Stumme Tränen von AnaO (Darfst du mich denn lieben, Inuyasha?!) ================================================================================ Kapitel 11: Die Grenze zwischen sinnlich und verboten ----------------------------------------------------- Ihr Leben für seines. Immer und jederzeit... „Anjaani...“ Der Hauch eines Momentes voller Sehnsucht. Der Moment, der ihr Herz in seinen Augen gefangen hielt, ließ die Zeit still stehen. Es existierten nur noch das Glühen seiner Augen, die Wärme seiner Hand an ihrer Wange und das Rauschen des Blutes in ihren Adern. Und dieses zarte Verlangen nach seinen Lippen, so unendlich süß, unendlich verzehrend. Wenige Zentimeter zur Erfüllung all ihrer Wünsche. Ihre Augen schlossen sich in der Erwartung süßer Hingabe... Seine Lippen streiften ihre, als ihr klar wurde, dass dies nicht echt war. Es war ein Traum. Es würde immer ein Traum bleiben. Und mit dem Öffnen ihrer Augen, zerplatzte diese schillernde Traumblase. Zurück blieb die Realität. Die Realität als unsichtbare, doch unüberwindbare Mauer zwischen ihnen. Alles in ihr schrie vor Verzweiflung, vor lauter Sehnsucht nach seinen Lippen. Und deswegen hielt sie den Blick gesenkt, um seinen Augen zu entgehen, in denen sie die Wahrheit sehen würde. „Hilfst du mir ins Bad?“, fragte sie leise, um sich die Enttäuschung nicht anhören zu lassen. Den Kopf konnte sie nicht heben, sie wusste, was sie in seinen Gesicht nun sehe würde: Dass ihm die Wahrheit ebenso bewusst war. Dabei war dieser goldene Glanz so liebevoll gewesen, so weich und verlockend. Eine unbeschreibliche Sanftheit. Aber auch Inuyasha schmerzte der spitze Stachel der Realität, hatte ihn doch der Moment des Zaubers genauso betört. Es war vorbei. Als hätte es diesen zauberhaften Moment der reinen Vollkommenheit nie gegeben. Nein, schließlich war es ja auch nur ein Traum. Es würde nie etwas anderes sein. Er zwang sich den Gedanken förmlich auf: „Es muss so sein, so ist es besser!“ So vorsichtig er konnte, führte Inuyasha die Verletzte ins Bad. Um nicht in sein Gesicht sehen zu müssen, starrte sie auf seine Hände mit den langen, messerscharfen Klauen. Wie zerstörerisch er sie einsetzten konnte. Aber mit welch einer Behutsamkeit sie ihren Körper stützten. So unendlich zärtlich er sein konnte, so strotzte er doch vor roher Kraft. Mit nur einer kleinen Bewegung konnten diese schützenden Hände sie im Nu töten. Diese Tatsache löste ein Kribbeln in ihrem Bauch und eine gewisse Ehrfurcht aus. „Tut es weh?“, fragte er besorgt und beugte sich näher zu ihr rüber. „Nein.“ Sie traute sich nicht, den Kopf zu heben; wusste sie doch, dass sie dann keinen Handbreit von seinem Gesicht entfernt wäre. Allerdings schmerzte es furchtbar, wenn sie eine Weile ohne seine Unterstützung stand. In Inuyashas Augen zeichnete sich tiefe Besorgnis. Er fühlte sich für ihre Verletzung verantwortlich, deswegen weigerte er sich stur, ihr Zimmer zu verlassen. Während sie sich umzog, hatte er ihr den Rücken zugedreht, lauschte aber auf jeden ihrer Atemzüge, um im Fall der Fälle da zu sein. Kein noch so winziges Stocken entging seinem Gehör. Und jedes davon versetzte ihm einen kleinen Stich. Wann beginnen diese blöden Schmerzmittel endlich zu wirken? „Warte“, sagte er, als sie umgezogen war und eilte zu ihr. „Ich helfe dir beim Hinlegen. Lehne dich gegen meine Hände“, forderte er sanft. Er tat zu sehr weh, sich alleine zurückzulehnen, aber als sie sich entspannte und seine Hände sie fürsorglich auf die Matratze betteten, verspürte sie kaum Schmerzen. Ihr Gewicht war nichts für seine starken Arme. „Du bist so lieb, danke“, lächelte sie selig. „Oh, warte!“ Er rannte davon und kam mit einer Flasche Wasser wieder, die er neben ihr Bett stellte. „Falls du in der Nacht Durst hast.“ Dann setzte er sich an die Kante. „Was ist mit morgen?“, fragte er ernst. „Wegen Zuma?“ „Soll ich ihn verprügeln?“ „Das würde dir gefallen“, schmunzelte sie. „Warum nicht? Ein paar Ohrfeigen hier, einige Kopfnüsse da... das würde ihm garantiert nicht schaden.“ „Dein Angebot ist verlockend“, lachte sie, bereute es aber sofort, als es in ihrer Brust stach. Zischend atmete sie ein. „Aber ich brauche deine Hilfe nicht. Ich kam immer gut alleine klar.“ „Du hast doch nicht wirklich vor, da hinzugehen?“ Leichte Wut und Verständnislosigkeit schwangen in seinem Tadel mit. „Machst du dir etwa Sorgen um mich?“ Er wich ihrem Blick nicht aus, wie sonst und irgendwie das ließ ihr Herz schneller schlagen. „Du bist wegen mir verletzt.“ Sie ergriff seine Hand und erwiderte eisern seinen Blick. „Dies ist nichts im Vergleich zu all den Schmerzen die mein Herz erdulden musste“, sagte sie. Da erst drehte er den Kopf weg und rang mit den Worten. Aber er brachte die richtigen nicht zustande. „Hör zu, Saajan. Morgen früh werde ich erholt genug sein, um mich mit der Energie der Drillinge zu heilen. Vielleicht darf ich mir auch ein wenig von deiner nehmen. Du hast mehr, als die Drei zusammen.“ „Natürlich“, rief er enthusiastisch. „Ich habe genug davon! Nimm es dir jetzt gleich.“ „Ich bin zu müde, es kostet mich auch Kraft, in deinen Geist zu tasten, um die Wunden zu heilen. Ich werde auf jeden Fall zu Zuma gehen. Mal schauen was passiert. Aber-“ Er hatte gerade den Mund zum Protest geöffnet, schloss ihn dann sofort wieder. „Du kannst mitkommen und ihn im Fall der Fälle verprügeln.“ „Na gut“, gab er sich geschlagen und erhob sich. „Schlaf jetzt, ich werde hören, wenn was nicht stimmt“, sagte er und verließ das Zimmer, ohne die Türe richtig zu schließen. „Träum schön“, fügte er noch schnell hinzu, da ihm einfiel, dass Raj immer nur „schlaf jetzt“ zu ihr gesagt hatte. Schön träumen? Ein schöner Traum... Da war es, dieses Drücken im Hals, das ihr Tränen in die Augen trieb. Stumm ließ sie sie fließen. „Du bist ein schöner Traum, Saajan. Nichts als ein schöner Traum.“ Und diese grausame Erkenntnis begleitete sie in den Schlaf. Inuyasha bekam nicht mit, dass sie weinte. Es war auch besser so, sein Gewissen plagte ihn schon genug. Und dieses Gewissen machte ihn ruhelos. Auch war ihm nicht geheuer, sie allein im Zimmer zu lassen. War es nicht besser, an ihrem Bett Wache zu halten? Irgendwie hatte er ein beunruhigendes Gefühl, das er sich nicht erklären konnte. Er rang mit sich, blieb aber in seinem Bett liegen. Sie konnte keinen Mann in ihrem Schlafzimmer gebrauchen. …Das war ein Irrtum... Irgendwann schlief er dann doch ein... Das war ein Fehler... So bekam er nämlich nichts von der Gestalt mit, die mit dem Mondlicht durch Anjaanis Fenster kam. Das Wesen, das einen eindeutig menschlichen Körperbau hatte, schlich lautlos an Anjaanis Bett. Man hörte es nicht einmal atmen. Es betrachtete die schlafende junge Frau eine Weile. Obwohl es im Zimmer so dunkel war, dass man gerade so die Umrisse der eigenen Hand erkennen konnte, sah das Wesen jedes Detail ihres schönen Gesichts. „Bezaubernd“, war sein erster Gedanke. „Hätte die Schönheit ein Gesicht, wäre es ihres.