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Dowateki na Hakusháku

der märchenhafte Graf
von

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Prolog (und Versuch einer Gebrauchsanweisung)

Prolog

(und versuch einer Gebrauchsanweisung)
 

Gebrauchsanweisung

Hallo, allerseits!

Bevor ihr den Prolog zu lesen bekommt, gibt es zunächst erstmal eine Gebrauchsanweisung. Lest euch diese Gebrauchsanweisung bitte gründlich durch, da ihr sonst nicht in der Lage seid, die gesamte Tiefe der einzelnen Geschichten zu verstehen.

Womit wir schon beim ersten Punkt wären. Dies ist keine Geschichte im eigentlichen Sinne. Es ist vielmehr eine Aneinanderreihung von einzelnen Kurzgeschichten, die aber alle durch ein gemeinsames Thema mit einander verbunden sind.

Nun zu Punkt zwei: In den einzelnen Geschichten werden diverse japanische Begriffe und Redewendungen gebraucht, die jede ihre eigene wichtige Bedeutung haben.Ich werde am Anfang jedes Kapitels kurz die im Kapitel verwendeten Wörter auflisten und ihre Bedeutung dazu schreiben. Des weiteren verwendet der Hauptcharakter oft Blumen und Pflanzen um etwas auszudrücken. Damit ihr auch diese heimlichen Hinweise nicht überlest, werde ich unter die Vokabel-Liste am Anfang jeden Kapitels, die erwähnten Pflanzen und ihre Bedeutung in der Sprache der Blumen auflisten.

Lest sie euch bitte durch und versucht sie euch zu merken. Sie sind beizeiten wichtig, für das bessere Verständnis, gewisser Ereignisse, Aussagen, oder sogar (Oh Graus!) Wortwitze.

So, und zu guter letzt möchte ich darauf hinweisen, dass jegliche Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, Persönlichkeiten und/oder Ereignissen purer Zufall sind.
 

~
 

Prolog
 

Es gibt Ihn in vielen Märchen, Sagen und Legenden. Manchmal ist Er eine Sie, trägt rosa Kleidchen, hat kleine Flügel und schwingt lächerlich erscheinende Glitzerstäbe, manchmal trägt Er einen grünen Anzug, hat rote Haare und wohnt am Ende des Regenbogens, manchmal ist Er sogar ein Tier, dass ganz plötzlich zur richtigen Zeit, am richtigen Ort auftaucht. Aber in allen Geschichten hat Er dieselbe Aufgabe. Er erfüllt Wünsche.
 

Jedes Kind glaubt an so einen Wünsche-Erfüller und auch manche Erwachsene hoffen noch auf ein Wunder von Ihm. Was aber keiner weis, ist dass all diese Märchen, Sagen und Legenden weit, weit von der Wahrheit entfernt sind.
 

Er ist kein Tier und hat auch keine Flügel und Er würde sich lieber erhängen als jemals einen grünen Anzug zu tragen. Er ist Er und Er trägt immer Weiß. Kein Mensch weis warum. Vielleicht, weil Weiß die Farbe der Unschuld ist. Vielleicht, weil Weiß eine herrliche Parodie auf Seinen Namen ist. Vielleicht hat Er auch einfach keinen Farbgeschmack. Fakt ist, Er trägt immer Weiß. Er hat auch keinen Glitzerstab, aber einen Gehstock. Allerdings schwingt Er den nicht hin und her, sondern benutzt ihn zum Gehen. Er wohnt auch nicht in einem magischen, geheimnisvollen Wald. Er wohnt in einem kleinen Garten mit einem Herrenhaus im englischen Stil in der Shibotori Nummer Dreizehn. Er erscheint auch nicht plötzlich irgendwo. Die Leute kommen zu Ihm. Allerdings kommen nur die zu Ihm, die nicht nach Ihm suchen und sind sie einmal bei Ihm gewesen, wird Er nicht mehr von ihrer Seite weichen, bis der Grund für ihr kommen gelöst wurde.
 

Solange erfüllt Er ihre Wünsche.

Alle Wünsche.
 

