Heroes von Tricksy ================================================================================ Kapitel 15: Fifteen ------------------- BÄM! KNALLHART UND UNERWARTET! Der Schweiß stand Tsukasa auf der Stirn und brannte in der Wunde an seinem Kopf. Langsam begann es unheimlich ernst zu werden. Wieder und wieder warf er Blicke hinter sich, zu den Seiten, spähte erst in die Gänge hinein, bevor er sie betrat. Er hatte nur einen Moment nicht aufgepasst, da hatte Katashi ihm seinen Vorteil wieder zunichte gemacht. Sein Zögern hatte bloß den Bruchteil einer Sekunde zu lang gedauert, da hatte Katashi schon wieder die Waffe auf ihn gerichtet. Tsukasa war bloß die schnelle Flucht geblieben. Sein Bruder. Natürlich, wieso war er nicht schon vorher darauf gekommen? Zwar gab es hier Katashis wie Sand am Meer, aber spätestens nach Karyus Verhaftung hätte es ihm wie Schuppen von den Augen fallen müssen. Sie hatten sogar darüber geredet! Aber sie sehen so gleich aus, hatte Karyu gesagt, als sie gemeinsam beobachtete hatten, wie Katashi nach seinem Zusammenbruch untersucht worden war. Sie müssen verwandt sein. Das macht sie nicht zu ein und derselben Person, hatte er bloß geantwortet. Wie konnte er diesen Gedanken einfach wieder fallen gelassen haben? Rache, es drehte sich alles bloß um Rache. Masa war gestorben, weil Yuuto Katashi ihn nicht richtig behandelt hatte, natürlich hatte Karyu dadurch ein Motiv, doch Tsukasa konnte sich einfach nicht vorstellen, dass er tatsächlich etwas mit dem Tod von Katashis Bruder zu tun haben könnte. Er hätte ihm davon erzählt. Er bremste scharf ab, sah sich einen Moment lang panisch um und wählte dann den Gang zu seiner Rechten. Die Ahnung, dass seine momentane Flucht bloß ein Herauszögern des Unvermeidlichen war, hatte ihn längst beschlichen. Darüber, ob er das alles überlebte, wollte er gar nicht erst nachdenken. Wer sollte ihm auch helfen? Karyu saß im Gefängnis, und Tsukasa war sich ohnehin nicht sicher, ob er ihm tatsächlich egal war. Fushimasu war nirgends zu sehen. Keiner war zu sehen. Ganz abgesehen davon, dass sie keine Mittel dazu hätten, Tsukasa irgendwie aus seiner misslichen Lage zu befreien. Wieder stoppte er, atmete erschrocken aus, als Katashi aus dem Seitengang vor ihm direkt in seinen Weg trat. Ohne lange zu zögern, wechselte er die Richtung, verschwand hinter einer Wand. Seine Situation war so klar, dass sie seine ganzen Gedanken ausfüllte. Aber es dauerte einen Augenblick, bis er sich zu der Erkenntnis durchrang, dass nur er selbst sich nun helfen konnte. „Er hat Ihren Bruder nicht getötet!“, rief er über die Schulter zurück, behielt aber sein Tempo bei. Vielleicht, dachte er sich, ließ Katashi mit sich reden. „Natürlich hat er das, wer bitte soll es sonst gewesen sein? Sie selbst waren doch dabei, als er festgenommen wurde.“ „Eine scheiß Lüge ist das!“, schrie Tsukasa zurück, drehte sich einmal und schoss in den Boden, genau da, wo Katashi gerade seinen Fuß absetzen wollte. Dieser hielt in der Bewegung inne, und diese Zeit nutzte sein Kollege, um wieder Abstand zu gewinnen. Er hatte ein Motiv, flüsterte es in seinem Kopf, den er energisch schüttelte. Karyu war nicht so, er tötete nicht aus Rache, er war anständig, er war unschuldig! Allmählich wurde es dunkel draußen, und das, obwohl es erst später Nachmittag war. Ein Unwetter. Schlitternd rannte Tsukasa weiter. Innerlich begann er schon damit, die letzten Sekunden seines Lebens zu zählen. Sollte es wirklich so zu Ende gehen? Er hatte immer damit gerechnet, alt zu werden. Er hatte damit gerechnet glücklich zu sterben, damit, ein normales Leben zu führen. Er hatte mit so vielem gerechnet, bis er Karyu das erste Mal