“ Es beugte sich näher über das Bett und ließ die flache Hand Zentimeter über ihrem Herzen ruhen. Was es darin fand, waren Bilder von goldenen Augen, das sanfte Lächeln eines weißhaarigen Mannes und ein damit verbundenes Gefühl tiefer Glückseligkeit. Ihr Herz war voll von diesem Mann. Nichts anderes hatte darin Platz. Also suchte es in ihrer Seele. Auch dort war dieser Hanyou mit dem Mondscheinhaar. Lange musste das Schattenwesen suchen, bis andere Sehnsüchte auftauchten, doch schlussendlich fand es, was es suchte. Anjaani rührte sich plötzlich und ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Vor lauter Konzentration, hatte es nicht bemerkt, dass sie verletzt war. Der Schmerz war von ihr in eine dunkle Ecke gedrängt worden, hinter eine undurchdringliche Mauer. Und diese Mauer schien Unvorstellbares zu verbergen. Langsam schob die Schattenhand die Bettdecke zurück und legte die Hand auf ihre Brust. Gebrochene Rippen... Die waren schnell geheilt! Doch die junge Frau bemerkte den Energiestrom. Ihre goldenen Augen öffneten sich... Ein greller Schrei riss Inuyasha aus dem Schlaf. Reflexartig war er aufgesprungen und in Anjaanis Zimmer gestürmt. Keine Sekunde zu spät, denn eine schwarze Gestalt floh gerade aus dem Fenster. „Hey, du! Bleib sofort stehen!“, schrie er und jagte dem Eindringling hinterher, hinaus in die Dunkelheit. Doch dieser war weg, wie von der Dunkelheit verschluckt. Zurück blieb ein winziger Hauch seines Geruches, der sich aber im Nirgendwo verlor. Inuyasha schnupperte angestrengt, doch es war weder ein dämonischer, noch ein menschlicher Geruch. Es roch undefinierbar. Es roch nicht nach Nichts, aber auch nicht nach Etwas... Roch so ein Schatten, der helles Licht bedeckte? Was war das nur für ein Geruch?! Dieses seltsame Wesen schien überhaupt kein Mensch gewesen zu sein. Und es roch anders als alle Dämonen, die er kannte. Je mehr Inuyasha über diesen Geruch nachdachte, desto schlimmer wurden seine Kopfschmerzen. Es war zum Verrückt werden! Doch nun war etwas anderes wichtiger... Anjaani saß aufrecht im Bett, als er zurück kam und zitterte leicht. Sie wirkte total verängstigt und knipste sofort das Nachtlicht an, als sie ihn erkannte. Inuyasha setzte sich sofort neben sie und sie warf sich gleich in seine Arme, begrub das Gesicht in seiner schützenden Umarmung. Selbst, wenn er ihren rasenden Herzschlag nicht hören würde, so spürte er ihn. Er brauchte eine Weile, um seine Stimme zu festigen, denn ihr süßer Duft stieg ihm in die Nase. Wenn er nur wüsste, was für Geruch dieser Mistkerl hatte! Aber jetzt war erstmal Anjaani wichtig. „Geht es dir gut? Hat dieses Wesen dir etwas getan?“ Sanft strich er durch ihr Haar und suchte die Wahrheit in ihren schwarzen Augen. Erleichterung breitete sich in ihm aus, als sie den Kopf schüttelte und in seine Hand schmiegte. „Hast du es erkennen können?“, wisperte sie. „Nein, er war verschwunden, als hätte er sich an Ort und Stelle in Luft aufgelöst. Das war bestimmt kein Mensch.“ „Nein, war es nicht“, stimmte Anjaani ihm zu. „Es war seltsam, es schien nicht böse zu sein, es hatte keine böse Energie.“ „Was hatte er gemacht?“ „Er?“ „Ja, er.“ „Das erklärt vieles“, stöhnte sie erschrocken auf. „Was erklärt es? Was hat er gemacht?!“ „Als ich aufwachte, war er über mich gebeugt und hatte...“ Anjaani schluckte, versuchte den Kopf zu drehen, doch er packte ihr Kinn. „Was hatte er getan?“, fragte Inuyasha grob. „Seine Hand lag an meiner Brust“, flüsterte sie leise, in der Hoffnung, er könnte es nicht hören. Inuyasha sog zischend die Luft ein, sagte aber nichts. Sie bemerkte nur, wie seine Muskeln sich unter ihren Händen anspannten. „Ich hab mich so erschreckt“, schauderte sie und drückte sich fester an ihn. „Ich bin ja da“, versuchte er sie zu beruhigen. „Aber wenn du nicht wach geworden wärst und geschrien hättest, hätte ich nichts mitbekommen“, gab er bitter zu. Traurig sah sie ihn an, und die Trauer überdeckte den Protest in ihren Augen nicht. „Ich wache ab jetzt an deinem Bett“, entschied er. „Was? Wozu?“ „Falls er wieder kommt!“ „Glaubst du das?“ „Wie ist er hereingekommen?“ „Durch das Fenster“, meinte sie kleinlaut. „Das Fenster war aber geschlossen gewesen, er hatte es erst zur Flucht geöffnet.“ „Wieso öffnet er es bei der Flucht, wenn er durchs geschlossene Fenster hereingekommen ist?“, knurrte Inuyasha irritiert. „Das interessiert mich grade nicht. Ich will nicht, dass du bei mir Wache hältst!“ „Ich habe Angst vor deinen Augen, wenn sie im Dunkeln glühen...“ „Du wirst mich nicht davon abhalten können.“ „Wachhund.“ „Wiederhole das!“ Ruckartig drückte er sie ins Kissen zurück. Die blitzenden Augen nur Zentimeter von ihren entfernt. Ihr süßer Atem wurde schneller, ihre Augen golden. „Wachhund“, hauchte sie. Seine Hände ballten sich und er zitterte leicht, doch nicht vor Wut. Wenn er sich jetzt nicht beherrschte, würde er über sie herfallen. Er lag ja schon halb auf ihr. „Ich beschütze dich und damit basta!“, presste er zwischen den Zähnen hervor und richtete sich auf, entfloh dem goldenen Rausch ihrer Augen. Sie war zu müde und zu aufgewühlt, um ihm irgendetwas auszureden. Wie gern würde sie ihm anbieten, sich wenigstens neben sie auf die Bettdecke zu legen. Aber sie wusste, an sowas durfte sie nicht einmal denken. Gerade eben hätte es auch gefährlich werden können. Und sowas durfte nicht wieder vorkommen. Also ließ sie ihn mit verschränkten Armen am Fußende ihres Bettes Platz nehmen. „Du kannst wirklich im Sitzen schlafen?“, fragte sie skeptisch, mied es, in seine Richtung zu sehen. Seine Augen leuchteten im Dunkeln und das war für Anjaani ein gruseliger Anblick. „Natürlich kann ich im Sitzen schlafen. Mach dir keine Sorgen um mich.“ „Ok, gute Nacht, Saajan.“ „Hm, gute Nacht.“ Sie schlief schneller ein als ihr „Wachhund“. Doch sie schlief unruhig. „Bitte nur 10 Schläge“, flehte sie irgendwann mitten in der Nacht ganz leise. „Die letzten Wunden sind noch nicht ganz verheilt.“ Inuyasha linste zu ihr rüber. Sie schlief tief uns fest. „Wer schlägt dich?“, fragte er gedämpft, um sie nicht zu wecken. „Meine Mutter.“ „Womit schlägt sie dich?“ „Mit dem Schürhaken.“ Inuyasha keuchte entsetzt auf. „Sind das die Wunden in deinem Herzen, die du heute Abend erwähnt hast?“ „Auch.“ „Ich dachte, die kommen davon, was dir dieser Verräter angetan hat.“ „Nein“, murmelte sie. „Raj war nur die Spitze des Eisberges. Meine Eltern waren genauso grausam. Ich war nie glücklich gewesen.“ Er beugte sich näher zu ihr, um ihr eine Träne wegzuwischen. Anscheinend verbarg sie viele Wunden. „Erzähl mir davon“, verlangte er. „Warum warst du nie glücklich?“ Doch sie antwortet nicht mehr und er wollte sie auch nicht wecken. Die Worte der roten Nervensäge fielen ihm wieder ein. Yoko hatte gesagt, er habe keine Ahnung, wie viel Leid Anjaani ertragen hatte. Nein, anscheinend hatte er keine Ahnung davon, obwohl er sich vorstellen konnte, dass ihre Eltern keine guten Menschen gewesen sein mussten, wenn sie ihre Tochter so im Stich gelassen hatten. Aber solange sie es ihm nicht sagen wollte, würde er sie nicht dazu zwingen. Anjaani hatte sich dabei ertappt, im Schlaf geredet zu haben. Aber Inuyasha war taktvoll genug gewesen, nicht weiter nachzufragen. Sie lauschte seinem tiefer werdenden Atem, bis er eingeschlafen war. Mit seiner Anwesenheit konnte sie sich immer noch nicht richtig anfreunden. Es war seltsam, ihn da zu haben, seine Silhouette zu sehen und seinem Atem zu lauschen. Dabei war immer die Furcht da, er könnte die Augen öffnen, die gelb glühenden Augen. Und doch war es schön, ihn bei sich zu haben. Schön und qualvoll, da er bei ihr war, ohne ihr nah zu sein. Dabei waren sie sich oft zu nahe gekommen, gefährlich nahe... sogar so nah... aber daran erinnerte sie sich zum Glück nicht. Dennoch hatte sie dieses Ereignis nie losgelassen. Wie war es gewesen? Wie hatte es sich angefühlt? Verdammt, wenn sie es doch nur wüsste! Es konnte nicht schlimm gewesen sein, wenn sie es auch gewollt hatte. Vorgestern erst hatte er wieder diese unstillbare, brennende Sehnsucht in ihr geweckt. Diese Sehnsucht, die nach seinem heißen Atem auf ihrer Haut flehte, nach seinen fordernden Lippen und seinen verlangenden Händen... und dieser Körper... Mit diesen Gedanken glitt sie in den Schlaf... tief in sehnsüchtige Träume. Tatsächlich träumte sie von den bestimmten Moment vorgestern Abend, als Inuyasha sie wegen ihrer Fehleinschätzung von Zuma gegen die Wand gedrückt hatte. Mit dem Streit davor hatte alles angefangen. Doch es endete ganz anders... Im entscheidenden Moment wachte sie mit hämmerndem Herzschlag auf. Ihr Mund war trocken, ihr Körper erhitzt und zwischen ihren Beinen kribbelte es. Was war das denn für ein Traum gewesen?! Fast hätte sie mit Inuyasha... „Oh du meine Güte!