Katz und Maus von desertdevil6 ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Katz und Maus Kapitel 7 »Ich weiß wirklich nicht, warum ich dich auf dieser verdammten Tour begleiten muss«, beschwerte sich Devlin schon zum zehnten Mal, während er auf den Beifahrersitz von Drays Pick-up glitt. »Hat Sunny dir schon so sehr das Gehirn vernebelt, dass du den Weg nach Tulsa allein nicht mehr finden kannst?« Dray machte ein mürrisches Gesicht und knurrte genervt: »Ich habe dich um nichts weiter als einen Gefallen gebeten – deine brüderliche Gesellschaft auf einer langen Reise. Und was machst du? Du jammerst nur rum!«, beschwerte er sich und warf seinem Bruder noch einen abschätzenden Blick zu. »Ich jammere nicht, ich schäume!«, zischte Devlin. Ausgerechnet jetzt musste sein Bruder ihm diese geheimnisvolle Reise aufzwingen. Gerade verstand er sich mit Jesse einigermaßen gut und da waren diese seltsamen Gefühle, die er immer verspürte, wenn er den anderen auch nur ansah. Die ganze Woche über waren sie jedes Mal da gewesen, hatten sich noch verstärkt, wenn der junge Mann ihn dankbar angelächelt hatte, oder wenn Jesses Augen gestrahlt hatten, als er ihm etwas selbstgekochtes serviert hatte. Jede kleine Berührung, egal ob bewusst oder unbewusst hinterließ ein vielversprechendes Kribbeln auf seiner Haut und Devlin war gerade dabei diese Dinge näher zu erforschen, vor allem diese starke Anziehungskraft, die er immer in Jesses Nähe verspürte. Sogar fast noch mehr, wenn er nicht bei dem Kleineren war. Deswegen war er nur noch gereizter, was seinen Bruder anging. Und wozu machte dieser so ein riesiges Geheimnis um diese Reise? Zwei Kilometer weiter hielt Devlin die Spannung nicht mehr aus. »Was ist mit dir los, Dray? Wenn ich schon diesen Trip mit dir unternehmen muss, dann will ich wenigstens wissen warum!« Dray krampfte seine Finger ums Lenkrad und blickte starr geradeaus. »Es ist etwas persönliches«, erwiderte er ausweichend. »Und warum, zur Hölle, muss ich dich dann begleiten?« Ein alarmierender Gedanke schoss Devlin durch den Kopf. »Du bist doch nicht etwas krank, Dray?« Diese Erkenntnis traf ihn mit der Wucht eines Güterzuges. Sein Bruder und er mochten des Öfteren aneinander geraten und nicht immer einer Meinung sein, aber bei der Vorstellung eines leidenden Drays wurde ihm schlecht. »Nein, ich bin nicht krank«, beruhigte ihn Dray und war ihm einen schnellen Seitenblick zu, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße richtete. Erleichtert seufzte Devlin auf. »Das freut mich zu hören, Bruder. Also was ich diese persönliche, geheimnisvolle Angelegenheit, die uns durchs ganze Land treibt denn nun?« »Es gibt etwas, über das ich mit dir ganz in Ruhe reden muss«, informierte ihn Dray und Devlin verdrehte die Augen, weil der andere immer noch nicht mit dem Geheimnis rausrückte. »Und deshalb fahren wir nach Tulsa? Komm schon, Dray, du willst mich wohl auf den Arm nehmen. Du weißt, ich bin nicht besonders geduldig.« »Tja.. es gibt da Neuigkeiten…« »Verdammt noch mal, Dray!« »Okay, okay…«, setzte Dray an, den Blick immer noch auf die Straße geheftet. »Also ich habe vor Sunny zu fragen, ob sie mich heiraten will. Du sollst mir helfen, einen Verlobungsring in einer anderen Stadt als Buzzards Grove auszusuchen. Ich will nämlich nicht, dass die Neuigkeit Sunny zu Ohren kommt, ehe ich ihr überhaupt den Antrag gemacht habe. Außerdem will ich auch nicht, dass irgendjemand über den Grund dieser Reise bescheid weiß, falls die Dinge nicht so laufen wie erwartet.