gesehen hatte, aber ganz sicher nicht mit dem, was seitdem geschehen war. Das konnte es nicht gewesen sein. Er hatte so viele Dinge erlebt in dieser kurzen Zeit, er hatte sich verändert und war doch wieder in alte Verhaltensmuster gefallen, und trotzdem fühlte er sich anders als früher, auf eine lächerliche Weise stärker, auch wenn die Trennung von Karyu an ihm zehrte. Er fühlte sich, als hätte er ein neues Leben begonnen. Er konnte nicht einfach so sterben. Karyu fluchte, als der Wagen eine scharfe Kurve machte und hielt sich an einem der Griffe fest um nicht aus seinem Sitz geschleudert zu werden. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, und ihm war schon seit einer ganzen Weile schlecht. Er hörte eine Uhr ticken, irgendwo in sich drinnen. Tick, tack, machte es. Tick, tack. Was, wen er zu spät käme? Die anderen Polizisten in seinem Van schwiegen. Allesamt warfen sie sich hin und wieder angespannte Blicke zu und Karyu spürte nur allzu deutlich, dass sie ihn aufmerksam beobachteten, wenn er nicht hinsah. Was für ihn persönlich bei dieser Sache auf dem Spiel stand schien bekannt zu sein. Entweder sprach sein Anblick Bände, oder es war bereits gehörig getratscht worden. Karyu schluckte und warf einen Blick auf die Digitaluhr am Armaturenbrett, dass er von seiner Position gerade noch sehen konnte. Sie waren erst gute sieben Minuten unterwegs, doch es kam ihm wie Jahrzehnte vor. Tick, tack. Seine Hände wurden schwitzig. Ohne es zu wollen dachte er an seinen letzten, größeren Einsatz, der als riesiges Desaster geendet hatte. Bilder schossen ihm in den Kopf und sein Herz pochte aufgeregt. Er sah Blut und Verwüstung und Chaos. Es durfte dieses Mal nichts schief gehen. Absolut gar nichts. Eine weitere Kurve folgte, und einige der Männer wankten auf ihren Plätzen. Karyu sah wie einige ihre Waffen fest umschlossen und einen imaginären Punkt fixierten. Er hatte mit ihnen bereits darüber geredet, wie er das Gebäude stürmen wollte. Allem Anschein nach gingen sie in Gedanken seinen Plan durch. Die selbstverständliche Loyalität hatte ihn überrascht. Eigentlich hatte er fest damit gerechnet erst einiges an Überzeugungsarbeit leisten zu müssen, um sich bei den anderen Polizisten überhaupt Gehör zu verschaffen. Der Vorwurf, Karyu sei ein Mörder, hatte sich in sämtliche Winkel der tokyoter Polizei verbreitet. Und das, noch bevor die Zeitung es für nötig hielt großkotzig und theatralisch darüber zu berichten. Karyu dankte allen Göttern dafür, dass es ihm bisher erspart geblieben war Opfer diverser Kameras zu werden. Mittlerweile war er sich sicher, dass diese Männer nie daran geglaubt hatten, dass diese ganze Sache überhaupt einen Funken Wahrheit enthielt. Wenn er das alles hinter sich hatte, würde Karyu Shimasa persönlich den Hals umdrehen. Tsukasa, dachte er dann plötzlich ohne einen weiteren Gedanken an diesen Scheißkerl zu verschwenden. Er würde ihn da raus holen. Er musste es schaffen. Bei der bloßen Vorstellung, dass er es nicht schaffen könnte, wurde ihm wieder schlecht. Er hob seinen Kopf und blickte aus einem der kleinen Fenster, als ein ferner Donner zu hören war. Eine dichte Wolkenwand bewegte sich direkt auf sie zu, und Karyu konnte nicht anders, als darin ein schlechtes Omen zu sehen. Er befeuchtete seine Lippen und erhob sich, als er bereits das Krankenhaus erkennen konnte. Der Fahrer bog schon bald ab, und es verschwand wieder. Er arbeitete sich von hinten heran. Sämtliche Augen lagen auf Karyu, der noch immer dastand und sich nicht rührte. Es dauerte nicht mehr lange. Vielleicht fünf Minuten. Vier. Er wusste es nicht. „Herrschaften“, sagte er leise, jedoch so deutlich, dass ihn alle hören konnten. Einige der anderen erhoben sich ebenfalls. „Es wird ernst.