ich ja ihre Mutter nicht beleidigen, stellte ich mich einfach dumm. „Was zum Teufel ist Feng Shui?“, fragte ich also und versuchte dabei so unwissend wie möglich zu wirken, anscheinend mit erfolg. „Na Feng Shui, die Harmonisierung des Menschen mit seiner Umgebung“, erklärte sie mir wie auswendig gelernt. „Das einzige, mit dem ich harmonisiert bin, ist meine Gitarre“, antwortete ich darauf nur scherzhaft, „Richte das bitte deiner Mutter aus.“ „Mach ich“, versprach sie mit einem Gähnen. Sie schien schon sehr müde zu sein. Die Ärmste gehörte definitiv ins Bett und zwar sofort. Doch irgendwie sah es schon sehr niedlich aus wie sie so peinlich berührt die Hand vor den Mund hielt und konnte mir deshalb ein Lachen nicht verkneifen. „Ich glaube, wir gehen jetzt lieber ins Bett. Sonst schläfst du mir noch auf dem Sofa ein, und das möchte ich wirklich nicht verantworten!“, witzelte ich. „Ist mir nur recht“, gab sie völlig übermüdet zurück und ich hatte schon Angst, dass sie mir wirklich gleich in einen hundertjährigen Schlaf fallen würde. Obwohl dann wohl ein Kuss zur Wiedererweckung genügen würde und dagegen hatte ich nun wirklich nichts einzuwenden. Doch zu meinem Glück konnte sie sich dennoch aufraffen und sich von der Couch erheben und so konnte ich sie auch sogleich in mein Badezimmer einweisen. „Ich hab leider keine zweite Zahnbürste, aber wenn du willst, kannst du meine haben“, erklärte ich somit. „Äh, lieber nicht. Von einmal nicht putzen werden meine Zähne schon nicht ausfallen. Ich ess’ Zahnpasta“, antwortete sie jedoch, von meiner Idee wohl wahrlich nicht begeistert und schmierte sich tatsächlich Zahnpaste auf die Zähne. Innerlich war ich leicht schockiert. Was hatte ich mir da nur angelacht? Doch zum Glück konnte ich das verbergen und sie bemerkte es nicht. Dennoch konnte ich mir jedoch eine scherzhafte Frage einfach nicht verkneifen. „Hat man dir eigentlich schon mal gesagt, dass du einen an der Waffel hast?“ „Täglich“, gab sie nur gelassen zurück und grinste mich frech an. „Mensch, ich liebe dich!“, grinste ich frech zurück und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Danach schafften wir es dann doch endlich uns in mein Bett zu legen. Sie lag neben mir und kuschelte sich an mich an ehe sie dann irgendwann im Reich der Träume versank. Einige Tage später… Es war der 24.12.2008. Auri und ich waren nun zwar schon einige Zeit zusammen, doch Heilig Abend feierten wir immer noch getrennt von einander. Ich feierte es dieses Jahr mit meinen Brüdern und meinen besten Freunden und das konnte schon ein ganz schönes Chaos zur Folge haben. In jedem Fall hoffte ich, dass meine Geschenke gut ankommen würden, die ich für meine Freunde ausgesucht hatte. Nebenbei galt nicht zu vergessen, dass wir nach den Feiertagen noch ein paar Proben einschieben mussten, denn immerhin traten wir am 30.12. also einen Tag vor Silvester auf dem Helldone Festival im Tavastia in Helsinki auf und da wollte man ja gut vorbereitet sein. Man konnte sich ja wenigstens noch etwas Lustiges für den Anlass überlegen, irgendwas würde uns schon einfallen, dachte ich mir. Doch erst einmal war feiern angesagt und deshalb trafen wir uns alle bei Snack, weil er abgesehen von Jay die größte Wohnung hatte und da Jay es nicht mochte so viele Leute bei sich zu haben von wegen aufräumen und so, trafen wir uns also bei unserem Keyboarder. Mit einer Kiste voller Geschenke schleppte ich mich die Treppe hoch. Als ich dann endlich oben angekommen war betätigte ich erschöpft die Klingel. Es dauerte auch nicht lange, da öffnete mir Snack auch schon die Tür. „Hei Jonne, da bist du ja endlich!“, grinste er mir entgegen. „Oh Gott, bin ich denn schon wieder so krass zu spät?“, fragte ich bestürzt. „Nein, nein… ausnahmsweise Mal nicht, aber man kann dir ja auch Mal nur aus Spaß ’nen Schauer über den Rücken jagen… Aber komm doch erstmal rein… der letzte bist du übrigens nicht“, antwortete er nur und hielt mir die Tür auf. Ich ging geradewegs Richtung Wohnzimmer und verteilte meine Geschenke unter dem dort aufgestellten Weihnachtsbaum. Erst danach bemerkte ich, dass außer mir noch gar keiner da war. Ich nahm die Kiste und ging Richtung Küche. Im Flur stellte ich die Kiste ab und betrat dann das heilige Reich unseres kleinen großen Hobbykoches. „Hei, sag mal, du meintest zwar, dass ich nicht der letzte bin diesmal, aber du erwähntest nicht, dass ich der erste bin!“, überfiel ich ihn. „Stimmt… das habe ich dir netter Weise verschwiegen, aber ja du hast Recht, du bist der erste“, lächelte er mir gut gelaunt entgegen. Es dauerte auch nicht lange ehe die nächsten eintrudelten. Freudig öffnete Snack ihnen die Tür und dachte nicht einmal daran, dass ich ja auch noch da war und sie so hätte öffnen und er so hätte weiter am Essen rumbasteln können. Direkt nach dem Öffnen der Tür vernahm ich fröhliche Weihnachtsgrüße, womit ich auch gleich wusste, wer alles gekommen war: Antti, sein Bruder Arttu, Larry, Chris und Matthau. Ich ging nun ebenfalls zur Tür und begrüßte sie herzlichst. Danach begaben wir uns ins Wohnzimmer und setzten uns auf die Couch. Die anderen nutzten noch schnell die Gelegenheit und verteilten die Geschenke unter dem Baum. Einige Stunden später waren dann auch meine Brüder Tommi und Ville endlich da, ebenso wie Paavo, Simo und Jay, womit wir dann auch komplett waren. Zu dem Zeitpunkt war es bereits 18 Uhr und wir beschlossen erst einmal etwas zu essen. „Wow… ich muss schon sagen, sollten wir öfters machen, dieser Weihnachtsbraten ist einfach vorzüglich“, stellte Simo fest. „Mensch Simo man könnte glatt meinen du wärst verfressen“, kommentierte Chris Simos Ausführungen über das Essen. „Tja, also wenn ihr das öfter haben wollt, brauchen wir nur genügend Leute, die das dann auch essen, dann mach ich das auch gerne öfter“, erklärte Snack. „Hm… aber wenn du erlaubst, würde ich dir dabei das nächste Mal gerne helfen… du weißt doch, wie gerne ich Braten mache“, grinste Chris unserem Keyboarder entgegen. „Kein Problem… verschafft einem mehr Zeit auch noch einen aufwendigen Nachtisch vorzubereiten“, lachte dieser nur. „Klar oder wir kochen ab jetzt immer zusammen“, begann Antti sich einzumischen, „Hat doch letztens bestens funktioniert.“ „Äääähm ja Antti… mal abgesehen von dem Chaos in meiner Küche und dem Aufwand sie wieder auf Vordermann zu bringen, war es wirklich sehr lustig“, erwiderte ich. Antti und Snack begannen zu lachen und ich stimmte mit ein und ebenso auch der Rest. Nach dem Essen räumten wir alles wieder zurück in die Küche und diese noch weitestgehend auf. Danach setzten wir uns wieder gemeinsam im Wohnzimmer auf die Couch. Wir überlegten wie wir unsere Bescherung einleiten wollten und kamen zu dem Schluss, dass wir ja einfach ein wenig zusammen jammen konnten. Snack war was Instrumente betraf mehr als gut ausgestattet. Chris, Matthau und Paavo griffen sich sofort erstmal die Gitarren, Matthau die Akustische und Chris und Paavo die E-Gitarren. Larry wurde dazu verdonnert sich eine der Percussions zu nehmen. Das taten im Übrigen auch Jay und Simo. Tommi versuchte sich geschickt raus zu winden, was dazu führte, dass er mit Ville und Arttu zum Background singen gezwungen wurden. Nicht dass Larry, Chris und Snack nicht auch mit für den Background zuständig waren, aber immerhin brauchten die drei ja auch eine Aufgabe und da Snack sich ans Klavier setzte, blieb ihnen eben nur noch diese Möglichkeit. Antti hatte sich natürlich den E-Bass geschnappt und ich begnügte mich damit einfach nur zu singen und mich in dieser Hinsicht immer mal ein wenig mit Matthau abzuwechseln. Ich musste zugeben, dass sollten wir öfter machen, denn es war wirklich fantastisch. Man hätte es unserer Meinung gleich so als das perfekte Jam-Werk verkaufen können. Obwohl Produzenten das wohl etwas anders gesehen hätten. Aber das wichtigste war, dass wir unglaublich viel Spaß daran hatten. Selbst Larry der am liebsten Gitarre gespielt hatte, war am Ende schon unheimlich begeistert gewesen. Wir spielten etwa drei Songs von unfassbarer Länge und danach wollten wir nur noch eines: Geschenke auspacken. Also wurde erst einmal eine Runde Schere, Stein, Papier gespielt um auszumachen, wer die Geschenke verteilen durfte. Eine Weihnachtsmannzipfelmütze setzten wir uns jedoch alle auf. Immerhin hatten wir jetzt eine wo *NEGATIVE* drauf stand in unserem Merchandisesortiment. Die Ehre die Geschenke auszuteilen wurde jedoch Tommi zu gute. Eines nach dem anderen verteilte er die Geschenke. Es herrschte ein reges stürmisches Geschenke Auspacken. Nebenbei überlegte ich schon mal wie sie wohl auf meine Geschenke reagieren würden. Für Tommi hatte ich ein paar Alben von noch ziemlich unbekannten Bands rausgesucht, bei denen ich dachte, dass sie ihm sicher gefallen würden. Ville hingegen bekam von mir viel Süßes geschenkt in der Hoffnung, dass er so in nächster Zeit etwas weniger rauchen und Alkohol trinken würde. Das tat ihm nämlich definitiv nicht gut. Außerdem wollte ich ihn damit auch mal ein wenig aufziehen unser kleines Nesthäkchen. Bei Larry hatte ich erst mit dem Gedanken gespielt, ihm einen Gutschein für einen Hypnotiseursbesuch zu schenken, damit er so vielleicht das Rauchen aufhören konnte. Immerhin sagte er ja immer, dass es eine schlechte Angewohnheit von ihm war. Doch im Endeffekt, so dachte ich mir, wollte er es wohl nicht loswerden, weshalb ich den Gedanken also verworfen hatte und ihm so lieber eine Packung neuer Plektren, wohlgemerkt mit dem Aufdruck *NGT* und eine Flasche Whisky. Antti bekam ebenfalls neue Plektren von mir und ein paar Schlüsselanhänger von denen ich glaubte sie würden ihm gefallen, darunter eine Spezialanfertigung nur für ihn. Es war ein Anhänger mit einer seiner E-Bassgitarren und seinem Namen auf deren Hals. Jay erhielt ein paar neue Drumsticks auch mit NGT-Logo und zwei Konzertkarten fürs nächste Slipknotkonzert, er hatte zwar zur Zeit keine Freundin, aber wer weiß wen er bis dahin noch kennenlernt, den er mitnehmen will. Chris schenkte ich eine NGT-Weihnachtsmütze, weil er noch keine hatte und meinte, dass er sie toll findet. Außerdem bekam er noch zwei paar neue Ohrringe. Als ich sie sah, musste ich sie einfach kaufen und Chris schenken. Ich wusste sofort, dass sie ihm gefallen würden. Hinzu kamen noch neuer Nagellack und Kajal, da er mich ein paar Tage zuvor am Telefon voll geheult hatte, dass sein letzter Nagellack bald alle wäre und ebenso auch sein Kajal. Wohlgemerkt sagte er das mit einem „Also weißt du ja dann, was du mir schenken SOLLST“ – Unterton. An sich mochte ich es Chris etwas zu schenken, denn während ich bei den anderen Stunden lang überlegte, was ihnen wohl gefallen könnte und mir am Ende doch nichts wirklich kreatives einfiel wie ich fand, brauchte ich um ihm etwas zu besorgen nur durchs nächste Shoppingcenter zu laufen und hätte nach spätestens fünf Minuten genügend gefunden. Abgesehen davon freute er sich eh über so ziemlich alles. Was das betraf, war er ziemlich leicht zufrieden zu stellen. Dieses Jahr hatte ich es sogar geschafft etwas für Matthau zu finden. Ein neues T-Shirt mit stylischem Aufdruck, bei welchem ich sofort an ihn denken musste als ich es sah und ebenfalls ein paar neue Ohrringe. Natürlich bekam auch Snack ein Geschenk und ich wusste nicht wieso, aber dieses Jahr war ich was ihn betraf noch einfallsloser als sonst und schenkte ihm einfach ein neues Kopftuch in seiner Lieblingsfarbe grün und eine Flasche Absinth. Obwohl ich teilweise sehr unkreativ mit meinen Geschenken gewesen war, kamen sie trotzdem alles bestens bei ihren neuen Besitzern an. Selbstverständlich hatten auch die anderen drei etwas bekommen, nur eben nichts von mir. Die Geschenke der anderen waren auch echt toll. Chris Geschenke waren wie immer etwas, nun ja, außergewöhnlich konnte man sagen und vor allem gewöhnungsbedürftig, doch im Endeffekt mehr als kreativ und einfach nur liebenswürdig. Snacks Geschenke waren freakig, Anttis durchgeknallt, Jays teilweise ein wenig unpassend und teilweise viel zu gut passend und Larrys Geschenke waren noch einfallsloser gewesen als meine. Freudig bedankte sich also jeder für jedes Geschenk bei dem jenigen von dem es war und begutachtete anschließend noch einmal ganz genau, was er überhaupt alles bekommen hatte. So besah auch ich mir meine „Ausbeute“. Larry hatte mir einen neuen Hut geschenkt, der mir immerhin gut gefiel und somit ein sinnvolleres Geschenk war, als die Geschenke der letzten Jahre und Jay war der Ansicht mir einen Gutschein für einen DVD-Abend zu schenken. Irgendwie waren seine Geschenke immer ziemlich wenig greifbar und im ersten Moment ein wenig sinnlos, da wir eh ständig DVD-Abende machten, aber am Ende wurde trotzdem jedes seiner Geschenke etwas besonderes. Antti schenkte mir einen Film mit dem Namen „Liebe braucht keine Ferien“. Warum auch immer er mir den Film schenkte, aber er meinte, ich solle ihn mir doch unbedingt mit Auri zusammen angucken und als wäre das noch nicht genug, bekam ich von Snack auch noch den Gutschein, für ein traumhaftes Dinner. Ich dachte echt ich spinne. Also manchmal konnten die zwei es wirklich übertreiben mit ihrer Fürsorge oder sollte ich es lieber einen Amorkomplex nennen. Naja, wie auch immer, Fakt jedenfalls war, dass die zwei einfach hoffnungslose Romantiker waren und wie sie mir damit erneut bewiesen, definitiv jeder eine Freundin brauchten. Tommi schien irgendwie denselben Gedanken gehabt zu haben wie ich und schenkte mir auch ein paar Alben von unbekannten Bands. Ville schenkte mir eine Karte fürs nächste Uniklubikonzert mit der Begründung, dass Arttu Antti auch eine schenken und wir so zusammen hingehen könnten. Immerhin sollte im nächsten Jahr ja endlich das neue Album erscheinen und im Rahmen dessen sollte es eben auch eine Tour geben. Da wäre es für Antti eh klar gewesen, dass er hingeht, aber da Ville und Arttu wohl der Meinung waren, dass Antti unbedingt ne Begleitung bräuchte, bekam ich eben auch eine Karte. Matthau und Simo hatten uns alle zu ihrem nächsten Konzert eingeladen und Chris Geschenk war wie immer unbeschreiblich faszinierend. Nicht, dass man nicht sagen könnte, was es war, doch es war eben unbeschreiblich in seiner Art. Natürlich waren es so typische Dinge wie, ein neuer Schal und ein paar neue T-Shirts, die allesamt echt klasse waren und nicht zu vergessen hatte er uns fünfen von NGT doch tatsächlich jedem ein Bild von sich geschenkt, von wegen was immer auch passiert, wir sollten ihn niemals vergessen. Einfach zu süß wenn man mal ehrlich war. So saßen wir noch lange in Snacks Wohnzimmer und feierten das perfekte Weihnachten, ehe wir irgendwann alle nach Hause verschwanden. Kapitel 16: Kapitel 8: Merry X-Mas - Part 2 ------------------------------------------- Auri: Fröhlich wachte ich auf. Es war Weihnachten, das Fest der Liebe. Auch wenn mein Liebster und ich getrennt feiern würden, freute ich mich auf den heutigen Tag. Pfeifend stand ich auf und ging ins Bad um mich tagfertig zu machen. Danach ging ich in die Küche, wo, entgegen meiner Erwartungen, Arho bereits das Frühstück zubereitete. „Fröhliche Weihnachten!“, rief er mir entgegen und knuddelte mich. „Danke, gleichfalls. Wie kommt’s, dass du schon wach bist?“ Arho stellte zwei Becher Kaffee auf den Tisch. „Ich konnte nicht mehr schlafen und da dachte ich mir, ich deck schon mal den Tisch“ „Du und nicht mehr schlafen können?“, lachte ich und half meinem Freund, den Tisch zu decken. Nach dem Frühstück stieg ich in mein Auto und fuhr zu Tuuli ins Krankenhaus. Sie war jetzt wieder voll bei Bewusstsein und wurde bereits auf die normale Station verlegt. Dennoch, die Ärzte meinten, dass sie sicherheitshalber noch bis Neujahr im Krankenhaus bleiben sollte. Den Morgen und den Nachmittag wollten meine Eltern und ich bei ihr verbringen und dann gegen Abend zu ihnen nach Hause nach Teisko, etwas nördlich von Tampere, fahren. Zum Glück waren die Straßen einigermaßen Schneefrei und aufgrund des besonderen Tages schön leer, was das Fahren erleichterte. Schon nach 10 Minuten war ich beim Krankenhaus. Ich parkte meinen Wagen in der Nähe des Haupteinganges und machte mich auf den Weg zum Zimmer meiner Schwester. Obwohl ich die letzte Zeit täglich hier war, hatte ich mich noch immer nicht an den Krankenhausgeruch gewöhnt. Zwar nahm ich ihn nicht mehr so stark wahr, aber er war einfach nicht wegzukriegen. Ich ging den langen Flur entlang, in dem Tuuli nun lag und öffnete leise die Tür. „Hei!“, begrüßte mich meine Schwester und setzte sich etwas auf. Meine Eltern waren noch nicht da. „Hei!