« Mit aufgerissenen Augen starrte Devlin sein Ebenbild an und brach dann in dröhnendes Gelächter aus. »Das ist nicht witzig!«, beschwerte sich Dray und verzog ärgerlich das Gesicht. »Oh Mann, das ist es auf jeden Fall«, brachte sein Bruder keuchend hervor. »Du hast dich die ganze Woche aufgeführt, als hättest du dein Vermögen, oder deinen besten Freund verloren.« Devlin schüttelte den Kopf und wurde wieder von einem Lachkrampf erfasst. »Amors Pfeil hat dich also mitten ins herz getroffen! Na, wer hätte das gedacht!«, witzelte Devlin in süffisantem Tonfall und lachte erneut vor sich hin, was Dray ein grummeliges Augenrollen entlockte. »Ich frage mich, wie ich von dir überhaupt Mitgefühl und moralische Unterstützung erwarten konnte«, sagte Dray scharf, während sich seine Hände fester um das Lenkrad schlossen. »He, ich kann sehr mitfühlend und hilfreich sein«, protestierte Devlin immer noch lachend. »So ist es in Ordnung«, empörte sich Dray. »Ich sterbe fast vor Angst und dir fällt nichts besseres ein, als mich auszulachen! Na schönen Dank auch! Aber immerhin betrifft es dich ja auch, wenn Sunny zu uns zieht. Wir werden einige Veränderungen auf der Ranch vornehmen müssen.« »Wahrscheinlich wirst du dann auch nicht mehr wollen, dass ich in meiner Unterwäsche herum laufe, wann immer mir danach ist, oder?«, fragte Devlin immer noch breit grinsend. »Aber was solls?« Er zuckte unschuldig mit den Schultern. »Sunny würde den Unterschied wahrscheinlich sowieso nicht merken.« Dieser Kommentar brachte Devlin einen mehr als vernichtenden Blick seines Bruders ein. »Das ist NICHT witzig!!« »Ach nein?«, fragte Devlin herausfordernd. »Nein!« Drays Augen verdunkelten sich plötzlich vor unterdrücktem Ärger. »Wir haben eine ganz klare Vereinbarung, was diese Dinge betrifft, falls du dich erinnerst«, sagte er dann tonlos, aber da Devlin seinen Bruder eigentlich mit allen seinen Ecken und Kanten kannte, hörte er deutlich den warnenden Unterton heraus. »Okay, Sunny und du, ihr könnt ja Moms und Dads Zimmer mit dem Privatbad nehmen«, meinte Devlin versöhnlich gestimmt. »Ich werde mich in meine eigenen Gemächer zurück ziehen. Problem gelöst?« Amüsiert betrachtete er Dray, der auf seinem Sitz herum rutschte, als hätte er Ameisen in der Hose. »Da gibt es noch ein Problem«, brachte dieser dann zögernd hervor und Devlin verdrehte unmerklich die Augen, runzelte dann die Stirn und überlegte, wann er seinen smarten, selbstsicheren Bruder das letzte Mal so nervös und unsicher erlebt hatte. Es fiel ihm nicht ein. »Na? Was denn nun?«, forschte er ungeduldig nach, als von Dray kein weiteres Wort der Erklärung kam. Dieser stieß geräuschvoll den angehaltenen Atem aus. »Was ist, wenn sie Nein sagt?« Aha. Das erklärte natürlich alles, dachte Devlin. Sein Bruder hatte offensichtlich Angst vor einer eventuellen Zurückweisung. Der Gedanke schien ihn wirklich zu quälen. »Gibt es denn einen vernünftigen Grund anzunehmen, dass Sunny deinen Antrag ablehnen könnte?