Bester Freund von SFX (Tai & Sora, T.K. & Kari) ================================================================================ Kapitel 24: Jene Wahrheit ------------------------- Die Beifahrertür öffnete sich quietschend. Währenddessen waren auch alle anderen gekommen, um den neuen unbekannten Gast zu sehen. „Erwartest du noch jemanden, Tai?“, stellte Davis die überfällige Frage. Der Angesprochene aber antwortete nicht, sondern starrte weiter wie alle anderen auf die offene Beifahrertür. Ganz im Inneren hatte er eine leichte Ahnung, wer der Angekommene sein könnte… Eine einzelne blonde Person stieg aus dem Taxi aus und gab sich dem Rest zu erkennen. Die Reaktion der vorher feiernden Gruppe fiel sehr gemischt aus: Erfreut und erleichtert, erstaunt und verwirrt… aber auch verbittert und entsetzt! Aber keiner rührte sich oder sagte etwas… Yamato stand auf wackeligen Füßen; ihn verunsicherte das Verhalten der anderen sehr. Wieso zum Teufel hatte er sich eigentlich doch umstimmen lassen?! Man sah jetzt doch, dass es nicht gut gehen konnte! Dieses unerträgliches Schweigen und das gegenseitige Anstarren bedeutete jedenfalls nichts Hoffnungsvolles! Außerdem kamen noch jene entsetzten Blicke dazu, die keine guten Aussichten auf das stellten, was er mit diesem Treffen erreichen wollte. Jetzt kann alles passieren… nur nichts Vorteilhaftes… „MAAATT!“ Ein schriller Ruf unterbrach jäh die peinliche Stille. Aus der Menge stürmte Davis hervor und lief auf den Blonden zu… und stoppte direkt vor ihm. Erst jetzt bemerkte Yamato, dass dessen Gesicht ein Lachen beinhaltete. „Ist das toll, dass du da bist! Oh Mann, wo bist du denn so lang nur gewesen? Tai hatte gesagt, du wärst einfach so verschwunden und…“ Davis plapperte einfach drauf los; er realisierte nicht, dass sich jetzt alle Blicke auf ihn richteten… auch diesmal teils erstaunt und teils entsetzt. Yamato aber war ihm für seine Reaktion unendlich dankbar. Der vorerst schwierigste Teil – der Anfang! – war somit schon mal gemacht. Tai, ebenfalls erleichtert und erfreut über Davis‘ Reaktion, ging auf die beiden Jungs zu: „Schon gut, Davis! Ich denke, dass du alles nacheinander von ihm erfahren wirst. Und um jetzt klarzustellen…“ Der Braunhaarige ging auf Yamato zu, stellte sich zu ihm und wandte sich wieder an die Menge. „Ich habe Matt zu der heutigen Party eingeladen. Er ist hier, um euch einiges zu erzählen… und um einige Gerüchte aus der Welt zu schaffen. Die Gelegenheit dazu wird er später nicht mehr haben… einige wissen bereits warum! Auf jeden Fall bitte ich euch, ihn so zu behandeln, wie ihr es früher mit ihm auch getan habt!“ Einige ratlose Gesichter gingen in der Menge umher. Das, was Tai gerade gesagt hatte, machte für einige gar keinen Sinn. Zu was sollte er später keine Gelegenheit mehr haben? Und wieso sollten sie ihn anders als früher behandeln? Das war doch eine Selbstverständlichkeit, ihn als einen Freund und Dazugehörigen anzusehen… Für 2 Personen jedoch nicht mehr… T.K. und Sora wandten ihre Blicke von ihm ab. Gerüchte… pah! Was sie von ihm kennen, waren reine TATSACHEN und keine Gerüchte! Und Tatsachen kann man nicht aus der Welt schaffen… das wäre ja zu schön, um wahr zu sein! T.K. setzte sich in Bewegung und ging auf seine Freundin zu. „Kari, komm! Wir gehen!“ Seine braunhaarige Freundin war überrascht über seinen wütenden Ausdruck: „Aber T.K., was hast du…“ „Keine Widerrede! Ich will, dass du mit mir gehst und…“ „T.K.!!“ Seinen Namen hatte Tai überdeutlich gebellt… man konnte sogar ein leichtes Echo aus dem Wald hören. Der junge Blonde schaute zurück… ohne Respekt gegenüber dem Älteren. „NEIN! Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben! Auch du kannst mich nicht dazu zwingen, Tai!“ Mit diesen geschrienen Worten verließ T.K. mit Kari im Schlepptau den Platz und lief mit ihr in den Wald. „T.K.! Kari! Kommt sofort…“, rief Tai. Eine Hand wurde dem Braunhaarigen auf die Schulter gelegt. Er drehte sich um und blickte den Besitzer dieser Hand an; Yamato schüttelte leicht den Kopf und deutete auf die andern. Tai verstand zuerst nicht, was er damit sagen wollte, doch schließlich nickte er. Mit T.K. zu reden brachte jetzt nichts, also sollte man erst einmal mit dem anfangen, was zu machen war. Tai drehte sich wieder zur Gruppe um; die sah regelrecht geschockt aus von der Szene, die gerade eben ablief. Er wies die Gruppe zurecht: „Gehen wir in die Hütte… dort wird Matt uns von allem berichten…“ Zögernd setzte sich die Menge in Bewegung und huschte durch den schmalen Eingang. Yamato folgte der Menge mit nachdenklicher Mimik; hinter ihm ging schließlich Tai, der ein ebenfalls nachdenkliches Gesicht machte. Das hätte nicht sein müssen, was gerade eben geschehen war; es machte die Sache unnötig schwieriger, als es ohnehin schon war… Andererseits war das zu erwarten gewesen… Yamato hatte es ihm in aller Ernsthaftigkeit geschildert, dass T.K. sehr wohl all seine Worte so gemeint waren, wie sie von ihm kamen. Allerdings hatte Tai so ein Ausmaß von T.K.s Wut nicht vorausgesehen. Er dachte, dass auch T.K. Yamato nun zumindest etwas glimpflicher behandeln würde als vor ein paar Tagen… Doch dem schien nicht so… Schließlich waren alle in der Hütte versammelt und hatten einen Kreis gebildet. Tai wollte gerade die Tür der Hütte schließen, als er eine Gestalt draußen erblickte, die reglos stehen blieb. „Auch das noch…“, dachte sich der Braunhaarige, als er erkannte, um wen es sich handelte. Seine beste Freundin hatte anscheinend nicht das Bedürfnis, Yamato seiner Geschichte zuzuhören… Immerhin war sie nicht wie T.K. einfach so gegangen… das war der einzige Schimmer Hoffnung in dieser Sache. Er wollte gerade wieder aus der Hütte laufen und zu ihr gehen, da wurde er wieder abrupt von einer Hand an seiner Schulter aufgehalten. Diesmal war es Mimi; sie hatte bemerkt, dass Sora in der Hütte gefehlt hatte. „Ich werd‘ mit ihr reden…“, flüsterte sie ihm zu. Tai wusste zuerst nicht recht, stimmte aber dann zu; vielleicht hatte Mimi mehr Chancen, Sora zu überreden… er selbst war schließlich schon zwei Mal mit dem Versuch gescheitert. Hoffentlich würde sie das schaffen, was er nicht geschafft hatte… ----------------- „Warum hatte er das getan? Warum nur??“ Eine einzelne Träne kullerte auf ihrem Gesicht herunter. Sora stand steif in der gerade untergehenden Sonne. Sie konnte es immer noch nicht fassen, wer gerade aus dem Taxi gestiegen und zu der Gruppe gestoßen war. Sie konnte allerdings noch mehr nicht fassen, dass es ausgerechnet ihr bester Freund war, der Yamato eingeladen hatte. Wieso hatte er das getan? Sie hatte ihm doch ausdrücklich gesagt, dass sie den Blonden nicht mehr sehen wollte! Die Geschichte um ihre Vergangenheit hatte doch schon das Fass zum Überlaufen gebracht… was sollte also das Ganze jetzt?! Geräusche von knirschendem Kies ließen Sora aufhorchen. Sie wurden immer lauter; jemand kam auf sie zu. „Tai, bitte lass mich alleine…“, sagte Sora mit dem Gedanken, dass es sicherlich ihr bester Freund war. „Sora… ich bin’s!“ Das Mädchen stutzte; mit Mimi hatte sie nicht gerechnet. Sie drehte sich um: „Mimi… was… was machst du denn hier?“ Mimi kam auf ihre orangehaarige Freundin zu und setzte sich neben ihr hin. „Ich weiß seine Geschichte schon. Er hatte sie mir gestern erzählt…“ „Achso…“ Mimi blickte Sora besorgt an. Diese hatte ihren Kopf gesenkt und weggeschaut. Aber irgendwie musste sie mit ihr reden. Es würde vielleicht weh tun, über das eine oder andere zu sprechen, aber sonst würde sie nicht erkennen, das Yamato noch eine gute Ader besaß. Sonst würde sie in ihm nur noch einen schamlosen Schuft sehen, der sich einen Dreck um andere scherte. „Sora…“, meinte Mimi nach einer Weile, „Warum gehst du nicht rein und hörst ihm zu?