World of Faerûn - 6. Staffel von Kyle (Awakening) ================================================================================ Kapitel 1: Folge 92: Ein seltsamer Geselle ------------------------------------------ Folge 1: Ein seltsamer Geselle Die Länder von Thay galten als eine der ältesten von Faerûn und obwohl die Städte, Siedlungen und Monumente deren Bewohner durch Kriege in der Vergangenheit immer wieder verwüstet wurden waren, wuchsen diese immer wieder wie von Zauberhand empor. Diese Art von Unverwüstlichkeit kam nicht von ungefähr, denn Thay war zugleich die Heimat der Roten Magier, einer Organisation zu denen die mächtigsten Zauberer von Faerûn zählten. Obwohl die Herrscher Thays im Laufe der Geschichte immer wieder versucht hatten ihren Einfluss zu vergrößern, scheiterte das Reich bei solchen Unterfangen schon am allgegenwärtigen Verrat, den Intrigen und der Korruption, die in den eigenen Reihen unter den Mächtigsten der Roten Magiern herrschte. Einen Magier oder Hexenmeister aus Thay zu trauen, war ungefähr so als ob man einem Dieb seine Wertsachen anvertraute. Somit blieb es ein Reich gescheiterter Ambitionen, aber auch eines, das einige der besten Magier Faerûns hervorgebracht hatte. Daher war es für jeden angehenden Magier, der in Thay die Magie studieren wollte eine große Ehre unter den Roten Magiern dienen zu können. Einer von Ihnen fühlte sich in diesen Tagen jedoch wenig geehrt, sondern viel mehr frustriert darüber, dass seine Schüler ihm keine so große Hilfe waren, wie er erhofft hatte. Erbarmungslos strahlte die Sonne vom Himmel herab, während er eine Ausgrabungsstätte, fern seiner Heimat aus geeigneter Position aus beobachtete. Ein kleiner Junge hielt einen Sonnenschirm über ihn, während ein kleines Mädchen auf der anderen Seite ihm mit einem Fächer kühle Luft zukommen ließ. Von seiner Position aus konnte er gut in das etwas tiefer gelegene Tal hinabschauen, wo die meisten seiner Schüler und Sklaven eifrig an einer Ausgrabung arbeiteten. Obwohl es in dieser Wüstengegend immer recht warm war, trug er eine Robe und einen Umhang, der ihn als Magier von Thay kennzeichnete. Ein Zauber kühlte die Temperatur um ihn herum auf ein angenehmes Niveau ab, weswegen die beiden Kinder eigentlich auch recht froh waren bei ihm seien zu können. Als er sich von der Stätte abwendete, sah er dass einer seiner Schüler sich im Eiltempo näherte. Obwohl er nur etwas um seine Lenden herum trug, war ihm sehr heiß. Pflichtbewusst verbeugte sich der junge Mann kurz vor seinem Meister und überbrachte ihn eine handschriftliche Nachricht. „Meister Donaghan. Der hohe Rat wünscht eine Auskunft über die Fortschritte an der Ausgrabungsstätte. Sie zweifeln das wir hier die Nesser-Ruinen finden werden, die Ihr sucht.“, sagte er und fasste das Schreiben somit in einem Satz zusammen. Donaghans Gesicht verfinsterte sich als er die Anweisungen seiner Vorgesetzten las. Einem Novizen war es nicht möglich das Schreiben in seiner wahren Form zu lesen, doch Donaghan las auch die Zeilen, die den Augen seiner Schüler verschlossen bleiben sollten. Frustriert knüllte er das Schriftstück zusammen und ließ es in Flammen aufgehen. Der Wüstensand nahm sich seiner Asche an, während Donaghan in Gedanken sank. „Geh zu den anderen und sag ihnen dass die Arbeiten eingestellt werden. Der hohe Rat hat mir eine andere Aufgabe zugewiesen.