Wenn du also jemals vor seinem Garten stehst überlege dir gut ob du hinein gehst. Wenn du es dann doch tust, achte auf deine Worte. Du wirst sehen, nicht jeder Wunsch den du aussprichst, möchtest du auch erfüllt bekommen.

1. Kapitel (indem der Leser den Grafen kennen lernt und ein Mann, der alles hat, sich etwas wünscht)

1. Kapitel

(indem der Leser den Grafen kennen lernt und ein Mann, der alles hat, sich etwas wünscht)
 

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In diesem Kapitel verwendete japanische Wörter und ihre Bedeutung:

Koritsu -> Einsamkeit, Isolation

Bidashi -> schöner Mann

Yujin -> Freund

Omiai -> Ein (meist von den Eltern, oder von Vorgesezten) arrangiertes Treffen von potentiellen Heiratskandidaten

Shibo -> Wunsch

Tori -> Weg

O-Kyaku-sama -> förmliche Anrede für einen Gast, oder Kunden

Hakushaku-sama -> förmliche Anrede für einen Grafen

Hakushaku -> Graf

-kun -> unformelle Anrede unter Gleichaltrigen, gilt unter Fremden als unhöflich, insbesondere, wenn es in Zusammenhang mit dem Vornamen verwendet wird; Ausnahme: Ältere benutzen diese Anrede oft für bedeutend jüngere, meist Kinder

Haku -> Kurzform für Hakushaku; Weiß
 

Sprache der Blumen:

Apfelblüte -> Vorrang geben

Weiße Rosen -> Unschuldige Liebe

Rosmarin -> Abschied, ich habe dich aufgegeben

Narzisse -> Egoismus

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Koritsu Bidashi, Leadsänger der Band >Thread<, war wirklich zu beneiden. Er hatte alles, was man sich wünschen konnte. Er war 1,80m groß, hatte blaue Augen und erst kürzlich hatte er sich blonde Strähnen in seine langen, schwarzen Haare machen lassen. Mit so einem Aussehen lagen ihm die Frauen zu Füßen. Aber das interessierte ihn nicht. Koritsu war verliebt und das ausgerechnet in seinen besten Freund und Lead-Gitarristen Yujin Tsuzuki.

Die beiden waren schon seit ihrer Kindheit befreundet. Yujin war ein Jahr älter als Koritsu und hatte sich immer um ihn gekümmert, wie ein großer Bruder. Schon im Kindergarten hatte Koritsu ihn deswegen verehrt, aber als er älter wurde, stellte er fest, dass sich seine Gefühle für seinen besten Freund verändert hatten. Es fing damit an, dass Koritsu von Yujin träumte und seine Träume wurden von Nacht zu Nacht heißer, erotischer. Schließlich ging es sogar soweit, dass sich Koritsu nicht mit Yujin im selben Raum umziehen konnte, ohne erregt zu werden. So hatte er sich schließlich eingestehen müssen, dass er seinen besten Freund nicht nur liebte, sondern auch begehrte. Aber ausgerechnet jetzt, wo sich Koritsu Bidashi, 25 Jahre alt, Single und schwul, dazu durchringen wollte seinem Schwarm seine Gefühle zu gestehen da rückte Yujin mit so etwas raus!

„Wie bitte!?“ Yujin lächelte sanft. „Nun schau nicht so entgeistert, Ko. Ich bin mittlerweile 26 Jahre alt, es war klar, dass meine Eltern mir irgendwann ein Omiai aufdrängen würden.“ Koritsu schüttelte den Kopf. „Das deine Alten so was draufhaben, dass wundert mich gar nicht, Yu. Aber wieso gehst du da hin!? Sag doch einfach ab! Seit wann hörst du denn bitte brav auf das, was deine Alten sagen?“ Yujin seufzte und strich sich ein paar Fusseln vom Ärmel seines neuen blauen Anzugs. „Ko, wir sind nicht mehr 17. Es wird Zeit sich den Dingen des Lebens zu stellen. Es wird Zeit erwachsen zu werden.“ „NEIN!“ Koritsu war aufgesprungen. Wütend funkelte er seinen besten Freund an. „Ko-?“ „Nein! Der Yu, den ich kenne, hätte sich niemals auf so einen Mist eingelassen!“ Mit diesen Worten stürmte er aus dem Zimmer. „Ko!“