“, antwortete ich mindestens genauso fröhlich wie sie, ging zu ihr hinüber und drückte sie leicht. „Fröhliche Weihnachten!“ „Danke, dir auch. Auch wenn die Atmosphäre vielleicht nicht so nett ist“, lachte Tuuli, „Na ja, wenigsten hab ich hier ein ‚hübsches’ Bild hängen.“ Immer noch lachend, deutete sie auf das „Kunstwerk“ gegenüber dem Bett. Es schien sich um ein expressionistisches Bild zu handeln, soviel ließ meine Ahnung von Kunst gerade noch zu. Es war ein stark verzerrter Kaktus darauf abgebildet. „Pekka, pass doch auf, wo du hinläufst!“, hörte ich schon aus weiter Ferne meine Mutter rufen. „Achtung, sie kommen!“, sagte ich halb belustigt, halb genervt zu Tuuli. „Hab’s auch gehört. Dann kann das Weihnachtsfest ja beginnen...“ Die Tür öffnete sich und bevor man sehen konnte, wer kommt, hörte man: „Haalloo, Tuuli! Wir sind daha!“ Dann betrat meine Mutter das Zimmer, dicht gefolgt von meinem Vater, der sich fluchend das rechte Bein rieb. Vermutlich war er gegen die Stuhlreihe unweit von Tuulis Zimmer gelaufen. „Frohe Weihnachten!“, riefen Tuuli und ich im Chor. „Ach, Auri Schätzchen, du bist auch schon da? Nein, wie schön!“, erwiderte meine Mutter überrascht. Ich warf meiner Schwester einen vielsagenden Blick zu, mein Vater schwieg, wie meistens. „Guckt mal, ich habe was zu essen mitgebracht! Belegte Brote, Schnitzel, Kuchen und Kekse... Alles was ihr wollt! Nehmt euch!“ Sie stellte einen großen Korb auf den Boden und fischte mehrere Tupperbehälter heraus, alle mit merkwürdigem Inhalt. „Na ja...“, sagte mein Vater, „Essen würd ich das nicht nennen, eher Lebensmittelzusammenwürfelung oder so ähnlich.“ Tuuli und ich lachten laut auf, meine Mutter strafte erst meinen Vater, dann uns mit beinahe schon tödlichen Blicken. Das störte uns allerdings nicht im Geringsten. Beleidigt packte meine Mutter alle Behälter zurück in den Korb, verstaute diesen unter Tuulis Bett und schwieg. Meine Mutter wäre aber nicht meine Mutter, wenn sie das lange durchhalten würde. Nur zehn Sekunden später fragte sie: „Tuuli, wie geht’s dir heute? Sind die Kopfschmerzen weg?“ „Ja, fast. Die haben hier gute Medikamente.“ „Dass du mir nicht abhängig wirst, meine Liebe!“ Ich verkniff es mir, mir irgendetwas anmerken zu lassen. Überführsorgliche Mütter können die Hölle sein, erst recht wenn man schon, wie in meinem Fall, seit mehreren Jahren in einer eigenen Wohnung wohnt. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, wo sie mich jeden Tag angerufen und gefragt hat, ob ich auch genügend Gemüse esse. „Ach Auri, hast du deinen Janne gefragt, wie es bei ihm mit Feng Shui aussieht?“, wollte sie wissen. Ich stöhnte genervt auf. „Erstens heißt er Jonne und zweitens meinte er, das einzige, mit dem er harmonisiert sei, wäre seine Gitarre“, rezitierte ich meinen Freund. „Ein Musiker!“, rief meine Mutter entsetzt, „Pekka, hast du gehört? Ein Musiker, unser Schwiegersohn ist ein Musiker!“ Mir fiel beinahe alles aus dem Gesicht. Wie kam die Frau denn nun darauf, Jonne als ihren Schwiegersohn anzusehen?? Er und ich waren gerade mal eine gute Woche zusammen. Ich versuchte, meiner Mutter diese Tatsache klar zu machen. Die Betonung lag auf dem Wort versuchte. „Und ein Musiker ist er auch nicht. Er spielt nur ein bisschen Gitarre.“ „Und was macht er dann beruflich?“ Meine Mutter blieb hartnäckig und ich gab nach. Widerstand war bei ihr zwecklos. „Ähm... das weiß ich gar nicht so genau...“, gab ich zu. Meine Mutter blickte meinen Vater entsetzt an. „Pekka!“, rief sie, „Einen arbeitlosen Hobbymusiker! Ach Gott, was ist nur aus der Gesellschaft geworden?“ Mein Vater sagte nichts, Tuuli stand kurz vor einem Lachanfall und ich konnte es mir gerade noch verkneifen, zu schreien. War es denn so schwer, zu verstehen was ich sagen wollte? Für einen kurzen Moment war es ruhig im Raum, dann meinte Tuuli: „Und was machst du morgen, Auri? Feierst du mit Jonne?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, morgen feiere ich mit Arho, Tiia und ihrem Freund bei denen zu Hause. Jonne und ich wollten uns am zweiten Weihnachtstag treffen. Und ihr?“ Ich schaute zu meinen Eltern. „Dasselbe wie letztes Jahr Gar nichts“, antwortete mein Vater trocken. „Jetzt tu mal nicht so, als würdest du etwas daran ändern wollen! Wer ist es denn, der Weihnachten ständig vor der Glotze sitzt und bescheuerte Monty Python Filme guckt?“, regte meine Mutter sich auf. „Hey, die sind kulturell wertvoll! Monty Python gehören zu den besten Comedians unserer Zeit!“, erklärte mein Vater. „Ruhig, Leute!“, rief Tuuli und hob mahnend die Hände. Welcome to my family..., dachte ich. Der Tag konnte noch heiter werden. Doch zum Glück verlief alles einigermaßen normal. Gegen 16 Uhr entschieden wir uns, die Geschenke auszupacken. Meinem Vater schenkte ich wie geplant einen historischen Krimi, wobei es mir ziemlich egal war, ob der Autor nun die Fakten beachtet hatte, oder nicht. Meine Mutter bekam mehrere Blumentöpfe und dazu Saatgut für Küchenkräuter. Auch wenn sie laut Aussage meines Vaters dadurch auch nicht besser kochen können wird, freute sie sich sehr darüber. Tuuli bekam eine DVD von ihrer Lieblingsserie „Lost“. Und von meinen Eltern bekam ich ebenfalls einen Krimi und dazu noch ein neues Notizbuch. Das passte sehr gut, war mein altes doch gerade voll geworden. Tuuli war tot traurig, dass sie uns ihre Geschenke nicht geben konnte, doch wir versicherten ihr, dass dies überhaupt kein Problem sei. Nachdem wir uns noch ein wenig unterhalten hatten, brachen meine Eltern und ich auf, um unsere restlichen Verwandten in Teisko zu besuchen. Das alljährliche Weihnachtsknuddeln bei Tante Silja war zum Glück schnell vorbei, sodass ich mich gegen acht wieder auf den Weg nach Hause machte. Der nächste Tag begann für mich erst um zehn. Heute wollte ich mal wieder ausschlafen, das hatte ich schon viel zu lange nicht mehr getan. Ausgeschlafen ging ich ins Badezimmer, wo ich als erstes unter die Dusche sprang. Kalt lief mir das Wasser über den Rücken und machte mich richtig wach. Ich ging in die Küche, wo Arho auch heute schon dabei war, das Frühstück vorzubereiten. Mensch, was war denn mit dem los in letzter Zeit? „Na, ausgeschlafen?“, grinste er, während er als Letztes die Marmelade auf den Tisch stellte. Mit einem Nicken antwortete ich ihm und setzte mich an den Tisch, Arho gegenüber. „Wann sollten wir noch mal bei Tiia sein?“, wollte er wissen. „So gegen Nachmittag.“ Ich stopfte mir meinen Toast in den Mund. Arho war zufrieden mit der ungenauen Antwort und biss ebenfalls von seinem Brot ab. Nach dem Frühstück gingen wir in unsere Zimmer um etwas zu entspannen. Ich begann mit meinem neuen Buch. Es fing schon sehr spannend an und ich mochte es gar nicht mehr aus der Hand legen, doch Arho erinnerte mich durch sein Klopfen an meiner Tür, dass wir ja noch mit Tiia und ihrem Freund verabredet waren. Ich machte mich noch etwas schick und suchte die Geschenke zusammen, bevor wir losliefen. Tiia wohnte nicht sonderlich weit von uns weg, weshalb wir auch schnell da waren. „Ah, da seid ihr ja!“, rief die Grünhaarige erfreut, nachdem wir geklingelt hatten. Auf ihrem ebenfalls grünen Rock waren viele bunte Weihnachtsmänner und Rentiere. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass diese Frau später einmal an einer Schule Politik und Geschichte unterrichten würde. Bei Arho war das kein Problem, der war von Natur aus eher ein langweiliger Mensch, aber bei Tiia? Sie führte uns in ihre Wohnung, wo ihr Freund Jussi schon auf uns wartete. Zusammen gingen wir in die Küche, die sogar noch kleiner war als unsere. „Wir haben uns gedacht, dass wir Kekse backen. Zu Weihnachten gehören schließlich Kekse!“, meinte Jussi, ein Gothic aller erster Sahne. Ich lachte. Wo die beiden Recht hatten... In der Küche stand schon alles bereit, was man für Weihnachtskekse brauchte. Sogar an die Zuckerschrift hatten die beiden gedacht. Tiia verteilte an uns alle Schürzen ehe wir anfingen, zu backen. Den Spaß, den wir dabei hatten, konnte man sich vorstellen, und so kam es, dass nach zwei Stunden zwei Backbleche voller Kekse waren, hübsch verziert mit bunten Zuckermustern. Arho schnappte sich einen und biss zufrieden davon ab. „Echt lecker“, sagte er mit vollem Mund. Dann folgte auch hier die Bescherung. Wir setzten uns um Tiias und Jussis aufblasbaren Gummiweihnachtsbaum und holten unsere Geschenke heraus. In alter Tradition wurde gelost, wer als erstes ein Geschenk auspacken durfte. Es traf Jussi. Ich drückte ihm mein Geschenk in die Hand, zwei neue „Die drei ???“ Kassetten. Er freute sich sehr darüber. Im Uhrzeigersinn ging es weiter, also bekam als nächstes Tiia ein Geschenk von ihrem Freund. Es handelte sich um eine neue permanente Haarfarbe, diesmal blau. Tiia flippte fast aus vor Freude, schließlich war ihr Grün schon fast wieder draußen. Dann war Arho dran und packte voller Freude Tiias Geschenk aus. Ich bekam beinahe einen Lachanfall, Arho guckte nur etwas irritiert. „Das hast du nicht echt gebracht, oder?“, fragte ich und betrachtete die Schürze, die Tiia mir bereits im Kaufhaus gezeigt hat. „Doch“, grinste Tiia. Arho packte die Schürze weg und gab mir sein Geschenk. Ein Reiseführer über Berlin. Er wusste, was ich mag. So ging es reihum weiter, bis jeder ein Geschenk von jedem hatte. Von Jussi bekam ich einen Einkaufsgutschein. Dann drückte mir Tiia das letzte Geschenk für diesen Tag in die Hand. Es war ebenfalls flach, wie der Gutschein. Ich packte es gespannt aus. Und hielt zwei Tickets in der Hand. „Helldone...“, ich zögerte kurz. Irgendetwas sagte mir dieser Name, ich kam bloß nicht darauf, was es war. „Na, du weißt schon! Dieses Riesen Silvesterspektakel in Helsinki!“, antwortete Tiia. „Waaas? Vielen Dank! Aber diese Tickets sind doch schweineteuer, womit hab ich das denn verdient?“, fragte ich ungläubig. „Ich dachte, du und Jonne würdet so etwas ganz nett finden. Und was das Geld angeht: Ich spare schon im Januar für Weihnachten, damit ich für eben solche Situationen ein passendes Geschenk finde. Und dieses Jahr war ich eben besonders großzügig.“ „Ich soll mit Jonne dahin gehen?“ „Klar, er ist doch schließlich dein Freund. Und außerdem muss er auf dich aufpassen: Der Sänger dieser einen Vorband, Negative oder so ähnlich, ist verdammt knackig!“ Jussi räusperte sich. „Natürlich nicht so knackig wie Jussi und vielleicht auch nicht so sehr wie Jonne, aber er passt auf jeden Fall in dein Bild von Traummann. Und die Musik ist auch gar nicht mal so schlecht“, erklärte Tiia. „Hm... ich werde mich überraschen lassen“, sagte ich und steckte die Tickets zu den anderen Präsenten. Jussi verschwand und kam kurze Zeit später mit einem Pappkarton wieder. „Lasst und ‚Activity’ spielen!“, meinte er. Dieser Vorschlag erhielt allgemeine Zustimmung. Arho und ich waren als erstes dran. Ich zog eine Karte, zeigte sie Tiia und Jussi und begann, den Begriff „Meersalz“ zu zeichnen. „Wasserdreck??“, fragte Arho, was ihm einen bösen Blick von mir einbrachte. „Stoooop, die Zeit ist um!“, rief Tiia, erfreut darüber, dass wir keinen Punkt bekommen haben. Doch sie sollte es auch nicht einfach haben. Ihr Begriff war „Wörterbuch“, wirklich nicht leicht, wenn man beim Zeichnen keine Buchstaben verwenden durfte. Allerdings schaffte Jussi es, den Begriff trotzdem zu erraten, was ihnen fünf Punkte Vorsprung einbrachte. Aber bei Pantomime hatten wir die Nase vorn! Mit vollem Körpereinsatz machte Arho die verrücktesten Verrenkungen, sprang herum und verzweifelte, wenn ich nicht sofort auf den richtigen Begriff kam. Doch meistens kamen wir schon nach ein paar Versuchen auf die Lösung, nur das Wort „Riesenschritt“ bereitete ein paar Probleme. Dabei war es doch eigentlich ganz leicht. Den ganzen Abend ging es so weiter, nach „Activity“ folgte „Monopoly“ und sogar „Stadt, Land, Fluss“ kam nicht zu kurz. Gegen zehn machten Arho und ich uns auf den Heimweg. „Das war doch ein vollkommen gelungener Abend, oder Auri-Schatzi?“, wollte mein Mitbewohner wissen. „Aber auf jeden Fall, hab lang nicht mehr so gelacht. Und wie man ‚Heizungsrohr’ pantomimisch vormacht, zeig ich dir irgendwann noch mal. Das ging ja echt gar nicht!“, grinste ich. „Ja, ja... Reib es mir ruhig noch mal unter die Nase. Ich fand das auf jeden Fall eindeutig.“ „Eindeutig zweideutig, stimmt.“ Zuhause angekommen, schmiss ich mich sofort ins Bett. Bevor ich allerdings schlafen ging, las ich noch ein paar Seiten. Ein Piepen riss mich aus dem Schlaf. Ich hatte eine SMS bekommen: Guten Morgen, Süße! Wollte nur sichergehen, dass du unsere Verabredung nicht vergisst :-* Jonne Ach wie süß! Die SMS zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Ich antwortete ihm sofort: Als ob man dich vergessen könnte Fröhlich stand ich auf und stieg unter die Dusche. Als ich in die Küche kam, musste ich feststellen, dass Arhos Weihnachtseuphorie nun vollends verschwunden war: Kein gedeckter Tisch und auch von meinem Mitbewohner fehlte jede Spur. Er befand sich womöglich noch im Traumland. Ich steckte zwei Toasts in den Toaster und machte Kaffee. Mit Schmierkäse und Messer bewaffnet, setzte ich mich an den Küchentisch und wartete auf das Toast. Das laute „Plonk“ ließ nicht lange auf sich warten. Nachdem ich fertig gegessen hatte, machte ich mich auf den Weg zu Jonne. Dort angekommen, erwartete mich schon die nächste Überraschung. Kaum hatte ich geklingelt, da öffnete sich schon die Tür und mein Freund begrüße mich mit den Worten: „Ich hoffe, 38 passt dir!“ Breit grinsend hielt er zwei paar Schlittschuhe hoch. „Oh nein, bitte nicht!“, lachte ich. Eislaufen war etwas, was ich gar nicht konnte. „Das sehe ich als ein ‚Ja’ an.“ Jonne grinste immer noch und trat aus der Tür hervor, die er hinter sich schloss. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum See, dessen Eisschicht im Winter dick genug war, um darauf die merkwürdigsten Sachen zu machen. Wir zogen unsere Stiefel aus und tauschen sie gegen die Kufen. Mehr schlecht als recht stolperte ich auf das zugefrorene Gewässer zu. Zufrieden stellte ich fest, dass es Jonne nicht besser ging. Doch sobald er das Eis betreten hatte, stellte er sich als wahrhaftige Eisprinzessin heraus. Oder besser gesagt Eisprinz. Er fuhr, als hätte er sein ganzes Leben lang nichts anderes getan. Ich kam mir gegen ihn wie ein Schlittschuh fahrendes Schaf vor. „Na, das geht aber besser!“, meinte er dann auch noch lachend und fuhr rückwärts an mir vorbei, nur um mich dann von hinten zu umarmen. Ich wäre beinahe vor Schreck gestorben, doch der Kuss, den er mir gab, sobald er mich umgedreht hatte, machte alles wieder gut. Ich löste mich von seinen Lippen. „Du, Jonne“, fragte ich, „hast du Silvester eigentlich schon etwas vor?“ Jonne sah mich traurig an. „Ja, leider schon. Und das lässt sich auch nicht verschieben, obwohl ich viel lieber mit dir feiern würde.“ „Hm...“, sagte ich enttäuscht, „Schade.“ „Aber das ist jetzt keine Ausrede um nicht mehr weiterfahren zu müssen!“, ermahnte Jonne mich und schob mich vorwärts. Drei Stunden fuhren wir noch weiter, ehe uns der Hunger überkam. Also zogen wir wieder unsere normalen Schuhe an und gingen zurück zu Jonne, wo wir in aller Ruhe etwas aßen. Kapitel 17: Kapitel 9: Can Love Live With A Secret? - Part 1 ------------------------------------------------------------ Jonne: Langsam glitt sie über das Eis, wie eine professionelle Eiskunstläuferin. So wunderschön und grazil bewegte sie sich auf dem weißen Untergrund fort, als wäre sie eins mit dem gefrorenen Wasser unter sich. Sie drehte sich um und lächelte mich sanft an. Wie schaffte sie es nur immer wieder mich so in ihren Bann zu ziehen? Wie nur wie? Sie wirkte so unbeschwert und auch ich fühlte mich einfach nur gut, als gäbe es gar keine Probleme, doch ich wusste es gab ein Problem, was größer nicht hätte sein können, denn immerhin hatte ich ihr mein größtes Geheimnis bislang verschwiegen. Mein Handy klingelte und ich erwachte aus dem schönsten Traum den ich je gehabt hatte. Auch wenn ich mir dadurch mehr über das Problem, welches ich hatte, bewusst geworden war. Dieses wunderschöne Gefühl, welches der Traum auslöste, verdrängte einfach alles. Doch leider war da immer noch das Klingeln meines Handys, das mich unsanft aus den Erinnerungen an meinen Traum riss. Dennoch erbarmte ich mich des Anrufers und nahm ab. „Ja?!“, meldete ich mich noch völlig übermüdet vom Vorabend. „Hei Jonne, ich wollte nur fragen, ob wir vor dem 31. noch mal ne Probe einschieben wollen?“, erkundigte sich unser Bassist. „Ähm… ja gerne, aber… musst du mich so etwas denn wirklich am frühen Morgen fragen?