«, erkundigte er sich ruhig und sah seinen Bruder von der Seite her abwartend an. Dann streckte er jedoch hastig seinen Arm aus, als er flüchtig das Schild bemerkte, wo sie abbiegen mussten. »Hey, Dray! Verpass dich Ausfahrt nicht«, rief er schnell. »Es sei denn du willst in Oklahoma City landen…« Seine Worte wurden unterbrochen und Devlin hielt kurz den Atem an, als Dray mit quietschenden Reifen in die Kurve ging. »Ich war eben noch nie richtig verliebt!«, verteidigte sich Dray grummelnd. »Verknallt ja, einige Male sogar. Aber Liebe? Ich bin ein Nichts gegen diese Frau. Ich habe Angst, dass mich der nächste Schritt in ihre Richtung ausknocken könnte. Sunny sagt, dass sie mich auch liebt, aber was ist, wenn ihre Liebe nicht so tief ist wie meine?« Dray seufzte, bevor er weiter sprach und Devlin ließ ihn ausreden. »Ich weiß, dass ich Besitz ergreifend und eifersüchtig reagiere, wenn irgendwelche Kerle sie im Restaurant, im Laden oder auf der Straße ansprechen… Was ist, wenn eine Ehe zwischen uns gar nicht funktionieren kann? Was ist, wenn…« Beschwörend hob Devlin nun doch eine Hand, denn es wurde ihm mit den absurden Bedenken seines Bruders, die immer schwachsinniger wurden einfach zu viel. »Mann! Nun mach mal eine Pause! Willst du diese Frau nur heiraten, um der gesamten Männerwelt in Buzzards Grove eins auszuwischen?« »Nein, aber…« »Oder weil sie so unglaublich attraktiv ist?« »Zum Teil, vielleicht. Wäre das so schlimm?«, fragte Dray ernsthaft. »Nein. Das mag zwar dein erster Gedanke gewesen sein, aber wenn es dir nur um Sex ginge, dann müsstest du ihr nicht unbedingt gleich einen Diamanten kaufen. Wenn du sie aber keine Sekunde des Tages aus deinen Gedanken verbannen kannst, wenn du jede freie Minute mir ihr verbringen möchtest, wenn ihr die gleichen Ideale und Träume habt und wenn du den Rest deines Lebens mit ihr gemeinsam verbringen willst, dann solltest du dringend mir ihr reden.« Dray bog um die nächste Kurve und schaute flüchtig zu seinem Bruder. »Seit wann bist du so tiefschürfend, Mann?« Devlin grinste. »Ich war schon immer der gefühlvollere von uns beiden, mein Lieber. Mir wurde schon das Herz gebrochen und ich hatte Zeit genug darüber nachzudenken, was in dieser Beziehung schief gelaufen ist. Mein Problem war – ich war verrückt nach dieser Frau, aber für sie war ich von Anfang an nur ein Zeitvertreib, bis ihr ein dicker Fisch ins Netz gehen würde.« Forschend schaute er zu seinem Bruder rüber, sah ihn ernst an. »Bist du Sunnys dicker Fisch, oder nur der Köder?« Eine Weile verharrte Dray in nachdenklichem Schweigen. »Keines von beidem«, sagte er schließlich entschlossen und Devlin lachte. »Ding-Dong! Gratuliere, das war die richtige Antwort, denn das heißt, dass du nicht ausgenutzt wirst. So schwer es mir fällt das zu glauben, aber es scheint, dass Sunny dich einfach um deiner selbst willen liebt, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, was sie an einem großspurigen, dumpfbackigen Cowboy wie dir findet.« Die wenig schmeichelhafte Bemerkung hellte umgehend Drays Stimmung auf. Er lächelte gutmütig und saß endlich nicht mehr steif wie ein Roboter hinter dem Steuer. »Naja.. aber glücklicherweise verfüge ich über ausreichend andere gute Qualitäten, die die Mängel, die du angeblich an mir findest ausgleichen«, behauptete er und war plötzlich ganz gut gelaunt. »Ach, tatsächlich?