So war es damals von Maza_e_Keqe ================================================================================ Kapitel 1: Finjas Entscheidung ------------------------------ Es war ein kalter Wintertag, Berge, Felder und Wald lagen tief verschneit. Kein Tier wagte sich aus seiner Höhle und die Täubchen hockten dicht gedrängt unter dem Dach um sich aneinander zu wärmen. Finja saß am Krankenbett ihrer Mutter und strickte, während diese ihr eine alte Geschichte erzählte: Der junge Vanyel erwachte aus einem Traum, der ihm ein Leben voller Tod und Furcht zeigte. Sollte er sich für die Laufbahn eines Magiers entscheiden, würde ihn diese Verdammnis erwarten. In einer eisigen Winternacht machte er sich auf den kaum zu erkennenden Weg und war schon kurz davor wieder um zukehren als ein gellender Schrei ihn innehalten ließ. Als er ihm folgte, sah er ein schreckliches Monster, das ein ganzes Dorf in Schutt und Asche gelegt und nahezu alle seiner Bewohner getötet hatte. Nur eine Frau und ihre Kinder lagen dicht zusammengedrängt neben dem Biest. Plötzlich stellte sich ein mutiger Bauer mit seiner Heugabel vor das Untier, wohl wissend, dass er keine Chance hatte. Trotzdem stach er seine Waffe tief in des Monsters Seite, doch es tötete den alten Mann fast auf der Stelle. Dieses grausame Gemetzel mit ansehen zu müssen, brach die Starre, in der Vanyel sich befunden hatte. Sein Zorn ließ ihn all seine magischen Fähigkeiten zusammennehmen um das Ungetüm zu bekämpfen und die Bauern zu schützen. Er schleuderte es hoch in den winterlichen Himmel und sah noch, wie es zerstört zu Boden stürzte. „Die Moral dieser Geschichte:“, sagte die Mutter leise, „Der verzweifelte Mut eines einfachen Mannes kann dich zu Tränen rühren. Er kann dir aber auch die Kraft geben deinen Feind zu bekämpfen und all deine Ängste zu besiegen.“ Finja sah von ihrem Strickzeug auf und die Mutter ernst an. Ihr Gesicht war ausgemergelt und grau. Aber in ihren Augen konnte sie ihre eigene Willensstärke entdecken. Das junge Mädchen beugte sich herunter um ihre Tränen zu verbergen. Langsam erhob Finja sich. „Ich bringe dir noch etwas zu essen. Dann solltest du aber schlafen, es ist bereits spät am Abend.“ Als sie ihrer Mutter die Suppenschüssel reichte, sah diese sie noch einmal ernst an. „Dieser Bauer hat Vanyel eine Lektion erteilt, die der Zauberer niemals vergessen sollte. Er traf an diesem Tag eine Entscheidung und hat sie niemals bereut.“ Das waren ihre letzten Worte an diesem Abend, bevor Finja das Zimmer verließ um sich ihrerseits schlafen zu legen. Kurz nach Mitternacht erwachte sie vom Heulen des Windes. Sie sah zum Fenster. Dort stand der volle Mond am schwarzen Himmel und die Bäume ächzten unter der Last des Schnees und des Frostes. Doch da war noch etwas anderes. Finja lauschte in die Nacht hinaus. Ein Wimmern drang an ihr Ohr, leise Worte einer angst erfüllten Stimme, die sie nicht verstand. Barfuß schlich sie durch das kleine Haus. Die Dielen knarrten unter ihren Füßen. Plötzlich stand der Stiefvater vor ihr. Er musste zurückgekehrt sein, als sie schlief. Noch halb in der Tür zum Schlafzimmer polterte er los. Sein Atem stank entsetzlich, aber Finja wusste, dass sie sich das um keinen Preis anmerken lassen durfte. „Was hast du hier herumzuschleichen, du nutzlose Kröte! Kannst du nicht schlafen, dann geh Brennholz sammeln!“ Das Mädchen stand zitternd vor dem großen, breitschultrigen Mann und konnte seine Worte nicht sofort erfassen. „Steh hier nicht wie angewurzelt, sondern verschwinde aus meinen Augen! Und wage es nicht vor Sonnenaufgang zurückzukommen!