~

„Verdammt!“ Wütend wischte sich Koritsu die aufsteigenden Tränen aus den Augen. Er stapfte mittlerweile seit einer guten Stunde durch das verschneite Tokio und noch immer konnte er sich nicht beruhigen. Wieso musste das gerade jetzt passieren? Und wieso war Yujin ihm nicht nachgelaufen? Früher wäre Yujin ihm sofort hinterher und hätte ihn getröstet. Aber früher hätte Yujin sich auch nicht auf so ein beklopptes Omiai eingelassen. Es war wirklich zum verzweifeln. Nicht nur das Koritsu es nicht geschafft hatte seinem Freund seine Liebe zu gestehen, jetzt würde er ihn wahrscheinlich auch noch an irgend so eine Omiai-Kandidatin verlieren. „Shit!“

Koritsu... Koritsu Bidashi? Ja, ich erinnere mich...

Überrascht blickte Koritsu auf. Da hatte doch eben jemand gesprochen, oder nicht? Verwirrt sah er sich um. Doch es war niemand zu sehen. Dafür fiel ihm jetzt auf, dass er die Gegend, in der er sich befand, überhaupt nicht kannte. Es wirkte wie eine Kleingartenanlage nur das alle Häuser verlassen und die Gärten verwildert wirkten. Nur ein Garten wirkte gepflegt. Aber was das seltsamste daran war, war dass der Garten blühte. Mitten im tiefsten Winter blühten rund gestutzte Apfelbäumchen, weiße Rosenbüsche und andere Frühjahrsblumen. Alles blühte in einem herrlichen Weiß. Grad so, als wolle es sich der verschneiten Umgebung anpassen.

Wie hypnotisiert ging Koritsu auf den Garten zu. Der Eingang war mit einem schmiedeeisernem Tor versperrt, in dessen Mitte mit goldenen Lettern die Worte > Shibotori Nr. Dreizehn< geschrieben stand. Als Koritsu auf das Tor zuging öffnete es sich wie von selbst und gab den Blick auf einen weißen Kiesweg frei, der zu einem weißen Herrenhaus im englischen Stil führte. Immer noch halb in Trance ging Koritsu den Weg entlang. Vor dem Haus bot sich ihm eine Szene wie aus einem Historienfilm. Da stand ein kleiner, runder Gartentisch mit zwei Stühlen, natürlich alles in weiß. Auf dem Tisch standen zwei weiße Porzellantassen und eine weiße Porzellankanne. In einer weißen Schale langen verschiedenste Gebäcke. Neben dem Tisch stand ein hochgewachsener Butler, mit weißem Haar, einem weißen Schnauzbart und einer schmalen Brille mit silbernem Gestell. In seinem schwarzen Butler-Anzug hob er sich deutlich von der Umgebung ab, genauso, wie das pummelige Dienstmädchen mit den kurzen roten Locken und den Sommersprossen im Gesicht, dass direkt neben ihm stand.

Aber, das, was Koritsu’s Blick schließlich gefangen hielt, war der kleine Junge der auf einem der beiden Stühle saß. Er trug einen weißen Frack im empiristischen Stil, mit passender weißer Weste und weißem Hemd; knielange, weiße Hosen und weiße Plateau-Stiefel. Er hatte kurzes, blondes Haar, mit Ausnahme zweier schmaler Flechtzöpfe an den Schläfen, die am Hinterkopf zusammengebunden waren und auf dem Kopf trug er einen kleinen weißen Zylinder, in dessen Hutband blühende Rosmarin-Zweige steckten. Neben ihm am Tisch lehnte ein weißer Gehstock mit silbernem Griff in Form einer Feder. Der Junge drehte sich zu Koritsu um und lächelte ihn freundlich an. Sofort verbeugten sich der Butler und das Dienstmädchen und sagten gleichzeitig: „Willkommen, O-Kyaku-sama!“ Mit einer Handbewegung bedeute der Junge Koritsu sich zu ihm zu setzen. Der folgte der Einladung, zu verwirrt um sich zu weigern. Noch immer lächelte der Junge freundlich. Als er sprach klang seine Stimme hell und jung, aber gleichzeitig sanft und unglaublich weise. „Eliza, wir haben einen Gast. Gieß ihm doch bitte eine Tasse Tee ein.“ Das Dienstmädchen verbeugte sich und griff sofort nach der Kanne, um der Bitte nachzukommen. „Sehr wohl Hakushaku-sama!“ Fasziniert griff Koritsu nach der Tasse und nippte an dem Tee. Sofort breitete sich in ihm ein warmes Gefühl der Zufriedenheit aus.