«, hakte Devlin amüsiert nach. »Nenn mir drei«, ließ Devlin sich auf das kleine Spiel ein und wartete geduldig. »Ich bin aufrichtig, arbeite schwer, bin zuverlässig, anständig – das sind schon vier positive Eigenschaften. Ich kann noch weiter…« »Und weiter, und weiter…«, unterbrach Devlin seinen Bruder. »Also bist du dir Sunnys Zuneigung sicher, und sie kann sich deiner sicher sein. Dann mach dich ran, Bruderherz. Kauf den Ring und leg ihr dein Herz zu Füßen.« Drays Stimmung wechselte schlagartig wieder. Sein Mund wurde wieder zu einer schmalen Linie. »Aber was mache ich, wenn sei Nein sagt?«, begann er mit seinen alten Zweifeln und Devlin wurde es allmählich zu bunt. Er hatte es satt, dass Dray so überhaupt nicht von sich und dieser Sache überzeugt war. »Dann ist sie einen dumme Pute und du solltest dich damit abfinden. Ich spreche aus Erfahrung – es war nicht gerade ein Picknick, aber ich habe es überlebt. Und du wirst es auch überleben. Irgendwann kommt die Richtige, wobei ich ja nach diesem langen Gespräch ziemlich zuversichtlich bin, dass Sunny die Richtige für DICH ist«, meinte er überzeugter, als sein Bruder sich bisher seit der Fahrt gezeigt hatte. »Oh ja, ich habe gesehen, wie du überlebt hast«, entgegnete Dray schnaubend. »In den ersten zwei Monaten musste ich ständig Angst haben, dass du mir den Kopf abreißt, wenn ich dir auch nur über den Weg gelaufen bin. Und dann folgten Jahre tiefster Depression! Wenn das meine Zukunftsaussichten sein sollen – na vielen Dank auch! Da spiele ich nicht mit.« »Ich weiß gar nicht was du hast. Ich habe mich wieder vollständig erholt«, sagte Devlin und zwang sich zu einem überzeugenden Lächeln. »Wow! Das ist natürlich überwältigend. Es hat dich ja auch nur sieben Jahre gekostet, dich von den Wunden, die dir diese Hexe zugefügt hat, zu erholen.« »Hier geht es nicht um mich, sondern um dich und Sunny«, erklärte Devlin bestimmt und versuchte seinen attraktiven Nachbarn, der sich irgendwie in seinen Kopf geschlichen hatte zu verdrängen. Wieso Jesse gerade jetzt in seinen Gedanken umher geisterte, konnte er sich nicht erklären. Aber Devlin musste zugeben, seit der Begegnung mit seinem Nachbarn, war er auch von den letzten schmerzlichen Erinnerungen an damals geheilt. Sollte das vielleicht doch etwas bedeuten, oder bildete er sich das nur ein? Entschlossen verbannte er diese Gedanken in die letzte Ecke seines Kopfes und konzentrierte sich wieder auf seinen Bruder. »Sie sieht mir nicht so aus wie ein Mädchen, das nichts anderes im Kopf hat als Geld. Sie hat sicher nicht so unvernünftige Vorstellungen und Wünsche wie meine Ex. Aber da du ja immer darauf bestehst, älter, klüger und gewitzter zu sein als ich, wirst du dir das alles schon längst selbst gesagt haben. Und welche Frau, die nur annähernd bei Verstand ist, würde dich nicht nehmen wollen? Du kannst fantastisch kochen, machst deine Wäsche selber und bist ein erfolgreicher Rancher, selbst in diesen harten Zeiten. Wenn du dich als Kandidat für die Wahl des besten zukünftigen Ehemannes des Jahres aufstellen lassen würdest – meine Stimme wäre dir sicher!« »Danke, Dev. Wenn ich es wirklich schaffe, die Sache durchzuziehen, bist du dann auch damit einverstanden, mit Sunny und mir auf der Ranch zu leben? Und wird es dir nichts ausmachen, wenn wir uns mal für längere Zeit in unser Schlafzimmer zurück ziehen?« »Nun, ich will nicht so weit gehen, dir auf den letzten Punkt zu antworten, aber ich mag Sunny wirklich gern – sehr gern sogar.