“, sagte er nüchtern. Er war nicht gerade glücklich mit der Entscheidung, aber er musste sie akzeptieren, wenn er nicht den Zorn seiner geistigen Führer auf sich ziehen wollte. Etwas Abseits der zentralen Ausgrabungsstätte machte derweil ein Arbeiter eine Entdeckung, die ihn dazu veranlasste seinen Beaufsichtiger zu sich zu rufen. Der Menschensklave, wegen der Hitze nur notdürftig bekleidet, war auf harten Untergrund gestoßen, doch erst das geschulte Auge eines Thay-Magiers sollte den Wert des Fundes einzuschätzen wissen. Von den Rufen der Arbeiter herbeigelockt nahm sich einer von Donaghans Schülern dem Fund an. Trotz der hohen Temperaturen trug auch er eine rote Robe, ganz wie es für die Thay-Magier üblich war. Sein Haar war schwarz und füllig, seine Statur kräftig und sein Gang erhaben. Als er den letzten Staub des Bodens mit einem kurzen Windzauber wegfächerte, offenbarte sich ihm das ganze Ausmaß des Funds. Seine Augen weiteten sich sichtlich erstaunt darüber auf was man gestoßen war. „Sollen wir es Meister Donaghan berichten, Ashton?“, fragte einer der Arbeiter zaghaft, doch der Magier schwieg. Interessiert musterte er die Zeichen, die auf der freigelegten Steinplatte eingeprägt waren. Ein Schmunzeln glitt über sein Gesicht und schließlich ließ er sich zu einer Antwort hinreißen. „Nein … dieser Fund gehört mir. Ich werde es erst untersuchen und sehen ob es seine Aufmerksamkeit wert ist.“, sagte er mit schroffem Ton, so dass unmissverständlich klar war, dass jeder der es wagen sollte etwas zu berichten, sofort mit dem Tode bestraft würde. Mystische Worte glitten über Ashtons Lippen, dessen Wirkung sich schon bald entfalten sollte als er seine Hände für einen Zauber zur Hilfe nahm. Die Erde bebte auf wo die Steinplatte im Boden lag, doch während viele verschreckt davon liefen, blieb der Thay-Magier an Ort und Stelle. Ihm war klar was er gefunden hatte und auch wenn es nicht das war was Meister Donaghan gesucht hatte, so war dieses Grab durchaus von Interesse für ihn. Er hoffte auf Schätze und Bücher, die uraltes Wissen enthielten, Aufzeichnungen die ihm Aufschluss über die Standorte weiterer Nesser-Ruinen geben konnten. Die Steinplatte begann sich zu teilen und den Eingang zu einem unterirdischen Verließ frei zu geben. Luft, die Tausende von Jahren dort eingekerkert war, stieg ihm entgegen. Treppen, die seit Ewigkeiten niemand mehr betreten hatten, ebneten ihm den Weg. Thay-Magier neigten oft dazu sich selbst zu überschätzen. Sie glaubten auf Grund ihrer Macht jeder Gefahr trotzen zu können, doch wie so oft, sollte auch Ashton seine Lektion erst lernen. Kaum war er die ersten Stufen hinab gestiegen schloss sich das Grab wieder wie von Geisterhand. „Eine Falle!“, rief er aufgebracht und drehte sich hektisch zum Ausgang um. Der allgegenwärtigen Dunkelheit würde er mit einem Lichtzauber besiegen können und den Eingang, so glaubte er, mit Magie wieder aufsprengen zu können. Der Lichtzauber war kaum vollendet, da hörte er eine Stimme aus der tieferen Ebene der Baute rufen, die bis in seine Gedanken eindrang. „Ashton …. Ashton Scu’l“, tönte es in seinem Kopf empor. Ashtons Augenbrauen zuckten erstaunt nach oben, denn wer immer hier gefangen oder begraben war, konnte seiner Ansicht nach unmöglich seinen Namen kennen. Die Stimme rief immer wieder nach ihm, so oft, das er schon bald von Neugier gepackt, die Treppe vollends hinab stieg. Am Ende der Kammer entdeckte er eine ungewöhnlich kleine Grabkammer. Der Raum war kaum größer als dreißig Quadratmeter und beinhaltete weder Schätze, noch Bücher, noch einen Sarkophag. Einzig die mystischen Zeichen an den Wänden und ein Pult im Zentrum des Raumes stachen ihm ins Auge. Wieder rief ihn die Stimme herbei, die wie die eines uralten Mannes klang. Bei genauerer Betrachtung stellte er fest dass auf dem Pult ein glänzender Edelstein lag, in dessen Inneren hunderte von Farben wirbelten. „Wer seid Ihr?“, fragte er etwas verunsichert, in der Annahme dass in dem Stein eine uralte Seele inne wohnte. „Mein Name ist in Vergessenheit, meine sterbliche Hülle vergangen, doch wisset das ich einst einer der mächtigsten von Nesseril war.“, sprach die Stimme zurück. „Was wollt Ihr von mir?“, hakte Ashton forsch nach. „Die Frage ist doch wohl eher, was Ihr wollt.