Abschied und Wiedersehen von TeZ (Vom Leben und Sterben) ================================================================================ Kapitel 2: Katsu benimmt sich komisch ------------------------------------- Zweites Kapitel: Katsu benimmt sich komisch Als ich klingele meldet er sich wie schon heute Mittag mit einem unbestimmten Laut, doch jetzt lache ich nicht, ich bin niedergeschlagen und weiß nicht warum. „Hier ist Ryo“, nuschele ich nur und er öffnet mit einem surren die Tür. Es ist warm im Treppenhaus und das Licht taucht alles in einen sanften Schein; ein krasser Kontrast zu mir. Ich gehe hinauf ins Dachgeschoß wo Katsu schon in der Tür steht, aber nicht so lässig wie noch heute Mittag, sondern besorgt, fast schon etwas ängstlich. Seine ganze Haltung drückt Anspannung aus. Lustlos schlurfe ich die Treppe hinauf und Katsu tritt zu Seite als ich an ihm vorbei schreite, die Jacke nachlässig über einen Haken hänge, die Schuhe ausziehe und dann mit dem Rücken zu ihm stehen bleibe. „Ryo, was ist los mit dir?“, fragt er, doch ich sehe ihn immer noch nicht an, will nicht mit ihm reden. Plötzlich legt er mir die Hand warm um die Schultern und bugsiert mich ins Wohnzimmer und ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie gut mir das tut. Bestimmt drückt er mich aufs Sofa, setzt sich neben mich und bittet: „Sie mich an!“ Jetzt, mit seinem warmen Körper dicht neben meinem raffe ich mich endlich auf und sehe ihn an. In seinen Augen liegt Besorgnis, fast Angst und ich murmele nur: „Mir geht’s grad nicht so gut!“ Er legt mir vorsichtig eine Hand auf den Oberschenkel und ich zucke zusammen, diese Hand ist so weich, so warm, ich will sie nicht loswerden und trotzdem… trotzdem bin ich angespannt, seine Hand ist mir fast etwas peinlich und tut doch so unglaublich gut. Hach, vielleicht ist es egal wer oder was er ist, denn es tut gut… sollte es egal sein, dass er ein Kerl ist oder mein bester Freund oder der Bruder meiner kürzlich verstorbenen Geliebten? Ich glaube ja, im Moment ist es das. Langsam lehne ich mich zurück und schließe die Augen, genieße einfach seine Nähe und schiebe meine Gedanken in weite Ferne. „Willst du mir sagen was los ist?“, schnurrt er und schmiegt sich an mich. Ich lege einen Arm um seine Schultern und schweige einige Zeit, dann seufze ich und erkläre: „Ich habe mich mit den Anderen getroffen. Die haben sich die Kante gegeben um sie zu vergessen, kannst du das glauben?“ Tränen laufen erschreckend kühl aus meinen geschlossenen Augen und meine Wangen hinab, wo sie von einer warmen Hand weggewischt werden. „Wir dürfen sie nicht vergessen“, stellt er leise fest, ehe er den Kopf auf meine Brust lehnt. Lange, sehr lange sitzen wir so auf seinem Sofa, er ist mittlerweile eingeschlafen und ich betrachte ihn, sehe in das entspannte, weiche Gesicht und muss sagen… für einen Typen sieht er süß aus. Wieder seufze ich und fahre mir mit der freien Hand durch die Haare. Was zum Henker ist los mit mir? Die Situation ist übel, ich bin nicht schwul, schließlich war ich mit Chika zusammen, liege aber trotzdem mit ihrem Bruder auf der Couch und genieße es sogar. Ja, das ist ja das Schlimme, ich genieße das Gefühl auch noch! Am besten ich suche mir die nächste Klippe und werfe mich runter, was bringt der