« Daraufhin runzelte Dray skeptisch die Stirn und Devlin musste lachen. »Als potentielle Schwägerin natürlich«, beruhigte er seinen Bruder sofort, musste aber trotzdem noch über Dray schmunzeln. »Ich werde doch nicht unseren Vertrag aus der fünften Klasse vergessen, in dem wir festgelegt haben, dass wir uns nie um die gleiche Frau bemühen werden. Ich habe kein Problem damit, mit dir und deiner Frau zusammen zu leben. Wenn du mich aber lieber raus haben willst…« »Zur Hölle, Dev! Darauf würde ich niemals einen Gedanken verschwenden. Das ist unser gemeinsames zu Hause.« Er verstummte und Devlin betrachtete mit Befremdung den ernsten Ausdruck in den dunklen Augen seines Bruders. »Ich bin wirklich verrückt vor Liebe, Dev. Ich kann an nichts anderes mehr denken, als daran, dass ich sie liebe. Ich liebe die Art, wie sie mich anschaut, ich liebe ihr Lachen, ihren Optimismus, ihre klugen Bemerkungen, ihre Arbeitsmoral… ich liebe sie einfach!« Oje… es hatte Dray wirklich schwer erwischt, diagnostizierte Devlin, während er das blasse Gesicht seines Bruders mit wachsender Sorge betrachtete. »Okay, dann lass uns endlich den Ring besorgen«, meinte er betont forsch. »He, pass auf! Da ist unsere Ausfahrt, du Träumer! Jetzt reiß dich mal zusammen!!« Während Dray gerade noch die Kurve kriegte, schüttelte Devlin bestürzt den Kopf. Jede Fahrt mit seinem Bruder würde eine unzumutbare Belastung für seine Nerven bedeuten, bis endlich der Verlobungsring an Sunnys Finger steckte. Aus diesem Grunde schwor er sich, nie wieder in Drays Pick-up einzusteigen, bis er definitiv verheiratet war. Zudem wäre er im Moment ohnehin lieber ganz woanders. Er hatte sich bereits daran gewöhnt, ziemlich viel in Jesses Nähe zu sein und ihm zur Seite zu stehen, wenn der andere irgendetwas brauchte. Wenn er ehrlich wahr, vermisste er den jungen Mann sogar ein bisschen. Innerlich baute sich in ihm jedoch allmählich ein Konflikt auf. Verdammt! Jesse war ein Mann!! Auch wenn er noch so niedlich aussah… Nein! Das hatte er doch nicht eben wirklich gedacht? Devlin seufzte auf, lehnte den Kopf zurück an das Polster des Sitzes und starrte gegen die Decke des Wagens. Aber da stand leider auch nicht die Lösung dieses Problems. Fakt war, dass er den anderen Mann in der kurzen Zeit mögen gelernt hatte. Er war sehr gerne mit ihm zusammen und jetzt fühlte er sich, als hätte er ihn im Stich gelassen. Außerdem sehnte er sich insgeheim nach Jesses Nähe, war Devlin ehrlich zu sich. Aber das hieß ja noch lange nicht, dass er wirklich etwas von dem anderen wollte, oder? Immerhin stand er auf Frauen. Die Richtige hatte er zwar noch nicht gefunden, aber besonders eilig hatte er es damit auch nicht unbedingt. »Alles in Ordnung, Boss?« Verwirrt hob Jesse den Kopf und sah Abbey in einem leuchtend gelben Kleid, das ihre hübsche Figur betonte, vor seinem Schreibtisch stehen. »Geht es Ihnen gut?«, forschte seine Sekretärin und Jesse riss sich zusammen. Er setzte sein schönstes Lächeln auf, bevor er antwortete. »Es ist alles bestens.« »Und warum bekommen Sie dann die Steuererklärung nicht fertig, auf die ich schon zwei Stunden warte, um sie abzutippen? Normalerweise brauchen Sie dafür nicht mehr als eine halbe Stunde. Oder gibt es irgendwelche Komplikationen?