“ Die Angesprochene regte sich nicht. Sie saß still und hatte ihren Blick immer noch nicht zu ihr gewendet. Mimi glaubte nach mehreren Sekunden, sie würde nicht antworten wollen… „Ich… ich will… ich will ihn nicht sehen! Und außerdem weiß ich seine Geschichte auch schon… und… und das ist mir auch genug…“ Soras plötzliche Antwort ließ Mimi innerlich zusammenzucken. Ihre Stimme war so kühl und klang auch verabscheuend. In ihr musste sich schon ziemlich viel zusammengestaut haben… und das Zusammengestaute drohte auch, gewaltsam aus ihr auszubrechen. Also musste sie ihre beste Freundin schnellstens irgendwie überzeugen… „Sora… ich glaube nicht… dass du seine Geschichte wirklich kennst!“ So! Nun war es raus! Diese Behauptung hatte sie nun ausgesprochen. Sie wusste keinen anderen Ausweg. Es war ihr wichtig gewesen; sie musste das Risiko eingehen, dass die Bänder und Stricke in Soras Innerem endgültig reißen könnten… Es war ihr wichtig gewesen, dass sie sofort auf den Punkt kommt, denn sonst würden sie noch den ganzen Nachmittag beanspruchen… und so viel Zeit hatten sie nicht! Sora blickte reichlich irritiert über die Aussage ihrer besten Freundin. Es war aber kein entsetzt irritierter Blick, sondern in diesem Blick spiegelte sich vielmehr Neugier wieder. „Wie?“ Mimi reagierte etwas verunsichert. War jetzt mehr die Neugier oder mehr die Wut der Anlass für diese knappe Frage? Sie holte etwas Luft und wiederholte ihre Aussage: „Ich… ich glaube… dass du nicht die volle Wahrheit weißt…“ Dieses Mal war es Sora, die etwas verunsichert zu ihrer Freundin herüberschaute. Was war die volle Wahrheit? Sie befürchtete, dass noch schlimmere Informationen auf sie zukommen würden als die, die sie bis jetzt von Tai erfahren hatte… Aber es könnte auch etwas Entlastendes sein… vielleicht so entlastend, dass sie nicht mehr so schlecht über diese Zeit denken könnte. Und dann müsste sie sich auch nicht mehr mit diesen schlimmen Gedanken herumplagen… „Meinst du das ernst?“, fragte sie noch einmal nach. „Wenn du alles wissen würdest, würdest du jetzt wahrscheinlich nicht so auf seine Anwesenheit reagieren…“, meinte Mimi selbstsicher. Jetzt war Sora an dem Punkt angelangt, wo sie meinen konnte, dass die fehlenden Informationen nicht so schlimm sein können, wie sie vorerst dachte. Es musste etwas Entlastendes sein! Sie musste es erfahren! „Dann…“ Sie schluckte kurz. „Dann… bitte erzähl mir die – volle – Wahrheit…“ Erleichtert über diese Bitte begann Mimi, ihr die Details, von der Sora bislang noch nichts wusste, zu erzählen. Dabei ging sie explizit auf das Ereignis in der Disco, wo Yamato auf T.K. und Kari stieß, ein. Auch von den aktuellen Geschehnissen, mit denen Yamato derzeit konfrontiert wurde, erzählte sie der Orangehaarigen… ----------------- „So sieht’s also derzeit aus…“ Es war still. Yamato hatte gerade mit seiner Erzählung geendet. Alle Blicke in dem Raum, die bis jetzt die ganze Zeit auf ihn gerichtet waren, wendeten sich nun langsam in alle Richtungen ab. Einige der Gruppe stießen leise Pfiffe oder auch einen lang angehaltenen Atem aus. Diese Stille hielt noch einige Zeit… bis sich schließlich Cody mühsam aufraffte. „Wieso erzählst du uns das?“ Diese Frage überraschte einige der Angehörigen. Viele Blicke richteten sich auf das mittlerweile hochgewachsene Nesthäkchen der zweiten Digiritter-Generation. Nur Yamato war nicht verwundert; er hatte geradezu eine solche Frage erwartet. Denn was sollte denn die Menge hier mit diesen Informationen anfangen? Geschichten schreiben? „Lieber Cody, ich erzähle euch das alles nicht, um zu zeigen, wie toll ich bin und jetzt Astronaut werde! Eigentlich ist dieser mittlere Teil meiner Erzählung mir unwichtig… mir geht es vielmehr um den vorderen und hinteren Teil…“ Yamato holte Luft. Die ganze Geschichte zu erzählen hatte ihn schon viel Kraft gekostet. Die ganzen Erinnerungen, die teilweise mehr schmerzten als vorher, nochmal Revue passieren zu lassen… und sich dabei selbst einzugestehen, wie hart es die anderen damals getroffen hatte… diese schlimmen Erinnerungen würden ihn das ganze Leben noch verfolgen. „Es ist für mich schwer genug… zu realisieren, dass ich solche… Undinge in der Vergangenheit getan habe. Mir geht es deshalb darum, euch wissen zu lassen, was wirklich geschehen ist… was wirklich in der Vergangenheit passiert war… zwischen Kari, Sora und mir… und was ich vor nicht allzu langer Zeit versucht habe, zu tun…“ Dabei musste Yamato schlucken. „… und dass ich das bereue. Es schweben schon genug Gerüchte und falsche Erzählungen über mein Leben vor und jetzt auch noch nach meinem Verschwinden in der Luft herum.“ Der Blonde pausierte und blickte in die Runde. „Ich hoffe, ihr seid mir nicht böse, dass ich euch vielleicht hintergangen und im Dunkeln gelassen habe…“ Mit diesen Worten hielt Yamato inne. Tai saß in einer Ecke und hatte die Luft unbewusst angehalten. Er war sehr gespannt auf die Reaktion der anderen… würden sie ihm glauben und vergeben? Oder würden sie ihn von der Gruppe ausstoßen? Tai glaubte nicht daran, dass Zweiteres geschehen würde; der Blonde hatte seine Erzählung sehr überzeugend herübergebracht… Plötzlich stand Yamato auf. Er sah Tai an: „Wo ist Sora?“ Es klickte innerlich in dem Braunhaarigen. Anscheinend wollte sein bester Freund nicht auf die Reaktion der Gruppe, die ihm gerade zugehört hatte, abwarten. Er wollte lieber gleich zum ernstesten Teil der Sache übergehen. Aber so weit war Tai gedanklich noch gar nicht… zumal er auch nicht weiß, wie weit Mimi bei Sora gekommen war! Hatte sie die Orangehaarige überreden können? Hatte sie ihre beste Freundin dazu bringen können, mit ihrem Ex zu reden?? Was, wenn dem nicht so wäre? Was würde dann aus Yamato werden? Nein, er musste sich erst einmal vergewissern, ob Mimi sie… „Hey Tai!“ Der Angesprochene wurde inmitten aus seinen Gedanken herausgeworfen. Yamato stand nun direkt vor ihm. Tai hatte noch nicht einmal bemerkt, dass er auf ihn zugegangen war. „Ähm, sorry Matt…“, begann der Braunhaarige, „aber ich weiß… ich weiß selber nicht, wo Sora ist. Ich kann sie suchen gehen und sie dir holen und…“ „Ist schon ok, Kumpel! Ich werde sie selber suchen gehen und mit ihr reden!“ Mit diesen Worten war der Blonde an ihm vorbeigegangen. Tai schaute ihm höchst irritiert nach. Kurz vor der Tür hielt der Blonde nochmal an und drehte sich um. Sein Blick traf den seines besten Freundes, der immer noch etwas aus der Tasse schaute. Schließlich führte er mit seinen Augen einen Zwinker aus, öffnete die Hüttentür und ging hinaus. Hinter Tai kam langsam die Gruppe hervor. Tai selbst konnte es immer noch nicht fassen. Woher kam so plötzlich seine Entschlossenheit? Woher kam so schnell auf einmal wieder sein Mut zurück? Sein bester Freund war wohl auch gut für Überraschungen, dachte er manchmal… „Viel Glück, Matt… du schaffst das!“, hörte Tai hinter sich jemanden sagen; es war Cody. Auch Davis stellte sich hinter Codys Meinung: „Na klar wird er das schaffen… hast du dir sein Gesicht angeschaut?“ „Voller Entschlossenheit“, ergänzte Izzy. „Sag mal Tai“, sagte Joey und blickte den Braunhaarigen dabei fragend an, „Was ist denn mit dir? Du schaust so überrascht!