“, erwiderte die Stimme zwielichtig. Ashton blieb nicht mehr genug Zeit um die Zeichen an den Wänden zu deuten, denn diese erzählten keine historische Geschichte, sie stellten eine Warnung dar. Das Lodern einer Fackel wies derweil einen jungen Elfen den Weg durch ein finsteres, unterirdisches Gewölbe. Elfen konnten zwar gut in der Dämmerung sehen, aber in totaler Dunkelheit brauchten auch sie das ein oder andere Hilfsmittel. Der Elf war eher schmächtig gebaut und trug einen Säbel an seiner Gürtelschlaufe. Sein silberner Umhang wehte kaum in der trockenen Luft und sein hellblaues Oberteil war mit reichlich Schmutz und Staub eingedeckt. Wildes, braunes Haar spross aus seinem Kopf. Trotz der Fackel zeigte er sich von der allgegenwärtigen Finsternis eher eingeschüchtert. „Bist du dir sicher, dass das der richtige Weg ist, Kyren?“, fragte er seine elfische Gefährtin, die ihm Rückendeckung gab. Sie selbst wusste sich mit einem Lichtzauber, in Form einer schwebenden Kugel, zu helfen, aber allzu viel sicherer machte sie das auch nicht ob man nicht schon einmal an dieser Stelle vorbei gekommen war. „Für mich sieht das alles hier irgendwie gleich aus.“, meinte sie etwas verunsichert und warf noch einmal ein Blick auf die Karte in ihrer linken Hand. Es war heiß und stickig geworden, so dass sie ihr modisches Kopftuch abnahm. In dem einen Jahr, das sie nun schon zusammen mit ihren Gefährten Atrix durch Faerûn reiste, hatte sie sich schon des Öfteren mal verlaufen, aber so schlimm, wie in diesem Moment, noch nie. „Also eigentlich müsste die Kammer etwa 200 Meter vor uns liegen.“, grübelte sie laut vor sich hin und begann die Karte mehrfach zu drehen, in der Hoffnung so etwas Orientierung in ihren Weg zu bringen. Atrix runzelte die Stirn und versuchte mit seiner Fackel etwas voraus zu leuchten. „Ich kann nichts sehen.“, erwiderte er und ging langsam weiter. Mit seiner freien Hand im Dunkel tastend stieß er bald auf einen Widerstand in Form einer gemauerten Wand. Das Licht seiner Fackel verdeutlichte ihm das es dort nicht weiter ging und man in einer Sackgasse gelandet war. „Hier geht es nicht weiter.“, seufzte er resigniert. „Ich kann mir das nicht erklären.“, dachte Kyren laut und versuchte noch einmal den Weg auf der Karte zurück zu verfolgen, während Atrix im Hintergrund nach einem Geheimschalter tastete. Zunächst bemerkte er gar nicht dass einige Steine in der Wand nach innen rasteten, nachdem er sie berührt hatte. Der Effekt trat nicht unmittelbar auf und so machte ihn erst das Reiben der Steinkanten darauf aufmerksam. „Eh … Kyren.“, stotterte er leicht verdutzt, denn er ahnte bereits das er wohl mehrere Fallen in Gang gesetzt hatte. Seine Begleitung verschwand nur Augenblicke später durch eine Falltür, die sich danach wieder schloss, weswegen es ihm verwährt blieb sie auf mögliche Gefahren aufmerksam zu machen. „Wah, nicht gut!“, schluckte er aufgeregt. Er selbst sah sich als bald mit einem grollenden Geräusch konfrontiert, welches sich als herannahende Wassermassen entpuppte. Kyren hatte ihren Sturz mit einem Zauber gebremst, doch dabei hatte sie ihre Karte verloren. Orientierungsprobleme sollten sich jedoch als das geringste Übel heraus stellen, denn auch ihr kündigte ein dumpfes Grollen bereits die heran nahenden Wassermassen an. Ohne weiter über den Verlust der Karte und des Schatzes nachzudenken lief sie so schnell sie die Beine tragen konnten. Atrix versuchte sich derweil ein Wettschwimmen mit einem verwesten Skelett zu gewinnen, das das Wasser mit sich gerissen hatte. Für Kyren hingegen gab es noch Licht am Ende des Tunnels, doch wenn gleich sie dieses Licht nach draußen führte, so fand sie sich dort unmittelbar an einem Abgrund wieder, der in ein tiefes, tropisches Tal führte. Gerade als sie versuchen wollte der Welle mit einem Zauber zu entgehen, wurde sie auch schon von der selbigen erfasst und hinaus geschleudert. Wie das Wasser selbst, landete sie im