Der Schreiber... von Monsterseifenblase (...legt seine Seele ins Tintenfass) ================================================================================ Kapitel 40: 040 Magie --------------------- Magie „Papa, schau mal, ein Schmetterling!“ Ein kleines Mädchen von etwa sieben Jahren lief voller Begeisterung auf das fliegende Geschöpf zu. Die langen blonden Haare waren zu Zöpfen zusammen geflochten worden und während das Kind fröhlich zwischen den Blumen hin und her hüpfte, sprangen sie in die Luft und wirbelten herum. Die kurzen Beine drückten sich immer wieder mit aller Kraft vom Boden ab, um dem Schmetterling zu folgen. So frei zu fliegen, wie er es tat. „Marie! Komm zurück. Mama wollte sich doch die Blumen angucken und nicht irgendwelchen Insekten nachlaufen. Sie wartet bestimmt schon auf uns!“ Enttäuscht hielt das Mädchen inne, aber es drehte sich nicht um, sondern ließ das kleine flatternde Wesen nicht aus den Augen. Mit welcher Leichtigkeit es sich durch die Lüfte bewegte und die Welt mit seiner Schönheit bereicherte! Wie sehr sich das Mädchen in diesem Moment danach sehnte, ebenso fliegen und flattern zu können. Und so schön zu sein, so schön bunt. „Marie, jetzt komm endlich!“ Mit einem Ruck riss sich die Angesprochene los, drehte sich um und lief zurück zu ihrem Vater. Er stand etwa hundert Meter von ihr entfernt und trug - wie fast immer - einen Anzug. Eine Krawatte hatte er sich allerdings nicht umgebunden, auch der oberste Hemdknopf war geöffnet. Marie konnte sich noch gut daran erinnern, wie er am Morgen verkündet hatte, dass ein kleiner Sonntagsausflug in den blühenden Gärten, die man am Wochenende immer besichtigen konnte, nicht so wichtig waren, als dass er den ganzen Tag zu elegant herumlaufen musste. Er hielt seiner Tochter eine Hand entgegen und Marie ergriff sie ohne weiteres, als sie ihren Vater erreicht hatte. Sie mochte ihn über die Maßen – genau wie ihre Mutter – nur waren ihr ihre Eltern in manchen Momenten zu ernst. Liebend gerne hätte sie sich den Schmetterling noch ein wenig angesehen, aber sie wusste, dass ihre Mama es nicht mochte, wenn sie trödelte und sie wollte nicht, dass ihre Mama böse auf sie war. „Papa, warum können Schmetterlinge fliegen?“ „Sie lernen es, wenn sie noch klein sein. Genau so, wie du laufen gelernt hast.“ Zusammen folgten sie dem Weg, der auf einen Springbrunnen zuführte, an dem Marie bereits ihre Mutter erkannte. Diese war tatsächlich schon ein ganzes Stück vorausgegangen. Das Mädchen ließ sich davon jedoch nicht beirren und zog am Ärmel ihres Vaters, damit er sich ihr wieder zuwandte. „Ist es nicht schwierig zu fliegen, Papa?“ Er schüttelte den Kopf und schenkte ihr ein Lächeln. „Nein, für Schmetterlinge ist es das nicht. Sie können es einfach, springen in die Luft und fliegen, ohne darüber nachzudenken. Wenn du etwas siehst, dann läufst du doch auch einfach darauf zu und denkst nicht darüber nach, dass deine Beine sich bewegen, oder?“ Maries Gesicht nahm einen nachdenklichen Gesichtsausdruck an und sie starrte vor sich hin, als wäre sie in einer anderen Welt. Ihre Schritte wurden langsamer, konzentrierter und wieder entlockte sie ihrem Vater ein Lächeln mit dem, was sie tat. Schließlich verkündete sie: „Nein. Also, ich meine … ich glaube, ich gehe und laufe einfach so. Aber das ist doch auch viel einfacher, als zu fliegen.“ „Alles eine Frage der Übung“, wurde ihr im nächsten Moment geantwortet und begeistert schaute sie zu ihren Eltern auf, denn inzwischen waren sie bei ihrer Mutter angekommen. „Also kann ich auch fliegen, wenn ich ganz viel übe, ja? Genau so wie Peter Pan und Tinkerbell?