Zwiegespalten von kiyahotep (Duo cum faciunt idem, non est idem.) ================================================================================ Kapitel 8: Step 8 ----------------- Kapitel 8 „Hallo? Hört mich irgendwer?“ Dumpf, leise und hohl drangen die Rufe bis zu ihm durch. Die dunklen und feuchten Gänge schluckten außerdem noch einiges, sodass man sehr genau hinhören musste, um überhaupt etwas zu verstehen. Eilig hastete der Shuten durch das Dämmerlicht. Hinter ihm folgten einige Wachen mit Laternen, die unheimliche Schatten an die Wände warfen. „Verdammt, ist hier denn keiner?“ Sein Atem übertönte die Worte, die leise im Gang verhallten. Tias Herzschlag hallte in seinen Ohren wider. Die Stimme war so vertraut. Aber wen würde er antreffen? Die Frage machte ihm Angst. Was war diese Nacht hier unten passiert? Er warf einen kurzen Blick über die Schulter. Irgendwo hinter ihm, bei den Wächtern, folgte ihm auch Santo, der Tenno des Nordens. Dieser war in der Nacht unerwartet im Himmelsturm eingetroffen, was man ihm erst im Laufe des Vormittages berichtet hatte, als er auf der Suche nach Keika gewesen war. Anscheinend hatte der Tenno Keika auf die entscheidende Idee gebracht, wie man Teiou von dem Dämon trennen konnte. Allerdings hatte er nicht genauer nachgefragt, weil er nach der Nachricht nur noch nach Teiou sehen wollte. „Hey, lasst mich raus! Das kann doch nicht wahr sein …“ Die Stimme wurde deutlicher. Nur noch wenige Meter trennten Tia und die Männer hinter ihm von der schweren Holztür, die einen Spalt weit geöffnet war, weshalb man überhaupt etwas hören konnte. Aus dem kleinen Raum mit der Zelle drang kein Licht. Es war stockdunkel. Vorsichtig legte er eine Hand an das raue Holz und wiegelte einen der Soldaten ab, der ihn zurückhalten wollte. Mit angehaltenem Atem trat der Shuten als erster in den Raum. „…, dass hier unten überhaupt keiner mal nach dem Rechten sieht. So was würde im Osten nicht passieren...“, murmelte die Stimme leise und im nächsten Moment erfüllte ein lautes und erfreutes „Tia“ den kleinen Raum. Hinter Tia war Santo mit einer Lampe eingetreten und endlich konnte man etwas sehen, außer Schatten und noch tiefere Schatten. Der Anblick war erschreckend: Teiou war aufgesprungen und umfasste die schweren Gitterstäbe mit beiden Händen. Anscheinend war der Bannkreis nicht mehr intakt. Seine Hände und sein zerschlissenes Hemd waren blutverschmiert und sein Gesicht kaum zu erkennen. Blut lief Teiou in einzelnen Rinnsalen übers Gesicht, dunkles, schwarz glänzendes Blut. Zum Teil war es bereits getrocknet, zum Teil noch feucht und im Licht glänzend. Teious Haare sahen nicht viel besser aus. Einige Strähnen klebten förmlich in dem Gemisch aus Blut und Dreck. Teiou sah verheerend aus. Aber war es überhaupt Teiou? „Tia, endlich! Ich dachte schon hier kommt nie einer vorbei. Ich rufe seit Stunden! Keika…“ „Keika?“ Einen Moment sah Tia seinem Gegenüber irritiert in die strahlend blauen Augen, bevor sein Blick zum Boden wanderte, wo der Dämon bewusstlos an dem Gitter lehnte und etwas fest in der Hand hielt. „Er wird nicht wach. Ich hab alles versucht.