„Schmeckt er dir, Koritsu-kun?“ Sofort verflog das Gefühl der Zufriedenheit. Koritsu stellte seine Tasse hastig ab und beäugte den Jungen misstrauisch. „Woher kennen sie meinen Namen? Wer sind sie überhaupt?“ Der Junge griff völlig ruhig nach seiner Tasse und nippte kurz an dem goldgelben Getränk. „Nun, ich habe viele Namen. Meistens allerdings nennt man mich Hakushaku. Aber du darfst mich auch gerne Haku nennen. Nun, Koritsu-kun, warum bist du hier?“ Koritsu wurde langsam wütend. Nicht nur, dass der Knirps in so unhöflich ansprach, nein er ignorierte auch noch seine Fragen. „Ich will erst wissen, woher du meinen Namen kennst!“ Der Junge, der Haku genannt werden wollte, sah Koritsu überrascht an. „Ist das nicht offensichtlich, Koritsu-kun? Ich kenne deinen Namen, weil du zu mir gekommen bist!“ Der Schwarzhaarige schüttelte wütend den Kopf. „Das ist doch keine Antwort! Das ist vollkommen unlogisch!“ Seufzend stellte Haku seine Tasse ab. „Herrje! Das ist nicht gut, Koritsu-kun, das ist gar nicht gut. Du hättest viel früher zu mir kommen sollen. Du hättest zu mir kommen sollen, als du noch an mich geglaubt hast!“ Koritsu klappte die Kinnlade runter. Völlig baff sah er den kleinen Jungen an. Den brachte wohl überhaupt nichts aus der Ruhe. Noch dazu redete der Kleine völlig unlogisches Zeug. „Was- was meinst du mit >als ich noch an dich geglaubt hab<?“ Elegant faltete der kleine Graf die Hände in seinem Schoß und lächelte Koritsu aus seinen grünen Augen geheimnisvoll an. „So, wie ich es gesagt habe.“ Koritsu hatte für einen kurzen Augenblick das Gefühl nicht einen kleinen Jungen, sondern ein uraltes, mächtiges Wesen vor sich zu haben. Doch der magische Augenblick verflog sofort und Haku lächelte wieder auf diese kindliche, sanfte Art, während er mit einer Hand auf die Schale in der Mitte des Tisches deutete. „Möchtest du einen Keks, Koritsu-kun? Die hat Alexander gebacken. Sie schmecken wirklich ausgezeichnet.“ Zögernd griff der Angesprochene nach einem Mandelkeks. Lächelnd beobachtete Haku den verwirrten Sänger, während dieser unsicher auf seinem Keks rumkaute. Als er wieder sprach, hätte sich Koritsu beinahe an dem Gebäck verschluckt.

