World of Faerûn - 6. Staffel von Kyle (Awakening) ================================================================================ Kapitel 4: Folge 95: Der Schatten der Nacht ------------------------------------------- [Folge 4: Der Schatten der Nacht] Rückblick: Dunkle Wolken zogen über einen entlegenen Landstrich Faerûns. Ein rauer Wind zog auf und wehte das lichte Gras am Boden hin und her. Obwohl es Tag war, wurde es alsbald so finster wie die Nacht. Die Luft elektrisierte sich regelrecht und Blitze schossen über einen kleineren Bereich des Bodens hinweg. Beinah unmerklich nahm die Intensität der Blitze zu, wenn gleich diese sich auf eine kleinere Fläche inmitten der Landschaft beschränkte. Bald schon wiederholten sie sich so schnell dass sie einen Käfig aus Energie erschufen, gefolgt von einer kleinen Explosion, die den umliegenden Radius verkohlen ließ. Dort wo zuvor noch das merkwürdige Phänomen gewütet hatte, kniete nun ein junger Mann. Vorsichtig richtete sich der Mensch auf. Er wirkte noch etwas unsicher auf den Beinen, doch diese Schwierigkeiten blieben nicht von Dauer. Ein fades Licht ließ seine Konturen erklaren. Sein mächtiges Schwert blitze hervor, wenn gleich es ihm an einer ebenwürdigen Tracht fehlte. Sein geflochtener Zopf wehte im Wind, während er sich zu orientieren begann. Er wusste, selbst wenn alles geklappt hatte, würde er nicht mehr viel Zeit haben. Bald schon würde er sich der Elfenprinzessin Kyren Cyrissean als Nigel Kerrigan vorstellen … Folge 4: Der Schatten der Nacht Ein schummriges Licht füllte einen Raum, ausgehend von einem kleinen, hellblauen Kristall, den eine Gestalt in ihren Händen hielt. Stille beherrschte das Szenario als auf einmal eine verzerrte Stimme aus dem leuchtenden Objekt trat. „Er ist also hier. Und Kyren ist bei ihm.“, resümierte die Stimme. „Ja. Wie soll ich vorgehen?“, bestätigte der Mann, der den Kristall hielt, nüchtern. „Findet heraus was sie vorhaben und tötet das Mädchen. Sorgt dafür das Shane nichts passiert. Bedenkt aber, dass er Kyren vermutlich beschützen wird, solltet Ihr sie angreifen. Tut was immer nötig ist.“, wies die Stimme ihn an. Kaum war das letzte Wort gesprochen erlosch das Licht des Kristalls und legte den Raum in völliger Dunkelheit. Die Finsternis war nicht von Dauer als zwei stechend rote Augen sich im Gesicht der Gestalt auftaten. „Wie Ihr wünscht …“, dachte er laut vor sich hin. Kyren hatte sich ein Zimmer in Kenton genommen und über Nacht geblieben. Ihre Unterkunft war beschaulich, frei von Luxus, doch mit allen was man als Gast benötigte ausgestattet. Die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages hatten sie geweckt. Sie war darauf bedacht möglichst früh aufzustehen, nachdem sie am Vortag eine interessante Bekanntschaft gemacht hatte. Zu gut erinnerte sich wie auf einmal ein Luftschiff über Kenton erschienen war als man abreisen wollte. An Bord war eine Gruppe von erfahrenen Abenteurern. Es waren anständige und ehrenhafte Leute, die ihre Vorräte auffrischen wollten und mal wieder festen Boden unter den Füßen brauchten. Ihr Anführer hieß Rommath, ein Mensch und ein bekannter Held zugleich. Sie verstanden sich mehr als Schatzsucher statt als Abenteurer, waren aber bereit Kyren und ihre Freunde ein Stück mitzunehmen. Ihr Luftschiff wirkte beinah außerirdisch, aber Rommath erzählte das er es den Githyanki abgenommen hatten, einer Rasse, die sich hin und wieder in ihre Ebene verirrte. Alles klang nach einem viel versprechenden Abenteuer, doch Kyren seufzte innerlich als sie auf ihrem Bett saß und ihren zweiten Schuh anzog. Gerade noch in Gedanken versunken, schrak sie plötzlich auf als sie auf einmal eine zweite Präsenz in ihrem Zimmer zu spüren glaubte. Ein Blick zur Zimmertür bestätigte ihre Annahme nicht länger allein zu sein. Der Junge, der dort lässig gelehnt an der Tür stand, schmunzelte dreist. Überrascht und auch ein wenig beängstigt erhob sie sich von ihren Bett. Sie hatte den Jungen noch nicht vergessen, aber nicht damit gerechnet ihn noch einmal wieder zu sehen. „Wie lange …“, setzte sie atemlos an, ihre Arme schützend vor ihren bekleideten Körper haltend. „Zu meinem bedauern erst ein paar Sekunden.“, erwiderte der Junge schmunzelnd, den sie als Zun kennen gelernt hatte. Er näherte sich ein paar Schritt, ließ seine Hände dabei lässig in seinen Hosentaschen gesteckt. Kyren war erleichtert dass sie sich nicht in Blöße vor ihm gezeigt hatte, wenn gleich ihr der Eindruck kam, dass er nicht deswegen gekommen war. Sie entspannte ihre Haltung wieder, atmete befreit aus. „Wie bist du hier rein gekommen und was machst du hier?“, fragte sie verwundert. Zun warf einen Blick auf ihren Handschuh an ihrer rechten Hand. „Ich habe doch gesagt dass ich Euch überall finden kann. Natürlich bin ich nicht ohne Grund gekommen. Wie ich festgestellt habe, habt Ihr Shane gefunden. Eine höchst glückliche Fügung für Euch, nehme ich an.“, sagte er und wirkte mit einem durchdringenden Blick auf sie ein. „Ja, wie du siehst bin ich nicht länger auf deine Hilfe angewiesen.