Abschied und Wiedersehen von TeZ (Vom Leben und Sterben) ================================================================================ Kapitel 6: Akiras Geständnis, Hachiros Geburtstag und Danas Verzweiflung ------------------------------------------------------------------------ Sechstes Kapitel: Akiras Geständnis, Hachiros Geburtstag und Danas Verzweiflung Zu Hause sperre ich die Haustüre auf und melde mich mit einem fröhlichen: „Bin wieder da!“ „Hallo Ryo!“, dringt Mums Stimme aus der Küche, „Das Essen ist fast fertig, kannst du den Tisch decken?“ „Ja, gleich!“ Ich ziehe die Schuhe aus, hänge meine Jacke auf und lasse meine Tasche erstmal im Flur stehen. Dann gehe ich in die Küche. Mum rührt in einem Topf, während ich die Teller und Löffel heraus suche. Nach dem Essen nehme ich meine Tasche mit hinauf in mein Zimmer und lasse mich auf mein Bett sinken. Ich müsste ja jetzt Hausaufgaben machen, aber… ich hab keinerlei Bock darauf. Aber machen muss ich sie schließlich trotzdem, also setze ich mich an meinen Schreibtisch. Plötzlich klingelt mein Handy und ich schnappe mit einem fast erleichterten Seufzer danach. Endlich meine willkommene Ablenkung. „Ja?“ „Ryo? Hier ist Dana!“ „Hey Dana, rufst du an um mir bei den Hausaufgaben zu helfen?“ „Brauchst du wohl Hilfe? Das lässt sich natürlich auch einrichten. Nein, eigentlich geht es drum, dass Minami mich total unerwartet angerufen hat – ich hab echt nicht damit gerechnet – und mir erzählt hat, dass Kiyoshi auch auf der Party sein wird! Kannst du dir das vorstellen? Es wird so geil!“ „Ach dieses Wort kennst du?“, frage ich belustigt und sie schmollt. „Ach komm schon, sei nicht sauer. Ich bin diese Wortwahl von dir einfach nicht gewohnt, Süße!“ Das scheint sie zu besänftigen, denn sie kichert leise und erwidert dann: „Ich freu mich jedenfalls auf morgen!“ „Ich mich doch auch…“, ist meine hoffentlich beruhigende Reaktion. Dana kichert leise, dann fragt sie urplötzlich: „Wie lief ’s bei Katsu?“ Ich werde rot, bin froh, dass sie mich nicht sehen kann und antworte: „Gut!“ Sie hat anscheinend doch was gemerkt, denn sie kichert schon wieder, ehe sie verlangt: „Ich will alles wissen, sofort!“ Erst seufze ich etwas entnervt auf, dann erzähle ich ihr doch von unserem gemeinsamen Gekuschel auf dem Sofa. Sie kichert während meiner Erzählung immer wieder leise und seufzt am Ende verzückt auf. „Also, ich kenn diesen Katsu ja nicht direkt…“, murmelt sie verträumt „… aber so wie du immer erzählst ist das ein ganz kuscheliger!“ „Is’ aber meiner!“, grummele ich und sie erwidert schnell, beinahe hastig: „Ich will ihn dir ja gar nicht wegnehmen!“ „Hoffe ich auch für dich, denn sonst…!“ Sie beginnt herzhaft zu lachen, dann fragt sie: „Also, wie sieht’s jetzt mit deinen Hausaufgaben aus?“ Wieder habe ich meine Hausaufgaben mit Danas Hilfe gemacht. Jetzt lasse ich mich auf mein Bett fallen und starre an die Decke. Irgendwie hat mich dieses Telefonat nachdenklich gemacht, ich habe Angst um Dana. Sie hat so freudig geklungen, als sie davon geredet hat auf der Party Kiyoshi zu treffen, aber… ich habe Angst, dass er sie enttäuscht und verletzt und… na ja, dass er sie verletzt eben. Ich mag Dana und ich würde es mir nie verzeihen wenn sie verletz würde, nur weil ich Holzkopf nicht auf sie aufgepasst habe. Es klopft an der Tür und reißt mich aus meinen Gedanken. Na ja, nicht ‚es’ sondern Kumiko, die fragt: „Darf ich reinkommen?“ „Klar!“ Sie tapst in mein Zimmer, setzt sich bequem auf meinen Schreibtischstuhl und fragt: „Na, wie war’s bei Katsu?