„Nun, Koristu-kun, warum bist du hier?“ Nachdem er hastig einen Schluck Tee hinterhergespült hatte, sah er Haku umso verwirrter an. „Was meinst du denn jetzt damit? Ich bin nur zufällig-„, „Niemand kommt zufällig in meinen Garten, Koritsu-kun.“, unterbrach ihn der kleine amüsiert. „In diesem Garten gibt es keinen Zufall. Auch wenn du meinst, du wärst nur durch Zufall hierher gekommen, gibt es doch einen Grund für dein Hier sein. Wenn du nicht weist, warum du hier bist, dann sage mir wenigstens, warum du dich auf den Weg gemacht hast.“ Verlegen wich Koritsu dem fragenden Blick der grünen Augen aus. Steif erhob er sich, den Blick des kleinen Grafen weiterhin meidend. „Ich denke, ich sollte jetzt lieber wieder gehen...“, „Setz dich hin, Koritsu-kun!“ Die Stimme Hakus fuhr dem Sänger wie ein Blitz durch die Glieder und er war nicht in der Lage sich dieser Stimme zu wiedersetzen. Geradezu mechanisch ließ er sich auf seinen Stuhl zurückfallen. Als der kleine Graf weitersprach, war diese Allmacht aus der Stimme verschwunden, das einzige, was man heraushören konnte, war ein wenig Bedauern.

„Hör mal, Koritsu-kun. Ich habe eine Aufgabe. Diese Aufgabe ist es, jedem, der meinen Garten betritt, zu helfen. Jeder, der meinen Garten betritt, hat einen Grund dafür und ich kann ihn solange nicht gehen lassen, bis er mir den Grund genannt hat. Schließlich muss ich dieses Problem für ihn lösen. Also, Koritsu-kun, warum bist du losgelaufen?“

Leicht errötend begann Koritsu mit einem weiteren Mandelkeks zu spielen. Er hatte mittlerweile eingesehen, dass er hier nicht wegkam, wenn er nicht redete, aber es viel ihm trotz allem nicht leicht.

“Ich- ich bin verliebt... in meinen besten Freund.“ Unsicher schielte er zum Grafen. Der lächelte ihn aber weiterhin geduldig an. Sein Blick schien ihn aufzufordern, weiterzusprechen. „Ich wollte es ihm heute sagen. Aber bevor ich dazu kam hat er mir gesagt, er würde heute zu einem Omiai gehen, einfach so! Jetzt werde ich meinen besten Freund, nein, die Liebe meines Lebens an irgend eine völlig fremde Frau verlieren, bevor ich überhaupt die Chance hatte ihm meine Gefühle zu gestehen!“ Als Koritsu erst einmal angefangen hatte zu reden, sprudelte es förmlich aus ihm heraus. Es war, als würde der Blick der grünen Augen etwas in ihm lösen. Es war ein herrlich befreiendes Gefühl sich den Schmerz einfach mal von der Seele zu reden. Als er fertig gesprochen hatte, sah er wieder unsicher zu Haku hinüber. Er wusste nicht, was jetzt kommen würde. Er wusste bloß, dass etwas passieren würde.

Der kleine Graf trank schweigend seinen Tee aus und stellte dann die Tasse zurück auf den Tisch. Das Geräusch, das dabei erzeugt wurde, hatte für Koritsu etwas Entgültiges, Absolutes.

„Damit wäre der Vertrag also geschlossen.“, „Vertrag?“ Beschwingt sprang der kleine Graf von seinem Stuhl und griff nach seinem Gehstock. Dabei redete er munter weiter, als würde er nicht bemerken, dass Koritsu ihn schon wieder sehr misstrauisch ansah.

“Ich werde also von nun an nicht mehr von deiner Seite weichen, bis dieses Problem gelöst ist. Bis zur Lösung des Problems, werde ich deine Wünsche erfüllen.“

Haku war bereits Richtung Gartentor geschlendert, davon ausgehend, dass Koritsu ihm folgen würde. Kurz vor dem Tor blieb er stehen und sah über die Schulter zu Koritsu auf. Der Sänger glaubte für einen kurzen Augen Blick ein rotes Funkeln in den Augen des Grafen gesehen zu haben. „Alle deine Wünsche.“

~

„Ne Haku, wohin gehen wir eigentlich?“ Nachdem sie den Garten verlassen hatten, waren sie eine zeitlang durch Tokio gelaufen, Haku voran, Koritsu hinterher. Nach gut zwei Stunden hatte Koritsu völlig orientierungslos aufgegeben sich den Weg zu merken. Stattdessen begann er die Menschen zu studieren. Viele warfen ihm Blicke zu. Schließlich war er ja ein bekannter Sänger, aber niemand schien den kleinen Jungen in dem auffälligen weißen Kostüm zu bemerken. Auf seine Frage hin hatte ihm Haku erklärt, dass nur immer der ihn sehen kann, der einen laufenden Vertrag mit ihm hat.

