You will be the anchor that keeps my feets on the ground von midoriyuki ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Schweigend saßen sie nebeneinander auf den schwarzen Barhockern und vernichteten gemeinschaftlich die von Myron besorgten Brötchen, wobei Adrian aber immer noch nicht ganz wieder auf der Höhe war und ein Glas mit bereits aufgelöster Aspirintablette vor sich stehen hatte. „Adrian?“ „Mhm.“ „Kann ich denn dann sofort einziehen?“ Adrian warf einen kurzen Seitenblick auf Myron, der ihn nicht ansah, sondern nur mit angespanntem Gesichtsausdruck auf das Brötchen in seiner Hand starrte. „Ja. Wann willst du deine Sachen holen?“ Damit wandte er sich wieder seinem eigenen Essen zu und sah das erleichterte Strahlen in den braunen Augen nicht mehr, welches aber auch fast augenblicklich durch einen verlegenen Blick und sanft geröteten Wangen abgelöst wurde. „Gar nicht. Ich muss alles neu kaufen.“ Adrians Augenbraue verselbstständigte sich bei diesen Worten ungewollt und er drehte sich jetzt vollständig zu dem Jüngeren um. „Warum das denn? Und wie alt bist du eigentlich und warum bist du ausgerechnet an Heiligabend auf Wohnungssuche?“ Eigentlich hatte er mit sich selbst ausgemacht, dass das Dinge waren, die ihn wahrscheinlich nichts angingen, aber das Myron jetzt auch noch alle Sache neu kaufen musste irritierte ihn gewaltig. Er machte den Eindruck als käme er aus einem behüteten Elternhaus und nicht aus irgendeiner zwielichtigen Gegend was ihm eine Erklärung der Situation nahezu unmöglich erscheinen ließ. „Bin zuhause rausgeflogen und kann da jetzt ne Weile nicht mehr hin. 20.“ Adrian stützte seinen Kopf, der immer noch ein wenig dröhnte, in die Hände und schloss ergeben seufzend die Augen. Da hatte er sich ja wieder was tolles eingebrockt. Soviel zum Thema ruhiger Mitbewohner, der ihm so weit wie möglich alle Freiheiten lässt und nicht auf seine Hilfe angewiesen ist. „Hast du wenigstens Schlafzeug mitgenommen?“ Er konnte sich zwar nicht daran erinnern eine Tasche bei Myron gesehen zu haben aber vielleicht hatte er auch einfach nicht darauf geachtet. Myron schob seinen inzwischen leeren Teller von sich und sah peinlich berührt auf seine Hände, die nervös mit dem Verschluss der Milchpackung spielten. „Nein…“ Seufzend stand Adrian auf, verschwand wieder in seinem Badezimmer und warf Myron nach einigem Suche eine seiner Boxershorts und eins seiner T-Shirts zu, die er meistens im Bad deponiert hatte. „Geh erstmal duschen. Duschgel und so weiter stehen alle in Dusche, Zahnbürste und Einwegrasierer sind in der rechten Seite vom Spiegelschrank.“ Überrumpelt sah der Schwarzhaarige zwischen ihm und den Sachen hin und her, dann rutschte er hastig von dem Barhocker, Adrian registrierte dabei, dass er mit den Füßen nicht mal auf den Boden kommen würde, wenn er sich streckte, und eilte zum Badezimmer. Bevor er jedoch darin verschwand drehte er sich noch mal zu ihm um und lächelte ihn schüchtern an. „Danke.“ Die Tür fiel ins Schloss und Adrian verzog sofort das Gesicht, als sich sein Kopf wieder bemerkbar machte. Möglichst leise stellte er die Teller ineinander, räumte den Aufschnitt wieder in den Kühlschrank und setzte dann das Glas mit der Aspirin an die Lippen, um es in einem Zug zu leeren. Er schüttelte wegen des bitteren Geschmacks kurz den Kopf, stellte dann das Glas ebenfalls in die Spülmaschine und verzog sich wieder auf das Sofa. Nach einigem Herumsuchen fand er in einer der Schokoladenpackungen noch einen kläglichen Rest, den er nutzte um den ekeligen Geschmack aus dem Mund zu bekommen, und sah sich dann mit gerunzelter Stirn in seiner Wohnung um. Am besten brachte er den Kleinen erstmal auf seinem Sofa unter schließlich konnte er ihn schlecht mit in seinem Bett schlafen lassen. Beziehungsweise er konnte schon aber er legte absolut keinen Wert auf einen Bettnachbarn. Er wollte besonders beim Schlafen einfach nur seine Ruhe und ganz abgesehen