“ „Gut…“, gebe ich zurück, laufe etwas rot an und bin froh, dass sie es nicht mitbekommt. „Ich hab ihn gefragt, ob ich dich übermorgen mitnehmen kann und er hat gemeint, er würde sich freuen.“ „Oh…“, Kumiko beißt sich auf die Unterlippe, dann murrt sie: „Ai kommt an dem Tag!“ „Meinst du sie würde mitkommen? Ich kann Katsu mal fragen!“ „Das würdest du tun? Oh super!“, Kumiko springt auf, läuft freudestrahlend auf mich zu und schließt mich liebevoll in ihre Arme. „Du bist der beste Bruder den es gibt!“ Ich lache, dann steht Kumiko auf und läuft hinaus. Ich seufze. Jetzt kann ich ihn nicht anrufen, mein Süßer schläft noch und ich will ihn nicht aufwecken. Liebe ich ihn? Ich bin mir nicht sicher, aber… ich will das es ihm gut geht. Wieder seufze ich auf. Ich weiß ja auch nicht… eigentlich weiß ich gar nichts. Ich meine… es war so geil heute bei ihm, er war so süß… Moment, er ist immer so schrecklich süß, nicht? Na ja, jedenfalls… ich mag es wie er sich an mich kuscheln kann, einfach… ach was weiß ich, irgendwie bin ich sprachlos. Gibt’s dafür Worte? Ich bin mir nicht sicher. Ach, ist ja auch egal. Ich bin durcheinander, er ist Schuld und es ist mir egal. Wenn da nicht dieses klitzekleine Hindernis wäre… der blonde Busch. Hach… wieso trennt er sich nicht von ihr? Er will ihr nicht wehtun hat er gesagt, er tut sich lieber selbst weh. Und mir gleich mit, obwohl ich überhaupt nicht weiß warum. Ach verdammt. Ich drehe mich auf den Bauch und lange nach dem Buch das ich unter meinem Bett liegen hab. Nein, nein, keine versauten Bücher… nicht sehr. Es ist so ein Abenteuerbuch und es ist nicht versaut. Nachdem ich mir den Abend mit lesen vertrieben hab, schieb ich das Buch wieder unters Bett, gehe kurz ins Bad, ziehe dann meine Klamotten aus und lege mich ins Bett. Ich schlafe ein und träume haufenweise wirres Zeug. Ich sitze in Katsus Wohnzimmer, er rittlings mir zugewandt auf meinem Schoß und streichelt liebevoll meine Wange. Noch ehe ich irgendetwas sagen kann kommt Katharina hereingehüpft und wirft mir heulend vor, dass ich ihre Katze geklaut hätte. Ich wusste nicht mal, dass Miss Pudel eine Katze besitzt. Katsu fängt an zu schnurren. Kennt jemand diese Teile die man als ‚Catboy’ bezeichnet? So mit Katzenöhrchen und Schwänzchen und so? Genauso sieht Katsu aus, eine Mischung aus dem rotgelockten Mann und einer rötlichen Katze. Und verdammt süß. Oh Gott, ich glaub’s nicht… seine raue Zunge leckt über meine Wange und ich keuche auf, als er ein weiters Schnurren ausstößt und dann… ein Klingeln? Verdammt, warum klingelt Katsu-Kätzchen jetzt? Ha, mir geht ein Licht auf: Es ist mein verdammter Wecker. Ich stehe auf, reibe mir den brummenden Schädel und grummele müde vor mich hin. Dann haue ich auf den Knopf vom Wecker und schlurfe genervt ins Bad. Ich brauche jetzt dringend eine kalte Dusche und das nicht Zwecks Säuberungsaktionen. Jedenfalls nicht vorrangig. Was macht dieser verdammte Kerl nur mit mir? Warum hab ich solchen Shit geträumt… ich stürz mich noch von der Teppichkante Leute, es ist zum durchdrehen. Ich schlurfe müde zurück ins Zimmer, ziehe mich an, werfe hastig meine Sachen in meine Schultasche und tapse verschlafen hinunter in die Küche. „Morgen Mum, Morgen Kumiko!“, murmele ich, gähne noch mal ausgiebig und fasse nach der Kaffeekanne. Meine Mutter sieht mir belustigt dabei zu, wie ich löffelweise Zucker in meinem Getränk versenke. „Trinkst du das nicht normalerweise schwarz?“, will Kumiko wissen und hebt argwöhnisch eine Augenbraue. „Hab nicht viel geschlafen!