“, bestätigte sie entschlossen. „Ich habe mir gedacht dass Ihr so etwas sagen würdet, aber leider irrt Ihr Euch. Ihr braucht meine Hilfe mehr denn je. Was Euch euer Freund Nigel nicht zu sagen vermochte, kann ich Euch beantworten. Vielleicht ist es Euch nicht ganz klar geworden, aber ich habe nicht zu meiner persönlichen Belustigung nach dem Tarraske suchen lassen. Auch mir geht es um nichts anderes als die Vernichtung von Ashton Scu’l.“, erklärte er bereitwillig. Kyren erschrak, denn als Zun von der Vernichtung des Magiers sprach verfinsterte sich dessen Gesicht beinah dämonisch tief. „Aber …“, setzte sie an, bevor ihr der Junge das Wort nahm. „Ich sehe dass Ihr nun ziellos seid, nachdem Ihr gefunden habt wonach Ihr gesucht habt, aber damit darf Eure Reise nicht enden. Wenn Ihr auf diesen Nigel hört, werdet ihr Ashton nicht stoppen können. Die Plagen, die Faerûn nun heimsuchen sind nur ein kleines Vorspiel. Er versucht Zeit zu schinden, Zeit die er braucht um den Tarraske und das Artefakt zu finden, das ihn aufspüren und kontrollieren kann. Wenn Ihr nichts unternehmt, werdet Ihr nicht lange Freude an euren Wiedersehen haben.“, gab Zun mit Nachdruck von sich. Kyren wirkte verunsichert. Und dennoch - obwohl Zun zu den zwielichtigsten Gestalten gehörte, die sie kannte, glaubte sie dass es besser war auf ihn zu hören, anstatt die Taktik von Nigel einzuschlagen. „Begebt euch auf das Schiff der Reisenden und begleitet sie nach Riatavin.“, wies Zun die Elfe an. „Wieso gerade nach Riatavin?“, fragte sie erstaunt. „Weil einige Leute dort angeblich den Tarraske in der Nähe der Stadt gesehen haben wollen.“, erklärte er mit selbstsicheren Blick, bevor sich abwendete und das Zimmer verließ. Wann immer Zun ging, so hinterließ er bei Kyren ein ungutes Gefühl und mehr Fragen als Antworten. Nur über eine Sache glaubte sie Gewissheit zu haben – Zun war kein einfaches Kind. Etwas später waren die drei Gefährten Abreisebereit und verließen ihre Unterkunft gemeinsam Richtung Luftschiff. Unterwegs traf man Crewmitglieder, die Kisten und Säcke in Richtung Schiff transportierten. Es galt Vorräte aufzufrischen, denn eine lange Reise stand den Schatzjägern bevor. Rommath selbst stand vor dem Schiff und notierte welche Waren in welche Menge aufgeladen waren. Er war ein recht edel gekleideter Mann, dessen Erfolge bei der Schatzsuche bereits durch den bloßen Anblick seiner Tracht deutlich wurden. Er trug einen langen, dunkelroten Mantel, der an den Rändern mit mystischen Zeichen versehen waren. Offenbar lag eine Magie darauf. Ein mächtiges Breitschwert ragte aus seiner Schwerthalterung am Rücken hervor. Sein Vollbart war ähnlich wuschig wie sein dunkelbraunes Haar. Alles in allem nahm man ihn als nahbare Persönlichkeit wahr. Er nahm recht schnell Notiz von den herbeikommenden Abenteurern und begrüßte sie mit einer kurzen Handgeste. „Hallo werter Rommath.“, begrüßte Kyren ihn höflich mit erwidernder Geste. „Ich erinnere mich an euch. Wir sind uns bereits einmal gestern begegnet. Was führt euch zu mir?“, gab er freundlich zurück und musterte die Abenteurer oberflächlich. „Wir wollten fragen ob Ihr zufällig nach Riatavin reist.“, sagte Kyren mit hoffnungsvollen Blick. Rommath begann zu Schmunzeln und wog den Platz der Drei mit seinem Luftschiff ab. „Ja, zufällig reisen wir dort vorbei. Darf ich annehmen das ihr mit uns reisen wollt?“, erwiderte er. „Ja, wenn es Euch genehm ist.“, meinte die Elfin nickend. „Nun ja, Ihr seid nicht die Ersten die angefragt haben. Aber mein Schiff ist groß genug für euch. Wenn ihr bezahlt, seid herzlich willkommen.“, erwiderte er nach kurzem Bedenken. „Oh wirklich? Vielen Dank!“, gab Kyren aufgeregt zurück und verbeugte sich. Das Luftschiff sah von der Nähe aus betrachtet noch viel beeindruckender aus als aus der Ferne. Ein angenehmer Schauer glitt über Kyrens Rücken als sie mit ihren Gefährten die Rampe zum Deck betrat. Sie spürte dass das Schiff schon sehr alt sein musste und unendlich viele Geschichten zu erzählen hatte. Es lag ein ganz besonderer Glanz auf diesem Gefährt und selbst der Boden des Decks schien ihr zu heilig um ihn zu betreten. Rommath schien ein paar Umbauten am Schiff vorgenommen zu haben, denn am Deck angelangt versprühte es nur wenig Flair der Githyanki. Statt zackigen Kanten und unförmigen Masten, wirkte alles sehr nach einem normalen Segelschiff. „Wow!“, sagte Shane gebannt, der sich kaum satt sehen konnte. Nur einen Augenblick später wurde er aus dem Staunen gerissen als eine Mädchenstimme aufgeregt seinen Namen rief. „Hey! Shane! Bist du das?!“, rief ein Mädchen das ungefähr in Shanes Alter war und lief winkend auf ihn zu. Sie hatte mittellanges, schwarzes Haar und trug recht sommerliche Kleidung. Ein einfaches, helles Top, kurze, dunkle Stoffhosen und ein paar Lederstiefel stellten die wesentlichen Bestandteile ihrer Tracht dar. Dennoch wirkte er eher verunsichert als erfreut das Mädchen zu sehen das ihn kurz darauf überglücklich in die Arme schloss. Kyren wirkte beinah erschrocken über die herzliche Reaktion des Mädchens, wie auch über ihre prächtige Oberweite die sie an Shanes Körper presste. „Was denn? Erkennst du mich nicht mehr? Ich bin es – Judy!