„Wir sind schon da.“ Haku blieb an der Straße gegenüber einem kleinen, aber noblen Restaurant stehen und grinste Koritsu zufrieden an. „Aha. Und... was wollen wir hier?“ Haku sagte nichts, sondern deutete nur auf ein Fenster des Restaurants. Als Koritsu das Fenster betrachtete, sah er ihn, Yujin. Dort saß er, in seinem neuen blauen Anzug gegenüber einer unbekannten Blondine. Die beiden schienen sich gut zu amüsieren. Jedenfalls lachten sie beide sehr viel und herzlich. Der Sänger spürte, wie die Eifersucht in ihm hoch kochte.

Oh, wenn doch bloß dieses verfluchte Omiai schief gehen würde!“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Wenn das dein Wunsch ist.“ Koritsu konnte sich gerade noch rechtzeitig umdrehen, um zu sehen, wie Haku seinen Gehstock kurz anhob und ihn dann wieder auf den Boden schlug. Der Sänger hatte das Gefühl, als würde das Geräusch des Aufschlages alle anderen Straßengeräusche übertönen.

Plötzlich hörte er neben sich ein Quietschen. Ein Auto, dessen Fahrer offensichtlich die Kontrolle über den Wagen verloren hatte, schlitterte quer über die Straße und krachte Schließlich in die Vorderfront des Restaurants, genau dort, wo Yujin und die Blondine saßen.

Schockiert starrte Koritsu auf die Szene, die sich ihm darbot. Der Wagen hatte sofort Feuer gefangen und überall lagen Scherben auf dem Boden. Schon nach wenigen Minuten kamen Feuerwehr und Notarzt angerast. Selbst als er die weißgekleideten Männer in das Restaurant laufen sah, konnte er sich nicht rühren. Erst als er sah, wie sie einen Mann in einem zerrissenen, blauen Anzug heraustrugen, erwachte er aus seiner Erstarrung.

"Nein... Nein! Nein, nicht Yujin! Das kann nicht sein! Das darf nicht sein!“ Wie von Sinnen packte er den kleinen Grafen an den Schultern und schüttelte ihn. „Was hast du getan!? Was hast du angerichtet!? Wieso hast du das gemacht?“ Haku sah völlig unbewegt zu ihm auf. „Weil das dein Wunsch war. Du sagtest >wenn doch dieses Omiai schief gehen würde<. Ich habe lediglich deinen Wunsch erfüllt. Ich habe dir doch gesagt, dass ich bis zum Lösen des Problems alle deine Wünsche erfüllen werde.“

In Koritsu’s Augen rangen Verzweiflung und Erkenntnis um die Vorherrschaft. „Aber doch nicht so. Ich wollte doch nicht... Es sollte doch nur... Ich hab doch niemals gewollt, dass Yujin was passiert!“ Ein Blick zurück zur Unfallszene zeigte ihm, dass der Krankenwagen gerade losfuhr, um die Verletzten ins Krankenhaus zu fahren.

“Nein! Wir müssen hinterher! Was geschieht jetzt!?“ Gelassen schob Haku sich die zitternden Hände von den Schultern. „Ganz ruhig, Koritsu-kun. Du wirst sehen, was geschieht. Komm!“ Damit lief er los. Koritsu blieb nichts anderes übrig als ihm hinterher zu laufen. „Wo gehen wir denn jetzt hin!?“ Haku sah nicht zurück. Ohne auf die fahrenden Autos zu achten, überquerte er die Straße und überließ es Koritsu mit dem Verkehr fertig zu werden. „Wir gehen zurück.“