“ Tai reagierte auf die Frage mit einem Kopfschütteln: „Nichts, Joey… es ist nur: Ich sollte mir echt mal darüber Gedanken machen, ob das Wappen des Mutes nicht besser zu ihm passen würde als zu mir…“ ----------------- Mimi und Sora saßen immer noch unter dem Baum, der sich neben den beiden vorhin angeboten hatte. Mimi hatte längst aufgehört, über alle Geschehnisse, die sich kürzlich ereignet hatten, zu berichten; Sora versuchte unterdessen, alle Informationen zu verarbeiten. Sie schaute sehr nachdenklich herab; wenn das alles stimmen sollte, was Mimi erzählt hatte, wie sollte sie denn jetzt ihren Exfreund betrachten? Er war immer noch ein Mistkerl, das stand für Sora nicht mehr zur Debatte! Aber war er wirklich ein solcher Mistkerl, wie sie eine ganze Weile lang von ihm gedacht hatte? Er hatte sich immerhin versucht, umzubringen… demnach müsste er seine Absicht ernst gemeint sein. Er wollte seine Ehre wiederherstellen… und Unwahrheiten aus der Welt schaffen… ein ehrenhaftes Verhalten, dachte sie sich. Aber trotzdem: Sie würde immer noch nicht wissen, wie sie ihn jetzt behandeln sollte… Hasste sie ihn denn immer noch so, wie sie es vorher noch getan hatte? Wäre das immer noch eine gerechte Antwort auf seine Taten in der Vergangenheit? Auch wenn er sie nun anscheinend bereute, wie sein Selbstmordversuch zeigte? „Sora?“ Mit einem Male fühlte sie sich so, als würde ihr Herz stehen bleiben. Sie hatte noch nicht ihre Gedanken ordnen können… und ganz plötzlich wurde sie aus ihnen gerissen. Diejenige Person, über die die Orangehaarige gerade noch gegrübelt hatte, stand nun direkt vor ihr. Yamato blickte herab zu den beiden sitzenden Mädchen, die nun über seine Anwesenheit leicht schockiert wirkten. Yamato schaute Mimi mit einem leichten Nicken an. Diese verstand sofort und erhob sich. Sora blickte Mimi mit einem entsetzten Gesicht an; was hatte ihre beste Freundin sich jetzt bloß dabei gedacht? Mimi jedoch lächelte sie leicht an; indirekt konnte man ihr Lächeln wie die Worte „Du schaffst das schon!“ interpretieren. Dann verließ sie die Stelle, wo die beiden gut 15 Minuten gesessen hatten… an ihrer Stelle kam nun Yamato. Sora schaute stumm zu, wie der Blonde sich ihr näherte. Noch vor Kurzem hätte sie ihn nicht mehr so nah an sich herangelassen. Eigentlich wäre sie sofort fortgerannt oder ihn angeschrien. Aber sie wusste ja momentan selber nicht mehr, wie sie sich in seiner Gegenwart verhalten sollte… „Hey…“ Yamato wusste nicht wirklich, wie er das nun wichtigste Gespräch anfangen sollte. Vor den anderen zu reden, war nicht unbedingt schwierig gewesen… die anderen waren ja kaum oder überhaupt nicht an dieser Geschichte aktiv beteiligt gewesen. Aber vor Sora klar zu sprechen war alles andere als leicht; schließlich war sie die am schwersten geschädigte Person. „Hallo… Matt…“, kam es nun auch von Sora. Yamato stutzte: „Du… nennst mich immer noch so?“ „Wie sollte ich dich denn sonst nennen?“ „Naja… ich dachte, dass du mich nie bei meinem Spitznamen rufen würdest, wenn du sauer auf mich bist…“ Sora schluckte. An diese Zeiten wollte sie nicht unbedingt erinnert werden. Aber sie musste nun, da er jetzt anscheinend mit ihr reden wollte, wohl oder übel damit konfrontiert werden… „Die Zeiten sind vorbei, Matt… wir sind doch schon lange nicht mehr zusammen…“ „Mhh…“ Yamato wurde nachdenklicher. Sora wirkte gesprächiger, als er angenommen hatte; wieso? Vielleicht hatte sie ebenfalls das Bedürfnis, mit der Vergangenheit abzuschließen. Verständlich… wenn man bedachte, dass sie sich mit dieser Geschichte noch länger als Yamato plagen musste, würde es Sinn ergeben. Vielleicht würde es doch nicht so schwierig werden? Er wagte einen Versuch: „Sora… ich weiß nicht, ob du… ob du meine Geschichte auch hören möchtest…“ Sora winkte ab; sie hatte seine Geschichte schon oft genug gehört: „Ich kenne sie schon…“ Yamato wunderte sich nicht. Mimi müsste es ihr schon längst erzählt haben. Die Orangehaarige fuhr fort: „Mir geht es außerdem weniger um das, was du nach unserer Zeit gemacht hast…“ Nun wurde Yamato hellhörig. Wenn nicht um das, was denn dann? „Wenn du mich schon an diese Zeit erinnerst… würde ich… würde ich sagen, du solltest mir lieber erzählen, welcher… Bär dich damals geritten hat, bevor du verschwunden warst…“ Diese Sätze sprach sie mit mehrmaligem Schlucken aus. Es kostete sie immer noch Überwindungskraft. Aber dieses Mal sollte es auch das letzte Mal sein! Yamato senkte seinen Blick wieder; es würde wohl doch nicht so einfach werden, wie er sich eben noch erhoffte. Eines war nun klar: Er musste mit der Wahrheit rausrücken. An jenem Nachmittag, wo er Tai mit jener Wahrheit rausrückte, empfand er es schon so, als müsste er über eine 30 Meter hohe Mauer springen. Und dabei war es nur Tai! „Nur“ der engere Freund von Sora… Nun stand aber sie vor ihm und wartete darauf, ebenfalls jene Wahrheit in Empfang zu nehmen. Nun wuchs aber die Höhe der Mauer auf 100 Meter. Yamato war nervös; er wusste nicht, wie Sora reagieren würde. Und ehrlich gesagt hatte er auch Angst davor. Wenn er entscheiden könnte, würde er nicht wissen wollen, was als Nächstes passieren würde. Und anders als bei Tai hatte er dieses Mal keinerlei mehr Selbstvertrauen mehr, um sich aufzurappeln… das hatte ihm T.K. weggenommen. Das Gefühl, selber noch etwas wert zu sein, war verschwunden… versunken tief in seinem Inneren, wohin er noch niemals durchgedrungen war… So verging ein schweigsamer Augenblick der Stille… Sora betrachtete ihren Exfreund fragend an. Er sah so aus, als würde er selber mit sich kämpfen. Die Orangehaarige konnte es sich nur denken, aber sie vermutete, dass das, was an jenem Abend auf der Straßenbrücke passiert war, an seiner jetzigen Verfassung Schuld hatte. Er musste sich fühlen wie ein Niemand. Nur so war es zu erklären, warum er versucht hatte, sein Leben mit einem Sturz ins nasse Tief beenden zu wollen. Und nun wollte sein Selbstwertgefühl wieder aufkeimen… wenigstens zeigen, dass er noch fähig war, mit seiner Vergangenheit abschließen zu können… Aber die Misere, die in seinem Inneren herrschte, schien dies wohl zu verhindern. Jedenfalls sah sein Gesichtsausdruck nicht so aus, als würde er fest entschlossen an einen erfolgreichen Verlauf seiner Aktion glauben. Sie musste ihm dabei helfen! Sie wünschte sich ja selber, dass es zwischen ihnen beiden wieder normal angehen könnte! Sie war nun einmal die vernünftige Ader in der Gruppe… und von vielen „die Liebe in Person“ genannt. Sollte sie ihrem Ruf diesmal nicht gerecht werden, nur weil es ihr Exfreund war? Wohl kaum, dachte sie sich selber… „Matt…“ Yamato erwachte aus seiner Starre und blickte Sora an. Ihr Gesichtsausdruck schien sich nicht verändert zu haben, doch nun versprühte es jenes Gefühl des Wohlwollens und Verständnis aus, die nur ihre engsten Freunde erkennen konnten. Das war einer der Gründe – wenn nicht sogar derjenige Grund – weshalb er sich damals in Sora verliebt hatte. „Matt… ich… zwischen uns ist nun so viel Zeit vergangen. Und ich glaube, dass wir nun dadurch auch… genug Distanz haben, um über die Sache normal reden können.“ Ihre Worte klangen so warm. Das war typisch Sora, sie war immer die Liebe in Person gewesen. Wie konnte er sie damals so verletzen?! „Du musst keine Angst haben… mittlerweile lebe ich damit schon mehrere Monate. Mir… mir geht es wirklich nur darum, zu erfahren, warum du mich verlassen hast. Waren es wirklich – wie du mir zur Last gelegt hattest – die Streitereien?