ganze Mist hier überhaupt? Missgelaunt sehe ich auf die Uhr und erschrecke. Halb elf? Geht’s noch? Wie lange haben wir hier gelegen? Ich muss schleunigst zu Hause anrufen, die machen sich bestimmt Sorgen! Ich will Katsu aufwecken, doch als ich ihn ansehe bring ich’s nicht übers Herz. Ich weiß wie dumm das ist, ich will ihn schließlich nur wecken und nicht gleich umbringen, aber ich kann’s einfach nicht. Die Klippe scheint eine gute Idee zu sein. Mit einem seufzen hebe ich seinen Kopf an und rutsche darunter hervor, ehe ich ihn wieder sanft auf die Couch bette. Sofort rollt er sich zu einer kleinen Kugel zusammen. Ich gehe hinaus auf den Flur, nehme das Telefon und rufe zu Hause an. Nach endlosem Klingeln meldet sich endlich meine Mutter. „Mum? Hier ist Ryo. Tut mir leid, ich bin bei Katsu, wir haben wohl die Zeit vergessen!“ Angespannt warte ich auf endlose Schimpftiraden, doch sie seufzt nur und murmelt dann: „Schon okay!“ „Echt?“ Ich bin überrascht, sonst hat sie mir immer die Hölle heiß gemacht, wenn so etwas passiert ist. „Ja, ich glaube ich kann dich verstehen. Aber ich will nicht, dass du jetzt noch in der ganzen Stadt rum rennst, meinst du, du kannst bei Katsu bleiben?“ Während ich telefoniert habe bin ich langsam mit dem schnurlosen Telefon in der Hand zum Wohnzimmer geschlendert. Jetzt lehne ich im Türrahmen, sehe verzückt zu dem Schlafenden auf der Couch und murmele dann: „Ja, ich glaube das geht.“ „Gut, dann bis morgen mein Kleiner, Gute Nacht!“ „Dir auch gute Nacht Mum!“, verabschiede ich mich leise, dann lege ich auf und bringe das Telefon zurück zu seinem Angestammten Platz. Als ich wieder ins Wohnzimmer komme, seufzt mein bester Freund im Schlaf gerade auf und ich glaube fast meinen Namen in dem Lautmischmasch erkannt zu haben. Heftig schüttele ich den Kopf. Werde ich jetzt ganz plemplem? Wieso sollte er im Schlaf meinen Namen murmeln? Da wohl eher den seiner Freundin. Warte, er hat ja zwei. Wo wir schon beim nächsten Problem wären. Ich kann mich gar nicht in ihn verlieben, schließlich ist er vergeben. Aber… warum hat er sich dann so vertrauensvoll an mich gekuschelt? Ist es wirklich nur das? Wirklich nur, weil er mir vertraut? Das wäre natürlich gut aber… wenn es so gut ist, warum versetzt es mir dann einen Stich? Fragen über Fragen. Aber die wichtigste ist: Warum stehe ich immer noch in der Tür und starre ihn an? Was mach ich jetzt? Ich entschließe mich, einfach so mal kurz zu seufzen und dann zur Couch zu gehen, mich davor niederzulassen und ihm erstmal eine rote Locke aus dem Gesicht zu wischen, was er sofort mit einem wohligen Seufzer quittiert. Ich sollte ihn ins Bett bringen und dann auch schlafen. Auf der Couch, das habe ich gerade beschlossen, mir ist nicht so ganz wohl bei dem Gedanken mit ihm in einem Bett zu liegen. Was würde er dazu sagen, wenn er aufwacht und sieht mich in seinem Bett? Eine eindeutig zweideutige Frage, nicht? Also stehe ich auf, hebe ihn hoch und trage ihn ins Schlafzimmer. Auf dem Weg dorthin kuschelt er sich eng an meine Brust und seufzt wieder leise. Als ich ihn auf dem Bett abgelegt habe, stellt sich mir gleich die nächste Frage. Soll ich ihn ausziehen? Das jetzt keiner was Falsches denkt, ich habe keinerlei perverse Experimente oder ähnliches vor, ich kann