“ Mit der rechten Hand schob er Finja unsanft zur Seite. Stolpernd erreichte sie die Haustür und als sie sie öffnete, fiel die hinter ihr krachend ins Schloss. Der Wind stach wie Nadeln auf ihrer Haut. Das dünne Nachthemd konnte ihn nicht abhalten. Zögernd setzte sie einen Fuß in den Schnee, der augenblicklich schmolz und eine kleine Pfütze bildete. Ihr Herz schlug bis zum Hals während sie den Weg in Richtung des Waldes einschlug. Ihre Ohren vernahmen kein Geräusch außer dem Heulen des Windes. Die weiße Pracht hatte eine dichte Decke gebildet, auf der das Mädchen zwischen den Bäumen hindurch ging. Der Schnee war so dick, dass Finja nicht mit den Füßen einsinken und Fußspuren hinterlassen konnte. Alles war still. Kein Käuzchen schrie oder flatterte auf. Vor sich sah Finja einen eingeschneiten Strauch. Sie bog vorsichtig die Zweige auseinander, doch der Schnee löste sich nicht von ihnen. Als sie zwischen der Öffnung hindurch kroch, schlossen sie sich wieder und das Mädchen saß in der Dunkelheit. Hier war es wärmer; die Schneedecke ließ den kalten Wind nicht hineindringen. Finja legte sich auf die weiche Erde und schlief sofort ein. Durch ein kleines Loch oberhalb der dichten Zweige drang das erste Licht des Tages in die kleine Höhle und weckte Finja. Auf dem Weg zum Haus entdeckte sie einen umgestürzten Baum, von dem sie eilig ein paar Äste abbrach. Die Tauben begrüßten sie vom Dach. Im Haus regte sich nichts. Vorsichtig schlich sie zurück in ihr Zimmer, wo sie ihre blau gefrorenen Füße mit dem unfertigen Wollpullover abrieb, an dem sie abends noch gestrickt hatte. Wieder aufgewärmt bereitete sie in der Küche das Frühstück für ihre Mutter vor und trug es auf einem Tablett ins Zimmer. Die Fensterläden waren noch geschlossen. Als Finja sie öffnete, wurde der ganze Raum erhellt. Der Schnee leuchtete in dem schwachen Sonnenlicht. In dem schmalen Bett lag ihre Mutter, die Augen weit aufgerissen. Das Laken war blutdurchtränkt. Der Stiefvater betrat das Zimmer. Über seinem linken Arm lag eine Decke, die er nun abstreifte. Eine lange Schnittwunde zog sich über den Unterarm. „Sie hat mich mit einem Messer angegriffen.“ Seine harte Stimme erschütterte die Stille. Er fragte nicht einmal nach dem Feuerholz. Finja wandte sich ab. Wortlos lief sie in ihr Zimmer zurück. Aber weinen konnte sie nicht. Sie dachte an die Geschichte, die ihre Mutter ihr zuletzt erzählt hat. Erst am Abend traute sie sich wieder heraus. Der Körper war aus dem Schlafzimmer fortgebracht worden. Sie lag lange wach und lauschte auf jedes Geräusch. Der Stiefvater ging nicht aus und sie fürchtete sich allein mit ihm im Haus zu sein. Auf irgendeine geheimnisvolle Art und Weise hatte ihre Mutter sie vor ihm beschützt. Die Dielen knarrten und Finja erstarrte in ihrem Bett. Schritte näherten sich, dann wurde die Tür geöffnet und wieder geschlossen. Sie hielt die Augen geschlossen. Die Angst lähmte ihren Körper und ihren Geist. Keine Fluchtmöglichkeit wollte ihr einfallen. Der schwere Leib des stinkenden Mannes legte sich über sie, eine klebrige Hand auf ihren Mund, doch sie hätte sowieso nicht schreien können. Jetzt wusste sie also, was ihre geliebte Mutter in ihren letzten Stunden erleiden musste. In der folgenden Nacht, als Finja die Schritte vor ihrer Tür hörte, fürchtete sie sich nicht mehr. Der Glaube an ihre eigene Stärke und auch der Glaube ihrer Mutter daran, gaben ihr Mut. Der Stiefvater lehnte sich über den Körper des Mädchens und als er sich zu ihr herabsenkte, stieß sie ihn mit aller Kraft von sich. Er fiel auf den Holzboden, dass die Dielen knackten, war aber schnell wieder auf den Beinen. Sein Atem ging in Stößen. Die Wut und Überraschung hatten ihn noch nicht verlassen. Finja drückte ihre Hände auf seine Brust und schob ihn rückwärts bis ans Fenster. Mit einem Schrei schlug sie gegen den Oberkörper des großen Mannes und dieser stürzte durch die geöffneten Läden und schlug hart auf dem gefrorenen Boden auf. Das Mädchen sprang mit einem Satz hinterher und landete mit den Knien voran auf seiner Brust. Ihr Stiefvater gab noch ein röchelndes Geräusch von sich und dann nichts mehr. In diesem Moment begann es wieder zu schneien. Und bald war der leblose Körper und einer weißen Decke begraben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)