“ Der Blonde blickte sie immer noch sprachlos an… und auch sie erwiderte ebenso stumm den Blick. Was Sora jedoch nicht sah, war das Wiederaufkeimen seines Ichs. Sie hatte ihm eben mit ihren Worten das Leben entscheidend leichter gemacht. Die Höhe der Mauer senkte sich von 100 auf einen mickrigen halben Meter. Nun musste er sich nicht mehr wiederaufrappen. „Nein… nein… das… war es nicht. Das… das…“ Yamato merkte, dass er seine Worte erst einmal sammeln musste und hielt kurz inne. „Das war damals nur meine rüpelige Art und Weise gewesen… mich zu rächen…“ Sora blieb ruhig. Dieses Detail hatte sie schon damals von Tai zu hören bekommen. Hätte sie das jetzt erst erfahren, würde womöglich ihre liebenswerte Art wieder ganz schnell ins Negative umschlagen. „Es… es… tut mir Leid, dass ich dir das angetan habe, Sora… du trägst nicht die Schuld für unsere Trennung damals…“ Der Blonde schaute zu Boden. „Es war allein die Einberufung gewesen…“ „Einberufung?“, fragte Sora, „Was für eine Einberufung?“ Der Blonde schaute sie überrascht an: „Ich dachte, Mimi hätte dir alles erzählt…?“ Sora verneinte etwas verlegen: „Da… ähm… hab ich wohl nicht richtig hingehört…“ Sie pausierte eine Weile, während Yamato ein kleines Lächeln zustande brachte. Schließlich meinte sie: „Mhh… vielleicht wäre es… wäre es wohl doch besser, wenn du mir erzählst, was du in deiner Abwesenheit getrieben hast…“ Nun waren die beiden wieder an dem Punkt angekommen, womit Yamato eigentlich hätte anfangen wollen. Der Blonde kam zu ihr und setzte sich hin… und diesmal zeigte Sora keinerlei Scheu und Ablehnung seiner Nähe, sondern saß still da und hörte seiner Erzählung zu… ----------------- Es klickte an der Hüttentür. Tai und die anderen wirbelten herum. An der Tür kam eine lächelnde Mimi zum Vorschein. „Es hat geklappt. Er ist jetzt bei ihr…“ Tai stieß einen unbewusst angehaltenen Atem aus. Das war zweifellos eine gute Nachricht. „Hoffentlich wird alles gut zwischen den beiden…“, hörte man hinten Izzy sagen. „Bestimmt… Sora ist zeigt doch immer für alles Verständnis“, meinte Yolei. „Aber…“ Mit einem Male spürte Davis, wie alle anwesenden Augenpaare sich auf ihn richteten. „Was „Aber“, Davis?“, stellte Tai die Frage für alle. Der Junge lief rot an: „Ähm… bitte versteht mich nicht falsch… aber was hat denn T.K. mit dieser Sache zu tun? Seinem… Wutausbruch vorhin nach müsste er auch irgendwie darin verstrickt sein… oder?“ Tai schwieg. Davis sprach ein Detail an, welches Yamato vorhin in seiner Erzählung ausgelassen hatte… aus gutem Grund. Dem Braunhaarigen war klar, dass diese Geschichte nicht jeder wissen sollte; da war er mit seinem besten Freund einer Meinung. „Davis… ich finde es lieber besser, wenn wir jetzt die beiden Ausreißer suchen gehen. Immerhin sind sie schon seit einer geraumen Zeit verschwunden! Über die Frage können wir uns ja vielleicht nachher den Kopf zerbrechen.“ Als Antwort langte das dem Braunhaarigen vorerst. In Wirklichkeit aber wünschte Tai, dass alle Beteiligten diese Frage ganz schnell wieder verdrängen würden. Je weniger von diesem unschönen Ereignis wissen, desto besser! „Gehen wir die beiden also suchen! Es wird schon langsam dunkel…“, stimmte Joey mit ein und alle machten sich auf den Weg in den Wald. ----------------- „Und seitdem ich wieder hier in Tokyo bin, versuche ich, alles wieder zurechtzubiegen. Aber das ist mir leider nicht gelungen…“ Yamatos Miene sah verbittert aus. Sora fragte nach: „Wieso? Was ist denn passiert?“ „An dem Tag, wo ich mit Tai geredet habe, kam ich abends nach Hause… und T.K. hat… nun… ja…“ Sora spürte, wie etwas Verdrängtes sich wieder in ihren Gedanken breit machte. Die Sache mit T.K. und Kari hat Yamato ihr noch gar nicht geschildert. „Matt…“, unterbrach die Orangehaarige ihn. Der Blonde schaute sie fragend und gleichzeitig niedergeschlagen an. „Da ist noch eine Sache, die ich mit dir abklären möchte…“ Yamato brauchte nicht lange um zu erraten, welche Sache Sora meinte. Und auch wenn es ihn schmerzte, auch noch an diesen Abend zurückdenken zu müssen, so fühlte er sich verpflichtet, es ihr zu sagen. „Es… das… dieser Abend, diese… diese Nacht… ich wollte das nicht…“ Sora sah ihn verständnisvoll an. Sie wusste, dass es ihn Kraft kosten würde, wirklich auch dieses Detail ihr zu schildern. Aber sie musste erfahren, was an diesem Abend geschehen war. „Matt…“ Yamato nickte. „Sorry, Sora. Ich… ich muss mich nur ein bisschen sammeln…“ Eine Weile lang sagten beide nichts. Eine Stille entstand, die zwar noch nicht mal eine halbe Minute dauerte, sich aber wie eine Viertelstunde anfühlte. „Es passierte… direkt nach einer unserer letzten heftigen Streitereien… ich fühlte irgendwie, dass es mit unserer Beziehung immer weiter bergab ging. Aus Frust hatte ich mir den Jägermeister aus dem Schrank geholt und in den Kopf reingekippt… und bin dann – um den Streit zu vergessen – in die nächstgelegene Disco gegangen. Dort stieß ich dann auf Kari und meinen jüngeren Bruder… wobei Letzterer rotzevoll herumtorkelte. In diesem Zustand wusste er schon nicht mehr, wo links, rechts, oben oder unten war… und als Kari sich der tanzenden Menge widmete, beschloss ich, ihn nach Hause zu bringen. Anschließend… bin ich dann wieder zurück zur Party. Dort hab ich in all meiner Frust weitergetrunken… und auch Kari hatte mitgemacht, bis wir beide schließlich den Pegel erreicht hatten. Was danach passiert war, konnte ich nur noch bruchteilhaft wahrnehmen…“ Yamato schluckte. Die Szene, die gerade in seinem Kopf ablief, ließ ihn erschauern. Es war zwar ungewollt, aber dennoch übernahm Yamato bewusst die volle Verantwortung für das Geschehene. Und dieses Gefühl der Schuld lastete auf ihm wie ein Hinkelstein. „Ist schon gut… ich kann mir denken, was danach passiert war…“, meinte Sora leise. Äußerlich wirkte sie so, als würde ihr es nichts ausmachen. Doch im Innern klaffte eine ehemalige Wunde auf, von der sie glaubte, sie sei endgültig verschlossen worden. Auch in ihr schmerzte dieses Gefühl für das Geschehene, denn schließlich hatte sie den Streit provoziert… und alles danach Geschehene war die Folge dessen gewesen. Und diese Folge hatte wiederum andere verheerende Ereignisse zur Folge gehabt. Hätte sie Yamato damals nicht so unter Druck gesetzt, wäre all das nicht passiert… „Jedenfalls stand an jenem Abend, nachdem ich mit Tai geredet hatte, vor meiner Haustür und rechnete mit mir ab…“, erzählte Yamato zu Ende und vergrub anschließend sein Gesicht unter seinen Händen. Sora konnte sich dunkel vorstellen, was in ihm vorging… „Sora?“ Die Angesprochene schaute zu ihm. Sie war überrascht, dass er sich so schnell wieder aufgerappelt hatte. „Ich… ich… werde die volle Verantwortung für alles Geschehene tragen! Wahrscheinlich machst du dir auch Vorwürfe, aber das möchte ich nicht. Du warst und bist nicht für früher verantwortlich. Es ist ganz allein meine Schuld gewesen, was passiert war.