mir nur vorstellen, dass es bequemer wäre. Aus schon vorhin gedachten Gründen entscheide ich mich jetzt mal für nein, decke ihn nur noch sanft zu, kann mich aber nicht entschließen von seinem Bett zu verschwinden. Warum in aller Welt kann ich mich nicht einfach auf den Weg ins Wohnzimmer machen? Warum stehe ich hier rum wie ein Pfosten und starre ihn an? Und warum in drei Teufels Namen ist es plötzlich so warm in diesem als Wohnung getarnten Gefrierschrank? Hilfe, ich suche eine Klippe. Mit heftigem Kopfschütteln und schon fast fluchtartig verlasse ich jetzt dann doch mal das Schlafzimmer und mache mich auf den Weg ins Wohnzimmer, wo ich mich auf die Couch lege. Halt, ich hab das Licht vergessen. Also stehe ich noch mal auf, gehe zur Tür – weil da der Lichtschalter ist – und lasse es mir nicht nehmen noch mal kurz zur Schlafzimmertür zu hetzten und hineinzulugen. Die Türen in seinem Haus sind sowieso immer offen oder er hat erst gar keine, deswegen geht das so einfach. Katsus schmale aber recht lange Gestalt hat sich unter der Decke wieder zu einer kleinen Kugel zusammen gerollt, die roten Locken verdecken schon wieder das Gesicht. Noch einen Moment sehe ich ihn verzückt an, dann reiße ich mich von seinem Anblick los, gehe zurück ins Wohnzimmer, schalte im Vorbeigehen das Licht aus und frage mich nebenbei ob ich von irgendetwas besessen bin oder so, schließlich kann man nie wissen. Als ich endlich im fahlen Licht, das zum Fenster herein scheint, ich hab nicht wieder eine Lampe vergessen, so verpeilt bin ich auch nicht, na ja, jedenfalls als ich da so auf dem Sofa rumliege, denke ich schon wieder. Über Katsu und sein seltsames Verhalten, über Chika und ihren Tod… was musste sie auch wieder spielen. Ich wusste ja, dass sie sich eines schönen Tages mit ihren ganzen chemischen Experimenten in die Luft jagen würde, aber… ich wollte es nie wahrhaben und sie nie aufhören. Ja, sie war eine Amazone, aber was für eine. Wie eine Raubkatze konnte sie verschmust und anhänglich sein, aber wenn ihr etwas gegen den Strich ging hat sie die Krallen ausgefahren. Später, bei der Untersuchung des Brandes hat man herausgefunden was dafür verantwortlich war. Sie hat wieder mit Alkohol und so Zeug rum experimentiert und als ein Funke flog hat in Sekundenschnelle einiges gebrannt. Ja, irgendwas war noch mit Dämpfen oder so… angeblich konnte sich das Feuer deshalb so schnell ausbreiten… ich weiß nicht, hab nicht wirklich aufgepasst, zu diesem Zeitpunkt war ich noch in einer Art Starre gefangen. Ja, ich fang immer noch an zu Heulen wenn jemand ihren Tod erwähnt, aber… wenigstens kann ich jetzt wieder einigermaßen selbstständig denken. Mit einem leisen grummeln drehe ich mich auf die andere Seite, starre die Couch an und schlafe bald darauf ein. Als ich aufwache spüre ich drei Dinge. Erstens: Die Sonne scheint mir auf den Pelz und es ist sogar mal recht Warm. Zweitens: Durch die Wohnung zieht der Duft frisch gebackener Plätzchen und frischen Kaffees. Und natürlich Drittens: Eine Hand liegt auf meinem Haar. Vorsichtig drehe ich mich um, schlage die Augen auf und blicke direkt in die dunkelblauen Iriden von Katsu. „Morgen!“, murmele ich und stütze den Kopf auf meine Hand. „Morgen“, antwortet er, dann schiebt er mir eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. „Weiß deine Mutter, dass du hier bist?