“, meinte sie, etwas überrascht über seine Reaktion. Atrix verlor sich derweil in der knappen Tracht der jungen Dame und dazu passender unanständiger Fantasien. „E-es tut mir Leid. Ich … ich leide unter Amnesie. Kennen wir uns?“, versuchte sich der Halbelf zu erklären. Judy schien dieses Problem nur kurz zu bedrücken, denn davon wollte sie sich nicht die gute Stimmung verderben lassen. „Oh, das ist ja schlimm. Wie ist das denn passiert? Aber weißt du - das macht nichts. Es ist auch eine Weile her seitdem wir uns das letzte mal gesehen haben. Ich bin Judy, deine Cousine … die Tochter von Imoen.“, entgegnete sie ihm freundlich und legte ein bezauberndes Lächeln auf. Shane errötete etwas und kratze sich verlegen am Hinterkopf. „Ich weiß nicht einmal wer Imoen ist.“, gab er nervös zurück. Kyren staunte dass sogar sie mehr wusste als ihr Gefährte und klärte ihn sogleich darüber auf. „Imoen war auch eine von Bhaals Kindern. Sie hat mit deinem Vater und deiner Mutter Seite an Seite gekämpft und mit ihnen zusammen zahllose Abenteurer bestritten. Sie gilt als eine der herausragendsten Diebinnen in ganz Faerûn.“, erzählte sie mit wissenden Blick. „Meine Eltern … waren Abenteurer? Ich sehe … ich muss noch viel aufholen.“, meinte Shane mit recht hilfloser Miene. Judy zögerte nicht lange und griff sich seine rechte Hand. „Mach dir mal keine Sorgen. Mit mir in der Nähe wird dir bestimmt alles wieder einfallen.“, sagte sie, hoffend dass es ihn wieder etwas aufmuntern würde. „Ja, vielleicht hast du recht.“, wirkte er verschwitzt entgegen. „Sag, wer sind deine Freunde? Und was machst du auf diesem Schiff hier?“, fragte sie neugierig nach. „Oh, das hier sind Kyren und Atrix. Wir sind auf der Suche nach einem Artefakt mit dem wir den Tarraske finden können.“, erzählte er. Judy erschrak vor Erstaunen, die Augen geweitet. „Den Tarraske? Ist das nicht ein ’bisschen’ gefährlich?“, hakte sie nach, wissend was für ein Wesen der Tarraske war. Kyren nutzte die Gelegenheit um ihr Vorhaben etwas genauer zu erklären. „Nicht so gefährlich wie das Unheil, das die Welt bedroht.“, entgegnete sie mit ernsten Blick. „Ein Unheil?“, wunderte sich das Mädchen. „Ein thayischer Magier Namens Ashton Scu’l sucht ebenfalls nach dieser Kreatur. Und wenn wir ihm nicht zuvor kommen und den Tarraske irgendwie unschädlich machen können, steht uns schlimmeres bevor.“, fuhr sie mit ähnlicher Stimmlage wie zuvor fort. „Ohhh … klingt wie ein großartiges Abenteuer!“, meinte Judy gebannt und begeistert zugleich, was Kyren glatt zu Boden riss. So viel Naivität hatte sie von ihr nicht erwartet. Riatavin war eine weit verzweigte Stadt, ähnlich wie Atkatla in Amn. Es gab verschiedene Stadtviertel und damit auch verschiedene Gruppierungen die sich um die einzelnen Gebiete stritten. All dies geschah jedoch stets unter dem wachsamen Auge der Harfner, einer Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, den Frieden in Faerûn zu wahren. Kaum ein Bürger wusste wer ein Mitglied der Harfner war, sofern man es nicht offen zugab. In städtischen Gebieten wie Riatavin war dies jedoch eher die Ausnahme. Trotzdem war es Gerrard gelungen das geheime Hauptgebäude der Harfner aufzuspüren. Geduldig wartete er nahe dem Haupteingang, lässig an eine Straßenlaterne gelehnt. Es war schon Abend und noch hatte niemand das Haus verlassen. Ein Umhang mit hohem Kragensatz verhüllte seine untere Gesichtshälfte, ledergeschnürte Kleidung zierte seinen Körper. Knappes, schwarzes Haar, spross aus seinem Schopf hervor und veränderte damit sein ursprüngliches Aussehen so, das ihn niemand wieder erkannte. In seiner Vergangenheit hatte er sich viele Feinde gemacht und er war darauf aus sich nicht in unnötige Streitereien zu verstricken. Endlich trat eine Gestalt aus dem unscheinbaren Gebäude hervor. Gerade zu desinteressiert ließ er den Mann mit der Robe an sich vorbei gehen, bevor er es schließlich wagte ihn anzusprechen. „Man sagt die Harfner wissen immer und zu jeder Zeit was im Land vor sich geht.“, meinte er zwanglos. Der Mann mit dem Priesterstab stoppte abrupt und wendete sich dem Vampir an der Laterne zu. Gerrard war es vorher gar nicht aufgefallen, doch dieser Mensch trug eine Augenbinde, wie sie nur bei Blinden gebräuchlich war. „Ah, Gerrard Deckard. Dann stimmt es also das Ihr von den Toten auferstanden seid.“, tönte der Mann frech aber freundlich zurück und gab damit zugleich eine Antwort auf die Frage. Dieser wirkte sichtlich überrascht, glaubte er doch seine Maskerade wäre undurchschaubar. Es schien als ob der Blinde durch sein Äußeres hindurch sehen konnte und noch viel mehr. „Seid nicht so überrascht. Glaubt Ihr ein Blinder würde etwas anderes sehen als Euer wahres Ich?“, sagte der Mönch schmunzelnd. „Wie …?“, staunte Gerrard, kam aber nicht dazu seine Frage zu vollenden. „Sicher erwartet man von einem Blinden nicht dass er Dinge ’sieht’, aber manchmal ist es auch gar nicht nötig, wo mir doch so viele andere Sinne zur Verfügung stehen. Ich weiß warum Ihr hier seid. Ich kann es in Euren Gedanken lesen, aber lasst Euch gleich sagen, dass ihr umsonst gekommen seid. Nichts was Ihr zu tun versucht, wird etwas am Schicksal dieser Welt ändern. Ashton ist ein beinah gottgleicher Magier – wie glaubt Ihr dagegen ankommen zu können?