Und tatsächlich, als sie um eine Ecke bogen, befanden sie sich plötzlich wieder in der Shibotori. Verwundert sah sich Koritsu um. Er war sich sicher, dass sie vorhin aus einer völlig anderen Richtung gekommen waren. Am Tor des Gartens stand der Butler. Als sie an ihm vorbeigingen, verbeugte er sich tief und sprach mit seiner leisen, altersschweren Stimme. „Willkommen zurück, Hakushaku-sama, O-Kyaku-sama.“ Ohne ihn anzusehen, begann der kleine Graf Anweisungen zu erteilen. „Alexander, bitte sag Eliza, dass sie den Spiegel vorbereiten soll und suche den Schlüssel für den dritten Raum. Wir haben viel zu tun.“, „Sehr wohl, Hakushaku-sama.“ Erneut verbeugte sich Alexander und eilte dann dem Grafen voraus zum Herrenhaus. Als sie das Haus erreichten, stand er bereits neben der Tür, um diese aufzuhalten. Erneut verbeugte er sich. „Es ist alles vorbereitet, Hakushaku-sama.“

Ohne darauf zu reagieren ging der kleine Graf auf einen mannshohen Spiegel am Ende der Eingangshalle zu. Als er davor stand, drehte er sich endlich lächelnd zu Koritsu um.

“Sieh hinein, Koritsu-kun.“ Mittlerweile an das seltsame Verhalten des Grafen gewöhnt, tat er wie ihm geheißen. Er trat vor und blickte neugierig in den Spiegel. Beinahe wäre er wieder zurückgekippt. Er konnte im Spiegel wie durch ein Fenster in einen Operationssaal sehen. Mehrere Ärzte standen schwer beschäftigt um einen Operationstisch herum und auf dem Tisch lag Yujin. „Was- was geschieht da? Was machen sie mit ihm!?“ Haku lugte umständlich um Koritsu herum in den Spiegel. In seinem Gesicht stand nichts außer kindliche Neugier. „Ich würde sagen, sie versuchen gerade sein Leben zu retten. Aber was weis ich schon! Ich bin ja kein Arzt.“

In dem Augenblick hörte Koritsu das Piepen. Es war das Piepen eines Herzfrequenzmessers. Des Herzfrequenzmessers der derzeit an seinen besten Freund angeschlossen war. Es piepte schnell und unregelmäßig, gerade so, als würde Yujin tatsächlich an der Schwelle des Todes stehen. Die Hektik im Operationssaal nahm zu. Koritsu spürte, wie die Panik in ihm hochstieg und plötzlich blieb die Welt stehen.

Auf dem Bildschirm des Gerätes sah Koritsu den langgezogen leuchtenden Streifen aus Licht und das durchgehende Piepen erfüllte seine gesamte Wahrnehmung. Die Ärzte standen betreten um den jungen Mann herum. Es war vorbei. „Nein. Nein, das will ich nicht! Das darf nicht sein! Haku, ich wünsche mir, dass er lebt, hörst du!? Er soll leben!“ Panisch drehte er sich zu dem kleinen Grafen um. Dieser sah zu ihm auf und in seinen Augen lag eine tiefe Müdigkeit. Sein Seufzer klang so tief und schwer, als würde er das Leid der gesamten Welt tragen. „Wenn das dein Wunsch ist.“

Wieder hob er seinen Gehstock und schlug ihn krachend auf die Fliesen der Eingangshalle. Kurz übertönte das Geräusch sämtliche anderen Geräusche, sogar das Piepen des Herzfrequenzmessers. Dann war das Piepen wieder da, allerdings nicht mehr als langgezogenes nervtötendes Geräusch sondern als Abfolge kurzer Tonintervalle. Sofort setzte die Hektik im Operationssaal wieder ein. Koritsu konnte es sich nicht verkneifen vor Erleichterung laut aufzuschreien.