“ Mit einem neuen Ziel vor Augen rannte Tsukasa den Gang entlang. Seine Beine fühlten sich mittlerweile wie Blei an, und er war einige Male versucht, wenigstens für ein paar Sekunden inne zu halten. Doch wenn er nicht wollte, dass Katashi ihn kriegte, dann sollte er sich das schnellstens wieder aus dem Kopf schlagen. Die Pistole drohte ein paar Mal seinen schwitzigen Händen zu entgleiten, doch er umklammerte sie krampfhaft. Stolpernd kam er wieder vor dem Raum zum Stehen, in dem alles angefangen hatte. Er wusste nicht, wieso ihm in einer lebensbedrohlichen Situation ausgerechnet einfiel, dass er lieber bei Kaimah bleiben sollte, damit sie nicht in Gefahr war – und gerade wegen ihm könnte sie sich gleich in einer noch größeren befinden – doch ohne weiter darüber nachzudenken riss er die Tür auf und verschwand im Zimmer. Das kleine Mädchen schrie erschrocken, doch als sie Tsukasa erkannte plapperte sie weinend und nervös auf Französisch los. Tsukasa ging eine Weile zitternd auf und ab und griff schließlich nach einem Stuhl, um die Tür zu verrammeln. Er würde hier warten. Er würde hier mit Kaimah warten, bis Hilfe kam. Es musste einfach Hilfe kommen! Mit fliegenden Fingern versuchte er den Stuhl richtig auszurichten, und gerade als er meinte beinahe die beste Position gefunden zu haben, ging eine plötzliche Erschütterung durch die Tür. Kaimah kreischte, und er selbst sprang vor Schock zurück. Schon einen Moment später merkte er, wie dumm das gewesen war. Ein weiterer, dumpfer Laut erklang vom Gang, und der Stuhl rollte sich drehend zur Seite. Entsetzt sah Tsukasa dabei zu wie sich die Klinke hinunterdrückte, doch bevor die Tür aufgestoßen werden konnte warf er sich mit aller Kraft dagegen. Es krachte, seine Zähne schlugen durch die Wucht aufeinander, aber er schaffte es mit seinem Gewicht erfolgreich dagegen zu stemmen. „FEIGLING!“, hörte er auf einmal von draußen. Sein Herz pochte ihm schmerzhaft in der Brust. „KOMMEN SIE DA RAUS UND STELLEN SIE SICH MIR!“ Tsukasa antwortete nicht. Sein Mund war wie zugenäht, während er sich weiterhin gegen die Tür presste. Es rumpelte wieder, er wurde weg geschleudert, warf sich jedoch mit einem erschrockenem Japsen wieder dagegen und schaffte es, den einzigen Schutz zwischen ihm und Katashi wieder fest zu versiegeln. Sein Blick glitt zum Stuhl, der so weit weg gerollt war, dass er ihn nicht erreichen konnte. Hilfesuchend sah er sich nach Kaimah um, die ihn aus geröteten Augen anstarrte und verstand. Zitternd erhob sie sich von ihrem Platz, ließ die Tür und Tsukasa nicht aus den Augen, dem der kalte Schweiß auf der Stirn stand. Die Vans hielten im Schatten eines hohen Gebäudes, von dem aus man die Rückseite des Krankenhauses gut im Blick hatte. Blitzschnell und leise stiegen Karyus Männer aus, und auf einie Winke von ihm, verteilten sie sich in drei verschiedene Richtungen. Die ersten beiden Gruppen näherten sich dem Gebäude von rechts. Eine von ihnen sollte unbemerkt in das Erdgeschoss eindringen, die andere sämtliche, potentielle Wachen ausfindig und unschädlich machen. Karyu sah dabei zu, wie die Polizisten geduckt verschwanden und setzte sich schließlich selbst in Bewegung. Er und fünf der Männer näherten sich von links. Ziel war die Feuertreppe, von der Fushimasu geredet hatte. Über sie würden sie problemlos aufs Dach gelangen können, jedoch erst, wenn die zweite Gruppe ihnen das Signal gab. Sobald sie auch von nur einer Person bemerkt würden, konnte das alles in einem Chaos enden. Angespannt ging Karyu einige Meter und presste sich dann gemeinsam mit seinen Leuten an einige parkende Autos. Mit starrem Blick verfolgte er, wie Gruppe zwei vorsichtig umher schlich und das Gelände absicherte. Ein grelles Licht lenkte Karyu ab. Es donnerte wieder. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er in die Höhe und einige Tropfen fielen ihm ins Gesicht. Kaimah hatte den Stuhl beinahe erreicht, und als sie schließlich ihre Hände danach ausstreckte, atmete Tsukasa einmal erleichtert auf. Er betrachtete ihr aufgelöstes Gesicht, als sie ihn auf ihn zu rollte. Er griff nach der Rückenlehne, und seine Finger krallten sich in den Stoff. Auf dem Gang vor der Tür tobte Katashi noch immer. Zitternd versuchte Tsukasa den Stuhl auszurichten, ohne zu viel Gewicht von der Tür zu nehmen. Wenn er das schaffte, dann waren sie sicher. Es würde alles gut werden. Wenn das alles vorbei war, würde Katashi hinter Gitter befördert werden und er konnte sich wieder darauf konzentrieren Karyu aus seiner misslichen Lage zu befreien. Missliche Lage, dachte er mürbe und schaute auf seine zittrigen Finger, die wild am Stuhl herumdrehten. Er konnte wohl mit Fug und Recht behaupten, dass es ihm im Augenblick schlechter als Karyu ging. Es blitzte und ein lauter Donner erklang, der Tsukasa zusammenzucken ließ. Ohne es zu wollen wandte er seinen Blick von der Tür ab und sah zu den Fenstern hinüber, gegen die erste Regentropfen klatschten. Doch noch während er das Schauspiel betrachtete wurde er bleich. Draußen auf dem Gang rührte sich nichts mehr. „Oh nein-“ Weiter kam er nicht. Im selben Moment, in dem er merkte, dass sein Gewicht nicht mehr so stark gegen die Tür drückte wie zuvor rumpelte es wieder. Der Stuhl flog erneut zur Seite, und mit einem verzweifelten Aufschrei versuchte Tsukasa die Tür wieder zuzuwerfen, doch einige Sekunden zu spät. Katashi presste sie mit aller Kraft auf und Tsukasa rutschte auf dem Boden aus, wurde gewzungen einige Schritte rückwärts zu machen. Ein Schuss fiel, Kaimah kreischte und Tsukasa selbst warf sich flach auf den Boden. Es knirschte einmal geräuschvoll, und noch ehe er realisieren konnte, dass die Kugel eines der Fenster getroffen hatte, landete ein Tritt in seiner Seite. Er ächzte und hielt sich den Magen. Als er die Hand mit der Waffe heben wollte trat Katashi gegen sie, was ihn aufschreien und die Pistole fallen lassen ließ. Nein, dachte er verzweifelt und presste sich die Hand gegen die Brust. Nein, nein, nein... „Los!“ Auf Karyus Zischen hin pressten sich seine Leute die Waffe in den Anschlag und warfen einen letzten Blick hinter sich. Dann hechteten sie von Deckung zu Deckung, immer weiter auf das Krankenhaus zu. Obwohl ihnen per Funk durchgegeben wurde, dass die Luft rein war, warf Karyu hektische Blicke von links nach rechts und ließ die Anderen öfter hinter einer Deckung verharren, als es vielleicht nötig gewesen wäre. Lieber wollte mehr Vorsicht als nötig walten lassen, bevor am Ende alles verloren war. Als endlich die Feuertreppe in Sicht kam, überkam ihn ein Schaudern. Es dauerte nicht mehr lange. Nun ließ er seine Leute die Deckung vollends aufgeben und hielt direkt auf sie zu. Tsukasa wartete zitternd darauf, das irgendetwas geschah. Doch es tat sich nichts, während sich die Sekunden zäh in die Länge zogen. Katashi musste irgendwo neben oder hinter ihm stehen, doch er wagte es nicht, sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Dann hörte er auf einmal Schritte und spannte sich an. Allerdings entfernten sie sich von ihm. „Hey Kleine“, hörte er dann. Es klang so liebevoll und bedrohlich zugleich, dass sich alles in Tsukasa zusammenzog. Er stieß seinen Atem unregelmäßig hervor und hörte Kaimah wimmern, auf die Katashi unaufhörlich zuging. „Warum hast du solche Angst vor mir?