Sed de Sangre von Nievaris (Blutdurst) ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Rückführend konnte er sich immer noch nicht erklären, wie er zurück nach Port Royal gekommen war. Natürlich, er war auf der Black Pearl zurückgebracht worden. Und es war deren Captain gewesen, der es für sinnvoll erachtet hatte, ihn auch noch bei Kräften zu halten. Was dem Briten aber nicht eingehen wollte war die Tatsache, dass Sparrow das getan hatte, was er nun einmal getan hatte. Welchen Sinn und Zweck verfolgte der Pirat, dass er einen Marineoffizier gesund zurück brachte? Immer noch in seinen Gedanken versunken setzte Norrington sich auf. Seine Füße ließ er nur langsam auf den kühlen Boden sinken. Sonnenschein fiel durch die nicht gänzlich zusammen gezogenen Vorhänge in das nur spärlich eingeräumte Schlafzimmer. Es war eher praktisch eingerichtet und enthielt keinen unnötigen Schnickschnack, den man wohl oft in den Schlafräumen von Frauen fand - oder aber bei Männern, die exzessiv einem Hobby nachgingen. Nebst Bett, Kasten und einem kleinen, schreibtischartigem Möbel hing ein Bild über dem Bett, das ein Schiff auf stürmischer See zeigte. Ansonsten war der Raum nicht beschmückt. Er verbrachte ohnehin kaum Zeit zu Hause, warum sollte er Zeit und Geld damit verschwenden, sein Haus irgendwie auszuschmücken, wenn er ohnehin nichts davon hatte? Außerdem wohnte er alleine, also gab es auch niemanden, auf den er eventuell Rücksicht nehmen müsste. Seufzend stand er auf, strich seinen Nachtrock glatt und ging langsam auf das Fenster zu. Ein kurzer Blick hinaus genügte und er erkannte jene Vorteile, die man der Karibik zuschrieb: strahlend blauer Himmel, Sonnenschein und von seinem Schlafzimmer aus konnte er auch das Meer sehen. Ein Anblick zu träumen, wie mancher vielleicht meinen sollte, aber da er schon so lange hier lebte - er wollte nicht behaupten 'wohnte' - war er blind gegenüber diesen Sinneseindrücken geworden. Sein Leben bestand aus seiner Arbeit. Und seine Arbeit bestand daraus, Piraten zu fangen und zu hängen. In erster Linie war sein Ziel Jack Sparrow zum Schafott zu führen. Die Tatsache, dass der Pirat ihn aus dem Meer gefischt und zurück nach Port Royal gebracht hatte, hatte Norrington zwar zum Nachdenken gebracht, dennoch ließ das die Verbrechen, die der Mann bisher verübt hatte, nicht einfach ungeschehen machen. Und vermutlich würde es auch nicht dazu führen, dass Sparrow sein Piratenhandwerk an den Nagel hängen und von nun an ein ehrliches Leben führen würde. Es war der erste Tag nach seiner 'Ankunft', die Norrington wieder im Dienst verbrachte. Sein Arzt hatte gemeint, es wäre recht ratsam, wenn er sich noch ein paar Tage frei nehmen würde, auch wenn James anfangs abgelehnt hatte. Immerhin war im auf dem Piratenschiff in der Tat nichts Schlimmes widerfahren und er hatte auch an seiner Kraft nicht viel einzubüßen gehabt. Außerdem konnte er sich am Besten ablenken, wenn er arbeitete. Doch der Arzt hatte nicht mit sich verhandeln lassen, weswegen es nun schon einige Tage zurücklag, dass die Black Pearl mit weiß gehisster Flagge auf ein Marineschiff zugesegelt war und man ihn an Deck gebracht hätte. Norrington war sich durchaus wie zur Schau gestelltes Vieh vorgekommen, aber es nützte den Piraten nicht angegriffen zu werden, wenn sich ein Offizier offenkundig noch an Bord eben jenen Schiffes befand. Als Austausch für Norrington wollte Sparrow fortsegeln, ohne verfolgt zu werden und einmal offiziell nach Port Royal um dort vor Anker zu gehen - natürlich auch wieder an die Voraussetzung gebunden, dass man ihn nicht in Eisen legen sollte. Natürlich waren Norrington diese Bedingungen mehr als gegen den Strich gegangen, aber zu dem Zeitpunkt war er nicht in der Position gewesen, irgendwas zu verhandeln und so musste er sich den Auflagen mehr oder weniger kampflos ergeben. Nun war der Brite also wieder zu Hause, sie hatten Sparrow seines Weges ziehen lassen. Leider war es ihm nicht erspart geblieben, dass auch der Gouverneur erfahren