Teich einer Lagune, am unteren Ende des Abgrunds. Ein paar Minuten später saß sie bereits wieder auf festen Boden, während ein Teil ihrer Sachen am Ast eines Baumes über dem Lagerfeuer trockneten. Atrix leistete ihr Gesellschaft, denn auch seine Sachen waren reichlich durchnässt. Er hatte sich bewusst bis auf die Lendenbekleidung frei gemacht um ihr ein bisschen zu imponieren, doch Kyren war in diesem Moment durch nichts mehr aufzuheitern. Während er sich guter Dinge einen Fisch über dem Feuer brutzelte, grummelte sie vor sich hin. Atrix genoss die Sicht auf ihren nur leicht bekleideten Oberkörper schon viel zu sehr, ganz so als käme ihn das Geschehene sogar entgegen. Kyren hingegen hatte eine gerade zu einmalige Chance verpasst einen uralten Schatz der untergegangenen Nesseril-Nation zu finden. Sie wusste nicht recht was sie mehr störte – das ihr Gefährte auf ihr schmales Oberteil gaffte, das ihre zierliche Brust bedeckte oder das die Aussicht auf den Schatz verflogen war. „Du bist Schuld daran dass wir in dieser Lage sind und es ist auch deine Schuld dass der Nesseril-Schatz jetzt weg ist!“, tönte sie ihm gefrustet entgegen und brachte somit beide Dinge, die sie bedrückten unter einen Hut. „Na ja, ich habe immer hin diese Pergamentrolle ergattert, die die Flutwelle mit sich gerissen hat.“, erwiderte er strahlend und deutete auf ein zusammengerolltes Stück Papier in seiner rechten Hand. Es machte einen ziemlich wertlosen Eindruck, strahlte nicht einen Hauch von versiegelten Energien aus, weshalb es die Magerin nicht weiter interessierte. „Sag’s mir noch mal, Kyren – warum tun wir uns das Tag für Tag aufs Neue an?“, seufzte Atrix als er merkte dass sie seinen Fund nicht weiter würdigte. „Wir sind schon Monatelang unterwegs, ohne irgendetwas brauchbares gefunden zu haben.“, ergänzte er mit kritischen Blick, enttäuscht über die Ausbeute, doch Kyren ließ sich nicht zu einer Antwort hinreißen. Sie hatte es ihm mehr als ein Mal erklärt und ihn seinerzeit auch nicht darum gebeten sie zu begleiten, obwohl sie seine Gesellschaft im Nachhinein als besser empfand als die Einsamkeit. Gedankenversunken starrte sie ins Lagerfeuer und erinnerte sich zurück an den Tag als ein Menschenjunge wie aus dem Nichts in ihren Zimmer aufgetaucht war. Es war schon recht spät gewesen als sie sich nach einem Tag in der Natur dazu entschloss ihr Bett aufzusuchen um etwas Schlaf zu tanken. Es waren bereits einige Monate vergangen seit sie einige elfische Waldläufer ausgeschickt hatte um nach Shane zu suchen. Jeden Tag hoffte sie auf eine gute Nachricht, doch mit jedem Tag schrumpfte ihre Hoffnung mehr und mehr. Sie war geduldig, glaubte aber langsam sich geirrt zu haben, was seinen Verbleib betraf. Sie wollte Klarheit, denn schließlich war er es, der nicht unerheblichen Anteil daran trug das sie noch lebte. Er war es der über all seine Grenzen hinausgegangen war, um sie und die Welt in der sie lebte zu schützen, er war er es, an dem sie ihr Herz verloren hatte. Die Frage ob der finstere Magier Diron ihn seines bösen Blutes wegen getötet hatte oder was er mit ihm angestellt hatte, begleitete sie fast wie ihr eigener Schatten. An diesem Abend jedoch sollte sich all das ändern als sie die Tür zu ihrem Gemach öffnete. Sie staunte und weitete ihre Augen überrascht als sie dort einen kleinen Jungen auf ihrem Bett sitzen sah. Ihr Atem stockte, denn sie wusste nicht wie es ein kleiner Mensch es in den Elfenpalast der Königin geschafft hatte in dem sie lebte. Einen Moment glaubte sie an ein Attentat, aber der Junge lächelte ihr in freudiger Erwartung zu. Er konnte kaum älter als zehn Jahre sein, doch er war gekleidet wie ein Erwachsener. Pechschwarzes Haar spross aus seinem Schopf und formte eine wild verwirbelte Frisur. „W-wer bist du?“, fragte sie verwundert und trat in ihr Zimmer ein. „Ah, Lady Cyrissean. Ich habe schon auf Euch gewartet.