« Die gab es in der Tat, dachte Jesse. Seit zwei Tagen und zwei Nächten, die zu den scheußlichsten der letzten zwei Jahre gehörten, hatte er Devlins Verhalten und seine ominöse Reise von jeder erdenklichen Seite beleuchtet. Dieser Mann hatte sich dermaßen in seine Gedanken eingeschlichen, dass er weder zu Hause noch im Büro etwas Vernünftiges zu Stande brachte. Und das passte überhaupt nicht zu ihm. Noch nie hatte er etwas Privates seine Arbeit beeinträchtigen lassen. Er hatte sein Leben selbst in der Hand genommen und war immer Stolz auf seine Unabhängigkeit und Disziplin gewesen. Jetzt war er sogar soweit gegangen in dem kleinen neuen Restaurant zu essen, dass sich Sunnys Place nannte, weil er die Stille in seinem großen leeren Haus nicht ertrug. Er hatte die temperamentvolle, aufgeschlossene Besitzerin kennen gelernt und sie sofort in sein Herz geschlossen. Sunny hatte mit viel Mut und Energie das kleine Restaurant eröffnet, das inzwischen sehr gut lief. Die Tische waren immer besetzt und das Essen war wirklich köstlich. Sunny hatte ihn sogar gebeten ihr die Buchführung abzunehmen, damit sie mehr Zeit hatte, sich um die Küche und die Gäste zu kümmern. So hatte Jesse eine neue Klientin und gleichzeitig eine neue Freundin gefunden – und er musste nicht mehr allein essen. Allerdings hatte ihn das nicht davon abgelenkt, dass er Devlin irgendwie ziemlich vermisste, obwohl er sich geschworen hatte, dem anderen auf keinen Fall zu Nahe zu kommen. »Boss?«, brachte sich Abbey wieder in Erinnerung. »Ist es Ihr Knöchel, der Sie so quält? Vielleicht sollten Sie früher nach Hause gehen. Ich halte schon die Stellung.« »Nein, danke. Mir geht es gut«, wehrte Jesse ab, denn er hatte seiner Sekretärin durch seine Verletzung die letzte Woche schon genug belastet. »Okay.« Abbey seufzte und ging zur Tür, drehte sich dann aber noch einmal um. »Vielleicht sollte ich Ihnen sagen, dass Sie der Einzige sind, der das glaubt.« Damit verließ sie das Zimmer. Jesse legte seine verschränkten Arme auf den Tisch und bettete seinen Kopf darauf. Seine Sekretärin strahlte wirklich von innen, seit ihre Romanze mit Sheriff Osborn voranschritt. Sie hatten sich beide mutig hineingestürzt und kamen offensichtlich ausgezeichnet miteinander zurecht. Jesse hingegen wusste überhaupt nicht was und vor allem, ob er etwas tun sollte in Bezug auf Devlin. Obwohl ihm natürlich mehr als deutlich bewusst war, dass dieser Frauen bevorzugte, was Beziehungen anging. Allerdings hatte er die letzte Woche das Gefühl gehabt, dass da seitens des Ranchers noch mehr im Spiel war, als pure Fürsorge. Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein und seine Empfindungen spielten ihm mal wieder einen Streich? Jesse seufzte. »Ich gehe jetzt nach Hause«, sagte er so laut, dass man es auch im Vorzimmer hören konnte. »Freut mich zu hören. Ein schönes Wochenende, Boss«, rief Abbey zurück. Jesse schob die halb fertige Steuererklärung in den Aktenkoffer und verließ schließlich das Büro. Inzwischen konnte er auf die Krücken verzichten und humpelte nur noch ganz leicht. Kurz entschlossen wandte er sich in Richtung Sunny´s Place, um sich ein köstliches warmes Abendessen zu gönnen. Sunny selbst eilte noch emsig zwischen den Tischen umher, um alles für den Ansturm der Abendgäste vorzubereiten, als der Blondschopf das Restaurant betrat. »Hi, Jess. Was kann ich dir heute anbieten?«, fragte sie fröhlich, während sie ein Tablett mit dampfenden Teigtaschen an Jesse vorbeitrug. Ihm lief das Wasser dabei im Munde zusammen und Jesse antwortete prompt: »Genau das, was du da auf dem Tablett hast. « Er lächelte zurück. »Und eine Diät Cola, bitte.