“ Sora beobachtete seinen Gesichtsausdruck. Er wirkte immer noch niedergeschlagen und traurig. Aber unter all dem meinte sie, eine gewisse Spur an Entschlossenheit zu bemerken. „Ich möchte dich wissen lassen: Es… es tut mir Leid, dass es so seinen Lauf nehmen musste. Ich war ein… ein echter Idiot zu diesem Zeitpunkt gewesen! Ich weiß, ich gebe lauter Entschuldigungen von mir… du musst aber diese nicht annehmen. Ich kann verstehen, wenn du mir nicht verzeihen möchtest… ich hätte es sowieso nicht verdient…“ Eine Hand landete sanft auf seiner Schulter und ließ Yamato seine Aussage stoppen. Sora sah ihn mit ihren karmesinroten Augen an. Und mit einem minimalen Lächeln auf dem Munde. „Matt… mach dir bitte keine weiteren Vorwürfe. Es mag sein, dass du verantwortlich bist für das, was geschehen ist, aber das kann ich jetzt auch nicht ändern. Ich kann dir jetzt nur noch eine Situation in den Kopf rufen, in der Tai sich vor etwa einem Jahr befand… an seinem 17. Geburtstag…“ Dunkel erinnerte der Blonde sich an die Party damals… und als Erstes kamen ihm sofort Tai und Sora zusammen auf dem Sofa in den Kopf. War es das, was sie ihm sagen wollte? „Weißt du noch? Tai und ich waren uns ziemlich nahe gekommen an dem Abend… und da wir zu viel getrunken hatten, konnten wir nicht mehr realisieren, was wir da taten…“, redete die Orangehaarige zu Ende. Und plötzlich passte das Bild irgendwie. Es passte mit der Sache, was damals in der Disco passierte. Es waren eigentlich zwei vollkommen gleiche Bilder… wenn man die abgebildeten Personen aus dem Vergleich herausnahm. Aber was wollte Sora damit sagen? Etwa… „Ich finde, das, was damals in Tais Zuhause passiert war, war auch von ihm ziemlich ungewollt gewesen. Und da es in der Disco mit dir und Kari unter den gleichen Voraussetzungen ablief, nehme ich mal an, dass es genauso ungewollt gewesen war…“, meinte Sora mit einem zaghaften Lächeln. Yamato traute seinen Ohren nicht. „Heißt das…“ Sora nickte. Und sie redete weiter: „Und… da ich jetzt weiß, dass du alles aus tiefstem Herzen bereust und was der wirkliche Grund für unsere Trennung ist…“ Nun konnte Yamato nicht mehr anders. Er musste weinen. Er musste nun anfangen zu weinen! Es ging einfach nicht mehr anders; er ließ seinen Tränen freien Lauf. Bei dem Anblick reagierte Sora sofort und umarmte ihn fest und liebevoll. Yamato erwiderte diese Umarmung ebenso fest und emotional. „Es… es tut mir so Leid…“, schluchzte er hervor. Auch Sora hätte Tränen in den Augen. Sie flüsterte zärtlich: „Ich… kann doch deinen Träumen… nicht im Weg stehen…“ Und so standen die beiden noch eine ganze Weile da. Yamato war überglücklich, dass sein Plan nicht vollständig gescheitert war. Mit Sora hatte er endlich alles abklären können; damit hatte er ihr, aber auch ihm selbst eine erhebliche Menge an seelischer Last abgenommen. Sora war hocherfreut, dass sie in Yamato wieder einen guten Freund sehen und mit ihm normal umgehen konnte. Nun waren in ihr auch alle Zweifel ausgeräumt, dass er ein würdiger Träger des Wappens der Freundschaft war. Yamato fasste sich wieder als Erstes. Er löste die Umarmung und blickte Sora direkt in ihre Augen. „Sora, ich danke dir. Ich danke dir für dein immenses Verständnis… du bist wirklich die Person in Liebe, wie es in dem Buch mit 7 Siegeln steht!“ Sora errötete etwas und fühlte sich geschmeichelt. „Ach, Matt… ich bin doch auch froh, dass du dich entschieden hast, uns allen in guter Absicht entgegenzutreten…“ Nun musste Yamato nur noch eines tun… etwas, was er seinem besten Freund versprochen hatte. „Aber Sora… ich muss mich wirklich bei dir bedanken! Ohne dein Verständnis würde ich jetzt nicht lachen! Und weißt du, wie ich mich bedanken möchte?“ Jetzt wurde es doch interessant; Sora schärfte ihre Sinne: „Wie?“ „Sora… schon damals – in der Digiwelt – habe ich euch beobachtet…“ Euch? Wen meinte Yamato mit „Euch“? „Wie ihr beide durch dick und dünn gegangen seid… und wie ihr euch Sorgen um den jeweils anderen gemacht habt… ich brauche dich ja wohl nicht daran zu erinnern, wer beinahe ausgeflippt war, als du in der Pyramide gefangen gehalten wurdest… oder?“ Jetzt realisierte Sora, wen Yamato noch meinte. Sie errötete bei dem Gedanken leicht; was hatte sich Yamato jetzt dabei gedacht, dieses Thema nun auf den Tisch zu legen? „Merkst du langsam was?“, grinste ihr Gegenüber. „Lass das, Matt…“, kicherte die Orangehaarige leicht. „Sora, bitte denk doch mal darüber nach! Seid Kindestagen seid ihr beste Freunde, aber seid ihr immer noch nur noch das? Ihr beide seid immer füreinander da und unternehmt auch immer ziemlich viel zusammen. Ihr habt sehr viel Spaß zusammen und macht euch viele Gedanken um den jeweils anderen. Aber weißt du, was an dieser Geschichte etwas merkwürdig klingt? Eben dass ihr „nur“ beste Freunde seid. Aber gerade das sind Eigenschaften eines Paares, die sich lieben!“ Nun hatte er die Katze aus dem Sack gelassen. Direkter hätte man das nicht formulieren können. Das Rot auf Soras Gesicht wurde immer intensiver. Nichtsdestotrotz redete der Blonde weiter: „Ich habe mich ehrlich darüber gewundert, dass du mich damals vor 3 Jahren bevorzugt hattest! Aber ich war auch froh darüber gewesen. Trotzdem musste ich immer feststellen, dass zwischen dir und Tai immer noch ein überaus starkes Band herrschte…“ Yamato machte eine Pause. Er sah Sora an. Das Rot auf ihrem Gesicht war einfach perfekt. Momentan hing dieses Rot aber zwischen den Wolken, da Sora seine Story noch nicht verarbeiten konnte, sondern sie still hinnehmen musste. „Noch eine Weile, dann kann dein Rot auch langsam Boden fassen!“, dachte sich Yamato. „Nachdem unsere Beziehung in die Brüche ging, bin ich mit dem Gedanken nach Amerika geflogen, dass du in Tai deinen neuen Lover finden würdest… da war ich mir eigentlich vollkommen sicher gewesen! Und ganz ehrlich: Ich war heftig überrascht, als Tai mir erzählte, dass da zwischen euch noch nichts gelaufen war!“ In diesem Augenblick hörte man vor der Hütte Reifen quietschen. Die beiden schauten hinüber; ein Taxi hatte davor gestoppt. Zur gleichen Zeit piepte Yamatos Handy. Der Blonde seufzte; sein selbst gestellter Alarm. Sora schaute ihn verwirrt an: „Was ist, Matt?“ Das vorherige Grinsen Yamatos verformte sich wieder zu einer traurigen Miene. „Das ist mein Taxi… ich muss gleich wieder los…“ Sora erschrak. Nun würde Yamato für eine lange Zeit von ihnen fort sein. Er würde hoch über ihnen schweben… in den Weiten des Alls. Es war schwer für die Orangehaarige, das hinzunehmen, aber sie wollte ihm wie gesagt nicht im Weg stehen. Er sollte das bekommen, worüber er schon als kleines Kind geträumt hatte. Er würde seine Sache gut durchziehen. Und sie musste zu ihm halten. Sie alle mussten zu ihm halten! „Ich gehe die anderen holen…“ Sora lief los und sprintete zur Hütte. Die anderen mussten jetzt dabei sein! Das war der vorerst letzte Augenblick, um ihm noch sagen zu können, dass sie jederzeit an ihn denken und zu ihm halten würden! Sie öffnete die Tür… aber sie sah niemanden in der Hütte sitzen oder stehen. „Oh nein!“, dachte sie sich, „Wo sind sie denn bloß? Ausgerechnet jetzt…“ Mit einem enttäuschten Gesicht ging Sora zurück zu Yamato, der bereits neben dem Taxi stand. „Sie sind nicht da… ich weiß nicht wo sie hin sind…“ Yamato seufzte: „Das macht nichts. Ich bin ja jetzt nicht für immer fort…“ „Aber doch für eine sehr lange Zeit…“, vollendete Sora flüsternd. Der Blonde konnte seine Niedergeschlagenheit auch nicht verbergen. Still ging er auf Sora zu und umarmte sie ein weiteres Mal. „Ich komme gesund und munter wieder zurück. Das verspreche ich dir… ich verspreche es euch allen!“, sagte er mit ein paar Tränen in den Augen. „Bitte pass auf dich auf! Wir alle werden auf dich warten, Matt!“, antwortete die Orangehaarige, ebenfalls leicht schluchzend. Yamato setzte sich in das Taxi hinein. Stumm sah Sora ihm nach, wie er dem Fahrer ein paar Worte zusprach. Gerade, als sie glaubte, das Taxi wollte losfahren, ließ Yamato das Türfenster herunterklappen. „Sora! Ich habe vorhin noch nicht alle meine Sätze gesagt! Denk an das, was ich über dich und ihn erzählt habe. Ich finde, du brauchst deine Gefühle auch nicht verstecken!“ Sora nickte zaghaft, aber dennoch so, dass Yamato es wahrnehmen konnte. Der Blonde meinte daraufhin: „Du liebst ihn… nicht wahr?