“ Panisch blickte sie um sich. Inuyashas Silhouette blieb regungslos, also war sie nicht laut gewesen. Oh, dem Himmel sei Dank! Sie hatte befürchtet, im Schlaf genauso gestöhnt zu haben, wie im Traum. Sie wäre gestorben, hätte er das mitgekriegt! Scham trieb ihr bittere Tränen in die Augen. Wieso träumte sie sowas? Das seltsam heiße und kribbelnde Gefühl zwischen ihren Beinen war wie ein Beweis für ihre Verdorbenheit. War sie jetzt eine Schlampe? Billig und abartig? Wieso wünschte sie sich, der Traum hätte an dieser Stelle nicht geendet? Wieso wünschte sie sich, Inuyasha hätte fertig gebracht, was er vorgehabt hatte? Sie voller Leidenschaft und Begierde genommen... Und wieso sehnte sie sich nach seiner Nähe? Wieso wünschte sie sich, dass er wach werden würde und ihren Traum wahr machen würde? Wieso musste sie sich diese Scham regelrecht aufzwingen? Leise fielen die Tränen der Scham. Der Traum war schöner gewesen, als die schmerzhafte Realität, die sie kannte. Schöner, als die unerträglichen Schmerzen, die Raj ihr zugefügt hatte. All die Qualen, die Demütigung und der Wunsch, nichts fühlen zu können... Aber war die Wirklichkeit anders, so wie in ihrem Traum? Waren es wirklich diese schönen, warmen Gefühle, die man dabei spürt? Wenn es wirklich so war... Plötzlich wünschte sie sich, die gemeinsame Nacht mit ihm wäre ihrer Erinnerung nicht verborgen. Dass sie sowas dachte! „Gott im Himmel, was macht er nur mit mir?“ „Anjaani, weinst du?“, erklang plötzlich seine Stimme. Sie antwortete nicht und hielt die Augen geschlossen, wusste sie doch, dass seine offen waren. Und dieser Anblick ängstigte sie zutiefst. Vorsichtig trat er zu ihr und betrachtete sie eingehend. Tränen rannen ihre Schläfen hinab, ihr Atem ging stockend und ihr Gesicht war schweißnass. Vorsichtig wischte er die Tränen fort, ohne sie zu wecken. „Du hast Schmerzen. So viele Schmerzen“, flüsterte er wehmütig. „Das tut mir leid.“ Er betrachtete sie noch eine Weile, bis ihr Atem gleichmäßiger wurde, bis sie tatsächlich eingeschlafen war. Dann postierte er sich wieder an seinen Platz. Von ihrem Gefühlschaos hatte er nichts mitbekommen. Inuyasha hatte auch einen Traum, der ihm den Schweiß auf die Stirn trieb. Allerdings war es ein eher unangenehmer Traum. Er träumte davon, dass die Drillinge bei Anjaani eingezogen wären und er sie wirklich jede Sekunde ertragen musste. Sie waren überall und zu jeder Zeit! Ein Alptraum! Bisher hatte er geglaubt, nichts sein schlimmer, als ein Tag mit den Drillingen. Doch da hatte er sich geirrt. Von ihnen geweckt zu werden, war weitaus schlimmer! Sein Traum endete zwar, doch der richtige Alptraum fing erst an, als er die Augen öffnete und in zwei verzückte, pinke Augenpaare blickte. Jedenfalls wurde Anjaani von seinem wütenden Gefauche geweckt. Sie brauchte nicht einmal die Augen zu öffnen, um zu wissen was los war. Mürrisch drehte sie sich auf den Bauch und vergrub den Kopf unter dem Kissen. Sie war immer noch fertig von ihrem erotischen Traum und hatte keine Lust auf Diskussionen mit ihm oder den Drillingen. Als es plötzlich ruhig war, blickt sie auf. Yoko und Yami musterten sie besorgt. „Aani, geht es dir gut?“ „Wem soll es denn gut gehen, wenn ihr hier wie die wilden Tiere rein stürmt“, knurrte Inuyasha wütend. „Wir sind nicht rein gestürmt“, verteidigte sich Yoko. „Du bist unser ja gar nicht gewahr gewesen, bis wir dich nicht aus deinem tiefen Schlummer gehoben haben.“ Mit einem verächtlichen Schnauben drehte Desidero den Kopf weg und trottete ins Bad. Yokos hochgestochenes Gerede regte ihn besonders auf. „Wir sind hier, um deine Verletzung zu heilen und dich zum Schneekönig zu begleiten.“ „Moment“, bemerkte Yami plötzlich überrascht. „Du hast dich vorhin auf den Bauch gedreht. Und jetzt wieder auf den Rücken. Tut dir das denn gar nicht weh? Wirken die Tabletten so gut?“ Erst jetzt wurde sich Anjaani dessen bewusst. Sie drehte sich auf den Bauch, krümmte, dehnte und streckte sich... doch der Schmerz war weg. Nichts tat weh, als wären ihre Rippen gar nicht gebrochen. Wie kam das denn? Keiner konnte sich das erklären. „Ich bin genesen...“ Inuyasha sah sie hochmütig an, als sie es ihm erzählte. „Das war dieser zwielichtige Typ, der mir entwischt ist.“ „Zwielichtiger Typ?“ „Glaubst du das?“ Anjaani ignorierte die fragenden Gesichter der Schwestern. „Ich bin mir sicher. Du hast doch gesagt, er hatte seine Hände an deiner Brust. Er hat dich wahrscheinlich geheilt oder sowas in der Art.“ „Wer hatte seine Hände an deiner Brust???!!!“ Die Augen der beiden Drillinge begannen zu leuchten. Knapp schilderte Anjaani ihnen die Geschehnisse der Nacht. Statt Besorgnis, empfanden die Zwei Begeisterung. Sie fanden es aufregend und wünschten sich selbst so erotischen, nächtlichen Besuch. „Apropos Besuch“, unterbrach Anjaani stammelnd. „Wo ist mein Häschen?“ „PMS. Sei froh, dass sie nicht da ist.“ „Hä?!“ Inuyasha erntete schelmisches Lachen. „Kurz vor Yukis Periode ist sie extrem geil und sexsüchtig“, erklärte Yami. „Diese Tage bleibt sie Aani immer fern. Und gerade du kannst froh sein, dass sie nicht hier ist, sie würde sich hemmungslos auf dich stürzen. Yuki ist in der Zeit nicht zu bremsen.“ „Ich habe mich geirrt, was euch betrifft“, schnaubte Inuyasha. „Ich dachte, ihr seid nicht normal. Nein, ihr seid komplett gestört!“ „Inuyasha!“ „Was denn?“ „Wer oder was es auch immer war, er hat deine Rippen geheilt“, schloss Yoko. „Also kann es niemand mit bösen Absichten gewesen sein.“ „Er hat sich in ihr Zimmer geschlichen!“, brauste Inuyasha auf. „Er hat dort nichts zu suchen!“ „Und was hast du dort zu suchen?“, wollte Yami wissen. Wie erwartet wurde er rot und fing an stottern zu. „I-ich hab sie nur be-beschützt! Nichts w-weiter! Ich- Boah, ihr regt mich auf!“ Fauchend stürmte er davon. „Müsst ihr ihn immer ärgern?“ „Er ist so hitzköpfig“, kicherte Yoko. „Tut mir leid, aber wir lieben das! Und du solltest dich für deinen Unterricht bereit machen.“ Anjaani fiel stöhnend ins Kissen zurück. „Ich will da nicht hin!“ „Deswegen gehen wir ja auch mit. Wenn Zuma glaubt, er kann ein paar einsame Grapschstunden haben, dann hat er sich geirrt!“ Yoko kicherte erwartungsvoll. „Ich freue mich, ihn fertig zu machen!“ Zuma war alles andere als begeistert, als er das Trio kommen sah, doch er ließ sich äußerlich nichts anmerken. „Sie einer an, die Higurashi-Hühner. Traust dich nicht alleine her, Arora“, begrüßte er sie mit eisigem Blick. Sie lächelte höflich und öffnete den Mund, als Yoko sie unterbrach. „Manche Leute sind gerne in Begleitung anderer Menschen“, lächelte sie giftig. „Man nennt sie auch Freunde.“ Yoko war als Schriftstellerin die wortgewandteste der Drillinge- und kaum einer war ihr überlegen. „Du nimmst den Mund mal wieder zu voll. Aber das bin ich ja gewohnt von dir.