“, tönte der Mann mit der Augenbinde nüchtern hervor. „Wer … wer seid Ihr?“, fragte sein gegenüber geschockt über so viel Wissen. „Man nennt mich Jarod - Jarod Underwood.“, erwiderte er freundlich und reichte ihm die Hand. Der Vampir sah davon ab die Geste zu erwidern, viel mehr jedoch weil auch er ein Geheimnis des Mannes zu erahnen schien. „Ihr seid kein Mensch, habe ich Recht?“, fragte er gezielt nach, was Jarod aber nur ein weiteres Schmunzeln entlockte. „Ist Euch eine ehrliche Antwort Euer Leben wert? Warum fragt Ihr nicht einfach was Ihr wissen wollt und belasst es dabei?“, gab der Mönch übertrieben charmant zurück. Gerrards Blick verfinsterte sich. Er hatte die Drohung durchaus erkannt, war jedoch gewillt diesen Vorschlag anzunehmen. Eine schier endlose Wiesenlandschaft breitete sich vor Shane aus. Eine angenehme Priese fuhr durch sein Haar und wärmende Sonnenstrahlen fielen auf seine Haut. Der Himmel war im kristallklaren Blau gehalten und es gab nur wenig was dieses Paradies noch schöner gestalten hätte können. Das Lachen eines Mädchen hallte hinter ihm auf, doch als er sich umdrehte blickte er in das Visier einer merkwürdigen Waffe, die der Weiße Falke gegen ihn gerichtet hielt. Die Augen des Halbelfen weiteten sich und noch bevor er ein Wort sagen konnte drückte er ab. Ein grelles Licht schoss aus der Waffe heraus, ohne das er eine Chance hatte auszuweichen. Ein panischer Aufschrei schreckte Shane aus seinen Träumen, riss ihn zurück in die Wirklichkeit wo er sich den Kopf am Etagenbett über ihn stieß und gleich wieder zurück fiel. Grummelnd legte er seine rechte Hand auf seine rechte Stirn und orientierte sich neu. Es war ihm zunächst entfallen, dass er sich der Kajüte eines Luftschiffes befand. Hier hatte er für die Nacht ein Bett genommen, das ihn Kapitän Rommath zur Verfügung gestellt hatte. Er bemerkte das hektische Treiben außerhalb seiner kleinen Kabine und entschloss sich ebenfalls auf den Flur zu begeben um zu sehen was geschehen war. Als er die Zimmertür öffnete und herauslugte, entdeckte er eine junge Schiffsmaid, die zusammengesackt, einige Zimmer links vom ihm, im Flur vor sich hin wimmerte. Zwei Männer der Schiffsbesatzung waren ihr zur Hilfe geeilt, konnten aber auch nicht mehr verhindern, dass einer von der Besatzung Tod im Zimmer vor der Schiffsmaid lag. Die Leiche war regelrecht durchsiebt und das Zimmer voller Blut. Aus dem Zimmer neben Shane kamen nun auch Kyren und Judy hervor um nach dem Rechten zu sehen. Ratlos blickten sich die Gefährten an. Nur Atrix schlief tief und fest im Bett, jenes unter dem Shane genächtigt hatte. Einen Augenblick später stieß auch Kapitän Rommath zum Geschehen hinzu. Selbst im Schlafanzug war er noch immer eine einnehme Erscheinung. Er machte sich höchstpersönlich ein Bild von dem was geschehen war und zog einen der Besatzung zu sich heran. „Was ist hier geschehen?!“, fragte er erzürnt vom Anblick des niedergemetzelten Mannschaftsmitglieds. „Wir wissen es nicht. Alissa hat ihn genauso vorgefunden.“, antwortete einer der Männer eingeschüchtert. „Das ist inakzeptabel! Noch nie, noch nie seitdem ich dieses Schiff leite, gab es hier einen Mord! Ich will das die Besatzung an Deck zusammengetrommelt wird!“, fauchte Rommath aufgebracht und ließ von ihn ab. „Aye!“, erwiderte dieser rasch und wies sofort einige Männer an, sich um die Ausführung des Befehls zu kümmern. Shane erschrak als Rommath sich ihn und seinen Gefährten zuwendete. Mit skeptischem Blick musterte er jeden einzelnen von ihnen. „Zieht euch was an und meldet euch an Deck.“, meinte er, vergleichsweise freundlich. Es regnete, doch dies hinderte Rommath nicht die komplette Besatzung dort zu versammeln. Bis auf den Verstorbenen wurde niemand vermisst. Man stand vor einem Rätsel, denn bis auf Magie war keine Waffe bekannt, die einen Menschen so zurichten konnte. Wie ein General marschierte Rommath in strömenden Regen vor der versammelten Menge auf und ab. „Für alle die nicht wissen warum ich sie bei diesem Wetter an Deck gebeten habe, fasse ich es noch einmal zusammen.“, begann er mit ernstem Blick. „Heute Nacht gab es einen Mord – den ersten hier an Bord seitdem ich Kapitän dieses Schiffes bin. Ich dulde derartiges Verhalten nicht und verurteile es aufs härteste! Da niemand fehlt, befindet sich der Täter noch an Board. Die Wunden am Toten lassen mich darauf schließen, dass er irgendeiner Magie zum Opfer gefallen ist. Dennoch steht jeder hier an Board unter Verdacht das Verbrechen begangen zu haben. Selbstmord ist auf jeden Fall auszuschließen. Sollte jemand hier und jetzt sein Verbrechen gestehen wollen, versichere ich ihm ein anständiges Gerichtsverfahren in Riatavin. Ihr wisst dass ich ein Mann bin, der sein Wort hält. Derjenige der dieses abscheuliche Verbrechen begangen hat, möge nun bitte vortreten!