“, maulte ich ein wenig rum. „Entschuldige, habe ich dich etwa geweckt? Tut mir leid, ich war so aufgeregt wegen dem Helldone, dass ich dich einfach noch mal anrufen musste. Ich hatte nämlich einen Traum und da haben wir das Konzert voll versaut, also… voll der Albtraum. Naja und seit dem lässt mich diese Angst es zu verhauen einfach nicht los und da wurde mir klar, dass dagegen nur eines hilft… und zwar üben, üben, üben… uuuund… nochmals üben“, erklärte Antti, wobei er sehr schnell sprach. „Ja ist schon ok, das verstehe ich natürlich… aber sag mal, hast du heute eigentlich schon etwas vor?“, erkundigte ich mich dann. „Nein noch nicht… wieso?“ „Naja sonst, wollen wir nicht eislaufen gehen?“, fragte ich ihn dann. „Ähm, klar warum nicht, aber darf ich fragen wieso?“, wollte er dann wissen. „Naja nur… ich habe das schon recht lange nicht mehr gemacht und würde es gerne etwas auffrischen, damit ich mich nicht vor Auri blamiere“, erklärte ich dann. „Wieso, wollt ihr etwa Schlittschuh laufen gehen morgen?“ „Sagen wir, ich hatte überlegt, dass wir das ja tun könnten… ich dachte mir, dass ihr das bestimmt gefallen würde. Ich meine, sie ist ja eher der sportlichere Typ“, berichtete ich ihm. „Versteeeehe… klingt doch nach ner netten Idee und ich bin davon überzeugt, sie wird außer sich sein vor Freude“, kicherte er leicht ins Telefon. Somit beschlossen wir uns in einer Stunde am See zu treffen. Als ich dann an diesem ankam war Antti schon da und wartete auf mich. „Na dann lass uns doch mal gucken, ob du’s noch kannst“, erklärte er grinsend. So verbrachten wir den Nachmittag mit Eislaufen und ich musste zugeben, dass ich es noch ganz gut beherrschte, denn eigentlich hatte ich keinerlei Schwierigkeiten. Ich hoffte nur, dass ich Auri damit irgendwie beeindrucken konnte. Gegen fünf Uhr Nachmittags beschlossen wir dann jedoch nach Hause zu gehen, wobei ich mir vorher noch ein paar Schlittschuhe für Auri besorgte und betete dass ihr Größe 38 passen würde. Danach ging ich noch Einkaufen. Etwa um acht Uhr Abends kam ich dann bei mir zu Hause an und beschloss gleich schlafen zu gehen um am nächsten Tag fitt zu sein. Am nächsten Tag stand ich um acht Uhr morgens auf ohne auch nur ein bisschen müde zu sein. Ich ging erst Duschen und zog mich dann an. Danach machte ich mir noch ein anständiges Frühstück und tänzelte freudig durch die Wohnung. Nebenbei lief unser neues Album rauf und runter. Meine Freude kannte einfach keine Grenzen. Ich beschloss Auri vorsichtshalber mal eine SMS zu schreiben: Guten Morgen, Süße! Wollte nur sichergehen, dass du unsere Verabredung nicht vergisst :-* Jonne Im Anschluss bereitete ich schon alles für den Abend vor. Es musste so gegen zwölf Uhr gewesen sein, als Auri dann endlich kam. Sofort als ich das Klingeln vernahm, eilte ich zur Tür und öffnete diese. „Ich hoffe, 38 passt dir!“, kam es stürmisch von meiner Seite. „Oh nein, bitte nicht!“, versuchte sie meinem Plan zu entkommen, doch nicht mit mir. Wenn ich schon mal eine so brillante Idee hatte, was wir machen könnten, würde ich sie mir ganz sicher nicht ausreden lassen. „Das sehe ich als ein ‚Ja’ an“, antwortete ich also nur grinsend und verließ meine Wohnung um mich auch gleich mit ihr auf den Weg zu machen. Am See angekommen zogen wir uns die Schlittschuhe an und bewegten uns nicht sonderlich elegant in Richtung Eis. Auf diesem angekommen jedoch lief es sich doch gleich viel besser zu mindest für mich, denn Auri wagte sich eher langsam vorwärts. „Na, das geht aber besser!“, erklärte ich als ich lachend rückwärts an ihr vorbei fuhr und daraufhin von hinten meine Arme um sie legte. Ich drehte sie herum und gab ihr einen innigen Kuss. „Du, Jonne“, setzte sie dann an, nachdem sie sich von mir gelöst hatte, „hast du Silvester eigentlich schon etwas vor?“ „Ja, leider schon. Und das lässt sich auch nicht verschieben, obwohl ich viel lieber mit dir feiern würde“, gab ich betrübt zu. In diesem Moment wünschte ich mir, dass wir nicht beim Helldone auftreten würden, doch nun konnte ich es nicht einfach ändern. Zu mal wir ja noch genug Zeit für einander finden würden. „Hm...“, entgegnete sie nur sichtlich enttäuscht, „Schade.“ Sie tat mir so leid. Ihr Blick war wirklich herzzerreißend und ich wollte sie einfach nur noch irgendwie wieder aufmuntern. „Aber das ist jetzt keine Ausrede um nicht mehr weiterfahren zu müssen!“, meinte ich nur während ich sie sanft vorwärts schob. Um 16 Uhr machten wir uns dann nach langer Rumfahrerei wieder auf den Weg zu mir, da wir so allmählich Hunger bekommen hatten. Als wir bei mir ankamen, war, was Auri nicht wusste, das Essen schon längst fertig. Vorsichtig lotste ich sie ins Wohnzimmer und signalisierte dezent unsere Rückkehr. Es blieb ruhig und Auri schien nichts mitbekommen zu haben. „Ähm setz dich doch auf die Couch Schatz und warte bitte hier“, wies ich sie an. „Äh ja sicher… aber warum?“, fragte sie mehr als neugierig. „Überraschung“, sagte ich nur grinsend und verließ dann das Wohnzimmer. Etwa eine Viertelstunde später kam ich zu ihr zurück und bat sie mir zu folgen. Zuvor verband ich ihr jedoch die Augen damit sie auch nichts sah. Vorsichtig führte ich sie in die Küche, da ich ja leider kein Esszimmer besaß. Als wir im Türrahmen zum Stehen gekommen waren, nahm ich ihr die Augenbinde ab. „Wow, Schatz hast du das ganz allein für mich gemacht?“, fragte sie völlig erstaunt. „Erstens, es ist für uns beide und zweitens, habe nicht ich es gemacht, sondern mein guter alter Freund Snack, war sozusagen mein Weihnachtsgeschenk“, grinste ich sie an. „Ah ja, ich verstehe“, meinte sie nur, während sie sich hinsetzte, „Und wo ist dein kleiner Helfer?“ „Schon weg Schatz. Der hatte noch eine Verabredung!“ Naja wie immer man Verabredung verstehen wollte, denn immerhin traf er sich ja nur mit Antti und das wahrscheinlich auch nur damit sie Wetten darauf abschließen konnten, wie es denn bei mir laufen würde. Doch all diese Gedanken konnte ich zum Glück gekonnt verdrängen und mich ganz auf Auri konzentrieren. Wir verspeisten also den köstlichen Schweinebraten und setzten uns danach im Wohnzimmer auf die Couch. Denn ich hatte ja noch eine Überraschung für Auri, einen netten Film. Nun ja zu mindest meinte Antti, dass er nett wäre. Also legte ich „Liebe braucht keine Ferien“ ein und drückte dann auf „Play“ um ihn abzuspielen. Wir saßen den ganzen Abend da und sahen uns den Film an und ich musste zugeben er war wirklich nicht schlecht und auch Auri schien er zu gefallen. Auch wenn sie Jack Black nicht leiden konnte und er Meinung war, dass der andere Typ viel zu nah am Wasser gebaut war und das doch total unrealistisch sei bei einem Mann. Nach dem der Film zu ende war unterhielten wir uns noch eine Weile und beschlossen dann schlafen zu gehen. Auri ging dabei zu erst ins Bad und ich nutzte die Zeit um meine Küche auf Vordermann zu bringen. Anschließend ging ich ins Bad um zu duschen und kam dann eine Viertelstunde später endlich in mein Schlafzimmer, wo Auri schon sehnsüchtigst auf mich wartete. Ich musste gestehen, dieser Tag war noch hundert Mal besser verlaufen, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen erhofft hatte. Ich spürte ein zärtliches Streicheln auf meinem Rücken, was mich allmählich wach werden ließ. Langsam öffnete ich die Augen und mein Blick fiel geradewegs zum Fenster hinaus. Es schneite und soweit ich es erkennen konnte war bereits alles weiß. Längere Zeit beobachtete ich die Schneeflocken wie sie an meinem Fenster vorbei gen Boden fielen ehe ich mich umdrehte um die Ursache des Streichelns ausfindig zu machen, obwohl mir von Anfang an klar war, dass es eigentlich nur Auri sein konnte und ich hatte Recht. Sie zuckte leicht zurück als ich mich umdrehte und ihr in die Augen sah, begann jedoch kurz darauf wieder zu lächeln. „Guten Morgen Schatz“, kamen die Worte sanft aus ihrem Mund. Es waren die ersten Worte, die ich an diesem Tag zu hören bekam und wohl auch die ersten Worte die sie an diesem Tag zu irgendwem gesagt hatte und eben diese Worte galten mir. Schöner konnte der Tag kaum werden. Ich streckte ihr meine Hand entgegen und ergriff damit die ihre und zog sie zu mir. Zärtlich strich ich mit meinen Fingern über ihren Handrücken ehe ich meine Lippen auf ihn legte und ihr einen Kuss auf diesen gab. „Dir auch einen guten Morgen Liebste“, antwortete ich ihr dann. Vorsichtig zog ich sie zu mir und küsste sie erstmal. „Wollen wir aufstehen?“, fragte sie mich dann mit einem breiten Grinsen. „Ist wohl besser. Die anderen bringen mich um wenn ich zu spät komme“, erwiderte ich nur, woraufhin sie mich fragend ansah. „Wieso? Triffst du dich denn heute mit ihnen?“ „Oh ja, dass habe ich vergessen dir zu sagen. Tut mir leid. Ja ich treffe mich heute mit ihnen. Um drei um genau zu sein“, gab ich zurück und hoffte, dass sie mir das nicht weiter übel nehmen würde. Nun ursprünglich hatte ich ja überlegt, die Probe erst am 28., 29. oder 30. stattfinden zu lassen, doch Antti hatte gemeint, dass es wohl besser wäre, wenn wir an jedem dieser Tage noch einmal proben würden. Also hatte ich eingewilligt und ihn gebeten, den anderen bescheid zu geben, was er mit Sicherheit getan hatte, zu mindest auf ihn konnte man sich ja verlassen. Nun und so hatten wir nun eben auch am 27. Probe. Nach unserem gemeinsamen Frühstück packte Auri ihre Sachen, verabschiedete sich von mir und ging. Wir hatten noch beschlossen uns am Neujahrstag zu treffen um ihn gemeinsam zu verbringen, wenn wir schon Silvester nicht zusammen genießen konnten. Einige Stunden nach dem sie weg war, befand ich mich auch schon im Proberaum und wartete darauf, dass die anderen nach und nach zur Probe erschienen. Es dauerte etwa eine halbe Stunde ehe wir alle komplett waren und nach einem kurzen Einspielen setzten wir uns zusammen um über die Setlist für das Helldone zu reden. Wir überlegten genau, welche Songs wir an diesem Abend spielen wollten. Immerhin sollten wir ja auch ein wenig Silvesterstimmung verbreiten und das hieß, dass wir den Club gehörig rocken und somit eher die fetzigeren Songs spielen mussten. Als wir uns dann endlich auf die passenden Titel geeinigt hatten, begannen wir dann auch endlich mit dem Proben und es war wie immer ein Segen. Wir spielten so gut wie nie zuvor, jedenfalls kam es mir so vor. Vielleicht lag es an meiner Liebe zu Auri, daran, dass ich endlich glücklich war, glücklich mit ihr, glücklich darüber, dass wir zusammen waren. Meine Liebe zu ihr hatte einfach etwas völlig neues in mir entfacht und ebenso etwas Altes wieder aufleben lassen auch wenn ich nicht weiß, was es ist. Ich wusste jetzt schon, dass unser Auftritt einfach unglaublich gut werden würde und es würde einer der denkwürdigsten Tage unseres Lebens werden, zu mal sowohl Chris als auch Matthau versprochen hatten ihn sich anzusehen um mit uns gemeinsam ins neue Jahr zu feiern. Ebenso hatten auch Uniklubi sich angekündigt und wir wussten, dass das eines der schönsten Silvesterabende in unserem ganzen Leben werden würde. Nichts desto trotz war uns aber klar, dass wir noch weiter zu proben hatten, wenn wir wirklich wollten, dass dieses Silvester so perfekt werden würde wie möglich. Da gab es keine Ausreden. Aber die brauchten wir auch nicht, denn immerhin genossen wir es ja alle zusammen zu sein und zu spielen. Gemeinsam dafür zu sorgen, dass wir auch weiterhin erfolgreich blieben und das vor allem so, dass wir dabei auch noch Spaß hatten. Auch die nächsten Tage trafen wir uns immer wieder zur Probe und perfektionierten unser Spiel, denn immerhin war ich ja Perfektionist und fand zu mindest an mir selbst immer wieder etwas was ich verbessern wollte. Aber auch die anderen wurden kritisiert, doch da wir uns alle gegenseitig kritisierten und das auch in einem angemessenen Ton, war das alles kein Problem, sondern half uns eher dabei, dass beste aus den Songs rauszuholen. Nach vier Tagen an denen wir jeweils immer drei ganze Stunden geprobt hatten, war er nun gekommen, der letzte Tag des Jahres. Als wir in Helsinki im Tavastia ankamen, wurden wir gleich eingewiesen, wann genau wir zu beginnen hatten. Um 16 Uhr jedoch war erst einmal Soundcheck angesagt und dieser wurde von uns natürlich wie immer mit größter Sorgfalt ausgeführt. Es klang echt gut und wir hatten keine Zweifel, dass wir die Bude rocken würden. Danach nutzten wir die Zeit und unterhielten uns mit den Jungs von H.I.M. und den 69 Eyes. Zwischenzeitlich mussten wir uns jedoch auch mal für eine halbe bis ganze Stunde entfernen um Interviews zu geben. Das war mittlerweile schon absolute Routine. Aber dennoch, hin und wieder waren auch mal ganz lustige und interessante Fragen dabei. Uniklubi, Chris und Matthau kamen etwa um sechs, zwei Stunden vor unserem Auftritt. Als Freunde von uns hatten sie vollen Zugang zum Backstagebereich, damit wir uns komplett ungestört unterhalten konnten. „Hei Jonne“, hörte ich Chris dann auch sogleich als sie den Raum betraten, in dem wir uns aufhielten. „Hei Chris“, gab ich lächelnd zurück. „Ah hei Leute, na habt ihr uns doch endlich gefunden“, witzelte Antti mit einem Grinsen auf dem Gesicht. „Jaja sicher na klar, sonst wären wir wohl nicht hier“, konterte Teemu gekonnt. Tja die beiden kannten sich eben mehr als gut. Sie waren ja auch nicht umsonst so gut befreundet. „Mensch seid ihr heute schon wieder witzig“, erklärte Jussi. „Was beschwerst du dich Brüderchen, die sind doch immer so drauf“, versuchte Janne seinen Bruder zu beruhigen und Pasi und Antti konnten darüber nur lachen. Es war ja doch immer dasselbe mit den beiden, da konnte man ihre Reaktion gut nachvollziehen. „Waren wir jetzt zum Streiten hier oder um ne gute Show zu sehen?“, wollte Matthau nun die Streitschlichtung übernehmen, wurde jedoch nur erstaunt angesehen, „Was denn? Darf ich nicht auch mal meinen Senf dazu geben?“ Wir nutzten also die Gelegenheit und unterhielten uns bis kurz vor unserem Auftritt. Gegen halb acht begannen sie dann jedoch sich unters Publikum zu mischen und wir uns fertig zu machen für die Show. Pünktlich um acht betraten wir einer nach dem anderen dann die Bühne, erst Jay, gefolgt von Snack, dann Antti und Larry und zu guter letzt ich selbst. Wir spielten als erstes „L.A.Feeding Fire“ um das Publikum auch richtig anzuheizen. Die Menge tobte und jubelte uns zu. Sie sagen den Song mit von Anfang bis Ende, streckten ihre Hände in die Luft und gingen dafür, dass wir ja eigentlich nur als Anheizer dienten, verdammt gut ab. Aber nicht nur das Publikum hatte seinen Spaß, sondern auch wir. Wir spielten, als gäbe es kein Morgen mehr. Es war einfach überwältigend. Vor allem machte es uns Freude mit unseren anwesenden Freunden ein wenig rumzuscherzen. Die Ansagen wurden einfach mal hauptsächlich ihnen oder eben ganz normal dem gesamten Publikum gewidmet. Wir setzten unser Set fort mit „A Devil On My Shoulder“, gefolgt von „Motherfucker, just like you“, aber auch „Last’N Needs“ und „Giving Up“ wurden gespielt. Weiterhin gaben wir natürlich auch ältere Songs zum Besten, die bisher immer gut funktioniert hatten wie „Naive“ oder „Last Hero“. Außerdem kamen natürlich auch die hauptsächlichen Singels in unserem Set vor, das hieß, dass wir natürlich auch „The Moment Of Our Love“, „Frozen To Lose It All“, „In My Heaven“, „Planet Of The Sun“ und „Won’t Let Go“ spielten. Zu guter letzt wurde unsere Setlist durch unsere etwas ruhigeren Songs „Still Alive“ und „Gravity Of Love“ vollendet. Während wir in den Untiefen unserer Songs versanken und das Publikum mit in diese hineinrissen, fiel mir gar nicht auf, dass noch jemand anwesend war, mit dem ich diesen Abend gerne verbracht hätte. Eine Person von der ich eigentlich gedacht hätte, dass sie niemals auf ein Konzert gehen würde und erst recht nicht auf dieses. Nachdem wir unser hauptsächliches Set gespielt hatten, verließen wir die Bühne, nur um wenige Minuten später noch einmal für eine Zugabe zurück zukehren. Diese stellten zum einen „Glory Of The Shame“ und „Sinners’ Night/Misty Morning“ dar, auf der anderen Seite „Until You’re Mine“ für welchen wir Chris gebeten hatten auf die Bühne zu kommen und uns zu unterstützen. Dies tat er dann auch froh darüber, endlich mal wieder mit uns spielen zu können, wenn auch nur für diesen einen Abend. Wir alle genossen es. Chris genoss das Solo und diese hohe Aufmerksamkeit der weiblichen Fans, die er schon so vermisst hatte und wir genossen es endlich wieder komplett zu sein auch wenn es eben nur für diesen einen Song sein würde. Doch als wir unseren Auftritt dann endlich mit „Until You’re Mine“ beendet hatten, sah ich etwas, was diesen Abend drastisch veränderte. Ich schaute erschöpft in die Menge und sah sie, Auri. Ein weiteres Mal sah ich sie zu einer Zeit an einem Ort wo ich sie nie erwartet hätte. Sie musste das Erstaunen in meinen Augen bemerkt haben, denn sie sah mich mit einem völlig fassungslosen Blick an. Ich konnte sehen, wie in genau diesem Moment Tränen ihre Wangen hinab liefen. Am liebsten wäre ich sofort von der Bühne gestürmt und hätte sie in den Arm genommen, doch ich konnte nicht. Wie angewurzelt blieb ich stehen und sah in ihre verweinten Augen. Ich hoffte, dass sie nicht wegrennen, sondern warten würde, um sich von mir alles in Ruhe erklären zu lassen. Ich hoffte, dass sie nicht das tun würde, was sie in solchen Situationen immer getan hatte. Ich hoffte, dass ich diese sehr unangenehme Situation noch irgendwie retten konnte und vor allem hoffte ich, dass das nicht das Ende für unsere Beziehung bedeuten würde. Kapitel 18: Kapitel 9: Can Love Live With A Secret? - Part 2 ------------------------------------------------------------ Auri: Bei Jonne angekommen, geleitete er mich direkt ins Wohnzimmer. „Ähm setz dich doch auf die Couch Schatz und warte bitte hier“, meinte er und drückte mich auf das weiche Sofa. Ich hatte gar keine andere Wahl als mich fallen zu lassen und zu gucken, was als nächstes passierte. „Äh ja sicher… aber warum?