hatte, was der Preis für Norringtons Freiheit war und was Sparrow verlangt hatte. Im Gegensatz zu seiner Tochter war er nicht gerade erfreut über den Einfallsreichtum des Piraten. Auf der anderen Seite hatten sie Norrington alle für tot gehalten, nachdem man nur mehr spärlich irgendwelche Überreste des Schiffes gefunden, von Überlebenden jedoch jede Spur gefehlt hatte. Den Commodore jetzt wieder lebendig und bei durchaus guter Gesundheit vorzufinden, war mehr gewesen, als sie alle gehofft hatten. "Commodore!" Überrascht blieb James stehen und blickte in die Richtung, aus der er seinen Titel gehört hatte. Irgendwie war es schon seltsam, dass es für ihn wesentlich vertrauter war, wenn man ihn 'Commodore' nannte, anstatt seinen gegebenen Namen zu benutzen. War vermutlich auch berufsbedingt. "Leutnant Groves...", er nickte seinem Gegenüber kurz zur Begrüßung zu. Groves war mit an Bord jenes Marineschiffes gewesen, das ihn von der Pearl geholt hatte. Mehr oder weniger beabsichtigt, könnte man wohl sagen, denn es hatte nicht im Interesse der Besatzung gelegen, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt auf die Black Pearl zu treffen. Dementsprechend groß war die Überraschung gewesen, ihren lebenden Offizier vorzufinden und diesen auch noch einfach ausgehändigt bekommen zu haben... Zusammen gingen sie den letzten Rest des Weges zum Fort. Norrington war sich ziemlich sicher, dass es eine Menge Papierarbeit zu erledigen gab und insgeheim freute er sich schon darauf, an nichts anderes mehr zu denken, als an das Papier vor seiner Nase, den Federkiel zwischen seinen Fingern und ständig irgendwo seine Unterschrift drunter zu setzen. Nun, man wusste erst, was man hatte, wenn man es nicht mehr hatte... So vergingen die Tage und aus Tagen wurden Wochen. Es kam keine Nachricht von Sparrow, wie sie es sich anfangs erwartet hatten. Anschließend wurden sogar schon insgeheim Wetten abgeschlossen, wann der verrückte Pirat denn einfach unangekündigt in Port Royal auftauchen würde, um so seinen Forderungen einfach nachzukommen, ohne an die Konsequenzen zu denken. Ein solches Verhalten würde Norrington dem Piraten durchaus zutrauen, denn dann würde hier vermutlich der Teufel los sein, wenn alle damit beschäftigt waren, ein Piratenschiff einfach so in den Hafen einlaufen lassen zu müssen. Nun fand sich der Commodore an dem reich gedeckten Tisch des Gouverneurs wieder, der ihn zum Abendessen eingeladen hatte. Norrington war sich sicher, dass dieses Treffen nicht nur darauf beruhte, dass zwei erwachsene Menschen einen ruhigen Abend gemeinsam verbringen wollten, sondern es hatte bestimmt auch politische Gründe. Oder zumindest Organisatorische, denn dass sich Sparrow nicht gemeldet hatte, ließ offenbar nicht nur den Briten innerlich durchaus nervös werden. Auch Elizabeth nahm an dem Abendessen teil, zusammen mit dem Turnerjungen, der durchaus bessere Tischmanieren hatte, als James es ihm zugetraut hatte. Zwar war er sich nicht ganz sicher, was er schon wusste und was er von Elizabeth beigebracht bekommen hatte, aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen. So verging die Zeit und sie führten Small Talk - etwas, von dem James noch nie wirklich begeistert gewesen war, aber im Moment war es Mittel zum Zweck. Nach dem Essen bot sich bestimmt noch genug Zeit, in der der Gouverneur ihm sagen könnte, weswegen er ihn herbestellt hatte. "Eine schöne Nacht, nicht wahr?" Inzwischen kannte James den älteren Mann, der beinahe sein Schwiegervater geworden wäre, recht gut, um zu wissen, dass diese Floskel die Einleitung zu einem eher ernsteren Gespräch sein würde. Aber war er nicht genau mit diesem Hintergedanken hier her gekommen? Es gab Wichtigeres als den wolkenlosen Himmel über Jamaika und aus diesem Grund war er hier. "Habt Ihr Nachricht von Sparrow erhalten?" Norrington hatte die Arme hinter seinem Rücken verschränkt und hatte den Blick vom dunklen Himmel abgewandt. Sie hatten das Essen schon vor geraumer Zeit beendet und Swann hatte vorgeschlagen, einige