“ Yokos spitzzüngige Erwiderung, die sogar Yami erröten ließ, bekamen Anjaanis jungfräuliche Ohren nicht mehr mit, denn sie floh schnell ins Gebäude. Dieser niveaulosen Auseinandersetzung wollte sie aus dem Weg gehen. Wie sehr wünschte sie sich, Inuyasha wäre mitgekommen. Zuma würde sich dann sicher zurückhalten. Aber ihr berühmter Freund hatte einen Auftrag vom Dämonensondereinsatz gekriegt. Wenn sie wählen könnte zwischen dem Kampf mit einem blutrünstigen Dämon oder privaten Tanzübungen mit Zuma, würde sie wahrscheinlich Ersteres wählen. In die Drillingen hatte sie Hoffnung gesetzt und war nicht enttäuscht worden. Zumas Gesicht war ausdruckslos, aber an der unterdrückten Wut in den silbernen Fluten seiner Augen, sah Anjaani, dass Yoko die kleine Auseinandersetzung gewonnen hatte. Und er schaffte es nicht einmal, die Zwei hinauszuwerfen. Denn sein ahnungsloser Vater trat zu der fröhlichen Runde und freute sich über die Zuschauer. In seinen Augen bedeutete dies Werbung und Bekanntmachung seiner Tanzschule. Zumas Ärger über sein Versagen im Drillinge-Davonjagen, zeigte sich deutlich in seinem mürrischen Gesichtsausdruck, den er nicht mehr verbergen musste, sobald sein Vater den Raum verlassen hatte. Na das konnte ja heiter werden! Hoffentlich hielt sich Yoko nun zurück, die seit dem Wortgefecht munter und aufgestachelt war. Anjaani vermutete, dass Zumas Nähe und die damit wieder erweckten erotischen Gefühle für ihn, Yokos Blut und Temperament in Wallung gebracht hatten. Na dann konnte sie sich jetzt aber auf was gefasst machen! Anjaani seufzte innerlich schwer. Sie wusste ganz genau, dass beim Tanzen ein heißes Feuer zwischen Zuma und ihr loderte, wild und sinnlich. Und den Drillingen würde dies garantiert nicht entgehen. Sie hoffte wenigstens auf einen harmloseren Tanz, wie etwa den Walzer oder Discofox. Aber sie hatte dich geirrt. „Lateinamerikanische Tänze“, sagte Zuma bestimmt. „Wir müssen das Publikum einheizen, sie begeistern, sie regelrecht verführen, sodass ihnen die Sinne schwinden.“ „Oder sie erfrieren an deiner kalten Ausstrahlung“, warf Yoko spitz ein. Zuma verzog die Lippen zu einem müden Lächeln. Er wusste genauso gut wie Anjaani, dass die Chemie zwischen ihnen beiden beim Tanzen die Drillinge sprachlos machen würde. Er freute sich schon fast auf die dummen Gesichter und Yokos Neid. Ja genau, das würde ihn freuen. Das Kätzchen würde kochen vor Eifersucht, dass sie nie diese Leidenschaft in ihm hervorbringen würde, wie Anjaani es konnte. Vielleicht würde die Anwesenheit der Mädchen ja doch nicht so ganz unerträglich werden... Er spürte schon regelrecht das Verlangen in Yokos bohrendem Blick, obwohl er ihr den Rücken zugedreht hatte. Er war attraktiv und sie unersättlich. Doch seine Aufmerksamkeit galt dem eigentlichen Opfer. Er wusste, Anjaani hasste das Knistern zwischen ihnen, die spürbare Erotik und er würde es genießen, sie damit zu quälen. In ihren grünen Augen konnte man die Unsicherheit deutlich erkennen. Anjaani hatte auf unschuldigere Tänze gehofft. Das konnte sie vergessen! Dafür war sie aber erstaunlich kooperativ. Sie nahm seine Entscheidungen widerspruchslos hin. Ein sinnlicher Bauchtanz von ihr und danach zwei Paartänze. Sie schluckte, als sie seinen Salsa- Vorschlag hörte: „Represent Cuba“. Aber es war eines ihrer liebsten Lieder, also hatte sie keine Einwände. Wenn man es richtig tanzte, war es die reine Sünde. „Dies wird der Einstieg“, erklärte Zuma. „Es ist ein sehr sinnliches Lied“, sagte Anjaani nur. „Sehr körpernah.“ „Du hast es erfasst“, stimmte er ihr zu. „Wir werden kaum voneinander entfernt sein. Ich sehe, wir verstehen uns. Das erste Lied ist voller brennender Sehnsucht. Aber das zweite Lied muss mehr Feuer haben, es muss brennen. Im ersten Lied sehnen wir uns nacheinander, doch im zweiten, wenn wir der Sehnsucht nachgeben, muss die Luft vor Leidenschaft explodieren. Wie wäre es mit-“ Lange diskutierten sie hin und her. Ein Lied nach dem anderen fiel. Doch es musste zum ersten passen. Da fiel ihr ein Lied ein, eines ihrer liebsten. Es war eine sündiges Lied. Voller Feuer und Hingabe. Brennend, hemmungslos und wild. „Livin´la vida loca“, murmelte sie leise vor sch hin, mehr zu sich selbst. Für einen Moment weiteten sich Zumas Augen vor Überraschung. Doch im Nächsten Augenblick war sein Blick wieder emotionslos. Auch die Drillinge verblüffte dies. „Aani“, stieß Yokos Schwester mit ihrer unerwartet schönen Stimme aus. „Du weißt genau, wie heiß dieses Lied ist! Es ist Sex pur! Du selbst schimpfst es als pervers. Aber jedes Mal packt dich die Musik und du bewegst dich so heiß, dass wir Yuki festhalten müssen, damit sie nicht über dich herfällt.“ Zumas Augen blitzten. „So? Dann zeig mir wie du dich dazu bewegst.“ Unsicherheit und ein Anflug von Angst überschatteten Anjaanis grüne Augen. Doch ehe sie widersprechen konnte, suchte er schon die richtige Musik heraus. „Keine Widerworte, Dieses Stück war dein Liedvorschlag und ich freue mich schon darauf. Damit wäre das Schwierigste erledigt. Arora, wir verschwenden keine Zeit. Die Proben fangen sofort an. Erst ohne Musik. Wir üben uns zuerst in den Salsa ein. Represent Cuba, komm her!“ Wie ein Lamm auf dem Weg zur Schlachtbank sah sie aus, als sie sich ihm gegenüberstellte und die Hände in seine legte. Sie hatte sich eine Falle gegraben und war hineingefallen. Nun hatte er sie, wo er sie wollte. „Moment mal“, warf Yoko ein. Zuma seufzte hörbar genervt, drehte sich aber nicht zu ihnen um. „Wie könnt ihr einfach so zu Tanzen anfangen? Ohne irgendwelche Absprache, ohne Grundschritte, ohne Musik? Bist du sicher, dass du weißt, was Tanzen ist, Zumalein?“ Zuma belächelte diese Ahnungslosigkeit. „Wir kennen den Salsa, was mich betrifft jedenfalls. Warts ab, bis die Musik anfängt.“ Im Takt der Musik waren er und Anjaani eins. Zwei Körper mit einer Seele. Das würden sie noch früh genug bemerken. Da Anjaani nichts sagte, blieben die Drillinge stumm. Es war seltsam, wie konnten die zwei einfach so zu Tanzen anfangen? „Schließ die Augen“, flüsterte Zuma, dass nur Anjaani ihn hören konnte. „Hör die Musik... gib dich ganz in die Hände der Klänge.... dein Körper ist der Rhythmus... spüre es...“ Sie spürte es. Der lautlose Rhythmus begann durch ihren Körper zu fließen. Im Saal war es mucksmäuschenstill. Dann zog Zuma sie eng an sich. Und in dem Moment scheinen sich ihre Seelen zu verbinden. Stumm weiteten sich zwei pinkfarbene Augenpaare. Urplötzlich, wie auf ein unhörbares Signal hin, dass nur Zuma und Anjaani gehört haben mussten, fingen sie an zu tanzen. Sie schwebten durch den Saal. Wanden sich wie Flammen, sinnlich, lodernd im perfekten Einklang als wären sie Eins. Zumas Bewegungen schienen in ihre überzugehen, sie waren wie zwei miteinander verschmelzende und immer wieder trennende Körper. Den Mädchen blieb die Spucke weg. Noch nie hatten sie eine solch heiße Sehnsucht gesehen, ein regelrechtes Ineinanderfließen der Körper. Ein Rausch der Sinne. Ohne Worte, ohne Gesten vollführten die beiden perfekt aufeinander angepasste Bewegungen. Die Drillinge waren in sprachloser Faszination gefangen. So etwas Heißes hatten sie noch nie erlebt. Eine fast greifbare Sinnlichkeit. Doch es ging noch mehr, als die Musik anfing. Als hätten die zwei sich abgesprochen oder wochenlang geübt, vollführen sie einen Akt der Sinne auf dem Parkett. Ihre Körper verschmolzen mit der Musik. So etwas Erotisches, brennend Sehnsüchtiges hatten die Mädchen noch nie gesehen, ohne anzügliche Geräusche oder nackte Haut. Es war die absolute Verschmelzung von Geist und Seele. So kannten