“, wollte ich wissen. Meine Neugierde war zu groß als dass ich warten konnte. „Überraschung“, war das einzige, was Jonne dazu zu sagen hatte. Da war ich nun aber wirklich gespannt... Zumal mein Freund mich allein ließ und für eine gute Viertelstunde in der Küche stand. Dann kam er wieder, mit einem Küchenhandtuch in der Hand. Noch bevor ich fragen konnte, was er damit wollte, hatte er es mir um die Augen gebunden und führte mich vorsichtig in die Küche. Kaum, dass wir den Raum betreten hatten, nahm er mir die provisorische Augenbinde ab. Ich dachte, meine Augen täuschten mich und ich musste mehrmals blinzeln um sicherzugehen, dass ich nicht träumte. Es war das romantischste, was ein Mann je für mich getan hatte: In der Mitte des Tisches stand eine brennende weiße Kerze, drum herum lagen Rosenblätter, auch der Boden war mit ihnen übersät worden. Akkurat gefaltete Stoffservierten und korrekt angeordnete und polierte Gläser schienen für ihn eine Selbstverständlichkeit zu sein. „Wow, Schatz hast du das ganz allein für mich gemacht?“, fragte ich völlig perplex. „Erstens, es ist für uns beide und zweitens, habe nicht ich es gemacht, sondern mein guter alter Freund Snack, war sozusagen mein Weihnachtsgeschenk“, grinste er. „Ah ja, ich verstehe“, erwiderte ich, auch wenn ich es nicht wirklich tat. Es wollte nicht in meinen Kopf, dass dieser komische Kerl so etwas fabrizieren konnte. Ich setzte mich hin. „Und wo ist dein kleiner Helfer?“ „Schon weg Schatz. Der hatte noch eine Verabredung!“ Ich fragte besser nicht nach, wie die Verabredung aussah. Nicht, dass ich Snack nicht mochte, er schien ein wirklich netter Kerl zu sein, aber etwas Merkwürdiges, Hippieartiges hatte er schon an sich. Jonne servierte mir ein Stück Schweinebraten mit Kartoffeln, Erbsen und Babymöhren. Ich hatte selten so etwas Leckeres gegessen. Okay, bei Arho als Mitbewohner und als Student nichts Ungewöhnliches. Als wir aufgegessen hatten, gingen wir zurück ins Wohnzimmer. Jonne legte eine DVD ein, die den Namen „Liebe braucht keine Ferien“ trug. Der Film sagte mir nichts. Doch ich musste zugeben, dass er trotz Jack Black in der Hauptrolle ziemlich gut war. Jack Black konnte ich nicht leiden, ich weiß selbst nicht wieso. Jude Law war schon besser, auch wenn er in diesem Film einen absoluten Softie spielte. Na ja, wem so etwas gefällt... Der Film dauerte nicht so lange, weshalb wir uns noch einige Zeit unterhielten. Nach einigen Stunden waren wir müde und entschieden uns, schlafen zu gehen. Jonne ließ mich zuerst ins Bad, wo ich mich soweit fertig für die Nacht machte. Dann ging ich ins Schlafzimmer, legte mich ins Bett und wartete auf meinen Liebsten, der sich auch gehörig Zeit lies. Ich lies den Tag noch einmal Revue passieren. Es war wunderbar gewesen, viel besser als ich erwartet hatte. Ich hatte selten so viel Spaß gehabt wie heute und ich konnte die nächsten Tage kaum abwarten. Jonne kam zu mir ins Bett und ohne viel zu reden, schliefen wir ein. Am nächsten Morgen wachte ich früh auf. Jonne schlief noch tief und fest und ich beobachtete ihn einige Minuten bevor ich ihn durch ein sanftes Streicheln weckte. „Guten Morgen Schatz“, flüsterte ich in sein Ohr, als er sich rührte. Als Erwiderung zog er mich vorsichtig an sich heran, streichelte meine Hand und gab mir einen leichten Kuss auf diese. Schöner konnte ein Tag nicht beginnen. Sobald seine Lippen sich von meiner Hand gelöst hatten, sagte er: „Dir auch einen guten Morgen, Liebste.“ Kaum hatte er dies gesagt, zog er mich noch ein Stück näher an sich heran und gab mir einen langen, sinnlichen Kuss auf den Mund. Nein, einen schöneren Start in den Tag gab es wirklich nicht. Ich war die glücklichste Person auf der Welt. Trotzdem löste ich mich von ihm und fragte grinsend: „Wollen wir aufstehen?“ „Ist wohl besser. Die anderen bringen mich um wenn ich zu spät komme“, antwortete er, weshalb ich ihn fragend ansah. „Wieso? Triffst du dich denn heute mit ihnen?“ „Oh ja, dass habe ich vergessen dir zu sagen. Tut mir leid. Ja ich treffe mich heute mit ihnen. Um drei um genau zu sein“, meinte er. Ich war traurig, dass wir den heutigen Tag nicht zusammen verbringen konnten, ließ es mir aber nicht anmerken. Doch dann meinte Jonne, dass er auch am 28., 29., und 30. keine Zeit hätte, da er etwas Wichtiges zu tun hätte. Ich ging nicht genauer darauf ein, sondern verabredete mich mit ihm für den 1. Januar. Das war zwar noch eine halbe Ewigkeit hin, aber Jonne versprach mir, dass wir jeden Abend telefonieren würden. Das stimmte mich wieder einigermaßen glücklich, sodass wir in die Küche gingen, um gemeinsam zu frühstücken. Die Aufbackbrötchen, die Jonne in den Ofen warf, waren fantastisch, was nicht zuletzt an der Selbstgemachten Marmelade lag, die Jonne, wie er sagte, ebenfalls von seinem Freund Snack bekommen hatte. Nachdem wir fertig waren, packte ich meine wenigen Sachen zusammen und fuhr nach Hause. Dort angekommen, fand ich einen fernsehenden Arho vor. „Na, wie war’s gestern? Hattet ihr einen schönen Tag?“, wollte er wissen. „Ja, total wunderbar!“ Ich begann zu erzählen und Arho hörte mir interessiert zu. Nachdem ich fertig war, schauten wir für eine Weile fern. Dann ging ich in mein Zimmer, um Tiia anzurufen. Ich wollte sie fragen, ob sie mit mir zum Helldone fahren würde, wo Jonne keine Zeit hatte. „Warum nimmst du nicht Arho mit? Der freut sich bestimmt!“, lachte sie, als ich ihr die Situation geschildert hatte. „Der? Nein, da muss man ja Angst haben, dass er einschläft. Das Konzert ist schließlich abends“, erwiderte ich ebenfalls lachend. Die Vorstellung eines schlafenden Arhos während eines Silvesterfestivals war einfach göttlich. „Außerdem möchte ich sowieso lieber dich mitnehmen. Mit dir ist es erstens lustiger und zweitens hast du mir die Karte geschenkt.“ Nicht, dass man mit Arho keinen Spaß haben konnte, aber eben auf andere Weise. „Ja, ich habe dir die Karten geschenkt und genau deshalb kann ich doch auch nicht mitgehen. Das ist doch ein bisschen blöd, oder? Obwohl ich natürlich gern mitkommen würde...“, fügte sie hinzu. „Dann komm doch mit! Ich hol dich dann gegen Nachmittag ab.“ Damit war es beschlossene Sache. Ich kehrte zu Arho zurück, der sich allerdings in der Zwischenzeit ein Buch geschnappt hatte und nun lesend auf dem Sofa lag. Da es nicht den Anschein erweckte, dass er sich rühren und mir ebenfalls etwas Platz auf dem Sofa überlassen würde, ging ich wieder in mein Zimmer und setzte mich an den Laptop. Ich überlegte, ob ich mir die Bands, die beim Festival spielen würden, ebenfalls anhören sollte, entschied mich aber dafür, mich überraschen zu lassen. Mein E-Mailordner sagte mir, dass ich sechs ungelesene Nachrichten hatte, doch vier davon waren Werbung. Die anderen zwei waren von einer Freundin von der Uni, die sich noch mal mit mir treffen wollte, um etwas zu besprechen. Ich antwortete ihr, dass sie jederzeit vorbeikommen könnte. Es hatte begonnen zu schneien, wie ich mit einem Blick durchs Fenster feststellte. Ich mochte den Winter nicht, ich war ein typischer Sommermensch und liebte die südeuropäischen Länder. Der Schnee zog meine Laune etwas herunter, weshalb ich mich vom Fenster losriss. Ich griff mir ein Buch, welches ich aus der Bibliothek ausgeliehen hatte und begann zu lernen. Ich hatte zwar noch Semesterferien, aber ich wollte meine Lernflaute so schnell wie möglich überwinden. Außerdem war es auch nur von Vorteil, wenn ich ebenfalls ein paar Informationen beisteuern konnte, wenn meine Studienfreundin und ich uns trafen. Unser Professor hatte uns aufgegeben, uns in den Ferien mit der Geschichte der Fotografie zu beschäftigen. Ein Thema, was mir ganz gut gefiel. Zumal ich Arho immer um Hilfe bitten konnte, wenn ich irgendwelche Zusammenhänge nicht verstand. Wer konnte so etwas besser als er? Historiker, Geschichtslehrer und Professoren ausgeschlossen, natürlich. Ich las mir das Kapitel sorgfältig durch, betrachtete Bilder der ursprünglichen Kamera, ein dunkler Raum oder Büchse, durch deren Loch in der Mitte Licht einfiel. Auf der gegenüberliegenden Seite konnte man dann das Abbild betrachten und abzeichnen. Faszinierend, wenn man bedachte, dass die erste Lochkamera bereits im frühen Mittelalter gebaut wurde. Doch nun kam der physikalische Part: Die Funktionsweise. Ich war zwar keine Niete in diesem Gebiet, aber trotzdem schreckten mich die Variablen und Wurzelzeichen ab. Da bevorzugte ich das Kapitel über die ersten „Fotografien“ mit dieser Kamera. Es bestand nur aus Abbildungen mit beschreibendem Text. Ziemlich leichte Kost also. Das Komplizierte hob ich mir lieber für den Schluss auf. Als ich die entsprechenden Kapitel zur „Camera obscura“ durchgeackert hatte, gönnte ich mir eine kleine Pause. In der Küche warteten frische, brasilianische Bananen auf mich. Ich schnappte mir eine und ging ins Wohnzimmer, wo Arho sich wieder für das Fernsehprogramm entschieden hatte. Er war eben ein wechselhafter Kerl, jedoch ohne jemals die Beherrschung zu verlieren. Das war wieder eine der vielen Sachen, die ich an ihm mochte. Kauend setzte ich mich neben ihn. „Wusstest du“, begann ich, „Dass bereits Aristoteles die Funktionsweise der Kamera in einer seiner Schriften dokumentiert hatte?“ „Jepp, schließlich habe ich mich lange genug mit dem antiken Griechenland auseinander gesetzt. Da kommt man an so was nicht vorbei. Aber kann ich jetzt NCIS zuende gucken?“ „Klar“, erwiderte ich und schaute ebenfalls gespannt zu, wie Special Agent Gibbs wieder einmal einen spektakulären Mord an der Ehefrau eines US- Marines löste. „War klar, dass der Gärtner das war“, stellte ich fest, als die Sendung vorbei war. Auf einen fragenden Blick Arhos hin, erklärte ich: „Erstens ist der Gärtner immer der Mörder und zweitens war diese Person absolut überflüssig. Man hätte ihn ohne Probleme weglassen können. Das sind in den meisten Fällen die Täter.“ Mein Mitbewohner lachte. „Stimmt. Ist mir noch nie aufgefallen.“ Ich grinste nur. Tja, so ist das eben. Inzwischen war es früher Abend. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie die Zeit verging. Arho hatte die grandiose Idee, etwas vom Pizzaservice zu bestellen. Ich stimmte natürlich sofort begeistert zu, auch wenn ich mir insgeheim Sorgen um meine Figur machte. Zweimal so reichhaltig und fettig hintereinander essen war nicht gut für die Hüften. Aber ich schwor mir, dass im Frühling, sobald es wieder warm wurde, durch Radfahren und Schwimmen abzutrainieren. Überhaupt hatte ich vor, mehr Sport zu machen. Es war mein größtes Hobby, doch seit sich meine Handballmannschaft vor einem Monat aufgelöst hatte, habe ich mich kaum bewegt. Beachvolleyball konnte man nur im Sommer spielen und Radfahren war bei diesem Wetter auch nicht gerade spaßig. Ich überlegte, ob Jonne auch so gut Inline skaten konnte wie Schlittschuh laufen. Wenn ja, würde ich ihm so schnell wie möglich meine Lieblingstrecke zeigen und mit ihm noch weitere erkunden. Nach einer Viertelstunde wurde die Pizza geliefert. Wir ließen sie uns schmecken während wir uns über den Kochkurs unterhielten. Er hatte nun schon dreimal stattgefunden, doch für Arho war es immer noch eine Qual dorthin zu gehen. Eigentlich auch kein Wunder nach dem Desaster mit der Kartoffel. Trotzdem betonte er immer wieder, dass auch er eine Pizza backen könne. Schließlich müsse man sie ja nur belegen und in den Ofen schieben. Dass man den Ofen aber richtig einstellen musste und dass der Pizzateig sich auch nicht von allein herstellte, ignorierte er gekonnt. Nachdem wir fertig waren mit Essen, räumte ich auf und verschwand wieder in meinem Zimmer um noch das Kapitel über die Nutzung der Kamera im 17. Jahrhundert zu lesen. Danach schlief ich ein und träumte von Jonne und mir beim Karaoke singen und dass ich gegen ihn nicht die leiseste Chance hatte. Am nächsten Morgen erwachte ich wie immer ziemlich früh. Da ich aber noch keine Lust hatte, aufzustehen, blieb ich liegen und döste etwas vor mich hin. Dann nahm ich mir meinen Krimi und las weiter. Inzwischen war ich auch hier schon bei der Hälfte angelangt, aber im Winter konnte man nicht viel machen außer Lesen. Auf einmal piepte mein Handy. Leicht erschrocken legte ich das Buch zur Seite. Ein Anruf in Abwesenheit. Oh, verdammt!, dachte ich. Jonne hatte mich angerufen und ich hatte es nicht mitbekommen. Zum Glück hatte er auf die Mailbox gesprochen: „Hey Schatz! Wo treibst du dich denn rum, dass du nicht ans Handy gehen kannst? Vermisse dich jetzt schon! Ciao“ Er hatte auch noch einen Kuss hinterhergedrückt. Um ihn nicht zu stören, schickte ich nur eine SMS: Es tut mir ganz, ganz doll Leid, dass ich das Handy nicht gehört hab. Kannst du mir verzeihen? Vermisse dich auch! Bis zum 1.1. :-) :-* Prompt hatte ich die Nachricht verschickt, bekam ich auch schon eine neue Mitteilung. Es war meine Freundin vom Studium, die fragte, ob sie heute Nachmittag vorbeikommen könnte. Ich antwortete, dass es ginge, weshalb sie um halb drei bei mir auf der Matte stand. „Hei“, begrüßte sie mich. Ich ließ sie hinein und zusammen bereiteten wir uns auf das folgende Semester vor. Abends telefonierte ich kurz mit Jonne. Da er aber nicht viel Zeit hatte, fiel das Gespräch nur kurz aus. Auch die nächsten beiden Tage liefen ähnlich unspektakulär ab. Tuuli war in der Zwischenzeit wieder entlassen worden, weshalb ich einmal einen kleinen Abstecher zu meinen Eltern machte. Doch natürlich begann meine Mutter, wieder merkwürdige Fragen zu stellen, was mich zu einem Aufbruch verleitete. Den Tag danach verbrachte ich im Kino. Dann kam der Tag des Konzertes. Ich überlegte, was ich wohl anziehen könnte und entschied mich für eine enge Jeans und dazu einen schlichten, aber dennoch eleganten schwarzen Rollkragenpullover. Dazu zog ich meine Winterstiefel an, schminkte mich etwas und fuhr wie vereinbart zu Tiia. Dort erwartete mich eine frisch Erblaute mit skeptischem Blick. „Was ist?“, fragte ich. „Was ist, fragst du?? Du willst nicht echt in diesem Spießeroutfit zum Helldone, oder?“ Sie schien wirklich geschockt zu sein. „Nun ja...“, meinte ich, hoffend nichts Falsches zu sagen, „Für ein Konzert macht man sich doch schick, oder?“ Jetzt erst fiel mir auf, was meine Freundin trug: Ein pinkfarbenes Top im Leopardenstyle, dazu eine neongrüne Netzstrumpfhose und einen schwarzen Rock. Hinzu kamen die ebenfalls schwarzen Plateaustiefel. Zwei Sachen waren klar: Dass ich Glück hatte, nicht hinter ihr stehen zu müssen, und dass ich anscheinend absolut falsch gekleidet war. „Ja, aber das ist ein Rockkonzert, Auri! Weißt du was, du kriegst Sachen von mir!“, sagte sie und schob mich in ihre Wohnung. Jussi grinste mir nett zu. Als sie im Schlafzimmer ihren Schrank öffnete, wurden all meine Befürchtungen wahr: BUNT! „Was willst du?“, fragte sie mich, „Eher so in Richtung Glam oder doch lieber mehr Gothic? Ich weiß nicht, vielleicht könnte dir Metall auch ganz gut stehen. Von Punk würde ich aber eher abraten. Da haben wir zu wenig Zeit für. Und deine Haare möchtest du wohl auch behalten, zumindest die Farbe...“ „Ähm...