“, murre ich zurück, stürze das Gebräu in einem Zug hinunter und schüttele mich angeekelt. Zugegeben, es schmeckt einfach nur widerlich, aber es hilft… jedenfalls kurzfristig. Ja, so ein Zuckerschock ist schon eine feine Sache. Angeekelt schenke ich mir Kaffee nach, lasse diesmal aber den Zucker weg und widme mich dann dem Rest meines Frühstücks. Danach gehe ich wieder hinauf in mein Zimmer, schnappe mir meinen Rucksack und mache mich auf den Weg zur Schule. Am Schließfach wechsele ich meine Schuhe als mir plötzlich jemand mit dem Finger in die Seite pickst. „Hey Ryo, wie läufts? Ich kann heute Abend mit euch rechnen, oder?“ Ich zucke zusammen, dann drehe ich mich zu Minami um, die hinter mir steht und mich belustigt ansieht, als ich mir die schmerzende Seite reibe. Dana kommt auch gerade vorbei – zufällig bewohnt sie den Spind mir gegenüber – und lächelt freundlich: „Hallo!“ „Hey Dana!“, lacht Minami, schließt das verdutzte Mädchen wieder kurz in die Arme und tut dann bei mir dasselbe. „Also, ihr kommt heute Abend, nicht?“, wiederholt sie ihre Frage. „Wir werden da sein!“, erwidere ich nach einem kurzen Seitenblick auf die leicht nickende Dana. „Wo werdet ihr sein?“, fragt plötzlich Hachiro, der auf einmal hinter seiner Freundin aufgetaucht ist und ihr einen Kuss auf die Wange drückt. „Nirgendwo!“, lacht diese und dreht sich in seinen Armen um, um ihn erstmal ausgiebig zu küssen. Dezent wie ich und Dana sind warten wir natürlich bis sie fertig sind um ihm zu gratulieren, doch Takeshi ist natürlich nicht so höflich, kommt angeschlendert, klopft dem immer noch an seiner Freundin klebenden Hachiro auf die Schulter, sodass der beinahe einknickt und ruft: „Hey, alles Gute alter Junge, lass dich von mir nicht stören!“ Das macht er aber trotzdem, wirft dem unschuldig guckenden Takeshi einen mörderischen Blick zu und wendet sich dann Dana und mir zu. „Ihr wollt auch gratulieren was?“ Ich nicke, klopfe ihm wesentlich sanfter als mein Kumpel eben auf die Schulter und wünsche: „Alles Gute Hachiro!“ Auch Dana schüttelt ihm die Hand und murmelt: „Alles Gute!“ Er lächelt sie freundlich an, dann meint er ehrlich: „Danke!“ Plötzlich tippt mir jemand von hinten auf die Schulter. Ich drehe mich um und sehe in Akiras schmales Gesicht. „Ich müsste kurz mit dir reden…“, flüstert er, „kommst du in fünf Minuten hinaus auf den Hof?“ Ich nicke Stirn runzelnd und er geht auf Hachiro zu, schließt ihn in die Arme und sagt: „Alles Gute Hachiro, bleib so wie du bist!“ Fünf Minuten später gehe ich hinaus auf den Hof und entdecke Akira sofort unter einem schneebedeckten, aber ansonsten kahlen Baum. Langsam gehe ich auf ihn zu, setze mich neben ihn auf die blaugraue Bank und frage: „Was ist?“ Ich kenne Akira schon lange, er ist ein schüchterner, fast verschlossener junger Mann, blass, belesen und zierlich. „Ryo… kann ich dir vertrauen?“, fragt er und sieht mir voll ins Gesicht. Ich erwidere seinen Blick und nicke langsam. „Ich… es gibt… es ist schwierig, aber… ich hab mich verliebt.“ „Wer ist den die Glückliche?“ „Das ist ja das Problem…“, antwortet Akira niedergeschlagen und starrt auf den Boden. „Es ist ein ‚er’?“, hake ich nach und er sieht mich sofort an. „Woher…?“ Ich zucke die Schultern. Sein Blick wandert wieder gen Boden als er schüchtern nickt. „Wer ist also DER Glückliche?“, frage ich weiter und er sieht mich an und fragt ablenkend: „Hast du nichts dagegen?“ „Sollte ich?