« Er beobachtete, wie Sunny jeden ankommenden Gast mit einem Lächeln begrüßte und Jesse bedauerte, dass er nicht auch so aus sich herausgehen konnte, wie die junge Frau. Er beneidete sie regelrecht um ihre lockere Art im Umgang mit anderen. Eigentlich wollte Jesse sich ja an seine Vorsätze bezüglich Männern wie Devlin einer war halten, aber nach der letzten Woche kamen diese ganz schön ins schwanken. Er spielte mit dem Gedanken, es vielleicht doch einmal zu versuchen. Möglicherweise konnte er so Devlins Interesse wecken und herausfinden, ob dieser einer Beziehung zwischen Männern wirklich so abgeneigt gegenüber stand. »Hier ist deine Diät-Cola«, sagte Sunny, während sie das Glas vor Jesse auf den Tisch stellte. Dieser nahm das Glas und hielt es der gehetzt wirkenden Sunny entgegen. »Du siehst aus, als hättest du sie nötiger als ich.« Sunny akzeptierte das Angebot dankbar. »Danke, Jess. Freitags ist hier immer die Hölle los. Ich habe mehr Gäste als ich unterbringen kann, und dann ist noch eine Bedienung ausgefallen. Sie behauptet krank zu sein, aber das passiert seltsamerweise häufiger am Freitag Abend. Doch auf das Hauptgeschäft kann ich nicht verzichten. Mir fehlt nur eine zuverlässige Kraft…«, klagte ihm Sunny ihr Leid und sah recht verzweifelt aus. »Problem gelöst«, lächelte Jesse und stand von seinem Stuhl auf. »Ich habe während meiner ganzen Studienzeit gekellnert. Ich weiß also, wie es läuft.« Fassungslos schaute Sunny ihn an. »Du willst dieses Freitag-Abend-Rodeo freiwillig auf dich nehmen?« »Glaub mir, ich kenne das«, versichere Jesse selbstsicher und hoffte nur, dass sein Knöchel das auch mitmachen würde und das er sich nicht zu viel zumutete. Kurz schaute er sich in dem gut besuchten Restaurant um, um sich einen Überblick zu verschaffen. »Welches sind meine Tische?« Sunny zeigte mit einer Kopfbewegung zur linken Seite. »Danke, Jess. Du bist meine Rettung! Ich zahle dir…« »Ein Essen«, schlug Jesse vor. »Aber…«, versuchte Sunny einzuwenden. »Mach keinen Stress, Lady, oder du verlierst deine neue Bedienung«, meinte er freundlich aber bestimmt und Sunny lächelte ihn daraufhin unendlich dankbar an. »Vielen Dank, Jess.« In den nächsten Stunden glitt Jesse so mühelos in die alte Routine zurück, als hätte er in der Zwischenzeit nichts anderes getan, als zu servieren. Seinen Fuß hatte er längst vergessen, denn es machte ihm richtig Spaß und lenkte ihn weitestgehend von seinen Sorgen ab. Zwischendurch plauderte er mit einigen seiner Klienten und machte sogar ein paar neue Bekanntschaften. Das Highlight des Abends war für ihn, als Abbey und Sheriff Osborn auf der Bildfläche erschienen und ihn anstarrten, als wüchsen ihm Petersilienbüschel aus den Ohren. »Was machen Sie denn hier?«, fragte Abbey fassungslos. »Bedienen«, antwortete Jesse leichthin und lächelte die beiden an. »Nehmt doch bitte hier Platz. Was kann ich Euch zu Trinken bringen?« Abbey rutschte unbehaglich auf ihren Stuhl herum. »Ich weiß nicht, Boss. Es kommt mir komisch vor, mich von Ihnen bedienen zu lassen«, meinte seine Sekretärin, doch Jesse nahm es mit einem Schulterzucken. »Gewöhnen Sie sich dran«, meinte er grinsend zurück. »Ich werde Sunny jetzt öfter aushelfen, also machen Sie mir keinen Ärger.