“ Ich nicke schwach, dann will Katsu wissen: „Wann bin ich eingeschlafen?“ „So auf halb elf, ich hab dich ins Bett gebracht!“ „Danke. Du hättest auch mit ins Bett kommen können, wär zwar ein bisschen eng geworden, aber… die Couch war doch sicher scheiß unbequem!“ „Es ging“, nuschele ich, dann stehe ich langsam und vorsichtig auf. „Ich geh mal kurz ins Bad!“ Als ich knappe fünf Minuten später frisch gewaschen wieder heraus komme, werkelt Katsu schon in der Küche. Als ich hineinspitze hab ich nur noch ein Wort dafür: „Wow…“ „Ja, nicht?“, grinst er stolz und sieht sein Werk liebevoll, naiv und so unglaublich süß an… halt ich denke schon wieder so Kacke, ich dachte das wäre ein kurzer Ausrutscher gewesen, aber nein, es geht weiter. Oh Gott, man reiche mir einen Strick. Jedenfalls ist es wirklich gut geworden was er gemacht hat, er hat nämlich den Tisch gedeckt, sogar mit Sonnenblumenblüten in kleinen Wasserschüsselchen… ich wusste nicht, dass Katsu so süß sein kann. Oder so kitschig, wen man die hellblau karierte Tischdecke ansieht und die farblich abgestimmten Teller. Er hat meinen leicht erstaunten Blick wohl gemerkt, den er zuckt schwach die Schultern und murmelt: „Chika hat’s mir mal vor langer Zeit beigebracht!“ Ich nicke, immer noch etwas erstaunt, dann setze ich mich. „Du magst Pfannkuchen, oder?“, fragt er und kommt mit der Pfanne auf mich zu. „Du hast extra Pfannkuchen gemacht?“ Wieder ein Schulterzucken, dann sieht er mich fragend an. Ich nicke und er schiebt mir vorsichtig einen Pfannkuchen auf den Teller. Nachdem ich ihn großzügig in Schokoladensauce gebadet habe und mit dem Essen anfange, fragt er mich beiläufig: „Wie geht’s eigentlich Akemi?“ „Gut, warum?“ „Nur so.“ Bedächtig lege ich Messer und Gabel neben meinen Teller und frage: „Hast du sie seit… seit Chikas Beerdigung schon mal gesehen?“ Er schüttelt schwach den Kopf, also bohre ich weiter: „Was zum Henker ist zwischen euch vorgefallen?“ Als er mich ansieht liegt ein Ausdruck in seinen Augen, ein trauriger, aber auch etwas verschreckter, wenn nicht sogar ertappter Ausdruck. „Das… das kann ich dir nicht sagen“, murmelt er tonlos. „Katsu, wir sind beste Freunde, das weißt du, oder?“ Er nickt und setzt zu einer Erwiderung an, doch ich lasse ihn gar nicht erst zu Wort kommen: „Ich verstehe wenn du es mir nicht sagen willst, aber… solltest du es je wollen, dann komm zu mir.“ Als er unvermittelt anfängt zu kichern bin ich erst perplex, doch dann fällt mir auf was ich eben gesagt habe und ich lache mit. Eindeutig zweideutig das ganze. „Also, sollte ich ES je wollen komm ich auf jeden Fall zu dir!“, lacht er und ich nehme Messer und Gabel wieder auf und wende mich dem Essen zu. „Du, Ryo?“ Ich sehe auf und direkt in das niedlich fragende Gesicht meines besten Freundes. Nein, ich mach es schon wieder! Anstatt jetzt schreiend im Kreis zu laufen, beherrsche ich mich und grinse ihn an: „Ja?“ „Bleibst du heute Nacht wieder hier? Darfst auch mit ins Bett!“ Ich überlege extrem angestrengt. Eigentlich würde ich gerne hier bleiben… in einem Bett mit ihm… Nein! Schon wieder diese kranken Dinge die durch mein Hirn schwirren; geht weg, los! Hallo? Erde an Ryo? Hast du ’ne Vollmeise? Du kannst dich doch in deinem Zustand nicht mit Katsu in ein Bett legen! Idiot, Idiot, Idiot! „Ryo? Geht’s dir gut? Du musst ja nicht wenn du nicht willst!