“, frage ich gelangweilt. Er schüttelt den Kopf, dann stutzt er und fragt: „Bist du etwa auch…? Nein, du warst ja mit Chika zusammen…“ Seine Stimme wird dunkler und man hört, dass er sie vermisst, sie war seine beste Freundin, ich hab das auch akzeptiert und es ist klar, dass er sich an mich gewendet hat. Ich verstehe ihn ja. „Also, wer ist jetzt der Glückliche?“, will ich begierig wissen und er flüstert kaum hörbar: „Takeshi…“ Verdammt. Das ist ein echtes, riesiges und total dummes Problem. Erstens ist Takeshi vergeben, an Fuyu nämlich, und zweitens ist er… na ja… er hat ein bisschen… Hass auf alle die anders sind als er. Was glaubt ihr warum ich mich so dagegen wehre es mir einzugestehen? Ich würde meinen besten Freund verlieren. „Du weißt wie er ist, Akira, oder?“, frage ich leise und er nickt niedergeschlagen. Vorsichtig nehme ich ihn in den Arm. „Was soll ich denn machen, ich kann doch auch nichts dafür!“, schluchzt er auf. „Versteh ich ja!“, gebe ich gemurmelt zurück, dann löse ich mich von ihm und bitte: „Kommst du heute Nachmittag vor der Party mal bei mir vorbei?“ Er nickt und ich krame in meiner Hosentasche nach einem Taschentuch, dass ich ihm reiche. „Danke!“, flüstert er und wischt sich erst mal die Tränen aus dem Gesicht. Ich seufze auf. Noch ein weiters Problem. Akira steht auf Takeshi, Dana steht auf Kiyoshi und ich stehe auf Katsu. Nein, tu ich nicht! Verdammt! Ich… wir sind halt Freunde, also, rede nicht immer so Müll, Ryo! Wartet… ich führe Selbstgespräche, nicht? Ich elender Psychopath. Also gut, jetzt mal wieder zu den Problemen… wenn ich Akira schon vor der Party wieder auf die Beine kriege und Dana währenddessen kann ich danach vielleicht noch mal mit Katsu reden… den muss ich heute auch noch anrufen. Ich seufze und Akira sieht mich einen Moment an und springt dann auf: „Tut… tut mir leid, dass ich dich da mit rein gezogen hab. Danke für alles, aber… ich… ich komme allein zurecht, Entschuldigung!“ Ich packe blitzschnell seine Hand und ziehe ihn wieder neben mich auf die Bank. „So, du bleibst jetzt erst mal hier. Ich will, dass du mir zuhörst. Ich werde dir helfen, wir sind Freunde, wir… wir haben beide jemanden verloren, der uns wichtig war und ich werde dir jetzt helfen, dein Problem zu lösen! Also bleib hier!“ Er sah mich entgeistert und immer noch stumm vor sich hinweinend an, dann lässt er sich wieder neben mich fallen. „So, heute Nachmittag wirst du bei mir vorbeikommen, dann werden wir uns über die Sache unterhalten. Du weißt wo ich wohne?“ „Ungefähr!“, nuschelt er. Ich boxe ihm leicht gegen die Schulter, dann stehe ich auf. „So und jetzt stehen wir diesen Schultag durch!“ Ich reiche ihm die Hand und er ergreift sie und lässt sich von mir mit einem schüchternen Lächeln aufhelfen. „Danke!“, murmelt er und ich winke ab. „Ist egal, ich helfe gerne!“ Gemeinsam gehen wir zurück ins Gebäude und machen uns gleich auf den Weg ins Klassenzimmer. Nach dem Unterricht gehe ich nach Hause – mal wieder – natürlich erst nachdem ich Akira das Versprechen abgerungen hab auf jeden Fall bei mir aufzukreuzen. Ich hätte ihn ja gleich mitgenommen, aber er wollte erst nach Hause. Jedenfalls… ich laufe durch die Straßen, wahrscheinlich erfrier ich bei dem Wind ehe ich daheim ankomme, und mit Katsu muss ich auch noch reden. Das könnte ich gleich machen, schnell ziehe ich das Handy aus der Hosentasche, tippe Katsus Nummer ein und warte bis er abnimmt. „Ja?“ „Katsu? Hier ist Ryo!“ „Hey Ryo, wie geht’s dir? Kommst du heute doch noch?“ „Wer ist’s denn, Katsu-Schätzchen?“, schallt es aus dem Hintergrund und ich höre Katsu genervt aufseufzen. Er ignoriert sie jedoch weitestgehend. „Sie ist wieder da?“, will ich mitleidig wissen und er murrt leise: „Seit heute Morgen um halb sechs!