sie weder Anjaani noch Zuma. Dass Anjaani sich aufregend bewegen konnte, wussten sie, aber das hatte Anjaanis Grenze weit überschritten. Und Anjaanis Grenze war wirklich nicht weit. Anjaani jedoch hatte die Freundinnen ganz vergessen. So sehr sie Zuma abstieß und ablehnte, im Tanz waren sie vereint. In der Musik verschmolzen sie miteinander. Blind konnte sie ihm vertrauen, ahnte jede seiner Bewegungen und passte sich ihm wie ein Schatten an die Dunkelheit an. Die Körper fest aneinander gepresst, die Hüften schwingend, sanft aneinanderreibend, der Atem heiß und im Gleichtakt. Gemeinsam waren sie lodernde Flammen, die miteinander spielten- ein sinnliches Spiel- doch das Verzehrende fehlte, die Hitze fehlte. Anjaani ließ dies nicht zu. Zumas Feuer würde sie sonst verzehren. Sie sah die Erotik, sie lebte sie, aber sie wollte sie nicht spüren. Sie empfand keinen Funken Sehnsucht, obwohl sie füreinander brannten. Es war das Brennen zweier Körper, aber nicht zweier Herzen. Er weckte das Feuer der Sehnsucht in ihrem Körper, aber nicht in ihrem Herzen. Das war ein kompletter Widerspruch. Das Gefühl war nicht da... so wie es Inuyasha in ihr entfachen konnte. Für einen Moment wünschte sie sich, mit Inuyasha zu tanzen; in goldene und nicht silberne Augen zu blicken. Und für diesen traumhaften Moment verlor sie sich- und geriet aus dem Takt. Fast angewidert stieß Zuma ihre Hände von sich. „Sei gefälligst aufmerksam, du wirst nicht fürs Träumen bezahlt!“ Yokos Mund klappte empört auf, doch Anjaani hob die Hand. „Dann suchen Sie sich eine Bessere, Zuma-san“, war ihre leise Antwort. Zornesfalten bildeten sich zwischen Zumas Augenbrauen. Seine blitzenden Augen bohrten sich in ihre unschuldigen, großen Katzenaugen. Doch sie gab nicht nach, schaute ihn lieblich an. Wie wunderschön sie war... Mit einem herausfordernden Lächeln drehte sie ihm den Rücken zu. Zuma hasste es in der Defensive zu sein. Er packte ihre Oberarme und presste sie an sich. Erschrocken hielt sie die Luft an. Seine Lippen strichen über ihr Ohrläppchen. „Du hast dir einen Fauxpas erlaubt“, flüsterte er bedrohlich. Sein heißer Atem strich über ihren entblößten Hals. „Reize mich nicht, Püppchen, du bereust es sonst noch. Ich weiß, wie viel Feuer ich in deinem Körper entfache. Oh ja, ich weiß es“, lächelte er, als sie zusammenzuckte. „Und ich weiß auch, dass es dich anwidert.“ Bevor die Zuschauer einschreiten konnten, wirbelte er sie mit einer Drehung von sich. „Das nächste Lied ist wilder, Erotik pur. Es wird dich genug quälen. Kätzchen, mach die Musik an!“ Yoko verschränkte trotzig die Arme vor der Brust, also gehorchte Yami, jedoch nicht, ohne ihm einen tödlichen Blick hinzuwerfen. Oh ja, Zuma hatte Recht! Es quälte sie. Es quälte sie vom ersten Moment an. Zuma quälte sie. Mit seinen Händen, seinen Lippen und seinem ganzen Körper. Er bemerkte mit grimmiger Genugtuung, wie sie die Berührung seiner Hände verabscheute und wenn er ihren Kopf nach hinten bog, ihren Hals mit den Lippen entlangfuhr und genüsslich ihren süßen Duft einsog. Aber ihr Körper sehnte sich genau danach. Sie hatte dieses Lied vorgeschlagen und er würde sie bis aufs Äußerste leiden lassen! Stundenlang probten sie, bis in den Abend hinein. Und sie genoss keine Sekunde, musste doch ihr Herz gegen dieses Verlangen ankämpfen. Zuma packte die Leidenschaft aber mit aller Gewalt. Von Stunde zu Stunde wurde es stärker. Und damit nahm auch die Leidenschaft im Tanz zu. Er wehrte sich nicht. Anjaanis schwarze, herumwirbelnde Locken, die feucht schimmernde Haut und die glänzenden, riesigen Katzenaugen... Er wollte sie, und wie! Nach einen schwungvollen Drehung riss er sie voller Gier in seine Arme zurück und beugte sich tief herab, dass sie nur einen Meter über dem Parkettboden schwebte und umfasste ihren Hinterkopf, zog sie zu sich. Ihre bebenden Brüste fest an seiner Brust. Die Hände in seine Schultern gekrallt. Die saftigen, roten Lippen... „Du bist mein“, raunte er und beugte sich zu ihr runter. „Halt!“, schrie Yoko schrill. Anjaani richtete sich sofort auf und riss sich von Zuma los. Entsetzen lag in ihrem Blick und sie zitterte leicht. „Was ist denn“, fauchte er wütend. „Du sollst tanzen“, grollte sie. „Nicht über sie herfallen. Zuma, du Schuft, du wolltest sie küssen!“ „Hör zu, Fräulein Eifersucht!“ Er stemmte herausfordernd die Hände in die Hüften. „Die Grenze zwischen sinnlich und verboten ist sehr schmal beim Tanzen. Ich tue nur meinen Job, also misch dich da nicht ein. Wenn du dich so vernachlässigt fühlst, kann ich mich später um dich kümmern, Kätzchen. Wen haben wir denn da?“, wandte er sich der Tür zu. „Noch ein ungebetener Gast.“ Inuyasha betrachtete Zuma mit zusammengekniffenen Augen. „Was ist hier los?“ „Eine Tanztraining, falls dir das entgangen ist“, erwiderte Zuma kühl.„Dummerweise habe ich sehr nervige Störenfriede hier.“ Mit kurzem Blick auf die Drillinge lief der Dämon auf Anjaani zu, sein Magen knurrte laut und deutlich. „Anjaani, bist du bald fertig, ich habe Hunger.“ Die Zärtlichkeit, mit der sie den weißhaarigen Kerl anlächelte, versetzte Zuma einen leichten Stich. Aber er war fertig für heute und mit einem Dämon wollte er sich nicht anlegen. Vielleicht blieb ihm ja noch dieser gierige schwarzhaarige Drilling? „Wir sind fertig für heute, Arora“, meinte er nur. „Morgen um dieselbe Zeit. Wir proben deinen Bauchtanz, bevor der Auftritt anfängt. Und lass die beiden Hühner im Stall.“ „Können wir gehen?“, fragte Inuyasha ungeduldig. „Natürlich“, nickte sie und gemeinsam verließen sie nach 10 Stunden endlich die Tanzschule. Nur Yoko blieb zurück, als sie sah, dass Zuma sie intensiv beobachtete. Mit einem kühlen, erotischen Lächeln kam er auf sie zu. „Hat dir gefallen, was du heute gesehen hast?“, fragte er leise zu ihr gebeugt. „Ich weiß, dass du meine Eifersucht gespürt hast, Zuma“, lächelte sie. „Und du weißt, wie sehr ich dich jetzt will.“ „Die schwarzen Haare stehen dir. Ansonsten hast du dich nicht verändert, Kätzchen.“ Ungeduldig riss er sie in seine Arme. „Wild und ungezügelt?“, hauchte er an ihren Lippen. Sie erwiderte den Kuss, doch bevor ihr die Sinne schwanden, schob sie ihn sacht von sich, die Fingen in seine festen Brustmuskeln gekrallt. „Ja, wild und ungezügelt!“ Ihre Zähne streiften seine Lippen. „Aber nicht heute, Zumalein.“ Sie drehte sich lachend um und stolzierte hinaus. „Auf wiedersehen!“, flötete sie. Als sie zu den anderen stieß, war Yami schon mit Feuereifer dabei, Inuyasha vom Training zu erzählen. Anjaani blickte beschämt zu Boden und der Hanyou schäumte vor Wut. „Was habt ihr da getrieben!!!“, donnerte er. „Es war nur Tanzen“, verteidigte sie sich, ohne aufzublicken. „So ist nun mal richtiges Tanzen. Man drückt sich mit dem Körper aus, deswegen ist die Grenze zwischen sinnlich und verboten sehr schmal. Bitte, Yoko-Neko, sag's ihm!“ „Komm, Inuyasha“, beschwichtigte ihn Yoko. „Tanzen ist nun mal sinnlich.“ „Sinnlich!“, rief Yami ungläubig aus. „Das brannte richtig, das war besser als jeder Porno! Hätte Yuki sie so gesehen... du meine Güte! Ab heute kenne ich den Unterschied zwischen verrucht und erotisch. Und ich muss zugeben, ich habe bis heute nie wirklich gewusst, was wahre, prickelnde, sinnliche Erotik ist.“ Anjaani hätte heulen können. Erst diese unerträglichen Tanzstunden, die sie nicht ganz so kalt gelassen hatten, wie sie gehofft hatte und dann Inuyashas wachsender Groll. Und die Drillinge machten alles nur noch schlimmer. So schlimm, dass Inuyasha der Appetit vergangen war. Aber schlussendlich siegte sein leerer Magen. Nur seine Laune war so mies, dass die Drillinge sich schnell verkrümelten. Missmutig hockte er vorm Fernseher. „Endlich sind wir allein“, hauchte sie erleichtert. Er brummte nur. Selig schlang sie die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. „W-w-was m-machst du d-da?