“ Der Schwarzhaarige war wieder in die Knie gesunken und hatte einen Arm durch das Gitter hindurch um Keikas Schultern gelegt. Hilflos sah er zu den Männern auf, die vor seinem Gefängnis standen. War das wirklich Teiou? Diese Sorge um Keika, die blauen Augen, eigentlich sprach alles dafür. Aber was wäre, wenn es nur der Dämon war, der sich perfekt verstellte, damit er hier raus kam? Während Tia überlegt hatte, war der Tenno des Nordens vor Keika in die Knie gegangen, um ihn genauer zu betrachten. Teiou hockte hinter dem Gitter, sah besorgt zu und murmelte leise vor sich hin. „… dabei hab ich ihm doch verboten, noch mal so einen Stein anzufassen.“ Auf Santos Zügen deutete sich ein leichtes Grinsen an, bevor er kurz zu dem blonden Shuten hoch sah. „Wir sollten sie beide mit hoch nehmen. Hier unten ist es doch ziemlich kalt und feucht. Außerdem wird es wohl noch eine Weile dauern, bis Keika den Bann des Steines überwunden hat.“ „Ich bin mir noch nicht so sicher, ob es wirklich geklappt hat. Ich meine vielleicht versteckt er sich nur, wie er es vorher gemacht hat“, äußerte Tia seine Bedenken. Sie waren berechtigt. Immerhin hatte der Dämon mehrere Jahre in Teiou existiert, bevor er genug Kraft hatte um dessen Körper zu übernehmen. Seit dem Vorfall, bei dem Teiou sich die Narbe auf seiner Stirn zugezogen hatte, musste dieses Wesen in ihm gewesen sein. „Ich habe da keine Bedenken. Wenn es so wäre, dürfte er sich vermutlich nicht an den Vorfall erinnern, bei dem Keika schon einmal einen Torikostein in der Hand gehalten hat.“ Santo hob die Lampe an und hielt sie direkt vor Teious Gesicht, der geblendet blinzelte. „Außerdem kommt aus der Wunde schwarzes Blut. Das wird dem Dämon gehört haben. Es scheint, als stößt sein Körper ihn ab.“ Zögernd nickte Tia. Das war logisch, aber nicht wirklich gänzlich überzeugend. Es war immer noch unsicher und er wäre verantwortlich, der Dämon frei käme. Trotz seiner Vorbehalte winkte er zwei der Wächter in den kleinen Raum, der nun gänzlich überfüllt war. „Bringt Keika nach oben, aber berührt den Stein nicht und ihr“, er deutete auf zwei weitere Wächter, die noch vor der Tür im Gang standen, „lasst Prinz Teiou frei und begleitet ihn nach oben.“ „Nein!“ Sein Blick klärte sich nur langsam. Sein Herz raste und irgendetwas klirrte laut. „Nein, niemals! Lass mich!“ Er saß kerzengerade auf einem Sofa und starrte mit weit aufgerissenen Augen vor sich. Zuerst nahm er alles nur schemenhaft wahr, dann erkannte er langsam das Zimmer und die anwesenden Personen. Neben ihm hockte Tia, der ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter gelegt hatte. Vor ihm lag Teiou mehr oder weniger auf dem Boden und starrte ihn an, während Santo ihm aufhalf. Hinter den beiden lagen Scherben auf dem Boden und Komei tänzelte nervös vor dem zerstörten Fenster herum. „Keika?“ Das war die vertraute Stimme des Shuten, der ihn ein wenig besorgt ansah. „Ist …“ „Teiou, ist alles in Ordnung mit dir?“ Der Dämon war aufgesprungen und auf den Dunkelhaarigen zugestürzt. Dieser war gerade erst wieder auf den Beinen und fand sich im nächsten Moment – dank Keikas Überschwang – erneut auf dem Boden sitzend wieder. „Alles okay, außer dass du mit Steinen nach mir wirfst.“ Teiou sah ihn einen Moment vorwurfsvoll an, grinste dann aber erleichtert. „Hab ich dich etwa getroffen?“ Vorsichtig hatte Keika dem Prinzen die blutverklebten Strähnen aus dem Gesicht gestrichen und betrachtete die noch immer feuchte Wunde an dessen Stirn. „Nein, nur das Fenster. Teiou hat sich sehr elegant zur Seite geworfen.