davon würde der Kleine ihn wahrscheinlich noch nachts wecken, wenn er einen Albtraum hatte. Nein danke das brauchte er nun wirklich nicht. Abfällig schnaufend erhob er sich wieder und wandte sich seinem Sofa zu. Kritisch musterte er die Unordnung, die er darauf und darum angerichtet hatte und begann seufzend damit Flaschen, Schokoladenpackungen zu entsorgen und die Decke wieder zusammen zu legen. Das Sofa konnte er dann heute Abend immer noch auseinander klappen, dann musste er sich nicht den ganzen Tag lang darum kümmern, dass er nicht bei der nächsten Gelegenheit darüber stolperte. Geschafft ließ er sich wieder auf das Sofa fallen, schloss die Augen und massierte mit leichtem Druck seine Schläfen. Eigentlich würde er jetzt am liebsten weiterschlafen, aber er wollte den Kleinen auch nicht die ganze Zeit hier allein herumstromern lassen. Gut, er würde zwar bald vollständig hier einziehen, aber im Moment war er schließlich immer noch so etwas wie ein Gast und seine gute Kinderstube hatte er ja nun noch nicht vollständig vergessen. Wenn er auch absolut nichts dagegen gehabt hätte, da das so einiges erleichtern würde. Seufzend starrte er an die weiße Decke seines Wohnzimmers und verfolgte gelangweilt die hellen Lichtkreise, die sich langsam fast über die ganze Fläche hinweg zogen. Das Windspiel mit den kleinen Glassteinen hatte er irgendwann mal von Sonja geschenkt bekommen, weil sie der Meinung war, dass es so ganz ohne Dekoration wirklich zu steril bei ihm aussah. Einmal hatte er das in seinen Augen völlig verkitschte Glasteil abgenommen, es aber sofort nach ihrem Besuch wieder aufgehängt, weil er ihren verletzten Blick nicht noch einmal sehen wollte. Auch wenn er sich selbst dafür immer noch für ziemlich albern und gefühlsduselig hielt. Aus dem Bad hörte er immer noch das leise Rauschen der Dusche und schloss nachdenklich die Augen. Irgendwas stimmte mit dem Kleinen nicht auch wenn er nicht wirklich sagen konnte was genau ihn an seinem Verhalten irritierte. Aber er hatte auch absolut nicht vor sich in dessen Angelegenheiten einzumischen. Schließlich wollte er auch in Ruhe gelassen werde und legte keinen gesteigerten Wert darauf bei jeder seiner kleinen Macken oder Ticks nach dem Grund gefragt zu werden. Also warum sollte er sich anderen gegenüber anders verhalten und sie mit Fragen löchern? Gut, Sonja warf ihm immer mal wieder vor, dass er ein desinteressierter, ignoranter Mistkerl war aber genau das wollte er ja auch sein. Das Rauschen verebbte und er hörte patschende Schritte, als Myron im Bad umherlief und sich die geborgten Sachen anzog. Mit einem leisen Klacken öffnete sich die Badezimmertür und Adrian drehte den Kopf in eben diese Richtung, als er die weiche Stimme des Jüngeren hörte. „Hast du vielleicht irgendwo einen Fön?“ Er nickte knapp, deutete aber auf die Steckdose der Küchenzeile. „Ja, links im Spiegelschrank aber du musst dir hier die Haare föhnen, weil bei der Steckdose im Bad die Sicherung rausgeflogen ist.“ Myron verschwand wieder hinter der weißen Tür, um kurz darauf mit dem schwarzen Fön in der Küche zu stehen und ihn an die Steckdose anzuschließen. Adrian beobachtete ihn dabei von seiner liegenden Position aus halbwegs interessiert. Das weite Shirt reichte ihm bis über die Hälfte der schlanken Oberschenkel und die Boxershorts schienen jeden Moment von seinen Hüften zu rutschen, da sie bedrohlich tief hingen. Er hatte ihm den Rücken zugedreht und wuschelte sich behelfsmäßig mit der freien Hand durch die schwarzen Haare, während er den warmen Luftstrom des nervtötend lauten Gerätes ebenfalls darauf richtete. Seufzend stand Adrian auf und lief an Myron vorbei ins Bad, der ihm einen kurzen fragenden Seitenblick schenkte, jedoch unbeirrt damit fortfuhr seine Haare in eine halbwegs glatte Form zu bekommen. Überrascht sah er auf, als ihn etwas an der Schulter antickte, schenkte Adrian dann jedoch ein strahlendes Lächeln und griff dankbar nach der Haarbürste, die ihm von dem Braunhaarigen hingehalten wurde. „Danke.