“ Ich lache auf, dann frage ich schnell: „Du, sag mal... macht’s dir sehr viel aus, wenn ich morgen Kumikos Freundin mitbringe?“ „Bring mit wen du willst!“, meint er ausgelassen, dann fügt er leise hinzu: „Je mehr Menschen desto weniger kann ich Katharinas Stimme hören! Obwohl… die ist wahrscheinlich lauter als ein Presslufthammer in meinem Ohr!“ Ich lache wieder, dann sage ich: „Okay, ich muss jetzt auflegen, das Mittagessen wartet, wir sehen uns Morgen, bis dann, bye!“ „Lass dich nicht auffressen!“, erwidert er lachend, dann legt er auf und ich schiebe mein Handy in die Hosentasche zurück. Das wäre also auch geklärt. Armer Katsu, dieser blonde Busch hängt wirklich dauernd um ihn rum. Als ich zu Hause ankomme fährt gerade das Auto meiner Mum aus der Garage. Neben mir bleibt sie stehen, öffnet ihr Fenster und sagt: „Hallo Ryo, Essen ist im Ofen, ich muss noch mal kurz weg, tut mir wirklich leid! Kumiko ist bei Ai, sie hat einen Schlüssel, du kannst also heute Abend trotzdem gehen!“ Ich nicke und sie schließt schon ihr Fenster wieder und fährt aus der Einfahrt. Ich gehe zur Tür, drücke die Klinke nach unten und muss feststellen das abgeschlossen ist. Na prima Ryo, das hättest du dir doch denken könne, deine Mum wusste doch nicht, dass du gleich nach Hause kommst! Kopfschüttelnd über meine eigene Dummheit schiebe ich den Schlüssel ins Schloss und drücke die Türe auf. Ich gehe rein, schließe sie hinter mir, werfe meine Sachen achtlos auf den Fußboden und wandere in die Küche. Nachdem ich mein Mittagessen verzehrt habe beschließe ich, dass ich auch mal Hausaufgaben machen könnte bis Akira vorbeikommt, heute Abend hab ich ja eh keine Zeit. Also hole ich meinen Rucksack und setze mich – wahrscheinlich zum… zwanzigsten Mal in meinem Leben – an den Küchentisch zum Hausaufgaben machen. Als es an der Türe klingelt habe ich wirklich die Hälfte geschafft und beglückwünsche mich selbst zu meiner guten Leistung. Den Rest mach ich… irgendwann mal. Jetzt laufe ich erstmal zur Türe, öffne sie schwungvoll und bitte Akira mit einer einzigen fließenden wie idiotischen Geste herein. Er lacht schüchtern, tritt wirklich in den Flur und sagt ebenso schüchtern: „Danke, dass du dir die Zeit für mich nimmst!“ Ich winke ab, dann bitte ich: „Gib mir deinen Mantel, ich häng ihn für dich auf!“ „Solange du nicht mich aufhängst…“, murmelt er düster, lacht dann aber glücklich auf. Komisch, ich habe Akira noch nie lachen gehört… klingt aber nicht schlecht. Der Brünette schält sich also aus seinem Mantel, schiebt seinen Schal in einen Ärmel und reicht mir dann alles. Fünf Minuten später sitzen wir schweigend in der Küche an dem Tisch, von dem ich mein Schulzeug schnell verbannt habe – die Tasche liegt wieder im Flur – und haben jeder eine Tasse Tee vor uns. Toll. Ich rede immer davon allen zu helfen und habe keinerlei Ahnung wie. Am besten ich fang einfach erstmal an zu reden, einfach so, ohne Sinn und Verstand, da kommt meistens was Kluges bei raus. Nein, eigentlich nicht, aber… mir fällt grad nix besseres ein. Ein imaginäres Schulterzucken später öffne ich endlich den Mund… und sage sogar was: „Du weißt wie Takeshi drauf ist?“ „Du meinst seine Schwulenfeindlichkeit?“, erwidert Angesprochener bitter und stiert in seinen Tee, „Ja, die kenne ich, zum Glück weiß niemand davon außer Chika…“ Er sieht mich an und Tränen steigen in seine Augen als er niedergeschlagen lachend sagt: „Weißt du, sie hat gesagt sie nimmt mein Geheimnis mit ins Grab… kurz vor dem Unfall… ist das Ironie des Schicksals, Ryo? Warum ist Gott so grausam zu den Menschen die er liebt?