“ war mein einziger Kommentar. Ich hatte keine Ahnung wovon sie sprach. „Ich würd’ ja Glam sagen“, meinte sie und zog einige äußerst interessante Sachen aus ihrem Schrank. Dann betrachtete sie mich. Zuerst reichte sie mir eine pinke Perlonstrumpfhose, dazu ebenfalls schwarze Plateaustiefel, die jedoch noch einen zehn Zentimeter hohen Absatz hatten. Nach einigem Kramen fand sie noch ein extrem knappes, lilafarbenes Kleid, welches sie mir nach kurzem Zögern ebenfalls in die Hand drückte. Ein pinker Gürtel sollte noch als Betonung hinzukommen. „Oh! Mein! Gott!!“, war das einzige was ich sagen konnte, als ich in diesen Klamotten das Bad verlassen und mich im Spiegel gesehen hatte. „Ja, mir gefällt’s auch super! Aaaber jetzt kommen die Highlights!“, sagte sie voller Euphorie, welche mir gehörig Angst einjagte. Tiia holte etwas aus ihrem Kulturbeutel hervor. „Hier, Glitzermascara in pink!“ Ohne, dass ich mich wehren konnte, schmierte sie mir das Zeug dick auf die Wimpern. Dann holte sie irgendetwas raus, was ich nicht erkennen konnte. Doch es war auch pink. „Kunsthaarsträhnen, dann sieht deine Frisur nicht so langweilig aus.“ Sie wollte gerade die noch verschlossene Packung aufreißen, doch ich rief: „Nein! Bitte nicht, ich seh’ schon schlimm genug aus.“ „Okay, dann mach ich sie rein. Zu blau passen die glaub ich ganz gut...“, meinte meine Freundin und knotete die Strähnen ins Haar. Als sie fertig war, machten wir uns auf den Weg nach unten. Tiia lief voran, ich folgte ihr etwas wackelig auf den Beinen. Jussi kam uns entgegen. „Wow!“, meinte er überrascht und betrachtete mich von oben bis unten, „Du siehst toll aus, solltest immer so rumlaufen.“ „Ja, find ich auch“, stimmte Tiia zu. Ich verzog die Stirn und schüttelte den Kopf. Beim Auto angekommen, zog ich als erstes diese Horrorschuhe aus, damit ich wenigstens einigermaßen sicher fahren konnte. Doch zum Glück waren die Straßen so gut wie leer, sodass wir schnell nach Helsinki kamen. Dort wurde es dann jedoch zusehends voller, weshalb wir den erstbesten Parkplatz nahmen, den wir fanden und den restlichen Weg zum Tavastia liefen. Was in den Schuhen nicht gerade ein Vergnügen war. Obwohl es erst halb sieben, also eine gute halbe Stunde vor Einlass, war, war die Schlange vor dem Club bereits extrem lang. Die meisten Fans waren weiblich, ich schätzte sie zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig. Das Erschreckende jedoch war, dass alle so aussahen wie Tiia und ich. Ich fragte mich, ob sie sich extra so aufgesylt hatten, oder ob das ihre alltäglichen Klamotten waren. Die Tatsache, dass einige Sachen schon ziemlich ramponiert aussahen, ließ auf letzteres schließen. Das konnte ja was werden. Ich hörte, wie einige Fans über eine der Bands redeten: „Was meinst du?“, sagte die eine, „Ob sie heute wohl ‚Still Alive’ spielen?“ „Hoffentlich“, erwiderte die andere, „Obwohl das ja nicht so ganz in die Partystimmung passt. Aber weißt du, was ich gehört habe?“ „Nein, was denn?“, fragte wieder das erste Mädchen. „Heute soll Christus wieder mitpielen!!!!!“ Ich dachte, ich hätte mich verhört. Wer soll denn bitteschön Christus sein? „Das ist wahrscheinlich wieder nur irgendein Gerücht. Wieso sollten sie Sir erst rausschmeißen und dann wieder aufnehmen? Ergibt doch keinen Sinn.“ „Wir werden sehen.“ Damit war das Gespräch der Mädchen beendet. Auf einmal brach aufgeregtes Gemurmel los. Dank der Schuhe konnte ich sehen, dass sich am Eingang etwas tat. Ein Securitymann trat nach draußen und bat um etwas Platz. Nun konnte es wohl nicht mehr lange dauern. Und so war es auch: Zehn Minuten später, pünktlich um acht Uhr öffneten sich die Türen für das Publikum. Das große Drängeln ging los. Nach ein paar Minuten hatten auch wir es in den Club geschafft. Wir sicherten uns einen Platz im mittleren Bereich, bevor Tiia sich auf den Weg machte und den Club erkundete. Nach zehn Minuten kam sie wieder, auf ihrem Kopf saß eine Weihnachtsmannmütze. Beim genaueren Hinsehen erkannte ich den Schriftzug „*Negative*“. Auch ein T-Shirt hatte sie sich gekauft: Es war schwarz, darauf ein Klecks in lila, genau konnte ich es in der Dunkelheit nicht erkennen, über dem der Schriftzug „Let’s F*uck!“ prangte. Da hatten diese Negative wohl einen neuen Fan bekommen... Langsam war ich auch gespannt, was sie für Musik machen würden. Kaum hatte ich das gedacht, wurde es im Raum noch dunkler, wieder brach unruhiges Gemurmel aus. Dann ertönte Musik, erst leise, doch mit der Zeit immer lauter werdend. Vier Männer betraten die Bretter, zwei von ihnen hatten ein Instrument in der Hand, der dritte setzte sich hinters Schlagzeug und der letzte stellte sich hinter die Keyboards. Einer der Männer, ob er Gitarrist oder Bassist war, konnte ich nicht erkennen, erinnerte mich entfernt an Antti. Er hatte ebenfalls rotes Haar, jedoch von einem Kopftuch bedeckt und auf seiner Nase saß eine Sonnenbrille. Kaum standen sie auf der Bühne, begann die Show! Aus dem Backstagebereich sprang eine weitere Person hervor, das Mikro ließ darauf schließen, dass er der Sänger war. Er trug einen weißen Hut, seine Augen verschwanden darunter vollkommen. Sein Haar hatte er, soweit ich es erkennen konnte, zusammengebunden. Sein Shirt mit den abgeschnittenen Ärmeln erlaubte einen Blick auf die nicht gerade kleinen Muskeln. „Na, hab ich zu viel versprochen? Der Kerl ist doch die reinste Kanone!“, rief Tiia gegen die Musik an. Ich musste ihr zustimmen. Der Sänger hob sein Mikro und die ersten Worte verließen seinen Mund. Die Menge flippte aus, jeder sang lauthals mit. Ihm schien es sichtlich zu gefallen, er zwinkerte immer wieder den Fans in der ersten Reihe zu, ergriff ihre Hände und flirtete auf andere Weise mit ihnen. Auch wenn es erst der erste Song war, gefiel mir die Show. Der Sänger hatte eine sehr kraftvolle Stimme, was man ihm auf den ersten Blick nicht zutrauen würde. Das Lied war vorbei und der Sänger kündigte das nächste Stück an. Ich stockte. Diese Stimme... Ich betrachtete die Person genauer. Das Tattoo am linken Oberarm... Mein Verdacht bestätigte sich, als Jonne seinen Hut in die Ecke warf und ich sein Gesicht erkannte. Ich starrte ihn entsetzt an. „Ja, da staunst du, was?“, rief Tiia, doch ich nahm sie kaum wahr, „Bei diesen Augen kann Frau nur schwach werden.“ Wie hypnotisiert schüttelte ich den Kopf. Das konnte doch nicht... Wieso...? Ich konnte mich nicht regen. Um mir herum tanzten die Leute, jubelten, sangen und hatten Spaß, nur ich stand da und rührte mich nicht. Jetzt erkannte ich auch Antti und Snack. Dann kündigte Jonne das letzte Stück an. „Gravity of Love“ sollte es heißen. Ich konnte mich nicht mehr halten. Schon beim vorigen Lied fiel es mir schwer, die Tränen zurückzuhalten, doch nun verlor ich vollkommen die Fassung. Das Lied beschrieb zu gut die Beziehung zwischen Jonne und mir, wie stark unsere Liebe doch war, dass sie uns trotz all der Komplikationen zusammengebracht hatte. Doch nun begann all das zusammenzubrechen. Am liebsten wollte ich jetzt allein sein, doch es ging nicht. Ich war gefangen. Gefangen in der Hölle, im wahrsten Sinne des Wortes. Weinend hielt ich mir die Hände vors Gesicht, damit Tiia nichts von meinen Tränen mitbekam. Ich wollte ihr den Abend nicht verderben. Doch kurz vor Ende des Stückes meinte sie: „Der Song ist toll, oder?“ Fragend sah sie mich an. „Auri? Ist alles in Ordnung mit dir?“ Ich rührte mich nicht, deshalb riss sie meine Hände weg und sah mich an. Ich schaute weg, blickte auf meine Hände, die nun voller Glitzer waren. Symbolisch für meine kleine, heile Welt, die gerade zerstört wurde. Wieder fragte Tiia, was los sei und wieder antwortete ich nicht. Doch die Fans beantworteten ihre Frage mit ihren Rufen: „Jonne! Jonne! ZU-GA-BE! Jonne!“ „Nein, oder?“, sagte sie entsetzt, „Sag, dass das nicht wahr ist.“ Auf mein leises „Doch“ meinte sie nur: „Dieses Arsch! Und ich unterstütz die auch noch!“ Wütend riss sie sich die Mütze vom Kopf. Zur selben Zeit hatten Negative wieder die Bühne betreten, um die geforderte Zugabe zu spielen. „Möchtest du gehen?“, fragte Tiia führsorglich, doch ich schüttelte den Kopf. Die letzten paar Minuten würde ich auch noch aushalten, dachte ich. Als Jonne den letzten Satz gesungen hatte, schaute er erleichtert ins Publikum und direkt in mein Gesicht. Ich schaute ihn enttäuscht an, wartete auf irgendeine Reaktion von ihm, doch nichts geschah. Er sah mich einfach nur an. Wieder liefen Tränen meine Wangen herab. Das war zu viel für mich. Ich drehte mich um und kämpfte mich heulend durch die Menge nach draußen. Tiia lief mir hinterher, doch ich wollte einfach nur allein sein. Weg von allem, was mich an Jonne erinnerte. Draußen angekommen, rannte ich einfach los. Ich kannte mich in Helsinki nicht aus, wusste nicht, wo ich war. Auch die Straßen waren fast menschenleer. Ich lief immer weiter; Tiia schien verstanden zu haben, dass ich allein sein wollte, zumindest folgte sie mir nicht mehr. Wie konnte Jonne mich nur so anlügen? War ich ihm nicht gut genug? Ich dachte an das Shirt, dass Tiia sich gekauft hatte. „Let’s F*ck“. War es das, was er wollte? War ich für ihn nur ein einfacher Groupie, eine von Hunderten? Bedeutete ich ihm denn gar nichts? War alles, was wir zusammen erlebt hatten, für ihn ohne Bedeutung? Ich stolperte und fiel auf den Bürgersteig. Mit aufgeschürften Ellenbogen blieb ich liegen, Tränen fielen in den grau-braunen Schneematsch unter mir. Doch mir war alles egal, solange ich nur allein war. Auf einmal hörte ich Schritte hinter mir. Ich blickte auf und sah, wie Jonne auf mich zu rannte. Als er bei mir angekommen war, blieb er stehen. „Geh weg!“, schrie ich unter Tränen, „Ich hasse dich!“ „Auri...“, setzte er an, doch ich schrie ihn weiter an: „Sei ruhig! Du hast alles kaputt gemacht, ich will dich nie wieder sehen!“ Ich sah, dass meine Worte ihn verletzten. Gut so, er hatte nichts anderes verdient. „Lass es mich erklären...“, versuchte er erneut, sich zu rechtfertigen. „Und mich noch mehr verletzten? Gib’s zu, ich bin für dich nur ein Betthäschen, eins von vielen. Du hast mich nie geliebt!“ Ich sprach das aus, wovor ich mich die ganze Zeit gefürchtet hatte. Diese Erkenntnis brachte mich wieder zum Weinen. Ich stand vom Boden auf und wollte wieder wegrennen. Doch die Schuhe hinderten mich daran und Jonne hielt mich am Arm fest. Ich riss mich los. „Fass mich nicht an, Lügner!“ Ich schien ihn getroffen zu haben, langsam lief eine Träne seine rechte Wange herab. Es war mir egal. „Bitte...“, sagte er leise. Weiter kam er nicht, seine Stimme brach ab. „Bitte mich nicht um etwas! Du bist für mich gestorben!“, schrie ich. Ich ließ alle meine Gefühle raus, etwas was ich noch nie getan hatte. Nun konnte auch Jonne sich nicht mehr halten und begann zu weinen. Ich entschloss, ihm eine Chance zu geben und seiner fadenscheinigen Erklärung zu lauschen. „Es...“, brachte er hervor, „Es tut mir so Leid, Auri. Ich wünschte, ich könnte das alles ungeschehen machen.“ Er schaute mir in die Augen, doch ich wendete meinen Blick ab. „Es war alles so perfekt zwischen uns und ich wollte es nicht zerstören.“ „Ach? Wie sozial von dir! Hast du jemals an mich gedacht und wie ich mich fühle? ‚Your lies will destroy her’! Das hast du eben noch gesungen, oder habe ich mich verhört?“ Wütend schaute ich ihn an. Er schüttelte den Kopf, wollte jedoch schon die nächste Entschuldigung abliefern. Ich kam ihm dazwischen. „Was hast du gedacht, als du das gesungen hast? Sag’s mir!“ „Ich weiß, ich bin kein Deut besser als diese Person im Song. Aber glaub mir: Ich liebe dich. Ich habe noch nie jemanden so geliebt wie dich.“ Ich sah die Verzweiflung in seinen Augen und die Tränen, die immer noch hinab liefen. „Und deshalb lügst du mich an?“, flüsterte ich. Ich wollte ihm meine Enttäuschung spüren lassen. „Ja... nein... Es ist...“, fing Jonne an. Es schien ihm schwer zu fallen, die richtigen Worte zu finden, „Meine bisherigen Freundinnen sind nicht damit zurecht gekommen, dass ich Musiker bin. Entweder war ich ihnen zu oft weg, oder sie benutzten mich als Fahrkarte um an ihre Lieblingsstars ranzukommen. Verstehst du? Ich wollte das nicht schon wieder erleben, wollte nicht schon wieder enttäuscht werden. Aber wahrscheinlich habe ich dadurch jetzt alles verloren...“ Traurig sah er zu Boden. „Ich bin aber nicht wie alle anderen, Jonne. Kennst du mich etwa so schlecht, dass du denkst, ich würde nicht zu dir stehen?“ „Ich wollte es dir sagen, ehrlich. Doch bisher hatte ich einfach nicht den Mut dazu. Ich versteh, wenn du Zeit brauchst, aber bitte verzeih mir. Du bedeutest mir alles.“ Er sah mir tief in die Augen, diesmal wich ich seinem Blick nicht aus. „Ich weiß es nicht, Jonne“, erwiderte ich, „Ich weiß es wirklich nicht.“ Mit diesen Worten wendete ich mich ab und machte mich auf die Suche nach meinem Auto. Kapitel 19: Kapitel 10: Friends - Part 1 ---------------------------------------- Jonne: Wie ich es befürchtet hatte, tat Auri das, was sie immer in solch unangenehmen Situationen getan hatte und ich wünschte mir so sehr, es auch so tun zu können, einfach nur davon laufen zu können, doch es ging nicht. Ich blieb wie angewurzelt stehen und sah ihr nach, wie sie erneut vor mir floh, vor mir und allen Problemen. Mein Körper wollte sich einfach nicht rühren, so sehr ich ihr auch sofort hinterher gerannt wäre, aber mein Körper blieb stur und machte keine Anstalten sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Es müssen wohl Stunden vergangen sein, die ich einfach nur da stand und die Tür anstarrte, durch die Auri vor einiger Zeit das Geschehen verlassen hatte, Stunden in denen das Publikum immer noch nach mehr verlangte und mich wohl alle verwundert angesehen haben mussten, als mich endlich jemand aus meiner Starre erlöste. Es war Antti der plötzlich hinter mir stand und mir auf die Schulter getippt hatte. Doch als ich mich umdrehte, waren es nicht nur seine besorgten Augen die mich anblickten, nein, auch Snack, Chris, Jay und Larry schienen sich große Sorgen zu machen und als ich leicht in Richtung Backstagebereich sah, erblickte ich sogar Tommi und die Jungs von Uniklubi und auch Matthau schien mein plötzliches Gefühlstief nicht entgangen zu sein. Als ich sie alle so dort stehen sah, wie sie mich mit besorgten Blicken ansahen, musste ich nun doch weinen. Erneut hatten mir meine Freunde bewiesen, wie viel ihnen an mir lag und das mit einer so einfachen Geste. Sie standen hinter mir und waren immer für mich da wenn ich sie brauchte. Ohne mich noch einmal zum Publikum umzudrehen verließ ich die Bühne. Ich hoffte nur zu sehr, dass sie nichts mitbekommen hatten, denn wenn sie sich jetzt auch noch um mich sorgten, würde ich mir wohl große Vorwürfe machen. Das konnte ich unseren Fans einfach nicht antun. Nicht an einem solch wunderschönen Abend, wo wir ihnen gerade erst solche Freude bereitet hatten. Also ging ich raschen Schrittes in Richtung Backstagebereich wo ich zu erst einmal Antti um den Hals fiel und meinen Gefühlen vollen Lauf ließ. Meine Tränen nässten sein Shirt, doch das war sowohl mir als auch ihm egal. „Jonne… wenn du reden möchtest, du weißt wir sind für dich da. Ich wüsste zu gern, was dir so zu schaffen macht. Was ist es, das dich bedrückt?“, begann er mich dann leise zu fragen. „Ich… Antti, sie war da… sie hat alles gesehen… und was noch schlimmer ist“, ich holte tief Luft bevor ich es leise und einem großen Schluchzen hervorbrachte, „Sie hat mich erkannt… Ich weiß es. Sie hat mich voller Enttäuschung angesehen und was eigentlich noch schlimmer ist, ich kann verstehen wieso. Ich habe sie belogen und betrogen. Auch wenn ich ihr so viel von mir gezeigt und erzählt habe, habe ich ihr doch das wichtigste verschwiegen.“ Mein Schluchzen erfüllte den Raum und mittlerweile konnte ich auch wieder die Armen der anderen, die sie nun auch um mich gelegt hatten, spüren. Ich fühlte mich so sicher und geborgen bei ihnen und dennoch wusste ich, dass ich unbedingt mit IHR reden musste. „Und… was hat sie gemacht nach dem sich eure Blicke trafen?“, wollte Chris wissen. „Sie… sie ist weggerannt… wie immer… sie hat den Club verlassen und ist wahrscheinlich längst über alle Berge und für mich unerreichbar“, sprach ich meine Befürchtung aus. „Quatsch… sie ist eine Frau, wie schnell kann die schon sein“, versuchte unser ehemaliger Gitarrist mich aufzumuntern. „Chris hat Recht!“, meinte Antti nur grinsend, „Solang du es nicht versucht hast, gibt es noch Hoffnung.“ „Schwachsinn. Hoffnung, gibt es immer. Auch wenn du es bereits versucht haben solltest und gescheitert wärest, aber das wollen wir mal nicht hoffen. Aber in einem kann ich mich den beiden nur anschließen und zwar, dass du noch große Chancen hast, sie einzuholen“, beteiligte Snack sich an dem Aufbauversuch der anderen. „Ihr habt Recht, ich… ich sollte es wenigstens versuchen“, gab ich zurück. „Na dann… worauf wartest du noch“, mischte sich nun auch Jay ein. „Genau… lauf so schnell du kannst, als ginge es um dein Leben, dann wirst du sie ganz sicher einholen und dann… schnappst du sie dir“, sprach Larry die letzten Worte meines persönlichen Aufmunterungstrupps, welchen ich liebevoll Freunde nannte. „Danke!