“ Das war das Letzte, was Sora von ihm zu hören bekommen hatte, denn das Taxi fuhr los. Sora sah dem gelben Auto nachdenklich hinterher, bis es schließlich hinter der Erhebung verschwand. Sie stieß laut einen Atem aus; sie realisierte, dass Yamato ihr gerade die Augen geöffnet hatte. Ihr war nun klar, dass sie Tai nicht nur mochte. Ihr war klar, dass Tai nicht mehr nur ihr bester Freund war. „Ja, Matt… du hast Recht…“ ----------------- Yamato lehnte sich im Beifahrersitz des Taxis zurück. Es war hartes Stück Arbeit und Risiko gewesen… aber nun hatte er es zumindest geschafft, mit seiner Vergangenheit zum Großteil abzuschließen. Er hatte es geschafft, einen Großteil der Freundschaften wiederherzustellen. Und nun hatte er Sora gerade auch noch ein Wiedergutmachungsgeschenk gemacht. Eigentlich könnte er doch froh und stolz auf sich selbst sein… schließlich würde nicht jeder Mensch soviel Reue zeigen, geschweige denn etwas für die Wiedergutmachung tun… Aber Yamato konnte sich nicht freuen. Der Gedanke an T.K. hinderte die Freude daran, den Blonden für sich zu gewinnen. Dass er nicht mehr mit T.K. reden konnte, ließ ein großes Loch in seinem Herzen bilden. Es war zwar die einzige Sache, die ihm nicht geglückt war, aber diese Sache war verständlicherweise von ungeheurer Bedeutung für ihn. Und so musste er seine Heimat verlassen, ohne wirklich seine Vergangenheit lückenlos ins Rechte gerückt haben zu können… ----------------- Sora stand immer noch da und blickte in die Richtung, in der das Taxi abgefahren war. Plötzlich hörte sie hinter ihr Gemurmel und ein Knirschen auf dem Kies. Die anderen schienen wieder zurückgekommen zu sein, wohin sie sich vorhin auch immer begeben hatten. Sora drehte sich um und entdeckte zwei bekannte Gesichter in der Menge: T.K. und Kari sind ebenfalls zurückgekommen. Kari strahlte und unterhielt sich mit den beiden anderen Mädchen; T.K. hingegen wirkte etwas eisern. In diesem Moment erblickte sie Tai, der sie ebenfalls sah. Er wandte sich nochmal zur Menge: „Ihr könnt nun weiterfeiern! Wir müssen mal etwas für die Stimmung tun… nicht wahr?“ Die anderen mit Ausnahme von T.K. bejahten kräftig laut. Nun ging Braunhaarige auf seine beste Freundin zu. Er bemerkte ihren traurigen Gesichtsausdruck. Sein erster Gedanke war, dass zwischen den beiden hoffentlich alles gutgegangen ist. Doch sein zweiter Gedanke galt der Abwesenheit Yamatos. Wo war er denn? „Sora… was ist denn passiert? Ist… ist alles okay? Ist wieder… alles in Ordnung?“ Sora nickte leicht, aber änderte ihre traurige Miene nicht. „Wir… haben uns wieder vertragen… aber er ist… er ist…“, sagte sie und blickte in Richtung des Kiesweges, der bergab Richtung Tokyo führte. „Wie bitte?!“, fragte Tai ungläubig nach. „Aber wieso… wieso ist er denn schon weg?“ „Sein Flug geht in nicht mehr allzu langer Zeit los… er muss sich beeilen!“ Tai konnte es nicht fassen. Er hatte die Zeit aus den Augen verloren! Er hätte lieber Kari sofort eine SMS schreiben sollen und nicht erst, nachdem sie 10 Minuten im Wald vergeblich gesucht hatten! Gerade jetzt, als sie endlich T.K. dazu gebracht hatten, mit Yamato zu reden, war dieser schon weggefahren. Tai fluchte innerlich; Sora beobachtete ihn mit etwas Unsicherheit: „Tai… was hast du?“ Er schaute sie entschuldigend an: „Tut mir Leid, Sora… es ist nur, wir haben T.K. jetzt endlich überreden können, mit Matt zu reden… und die Sache mit T.K. lag Matt besonders am Herzen…“ Sora verstand Tais Sorge. Auch Yamato hatte ihr ja gezeigt, wie hart diese Sache ihn getroffen hatte. Und auch Mimi hatte ihr auch erzählt, dass gerade das der Grund gewesen war, weshalb er sich umbringen wollte. „Oh nein… und was machen wir jetzt?“ „Erst einmal mit…“ „Was ist denn los?“ T.K. und Kari kamen zu den beiden hinüber. „Und Tai? Wo ist denn Matt? Ich kann ihn nirgendswo sehen!“ Sora stutzte; die Worte klangen gerade in einem sehr gleichgültigen Ton. Die anderen mussten den jungen Blonden wohl mit Gewalt dazu gebracht haben, seine Meinung zu ändern. Tai erwiderte halb ernst, halb schimpfend: „Er ist schon gefahren! Er hatte keine Zeit mehr gehabt! Und jetzt haben wir den Schlamassel…“ Sora schaute T.K. an; der staunte zwar, aber das änderte an seiner miesen Laune nichts. „Hm, na dann… dann hat sich das wohl erledigt…“ Die Orangehaarige konnte es nicht fassen. Das reichte! „T.K.! Ich finde, wir sollten mal ein Wort miteinander reden!“ Mit einem Male verschwand T.K.s innere Sturheit, als er Sora so sprechen hörte. Sora war schon immer jemand gewesen, auf die er gerne gehört hatte und von der er auch glaubte, dass sie immer hinter ihm stehen würde. Doch dieser Ton von ihr verunsicherte ihn gerade stark. Ungeachtet dessen fuhr Sora fort: „Ich finde, du tust Matt ziemlich Unrecht! Er versucht sich zu entschuldigen, aber du lässt ihn ja noch nicht einmal zu Ende reden! Weißt du denn überhaupt, was wirklich passiert war?“ T.K. fühlte sich erheblich eingeschüchtert. Er konnte ihr auch nicht mehr direkt in die Augen blicken. Warum machte Sora das? Er fühlte sich ungerecht behandelt und hatte das Bedürfnis, sich rechtfertigen zu müssen: „Matt… Matt hatte doch mit Kari geschlafen… und Kari wollte das doch nicht… er trägt ganz allein…“ Sora unterbrach ihn: „Das ist nur die halbe Wahrheit, T.K.! Kari hatte das nicht gewollt, das stimmt! Aber ER hatte es genauso wenig gewollt… wenn sein Wille zu dem Zeitpunkt überhaupt noch existierte!“ T.K. verstand es immer noch nicht: „Aber er ist doch schuld daran, dass Kari schwanger war!“ „T.K., wenn Matt an dem Tag noch sein eigener Herr gewesen wäre, wäre das nicht passiert! Und…“ Sora holte innerlich tief aus: „Und wärst auch DU an dem Abend dein eigener Herr gewesen, hätte Kari sich bestimmt nicht in Matts Bett wiedergefunden!“ Nun fühlte sich T.K. ertappt. Er erinnerte sich nun auch dunkel an den Abend, wo er in der Disco angefangen hatte zu trinken, zu trinken und nochmal zu trinken… das Letzte, was er noch wahrnahm, war der überlaute Basslautsprecher, auf dem sein Kopf irgendwann landete. Sora beobachtete T.K. immer noch. Der junge Blonde schien nun endlich auf der Höhe der Vernunft angekommen zu sein, obgleich er sich etwas anstrengen musste, seinen Fehler zu akzeptieren. Sie war wohl etwas zu hart vorgegangen… Dieser Gedanke veranlasste sie dazu, T.K. mit Wohlwollen zu umarmen. „Tut mir Leid, war nicht so gemeint. Aber du siehst, Matt war nicht schuld an dieser Sache. Schuld war alleine der Alkohol, der in den Blutadern von euch dreien an dem Abend floss!“ Damit nahm Sora ihm auch die Last weg, mit der er gerade kämpfte. Sie wusste zwar, dass jeder von ihnen einen gewissen Teil an Schuld hatte, aber in dieser Situation war es aus pädagogischer Sicht besser gewesen, allen Beteiligten die Schuld abzunehmen. In dieser Situation kam es nämlich darauf an… Schnell zu sein! Sie flüsterte ihm zärtlich zu: „T.K., pass auf! Wir haben nicht mehr viel Zeit! Das Taxi von Matt ist gerade abgefahren! Wenn du verstanden hast, was ich gesagt habe, dann muss ich dich jetzt wohl nicht mehr fragen, was du zu tun hast… oder?“ T.K. hatte sie verstanden; da war sie sich sicher. Noch sicherer wurde sie, als der junge Blonde sein Handy herausnahm, die Taxizentrale anrief und ein Taxi herbestellte. Sora lächelte und wandte sich nun Tai zu. Sie sah ein letztes Mal noch zurück: „Viel Glück T.K.! Ich hoffe, du erreichst ihn noch!“ Mit diesen Worten ließ sie einen ernst aussehenden, zu allem entschlossenen T.K. zurück und ging mit Tai zu der feiernden Menge. Tai meinte beim Gehen zu ihr flüsternd: „Das war ja eine Hochglanzleistung, schöne Lady!“ Sora lachte leicht: „Meinst du? Ich finde, das ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas mache!“ Tai grinste: „Trotzdem: Vor so einer Leistung muss doch jeder den Hut ziehen!