“ Na ja… in Anbetracht der Tatsache das ich kein Stück an Gott glaube… vielleicht ist er einfach fies? Das sag ich dem vor sich hin schniefenden Akira natürlich nicht, lieber reiche ich ihm ein Taschentuch aus der Packung, die ich extra gesucht habe – irgendwann zwischen Essen und Hausaufgabe nämlich – und übergehe den Satz einfach mal. Kann ja nie schaden den Traurigen anzuschweigen. „Also… was wirst du jetzt wegen der Sache mit Takeshi tun?“ „Ihn vergessen?“, schlägt Akira leise und niedergeschlagen vor und schnäuzt sich so geräuschvoll, dass ich denke eine Horte Elefanten spielt in unserem Garten. „Das wäre wohl das einfachste…“, gebe ich nach dieser geräuschvollen Äußerung zurück, „Aber es ist schwer und wenn du ihn wirklich liebst… wird’s nicht so einfach mit dem Vergessen!“ „Ich weiß aber was soll ich den machen?“ Die Frage lasse ich mal wieder unbeantwortet weil mir einfach keine Antwort einfällt, stattdessen frage ich: „Auf was für einen Typ Mann stehst du eigentlich generell?“ „Dunkelhaarig… böse… geheimnisvoll… böse… Takeshi…“, murmelt Akira und lässt den Kopf vorsichtig auf die Tischplatte sinken. „Wenn dann musst du ihn schon richtig draufhauen!“, gebe ich zurück. Ich mach’s aber nicht vor, ich will ja keine Kopfschmerzen haben. Plötzlich kommt mir eine Idee und ich frage sogleich: „Sag mal… stehst du auch auf versaute Jungs?“ Akira schreckt auf und sieht mich entsetzt an. Und rot wie eine Tomate. „Also ja…“, schlussfolgere ich intelligent, „… Wie wär’s dann mit Henry?“ „Hundert Prozent hetero, du kennst doch seine Lektüre.“ Ich nicke und gebe dem Jungen stillschweigend Recht. Aber aufgeben werde ich nicht, das sehe ich gar nicht ein. Sieh mich an Welt, ich bin… ein Held? Wohl eher nicht. Aber so was in der Art… ganz kleine Ähnlichkeit vorhanden… ich hab schließlich einen verdammten Weltretter-Harmonie-Komplex. So und jetzt retten wir den hier vor mir. „Also Akira… meinst du, du könntest vielleicht auf der Party jemanden kennen lernen, der dir zu sagt? Ich weiß ja nicht wer alles kommt…“ „Hmm… ich weiß auch nicht so genau… du, ich, Hachiro, Minami, Takeshi… und Fuyu!“ Ja, ich kann mir ungefähr vorstellen wie es in Akira aussieht wenn er an Fuyu denkt… ganz genau wie bei mir und dem Busch. Verdammt, heißt das… dass es mir genauso geht wie ihm? Dass ich mich in Katsu verliebt habe? Nein, nein, nein, hörst du auf schon wieder so Müll zu denken? Böses Hirn, also wirklich! Ich schüttele heftig den Kopf, dann bemerke ich Akiras irritierten Blick, höre schlagartig auf, grinse ihn an und rufe hoffnungsvoll: „Du schaffst das sicher!“ Er sieht mich immer noch etwas entsetzt an und fragt: „Bist du dir sicher, dass es dir gut geht?“ Ich nicke. Akira zuckt sie Schulter, dann sieht er auf die Uhr und erschrickt. „Hey, die Party beginnt in einer Stunde!“ Ich springe auf und überprüfe die Uhrzeit. „Du hast Recht Akira, wir müssen gleich los. Willst du erst noch nach Hause oder kommst du gleich mit ins Henrys?“ „Ich geh erst Mal heim, wir sehen uns dann im Henrys!“ Ich nicke und bringe Akira zur Tür, ehe ich hinauf in mein Bad gehe und mich erstmal dusche. Dann ziehe ich mich um und gehe hinunter um meine Schuhe und Jacke anzuziehen. Ich sehe auf die Uhr und mache mich hastig auf den Weg. Eine halbe Stunde nur noch? Ich beschleunige meine Schritte und hetze durch die Stadt. Und ich schaff es sogar rechtzeitig anzukommen, Mann, bin ich cool. Dana sitzt schon in einer Ecke, eine Flasche Wasser in der Hand, ich winke ihr knapp zu, dann gehe ich zu Henry an den Tresen und meine: „Ich bekomm ein Wasser Henry!