“, fuhr er fort und kam schließlich zum stehen. Aufmerksam sah er in die Gesichter der Besatzung, konnte dort aber keine Schuld oder Sünde feststellen. Interessiert blickten Kyren und Shane durch die Menge, während Atrix ermüdend gähnte. Niemand trat hervor, was Rommath zu härteren Maßnahmen greifen ließ. „Da niemand das Verbrechen gestehen will, werde ich in Anwesenheit vom ersten Maat nun eine genaue Untersuchung des Falls einleiten. Das heißt ich werde jeden Einzelnen hier an Board befragen und nach eigenen ermessen über ihn richten. Der Täter sollte wissen, das er nicht auf die Gnade eines Gerichts hoffen kann.“, sagte er und wendete sich dem ersten Maat zu. Während Rommath die Details besprach, traten Kyren und ihre Gefährten zusammen. „Was denkt ihr?“, fragte sie vorsichtig im Flüsterton. „Na ja, ich weiß das ich es nicht war.“, grummelte Atrix, der sich trotz Regencape ziemlich am Regen störte. „Vielleicht sollten wir selbst Nachforschungen anstellen.“, schlug Judy vor, was bei Shane aber nur auf wenig Begeisterung stieß. „Nein, ich glaube, damit würden wir uns nur verdächtig machen. Ich schätze Rommath ist ein guter Mann. Er wird den Täter sicher bald finden. Es sind noch drei Tage bis Riatavin und nur etwa zwanzig Mann an Board. Bis dahin ist der Täter sicher gefunden.“, meinte er zuversichtlich. Einige Stunden später saßen sie auf einer Bank vor der Kapitänskajüte und warteten darauf einzeln vernommen zu werden. Keiner von ihnen wirkte nervös. Dennoch war die Stimmung bedrückt, da man als Gastreisender natürlich unter besonders kritischem Auge betrachtet wurde. Kyren, die neben Shane saß, fiel auf das dieser tief in Gedanken versunken war und stupste ihn mit dem Ellenbogen an. „Stimmt etwas nicht?“, fragte sie besorgt und schenkte ihm ein warmes Lächeln. Er erschrak regelrecht und rieb sich verlegen den Hinterkopf. „Nein, es geht mir gut. Ich glaube, ich brauche nur etwas frische Luft. Am besten ich gehe kurz an Deck. Ruft mich, wenn ich dran bin.“, antwortete er recht hektisch. „Wie … wie du meinst.“, antwortete sie zögerlich. Sie fühlte sich beinah schuldig ihn überhaupt angesprochen zu haben und fuhr etwas in sich zusammen, die Hände zu Fäusten, auf die Beine gepresst. Bevor sie auch nur einen weiteren Gedanken zu Ende führen konnte, war Shane schon aufgestanden und hinter der Treppe zum Deck verschwunden. „Seltsam – was hat er nur?“, fragte sich Atrix und traf damit genau ihren Gedanken. Kyren seufzte - ein Versuch die Sorgen zu unterdrücken, die sie sich machte. Einen Moment später wurde Judy hereingebeten. Es dauerte kaum mehr als fünf Minuten da durfte sie das Zimmer bereits wieder verlassen und Atrix hineinbitten. Ein Daumengeste und ihr breites Grinsen deuteten bereits darauf hin das es gut für sie gelaufen war und sie nicht länger unter Verdacht stand. Sie hatte gemerkt das Kyren etwas bedrückte, hoffte in einem Gespräch von Frau zu Frau, das sie sich ihr öffnen würde. „Du wirkst auf mich nicht gerade wie ein unbekümmertes Mädchen …“, begann sie und setzte ein aufheiterndes Lächeln auf. Kyren wank jedoch schnell ab und versuchte ebenfalls wieder etwas besser gelaunt drein zu blicken. „Ach was, ich bin nur müde.“, widersprach sie schwitzend. „Ich wette du willst wissen was mit Shane ist, nicht wahr?“, gab sie stichelnd zurück, was die Elfe etwas erröten ließ. „Nein! Ich meine … ich hoffe nur das er nichts mit dem Mord zu tun hatte.“, meinte sie recht aufgeregt. „Traust du ihm denn so etwas zu?“, fragte Judy erstaunt. „Nein, natürlich nicht. Es ist dumm von mir, ich weiß. Aber schließlich kann er sich nicht mehr an seine Vergangenheit erinnern und … und …“, antwortete sie in beinah weinerlichen Tonfall, bevor ihr die Stimme versagte. „Vielleicht sollte ich nach ihm sehen und ihn einfach mal fragen?“, schlug Judy in ihrer typischen dreisten Art vor. Derweil stand Shane an Deck und genoss die Abendluft. Es hatte aufgehört zu regnen und in ein paar Stunden würde sicher auch die Sonne wieder aufgehen. Er lehnte über einem Geländer an der Ostseite des Schiffes und sah ziellos ins Dunkel hinaus. So viele Fragen gingen durch seinen Kopf, doch vor allem ging ihm Kyrens Lächeln nicht aus dem Kopf. Sie hielt zu ihm und munterte ihn auf, selbst nachdem der Trank nicht gewirkt hatte. Er wusste nicht warum, aber in letzter Zeit musste er immer öfter an sie denken und dennoch fehlte ihn der Mut es auszusprechen. Manchmal, wenn er die Augen schloss, sah er ihr Lächeln und nicht eine beruhigende Schwärze. Er seufzte innerlich und hoffe dass sich das Gefühl wieder legen würde, das in ihn aufgestiegen war als er neben ihr sitzen durfte. Als Atrix etwas später aus dem Verhörraum hinaus kam hörte man plötzlich einen Aufschrei durch das Schiff hallen. Überrascht sprang Kyren auf und versuchte den Laut zu lokalisieren. Judy, die kurz zuvor noch auf den Weg zu Shane gewesen war, kam die Treppe hinab gelaufen. Auch sie hatte den Aufschrei gehört und deutete an nach oben zu gehen. „Es kam vom Deck! Schnell!