Lovetrouble in London von miss_nerd (Shakespeare and I) ================================================================================ Kapitel 1: Dienstag - Wie es begann ----------------------------------- Dai's Leben verlief sehr normal. Er hatte es vielleicht etwas leichter als die Meisten in seinem Alter, aber trotzdem lebte er ein recht normales und ruhiges Leben. 10 Jahre lang lebte Dai's Familie in Tokio, da seine Mutter dort geboren wurde und sein englischer Vater seit längerer Zeit schon in Japan arbeitete. Vor 11 Jahren zog er dann mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester Keiko nach London, England. Das hatte mehrere Gründe: Zum einen hatte sein Vater ein gut bezahltes Angebot als Manager in einer äußerst erfolgreichen Firma bekommen und zum anderen hatte Dai's Vater schon lange den Wunsch wieder dort zu leben. Dai und Keiko hatten so auch keine Probleme was die Sprachumstellung betraf, da sie dank ihrer multikulterellen Eltern zweisprachig aufgewachsen waren. Mittlerweile war Dai 21 Jahre alt und studierte an der Universität X im dritten Semester Physik und Mathematik auf Lehramt und seit einem Jahr hatte er auch eine Freundin. Aika ist die beste Freundin seiner Schwester, was ihm das Leben öfter etwas schwer macht, da die beiden Mädchen so gut wie keine Geheimnisse vor einander haben und ihr könnt euch sicher vorstellen, dass Keiko somit mehr über ihren geliebten Bruder weiß, als sie vielleicht wissen möchte! Abgesehen von den beiden Tratschtanten besteht Dai's Freundeskreis aus dem smarten und witzigen Taku, der immer für einen guten Streich zu haben ist und dem großen, blonden Sam, der häufig ein wenig durch den Wind, aber ansonsten äußerst liebenswert ist. Ja, im Grunde kann man behaupten, dass Dai bisher ein schönes, normales Leben führte, natürlich mit dem Vorteil aus äußerst reichem Hause zu stammen. Dieser Glückspilz! Ja, ja, ein normales Leben... bis zu einem bestimmten, sonnigen Dienstag!! Es war ein warmer Sommerabend im Juni als Dai mit Aika und Keiko eine Theateraufführung im Unipark besuchte. „Dai? Dai! Hörst du mir eigentlich zu?!“ Eine quickende Stimme drang plötzlich unaufhaltsam tief in Dai's Gedanken ein, wodurch alles Gedachte durch den schrillen, verärgerten Ton in tausend Stücke sprang. „Hm? Was?“ „Dai! Ich hab dich gefragt, ob du die Eintrittskarten hast. Was ist denn los mit dir?“ Aika verschränkte beleidigt die Arme vor der winzigen Brust des sonst auch so zierlichen Körpers. Dann packte sie den in Gedanken versunkenen Jungen an den Schultern und schüttelte ihn ein wenig bis dieser endlich eine Antwort heraus würgte. „Ah... Nichts! Es ist nichts. I... Ich habe nur... Ah, egal, äh, die Karten, ja, die hab ich. Hier sind sie.“ Zielstrebig griff Dai in die Brusttasche seines weißen Hemds und holte drei Eintrittskarten hervor. Triumphierend hielt er sie Aika vor die Nase um kurz ein wenig Ruhe vor ihr zu haben. Er hielt einen Moment inne und versuchte seine Gedankenscherben von eben aufzusammeln, aber es wollte ihm einfach nicht so richtig gelingen. >Woran hab ich nur gerade gedacht... Irgendetwas hier hat mich gerade an etwas wichtiges erinnert. Aber an was? Es ist wie ein nostalgisches Gefühl. Ich hab mich grad an irgendetwas erinnert...< Dai konnte nicht lange darüber nachdenken, da zerrten ihn die beiden Mädchen schon zum Eingang des eigens für diese Veranstaltung umzäunten Parks. Die Aufführung, die die Freunde an diesem Abend besuchten, war das alljährliche Theaterstück, welches die Besten der Schauspielstudenten während der Theaterwoche jeden Abend aufführten. Jedes Jahr wurde ein neues Stück gespielt und meistens waren es selbst ausgedachte Stücke oder veränderte Stücke von bekannten Autoren. Dieses Jahr entschieden sich die Schausteller für das Stück „Romeo und Julia“ von Shakespeare, jedoch wurden einige Veränderungen daran vorgenommen. Somit hatte es zwar eine ähnliche Handlung, spielte aber zu einer anderen Zeit mit anderen Charakteren und anderen Hintergründen. Dazu wurde