“ „Nanu, gar kein Bier heute? In letzter Zeit überhaupt nicht mehr, oder?“ Ich schüttele den Kopf, lasse mir mein Wasser geben und setze mich zu Dana in die Ecke. Ich kann keinen Alkohol trinken, ich muss schließlich auf meine beste Freundin aufpassen. „Na, wie ist es mit Akira gelaufen?“ Ich hab’s ihr natürlich erzählt, in der Pause nämlich, aber ich hab ihr nicht gesagt in wen Akira verknallt ist, denn er vertraut mir schließlich. Das mach ich ganz sicher nicht kaputt. Obwohl… Dana könnt ich’s anvertrauen glaube ich, schließlich kann ich ihr alles sagen. „Also wie sieht es jetzt mit Akira aus?“ „Hmm… ich hab heute Nachmittag total viele neue Psychoprobleme gefunden und festgestellt… das man dem ganz sicher nicht mehr helfen kann… außer man findet jemand anderes für ihn. Was mach ich jetzt am besten?“ „Du könntest mir erst mal sagen wer es ist, dann kann ich dir vielleicht helfen! Es wär jedenfalls einfacher.“ Ich beiße mir kurz auf die Unterlippe, dann murmele ich kaum hörbar: „Takeshi.“ „Was? Das ist ein Problem. Der ist doch mit Fuyu zusammen, oder?“ „Das auch… aber jetzt mal zu dir… wie schaut es aus mit der Kiyoshi-Sache?“ „Keine Ahnung… was soll ich machen? Los, berate mich Ryo!“ Entgeistert sehe ich meine beste Freundin an. „Hast du das jetzt wirklich ernst gemeint? Was soll ich denn machen?“ „Ähm… frag ihn doch mal!“ „Sag mal Dana… bist du sicher, dass das nur Wasser ist? Ich kann doch nicht hingehen und fragen… was soll ich überhaupt fragen?“ „Was er von mir hält und jetzt geh!“ Und schon schiebt sie mich los. „Dir hat wirklich jemand was ins Wasser gemischt!“, meine ich noch, ehe ich mich wirklich kopfschüttelnd auf den Weg zu Kiyoshi mache. Was soll ich sonst tun, ich hab gesagt ich löse ihr Problem auf der Party, damit ich mich nachher mit dem Problem Katsu beschäftigen kann. Und morgen. Und immer. Na ja, so bin ich halt. Ja, ich laufe schon wieder durch die Gegend und träume… mach ich irgendwie dauernd, ich muss unbedingt aufpassen, dass ich nicht mal gegen eine Wand laufe. Nein, ich bin wirklich bei Kiyoshi angekommen. „Kiyoshi? Kann ich kurz mit dir reden?“ Er zuckt die Schultern, dann folgt er mir, in eine ruhigere Ecke. „Also Ryo, wie läufts? Was gibt’s?“ „Es… geht um Dana Prince, du erinnerst dich?“ Er starrt etwas verwirrt gegen eine Wand, dann nickt er heftig und meint: „Ach, die Kleine… ja, da war mal was. Die sollte ich noch mal ansprechen, die war irgendwie süß!“ „Pass auf…“, ich packe ihn an der Schulter, „Wenn du ihr irgendwie wehtust dann kannst du was erleben!“ „Du bist nicht ihr Vater, oder?“, fragt er belustigt und ich schüttele ihn ein bisschen. „Hallo? Wir sind Freunde, Kiyoshi, es geht darum… ich und Dana wir sind beste Freunde und ich weiß wie leichtfertig du mit Gefühlen umgehst also tu ihr nicht weh, ich warne dich. Aber… was hältst du jetzt von ihr?“ „Wie gesagt… sie ist schon süß, also… ich würde nicht nein sagen.“ „Aber mit ihr gehen würdest du nicht? Du würdest sie nur in die Kiste zerren?“ „Du hast es erfasst Ryo, und jetzt lass mich, ich muss noch mal mit dieser Blonden da tanzen… wie heißt sie… ach, auch egal!“ Kopfschüttelnd sehe ich ihm nach, dann gehe ich zurück zu Dana, die mittlerweile die halbe Flasche leer getrunken hat. Vorsichtig nehme ich sie ihr ab, überzeuge mich noch mal davon, dass es nur Wasser ist und gebe sie ihr dann wieder zurück. Wirklich nur Wasser. „Was hat er gesagt?