« »Das ist aber wirklich nett von Ihnen, Boss. Außerdem weiß ich ja, dass Sie ein Engel sind und immer bereit, einem Freund aus der Patsche zu helfen«, erwiderte sie und schien sich schließlich damit abzufinden. »Geboren, um zu dienen«, antwortete Jesse. »So, was kann ich euch bringen? Die Geflügelpastete soll heute besonders gut sein.« Sheriff Osborn warf Abbey einen fragenden Blick zu, und sie nickte zustimmend. »Geflügelpastete spezial für zwei Personen, bitte.« »Kommt sofort!« *** Nach dem zweiten Tag, an dem er die Arbeit im Büro bis zum Abend hinaus gezögert hatte, blieb Jesse mal wieder nichts anderes übrig, als in sein stilles, leeres Haus zurück zu kehren. Es war schon längst dunkel, als er dort ankam. Schnell wechselte er seine Kleidung, schnappte sich die Taschenlampe und ging nach draußen, um seine Tiere zu versorgen. Die waren heute Abend besonders laut, als wollten sie Jesse für die verspätete Fütterung bestrafen. Der Panther ignorierte ihn vollständig und lag eine geschlagene halbe Stunde faul auf dem Heuballenstapel. Dann schien er es sich überlegt zu haben, Jesse doch noch mal zu verzeihen und begleitete ihn schließlich auf seiner letzten Runde. »Ich muss ab und zu auch mal länger arbeiten«, erklärte der Blonde seiner großen Katze und kraulte sie liebevoll am Hinterkopf. Dann drehte er sich zu den Käfigen und Gehegen um. »Und was den Rest von euch betrifft – reißt euch demnächst lieber zusammen«, sagte er warnend mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Sonst dreht unser Nachbar euch vielleicht doch noch den Hals um.« Doch seine Warnung stieß auf taube Ohren, denn die Tiere schienen in aufgebrachter Stimmung zu sein, und nichts, was Jesse sagte oder versuchte, konnte sie zur Ruhe bringen. Die nachtaktiven Vögel schrieen und der Bär gab Geräusche von sich, die sich irgendwie klagend anhörten. Der Blonde seufzte und schaute hoch zum Himmel, wo der Mond wie ein gigantischer orangefarbener Ball am Firmament stand. Auf einmal hörte er das Donnern von Hufen aus der Ferne. Sofort erinnerte er sich daran, was Devlin über mögliche Autounfälle erzählt hatte, und fühlte sich persönlich verantwortlich zu verhindern, dass diese Tiere womöglich mit einem Fahrzeug zusammenstießen. Schnell lief er ins Haus, trank noch einen Schluck Wasser, griff nach seinen Autoschlüsseln und machte sich dann auf den Weg, um die Zäune zu inspizieren und eventuell versprengte Rinder wieder einzufangen. Alles in allem keine schlechte Möglichkeit, dem stillen, dunklen Haus zu entfliehen. Mit einem Ruck öffnete Jesse die Hautür und fühlte im gleichen Moment Devlins Handknöchel auf seiner Stirn. Der andere sah ebenso überrascht aus, wie Jesse selbst. Ein unangenehmes Gefühl von Déjà-vu überkam ihn. Devlin war also zurück. Und offenbar war er gekommen, um sich über den Lärm zu beschweren. Innerlich stöhnte er auf. Verdammt! Damit standen sie ja dann wieder am Anfang! Tbc… Diesmal is das Ende ja nicht ganz so gemein, oder doch? Keine Ahnung, schreibt mir doch einfach, wie es euch gefällt. So allmählich erfreut sich die Story ja doch einiger Beliebtheit. * froi* Vielen Dank an evejean, Shunjy und Kuestenfee1 für die lieben Kommis, die mich ganz dolle zum Weiterschreiben animiert haben. Manchmal braucht man einfach einen kleinen Anstubser. © by desertdevil Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)