“ Ihre Augen glänzten voller Vorfreude und ihrem Vater tat es im Innern weh, diese Hoffnung zu Nichte machen zu müssen. Sanft strich er ihr übers Haar und sagte leise: „Nein mein Herz, du kannst nicht fliegen lernen. Der Schmetterling kann ja auch nicht einfach so laufen und rennen, wie du es machst.“ Doch so schnell wollte Marie nicht aufgeben. So schnell ließ sie sich ihren Traum nicht zerstören. „Aber Peter Pan fliegt doch auch! Und er ist auch kein Schmetterling! Er fliegt einfach so durch die Gegend, ganz ohne Flügel!“ Der Angesprochene seufzte, wieder kaum hörbar. „Ja, aber Peter Pan hat ja auch den Feenstaub von Tinkerbell. Er fliegt mit Magie.“ „Und warum-“, begann das Mädchen direkt, doch dieses Mal wurde es von seiner Mutter unterbrochen, die von dieser sinnlosen Unterhaltung scheinbar ein wenig genervt zu sein schien. „Weil es keine Magie gibt, Marie. Nur in Filmen und Büchern, nicht in unserer Welt. Deshalb kannst du nicht fliegen.“ Das brachte die Kleine schließlich zum verstummen. Still, und vielleicht auch ein wenig enttäuscht, schaute sie sich die Blumen und in Form geschnittenen Hecken an, die ihre Mutter so begeisterten. Auch wenn sie sich nicht beschwerte und mit den Gedanken an einem ganz anderen Ort war, so fühlte sie doch die Erleichterung in sich, als sich der Tag endlich dem Ende zuneigte. Ihr Vater spürte ihr Ungeduld und das Verlangen, den Garten endlich zu verlassen und nicht mehr über die fein geharkten Wege laufen zu müssen. Während Maries Mutter noch ein paar Fotos machte, drückte er ihr aufmunternd die Hand. Sie rang sich ein Lächeln ab, doch im selben Moment sah sie etwas, dass ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein Mann mit einem Zylinder stand nahe dem Ausgang. Vor ihm lag eine schwarze, große Tasche und das Mädchen konnte trotz der Entfernung die bunten Bälle darin erkennen. Begeisterung und Faszination durchströmten sie und ohne ein weiteres Wort machte sie sich von ihrem Vater los und rannte darauf zu. Sie lief, ohne darüber nachzudenken, dass sie lief. Noch bevor sie an ihrem Ziel angekommen war, begann der Mann mit den Bällen zu jonglieren. Erst drei, dann vier und schließlich fünf. Fünf Stück! In verschiedenen Farben, immer höher und höher. Marie hörte, wie sie gerufen wurde, doch sie beachtete es nicht und rannte weiter. Sie sah, dass die Tasche beinahe komplett gefüllt war und der Jongleur mit Sicherheit schon alles gepackt hatte, um Feierabend zu machen. Doch nur für sie ließ er die Bälle noch einmal durch die Luft tanzen, ließ sie fliegen. Mit großen Augen betrachtete Marie das Spektakel und musste den Kopf in den Nacken legen, um alles sehen zu können. Zum Schluss wurden es wieder weniger Bälle. Aus fünf wurden vier, dann auf einmal waren es nur noch drei und schließlich hörte der Mann ganz auf und ließ die Bälle geschickt in seine Tasche kullern. „Wie machst du das?“, wollte Marie sofort wissen und ließ dem Jongleur keine Sekunde Ruhe. „Bälle können doch gar nicht fliegen und durch die Luft tanzen. Man kann sie nur werfen, aber richtig alleine fliegen - so wie eben – das können sie doch gar nicht!“ Der Mann lächelte, schloss die Tasche und antwortete: „Magie.“ „Quatsch“, widersprach das Mädchen direkt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das gibt es in Filmen und Büchern, aber nicht in Wirklichkeit“, erklärte es selbstbewusst. „Hat meine Mama mir erklärt.“ Der Fremde lächelte noch immer, beugte sich ein wenig vor, so dass sein Gesicht ganz nahe an Maries war und flüsterte: „Natürlich gibt es Magie.“ Dann zauberte er geschickt eine Münze hinter ihrem Ohr hervor und zwinkerte. „Man muss nur ganz fest daran glauben.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)