“, fragt sie leise nach einem Blick in mein Gesicht. Verdammt, ich hab wohl doch zu niedergeschlagen geguckt. „Er wurde mit dir ins Bett gehen, aber nicht mehr.“ Sie nickt, dann schnieft sie kurz, packt mich bei der Hand, zieht mich neben sich aufs Sofa und lehnt sich gegen mich. „Danke, dass du für mich gefragt hast.“ „Schon okay!“ Vorsichtig lege ich einen Arm um ihre Schulter und halte sie fest, als ganz plötzlich Minami durch all die Menschenmassen auf uns zu gewuselt kommt. „Seid ihr zusammen?“, ist ihre erste Frage, welche gleich einstimmig von uns verneint wird. Das hibbelig herumhüpfende Mädchen vor uns zuckt die Schultern, dann meint sie: „Jedenfalls schön das ihr da seid, Hachiro müsste jetzt ja gleich hier sein…“ Ein weiteres Mädchen kommt gerade mit einem lauten: „Minami, er ist da!“, angeflitzt, was diese dazu bewegt loszuhetzen ehe die andere angekommen ist. Die sieht ihr kopfschüttelnd nach, dann feiert sie einfach weiter. „Hey Ryo, hey Dana, na seid ihr auch so gut drauf wie ich?“, fragt Akira – plötzlich aus dem nichts aufgetaucht – genauso sarkastisch wie niedergeschlagen und lässt sich neben Dana auf die Couch fallen. Ich nicke. Ja, wir können einen Depri- Selbsthilfe- Kurs aufmachen, das hilft sicher immer. Schweigend und schlecht drauf sitzen wir also zu dritt auf der Couch, als Minami plötzlich über die Musik – jemand hat sie leiser gestellt – brüllt: „Achtung, gleich kommt Hachiro, dann brüllen wir alle ‚Überraschung’, ja?“ Und da bricht das Gebrüll auch schon los, Hachiro muss hereingekommen sein, die Tür können wir ja hier von unserer Position auf der Couch nicht sehen. Ich stehe auf und zupfe an Danas Hand. „Kommt mit, wir gehen zu Hachiro, gratulieren ihm und machen uns dann auf den Weg zu mir. Wir können uns in die Küche setzen und uns da anschweigen.“ Dana und Akira sehen sich einen Moment an, dann nicken sie mir gleichzeitig zu und stehen auf. Dana lässt meine Hand – die sie seid geschlagenen zwei Minuten festhält – los und wir bahnen uns einen Weg durch die Menge. Hachiro steht noch immer an der Tür, umringt von zahlreichen Gratulanten. Endlich, nach fast fünf Minuten stürmen, die meisten wieder die Tanzfläche und wir haben endlich die Gelegenheit mal mit dem komischer Weise dauernd grinsenden Hachiro zu reden: „Hey Hachiro! Ist echt ne coole Party, aber wir müssen mal wieder, Sorry alter Junge!“ Hachiro winkt fröhlich ab und meint: „Schon okay! Aber… ihr geht zu dritt? Also, Ryo mit Dana könnt ich mir vorstellen, von mir aus auch Akira mit Dana, aber… zu dritt?“ „Mann Hachiro, was du wieder denkst!“, rufe ich fröhlich – obwohl ich lieber losgeheult hätte – und klopfe meinem Kumpel auf die Schultern. Bin ich nicht gut? Ja ich weiß. Ich, Dana und Akira schaffen es wirklich uns von der Party loszueisen und gehen zu mir nach Hause. Als ich die Türe aufsperre kommt meine Mum aus dem Wohnzimmer. „Bist du schon wieder da? Oh, du hast jemanden mitgebracht?“ Ich nicke, dann meine ich: „Akira und Dana!“ Mum kommt auf die beiden zu und reicht ihnen nacheinander die Hand. Nach einer ausführlichen Begrüßung schiebe ich meine Beiden endlich mal in die Küche und brühe Tee auf, während sie schon mal am Tisch Platz nehmen. Als endlich alle Tee haben setze ich mich auch dazu und sehe abwechselnd von einem zum anderen. „Will einer was sagen? Das ist jetzt ne Selbsthilfegruppe. Also wer sagt was?“ „Mein Leben ist übel…“, murrt Akira deprimiert und starrt in seinen Tee. „Ich muss dir zustimmen!“, nickt Dana und starrt genauso trübe in ihre Tasse. „Hmm… meines auch!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)