“ „Doch, ich würde schon gerne!“, werfe ich ein, „Aber ich muss mich zu Hause auch mal wieder blicken lassen!“ Er nickt und ich hänge beim Essen mal wieder meinen Gedanken nach. Ich würde wirklich total gerne mit Katsu in einem Bett übernachten, mich vertrauensvoll an ihn schmiegen, aber… Chika ist gerade gestorben, Katsu ist ihr Bruder und wie gesagt ein Typ… ich bin auch eindeutig männlich… ich sollte mir sowieso einen Strick suchen… und das die Welt scheiße ist weiß ich auch schon lange. Ich seufze entnervt auf und zucke schon im nächsten Moment zusammen. Während ich nachgegrübelt habe ist Katsu aufgestanden, hat sich mir von hinten genähert und massiert jetzt meine Schultern. „Katsu… was…?“, murmele ich, doch dann lasse ich ihn einfach machen, lehne mich zurück und seufze leise. Schön. „Du armer Kleiner bist ja ganz verspannt!“, flüstert er und darf sich an einem neuerlichen Seufzer erfreuen. Dabei bin ich gar nicht so klein. Ist ja egal, mein Gehirn ist sowieso kaputt, umbringen sollte ich mich auch und seine Hände sind so verdammt warm, wen interessiert da schon so eine Beleidigung wie ‚Kleiner’ oder irgendwelche Werte wie Moral und Anstand oder irgendetwas in der Art. Am liebsten würde ich ihn jetzt küssen, aber… aus, hör sofort mit dem Mist auf du dummes Gehirn! Nach einiger Zeit der Stille, nur unterbrochen von einigen Seufzern hier und da, murmelt Katsu: „Und, was machst du heute noch so? „Mhh… wir haben Sonntag, nicht? Ich muss noch Hausaufgaben machen, also… hab ich schon eine Beschäftigung die meinen ganzen Nachmittag ausfüllt!“ „Der Drache mit der Trillerpfeife?“ Ich nicke. Er seufzt mitfühlend auf und massiert weiterhin hingebungsvoll meine Schultern. Irgendwann klingelt plötzlich das Telefon und Katsu huscht hinaus in den Flur. Hach, das war sehr gut… aber ich muss jetzt wirklich mal los. Langsam stehe ich auf, strecke mich noch einmal müde und schlendere dann in den Flur. Katsu legt gerade genervt das Telefon auf als ich in den Flur komme und sieht mich etwas verdutzt an. „Du gehst schon?“ „Ja, ich muss es ausnutzen das du abgelenkt bist!“ Jetzt wirkt er fast etwas enttäuscht als er fragt: „Hat es… hat es dir etwa nicht gefallen?“ „Doch, doch!“, erwidere ich hastig, „Es hat mir sogar so sehr gefallen, dass ich sonst nicht weiß ob ich je wieder von hier weg komme! Und ich muss langsam mal heim!“ „Okay…“, murmelt er, immer noch leicht enttäuscht und ich hauche im vorsichtig einen Kuss auf die Wange, dann ziehe ich hastig Schuhe und Jacke an und verschwinde. Kaum stehe ich vor dem Haus bleibe ich noch einmal stehen und bin extrem geschockt. Warum habe ich ihm jetzt einen Kuss gegeben? Ich spiele ihm hier sozusagen Gefühle vor die gar nicht da sind! Oder sind sie doch da? Ich fühle mich so wohl in seiner Nähe, obwohl er der Bruder meiner Chika ist… meiner süßen Chika. Wieder sehe ich vor meinem geistigen Auge dieses eine Bild, ihr Bild, wie sie in der Tür steht, die feuerroten Locken, der wohlproportionierte Körper… doch das Bild verändert sich, immer noch rote Locken, doch der Körper… kantiger, sehniger, größer… Katsu! Entsetzt schlage ich mir mit der flachen Hand vor die Stirn. Nein, nein, nein, so kann das nicht sein, so ist es nicht… geht aus meinem Kopf! Blöde, bescheuerte, wirre Gedanken, geht da raus! Mit einem heftigen Kopfschütteln, den Händen in den Jackentaschen vergraben und einem grummeligen Gesichtsausdruck mache ich mich auf den Weg nach Hause. Mit einem seufzen schließe ich die Türe auf und rufe: „Bin wieder da!