“, das war das letzte, was ich dazu noch sagen konnte, bevor ich losrannte. Gerade war hatte ich den Club verlassen, als mich plötzlich ich irgendwer am Arm packte. Erschrocken drehte ich mich um und sah in die Augen einer sehr freakig gekleideten Frau. Sie hatte blaue Haare mit künstlichen rosa Haarsträhnen drin und sah mich wütend an. „Was fällt dir eigentlich ein…“, fuhr sich mich auch sofort an und ich begann zu schlucken. Was wollte diese Frau von mir? Wer war sie und was hatte ich ihr denn getan? „Ich… entschuldige ich hab’s eilig“, versuchte ich mich von ihr zu lösen, doch sie verstand sich leider ziemlich gut darin einen festzuhalten. „Wie konntest du ihr das nur antun du Arsch!“, setzte sie ihren Angriff auf mich fort. „Ich… ich weiß ja nicht einmal wer du bist“, antwortete ich schnell ohne groß über ihre Anschuldigung nachzudenken. Was ich jedoch besser hätte tun sollen, denn sofort fing ich mir eine kräftige Ohrfeige ein und ich verstand nun, dass sie wohl eine Freundin von Auri sein musste. Warum mir das nicht vorher hätte klar werden können, wusste ich hingegen leider nicht. „Du bist so ein Idiot. Sie hat wirklich etwas Besseres verdient als dich. Sie…“, machte sie mich weiter nieder, doch ich unterbrach sie. „Vielleicht… vielleicht hat sie etwas Besseres verdient“, voller Tränen im Gesicht und mit den traurigen Gedanken an meine Fehler in meinem Kopf sah ich ihr mit entschlossenem Blick entgegen, „doch wenn ich auch nur noch eine Chance bei ihr haben sollte, dann… dann möchte ich sie nutzen, möchte ihr erklären, warum ich es ihr nicht gesagt habe. Wahrscheinlich hätte ich wissen müssen, dass sie es falsch verstehen würde, doch ich gebe ihr nicht die Schuld daran. Du musst wissen, dass ich schon immer überlegte, wie ich ihr das nur sagen sollte, doch ich hatte Angst, dass sie es so verstehen würde, wie sie es jetzt leider wohl verstanden hat. Ich hätte es ihr in Ruhe erklären sollen, doch ich fand einfach nicht die richtigen Worte.“ „Ich… wie… was glaubst du denn wie sie dich jetzt sieht“, fragte sie voller mitfühlender Neugierde. Es schien so als wüsste sie zum ersten Mal nicht was sie sagen sollte und ich fragte mich, ob sie wohl sonst eher ein sprechender Wasserfall war. Zu mindest hatte es den Anschein. „Nun ich befürchte, dass sie mich jetzt für einen sexsüchtigen Sänger irgendeiner bekloppten Band hält, die in ihren Augen wahrscheinlich genauso schlimm ist wie ich. Wahrscheinlich denkt sie, dass sie für mich nur eine unter vielen ist und sie mir jetzt egal ist, doch… so ist es nicht. Sie ist für mich etwas Besonderes. Meine früheren Freundinnen verliebten sich in mich als den Sänger einer berühmten Band und kamen am Ende überhaupt nicht damit klar, dass ich Musik mache und darin nun mal sehr viel Zeit investiere. Ich wollte, dass es diesmal anders ist. Ich wollte die Chance nutzen. Immerhin lernte sie mich als normalen Menschen kennen und der wollte ich für sie ja auch bleiben…“, versuchte ich zu erklären doch Auris Freundin fiel mir ins Wort. „Papperlapapp… glaubst du etwa du wärst kein normaler Mensch? Als wenn Musiker so etwas Besonderes wären. Du bist nicht besser und nicht schlechter als jeder andere Mensch auf dieser Welt. Find dich damit ab! Und jetzt, versuch es Auri so zu erklären, dass sie das auch versteht. Versteht, dass du nicht mehr wert bist als sie, aber auch nicht weniger. Versteht, dass du ein stink normaler elender Vollidiot bist, der nun mal hoffnungslos in sie verknallt ist“, meinte sie nur und strich sich dabei eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die der Wind ihr in dieses geweht hatte. Erleichtert und dankend lächelte ich sie an und wollte gerade wieder losrennen, als mir noch etwas einfiel. „Du weißt nicht zufällig in welche Richtung sie gerannt ist?“ Stumm zeigte sie nach rechts und ich wandte mich zum Gehen, drehte mich jedoch noch einmal um. „Wie heißt du eigentlich?“ „Tiia“, antwortete sie kurz, „und jetzt mach hinne, sonst holst du sie nicht mehr ein.“ Diesen Befehl konnte ich nicht abschlagen und rannte los. Rannte so schnell ich konnte, in der Hoffnung sie doch noch ein zu holen. So schnell wie ich nur konnte, rannte ich den Weg entlang, immer in der Hoffnung Auri doch noch einzuholen. Ehrlich gesagt hätte ich auch nicht gewusst, was ich sonst hätte tun sollen. Ich mochte mir nicht einmal vorstellen, was wäre, wenn ich sie nicht einholen würde. All das was wir erlebt hatten, konnte einfach nicht völlig umsonst geschehen sein. Andererseits wäre es einfacher gewesen einfach aufzugeben vor mich hin zu heulen und mich selbst zu beschuldigen. Ich wusste ja nicht einmal, was ich ihr eigentlich sagen sollte. Was sollte ich denn bitte zu meiner Verteidigung anbringen? Irgendwie hatte ich das ungute Gefühl, dass sie es nicht so leicht verstehen würde wie Tiia. Nur warum sollte ausgerechnet sie es nicht verstehen? Nicht einmal das konnte ich mir erklären. Ein ungutes Gefühl haben und nicht einmal wissen wieso. Immerhin hatte ich es ja selbst einer erklären können, die mich nicht kannte und die mich nicht liebte. Aber vielleicht war gerade das auch der springende Punkt. Vielleicht würde Auri es genau deshalb nicht verstehen oder zu mindest nicht verstehen wollen. Schlussendlich ließ ich diese Grübeleien jedoch hinter mir und versuchte mich nur noch darauf zu konzentrieren schnell genug zu laufen um Auri doch noch einzuholen. Aber gab es überhaupt ein „schnell genug“? Nach dem ich schon gefühlte zehn Kilometer gerannt war, konnte ich Auri endlich in der Ferne erkennen. Sie lag am Boden und weinte. Ich hatte es befürchtete, doch andererseits konnte ich es ihr ja auch nicht verübeln. Genau genommen war es ja auch das, was ich am liebsten getan hätte und das schon allein in meiner Situation. Nicht auszudenken wie ich wohl an ihrer Stelle reagiert hätte. Ich glaube, ich hätte mich umgebracht. Also sie. Jedenfalls den, der mir das angetan hätte. Selbstmord ist ja nun wirklich keine Lösung. Vorsichtig lief ich auf sie zu. Sie schien es gehört zu haben, denn sie blickte auf und sah mich an und als ich dann vor ihr stand fiel ihr wohl nur noch eins ein: „Geh weg!“. Das war es was sie mir unter Tränen entgegen schrie gefolgt von den Worten „Ich hasse dich!“. Das zu hören brach mir das Herz. Dieser Schmerz war wahrlich unbeschreiblich. Am liebsten wäre ich sofort tot umgefallen. Aber den Gefallen tat mein Körper mir natürlich nicht. Da sollte man meinen, dass man ohne ein Herz nicht leben kann und trotzdem stand ich noch vor ihr. Sekunden später jedoch wurden diese Gedanken innerlich bereits von mir abgeschüttelt. Immerhin hatte ich vollstes Verständnis für diese Reaktion und das musste ich ihr auch zeigen, nein, schlimmer noch, ich musste es ihr beweisen. Ich wusste allerdings noch nicht wie. Wenn ich ihr jedoch kein Verständnis entgegen bringen konnte, wie sollte sie es dann für mich tun? Nicht so schnell klein beigeben wollend versuchte ich mit ihr zu reden. „Auri...“, setzte ich deshalb an, wurde jedoch von ihr unterbrochen. „Sei ruhig! Du hast alles kaputt gemacht, ich will dich nie wieder sehen!“, schrie sie weiter. Da war es wieder. Die Schuld, die mir zugeteilt wurde. Aber was hatte ich auch erwartet? Etwa das sie sich selbst die Schuld gibt? Wohl kaum, immerhin war es ja auch eindeutig meine Schuld. Doch das ich das wusste, half mir in diesem Moment leider kein Stück weiter. Doch so schnell wollte ich nicht aufgeben. Deshalb setzte ich erneut zu einem Erklärungsversuch an. „Lass es mich erklären...“, begann ich. „Und mich noch mehr verletzten? Gib’s zu, ich bin für dich nur ein Betthäschen, eins von vielen. Du hast mich nie geliebt!“, fiel sie mir wieder ins Wort. Verdammt, wie sollte man denn so nur überhaupt irgendetwas erklären. Auch wenn sie es nicht verstehen würde, warum gab sie mir nicht wenigstens eine Chance mich zu rechtfertigen und abgesehen davon, wie kam sie überhaupt auf so einen Scheiß? Fragte ich mich das wirklich? Nein, immerhin war es ja genau das gewesen, was ich befürchtet hatte. Doch auch diese Erkenntnis machte es für mich definitiv nicht leichter. In meinen Gedanken versunken bekam ich erst jetzt mit, dass sie schon wieder weinte und vom Boden aufgestanden war. Sie wollte wirklich versuchen, erneut davon zu rennen, doch abgesehen davon, dass sie mit ihren Schuhen anscheinend nicht richtig laufen konnte, hatte ich noch rechtzeitig reagiert um sie festhalten zu können. So schnell kam sie mir auch nicht davon. Auch wenn ich ihr das Recht gab es zu tun, doch wenn ich mal an mich dachte, war es ja nun partout nicht das was ich wollte. Also blieb mir nur, sie am Gehen zu hindern. Das jedoch ließ sie sich nicht mehr gefallen und riss sich los. „Fass mich nicht an, Lügner!“, gab sie dabei von sich. Das brachte meine Hoffung nun endgültig zu Fall. Was tat ich hier eigentlich? Ich versuchte das Unmögliche möglich zu machen, aber war ich dazu in der Lage? Wohl kaum. Am Ende war eben doch jegliches Hoffen umsonst. Da ließ sich eben nichts machen. Das Unmögliche konnte man nicht möglich machen und Auri und ich waren wohl am Ende auch nie für einander bestimmt. Wenn ich ehrlich war, hätte ich das ja auch schon längst merken müssen. All diese Hindernisse die uns im Weg gestanden hatten, all diese Probleme die zwischen uns waren, all das waren doch größte Anzeichen dafür, dass die Liebe zwischen und nicht sein sollte oder? Bei dieser Erkenntnis rann mir eine Träne die Wange hinab. War es wirklich so hoffnungslos? Innerlich schüttelte ich erneut die Zweifel ab. Nein, so etwas durfte ich nicht denken. Immerhin hatten wir all dieser Hindernisse, all die Probleme doch überwunden und wenn wir diese überwinden konnten, warum sollten wir dann ausgerechnet jetzt scheitern? Am Ende war wahrscheinlich alles nur eine Prüfung unserer Liebe. Wir mussten sie nur noch bestehen. „Bitte...“, sagte ich nur leise, doch die Zweifel runterzuschlucken war eben nicht so einfach, wie sich das anhört, weshalb ich danach mit meiner Stimme abbrach. „Bitte mich nicht um etwas! Du bist für mich gestorben!“, ließ sie weiterhin alles raus, was sich in den letzten Stunden angestaut hatte und weiterhin ohne auch nur ein bisschen Rücksicht auf mich zu nehmen. Doch warum auch, immerhin war ich es ja der sie verletzt hatte. Wieso sollte ich da auch Gnade erwarten können. Wer weiß ob sie es auch getan hätte, wenn sie gewusste hätte, wie sehr es meine Zweifel stärkt. Doch ich musste diese Zweifel einfach irgendwie besiegen, auch wenn mir bereits in Strömen die Tränen über die Wangen liefen. „Es...“, brachte ich endlich wieder ein Wort heraus, „Es tut mir so Leid, Auri. Ich wünschte, ich könnte das alles ungeschehen machen.“ In der Hoffnung sie erweichen zu können sah ich ihr in die Augen. Ich wollte ihr zeigen, dass ich nicht log und es ernst meinte, doch sie wandte den Blick einfach nur ab. „Es war alles so perfekt zwischen uns und ich wollte es nicht zerstören“, fuhr ich dann fort. „Ach? Wie sozial von dir! Hast du jemals an mich gedacht und wie ich mich fühle? ‚Your lies will destroy her’! Das hast du eben noch gesungen, oder habe ich mich verhört?“, konterte sie nur als hätte sie sich diese Wort schon bestens parat gelegt und sah mich dabei wütend an. Ich schüttelte nur den Kopf und wollte zu einer weiteren Entschuldigung ansetzten, doch sie kam mir zuvor. „Was hast du gedacht, als du das gesungen hast? Sag’s mir!“, machte sie es mir noch schwerer mich zu erklären. „Ich weiß, ich bin kein Deut besser als diese Person im Song. Aber glaub mir: Ich liebe dich. Ich habe noch nie jemanden so geliebt wie dich“, versuchte ich endlich diese Mauer zwischen uns einzureißen oder besser diese Mauer die sie vor mir zu schützen schien und zu mir jedes Wort von ihr durchließ. Doch innerlich wusste ich, dass es ihr nicht besser ging als mir, mit dem Unterschied, dass sie jemanden hatte, dem sie die Schuld geben konnte, mich. Ich war schon völlig verzweifelt, wusste nicht mehr was ich noch tun sollte. „Und deshalb lügst du mich an?“, flüsterte sie enttäuscht. „Ja... nein... Es ist...“, es fiel mir wirklich schwer mich richtig auszudrücken und das obwohl ich genau wusste wie es war und ich es doch schon einmal jemandem erklärt hatte, „Meine bisherigen Freundinnen sind nicht damit zurecht gekommen, dass ich Musiker bin. Entweder war ich ihnen zu oft weg, oder sie benutzten mich als Fahrkarte um an ihre Lieblingsstars ranzukommen. Verstehst du? Ich wollte das nicht schon wieder erleben, wollte nicht schon wieder enttäuscht werden. Aber wahrscheinlich habe ich dadurch jetzt alles verloren...“ Ich sah traurig zu Boden. „Ich bin aber nicht wie alle anderen, Jonne. Kennst du mich etwa so schlecht, dass du denkst, ich würde nicht zu dir stehen?“ „Ich wollte es dir sagen, ehrlich. Doch bisher hatte ich einfach nicht den Mut dazu. Ich versteh, wenn du Zeit brauchst, aber bitte verzeih mir. Du bedeutest mir alles“, tat ich noch einmal alles mir mögliche und sah ihr dabei tief in die Augen. Zu meinem Erstaunen wich sie meinem Blick diesmal nicht aus. „Ich weiß es nicht, Jonne“, erwiderte sie, „Ich weiß es wirklich nicht.“ Mit diesen Worten wandte sie sich ab und ging. Ich sah ihr noch traurig nach so lang ich konnte. Mir fehlte leider die Kraft ihr nach zu laufen, doch wahrscheinlich war das wohl auch besser. Wir brauchten jetzt sicher beide etwas Zeit zum Nachdenken. Ich konnte nur hoffen, dass sie mich verstehen würde und ich den passenden Weg finden würde es ihr endgültig klar zu machen. Die Tage verstrichen in Windeseile und von Tag zu Tag vermisste ich Auri mehr. Doch eine Lösung meines, nein, unseres Problems war immer noch nicht in Sicht. Irgendwie wollte mir einfach nicht auch nur eine einzige gute Idee einfallen, mit der ich Auri hätte zurück gewinnen können, doch sie einfach aufgeben, hatte ich in den letzten Tagen endgültig als Möglichkeit ausgeschlossen. Ich sehnte mich einfach zu sehr nach ihr, so sehr ich es auch nur im Ansatz versucht hatte, ich konnte sie nicht vergessen und deshalb blieb mir nur eins übrig: Sie davon überzeugen, wie leid mir das ganze tut und dass es nie wieder vorkommen wird. Nur wie sollte ich das anstellen? Ich hatte wirklich keine Idee, keine einzige. Ich hatte schon überlegt, ob ich sie nicht einfach zu einem Konzert einladen sollte, doch ich hatte ja leider überhaupt keine Ahnung, was für Musik sie so hörte. Deshalb wusste ich auch nicht so recht, ob es eine gute Idee war, einen der Songs, die ich in den letzten Tagen geschrieben hatte, für mein Vorhaben zu verwenden. Ich meine, ja, sie handelten alle von ihr und dem was passiert ist zwischen uns, doch ich hielt es wahrlich für keine gute Idee, ihr meine Gefühle so dar zu legen, da sie teilweise einfach zu extrem waren und ich fürchtete, dass sie dann, wenn sie zurück käme, es nur aus Mitleid täte und das war es ja nicht was ich wollte. Auch der Plan sie einfach auf ein paar Tage in einen spontanen Urlaub nur zu zweit einzuladen wurde, kurz nach dem er ausgedacht war, wieder verworfen. Man konnte sagen, ich war absolut planlos und deshalb eigentlich auch hoffnungslos. Betrübt saß ich in meinem Wohnzimmer auf dem Bett. In meinen Händen hatte ich meine Akustikgitarre. Vor mir lagen zwei Blätter Papier und ein Stift. Auf dem linken Blatt notierte ich Melodie- und Textfetzen, auf dem anderen Ideen wie ich Auri zurückgewinnen konnte. Immer wenn mir beim Rumklimpern etwas Gutes einfiel schrieb ich es auf. Es waren bereits mehrere Stunden verstrichen. Eigentlich hatte ich den ganzen Tag nur auf der Couch gesessen und meine Gedanken schweifen lassen. Das linke Blatt war schon bis zum Rand voll und das war durchaus wörtlich zu verstehen, denn auch wenn ich am Anfang den Platz natürlich nicht ausreizte und nicht bis an den Rand heran schrieb, so war er doch mittlerweile völlig überfüllt mit Ideen. So gut ich mich auch kannte, war ich dennoch erstaunt, dass mir so viel eingefallen war. Als ich jedoch voller Euphorie auf das rechte Blatt sah, musste ich feststellen, dass dieses noch völlig leer war. Kein einziges Wort, nicht ein Buchstabe, nich ein einziger Punkt, geschweige denn ein Strich. Mit einem Seufzen lehnte ich mich wieder zurück, den Blick zur Decke gerichtet, als ob ich dort etwas finden würde, was