„Er lebt! Er hat es geschafft!“ Freudestrahlend umarmte er den kleinen Grafen. Doch der sah ihn noch immer mit tiefen Bedauern an. „Lass uns gehen. Mein Vertrag ist noch immer nicht erfüllt.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging auf eine kleine Tür zu neben der Alexander bereits mit einem alten, silbernen Schlüssel stand. Als Haku vor der Tür stand, steckte Alexander den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn dreimal herum und öffnete dann die Tür. Koritsu sah in absolute Schwärze. „Komm, wir müssen gehen.“ Haku trat als erster in die Schwärze. Koritsu folgte ihm nach kurzem Zögern und stand plötzlich in einem hell erleuchteten, weiß gestrichenen Gang. Er befand sich im Krankenhaus. Nach dem er sich kurz orientierend umgesehen hatte lief er dem kleinen Grafen hinterher, der bereits den Gang hinunter ging. Vor einer Tür mit der Nummer 3.13 blieben sie stehen. Gerade rechtzeitig um zu sehen, wie einige Ärzte den Raum verließen. Unsicher sah der junge Sänger zu Haku. Dieser lächelte wieder, wenn auch nicht mehr so herzlich, wie zu Anfang. „Geh nur. Er ist dort drinnen.“

Zögerlich griff Koritsu nach der Klinke und trat ins Zimmer. Sofort schallte ihm die schwache Stimme seines besten Freundes entgegen. „Wer ist dort?“ Koritsu folgte der Stimme und trat an das Bett des Verletzten. „Ich bin es, Yu. Wie geht es dir?“, „Ko? Ich... mir geht es den Umständen entsprechend. Die Ärzte meinten ich hätte Glück gehabt. Ich wäre wohl beinahe gestorben, aber... naja...“ Koritsu hatte die Hand nachdem Vorhang ausgestreckt, aber etwas in Yujin’s Stimme lies ihn zögern. Besorgt sah er noch mal zum Grafen zurück. Der stand in der Tür, beide Hände auf seinen Gehstock gestützt und lächelte ihm unergründlich zu. Der junge Mann atmete noch einmal tief durch und griff dann nach dem Vorhang und schob ihn beherzt beiseite. Im Bett saß Yujin immer noch in dem zerrissenen blauen Anzug. Er war überall bandagiert, an den Händen, um den Hals, über die Brust und um den Kopf. Aber das, was Koritsu die Tränen in die Augen trieb, war ein simpler weißer Verband, der sich straff über beide Augen zog. Seine Finger zitterten als er die Hand nach dem Verband ausstreckte. Als er die Finger auf seinen Augen spürte lächelte Yujin bitter.

„Es war einer der herumfliegenden Glassplitter. Sie konnten die Augen wohl nicht mehr retten. Das viele Blut hätte sogar beinahe zu meinem Hirntod geführt.“ Seine Stimme war kalt. Der sanfte Ton, den Koritsu an ihm immer so geliebt hatte war völlig verschwunden. Plötzlich stand der Graf neben ihm. Er lächelte immer noch, aber das Lächeln erreichte nicht mehr seine Augen.

„Das ist der Preis, Koritsu-kun. Für jeden Wunsch muss ein Preis gezahlt werden. Dein erster Wunsch, kostete ein Menschenleben und dein zweiter Wunsch kostete ihn sein Augenlicht. Du kannst deine Wünsche nicht mehr rückgängig machen. Hast du noch einen weiteren Wunsch?“ Koritsu schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist gut so! Ich bin nur so froh, dass du nicht tot bist, Yu. Ich hätte es nicht ertragen, wenn ich dich verloren hätte. Und mach dir keine Sorgen, wegen deine Augen! Ich werde für dich da sein! Gemeinsam schaffen wir das!“ Heiß liefen ihm die Tränen über das Gesicht immer noch mit zitternden Fingern griff er nach der Hand seines besten Freundes und küsste sie. „Ich liebe dich, Yujin!“

Plötzlich war die Stimme des Grafen überall. Koritsu nahm nichts mehr wahr, außer der Stimme des Grafen. „Damit ist mein Vertrag erfüllt. Ich werde dich nun verlassen, Koritsu-kun. Lebe wohl.“

Als Koritsu den Blick hob, war der Graf tatsächlich verschwunden. Nur am Fußende des Bettes lag auf der weißen Decke eine einzelne Narzisse.
 

~Ende der ersten Geschichte



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