Minuten mit dem Commodore auf der Terrasse zu verbringen. Ein Vorschlag, dem James sogleich zugestimmt hatte. Im Moment war ihm alles lieber, als mit Elizabeth und Will Zeit zusammen zu verbringen. Er hegte keine Abneigung gegenüber den jungen Leuten, doch er mochte es nicht sonderlich, mit glücklichen Pärchen zusammen zu sein. An die eigene Einsamkeit erinnert zu werden, war nicht unbedingt angenehm, doch der Brite wusste, solche Situationen zu vermeiden, zu umgehen oder aber sie auf ein erträgliches Maß zu kürzen. "Nein...nein, das habe ich nicht, auch wenn ich bereits welche erwartet hätte. Ich kann mir nicht vorstellen, was dieser Mann hier noch wollen könnte...", natürlich konnte er das, aber Swann war nicht gewillt, sich vorzustellen, wie Sparrow diesen Boden betrat, um dann womöglich mit Will zu reden oder aber Elizabeth weitere Flausen in den Kopf zu setzen. Vielleicht auch in einer anderen Reihenfolge, doch alles in allem war es dem älteren Mann alles andere als Recht, diesen Piraten erneut in der Nähe seiner Tochter zu wissen. "Was könnte er nur wollen?" Ob diese Frage an Norrington gerichtet war, oder mehr eine selbstgestellte Frage war, vermochte der Commodore nicht sofort zu beantworten. Zudem sollte die Antwort gut überlegt sein. Er wusste um die verworrenen Gedankengänge des Piraten, die sich allzu deutlich zeigten, als er James wohl behütet - mehr oder weniger - seinen Leuten übergeben hatte. "Bestimmt nichts, was mit Gewalt in Verbindung zu bringen ist...", murmelte der Brite zur Antwort und ließ seinen Blick nun doch wieder gen Himmel gleiten. Er war sich wirklich sicher, dass das, was Sparrow im Sinn hatte, Ärger machen würde. Und doch würde niemand dabei körperlich zu Schaden kommen. Vielleicht wirtschaftlich, aber kein Blut würde fließen. Das machte die Sache allerdings nicht einfacher. Ungeachtet der Tatsache, dass sich einige Kilometer entfernt zwei Männer den Kopf darüber zerbrachen, was ein notorischer Piratencaptain denn für Forderungen stellen könnte, die er sich aufgrund der Freilassung eines gewissen Commodores erschlichen hatte, machte sich eben jener Piratencaptain Gedanken darüber, weswegen er schon den ganzen Abend Durst verspürte. Inzwischen war er von Rum auf Tee und sogar auf Wasser umgestiegen, was ihm lediglich verwirrte Blicke der Umstehenden einbrachte, nicht allerdings seinen Durst zu löschen vermochte. Ihm war fast so, als habe er den Mund voller Sand, ohne jedoch je in Berührung mit ihm gekommen zu sein. Seine Kehle schmerzte und er musste immer wieder schlucken, auch wenn es ihm nicht viel brachte. Viel eher hatte er das Gefühl, dass sein Durst nur stärker wurde. "Jetzt werd'ch wirklich noch verrückt...", Sparrow schüttelte ein wenig seinen Kopf und sah sich in seiner dunklen Kabine um. Er hatte nun alle Öllampen bis auf eine gelöscht. Auch wenn er das Licht sonst schätzte, im Moment reizte es ihn mehr als das es ihm Wohlbehagen bereitete. Sein Genick knackte, als er seinen Kopf einmal nach links und einmal nach rechts drehte, doch auch das änderte nichts an seinem Zustand - wie sollte es auch? Leise hustend ging er weiter durch das Zimmer, warf einen kurzen Blick aus dem Fenster und konnte teils sein Spiegelbild erkennen, teils aber auch das Meer und Teile vom Firmament. Dieses Mal konnte er diesem Anblick allerdings nichts Beruhigendes abgewinnen, statt dessen nahm die Unruhe in seinem Inneren zu. Irgendwann überkam den Piraten das Gefühl, dass er es in der Enge dieses Raumes nicht mehr länger aushalten konnte, weswegen er überstürzt aus der Kajüte lief und tief die schwüle Nachtluft einatmete. Er wusste, dass er zu schnell und auch zu flach atmete. Ihm wurde schwindelig, doch auch das konnte ihn nicht davon abhalten, die Nachtluft gierig in seine Lungen zu saugen. Auf wackeligen Beinen wankte er zur Reling und hielt sich an dem dunklen Holz fest. Ihm wurde schwindelig, was wohl alleine darauf zurückzuführen war, dass er einfach zu viel Sauerstoff aufgenommen hatte. Seine Finger