mir helfen könnte. Ein erneuter Seufzer und ich schloss die Augen. Es war noch zum verrückt werden. Ich liebte diese Frau so sehr, dass es mich glatt in den Wahnsinn trieb und mir viel nicht ein, wie ich sie hätte davon überzeugen können? Ich wusste es doch genau. Das war Liebe, wahre Liebe. Doch wie sollte ich ihr das nur beweisen. Völlig verzweifelt ging ich in die Küche um mir einen Tee zu machen. Geistesabwesend griff ich in den Schrank nach einem Teebeutel und tat ihn in das vorher vorbereitete heiße Wasser. Von dem ganzen Vorgang bekam ich eigentlich gar nichts mit. Ich tat es mehr unterbewusst, sowie jeder Mensch atmet, so kochte ich mir einen Tee, zu mindest heute. Sie ließ mich einfach nicht los. Ich musste ständig an sie denken und ich fragte mich, ob es ihr genauso ging. Ich hoffte es, doch ich befürchtete, dass es nicht der Fall war. Liebe konnte manchmal so grausam kompliziert sein. Da hatte ich endlich die Richtige gefunden, eine Frau die mich nicht liebte, weil ich Sänger von *NEGATIVE* war und dadurch berühmt, sondern mich als der Mensch liebte, der ich in meinem normalen Leben hinter der Bühne war und dann machte ich mir alles so kaputt. Wie hieß es immer so schön: Wer keine Probleme hat, macht sich welche. Also wirklich, jetzt begann ich schon darüber zu philosophieren, ob es unvermeidlich gewesen war diesen Fehler zu begehen oder nicht. Ausreden, alles Ausreden. Ich sollte aufhören, mir selbst Vorwürfe zu machen. Es half nichts. Entweder ich bewies ihr meine Liebe endlich richtig oder ich ließ es bleiben und fände mich damit ab. Andere Möglichkeiten hatte ich nicht, denn alle anderen Möglichkeiten, wären schlecht für meine Umwelt und da mir diese von allem am wichtigsten war, durfte ich sie mir ja nicht vergraulen. Gedankenverloren kehrte ich zurück ins Wohnzimmer und wollte mich gerade wieder auf die Couch setzten, als es plötzlich an der Tür klingelte. Im ersten Moment keimte die Hoffnung in mir auf, dass es Auri sein konnte, doch bereits im nächsten wünschte ich mir die Person vor der Tür nur noch weit weg. Ich wusste genau, dass es nur einer der anderen sein würde, der gekommen war um mich zu etwas mehr Aktivität zu bewegen. Seit Tagen hatte ich meine Wohnung nicht verlassen und ich glaube, es verging kein Tag an dem nicht einer von ihnen vorbei kam um mich zu fragen, ob ich nicht wieder bereit für die Proben wäre, bereit um meine Wohnung endlich wieder zu verlassen. Doch jedes Mal aufs Neue erklärte ich ihnen, dass ich noch Zeit zum Nachdenken brauchte. Murrend öffnete ich die Tür und ich behielt Recht. Es waren Antti und Snack, heute also sogar im Doppelpack. Glaubten sie wirklich, dass sie so mehr Chancen hatten, mich zu etwas zu bewegen? Erhofften sie sich so mehr Überzeugungskraft? Doch erstaunlicher Weise schwiegen sie beide und standen einfach nur da und ich sah sie grummelnd an und wünschte mir, dass sie einfach nur gehen würden. Es war nicht so, dass ich sie hassen würde. Ich wollte nur im Moment niemanden sehen, niemanden außer meiner geliebten Auri. „Was wollt ihr? Wenn ihr hier seid um mich aus meiner Wohnung raus zu holen, so wie jeden Tag, dann muss ich euch enttäuschen. Es hat sich noch nichts geändert. Alles ist so, wie es gestern war“, ergriff ich dann Minuten des Anschweigens später als erster das Wort. Doch sie standen nur da und sahen mich an, gaben mir keine Antwort. Doch plötzlich schlich sich ein diabolisches Grinsen auf ihre Gesichter und für einen Moment machten sie mir doch tatsächlich Angst und ehe ich mich versah, stand ich angezogen außerhalb meiner Wohnung. Antti hatte meine Tasche mit rausgenommen und die Tür abgeschlossen. Wie gedankenverloren musste ich gewesen sein, damit sie mich so einfach aus der Wohnung zerren konnten? Doch jetzt war es auch nicht mehr wichtig sich diese Frage zu stellen. Um ehrlich zu sein beschlich mich sogar das Gefühl, dass mir der Ausflug vielleicht doch ganz gut tun könnte. Geistesabwesend trottete ich den beiden hinterher ohne darauf zu achten, wo wir überhaupt hingingen. Irgendwann blieben sie jedoch stehen und ich blickte auf. Unser Weg hatte uns an den See geführt. Stumm sah ich hinüber zu Antti und Snack, die sich gegenseitig irgendetwas zuflüsterten, was ich leider nicht verstehen konnte. Dann drehten sie sich zu mir um und griffen mich am Arm und wiesen mich an die Augen zu schließen. Ich tat wie mir geheißen und vorsichtig zogen die beiden mich hinter sich her. Doch schon einige Schritte später blieben wir wieder stehen. Die beiden ließen mich los und schienen sich hinter mich zu stellen, warum wusste ich nicht. Dann flüsterten sie mir ins Ohr, dass ich meine Augen wieder öffnen könnte und erneut tat ich was sie sagten. Ich öffnete meine Augen wieder und blickte in ein Paar wunderschöner, grüner Augen und es waren nicht irgendwelche wunderschönen, grünen Augen, nein, ich erkannte sie sofort. Es waren Auris Augen. Völlig erstarrt und mit weit geöffneten Augen stand ich vor ihr. Meine Ungläubigkeit spiegelte sich sicher sogar in meinem Blick wider, davon war ich überzeugt. Doch auch sie schien erst nicht zu verstehen. Sie sah mich einfach nur an mit einem Blick, der schon fast fragender war als mein eigener. Es vergingen wohl mindestens zehn Minuten ehe wir uns gesammelt hatten, unsere Gedanken halbwegs sortiert waren und wir endlich begriffen, was Sache war. Hastig drehte ich mich um und schaute mir meine zwei Begleiter genauestens an. Sah tief in ihre Augen und versuchte dort eine Antwort zu suchen, doch dies erübrigte sich, als sich ein sanftes Grinsen auf ihre Gesichter schlich. Ich begann zu verstehen. Sie mussten sich wohl irgendwie abgesprochen haben. Nur mit wem? Erneut wandte ich mich wieder um, zurück in Auris Richtung. Nur diesmal fokussierte ich nicht sie, sondern die Personen, die hinter ihr standen. Zum einen war da diese Frau, Auris Freundin von dem Konzert, zum anderen Auris Mitbewohner Arho. Sie mussten, diejenigen sein, mit denen Antti und Snack und wer weiß wer sonst noch, sich abgesprochen hatten. Mit ihrer Hilfe hatten sie ihren Plan, Auri und mich aufeinander treffen zu lassen, in die Tat umgesetzt. Es dauerte nicht lang und auch Auri begann zu verstehen und sah mich nun wissend an. Ihr eben noch fragender, verwirrter Blick war nun wieder tot ernst. Mich mit ihren Augen fixierend kam sie langsam auf mich zu bis sie nur noch weniger Zentimeter von mir entfernt war und nur wenige Sekunden und ein sanftes Lächeln später spürte ich seit langer Zeit zum ersten Mal wieder ihre weichen Lippen auf den meinen. Doch unser Kuss hielt nur geschätzte zehn Sekunden, dann brach ich ihn ab. Ich ging einen Schritt zurück um sie wieder besser im Blick zu haben und sah sie ernst an. Hatte ich die letzten Tage und Wochen mit Grübeln verbracht nur damit meine Freunde mal wieder alles in nur ein paar Sekunden für mich richteten? Hatte ich mir solche Sorgen gemacht Auri für immer zu verlieren nur um in genau diesem Moment festzustellen, dass sie völlig unnötig gewesen waren? Musste ich wirklich die ganze Zeit, die wir getrennt waren, darüber nachdenken, wie ich sie zurückgewinnen konnte nur um nun schon nach einem einzigen Kuss, wohlgemerkt von ihrer Seite, meine heile Welt zurück zu haben? Nein ganz sicher nicht! Es war etwas zwischen uns vorgefallen. Ich hatte Mist gebaut und selbst wenn sie mich in dem Zeitraum mindestens so sehr vermisste wie ich sie wenn nicht gar mehr, wollte ich dennoch wissen, ob sie mir wirklich verziehen hat. Wollte sie nur aus Sehnsucht zu mir zurück oder hatte sie sich wirklich sortiert, sich gefragt, ob es Sinn machte wegen dieses Fehlers unsere Beziehung aufs Spiel zu setzten? Doch je mehr Fragen ich mir stellte, desto mehr musste ich feststellen, dass es eigentlich keinen Sinn machte. Auri war sicher nicht die Person, die einfach ohne nachzudenken aus purer Sehnsucht nachgibt. Aber dennoch hielt ich es für besser, sie zu fragen. „Auri ich…“, setzte ich an, „kannst du mir meinen Fehler wirklich verzeihen? Oder ist es pure Sehnsucht, die dich dazu treibt nachzugeben?“ Erstaunt sah sie mich an. Sie hatte sicherlich nicht erwartet, dass ich eine solche Frage stellen würde, doch nach ihrem kurzen Erstaunen folgte ein eher verständnisvoller Blick gefolgt von einem nachdenklichen. „Ich habe dich vermisst, sicher, aber dennoch habe ich auch viel über deine Worte, deine Begründungen nachgedacht, warum du es mir nicht gesagt hattest. Am Ende war Tiia es die auf mich einredete und dich verteidigte, was ich schon sehr merkwürdig fand, da sie dich ja gar nicht kennt und zuvor beim Konzert noch auf meiner Seite stand, sprich gegen dich war. Da wurde ich eigentlich schon das erste Mal misstrauisch um ehrlich zu sein, aber das tut eigentlich im Moment nichts zur Sache. Fakt ist, sie sorgte dafür, dass ich nicht ständig immer nur die Argumente in meinem Kopf wiederholte, die gegen dich sprachen, sondern auch endlich mal über ein paar Pro-Argumente nachdachte. So kam ich dann am Ende zu dem Schluss, dass, so sehr betrogen ich mich auch fühlte, ich dir doch immer noch vertraute und den Worten glauben schenkte. Meine Befürchtungen erschienen für mich zunehmend unlogischer und unvorstellbarer und deine Erläuterungen dagegen immer logischer und verständlicher und… um es kurz zu machen, ich konnte dir schon nach wenigen Tagen nicht mehr böse sein. Aber da war einfach eine Mauer, die mich daran hinderte aufzustehen und zu dir zu gehen um dir dies mitzuteilen. Ich hatte einfach Angst, am Ende doch enttäuscht zu werden. Vielleicht waren da immer noch gewisse Befürchtungen, wie, dass du vielleicht schon wieder eine neue hast oder so. Aber eigentlich habe ich nie wirklich daran geglaubt. Tiia und Arho hatten auch immer wieder auf mich eingeredet, doch endlich mal meinen Arsch zu bewegen, aber… ich bekam es einfach nicht auf die Reihe. Deswegen griffen sie wohl am Ende zu diesem drastischen Mittel, ob wohl mir immer noch unklar ist, woher sie deine Freunde kennen und warum es ihnen so wichtig ist“, erklärte Auri lang und breit ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass besagte Freunde ja direkt hinter uns standen und das ganze Gespräch mitverfolgten. „Nun ich denke, weil du ihre Freundin und ihnen deshalb unheimlich wichtig bist. Natürlich wollen sie deshalb nur das Beste für dich und wahre Freunde sehen sofort, wie sehr du jemanden liebst und ob es für dich sinnvoll ist, der geliebten Person böse zu sein oder ihr lieber zu verzeihen und eine zweite Chance zu geben. Sie sehen sofort, was du dir in deinem Unterbewusstsein wünschst. Nur für einen selbst ist das immer sehr schwer zu erkennen“, versuchte ich ihr meine Meinung zu dem Thema klar zu machen, „Und ähm… doch deine Freundin kennt mich. Als ich dir gefolgt bin da… da hatte sie mich erst aufgehalten und ich hatte mich auch ihr erst erklären müssen, doch erstaunlicher Weise schien sie es recht schnell zu verstehen, vielleicht weil sie da schon wusste, was du unterbewusst wolltest und was so das Beste für dich wäre.“ Auri sah mich beinahe mit einem strahlenden Lächeln an, was bei mir jedoch nur eine hochgezogene Augenbraue zur Folge hatte. Die sollte noch mal einer verstehen. „Ich glaub jetzt verstehe ich endlich alles“, meinte sie jedoch nur kurz darauf und kam wieder näher. Freudig umarmte sie mich und sah mir tief in die Augen. „Außerdem, wird mir jetzt erst wieder so richtig bewusst, warum ich dich eigentlich so sehr liebe!“ Mit diesen Worten schien alles geklärt und ihre sanften Lippen fanden erneut den Weg auf die meinen. Doch diesmal beendete ich den Kuss nicht vorzeitig. Nein, diesmal genoss ich ihn in vollen Zügen und wäre es nach mir gegangen, so würden wir noch heute dort stehen und uns einfach nur umarmen und in diesem innigen Kuss vereint sein. Leider wurde Auri dann aber doch irgendwann kalt, genauso wie meinem Körper und so gingen wir zu mir nach Hause um dort mit unserem neugewonnen Glück, dem neuen Anfang unserer Beziehung fortzufahren. Kapitel 20: Kapitel 10: Friends - Part 2 ---------------------------------------- Auri: Verwirrt lief ich durch die Straßen Helsinkis. Wo hatte ich meinen Wagen denn geparkt? War ich wirklich so weit gelaufen, dass ich ihn jetzt nicht wiederfand? Die Dunkelheit, die überall herrschte, erleichterte meine Suche auch nicht gerade. Der Schnee und die Straßenlaternen spendeten zwar etwas Licht, aber nicht genug um sich problemlos in einer fremden Stadt orientieren zu können. Einige Minuten später hatte ich es zum Glück gefunden und setzte mich hinein. Ich startete den Motor, fuhr los nach Hause. Weg von diesem fürchterlichen Ort. Nach knapp zwei Stunden war ich endlich zu Hause. Arho schlief zum Glück schon, was anderes konnte man ja auch nicht erwarten. Auch ich ging direkt in mein Zimmer, und ohne mich abzuschminken und auszuziehen fiel ich ins weiche Bett. Ich betrat das Restaurant. Es war ziemlich voll, nur ein freier Tisch war zu sehen. Ich bahnte mir meinen Weg dorthin, stolperte beinahe über die Handtasche einer alten Dame. Ich setzte mich, hörte das Gelächter vom Nebentisch. Schön, wenn es denen so gut ging. „Und dann meinte sie, dass ich ja eh voll das Arschloch sei und sie nur benutze.“ Ich horchte auf und sah mich um. Hinter mir saß Jonne, seine beiden Freunde waren auch da sowie drei Typen die ich nicht kannte. „Wenn sie wüsste, wie recht sie damit hat“, lachte einer der Männer. „Ach, Auri ist doch viel zu naiv.“ Das war wieder Jonne, der dies sagte. „Hm...“, meldete sich nun Antti zu Wort, „Glaubst du, sie wird dir verzeihen?“ Jonne nickte. „Ja, ich denke schon. Und wenn nicht... So schlimm wär’s jetzt nicht. Is ja eh nur ne Frau wie alle anderen.“ Ich schreckte hoch, feststellend, dass mein Gesicht tränenüberströmt war. Wie konnte Jonne mir das nur antun? Ich zweifelte immer noch daran, ob er mich jemals wirklich geliebt hatte, trotz seiner Worte auf der Straße. Der Wecker sagte mir, dass es erst kurz nach drei war, doch ich war mir nicht sicher, ob ich wieder einschlafen konnte. Sicher wäre es besser gewesen, nach so einem anstrengenden Tag, aber wer wusste schon ob ich nicht wieder so einen Albtraum bekommen würde? Ich entschied mich, aufzustehen und in der Küche einen heißen Kakao zu trinken. Vielleicht würde es ja helfen, wieder klar denken und somit auch schlafen zu können. Die Küche lag im Dunkeln und es dauerte eine Weile, bis ich den Lichtschalter gefunden hatte. Und das, obwohl ich doch schon so lange hier wohnte. Enttäuscht musste ich feststellen, dass uns die Milch ausgegangen war. Na ja, heißes Wasser tat es im Notfall ja auch. Also stellte ich den Wasserkocher an und wartete bis das Wasser heiß genug war. Das Gemisch schmeckte zwar nicht sonderlich gut, aber immerhin fühlte ich mich wirklich etwas besser als zuvor. Ich hörte, wie eine Tür sich öffnete und schaute hoch. Arho kam aus seinem Zimmer geschlurft, sein Geist schien sich aber wohl noch im Bett zu befinden. Er blinzelte in meine Richtung, schien angestrengt nachzudenken. Dann folgte ein fragendes „Hn?“ Ich antwortete nicht, wollte eigentlich nur allein sein. Meine Taktik funktionierte und Arho verschwand im Bad. Aber nur um kurze Zeit später und erstaunlich wacher wieder herauszukommen und sich zu mir zu setzen. „Wieso bist du wach?“, fragte er, dann: „Sag mal, hast du geweint?“ Wieso konnte er meine Gesichtszüge eigentlich immer so gut interpretieren? Ich wischte mir über die Augen und musste feststellen, dass sie noch immer feucht waren. Okay, kein Wunder, dass Arho gefragt hatte. Jetzt konnte ich mich nicht mehr zusammenreißen. Alle Erinnerungen kamen hoch; die vom gestrigen Abend, aber auch alte, schöne Erinnerungen an Sachen, die ich mit Jonne erlebt hatte. Die Tränen flossen wieder über meine Wangen, ich versuchte gar nicht erst sie zu verbergen. „Hey Auri-Schatzi, was ist los?“ „Jonne... er... er...“ Mehr konnte ich nicht hervorbringen, der Kloß in meinem Hals war zu groß. „Ach komm her!“ Arho schob meine Kakaotasse aus dem Weg und drückte mich an sich. Es tat gut, dass er da war und mir zuhörte. „Erzähl, was passiert ist.“ Ich erzählte ihm, was am Abend vorgefallen war, ließ kein Detail aus. Auch nicht von unserem ziemlich heftigen Streit. Nachdem ich geendigt hatte, schaute Arho mich überrascht und gleichzeitig entsetzt an. „Das kann doch nicht sein Ernst sein! Wie konnte er dir das antun?