“, begrüßte sie der Junge freundlich und sprang vom Bett. „Mein Name ist Zun. Es ist mir eine Ehre.“, fügte er mit einer kurzen Verbeugung an. „Wie … wie bist du hier rein gekommen?! Und woher kennst du meinen Namen?!“, fragte sie streng nach, ganz so als wollte sie dem Kind verdeutlichen das es etwas falsches gemacht hatte. Ein selbstgefälliges Grinsen legte sich auf Zuns Gesicht, hinter dem er die Antwort auf ihre Fragen verbarg. Kyren schluckte, denn in seinem Gesicht lag etwas fremdartiges das sie nicht in Worte zu fassen vermochte. Es ging eine seltsame Kraft von ihm aus, etwas was sie noch nie zuvor gespürt hatte. Sie wusste nicht ob sie übermüdet war oder ob ihr der Verstand einen Streich spielte. „Ihr seid nicht dumm, Lady Cyrissean. Ihr werdet derartige Fragen sicher als unwichtig befinden, wenn ihr den Grund meiner Anwesenheit erfahrt.“, erwiderte er schließlich und sah ihr tief in die Augen. Kyren Atmung war fast ehrfürchtig. „Ich bin hier um Euch ein Geschäft vorzuschlagen. Ich will dass Ihr den Tarraske findet! Und ich verspreche Euch, dass Ihr den Halbelfen, den Ihr sucht bald wieder sehen werdet.“, erklärte er mit beängstigend tiefer Stimme. Die Augen der Elfin weiteten sich abermals, schon allein deswegen weil diese Kreatur in ganz Faerûn Angst und Schrecken verbreitete und nichts als Verwüstung hinterließ, einmal aus seinen Schlaf erwacht. Dieser Junge schien zudem über Shanes Verbleib bescheid zu wissen und obwohl etwas Bösartiges in seiner Stimme lag, reichte ihr der Gedanke an Shane aus um seinen Worten zu folgen. „Ich …“, wollte sie erwidern, doch Zun schien ihre Antwort bereits vor ihr zu kennen. „Ihr werdet es tun, kein Zweifel. Nehmt diesen Handschuh. Er verstärkt Eure Magie und durch ihn könnt Ihr mich rufen, wenn Ihr fündig geworden seid.“, unterbrach er sie und nahm einen Handschuh aus seiner Hosentasche hervor. Er warf ihn ihr aufs Bett und wendete sich ab, zuversichtlich dass sie schon am nächsten Morgen aufbrechen würde. „Ich bin sicher dass Ihr mich nicht enttäuschen werdet.“, meinte er mit kurzen Abschiedswink und einem Unterton der mehr nach einer Drohung klang als nach allen anderen. Nach ein paar Schritten in Richtung Balkon verschwanden seine Konturen, wie Schemen im Nebel. Die Elfenmagierin blieb mit vielen Fragen zurück, aber ein Blick auf die fingerfreien Handschuhe auf ihrem Bett, ließ sie begreifen, dass der Besucher keine Einbildung gewesen war. Kyrens Blick schweifte vom Lagerfeuer ab und fiel auf ihre rechte Hand, die mit dem Geschenk des Jungen bekleidet war. Es war Atrix, der sie aus ihren Gedankengang entriss, ganz so als ob er gemerkt hatte, dass sie etwas bedrückte. „Heh, früher oder später finden wir dieses Artefakt schon noch. Ich begreife zwar noch immer nicht wieso du den Tarraske finden willst, aber ich bleibe an deiner Seite. Wenn dir dieses Artefakt hilft eine solche Kreatur aufzuspüren, ist es sicher nicht leicht zu finden.“, munterte er sie auf, auch wenn er damit nicht ganz ihren Gedankengang traf. Für Atrix war es ein Rätsel wie jemand, der bei klarem Verstand war eine solche Bestie aufzuspüren versuchte, aber er vertraute auf seine Gefährtin. Bei den Gedanken an den Tarraske kamen ihm viele Geschichten um diese Bestie in Erinnerung. Zum Glück gab es sie nur mal ein Mal und sie musste den Legenden nach schon mehrere Tausend Jahre alt sein. Die meiste Zeit schlief sie in abgelegenen Gegenden, in finsteren Höhlen, doch einmal erwacht, brachte diese Kreatur den Tod in das Land. Diese schuppige, zweibeinige Kreatur war laut Berichten so groß wie ein fünfstöckiger Turm. Mit seinen gigantischen Ausmaßen wog es sicher über hundert Tonnen. Der Rücken des Wesens, so stand es in den Überlieferungen, war durch einen dicken, undurchdringbaren Panzer geschützt. Hörner ragten aus seinem Kopf und selbst die