Blutige Lilie von Saedy (Der See des Vergessens) ================================================================================ Kapitel 11: Irrfahrt -------------------- Hallo, dieses Wochenende kommen wieder zwei Kapitel, also, das nächste am Sonntag. Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen. Am nächsten Morgen wachte Atemu mit höllischen Kopfschmerzen auf und noch dazu im Gästebett. Hinzu kam, dass er keine Ahnung hatte, wie er dahin gekommen war. Verwirrt blickte er um sich. War er nicht bereits aufgestanden gewesen und auf dem Weg zum Spieleladen? Wieso lag er jetzt plötzlich wieder im Bett und noch dazu in diesem Zimmer? Er blickte auf die Uhr an der Wand und stieß einen kurzen Schrei aus. Es war bereits nach acht Uhr. Er war viel zu spät dran, um seinen Laden rechtzeitig zu öffnen. Hastig sprang er aus dem Bett, lief in Setos und sein Schlafzimmer, um sich eilig umzuziehen und fragte sich, warum sein Freund ihn nicht geweckt hatte. Der war natürlich auch schon längst bei der Arbeit. Atemu stürmte wie ein Wirbelwind durchs Haus und verzichtete dabei auf sein Frühstück. In Rekordzeit wurde er fertig, schnappte sich sein Fahrrad - sie hatten nur ein Auto und Atemus Spieleladen lag näher - und raste davon. Nachdem Atemu in rasendem Tempo seinen Spieleladen geöffnet, einige Ständer draußen aufgestellt und sonstiges vorbereitet hatte, atmete er erstmal tief durch. Dabei wunderte er sich, dass er nicht völlig außer Atem war, nach dieser Rumhetzerei. Obwohl er nie Sport machte - das hielt er für Mord - war er doch erstaunlich gut in Form und wunderte sich dann in solchen Ausnahmefällen, wo er seinen Hintern mal schneller bewegen musste, woher das kam. Einige Bekannte von ihm, die ebenso wenig Sport trieben, konnten beispielsweise nicht mit ihm mithalten und wären wohl schon auf halber Strecke zusammengebrochen, hätten sie ihn heute morgen begleiten müssen. Wie es aussah, hatte er Glück im Unglück gehabt, denn es hatte noch kein Kunde vor der verschlossenen Tür gewartet. Eigentlich hätte er es sich ja denken können, schließlich verirrte sich nie jemand so früh in seinen Laden. Warum verschob er die Öffnungszeiten eigentlich nicht auf später? Acht Uhr war doch etwas zu früh für einen Spieleladen, der noch dazu wenig Kunden hatte. Und jetzt war Atemu wieder so langweilig, dass er Zeit hatte, sich Gedanken zu machen, wie er bloß ins Gästebett gekommen war. Schon wieder ein Blackout? Und dann hatte er noch so komische Träume gehabt … Vielleicht sollte er doch mal einen Arzt aufsuchen. So konnte das ja schließlich nicht weitergehen. Wie es wohl Seto ging? Vielleicht hatte er ja Zeit für ein kurzes Gespräch. Also beschloss Atemu, ihn mal bei der Arbeit anzurufen. In seinem Büro erreichte er ihn nicht, aber am Handy ging er schließlich ran. “Guten Morgen, Seto, wie geht’ s dir?”, rief er fröhlich in den Hörer. “Ich habe heute Morgen ja total verschlafen und keine Zeit mehr, dir einen guten Morgen zu wünschen. Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte”, lachte Atemu ein wenig verlegen. “Ach, meldet sich der feine Herr auch mal?”, giftete Seto zurück. “Das ist ja fein, dass du plötzlich deine gute Laune wieder gefunden hast, mir hast du sie jedenfalls verdorben. Da musst du dir schon eine gute Entschuldigung ausdenken, um das wieder gut zu machen.” Atemu hielt überrascht den Hörer von sich, als er nur noch ein Tuten vernahm, ehe er auch nur ein Wort erwidern konnte. Was war denn in Seto gefahren? Der tat ja gerade so, als hätte er ihm was Böses getan. Aber Atemu konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was los war. Moment, war vielleicht irgendetwas während seines Blackouts passiert? Hatte er Seto beleidigt und es einfach vergessen? Das erinnerte ihn an seinen seltsamen Traum, indem er sich mit seinem Freund gestritten hatte. Atemu seufzte traurig und stutzte plötzlich, als sein Blick auf die Funkuhr mit Datumsanzeige auf dem Tresen fiel. Moment, heute war doch Mittwoch. Wieso stand da auf der Uhr, dass heute schon Donnerstag wäre? Funkuhren gingen doch nie falsch! Oder doch? Atemu schaltete hastig den kleinen Tischfehrnseher ein und guckte im Videotext nach. Ja, auch dort stand, dass heute Donnerstag war. Das konnte doch nicht sein! Atemu ließ sich geschockt in den Stuhl zurückfallen. War seine Erinnerung daran, mittwochs schon mal aufgestanden und den Laden geöffnet zu haben, etwa