eine große Bühne unterhalb eines mit Gras bedeckten Hanges aufgebaut. Der Hang, an welchem es sich das Publikum auf unzähligen Decken und Kissen gemütlich machen sollte, diente quasi als Amphitheater. Dai und seine beiden Begleiterinnen waren früh dran und suchten sich gute Plätze in der Nähe der Bühne. Von dort aus konnte man jegliches Geschehen wunderbar überblicken. Die hintere Seite der Bühne war durch eine hohe schwarze Wand aus Pappe abgegrenzt. Dahinter bereiteten sich die Schauspielstudenten auf ihren Auftritt vor, zogen sich um und wurden geschminkt. Nach ein paar Minuten war der gesamte Hang mit Zuschauern überfüllt und eine ausgesprochen fröhliche und gespannte Stimmung breitete sich aus. Als die Aufführung durch ein paar Worte von Professor Mitchell, der die Schauspielstudenten unterrichtete, eröffnet wurde, wurde es langsam etwas ruhiger und das Schauspiel konnte beginnen. Aika und Keiko folgten gebannt dem Geschehen, welches die talentierten Studenten inszenierten. Besonders einer von ihnen hatte es den beiden besonders angetan. Der äußerst große und attraktive Halbjapaner Haru hatte ein besonderes Talent die Menschenmassen mitzureißen und sich mit seiner Rolle voll und ganz zu identifizieren. „Aikaaaaa, hast du gesehen wie er da gerade neckisch mit dem Auge gezwinkert hat? Das war voll süß!!!“ „Kyaaaah! Er ist ja so ein Schnuckel!“ Die beiden Freundinnen waren so damit beschäftigt Haru an zu himmeln, dass sie Dai komplett vergaßen. Das störte diesen auch wenig. Immerhin war er hier um sich das Stück in aller Ruhe anzusehen. Diese Ruhe sollte ihm aber nicht lange vergönnt sein, denn auf der Bühne hatten nun die beiden Hauptdarsteller, Haru alias John und Jessica alias Mary, eine ihrer wichtigsten Szenen. „Oh, John, gib doch zu, dass du das Hausmädchen meiner Familie attraktiver findest als mich! Ich sehe es dir an, du Schuft!“ „Aber Mary! Du weißt doch, ich liebe nur dich. Doch du bist immer so abweisend mir gegenüber. Ist es da nicht verständlich, dass ich einer anderen einmal nachsehe?“ „John! Was bist du für ein Mensch? Außerdem muss ich dir gegenüber abweisend sein. Immerhin bin ich kein leichtes Mädchen.“ „Aber Mary, lass es uns tun!“ „John! Wie kannst du es wagen einer Dame so etwas vorzuschlagen?“ „Aber alle Welt tut es! Sieh doch, si...“ Haru holte mit dem linken Arm aus und machte eine weite Bewegung zu den Zuschauern hinüber. Doch als er eine bestimmte Person in der Menge sitzen sah, verschlug es ihm die Sprache. Er stand wie angewurzelt da und starrte diese eine Person mit großen Augen an. Es war Dai den er da so fasziniert anblickte. Dai hatte das natürlich sofort bemerkt und konnte auch selbst seinen Blick nicht mehr von Haru abwenden. Diese wunderschönen grünen Augen fixierten ihn und fesselten seinen Blick an sich als wollten sie ihn nie mehr gehen lassen. Eine prickelnde Spannung lag in der Luft und Dai wagte es kaum zu atmen. Dieser Augenblick, welcher eigentlich nur einige Sekunden anhielt, war für ihn wie eine Ewigkeit und er wurde auch nur durch das eindringliche Flüstern der Souffleuse zerrissen. „Sieh doch, sie tun es alle! Sie tun es alle!“ Keuchte eine völlig aufgeregte Stimme am Rand der Bühne zu Haru herüber. Dieser fing sich sogleich auch wieder und vollendete seinen Satz. „Sieh doch, sie tun es alle!“ Und wieder schwenkte er seinen starken Arm über die Zuschauermenge. Nur dieses Mal wagte er es nicht auch nur in Dai's Richtung zu blicken. „Oh, John, du geiler Bock! Du Perversling!“ Die Szene endete schließlich darin, dass John und Mary miteinander im Bett landeten, obwohl ihnen ihre jeweiligen Familien den Kontakt zueinander verboten hatten. Das Stück endete damit, dass die beiden Hauptfiguren erfuhren, dass sie eigentlich Bruder und Schwester waren und daher nicht zusammen sein durften, obwohl sie es sich wünschten. Doch Dai bekam dieses Ende nicht mehr mit. Er saß den Rest der Aufführung wie versteinert da und blickte in die Leere. >Was war das?< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)