ledrige Haut des Tarraske war so dick, das kein Schwert sie durchdringen konnte. Stacheln und Hörner zierten den Körper der Kreatur, eine Klaue brach selbst das härteste Material wie ein Streichholz. Einige, wie die Magier der Zakarim, hatten bereits aus den Schuppen des Wesens eine Art Clone zu erschaffen, doch entweder schlugen die Experimente fehl oder das Ergebnis entsprach nicht deren Erwartungen. Somit blieb unklar woher der Tarraske eigentlich stammte, auch wenn es einige Anzeichen dafür gab das die untergegangene Nation Nesseril damit zu tun hatte. Ganze Armeen waren dem Tarraske schon zum Opfer gefallen und so zog man es vor, vor ihm zu flüchten, statt sich ihm zu stellen. Bald schon konnte es weiter gehen. Die Sonne senkte sich, bereit den Abend eintreten zu lassen. Kyren wusste dass sie sich ziemlich im Wald verlaufen hatte, ließ sich aber nichts anmerken. Atrix wirkte unbehaglich, gerade zu verängstigt. Der Wald war ruhig, viel zu ruhig für seinen Geschmack. „Bist du sicher das du noch weißt wo es lang geht?“, fragte er vorsichtig. „Ehrlich gesagt, ich habe nicht die geringste Ahnung.“, seufzte sie mit gesenkten Kopf und blieb stehen, was ihren Gefährten glatt umhaute. „Am besten du kletterst auf einen der Bäume und versuchst dir einen Überblick zu verschaffen.“, ergänzte sie mit Blick auf einen recht hohen Baum, ganz in der Nähe. Atrix wirkte etwas perplex, doch die Idee stieß bei ihm auf Zustimmung. Elfen waren geübte Kletterer, zumindest wenn es darum ging einen Baum zu erklimmen. Auch wenn Atrix recht ungeschickt war, vermochten seine Fähigkeiten ihn bis zur Spitze des Baumes zu bringen. Der Ausblick von dort oben war erfreulich, denn ganz in der Nähe sah er einen gepflasterten Pfad, der an einem Fluss entlang lief. Ein Lächeln breitete sich über seinem Gesicht aus. Er konnte es kaum erwarten Kyren die gute Nachricht zu überbringen. Diese sah sich jedoch derweil mit größeren Problemen konfrontiert. Eine Bande von Orks hatte sich aus den Büschen gewagt, nachdem sie Atrix auf den Baum geschickt hatte. Grunzend und sabbernd gierten sie nach ihrem zarten Elfenfleisch. Mit Netzen und Speeren bewaffnet sahen sie in ihr eine leichte Beute, doch die Elfin blieb ungewöhnlich ruhig. Einer der Orks gab den Befehl zum Angriff und erhob seine Keule in die Luft. Kyren wollte bereits einen Zauber entfesseln, der sich ihrer Angreifer annehmen sollte, doch dies sollte sich als unnötig herausstellen. Der Ork, der eben noch seine Keule empor gehoben hatte, stellte fest, dass sein Unterarm samt Waffe langsam von seinen Oberarm hinab glitt. Unter den überraschten Blicken seiner Artgenossen begriff er langsam was geschehen war. Der Ork begann wild zu brüllen und nach einen Schuldigen zu suchen, noch während Unmengen Blut aus seinem Armstümmel schossen. Zunächst verdächtigte man das Elfenmädchen, doch als dem einhändigen Ork kurz darauf eine Schwertspitze aus dem Brustkorb ragte, war auch dem Dümmsten klar, das der Angreifer ein anderer sein musste. Kyren war überrascht, so überrascht, dass ihre Aufmerksamkeit anderen Dingen gegenüber nachließ. Bevor sie sich versah, befand sie sich in der Umklammerung eines Orks, der sich von hinten an sie herangeschlichen hatte. Ein Dolch presste sich gegen ihre Kehle. „Rauskommen! Oder Elfe stirbt!“, grunzte er in Richtung seines gefallenen Kameraden. Tatsächlich ging der fremde Angreifer auf die Forderung ein und trat aus den Büschen hervor. „Ein Mensch?