“ Das Kompliment ließ Soras Innere spürbar erwärmen. In dem Moment fiel ihr wieder ein, was sie ihm eigentlich heute sagen möchte. Sie wollte es ihm heute Abend sagen… aber wäre der Zeitpunkt jetzt nicht auch passend? Sie konnte es kaum erwarten zu… „Komm Sora… lass uns zu den anderen gehen…“, meinte Tai, zog Sora aus ihren Gedanken und gleichzeitig zu den feiernden Freunden. „Dann halt eben später…“, dachte sich die Orangehaarige, ließ sich mit Freude mitzerren und feierte mit allen Beteiligten ausgiebig… bis in den späten Abend. ----------------- Aber auch wie jede andere Party endete diese irgendwann einmal. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Freunde vieles noch gespielt, getrunken, getanzt, gelacht und so weiter. Mittlerweile war ein Großteil aller Gäste schon nicht mehr da… unterwegs in den Autos von Susumu und Joey. Bei der Hütte blieben noch Mimi, Sora, Kari, Tai und Izzy, die vollends mit dem Aufräumen beschäftigt waren. Die Party war insgesamt ein Kracher gewesen; immerhin galt es, zwei Geburtstage zu feiern. Aber so eine Party forderte eben Tribut, und nun sah es in der Hütte und auf dem Hüttengelände unter aller Sau aus. Zu fünft war es wenigstens etwas erträglicher, den Müll zu sammeln und zu entsorgen. Nach einer Dreiviertelstunde hatten die fünf es dann auch endlich geschafft, die ganzen Flaschen zu sammeln und in die passenden Kisten zu sortieren, alle Überreste in die Müllsäcke zu kippen und in der Hütte alles so zu gestalten, sodass man meinen konnte, es wäre hier nie etwas passiert. „Endlich! Ich kann schon nicht mehr…“, stöhnte Izzy und ließ sich auf dem Boden nieder. Mimi tat ihm gleich, lehnte sich an ihm an und schloss die Augen. Kari schaute die beiden belustigt an: „Ihr zwei sieht putzig aus!“ Mimi streckte ihr mit geschlossenen Augen die Zunge raus. Sora lachte und begutachtete dabei weiter die Hütte. Sie freute sich immer, wenn endlich mal wieder Ordnung geschaffen wurde. Sie war schon immer jemand gewesen, die Wert auf Ordnung legte… obwohl sie auch nichts dagegen hatte, wenn es auch mal wüst zuging. Schließlich beinhaltete dies immer einen gewissen Belustigungsgrad. Wenn sie da so ein Tai dachte, wie er mit seinem Zimmer umging, so musste sie innerlich immer darüber lachen… Apropos Tai… es wird schon langsam spät! Sie schaute auf ihr Handy. Es war schon 23:47 Uhr! Sie wollte ihm noch etwas sagen… aber vor allem wollte sie auch endlich ihr Geschenk von ihm bekommen! Sie schaute sich nochmals in der Hütte um; Tai war nicht hier! Also musste er draußen sein. Sie wollte gerade hinausgehen, als der Tür aufging. Vor ihr stand… „Tai! Ich hab dich schon gesucht!“, sagte Sora und lächelte ihm entgegen. „Was für ein Zufall! Ich dich auch!“, meinte der Braunhaarige und grinste. „Ich hab noch was für dich!“ „Darauf wollte ich hinaus“, lachte die Orangehaarige und ging mit ihm wieder hinaus. Sora machte sich derweil Gedanken, wie sie es ihm am Besten sagen konnte. Sollte sie erst das Geschenk abwarten? Oder schon davor ihm ihre Liebe zu gestehen? Einerseits wollte sie nicht mehr warten; sie schleppte diesen Gedanken schon seit fast einem halben Tag mit sich herum. Andererseits würde das Geschenk vielleicht den passenderen Anlass dazu bieten… Schließlich entschied sie sich dafür, erst einmal Tais Geschenk entgegenzunehmen. Die beiden gingen einmal um die Hütte herum und stoppten bei einer Tanne, die sich hoch über die beiden erstreckte. Trotz der Dunkelheit konnte Sora bemerken, dass der Stamm ein mittelgroßes Loch hatte. Und genau in dieses Loch griff Tai mit seiner Hand hinein… und holte eine kleine Tüte heraus… mit einem Päckchen drinnen. In seiner Bewegung erkannte Sora, dass Tai schon leicht anfing zu zittern. Wieso? 23:55 Uhr. „So… das ist deine Überraschung! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“, sagte Tai in einem majestätischem Ton, worauf Sora herzhaft kicherte und das Päckchen entgegennahm. Sie wollte es gerade aufmachen, als Tai dazwischenging. Überrascht von seiner Reaktion schaute die Orangehaarige ihren besten Freund fragend an; dieser ergriff auch sofort das Wort: „Sora… bevor du dein Geschenk aufmachst, möchte ich dir noch ein paar Worte sagen! Ich möchte dir für die vergangene Zeit meines Lebens bedanken; du hast mein Leben mit so vielem und wieder so vielem bereichert, dass ich gar nicht daran denken möchte, was wäre, wenn du nicht da wärst! Wir waren und sind beste Freunde… und egal, was passieren möge, würde ich mich freuen, wenn – eigentlich möchte ich, dass wir beide immer… zumindest auf diesem Level der Freundschaft miteinander umgehen werden!“ Sora schaute ihn an; mit dieser Einlage hatte sie nicht gerechnet. Sie konnte nichts sagen, sie war jetzt einfach zu gerührt. „Ich glaube aber…“ An dieser Stelle klickte es plötzlich in Sora; „Aber“? „… dieses Geschenk hier wird einiges an unserer Beziehung ändern. Ich hoffe, du verstehst es nicht falsch… aber ich glaube, es wäre nun besser, wenn du… dein Geschenk öffnest…“ In Tais Stimme hörte man das Zittern sehr deutlich. Was meinte er mit seinen letzten Worten? Mit höchst verwirrter Miene schaute Sora zurück auf das Päckchen… und öffnete sie. Darin befand sich wieder etwas. Eine Schatulle. Und nun öffnete sie die Schatulle. 23:58 Uhr. Und was sich darin befand, das hatte Sora in keinem Fall erwartet. ----------------- Es war schon Spätabend. Trotz der späten Uhrzeit hatten Sora und Yamato noch ein Café gefunden, dass noch offen hatte. Sie saßen da und soeben waren auch schon die Heißgetränke serviert worden. Es war ein heftiger Abend. Nicht nur, dass sein Konzert wegen den Digimon für die Katz gewesen war; sie mussten auch noch die Digimon einfangen und wieder zurück in die Digiwelt befördern. So hatte er sich den Abend bestimmt nicht vorgestellt. Wobei… wenn der Abend anders verlaufen wäre, würde er jetzt wahrscheinlich nicht mehr mit Sora im Café sitzen, sondern würde mit seinen Bandkollegen wieder einen Ballern gehen… „Danke, Matt! Ohne dich würde ich wahrscheinlich jetzt nicht mehr am Leben sein!“, bedankte sich Sora bei ihm und fasste ihn an den Händen. Yamato spürte ein wohliges Gefühl in ihm hochkriechen… Soras Hände waren so warm. „Du brauchst dich nicht zu bedanken! Das war doch selbstverständlich!“ Yamato überlegte kurz, dann nahm er aus seinem Mantel einen kleinen roten Kasten heraus. „Für dich, Sora!“ Die Orangehaarige blickte erstaunt auf den kleinen roten Kasten und nahm ihn entgegen. Sie öffnete ihn; drinnen befand sich eine perlenreiche Halskette… in der Mitte der Kette hing ein Edelstein im Herzformat. Sie nahm das Herzchen genauer unter’s Auge… „Ich wüsste nicht mehr, was passiert wäre, wenn du nicht mehr da wärst… ich glaube, ich würde nie mehr lachen können…“ Auf dem Herzchen waren zwei Wappen abgebildet… „Dieser Gedanke wäre unerträglich gewesen! Du bist doch nicht zu ersetzen!“ Das Wappen der Liebe und… das Wappen der Freundschaft! Ineinander verkuppelt! „Du bist einfach… einzigartig!“ Yamato schaute ihr immer noch in die Augen. Sora wusste nichts mehr zu sagen. Sie wusste nur, dass sie überwältigt war von seinem Mut und seiner Entschlossenheit; und sie freute sich immens. „Möchtest du… meine Freundin werden, Sora?“, stellte Yamato nun die entscheidende Frage. Diese Frage ließ sich Sora nicht zweimal stellen. Sie schaute ihn mit einem Funkeln in ihrem Auge an und flüsterte: „Liebend gern!“ Auch Yamato erwiderte den Blick; es regnete gerade Sternen in seinen Augen. Langsam kamen sich die Gesichter näher… und schließlich erreichten sich die Lippen. ----------------- Sora kam immer noch nicht aus dem Staunen heraus. Es war wieder eine perlenreiche Halskette… ebenfalls mit einem Edelstein im Herzchenformat. Und auf dem waren wieder zwei Wappen abgebildet… Das eine Wappen war dasselbe… Nur das andere Wappen war ein anderes… Tais Wappen! Das Wappen des Mutes. Zusammen mit Soras Wappen der Liebe ineinander verkuppelt. In der Sonne des Mutes stand das Herz der Liebe. Nun verschwendete Sora keinen Gedanken mehr daran, ihm noch etwas sagen zu wollen. 