“ Tia, der neben sie getreten war, lachte leise und sah zu Santo, der eine der großen gläsernen Flügeltüren geöffnet hatte, um Komei rauszulassen. „Du musst sein Aussehen entschuldigen. Er wollte sich nicht waschen, bevor du wach bist und wenn er sich mal was in den Kopf gesetzt hat…“ Tia lächelte entschuldigend und Teiou machte nur eine abfällige Geste mit der Hand. „Aber er blutet doch.“ Keika sah fragend in die Runde. „Warum ist die Wunde wieder da? „Die Wunde hat er, seit wir euch beide gefunden haben. Die Narbe hat sich wieder geöffnet, da Teious Körper vermutlich den Ursprung des Dämons abstößt. Solange noch schwarzes Blut mit austritt kann Shuten-sama ihn nicht heilen. Aber es ist schon bedeutend heller geworden“, erklärte Santo, der nun langsam auf sie zukam und sich auf einem Sessel niederließ. „Bevor Tia das nicht heilen kann, lohnt es sich ja auch nicht mich zu waschen. Da wird alles wieder blutig und ich kann von vorne anfangen.“ Der Prinz grinste breit, was sogar Tia mittlerweile überzeugt hatte, dass Teiou wieder normal war. Teious Rumalberei wurde von dem Kirin unterbrochen, das den Raum wieder betrat. Unter seinen Hufen knirschten und zersplitterten Glasscherben, die immer noch auf dem Boden lagen. Der Blick des Tieres streifte kurz Keika und für einen Moment wirkte es so, als wollte es auf den Dämon losgehen. Unter Santos strengem Blick besann sich Komei aber und trabte mit gesenktem Haupt auf den Tenno des Nordreiches zu. Vor dessen Füßen ließ er den Stein fallen, den Keika noch vor wenigen Minuten in der Hand gehalten und dann quer durch den Raum geworfen hatte. „Was ist das überhaupt für ein Stein? Ein normaler Torikostein doch auf keinen Fall.“ Fragend sah der Shuten Santo an, der den Stein betrachtete. Er schien den fragenden Blick des Shuten ignorieren zu wollen. „Santo-sama! Erklärt es mir!“ Der Tenno zuckte mit den Schultern. „Soweit ich weiß, gibt es unterschiedliche Arten von Steinen. Kosei hat sich damit intensiver auseinandergesetzt, weil er nicht akzeptieren wollte, dass die Torikosteine den Dämonensteinen so ähnlich sind. Ich hab per Zufall seine Aufzeichnungen gefunden. Er war unter anderem der Ansicht, dass es auch leere Steine gibt, die den Benutzer in sich hinein ziehen und einschließen. Wie es schon in den alten Geschichten zum Teil erzählt wird. Irgendwie hat er es geschafft Torikosteine auf ihr Leersein zu prüfen. Letztlich weiß ich selbst nicht, ob der Stein soviel anders ist als die Restlichen, aber er ist einer der größten und mächtigsten Steine, die man je gefunden hat. Ich besitze ihn deshalb schon sehr lange und habe ihn nicht verkaufen lassen. Warum weiß ich nicht. Aber letztlich vermutlich aus weiser Voraussicht.“ Er sah Teiou kurz amüsiert an, der nur das Gesicht verzog. „Ich hab Kosei gebeten ihn zu prüfen und nach seiner Aussage war es ein freier Stein, in den man einen Geist bannen könnte. Wie wusste er nicht, aber das hat ja dann Keika herausgefunden. Ich bin aber auch nur zufällig auf die Idee gekommen, dass ein solcher Stein der Schlüssel sein könnte.“ „Immerhin ist wer drauf gekommen.