“, bestaunte Kyren ihre Sichtung. Der junge Mann war mit Brust und Schulterpolstern aus Hartleder bekleidet und hatte hellbraunes Haar, das an seinen Hinterkopf zu einem schmalen Zopf geflochten war. Er hatte ein Schmunzeln im Gesicht und spähte in die Richtung seiner potentiellen Angreifer. Die verbliebenen Orks sahen eine leichte Beute in ihm und griffen an. Statt ihnen mit dem Schwert entgegen zu treten, bevorzugte er es, dieses in den Wipfel des Baumes hinter Kyren zu schleudern, wo es mehrere Äste durchtrennte. Der Geiselnehmer war verwirrt, während es der Fremde mit Hand und Fuß mit den übrigen Orks aufnahm. Er war geschickt im Kampf, es gelang ihm sogar einen der Orks seine Waffe zu entreißen und gegen sie einzusetzen. Schon wenige Sekunden später war der Mensch, der einzige der noch stand. Der Ork, der Kyren gefangen hielt, wurde bleich und sah seine einzige Chance zu entkommen darin, der Elfe die Kehle zu aufzuschneiden. Kyren schluckte tief und noch tiefer als auf einmal das Schwert des Menschen neben ihr in den Boden fiel, gefolgt von einem schreienden Elfen, der durch seinen Sturz den letzten Ork mit sich zu Boden riss. „Huh? Atrix?! Alles in Ordnung?“, fragte Kyren besorgt nach dessen Landung. „Ja … ich glaube schon … aber seit wann gibt es dich denn drei Mal?“, ächzte er recht desorientiert, die Hand am Kopf haltend. „Gut dass du so weich gelandet bist.“, meinte sie schmunzelnd und half ihm auf. Der Mensch eignete sich derweil sein Schwert wieder an, steckte es rasch in die dafür vorgesehene Haltung am Rücken. „Danke … aber … wer … wer seid Ihr?“, fragte Kyren, während sie Atrix leicht stützte. „Oh, verzeiht. Ich bin sicher Ihr wäret auch alleine mit ihnen fertig geworden. Mein Name ist Nigel.“, erwiderte er und verbeugte sich übertrieben höflich. „Ich hatte gehofft Euch hier zu finden, aber es war nicht ganz einfach.“, ergänzte er als er wieder aufsah. Er machte einen sehr freundlichen Eindruck, seine blauen Augen machten ihn nicht zum Schönling, aber dennoch strahlte er eine gewisse Anmut aus. „Ihr habt nach mir gesucht?“, schlussfolgerte Kyren. „Gewissermaßen …“, sagte er in einen recht bedächtigen Ton, worauf sich ihre Stirn runzelte. „Seid Ihr ein Kopfgeldjäger oder so etwas?“, wollte sie wissen. Nigel begann amüsiert zu lachen und wendete sich ab. „Aber nein, Lady Cyrissean. Aber ich denke, das ist nicht der richtige Ort und nicht die richtige Zeit für ein solches Gespräch. Es ist zu früh um euch über unwichtige Details zu informieren. Dennoch würde ich vorschlagen zu gehen. Der Wald wimmelt nur so von Waldschraten und anderen Monstern. Kommt – hier in der Nähe gibt es einen Weg, der euch in eine etwas sichere Gegend führt.“, erwiderte er und wies sie an ihm zu folgen. Kyren wusste nicht was sie davon halten sollte, aber er schien nichts Böses im Schilde zu führen. Es war bereits Nacht und die Sterne funkelten am Himmel als man sich niederließ und ein Nachtlager aufschlug. Nigel hatte die beiden Gefährten in eine kleine Höhle geführt, wo man vor Witterung und Monstern vorerst sicher war. Atrix mühte sich daran Feuer zu machen, während Kyren sich im Schneidersitz vor Nigel niederließ. „Also, Ihr kennt meinen Namen, wisst wer ich bin und habt mich gesucht. Warum das Ganze?“, tönte es freundlich von der Elfenmagierin. „Das ist etwas schwierig zu vermitteln, aber Ihr müsst mir vertrauen, wenn ich euch sage, das diese Welt den Untergang geweiht ist, wenn ihr es nicht verhindert.“, setzte Nigel an, worauf auch Atrix ihm etwas mehr Aufmerksamkeit schenkte. „Im fernen Thay agiert zurzeit ein Roter Magier, der etwas Schreckliches plant. Etwas das Auswirkungen auf die Zukunft haben wird … auf die Zukunft aller.“, erzählte er und auch wenn es die beiden Elfen eher skeptisch aufnahmen, so waren sie gewillt ihm weiter zuzuhören. „Ich weiß, das mag für euch etwas seltsam klingen, aber ich habe euch aufgesucht um das drohende Schicksal dieser Welt zu verhindern.“, erzählte er und ging einen Moment in sich. Nigel schienen Visionen und Bilder zu von einer nahen Zukunft zu plagen, die vor seinem inneren Auge vorbeiliefen, eines schlimmer und qualvoller als das andere. Die Schreie der Menschen, die ihm Nahe standen penetrierten sein Innerstes. Nach kurzem Zögern war er gewillt fort zu fahren. Atrix hatte gewisse Zweifel an der Geschichte des Menschen und sprang empört auf. „Das klingt wie das Gebrabbel eines irren Propheten. Warum sollten wir Euch glauben?!