23:59 Uhr. „Ich hoffe, es gefällt dir!“, sagte Tai mit einem schüchternen Unterton. Sora blickte ihn freudestrahlend an: „Es gefällt mir! Es gefällt mir sehr!“ Und ohne weitere Worte zu verlieren, fiel sie ihm um den Hals; ihre Hände umarmten ihren „noch“ besten Freund fest und wollten ihn nicht mehr loslassen. „Danke, Tai… danke!“, rief Sora überglücklich aus. Tai freute sich ebenfalls; schließlich hatte er gerade bereitwillig wieder die Freundschaft riskiert. Ihm war klar, dass dieses Geschenk eine solche Veränderung ihrer Beziehung mit sich tragen würde. Aber es war anscheinend geglückt… Hatte sie denn auch verstanden, was er damit sagen wollte? Nicht dass sie es vergessen hatte… Sora nahm ihren Kopf von Tais Schulter, ohne aber die Umarmung zu lösen. Sie hatte Tränen in den Augen… Tränen der Freude. „Vielen vielen Dank, Tai… und ich glaube…“ Sie fing an, freudig zu lächeln: „Für uns beginnen nun neue Zeiten!“ Mit diesen Worten kam sie mit ihrem Gesicht näher an seinem heran und hatte ihre Lippen auf seine gelegt. 00:00 Uhr. Tai, anfangs noch etwas perplex, erwiderte den Kuss mit genauso viel Liebe. Die Gefühlsküche kochte; das Kribbeln in beiden Bäuchen kam richtig in Fahrt; und beide fühlten sich wie im siebten Himmel. Ein inniger Kuss folgte dem anderen… sie wollten einfach nicht aufhören. Nur in einem kurzen Moment wurde das schöne Spiel angehalten, weil Sora den Kuss löste und Tai danach ansah, worauf dieser ebenfalls innehielt. „Tai… ich liebe dich…“ „Ich dich auch, meine kleine Maus…“ Und nach diesem kurzem Wortwechsel ging es schon wieder weiter… So standen sie da noch einige Minuten… und von alle anderen äußeren Erscheinungen ließen sich die beiden nicht die Ruhe nehmen. Auch bemerkte das frischgebackene Liebespaar Kari nicht, die nach draußen gekommen war, um die beiden zu suchen. Tais jüngere Schwester hatte schon eine gewisse Ahnung, was sich zwischen den beiden ergeben hatte und war somit auf Flüstersohlen unterwegs. Sie schaute mit dem Kopf um die Ecke der Hütte… und musste leicht grinsen. Eigentlich hatte sie das schon länger erwartet, denn endlich war das geschehen, was sich schon seit dem Kindesalter der beiden anbahnte. Aus Umgang wurde Freundschaft. Aus Freundschaft wurde beste Freundschaft. Und aus bester Freundschaft wurde nun schließlich Liebe! ----------------- (Zeitsprung zurück) ----------------- „Warum musste er ausgerechnet jetzt sein Handy ausmachen?!“ T.K. rannte durch die Abflughalle, ohne zu stoppen. Er schaute sich die Abflugstafeln an und konnte mit Ach und Krach herausfolgern, welchen Flug Yamato wohl am ehesten nehmen würde. Genauer gesagt gab es in dieser Nacht nur noch einen einzigen Flug Richtung Los Angeles, wohin T.K.s großer Bruder hinmusste. In Abflughalle A müsste er durch… T.K.s letzte Chance, Yamato noch zu erwischen, bestand also darin, so schnell wie möglich in die Abflughalle A zu gelangen. Er rannte an den Menschen vorbei und bahnte sich den Weg frei… Bis zur Absperrung und den Sicherheitskontrollen… Und da sah T.K. ihn! Yamato! Er hatte gerade den Sicherheitscheck passiert! „MATT!“ Zu spät! Yamato war bereits hinter der schalldichten Wand verschwunden und nun auf dem Weg zu seinem Gate. „Verdammt!“, fluchte T.K. und überlegte erst, ob er einfach reinlaufen sollte. Doch das würde zu viele weitere Probleme wieder hinter sich ziehen… und so rannte er zurück zum Abflugstafel, um die Flugnummer und das dazugehörige Flugzeug herauszufinden. Vielleicht hatte er ja Glück und die Flugpassagiere müssten mit einem Bus zum Flugzeug gebracht werden. Dann würde er vielleicht noch die Gelegenheit haben, auf der Zuschauerterrasse seine versöhnenden Worte Yamato zuzurufen. Er irrte 15 Minuten lang herum, bis ihm ein Service-Point auffiel… „Flug 29417? Der ist gebucht auf JAL-148… über Gate 4 erreichbar, falls Sie das interessiert, junger Mann!“, beantwortete ihm die Frau am Service-Schalter seine Fragen. Gate 4? Den Gate kannte T.K.; er war oft als kleiner Junge mit seiner Mutter in den Urlaub geflogen… auch nach Amerika… über diesen Gate! Und soweit er sich noch dunkel erinnern konnte, waren sie immer erst einmal mit dem Bus gefahren, bevor sie in das Flugzeug einstiegen. „Bitte… in welcher Richtung liegt denn der Zuschauerterrasse?“ „Links die Treppe hinauf, den Gang immer weiter bis zum Ende und dann rechts! Die Terrasse liegt dann direkt vor Ihnen!“ „Gut! Vielen Dank!“ Mit diesen Worten sprintete T.K. wieder los und folgte der Wegbeschreibung der Service-Frau. Eigentlich war es irrsinnig: Wie sollte er denn in dieser Dunkelheit die Flugzeuge voneinander unterscheiden? Und wie soll er erkennen, ob Yamato wirklich unter Menge war, die dann aus dem Bus aussteigen würde? Eigentlich hoffnungslos… aber er war nicht umsonst der Träger des Wappens der Hoffnung! Angekommen auf der Terrasse musste er feststellen, dass er Glück im Unglück hatte. Der Flugplatz war zumindest an den Parkbereichen der Flugzeuge sehr gut beleuchtet und man konnte insgesamt sehr viel erkennen. Der Wind blies kalt in sein Gesicht; selbst an solchen heißen Tagen war die Nacht nicht unbedingt so warm, wie man vermuten würde. T.K. blickte hektisch zwischen den Flugzeugen… und entdeckte eines von Japan Airlines! Das musste es sein! Das war das einzige Flugzeug mit dem JAL-Kennzeichen weit und breit, dass auf den Außenparkplätzen stand. Ein lautes Motorgeräusch zog durch seine Ohren. T.K. erblickte 2 Busse voll Passagiere, die auf das JAL-Flugzeug zusteuerten. „Da muss er drin sein…“, dachte sich T.K. und ging auf der Terrasse weiter vor. Schließlich erreichten die beiden Busse das Flugzeug und die Fluggäste stiegen aus. Aus dieser Ferne war es Schwachsinn, einzelne Personen erkennen zu wollen. Also blieb T.K. nichts anderes übrig, als in die Menge zu rufen. Nach kurzem Zögern begann er: „MATT! ICH BIN’S, T.K.! ICH MÖCHTE MICH BEI DIR ENTSCHULDIGEN! MEIN VERHALTEN WAR DIR GEGENÜBER UNGERECHT GEWESEN! ICH… ICH MÖCHTE ES IRGENDWIE WIEDERGUTMACHEN… HÖRST DU?!“ Die Menschen auf der Terrasse schauten ihn irritiert an, was den jungen Blonden aber nicht weiter kümmerte. Er wartete gespannt einen geduldigen Moment auf eine Antwort… Die aber ausblieb. T.K. schaute rüber zum Flugzeug… fast alle Passagiere waren schon ins Flugzeug eingestiegen. Er wagte einen weiteren Versuch: „MATT! HÖRST DU MICH? BITTE TU MIR DEN GEFALLEN UND ANTWORTE DOCH! MIR TUT ES WIRKLICH LEID! ICH MÖCHTE… ICH WILL DICH WIEDER ALS MEINEN GROSSEN BRUDER NENNEN! ES WAR MEIN FEHLER… BITTE… VERGIB MIR… BITTE SAG DOCH WAS…“ Rums! Die Flugzeugtüren wurden geschlossen. Alle Flugpassagiere – das hieß, auch Yamato – befanden sich nun im Flugzeug. „Hoffentlich hatte er es gehört…“ T.K. fuhr an diesem Abend geknickt und traurig mit dem Taxi wieder zurück nach Hause. Er hoffte zwar, dass Yamato seine gerufenen Worte gehört hatte, aber eine Hoffnung blieb leider auch nur Hoffnung. Der Beweis, dass er es gehört hatte, blieb vorerst aus. Und so kam der jüngere Bruder mit gemischten Gefühlen zu Hause an. Einerseits war er froh, dass er sich zu dieser Tat doch noch überreden ließ. Andererseits frustrierte ihn der Glaube sehr, Yamato hätte seinen Wiedergutmachungsversuch nicht mehr gehört; und an diesem Abend machte er sich schwere Vorwürfe… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)