“ Adrian nickte nur knapp und entschloss sich dann dazu sich erstmal was Vernünftiges an zu ziehen, da er ebenfalls nur Boxershorts und ein T-Shirt trug. Gähnend zog er die Flügeltüren seines geräumigen, schwarz lackierten Kleiderschrankes auf und musterte gelangweilt dessen Inhalt. Ohne wirklich lange zu überlegen griff er nach seiner verwaschenen, schwarzen Lieblingsjeans, die schon eindeutig bessere Tage gesehen hatte, und entschloss sich kurzerhand das rote Shirt, welches er sowieso schon trug einfach an zu behalten. Myron würde es wohl kaum wirklich stören wie er rumlief und wenn sie jetzt zusammen wohnten würde er ihn in noch wesentlich schlechter gekleideten Zuständen erleben. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen als er sich an einen Abend erinnert an dem er Sonja fast zu Tode erschreckt hatte. Sie wollte ihn noch besuchen kommen, aber da er einfach beim lesen eingeschlafen war, war sein Zeitplan völlig durcheinander geraten und er stand grade einmal einige Sekunden unter der Dusche, als es bereits klingelte. Er war einfach unüberlegt aus der Dusche gesprungen, hatte sich ein Handtuch um die Hüften gewickelt und wollte sie nur kurz reinlassen, um sich dann weiter anzuziehen. Bei seinem Sprint zur Tür hatte er aber nicht bemerkt, dass ihm das Handtuch von den Hüften gerutscht war und erst als seine beste Freundin ihn zunächst verwirrt angesehen und dann in haltloses Lachen ausgebrochen war hatte er seinen Patzer bemerkt. Den ganzen Abend über war sie jedes Mal in nicht enden wollendes Gekicher ausgebrochen, sobald sie auch nur ansatzweise an seinen bedröppelten Gesichtsausdruck dachte. Selektierend glitt sein Blick über sein geordnetes Chaos und bei dem ein oder anderen Kleidungsstück hielt er inne und zog es mit einer bestimmten Bewegung zwischen den restlichen Teilen hervor. Das waren alles Teile, die ihm zwar noch passten aber wahrscheinlich dem Kleinen eher richtig passen würden als ihm. Grade als er nach einer Boxershorts greifen wollte, hielt er in der Bewegung inne und schüttelte über sich selbst den Kopf, griff dann aber doch danach und packte sie zu den restlichen Sachen. Normalerweise war er nicht so fürsorglich. Genau genommen nie. Schulterzuckend stieß er mit dem Ellenbogen gegen die Türen des Schrankes, die daraufhin mit einem Knallen zufielen und manövrierte den Kleiderstapel in die Küche. Myron war inzwischen fertig mit dem Haare fönen und kam grade aus dem Badezimmer, da er wahrscheinlich Bürste und Fön dorthin wieder zurückgebracht hatte. Die schwarzen Haare waren noch nicht ganz trocken, die Spitzen klebten noch ein wenig feucht zusammen und auch die Bürste schien nicht viel genutzt zu haben, da ihm immer noch einige Strähnen ins Gesicht fielen. „Hier das kannst du erstmal als Wechselwäsche benutzen. Vor dem Ende der Feiertage kommst du ja eh nicht dazu irgendwas einzukaufen.“ Dankbar strahlten die braunen Augen ihn an und er beeilte sich das Wohnzimmer mit einigen schnellen Schritten zu durchqueren und sich vor seinem PC auf den mit schwarzen Stoff bespannten Drehstuhl fallen zu lassen. Irgendwie war er wirklich viel zu nett. Das sollte er absolut nicht zur Gewohnheit werden lassen. „Danke.“ Er konnte das leuchtende Lächeln selbst aus diesem einen Wort heraushören. Seufzend fuhr er den Rechner hoch und stellte sich gedanklich darauf ein noch an seinem letzten Auftrag weiter zu arbeiten. Einige Augenblicke hörte er nichts außer dem Brummen des Computerlüfters, dann vernahm er leichte Schritte und das Rascheln von Kleidung als Myron sich in seinen Sessel setzte. Nur Sekunden später quasselte bereits die oberflächliche Stimme einer Nachrichtensprecherin über die neuesten Erdbeben im asiatischen Raum und eine Hungersnot irgendwo in Afrika. Hosted by Animexx e.V. 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