“ Kumiko kommt aus der Küche gewetzt umschlingt meine Hüften und quiekt: „Da bist du ja wieder!“ Ich nicke lächelnd, dann erwidere ich: „Ja, tut mir leid, ich wollte eigentlich schon gestern kommen, aber ich hab’s verpennt!“ Mum streckt den Kopf aus der Küchentür, lächelt mich an und grüßt: „Hallo mein Junge, willst du was zu essen?“ Ein schwaches Kopfschütteln meinerseits, dann ein: „Nein, danke für das Angebot, aber… Katsu hatte sich extra die Mühe gemacht zu kochen!“ „Nett von ihm!“, murmelt sie und verschwindet wieder in der Küche. „Ich geh jetzt Hausaufgaben machen, ja?“, erkläre ich, nur damit meine Mum beschied weiß wo ich bin und gehe hinauf in mein Zimmer. Kumiko folgt mir unauffällig, klettert aufs Bett, sieht mir zu wie ich mich an den Schreibtisch setze und fragt: „Na, war’s schön?“ Ich erstarre, dann drehe ich mich langsam zu ihr um und mustere sie erstaunt. Sie lächelt mich an wie immer, mit ihren trüben, grauen Augen. Ja, die Kleine ist erst Fünf. „Wie… wie meist du das?“, frage ich rau und sie grinst nur und fragt: „Du bist in ihn verknallt, aber heftig!“ Ich atme scharf ein, dann zische ich: „Kumiko! So was geht doch nicht! Wir sind… er ist… er ist doch ein Junge, ganz genau wie ich!“ Schulterzucken, dann: „Na und? Wenn du ihn liebst und er dich genauso… ich sehe da kein Problem!“ Ich spüre wie mir das Blut in die Wangen schießt. „Na ja… Kumi… weißt du… also… wenn… oder… zwei Jungs… und dann… äh…“, beginne ich zu stottern und sie winkt hastig ab und räumt großspurig ein: „Du musst jetzt nicht stottern, ist doch nicht schlimm das du schwul bist!“ Mir klappt der Mund auf. Abgesehen davon, dass eine normale Fünfjährige dieses Wort nicht mal kennen sollte… „Wieso glaubst du ich wäre… schwul?“ „Du bist immer bei ihm… du bist relativ glücklich wenn du zu ihm aufbrichst und relativ unglücklich wenn du wieder zurück kommst… so etwas merk ich halt einfach!“ Etwas entsetzt sehe ich meiner kleinen Schwester nach wie sie fröhlich kichernd aus dem Raum hüpft. Woher zum Teufel kennt sie so was? Sie ist Fünf! Ich wusste mit Fünf nicht mal über hetero beschied, aber so was… versaut, das ist das einzige was mir zur heutigen Jugend einfällt! Kopfschüttelnd widme ich mich wieder meinen Aufgaben, doch keine zwei Minuten später sind meine Gedanken wieder bei Katsu. Verdammt, sollte Kumi Recht haben? Das wäre meiner Meinung nach übel. Vor allem… Chika gegenüber. Ich hab sie geliebt, wirklich, wahrhaftig mit Leib und Seele, aber… was ist das mit Katsu? Seine Augen kommen mir in den Sinn, dieses tief, dunkel Blau… der Kontrast zu dieser Alabasterweißen Haut… oh mein Gott was mach ich hier? Ich träume nicht im Ernst von den Augen von einem Kerl, oder? Entsetzt lasse ich den Kopf auf die Tischplatte fallen, wo er mit einem lauten Knall aufschlägt. Verdammt, ich sitze echt ganz tief in der Scheiße… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)