“, rief sie aufgeregt. Rommath kam im selben Moment aus dem Zimmer gelaufen und eilte in Richtung Treppe. Oben an Deck angekommen war zunächst nichts Ungewöhnliches zusehen, doch einer der Mannschaftsmitglieder am Bug des Schiffes wank den Kapitän mit einer Fackel zu sich herbei. „Hier her!“, rief er aufgeregt, hoffend das Leben seines Kameraden noch retten zu können. Als Rommath mit Kyren, Judy und Atrix eintraf, wurde schnell klar, dass man zu spät war. Fast Zeitgleich stieß Shane hinzu und erschrak beim Anblick des Maats, dessen Torso ein riesiges Loch zierte. „Was ist geschehen?!“, fragte Rommath aufgebracht. „Ich war ganz normal auf Patrouillengang als ich auf ihn gestoßen bin. Ich schwöre – ich war das nicht!“, gab der Mann verängstigt zurück. „Schon gut, ich glaube Euch.“, wirkte er ihn beruhigend entgegen. Kyren fiel etwas am Toten auf und hoffte ihre Entdeckung würde zur Lösung des Falles beitragen. „Das Blut an der Wunde ist noch frisch. Es muss gerade erst geschehen sein. Der Täter kann nicht weit gekommen sein.“ Rommath dachte kurz nach, versuchte einen Zusammenhang zwischen den Morden herzustellen und die Bemerkung der Elfe mit in die Täteranalyse einfließen zu lassen. Vorsichtig kniete er sich zur Leiche nieder und untersuchte dessen Lage. Er kannte den Mann, doch fragte er sich, wieso er dessen Leiche am Bug fand. Er hatte ihn zur Wache am anderen Eck des Decks eingeteilt. Seine Körperhaltung gab nur wenig Aufschluss darüber wie er gestorben war, dennoch war erstaunlich wenig Blut am Fundort für die Größe seiner Wunde. „Ich will dass alle, die sich an Deck aufgehalten haben, verhört werden! Jedes Geräusch, alles was ungewöhnlich war, soll notiert werden! Das ganze Schiff soll durchsucht werden. Möglicherweise haben wir es auch mit einem blinden Passagier zu tun.“, sagte Rommath mit entschlossener Stimme und wendete sich von der Leiche ab. „Aye, Kapitän!“, erwiderte der Maat und salutierte. Kyren hatte sich nicht getraut daran zu denken oder es auszusprechen, aber nachdem Rommath gegangen war, wagte sie es Shane zu fragen. „Hast du etwas gesehen oder gehört, Shane?“, erkundigte sie sich vorsichtig. „Nein … ich … ich … da war nur ein seltsames Geräusch und ein paar Sekunden später hat ihn der Mann entdeckt.“, antwortete er nervös. Er wusste wie schlecht es um ihn stand, wo er doch an Deck gewesen war, während es passierte. Judy haute sich wütend auf die Handfläche ihrer rechten Hand. „Verdammt, wäre ich doch nur etwas früher losgegangen, dann hätte ich dir ein Alibi geben können.“, rügte sie sich selbst. Die Untersuchungen dauerten noch den ganzen folgenden Tag an. Es stellte sich heraus, das mit dem Toten nur 4 weitere Personen nachweislich an Deck gewesen waren. Neben Shane waren der Mann, der die Leiche gefunden hatte, der Maat am Steuer und ein Navigator Anwesend gewesen. Judy selbst bezeugte dass niemand die Treppe hinab gelaufen kam und somit eine weitere Person ausgeschlossen wurde. Eine große Menge Blut wurde nahe den Hauptmasten gefunden, nur unweit von Shanes Position an diesen Abend entfernt. Gerade weil er ein Fremder, ein Halbelf und ohne Alibi war, wurde er besonders hart vernommen. Kyren wartete geduldig vor dem Verhörraum, selbst nachdem Judy und Atrix sich die Beine vertreten gingen, weil es ganze sechs Stunden dauerte, bis man ihn wieder hinaus ließ. Shane wirkte müde als er den Raum verließ. Er war nicht in Handschellen oder anderweitig gefesselt, was darauf hin deutete das er fürs Erste entlastet war. Erfreut sprang Kyren von der Bank und eilte zu ihm. „Wie ist es gelaufen, Shane?“, fragte sie mit leuchtenden Augen. „Ich habe ihnen alles erzählt was ich wusste. Mein Glück war wohl das ich der Magie nicht mächtig bin – daher fehlt mir die Tatwaffe.“, erzählte er und fand sich sogleich in einer kurzen Umarmung wieder. „Ich bin so froh!“, sagte sie erleichtert. Shane reagierte beinah so als wäre er in Gips gebettet, wusste nicht mit so viel Herzlichkeit umzugehen. „Ich … ich glaube ich werde mich jetzt etwas hinlegen.“, sagte er, nachdem sie wieder von ihm abgelassen hatte. „Mhm, das wird sicher das Beste sein. Diese ganze Reise ist viel anstrengender als wir gedacht hätten.“, stimmte sie guter Dinge zu. Einen Moment lang war sie geneigt ihm zu folgen, doch als sie sah, wie müde er durch den Gang trottete glaubte sie, das es besser war ihn eine Zeit lang allein zu lassen. Eine Patrouille, bestehend aus den engsten Vertrauten streifte seinen Weg und beäugte ihn misstrauisch. Offiziell suchten die beiden Männer nach einem blinden Passagier, doch hinter vorgehaltener Hand stand für viele Shane als Schuldiger fest. Fest entschlossen ballte Kyren ihre Hand zur Faust, gewillt den Täter selbst zu finden und ihrem Freund aus seiner misslichen Lage hinaus zu helfen. Sie hoffe das die beiden Tatorte noch ein paar Hinweise auf den Täter hinterlassen hatten, die bisher übersehen wurden waren. Eiligst machte sie sich daran, das Deck genauer zu untersuchen. Oben an Deck schien alles normal. Nichts deutete auf einen Kampf oder etwas anderes ungewöhnliches Ereignis hin. Noch einmal ging sie zu der Stelle an der das letzte Opfer