krallten sich in das Holz und Sparrow schloss seine Augen, in der Hoffnung, wenn er sie wieder öffnen würde, wäre der Albtraum zumindest ansatzweise vorbei, doch als erwachsener Mann wusste er es besser, als dass das Ausschließen seiner Umwelt eine Änderung bewirken würde. Nur selten hatte er eine solch rasend anwachsende Panik in sich gespürt. Der Schwindel hatte nicht aufgehört noch dazu hallten die Wellengeräusche fast schon wie Trommelschläge in seinen Ohren. Auch die Gespräche und Gesänge in Tortuga konnte er beinahe so gut hören, als würden sie direkt neben ihm statt finden. Und doch wusste er nicht, was diese Veränderungen verursachte. War er etwa krank? Eine Krankheit, deren Krankheitsbild er nicht kannte? Die seine Sinne schärfte, ihn dursten ließ und das unsägliche Verlangen nach Luft verursachte? Nein, das wollte er nicht glauben. Krankheiten schwächten seinen Körper, ließen ihn zusammensacken oder unbeweglich an sein Bett fesseln, aber sie förderten seinen Körper nicht... Das würde er auch nicht glauben! Ähnlich den Strapazen nach einem langen Lauf, wandte sich Jack keuchend von der Reling ab und tappte etwas ungeschickt über die schwarzen Planken; wollte entkommen, welche Möglichkeit sich ihm auch immer bieten würde. Nur weg... Wie von selbst fand er seinen Weg unter Deck. Hier unten war zumindest das Stimmengewirr aus Tortuga nicht mehr ganz so penetrant in seinem Gehörgang wahrzunehmen und auch die modrige Luft hielt ihn davon ab, zu hyper-ventilieren. Normalerweise würde er denken, dass er nach dem, was ihm an Deck passiert war, schwitzen würde, als wäre er die Takelage im Eiltempo nach oben geklettert, doch kein einziger Schweißtropfen hatte sich auf seiner Haut gebildet. Er fühlte sich erschöpft, aber nicht erhitzt, welch seltsame Kombination. Hier unten war er alleine. Bis auf eine Handvoll Männer hatte er allen Landgang gegeben, damit sie sich in der Piratenstadt ein wenig austoben konnten. Männer, die nach einiger Zeit wieder genug Sex gehabt hatten, waren auf hoher See definitiv einfacher zu handhaben als jene, die schon seit Monaten kein weibliches Fleisch mehr vor sich gehabt hatten - und sich auch nicht anders orientieren wollten. Keuchend ließ Jack sich mit dem Rücken an der Bugwand der Pearl auf den Boden sinken. Die Beine hatte er einem 'V' ähnlich von seinem Körper gestreckt. Sich nicht zu bewegen war offenbar die Devise. Auch sein Puls beruhigte sich und für einen kurzen Moment hatte der Pirat den Verdacht gehabt, gar keinen Herzschlag mehr wahrgenommen zu haben. Kopfschüttelnd verzerrte ein groteskes Grinsen sein Gesicht. "Was auch imm'r du da von Rumänien heim gebracht hast, es bringt dich noch ins Grab, Sparrow...", murmelte er zu sich selbst, ehe leises Getrappel seine Aufmerksamkeit erregte. Nicht weit entfernt von ihm tapste eine Ratte über den Boden. Diese unliebsamen blinden Passagiere waren auf einem Schiff nichts Ungewöhnliches und auch mit einer Katze an Bord kam es immer wieder vor, dass sich diese pelzigen Gesellen auf einem Schiff wohler fühlten, als an Land. Neugierig beobachtete Sparrow das Tier, dass sich bis auf wenige Schritte genähert hatte und die Luft nun neugierig beschnupperte. Für einen kurzen Moment fragte sich der Pirat, ob der Nager ihn genauso riechen konnte, wie umgekehrt und wunderte sich einen Augenblick später über diesen Gedanken. Langsam ließ er seinen Kopf gegen das Holz sinken und beobachtete das Tier weiterhin. Sein Durst hielt immer noch an und schien seit wenigen Sekunden schlimmer denn je zu sein und doch überkam ihn eine willkommene Müdigkeit. Es war schon viel zu lange her, dass er während der Nacht geschlafen hatte, weswegen er sich nur allzu gerne in Morpheus' Arme wiegen ließ. Das leise Quieken der Ratte nahm er fast gar nicht mehr wahr, genauso wenig wie den schwindenden Durst - statt dessen gab er sich amorösen Träumen hin, in denen er Frauen begegnete, die denen aus Rumänien verdächtig ähnlich sahen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)