doch richtig? Nachdem er plötzlich im Gästebett aufgewacht war und sich an den weiteren Verlauf des Tages nicht erinnern konnte, war er nämlich davon ausgegangen, dass er das nur geträumt hatte und in Wirklichkeit der Mittwoch erst anfing. Aber anscheinend hatte er diesmal einen längeren Blackout gehabt. Anders konnte er sich das nicht erklären. Atemu kam zu dem Schluss, dass er wohl oder übel doch zu einem Arzt gehen musste. Dabei hasste er das und vermied es wo es nur ging. Doch so konnte es wirklich nicht weitergehen. Wer wusste schon, was er noch anstellte und sich hinterher nicht mehr erinnerte? Am Ende würde Seto ihn noch verlassen, weil er sich mit ihm stritt und dann nicht mehr daran erinnern konnte. Am besten ging er auf der Stelle zu seinem Hausarzt, bevor er es noch endlos vor sich herschob und noch sonst was passierte. Deshalb schrieb er einen Zettel, dass der Laden heute aufgrund von Krankheit geschossen war, hängte ihn in die Tür und machte sich auf die Socken, oder besser gesagt, auf die Pedale. Wo war noch mal dieser Arzt? Atemu fluchte, denn irgendwie hatte er sich verfahren. Dabei hätte er schwören können, zu wissen, wo er ihn finden konnte. Aber es schien, dass er wirklich zu lange nicht mehr dort gewesen war. Atemu fuhr suchend in mehrere Straßen der Umgebung, aber auch hier kein Erfolg. Das konnte doch nicht sein! Also noch mal zum Ausgangspunkt zurück, vielleicht war der Arzt ja doch in der Straße, an die er ursprünglich gedacht hatte und er hatte das Haus in der Eile nur übersehen. Atemu wurde plötzlich schwindlig und er konnte gerade noch vom Rad springen. Was war denn jetzt los? Er zuckte zusammen, als er aufblickte und merkte, dass er plötzlich ganz woanders war, als eben noch. Das ging doch jetzt nicht mehr mit rechten Dingen zu! Oder wurde er komplett verrückt? Er schüttelte den Kopf und beschloss kurzerhand, die Sache erstmal zu ignorieren. Schließlich half es auch nichts, wenn er hier herumstand und grübelte, also setzte er sich wieder aufs Rad und fuhr weiter. Seltsam, diese Gegend hier kannte er nun überhaupt nicht. Er schaute noch mal auf die Uhr und erschrak, als er bemerkte, dass er eine kappe Stunde verloren hatte. Also doch wieder ein Blackout. Atemu suchte erstmal nach einem Straßenschild, da er keine Ahnung hatte, wie er jetzt wieder zurückfinden sollte. Schließlich sprach er einen Passanten an, der ihn mitleidig anlachte und einen total komplizierten Weg zu erklären versuchte. Es kam wie es kommen musste: zwei Stunden später hatte Atemu immer noch nicht in bekanntere Gefilde zurückgefunden und langsam wurde er es nicht nur leid, sondern bekam auch noch einen Riesenhunger, zumal er das Frühstück ausgelassen hatte. Deshalb begab er sich erstmal in ein Fastfood-Restaurant, das er eine Weile später fand, als er schon glaubte, verhungern zu müssen. Die Leute dort staunten nicht schlecht, als er eine Riesenportion, die für mindestens drei große Männer gereicht hätte, verschlang. Jetzt müsste er nur noch einen Laden finden, der Stadtpläne verkaufte. Doch leider war ihm das Glück nicht hold. Nach einiger Zeit des Herumfahrens landete er plötzlich in einer ziemlich reichen Gegend, was man an den großen Anwesen erkennen konnte. Atemu wollte schon herumdrehen, da das hier bestimmt nicht der richtige Weg war, als er plötzlich eine vertraute Gestalt zu erkennen glaubte. Das war doch nicht etwa Seto, der ihm da den Rücken zuwandte? Doch, das musste er sein, er trug auch eine Polizeiuniform. Begleitet wurde er von einem Typen mit langem, silbernem Haar. Was für ein glücklicher Zufall. Atemu radelte näher und wollte schon nach Seto rufen, als der silberhaarige Typ jenen plötzlich zu sich zog und auf den Mund küsste. Seto schien sich auch nicht dagegen wehren zu wollen, da er etliche Sekunden einfach nur starr dastand. Nach ebenso vielen Sekunden des lähmenden Entsetzens seitens Atemu, schnappte er sich wütend und verletzt sein Fahrrad und fuhr in die entgegengesetzte Richtung weiter. Das durfte doch nicht wahr sein! Sein Seto knutschte heimlich während der Arbeit mit anderen Typen herum! Das hätte er niemals von ihm erwartet. Atemu wollte es nicht, doch er konnte nicht verhindern, dass ihm Tränen übers Gesicht liefen. Er hatte wirklich geglaubt, Seto würde ihn allein und für immer lieben. Wie konnte er sich nur so getäuscht haben? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)