gefunden wurde. Sie erinnerte sich an die gewaltige und zugleich tödliche Verletzung, die den Torso des Mannes geziert hatte. Es hatte so ausgesehen als hätte man ihn aus kürzester Distanz eine Kanonenkugel durch Oberkörper gejagt. Zu ihrem erstaunen fand sie kaum Blut am Fundort der Leiche. Ungewöhnlich, in Anbetracht der Größe der Wunde. Einen Kanonenschuss hätte man sicher gehört, aber auch das wirken von Magie ging normalerweise nicht lautlos von statten. Kyren kniete sich zur der Fundfläche an Deck nieder und tastete sie vorsichtig ab. Sie spürte, wusste beinah dass etwas nicht zusammen passte, konnte es aber nicht in Worte fassen. Es war ihr klar, das dieser Ort, nicht der Ort des Verbrechens war. Unter diesen Aspekt betrachtet ergab es für sie kaum Sinn warum jemand die Leiche an diesen Ort gebracht haben könnte, wo sie doch relativ leicht gefunden werden würde. Kyren erschrak innerlich als sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen. „Außer der Mann sollte gefunden werden …“, wisperte sie leise vor sich hin. Nicht leise genug für Judy jedoch, die sich von hinten heran geschlichen hatte. „Oder weil der Ort des Verbrechens Aufschluss über die Identität des Täters geben würde.“, ergänzte sie mit ruhiger Stimme, die Arme vor der Brust verschränkt haltend. Etwas überrascht von der unerwarteten Gesellschaft, riss ihr Gedankengang ab. Verwundert drehte sie sich zu Judy um und sah zu ihr auf. „Glaubst du das Shane etwas damit zu tun hat?“, fragte sie besorgt. „So wie ich ihn kenne, würde ich das nicht glauben wollen. Dennoch … er hat sein Gedächtnis verloren und niemand kennt den Grund dafür oder weiß was mit ihm geschehen ist.“, erwiderte sie nachdenklich, gen Himmel schauend. Kyren war verunsichert, versuchte es sich aber nicht anmerken zu lassen. Die weiteren Untersuchungen des Tages brachten keine neuen Erkenntnisse. Obwohl man das ganze Schiff mehrfach nach blinden Passagieren abgesucht hatte, war man nicht fündig geworden. Shane schien derweil inoffiziell unter Arrest zu stehen, denn zwei von Rommaths Mannschaft überwachten beinah jeden Schritt den er tat. Kurz vor Sonnenuntergang rief er noch einmal die gesamte Besatzung an Deck um die Ergebnisse seiner Untersuchung mitzuteilen. Rommath drängte darauf auch Shane an Deck zu bringen, der die meiste Zeit des Tages in seiner Kabine verbrachte. Judy salutierte kurz und machte damit auf sich aufmerksam. „Wenn Ihr erlaubt, werter Rommath, werde ich ihn holen gehen.“, sagte sie mit demütiger Stimme. Rommath nickte zustimmend und verwies darauf dass sich jeder ohne Ausnahme an Deck einzufinden hatte. Das Schiff war nicht so groß und die Besatzung nicht so zahlreich das man Stundenlang auf den letzten warten musste. Dennoch verzögerte sich die Versammlung, da man bis zuletzt voller Ungeduld auf Shanes Eintreffen warten musste. Einen Augenblick später schallte ein Schrei durch das Schiff und jeder an Bord ahnte schon was vorgefallen war. „Das war Judy!“, rief Atrix besorgt, der mit weit aufgerissenen Augen neben Kyren stand. Ohne eine weitere Reaktion abzuwarten liefen die beiden zu Shanes Kabine, dicht gefolgt von Rommath und einigen aufgebrachten Mannschaftsmitgliedern. Zu ihrer Erleichterung fanden Sie Judy lebend vor, doch das Bild das sich ihnen bot war weit weniger erfreulich. Nur wenige Meter vor Shanes Kabine lagen die Leichen von Shanes Beaufsichtigern. Der ganze Flur war mit Blut übersäht, die Organe der Opfer regelrecht zerfetzt in der Gegend verstreut. Ein intensives Rütteln an Shanes Tür ließ Kyren aufschrecken. Selbst Rommath stockte der Atem, nicht wissend was dort hinter der Tür lauerte. Schließlich durchbrach Shane mit einiger Wucht die Holztür von innen heraus und prallte zugleich gegen die Schiffswand. Ein jeder von Rommaths Leuten erschrak, doch die Furcht wich schnell dem Hass. Shane wirkte einen Moment desorientiert und als er merkte was sich vor seiner Kajütentür vorfand, wurde er sehr bleich im Gesicht. „Shane! Was ist hier passiert?!“, fragte Kyren aufgeregt. „Ich … ich weiß es nicht. Ich habe geschlafen.“, antwortete er mit zittriger Stimme, geschockt vom Anblick der sich ihm auftat. Rommath war weniger höflich und stieß seine Gefährten einfach beiseite. „Jetzt reicht’s! Du wirst dafür büßen!“, brüllte er aufgebracht. Es schien so als wollte er dem Halbelfen an die Gurgel gehen, doch ein beherzter Griff von Judy an seine Tracht, hielt ihn zurück. „Er war es nicht.“, sagte sie leise, ihr Haupt zum Boden gerichtet. „Was?!“, gab Rommath erstaunt von sich und wendete sich dem wimmernden Mädchen zu. „Ich … ich habe den Täter … dieses Wesen gesehen.“, erklärte sie leicht verängstigt. Das Gesicht des Kapitäns nahm eine sehr überraschte Mimik an. Es schien so als wusste er gar nicht was er sagen sollte. „Es war eine Kreatur, mit Klauen und Pranken. Es war beharrt … ich … ich glaube ein Werwolf.“, sagte sie und präzisierte was sie gesehen hatte. Rommaths Blick wanderte zwischen Shane und Judy hin und her, doch schlussendlich war er gewillt dem Mädchen zu glauben. „Wo ist er hin?!