“ Inuyasha versagte die Stimme. „Ich habe dich so vermisst!“, rief sie schon fast verzweifelt. „A-a-aber...“ „Bitte lass mich. Ich brauche deine Nähe. Den ganzen Tag war ich an Zuma gepresst, musste mich von ihm anfassen lassen. Selbst waschen hat nichts geholfen!“ Mit flehenden Augen sah sie ihn an. „Bitte halte mich in den Armen. Ich brauch das Gefühl von Geborgenheit!“ Als er nichts sagte, kuschelte sie sich an seine Seite und er legte den Arm um sie. „Und meine Nähe stört dich nicht?“, fragte er leicht verunsichert. „Nein, bei dir fühle ich mich sicher. Das weißt du doch. Außerdem duftest du so gut.“ „War es wirklich so, wie die Nervensägen erzählt haben?“, fragte er vorsichtig. Sie ließ sich Zeit mit der Antwort. „Das Wesen des Tanzes ist so. Nur wer mit seinem Körper solche Gefühle ausdrücken kann, ist ein guter Tänzer.“ Er nickte leicht, weil er sich erinnerte, welche Gefühle sie damals auf der Discotanzfläche in ihm ausgelöst hatte. Sie und der Alkohol. „Es stimmt, dass Zuma und ich perfekt beim Tanzen harmonieren. Aber mehr auch nicht. All das, was beim Tanzen zwischen uns ist, fühle ich nicht“, gestand sie. Sie wollte dass er es begriff. Er verstand das Tanzen nicht. Also legte sie ihren liebsten Tanzfilm in den DVD-Player. Inuyasha sagte den ganzen Film über nichts, aber er lächelte leise. „Unschuld und Verlangen sind perfekt gepaart in dir.“ „Was hast du gesagt, Saajan?“ „Nichts“, meinte er nur. „Ich glaube, ich verstehe langsam.“ „Trotzdem möchte ich nicht, dass du beim Auftritt zuschaust.“ „So ein Schwachsinn“, knurrte er. „Morgen bin ich beim Auftritt dabei, das ist mein letztes Wort!“ „Mir geht’s gut“, beschwichtigte Yuki ihre Schwestern am Handy. „Ich werde mir Aanis Auftritt aus sicherer Entfernung ansehen und wer weiß, vielleicht begegnet mir ein süßer Kerl. Sagt ihr, dass ich sie liebe, ja?“ Sie hasste diese zwei oder drei Tage vor ihrer Periode. Es durstete sie nach nackter Haut. Sie wollte Sex! Sofort! Jeden hübsche Kerl, der ihr auf dem Weg zum Straßenfest begegnete, wollte sie am liebsten anspringen. Sie hätte zu Hause bleiben sollen... Plötzlich legte sich eine Hand auf ihren Mund und sie wurde an einen harten Körper gedrückt. Yukis Herzschlag beschleunigte sich, als sie tief in eine dunkle Gasse zwischen zwei großen Hochhäusern gezerrt wurde. Der Fremde, dessen attraktives Gesicht schwach im Zwielicht der Gasse zu erkennen war, presse sie keuchend gegen die Hauswand, eine Hand fand unter ihren Rock. Yukis Körper spannte sich an, ihr Schrei erstickt zwischen den Fingern dieses Fremden. Ihre Haut entflammte. Jede andere Frau hätte Angst, Anjaani würde sterben. Doch Yuki hatte genau so etwas gewollt. „Wehe, du machst einen Mucks. Ich will nur ein bisschen Spaß.“ Dann stutzte er, als er fühlte, dass die schöne junge Frau die Situation mit ganzem Körper genoss, seine Hand glitt von ihrem Mund. Yuki zog ein Kondom zwischen ihren bebenden Brüsten hervor. „Dann fang endlich an, sonst verdirbst du dir deinen Spaß.“ „Was ist mit dir passiert?“, wunderten sich ihre Schwestern Yoko und Yami, die sie im Festgetummel entdeckte. „Du siehst aus, als wärst du ordentlich durchgenommen worden.“ „Oh, ja“, nickte Yuki glücklich und strich sich das zerzauste braun-schwarze Haar glatt. „Irgendein Fremder hat mich in eine Seitengasse geschleift.“ „Sag bloß, du wurdest wieder angefallen?“ „Oh, Gott! Und wie!“ „Wieso passiert sowas eigentlich immer dir“, beschwerte sich Yoko. „Was war das für ein Typ?“ „Ich habe keine Ahnung, es war zu dunkel.“ „Und wie geht es ihm jetzt?“ Yuki lachte auf. „Wie wohl? Hab ihn da liegen lassen, so erschöpft wie der war.“ „Das ist meine Schwester“, klatschte Yami sie ab. „Willst du wissen, was Aani letzte Nacht passiert ist?“ Was Yuki genauso begeisterte, wie in Eifersucht versetzte, hatte Anjaani am nächsten Morgen völlig vergessen. Ihre Hauptsorge war es, Inuyasha am Zusehen ihres Auftrittes nicht hindern zu können. Doch er bestand darauf. Und ausnahmsweise gewann er mal eine Auseinandersetzung. Zuletzt musste sie sich eingestehen, dass seine Anwesenheit nicht so schlimm war wie erwartet. Sie konnte ihre Bauchtanzperformance perfekt, also verbrachten sie einen unbeschwerten Tag miteinander. Inuyasha, der sich von ihrem heißen Tanz erholen musste, genoss das Fest sichtlich. Und obwohl die Leute ihn anstarrten und über ihn tuschelten, wagte sich keiner, ihn anzusprechen. Zuma waren sie nach dem Training nur einmal begegnet, am Infostand der Tanzschule. Flyer wurden verteilt und Durchsagen über den Tanzauftritt schallten hier und da durch die Lautsprecher. Anjaani wollte nicht daran denken. Doch das Klirren der kleinen Goldkettchen in ihrem kostbaren, reich verzierten roten Sari erinnerte sie an den bestehenden Bauchtanzauftritt. Zuma hatte ihr Outfit kurz kritisch beäugt, aber nichts gesagt. Wahrscheinlich konnte er sich nicht vorstellen, wie man in einem Sari bauchtanzen konnte. Zähneknirschend nahm er ihre bedeckten, auch noch geflochtenen Haare hin. Zur Not wurde er ihr diesen blöden Schleier samt Haargummi wegreißen! Jedenfalls zog ihr prunkvoller Anblick genauso viele Blicke auf sich, wie ihr Dämonenfreund. Dieser hatte gerade, dank Anjaanis Tipp, die deutsche Currywurst für sich entdeckt. Er verputzte nun die Dritte. Der deutsche Budenbesitzer, ein bekannter von Yukis, Yokos, und Yamis deutscher Mutter, war über seinen Hunger so erfreut, dass er ihm alles kostenlos gab. Dafür gab Inuyasha ihm ein Autogramm. „Das ist eine seltsame Art zu zahlen“, wunderte sich der Hundedämon wenig später. „Mit dem Namen auf einem Zettel... seltsam.“ „Das nennt man eine Signatur, oder in deinem Fall auch ein Autogramm“, lachte Anjaani. „Die Leute wollen immer, dass sie den Namen von einer berühmten Person irgendwo aufgeschrieben bekommen.“ „Wozu das denn?“ „Hey, ihr Süßen!“, tauchte Yami aus der Menge vor ihnen auf, dicht gefolgt von Yuki und Yoko. Inuyasha gab nur ein Grummeln als Antwort. Aus die friedliche Zweisamkeit. „Wow, mein Herz! Ist das dein Hochzeitssari? Du siehst aus wie eine indische Königin!“ „Danke, aber was machst du hier, Yuki-Hase?“, wunderte sich Anjaani. Yuki zwinkerte anzüglich und Anjaani begriff sofort. „Wieder ein Fremder hinter einem Busch?“ „Dunkle Seitengasse“, grinste Yuki. „Wie geht es ihm?“ „Das übliche.“ „Erspare mir bitte Details, ja?“ „Du bist krank“, warf Inuyasha ein, der den Sinn der Unterhaltung begriffen hatte. „Irgendwie musste ich doch Dampf ablassen“, verteidigte sich Yuki. „Wär's dir lieber gewesen, wenn ich mich auf dich gestürzt hätte?“ Yoko stieß den aufgrollenden Inuyasha zur Seite. „Aani, Zumalein sucht nach dir.“ Anjaani nickte nur erst, dann verschwand sie in der Menge. Inuyasha blickte ihr besorgt nach. „Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis sich diese sorgenvoll glimmenden Augen mit brennender Eifersucht füllen“, rätselte Yoko. „Warum?“, meinte er nur knapp, immer noch wütend auf sie. „In zehn Minuten beginnt ihr Auftritt, du wirst schon sehen. Es wird besser sein als die Probe. Komm, wir stellen uns in die erste Reihe.