“ Teiou betastete vorsichtig seine Stirn, froh darüber, dass da nichts Fremdes mehr war, während Keika entsetzt den wieder aufgetauchten Stein anstarrte. Dieser schimmerte matt bläulich und schien das strahlende Sonnenlicht, das auf ihn fiel, aufzusaugen. „Schmeißt ihn bloß weg“, flüsterte er leise und sah dann Santo direkt in die Augen. „Ihr sollt ihn zerstören! Tut es doch, bitte!“ Seine Stimme wurde lauter und er war aufgesprungen, um sich einige Schritte von dem Torikostein zu entfernen. Teiou meinte unterschwellig etwas leicht Panisches in der Stimme des Dämons mitschwingen zu hören. Komei sah den Dämon mit schräg gelegtem Kopf an und neigte sich dann elegant zu seiner Beute, die er seinem Herrn so stolz präsentiert hatte. Unter lautem Krachen und Knirschen fraß das Kirin den Stein. Keika atmete erleichtert auf und ließ sich erleichtert auf einen Sessel fallen. „Was war jetzt so schlimm an dem Stein?“, fragend sah Teiou ihn an und auch Tia schaute interessiert zu dem Silberhaarigen. „Der Dämon war doch jetzt da hinein gebannt.“ Keika warf den beiden einen vielsagenden Blick zu, die nun vor ihm standen und auf eine Antwort warteten. „Es hat nicht viel gefehlt und mein Geist wäre in dem Stein geblieben. Dann hätte dieses Kirin mich zermalmt und nicht Nabonid. Also was war an dem Stein wohl so schlimm? Er hätte mein ewiges Gefängnis werden können!“ „Oh“, kam es fast gleichzeitig von den beiden jungen Männern, die nun doch ein wenig schuldbewusst dreinschauten, obwohl sie nichts dafür konnten. Santo saß schweigend in seinem Sessel und tätschelte Komeis Hals, der noch die letzten Splitter vom Boden leckte. „Dann hat das mit dem Blut diesmal nicht funktioniert?“ Tia deutete fragend auf Keikas verkrustete Handgelenke, die dem Dämon erst jetzt wieder in den Sinn kamen. Er schüttelte den Kopf. „Nein, vermutlich war Nabonid zu stark, um von meinem Blut beherrscht zu werden, oder es lag an dem leeren Stein.“ Er zuckte mit den Schultern und betrachtete den weißen Schorf an seinen Gelenken. „Es ist ja jetzt vorbei.“ Santo lächelte und stand auf. Das Kirin sah fragend zu seinem Herrn auf und trabte dann schon mal zur Tür. Es spürte den nahenden Aufbruch. „Und wir können uns auch sicher sein, dass Teiou wirklich nur Teiou ist.“ Der Blonde legte dem Shuten im Vorbeigehen kurz eine Hand auf die Schulter, was sich eigentlich nicht gehörte, und folgte dem Kirin dann zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um und verneigte sich vor dem Shuten. „Ich danke Euch für den Empfang, Shuten-sama. Gebt auf Euch und Eure Freunde gut acht.“ Teiou ließ sich auf die Lehne von Keikas Sessel sinken und sah Santo nach. „Ein sehr förmlicher Abgang. Als ob er dir danken müsste, Tia.“ Der Prinz schüttelte kurz den Kopf. „Ich danke dir, Santo!“, rief er laut durch die schon wieder geschlossene Tür. „Wir sehen und beim nächsten Turnier!“ Von draußen hörte man nur Komei wiehern. „Du bist unmöglich, Teiou.“ Tia lachte leise und schüttelte amüsiert den Kopf. „Allerdings. Du bist unmöglich. Eine förmlichere Entschuldigung wäre angebracht gewesen“, murmelte Keika leise und umarmte den Schwarzhaarigen, „aber ich bin froh dich wiederzuhaben.“ „Ich weiß“, erwiderte dieser, drückte ihn an sich und grinste selbstzufrieden vor sich hin. ~~~~~ Nachwort: Nach langer Zeit das letzte Kapitel. Es folgt noch ein kurzer Epilog. Ich hoffe ich schaffe das recht bald. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)