“, fragte er mit drängender Stimme, worauf sie ihn auf den vor ihm liegenden Gang verwies. „Also gut, Männer! Irgendwo auf diesem Schiff gibt es ein Versteck, das wir noch nicht kennen! Sucht alles ab! Ich will das dieses Vieh gefunden wird das meine Männer niedermetzelt!“, befahl er und der Rest seiner Mannschaft, war entschlossen dem folge zu leisten. Rommaths finsterer Blick wanderte schließlich über Kyren und ihre Gefährten. „Und ihr geht in eure Kabinen … und bleibt da!“, ergänzte er im gleichen Ton. Es war klar dass jedes Widerwort zu ungeahnten Konsequenzen geführt hätte und so machte man sich rasch zurück in die Zimmer. Judy trabte relativ behäbig in ihr Zimmer, gefolgt von Kyren, die hinter ihr die Tür verschloss. Ein bedächtiger Blick huschte über ihr Gesicht, bevor sie sich rückends an die Tür lehnte, ganz so als wollte sie sicher gehen dass nichts hinein oder heraus konnte. „Du hast gelogen, nicht wahr?“, fragte sie ihre Gefährtin mit ernstem Blick. Judy hatte gerade auf dem Bett platz genommen und sah verwundert zu ihr auf. „Wie? Was meinst du?“, erwiderte sie in entsprechender Tonlage. „Das mit dem Monster. Du hast gelogen um Shane zu schützen, ist es nicht so? Es gibt diese Kreatur doch gar nicht.“, präzisierte die Elfe. „Woher willst du das denn wissen?“, meinte Judy erstaunt. „Was immer du beschrieben hast, es hätte nicht solche Verletzungen verursacht.“, erklärte sie selbstsicher. Judy rang sich ein Schmunzeln heraus und gestand schließlich. „Ja, du hast Recht. Ich kann einfach nicht glauben das er dahinter stecken soll Ich bin mir sicher das es ihn jemand anhängen will.“, sagte sie und legte sich aufs Bett. „Auch wenn du gelogen hast – ich danke dir, dass du das für Shane tust.“, entgegnete sie ihr mit freundlichen Blick und ließ von der Tür ab. Judys Lüge sollte unentdeckt bleiben und so suchte die Mannschaft vergeblich bis in die tiefste Nacht, nach der Kreatur. Rommath saß noch sehr lange an seinem Schreibtisch in seinem Quartier und grübelte über den Berichten, hoffend das er einen Hinweis fand, den er bisher übersehen hatte. Alles was geschehen war, ergab in der Summe keinen Sinn. „Es fehlt das Motiv.“, murmelte er vor sich hin und warf einen Blick auf die Kerze in seiner kleinen Tischlampe. Er hatte nicht gemerkt dass es schon spät geworden und sein Raum fast völlig in Dunkelheit versunken war. Fast jeder an Board schlief mittlerweile tief und fest und immerhin war nun schon seit ein paar Stunden wieder Ruhe im Schiff eingekehrt. Plötzlich öffnete sich die Tür zu seinem Quartier und jemand trat ungefragt ein. Für einen Moment glaubte er in den Schatten der Dunkelheit eine junge Frau zu sehen, doch als die Gestalt ins Licht trat offenbarte sich ihm ein Mann, den Kyren mit dem Namen John Doyle zu benennen wusste. „Wer … seid Ihr?“, fragte Rommath irritiert und stand auf. Johns Miene zeigte ein leichtes Schmunzeln und als er den Arm erhob, ahnte der stolze Kapitän noch nicht was folgen würde. „Das ist nun nicht länger von Bedeutung für Euch.“, antwortete John und richtete seinen Zeigefinger auf ihn. Innerhalb eines Wimpernschlages formte sich der Finger zu blanken Metall und stieß wie eine Lanze durch den Schädel des Kapitäns. Sein Leib zuckte noch, teils vor Schock, teils auf Grund der Tatsache das sein Gehirn durchbohrt wurden war. Ebenso schnell wie sich Johns Finger in scharfes Metall umgewandelt und an Länge gewonnen hatte, kehrte er auch wieder zu seinem Ursprungszustand zurück. Rommath war bereits tot und sein lebloser Körper fiel vom Tisch schließlich zu Boden. „Da waren es nur noch sechs.“, dachte John amüsiert vor sich hin und strich gedanklich einen Namen auf Ashtons Liste durch. Mit einem niederträchtigen Grinsen im Gesicht wendete er sich vom Schreibtisch des Kapitäns ab und verschwand in den Schatten gen Richtung Tür. So wie er im Dunkel verschwunden war, ging der Raum in Flammen auf, ein Feuer das schon bald das ganze Schiff erfassen sollte. Etwas später fand sich Kyren wieder auf festen Boden wieder. Effektreste ihres Teleportationszaubers verschwanden und gaben die Sicht auf ihre Gefährten frei. Sie wirkte erleichtert, aber auch ein wenig erschöpft. Atrix und Shane husteten noch recht eifrig, waren aber genau wie Judy unverletzt. Am Himmel sah man einen glühenden Feuerball langsam Richtung Boden sinken, mit dem traurigen Gewissen das man nicht alle an Board hatte retten können. „Seid ihr in Ordnung?“, fragte Kyren noch einmal nach. „Ja, irgendwie schon.“, ächzte Atrix. „Dank dir.“, ergänzte Shane, noch immer etwas schockiert über das was geschehen war. Judy starrte noch eine ganze Weile auf das brennende Himmelsschiff, bevor sie sich schließlich Kyren zuwendete. „Unglaublich – wir wären beinah bei lebendigem Leibe verbrannt. Nur gut das ich das Feuer rechtzeitig bemerkt hatte. Es tut mir so Leid um die vielen Menschen an Board. Wir können nur hoffen dass das Böse mit in den Flammen verschwindet.“, merkte sie betroffen an. In dieser Nacht war ein Stückchen Fröhlichkeit aus ihrem Gesicht gewichen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)