“ So warteten die Vier vor einer eingezäunten, improvisierten Tanzfläche. Anjaani trat aus einem Zelt neben dem Infostand und stellte sich mitten auf die Tanzfläche. Dass sie von allen Seiten angestarrt wurde, schien sie nicht zu bemerken. Sie war eine wunderschöne Erscheinung, vom goldenen Strahlen all der Perlen Kettchen und Ringen umhüllt. Sie sah aus wie eine Himmelserscheinung. Immer mehr Leute versammelten sich um die Absperrung, um sie betrachten zu können. Je länger Anjaani dort still stand, desto deutlicher spürte sie die Blicke wie Dolche in ihrem Körper. Allein Inuyashas neugieriges Gesicht löste den Knoten der Anspannung in ihrem Bauch. Immer, wenn er neugierig war, zuckten seine Ohren. Stumm kicherte sie in sich hinein; das war so süß! Sie beobachtete, wie die Masse um sie herum größer wurde. Genau wie Zuma es prophezeit hatte. Sie erblickte sogar drei der Kameras, die den Auftritt auf Bildschirme projizierten, die überall über den ganzen Festplatz verteilt waren, damit ja keinem dieses Spektakel entging. Na hoffentlich ging das gut! Langsam erklang die Musik, weiche, wellenartige Klänge, die ihren Körper sacht in Schwingung brachten. Die Musik löste alle Anspannung in ihr und die vergaß die Menschen um sich herum. Fließend wog ihr Körper im Takt mit. Der Rhythmus floss von ihren Füßen hinauf in ihre Fingerspitzen und erfüllte sie komplett. Inuyasha starrte sie mucksmäuschenstill an. Seine Aufmerksamkeit galt ihr allein. Er war wie gebannt von diesen weichen, geschmeidigen Bewegungen. „Wow“, hauchte Yami. „Wie eine Welle im Meer. Das man sowas mit dem Körper machen kann...“ Damit sprach sie aus, was er dachte. Bei ihrem Anblick vergaß man ganz, dass sie aus festen, steifen Knochen bestand, so fließend und klar waren ihre Bewegungen. Es war wie Hypnose- sie fesselte Körper und Sinne. Ihre Sinnlichkeit verschlug ihm die Sprache. Doch mit einem plötzlichen Trommelschlag wandelten sich die wogenden, lasziven Töne in heiße, flammende Rhythmen um. In dem Moment, in dem der Schleier von ihrem Kopf glitt, löste sich ihr Haar und wurde vom Wind erfasst, wie schwarze, wilde Flammen. Die Menge hielt hörbar den Atmen an. Und Sanftheit wurde zu Leidenschaft, brennender, wilder Leidenschaft. Es gab keine Worte, um dieses Schauspiel zu beschreiben. War sie vorhin noch fließend und zart wie Wasser gewesen, so brannte sie nun, wild und ungezügelt wie das Feuer. Flackernd, verzehrend, voller Wildheit, Leidenschaft und... und Erotik. Inuyasha spürte die Hitze in sich aufsteigen und wollte sich abwenden, doch er konnte nicht. Nichts war schöner, als Anjaani in voller Hingabe. Alles an ihr schien zu brennen, sogar die schwarzen Locken. „Und dabei ist sie gut angezogen“, murmelte Yami. „Was?“, raunte Inuyasha ihr zu. „Guck, sie trägt diesen Sari. Bauchtänzerinnen tragen normalerweise weniger, damit ihr Körper gut zu sehen ist, vor allem der Bauch. Aber sie ist unvergleichlich schön...“ Zuma war zufrieden mit Anjaani. Anfangs war er gegen diesen Sari gewesen, aber er merkte, dass dies eine gute Idee war. Er ließ sie anmutig und prachtvoll erscheinen und betonte die Kunstfertigkeit ihrer Bewegungen und ließ sie nicht billig wirken. Außerdem war ihre Performance einsame Spitze. Die Szene mit dem entfesselten Haar hatte ihn umgehauen. Das musste er zugeben. Er ließ die Augen über die Zuschauer gleiten. Stumme Faszination las er in den Gesichtern. Er selbst hatte die größte Mühe, sie nicht in hilfloser Begeisterung anzustarren. Er war sicher, sie würde in vielen Frauen die Lust auf Bauchtanz wecken. Schließlich war Anjaani reinste Magie. Mit einem Trommelwirbel endete das Lied, die Menge brach augenblicklich in tosenden Beifall aus, der anschwoll und immer lauter und lauter wurde, sodass Anjaani sich beherrschen musste, sich nicht die Ohren zuzuhalten. Als Zuma mit einem Mikrophon in der Hand vor sie trat, beruhigte sich die Menge nach und nach. „Das meine Damen und Herren war eine Darbietung unserer Bauchtanzlehrerin Aurora Luna. So unnahbar und unschuldig wie der Mond. Und so lieblich und feurig wie die Morgenröte.“ Während Zuma zur euphorischen Menge sprach, Anjaani anpries, die nun einen Künstlernamen hatte, und die Vorzüge des Bauchtanzes erklärte, verschwand Anjaani im Zelt und zog sich um. Halbwegs nur lauschte sie Zuma, der auch vom Zauber und der Sinnlichkeit der lateinamerikanischen Tänze sprach. Keine Frau könne einem Mann widerstehen, der tanzen konnte, vor allem mit dem Feuer des Salsa. Stumm lächelte sie. Leider musste sie ihm in dem Punkt zustimmen. Gerade rechtzeitig hatte sie das kurze, rote Kleid angezogen. Mit einer schwungvollen Drehung wirbelte sie in Zumas Arme, als der Rhythmus begann. Die Menge klatschte begeistert bei diesem gelungenen Auftakt. Inuyasha merkte schnell, warum Anjaani nicht gewollt hatte, dass er zuschaute. Erst war er hingerissen von diesem Kleid, das alles an ihr perfekt betonte, von der Schwärze ihrer Locken, bis zur Länge ihrer Beine. Aber da war noch Zuma. Es war haargenau, wie die Drillinge berichtet haben. Das war Fleisch gewordene Erotik, heißer als alles bisher gesehene. Er schluckte schwer. Dies erinnerte ihn an die Nacht in der Disco, nur dass seine Sinne getrübter gewesen waren als jetzt. Der Anblick ließ ein Feuer in ihm auflodern, unentrinnbar und verzehrend, genauso wie die zwei Tanzenden. Die zwei Körper, die sich in brennender Sehnsucht umkreisten, flehend, verlangend, begehrlich... Und mit dem zweiten Lied wurde alles noch viel schlimmer. Mit dem zweiten Lied, gaben sie der Sehnsucht nach. Das Feuer explodierte in reinem Verlangen. Es war abartig, er kochte vor Eifersucht und doch konnte er diesem unerträglichen Anblick nicht entgehen. Noch nie in seinem Leben verspürte er diese reißende Eifersucht, sie machte ihn krank! Sie sollte ihn so berühren, ihn so ansehen, ihn so verführen. Ihn, verdammt noch mal! Und Zumas verfluchten Hände, seine Blicke, seine Lippen! Wie er ihn doch hasste! Aus tiefstem Herzen hasste er ihn! Er wollte diesen Bastard zerfetzen, zerfleischen, ihm die Hände abreißen, die sich über ihren Körper hermachten. Nein, er konnte nicht mehr! Würde er noch länger zusehen, würde er diesen Mistkerl umbringen. Deshalb drehte Inuyasha sich weg und rannte davon. Abseits vom Festgetümmel, im Park am sanft schimmernden See, flüchtete er auf einen hohen, knorrigen Baum. Sein Blut brannte mit seinem Zorn um die Wette. So oft er auch schluckte, der bittere Geschmack verschwand nicht aus seinem Mund. Anjaani hatte verdammt noch mal Recht gehabt, er hätte nicht zuschauen sollen! Bis sein Verlangen nicht abgekühlt war, durfte er nicht in ihre Nähe kommen. Doch irgendwann fand sie ihn. „Saajan? Ich suche dich seit einer Stunde“, rief sie zu ihm hoch. Im Null Komma Nichts stand sie barfuß auf dem dicken Ast, auf dem er saß. Dieses rote Kleid war einfach umwerfend! Ihr Dekolletee wippte bei jeden Schritt. Sie trug keinen BH drunter... Der sündige Gedanke ließ seine Wut neu aufglühen. Sie musterte ihn mit einem reuevollem Blick. Er starrte ihr tief in die Augen. Mit einem Seufzer setzte auch sie sich hin. „Ich hab doch gesagt, du solltest nicht zuschauen. Aber du hörst ja nie auf mich.“ Er sagte nichts, wendete die goldenen Augen jedoch nicht von ihr ab, was sie nervös schlucken ließ. „Jetzt hast du es gesehen, den Unterschied zwischen Film und Wirklichkeit. Wenn du die Sinnlichkeit spüren kannst. Das ist Tanzen“, sagte sie unschuldig. „Mehr nicht.“ „Wo ist Zuma?“ „Der kümmert sich um die interessierten Leute“, winkte sie ab. „Ich habe jetzt genug von seiner Nähe. Kannst du dir nicht vorstellen, dass es mich anwidert, ihm so ausgeliefert zu sein?“ „Sicher... Warum machst du das dann?