“, sagte er und rügte ihn gestisch mit seinem linken Zeigefinger. Kyren hingegen schenkte Nigel Glauben und ließ ihren Gefährten auf die erhoffte Zustimmung warten, was Nigel zum Anlass nahm, die Situation näher zu erklären. „Leider kann ich nicht lange bei euch bleiben. Andere … Aufgaben warten auf mich. Ich kann euch noch nicht alles sagen – es würde unser Unterfangen gefährden. Der Mann, der all dies auslösen wird heißt Ashton Scu’l. Es scheint unvermeidlich dass er ganz Faerûn in einen blutigen Krieg führen wird, wenn ihn niemand aufhält. Es wird hunderttausende von Toten geben! Das Leben wie ihr es hier kennt, all das wird vergangen sein. Nichts wird mehr so sein wie vorher. Diese Welt steht vor einer grundlegenden Säuberung, wie er es nennt, die schließlich zur Ausrottung aller Rassen führen wird.“, berichtete er mit gebrochener Stimme. Kyren atmete tief vor Schock, rang sich aber dennoch eine weitere Frage hinaus. „Aber warum … warum gerade ich? Und was macht Euch so sicher?“, fragte sie irritiert. Mittlerweile schien sie das Schicksal der Welt regelrecht zu verfolgen. Sie begann sich zu fragen warum ausgerechnet sie immer wieder in solche Konflikte gezogen wurde, wo sie doch ihre eigenen Sorgen hatte. Nigel wusste nicht recht ob er sie ansehen sollte oder nicht, denn die folgenden Worte mussten gut überlegt sein. „Ich kann euch nicht sagen was mich so sicher macht, aber ich hoffe inständig darauf das ihr mir glauben werdet. Ich habe Euch für diese Mission gewählt, weil ich niemand anderen es Zutraue gegen einen solchen Feind zu bestehen. Schließlich habt ihr vor Jahren bereits den großen Adrian von Nesseril geschlagen.“, erklärte er mit beinah verzweifelter Stimme. Nicht nur Kyrens Augen und Mund waren weit aufgerissen, auch Atrix renkte es beinah den Kiefer aus. „Woher wisst Ihr von der Schlacht gegen Adrian? Nur eine Handvoll Leute …“, setzte Kyren verblüfft an, bevor er ihr das Wort nahm. „Das ist unwichtig! Wichtig ist ob ich auf euch zählen kann. Wenn ihr jetzt zu viel wissen würdet, würdet ihr alles in Gefahr bringen! Stellt euch Ashton und stoppt seine Pläne!“, gab er aufgeregt zurück. „Dann sagt uns was genau wir tun sollen.“, sagte Kyren entschlossen, bereit die Bitte einzuwilligen. „Ich danke Euch. Zunächst braucht ihr mehr Leute. Trommelt so viele eurer alten Gefährten zusammen, wie ihr finden könnt. Es ist anzunehmen das Ashton euch früher oder später aufsuchen wird. Momentan hätten wir nicht den Hauch einer Chance.“, erklärte er mit ernsten Blick. Atrix erstarrte innerlich zu Eis und knickte um wie ein abgebrochener Ast, denn das ihr Gegner gleich so mächtig sein würde, schien etwas zu viel für sein gutes Gemüt. „Wenn ihr den Pfad in Richtung Osten folgt werdet ihr auf eine Siedlung treffen. Dort leben einfache Mönche, aber dort werdet ihr auch Verbündete finden. Es dürfte nur eine Tagesreise von hier entfernt sein. Allerdings …“, meinte er, bevor seine Worte ein abruptes Ende fanden und er sich abwendete. „Allerdings?“, hakte Kyren nach. „Allerdings werde ich euch nicht begleiten können. Es wäre zu gefährlich für mich und auch für euch. Ich werde euch zu gegebener Zeit wieder aufsuchen.“, fuhr Nigel fort. Kyren versank in Gedanken, während Nigel begann sich Reisefertig zu machen. Dieser junge Mann schien alles durcheinander zu bringen und dennoch klangen seine Worte so wahr, als wären es mehr als Visionen. Nigel verabschiedete sich freundlich und verschwand alsbald in der Dunkelheit der Nacht. Kyren wurde sichtlich mulmig zu Mute. Nach dieser Erzählung war sie so aufgewühlt, das sie die ganze Nacht kein Auge mehr zumachen sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)