“ Wieder drückte er mich und wischte eine Träne von meiner Wange. Das waren solche Momente, wo ich mich fragte, warum ich nicht einfach mit ihm zusammen sein konnte. Er verstand mich und war für mich da. Aber leider mussten solche Männer ja immer schwul sein. Na ja, vielleicht war es auch besser so. Wer weiß, ob ich ihn dann noch als einen so guten Kumpel bezeichnen könnte. Und so einer war mir wichtiger, das stand fest. „Was soll ich denn jetzt tun, Arho?“ „Lass uns morgen darüber reden, du solltest schlafen. Oder es zumindest versuchen“, meinte er. Ich folgte seinem Rat, auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass ich nicht schlafen konnte. Zu aufgewühlt war ich, noch immer. Doch nach einiger Zeit hatte der Schlaf mich geholt. Als ich am nächsten Tag erwachte, war es bereits 11 Uhr. Geschockt über die Tatsache sprang ich aus den Federn und lief ins Wohnzimmer, wo zu meiner Überraschung Tiia auf mich wartete. Sie saß neben Arho auf der Couch und hielt eine Tasse dampfenden Kaffee in der Hand. „Was machst du denn hier?“, fragte ich verwirrt. „Ich wollte schauen, wie es dir geht.“ Ich machte mit meinem Kopf eine alles sagende Geste. „Wie bist du gestern eigentlich nach Hause gekommen?“ Die Frage schoss mir gerade durch den Kopf. Ich war zu sehr durch den Wind gewesen um zu realisieren, dass ich Tiia nach dem Desaster gar nicht mehr gesehen hatte. „Zug“, antwortete sie knapp. Dann fügte sie hinzu: „Ich wusste, dass du lieber einige Zeit allein sein wolltest.“ Ich nickte. „Auch wenn es vielleicht etwas fahrlässig war, dich in diesem Zustand Auto fahren zu lassen. Das ist mir erst hinterher aufgefallen.“ „Ich leb ja noch...“ Ich ging in die Küche, um mir einen Kaffee zu holen. Der aromatische Duft stieg mir in die Nase und versetzte mich sofort in eine etwas bessere Stimmung. Schon komisch, was solche Kleinigkeiten manchmal für eine Wirkung hatten. Ich kehrte zu den beiden anderen zurück und berichtete Tiia in knappen Worten, was Jonne gestern gesagt hatte. Zu meiner Überraschung schien Tiia ihn in Schutz zu nehmen: „Ich kann ihn schon verstehen, irgendwie. Natürlich ist sein Verhalten nach wie vor riesiger Mist, aber in seiner Situation durchaus nachzuvollziehen.“ Fragend schaute ich zu Arho, doch der hatte anscheinend auch keine Ahnung, warum Tiia so reagierte. „Schon, aber ich weiß nicht, was ich tun werde. Ob ich ihm verzeihen kann oder nicht. Ich weiß nur, dass ich nicht mit einem Lügner zusammen sein will. Und das ist Jonne jetzt für mich.“ Verstehend nickte Tiia und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. „Du weißt ja, dass du immer zu uns kommen kannst, wenn du Probleme hast“, sagte sie. Jetzt nickte ich, natürlich wusste ich das. Tiia und Arho waren schließlich meine besten Freunde. Mit keinem anderen konnte ich so gut reden wie mit den beiden, außer vielleicht mit meiner Schwester. „Weißt du denn jetzt, was du machen willst?“, fragte Arho plötzlich. Er hatte die ganze Zeit geschwiegen, wie mir jetzt auffiel. „Nicht wirklich“, antwortete ich wahrheitsgemäß, „Vielleicht ein Jonne-Ablenkungsprogramm starten.“ Ich musste unfreiwillig lachen, als ich das sagte. „Gute Idee!“, rief Tiia. „Auch wenn ich finde, dass du ihm eine Chance geben solltest. Na ja, lass dir die Zeit, die du zum Nachdenken brauchst. Aber wieder zurück: Im Kino läuft gerade so ein schöner Horrorfilm. Wie wär’s?“ Ich wusste zwar nicht, was an einem Horrorfilm „schön“ sein sollte, trotzdem stimmte ich zu. Alles war besser als zu Hause rumzusitzen. Tiia stand auf, um das Kinoprogramm zu checken. Nach kurzer Zeit kam sie zurück. „Der Film fängt um zwei an, also haben wir noch etwas Zeit. Wenn du dich jetzt anziehst, Auri, könnten wir noch etwas durch die Stadt laufen. Auch wenn das schöne Weihnachtsfeeling jetzt natürlich vorbei ist.“ Tiia schaute etwas traurig drein, und ich stellte leicht entsetzt fest, dass ich ja wirklich noch meine Schlafsachen trug. Ich ging ins Bad, duschte und suchte mir dann ein paar nette Klamotten aus dem Schrank zum Anziehen. Ich konnte den Film nicht wirklich genießen, zu viel Blut und abgetrennte Körperteile und zu wenig Handlung. Arho schien es ähnlich zu gehen, weshalb wir das Kino vorzeitig verließen. Nur Tiia blieb sitzen. Schweigend setzen wir uns in die Sessel, die vor dem Kinosaal standen. Meine Gedanken drifteten ab, fanden ihren Weg zu Jonne und egal, wie sehr ich versuchte, sie zu verdrängen, kehrten sie immer wieder zurück. Eine Träne lief mir über die Wange. Schnell wischte ich sie weg, wollte nicht, dass Arho sie sah. Nach einer Stunde kam Tiia endlich aus dem Kino. „Was ist das Programm für morgen?“, fragte sie. „Öhm... morgen?“ Ich war etwas verwirrt. „Klar, je mehr Ablenkung du bekommst, desto besser“, erwiderte meine Freundin, „Wie wäre es mit... wandern in den Wäldern Tamperes! Das ist doch mal was anderes!“ Ich schüttelte den Kopf. Wandern wollte ich nun wirklich nicht. Doch Arho schien Tiias Vorschlag zu mögen, denn er sagte: „Ach komm, Auri, das wird sicher lustig!“ Widerwillig ließ ich mich überreden. Wandern war immerhin besser als gar nichts. Wir verließen das Kino und machten uns auf den Weg nach Hause. Tiia zu Jussi und Arho und ich gingen zu uns. Da es erst später Nachmittag war, ging ich in mein Zimmer um etwas für die Uni zu tun. Die Semesterferien waren bald vorbei und ich wollte nicht völlig unvorbereitet in die nächste Vorlesung gehen. Das Buch, was ich mir an dem Tag, an dem ich Jonne traf, ausgeliehen hatte, lag neben mir auf den Schreibtisch. Ich war nicht sonderlich weit gekommen, war erst auf Seite 79, weshalb ich es mir nun auf dem Schreibtischstuhl bequem machte, soweit es möglich war, und weiter las. Ich schaffte nicht einmal den ersten Satz, dann schweiften meine Gedanken wieder ab. Ich dachte an den Tag zurück an dem ich Jonne getroffen hatte, wie alles angefangen hatte. Mir stiegen wieder die Tränen in die Augen. Alles war so schön gewesen, auch wenn der Beginn unserer Beziehung alles andere als einfach war. Wieso musste er alles zerstören? Wieso hatte er nicht von Anfang an ehrlich sein können? Eine Träne fiel auf das geöffnete Buch. Schnell schloss ich es und legte es beiseite, bevor noch mehr Tränen darauf fallen konnten. „Möchtest du vielleicht...“ Erschrocken drehte ich mich um und sah Arho in der Tür stehen. Als er mich sah, kam er auf mich zu und nahm mich in den Arm. „Immer noch Jonne?“, fragte er und ich nickte. „Ach, komm her, lass uns in die Küche gehen und bei Kaffee und Kuchen in Ruhe darüber reden.“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich möchte lieber allein sein.“ Verstehend stand er auf und verließ den Raum. Den gesamten restlichen Tag verbrachte ich in meinem Zimmer, lernend, denkend oder weinend. Ich war richtig froh, als es endlich spät genug war, um schlafen zu können. Ich schlief nicht sonderlich gut, träumte wieder von Jonne. Aber wenigstens wachte ich nicht auf, so wie letzte Nacht. Stöhnend erhob ich mich, wollte den restlichen Tag am liebsten im Bett verbringen, abgeschottet von der Welt. Doch leider hatten Tiia und Arho ja andere Pläne mit mir. Und sie ließen sich ganz sicher nicht davon abhalten. Arho schlief noch, weswegen ich die Küche für mich allein hatte. Ich kochte mir Kaffee und steckte zwei Scheiben Toast in den Toaster. Nach kurzer Zeit war beides fertig. Arho kam in die Küche und setzte sich zu mir. „Bereit fürs Wandern? Tiia kommt gegen Nachmittag, sie hat mir gerade ne SMS geschrieben.“ „Ich hab ja keine andere Wahl“, sagte ich und lächelte gequält. Der Nachmittag kam schneller als erwartet und Tiia war voller Elan. Sie hatte sogar eine Karte mitgebracht, auf der sie verschiedene Wanderwege markiert hatte. Arho und ich zogen uns unsere Jacken an und gemeinsam verließen wir das Haus. Tiia dirigierte uns in einen Wald unweit von Arho und meinem Wohnhaus. Ich war froh, dass es noch hell war und der Schnee ebenfalls etwas Licht spendete. Ich hatte schon immer etwas Angst davor gehabt im Dunklen durch einen Wald zu spazieren. Arho und Tiia hatten ihren Spaß und versuchten, auch mich anzustecken, doch ich war einfach nicht in der Stimmung. Egal, was sie taten, meine Gedanken kehrten immer zu Jonne zurück. „Hmm... das ist eine schöne Stelle!“, sagte Tiia genießerisch. Ich schaute auf und wieder wurden meine Augen feucht. Ich erkannte die Stelle sofort. Es war der Ort, an dem mir meine Gefühle zu Jonne bewusst geworden sind! Ich konnte nicht anders als wegrennen, weg von diesem Ort. „Auri?“, hörte ich Tiia hinter mir rufen, doch ich reagierte nicht. Im Moment wollte ich einfach nur allein sein. Ich lief durch die halbe Stadt, wollte nicht nach Hause. Doch egal, wo ich auch hinsah, alles erinnerte mich an Jonne. Hier war das Kaufhaus, wo ich ihn unfreiwillig angerufen hatte, kurz darauf passierte ich das Café in dem wir uns getroffen hatten, dann war da die Bibliothek wo wir uns zum ersten Mal sahen und wo er mir seine Liebe gestanden hatte. Überall waren Erinnerungen. Erinnerungen die ich am liebsten loswerden wollte. Ich wusste nicht, wie lange ich durch die Straßen lief, doch als es langsam dunkel wurde, kehrte ich nach Hause zurück. Arho und Tiia warteten auf mich. „Was war denn los?“, wollte die Blauhaarige besorgt wissen. In knappen Worten schilderte ich was ich gefühlt hatte. „Oh, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich etwas anderes vorgeschlagen“, meinte sie dann. Es schien ihr wirklich Leid zu tun. Ich winkte ab. „Das konntest du ja nicht wissen. Was hast du denn für morgen geplant?“ Jetzt schauten mich beide überrascht an. „Du möchtest dieses Ablenkungsprogramm noch weiter durchziehen?“ „Ja, möchte ich. Ablenkung tut gut“, log ich. „Okay, wie wäre es mit einem Museumsbesuch?“ War ja klar, dass dieser Vorschlag von Arho kam. Ich versuchte wirklich alles, folgte jedem noch so sinnlosen Rat Tiias, doch ich konnte Jonne nicht vergessen. Alles erinnerte mich an ihn, und das versetzte mich Tag für Tag in eine schlechtere Laune. Kein Ablenkungsmanöver meiner Freunde half, egal ob es eine Shoppingtour in Turku, ein Besuch im Planetarium oder ein Wochenendausflug nach Lappland war. Eher das Gegenteil war der Fall. Tiia und Arho schienen es zu bemerken, denn sie meinten immer und immer wieder ich solle Jonne noch eine Chance geben. Ich liebte ihn ja schließlich und das war nicht zu übersehen. Aber ich konnte einfach nicht. Es war so, als wäre eine Schranke zwischen uns, die nicht überwunden werden konnte. Eines Tages meinte Tiia: „Wie wäre es, wenn wir morgen Schlittschuh laufen gehen? Das haben wir schon so lange nicht mehr gemacht.“ Ich war nicht sonderlich begeistert, stimmte aber trotzdem zu, weshalb Tiia, Arho und ich uns am nächsten Tag auf den Weg zum See machten. „Ähm... ich guck mal eben, ob der See auch zugefroren ist“, sagte Arho, kurz bevor wir am Ziel waren, „Wartet ihr hier?“ Tiia verdrehte die Augen und auch ich wunderte mich über Arhos übertriebene Verpeiltheit. Es war schließlich Mitte Januar. Wenn der See jetzt nicht zugefroren war, wann dann? Kurze Zeit später kam Arho zurück und nickte uns zu. Tiia nickte wissend zurück. Irgendwie kam mir die Situation komisch vor, doch ich konnte nicht erklären, wieso. Plötzlich meinte Tiia, ich solle meine Augen schließen. „Warum...“ Doch weiter kam ich nicht, da Tiia mir ein Tuch um den Kopf band. Ich konnte nichts mehr sehen. Dann führte sie mich vorwärts, immer darauf bedacht, dass ich nicht stolperte. Nach ein paar Schritten stoppte sie und nahm mir die Augenbinde ab. Ich konnte meinen Augen nicht trauen, schaute die Person vor mir nur verblüfft an. Auch Jonne schien ziemlich verwirrt zu sein, wenn ich seinen Blick richtig deutete. Jetzt erst realisierte ich Antti und Snack im Hintergrund. Mir fiel Arhos sinnloser Satz von vorhin wieder ein. Die vier standen also unter einer Decke. Nur wie hatten die sich abgesprochen? Zu viele Fragen tauchten in meinem Kopf auf, und zu wenig Antworten hatte ich. Ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, versuchte die Situation zu verstehen und irgendwie einzuordnen. Doch es gelang mir nicht. Nach einer halben Ewigkeit, so kam es mir zumindest vor, blickte ich wieder direkt in Jonnes blaue Augen. Todernst, in der Hoffnung, er könnte mir erklären, was hier vor sich ging. Aber lange konnte ich diesen Augen nicht standhalten, diesen Augen, die der Person gehörten, die ich über alles auf der Welt liebte. Ich ging langsam auf ihn zu, lächelte schüchtern und küsste ihn. Es war ein Reflex, ich konnte nicht anders. Umso enttäuschter war ich, als er mich von sich weg schob. Er schaute mich lange Zeit schweigend an, dann sagte er: „Auri ich… kannst du mir meinen Fehler wirklich verzeihen? Oder ist es pure Sehnsucht, die dich dazu treibt nachzugeben?“ Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, schaute ihn nur erstaunt an. Diese Frage war das letzte was ich im Moment von ihm erwartet hatte. „Ich habe dich vermisst, sicher“, begann ich, „Aber dennoch habe ich auch viel über deine Worte, deine Begründungen nachgedacht, warum du es mir nicht gesagt hattest. Am Ende war Tiia es die auf mich einredete und dich verteidigte, was ich schon sehr merkwürdig fand, da sie dich ja gar nicht kennt und zuvor beim Konzert noch auf meiner Seite stand, sprich gegen dich war. Da wurde ich eigentlich schon das erste Mal misstrauisch um ehrlich zu sein, aber das tut eigentlich im Moment nichts zur Sache. Fakt ist, sie sorgte dafür, dass ich nicht ständig immer nur die Argumente in meinem Kopf wiederholte, die gegen dich sprachen, sondern auch endlich mal über ein paar Pro-Argumente nachdachte. So kam ich dann am Ende zu dem Schluss, dass, so sehr betrogen ich mich auch fühlte, ich dir doch immer noch vertraute und den Worten glauben schenkte. Meine Befürchtungen erschienen für mich zunehmend unlogischer und unvorstellbarer und deine Erläuterungen dagegen immer logischer und verständlicher und… um es kurz zu machen, ich konnte dir schon nach wenigen Tagen nicht mehr böse sein. Aber da war einfach eine Mauer, die mich daran hinderte aufzustehen und zu dir zu gehen um dir dies mitzuteilen. Ich hatte einfach Angst, am Ende doch enttäuscht zu werden. Vielleicht waren da immer noch gewisse Befürchtungen, wie, dass du vielleicht schon wieder eine neue hast oder so. Aber eigentlich habe ich nie wirklich daran geglaubt. Tiia und Arho hatten auch immer wieder auf mich eingeredet, doch endlich mal meinen Arsch zu bewegen, aber… ich bekam es einfach nicht auf die Reihe. Deswegen griffen sie wohl am Ende zu diesem drastischen Mittel, ob wohl mir immer noch unklar ist, woher sie deine Freunde kennen und warum es ihnen so wichtig ist.“ Ich atmete tief ein. Während des gesamten Redeschwalls hatte ich nicht ein einziges Mal Luft geholt. „Nun ich denke, weil du ihre Freundin und ihnen deshalb unheimlich wichtig bist. Natürlich wollen sie deshalb nur das Beste für dich und wahre Freunde sehen sofort, wie sehr du jemanden liebst und ob es für dich sinnvoll ist, der geliebten Person böse zu sein oder ihr lieber zu verzeihen und eine zweite Chance zu geben. Sie sehen sofort, was du dir in deinem Unterbewusstsein wünschst. Nur für einen selbst ist das immer sehr schwer zu erkennen“, faselte er. Er schien immer noch etwas durcheinander zu sein. Dann meinte er: „Und ähm… doch deine Freundin kennt mich. Als ich dir gefolgt bin da… da hatte sie mich erst aufgehalten und ich hatte mich auch ihr erst erklären müssen, doch erstaunlicher Weise schien sie es recht schnell zu verstehen, vielleicht weil sie da schon wusste, was du unterbewusst wolltest und was so das Beste für dich wäre.“ Ich lächelte ihn an, auf einmal war alles klar. Jonne zog eine Augenbraue hoch und ich musste grinsen. Im Moment war ich der glücklichste Mensch der Welt. „Ich glaube jetzt verstehe ich alles“, erklärte ich mein Lächeln und kam einen Schritt auf Jonne zu, um ihn umarmen zu können. Mit einem tiefen Blick in seine Augen sagte ich: „Außerdem, wird mir jetzt erst wieder so richtig bewusst, warum ich dich eigentlich so sehr liebe!“ Mehr brauchte ich nicht zu sagen, alles war geklärt. Endlich. Nach so langer Zeit der Ungewissheit hatten wir uns nun endlich gefunden und nichts konnte uns mehr trennen. Wieder näherten sich unsere Lippen, bis sie sich trafen. Ich konnte nicht beschreiben, wie es sich anfühlte. Ich wusste nur, dass es verdammt richtig war. Dieses Mal ließ sich auch Jonne auf den Kuss ein, was mich noch glücklicher machte. Es kam mir vor, als vergingen Stunden, die wir einfach nur so dastanden und ich wünschte mir, es würde ewig so weitergehen, doch leider war es hier draußen zu kalt, um länger hier stehen zu bleiben, weshalb wir zu Jonne gingen um dort endlich unser lang ersehntes Glück zu genießen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)