“ „Weil tanzen der einzige Traum ist, der sich mir je erfüllt hat.“ „Ich habe von Familie, Liebe und Geborgenheit geträumt“, dachte sie bitter. „Aber nichts davon hat sich erfüllt.“ „Außerdem“, lächelte sie ihn aufmunternd an. „Ich werde nicht mit Zuma tanzen. In der Tanzschule werde ich allein unterrichten.“ „Jedenfalls hoffe ich das.“ „Jetzt sei nicht mehr sauer ja?“ Sie legte ihm versöhnlich die Hand auf den Oberarm. Die schlanken, langen Finger schmiegten sich um seine Haut. „Ich will jetzt einfach nur bei dir sein.“ „Kannst du haben“, meinte er und lehnte sich genüsslich zurück. „Ich habe gerade nichts besseres zu tun.“ Ihr leises Lachen entlockte ihm dann doch ein kleines Lächeln. „Ich liebe die Natur“, seufzte sie dann. „Es gibt nichts Schöneres, als draußen zu sein, umgeben von diesem herrlichen Grün. Es ist so entspannend, es ist alles, was die Seele braucht, um glücklich zu sein. Ich liebe Bäume!“ Er hatte sich gegen den Stamm gelehnt und die Augen geschlossen, doch er hörte ihr zu. „Was liebst du am meisten?“ „Die Sonne“, antwortete sie, ohne zu zögern. „Ich liebe sie sogar mehr als Kinder. Am schönsten ist sie, wenn sie gerade untergeht.“ „Ach deswegen verpasst du keinen Sonnenuntergang?“ „Warum liebst du Bäume?“, fragte sie, wollte dieses Thema nicht vertiefen. Ohne die Augen zu öffnen, antwortete er: „Wahrscheinlich aus den selben Gründen wie du.“ „Irgendwann, wenn ich ganz viel Geld verdient habe, bauen wir uns ein Baumhaus.“ „Ein Baumhaus?“ Jetzt war er überrascht. „Ja“, nickte sie begeistert. „Ich habe schon immer davon geträumt in einem Baumhaus an einem Wald zu wohnen. Das Baumhaus ist ganz rund, keine eckigen Wände. Und es hat drei Stockwerke. Es ist um den Baum herum gebaut.“ „Und wie kommen wir da rauf?“, fragte er belustigt. „Ich meine, wie kommst du rauf? Ich kann springen.“ „Um den Baumstamm herum sind Treppenstufen“, rief sie, als wäre das selbstverständlich. „Durch die Falltüre kommen wir rein. Dort ist die Küche und der Essbereich. Im zweiten Stock das Wohnzimmer. Und-“ „Im dritten Stock das Schlafzimmer“, riet er und unterbrach kurz ihre Schwärmerei. „Jap und das Bad! Ein Balkon führt um jedes der Stockwerke herum...“ „Und das Dach ist ganz flach, damit wir da liegen können und die Sterne durch das Blätterdach betrachten können. Und dabei deine Kekse essen.“ Glückselig lächelnd sah sie ihn an und nickte. Er wäre jetzt rot geworden und hätte sich geschämt, doch irgendwie war ihm das vor ihr nicht unangenehm. Es war ein schöner Traum. Ein gemeinsamer Traum. „Und weiter?“, fragte er dann milde lächelnd. „Toiletten haben wir keine. Dafür ist der Wald da. Aber ich will eine große, handgeschnitzte Badewanne.“ „Die ich schnitzen darf, vermute ich mal“, sagte er skeptisch. „Genau! Strom haben wir auch keines, nur Mondenschein und Kerzenlicht. Und der Fluss dient uns zum Waschen.“ „Und wo soll unser Baumhaus stehen?“ „Dort, wo wir gepicknickt haben, damals am Fluss. Das Land gehört mir.“ Mit einem Ruck setzte er sich senkrecht hin und starrte sie entgeistert an. „Wie, das Land gehört dir?“ „Alles, was der Bannkreis umfasst, war im Besitz meiner Eltern, aber sie haben es mir zur Hochzeit vermacht. Naja, mir und Raj, aber er hat die Besitzurkunde nie unterschrieben.“ „Das wusste ich nicht!“, rief er vorwurfsvoll aus. „Wann hätte ich es dir denn sagen sollen? Wie du dich vielleicht erinnern magst, hat der Tag nicht so perfekt geendet.“ Daraufhin verstummte er und zog sich wieder zurück. „Das ist ein schöner Wunsch“, sagte er dann nach einer Weile. „Es wäre schön in diesem Baumhaus zu leben.“ „Vielleicht“, meinte sie. „Aber die Drillinge würde ich dann nicht so oft sehen, der Weg ist zu weit...“ „Wirklich?“ Er sprang begeistert auf. „Dann lass es uns sofort bauen. Auf der Stelle!“ Er packte sie voller Übermut und sprang mit ihr vom Baum. „Hey, du Spinner!“, rief sie lachend und schlang die Arme um seinen Hals. „Sag bloß du genießt ihre Nähe nicht.“ Er verzog übertrieben angewidert das Gesicht. „Nicht wirklich.“ „Und meine Nähe genießt du?“ „Ja“, sagte er. Sie sahen sich stumm in die Augen. Er hatte nicht bemerkt, dass er die Hände auf ihre Hüften gelegt hatte. Es war wie ein zarter Zauber. Sie versanken in den Augen des jeweils anderen. Sie in diesen goldenen Fluten, er in ihren grünen Tiefen. „Warum versteckst du deine Augenfarbe“, fragte er leise. „Weil ich sie nicht mag. Meine Mutter sagte immer, ich habe Teufelsaugen. So dunkel wie die Hölle.“ Ganz leicht schwang Schmerz in ihrer Stimme mit, den er nicht überhörte. „Aber ich mag deine Augen. Sie sind viel schöner so, als wenn du sie grün färbst. Ich vermisse diesen goldenen Ring.“ Es war seltsam, ungewöhnlich und doch schön. Er wusste es war nicht seine Art, aber sie löste diese Zärtlichkeit in ihm aus. Schließlich war er ihr Beschützer. „Ich habe noch nie schönere Augen als deine gesehen“, wisperte sie plötzlich und errötete dabei so süß. Augen, brennend wie der Sonnenuntergang. Auch ihm stieg die Röte ins Gesicht. Es war ein gefährlicher Moment, aber keine wagte es, diese zarten Bande zu trennen. „Tanzt du mit mir?“ Die Frage traf ihn unerwartet. „Nein“, sagte er und wandte den Blick ab. „Ich wünsche es mir.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um auf seiner Augenhöhe zu sein. Es reichte nicht ganz. „Ich wünsche mir nichts mehr als das. Mit dir zu tanzen, unter dem Sternenhimmel, in einem zartrosa Kleid aus weichem Chiffon.“ Er konnte nicht verhindern, die Hand an ihre Wange zu legen, die Sehnsucht in ihren Augen überwältigte ihn. „Erwartest du das von einem Mann?“ „Vielleicht. Es gibt drei Dinge, die mir beweisen würden, dass mich ein Mann wirklich liebt.“ „Und die wären?“ „Er soll mit mir tanzen, wenn ich ihn darum bitte. Er soll für mich seine ganze Vergangenheit hinter sich lassen. Und er soll um mich weinen.“ „Und gibt es etwas, womit du deine Liebe beweist?“ Sie errötet, doch ihre Augen waren fest auf seine geheftet. „Ja.“ Die Finger an ihrer Wange schmiegten sich um ihre Nacken, zogen sie zu seinen brennenden Lippen. „Arora!“ Zumas Stimme ließ sie zusammenschrecken. „Ich suche dich überall!“, rief er vorwurfsvoll und schaute vom einen zum anderen. „Ich bin beschäftigt“, sagte sie lieblich. „Was gibt es denn?“ „Ich brauche dich jetzt. Die Leute wollen Aurora Luna. Komm mit!“ Inuyasha trat mit einem leisen Knurren vor sie, das Zuma zurücktreten ließ. „Anjaani sagte, sie habe keine Zeit.“ „Montag um 8 Uhr bist zu im Studio. Dich erwarten eine Menge Schüler.“ Mit einem eisigen Blick drehte er sich auf dem Absatz um und stolzierte davon. „Wow“, schaute Anjaani ihm hinterher. „Du hast ihn tatsächlich verjagt, Saajan!“ „Ich glaube, das war ich dir schuldig.“ Leise vor sich hin fluchend tauchte Zuma in der Festmenge unter. Es hatte ihm etwas ausgemacht, sie mit diesem Dämon zu sehen. Nein, sie mit diesem Dämon zu erwischen! Es hatte ihm mehr ausgemacht, als er sich eingestehen wollte. Sie hatten sich in den Armen gestanden, nah beieinander. Und Anjaani hatte diesen silberhaarigen Teufel so voller Liebe angelächelt, dass ihm ganz schlecht geworden war. Sie waren sich so nah im Tanz, so vertraut, aber hierbei konnte er nicht mithalten. Doch er würde nicht aufgeben! Er würde sie kriegen, komme was wolle! Beim Tanzen gab es keine Grenzen. Die Grenze zwischen nah beieinander und miteinander verschmolzen war schmal. Zwischen sinnlich und verboten. Und diese Grenze würde er zerstören! Hosted by Animexx e.V. 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