“ Tsukasa verwendete seine gesamte Willenskraft darauf seinen Kopf zu drehen. In seinem Blickfeld erschienen Katashis Beine und weiter hinten an der Wand Kaimah. Sie saß am Boden, hatte beide Arme um ihre Knie geschlungen und verbarg ihr Gesicht. Dann hörte er ein Klicken. Die Erkenntnis, was Katashi da tat überkam ihn so plötzlich, dass er nicht nachdenken konnte. Mit aller Kraft hievte er sich auf die Beine und angelte nach seiner Waffe, doch noch ehe er sich hätte benutzen können drehte sich der andere Arzt zu ihm um. Ein lauter Knall ertönte, wegen dem sich Kaimah mit einem Schrei die Ohren zuhielt. Katashis Schuss ging ins Leere, und Tsukasa warf sich mit aller Kraft gegen ihn. Zusammen stürzten sie zu Boden und rangen miteinander. Er klackerte laut, als beide ihre Waffen verloren. Tsukasa fielen eine menge Dinge ein, die er ihm jetzt gerne an den Kopf geworfen hätte. Dass er ihn für das, was er ihm in den letzten Monaten angetan hatte, leiden sehen wollte. Dass er ihn hinter Gittern sehen wollte. Dass er ihn am liebsten hier und jetzt töten wollte. Doch er sagte nichts, sondern konzentrierte sich auf den stummen Zweikampf. Hin und wieder erklang ein Ächzen, und innerlich zählte Tsukasa wieder die Sekunden. Scheiße!, dachte er hysterisch. Hilfe, verdammt nochmal, HILFE! Er stutzte, als er etwas kaltes an einer Hand spürte, die Katashi von sich weggeschleudert hatte. Davon abgelenkt achtete er nicht auf die Faust, die auf sein Gesicht zuschnellte. Stöhnend presste er sich eine Hand vor die Augen, umfasste aber mit der anderen geistesgegenwärtig seine Waffe. Dann ging alles ganz schnell. Katashi bemerkte die Pistole, die sich direkt auf ihn richtete und duckte sich weg, doch Tsukasa hatte bereits abgedrückt. Er stieß einen entsetzten Fluch aus, als er sah, wie die Kugel lediglich die Seite des anderen Arztes streifte. Er betätigte erneut den Abzug. Und dieses Mal klickte es nur. „Nein-“ Zitternd drückte er noch einmal ab. Und wieder. Und wieder. Und als Katashi merkte, dass er außer Gefahr war, griff er nach seiner eigenen Waffe. Tsukasa drehte sich von ihm weg und kroch panisch davon, schrie jedoch auf, als es knallte und gleichzeitig ein bestialischer Schmerz sein rechtes Bein durchfuhr. „Rauf da!“ Karyu beobachtete wie sie nacheinander über die untere Absperrung auf die Feuertreppe stiegen und hielt sein Gewehr fest umklammert. Schließlich hängte er sich den Riemen um und folgte als letztes. So schnell es ging hasteten sie die Stufen hinauf. Das scheppernde Geräusch blendete Karyu vollkommen aus. In seinem Kopf kreisten wilde Gedankengänge hin und her, und je höher sie kamen, desto wütender und nervöser wurde er. Mittlerweile war sich absolut sicher, dass diese ganze Sache aus Shimasas Mist gewachsen sein musste. Anders konnte er sich das alles nicht erklären. Es konnte unmöglich sein, dass man Karyu festnahm und dieser verkommende Köter ausbrach und kurz darauf das Krankenhaus von Geiselnehmern in Beschlag genommen wurde OHNE dass es bei der ganzen Sache einen Zusammenhang gab. Mit mahlendem Kiefer nahm er mehrere Stufen gleichzeitig und malte sich aus, wie er diesem Mann am besten ein Ende bereiten könnte. Und in diesem Punkt war er sich sicher: Wenn er ihm über den Weg lief, konnte er dafür garantieren, dass er nicht lebendig aus der Sache herauskam. Mit schnellem Atem zog Tsukasa sich auf die Wand zu, an der Kaimah lehnte und ihn aus tränenden Augen anstarrte. Mit jeder Bewegung fuhr ein stechender Schmerz durch sein Bein. Schließlich merkte er, wie seine Hose von etwas Feuchtem getränkt wurde, doch traute sich nicht auf die Verletzung hinabzusehen. Katashi beobachtete ihn währenddessen interessiert. Allem Anschein nach schien er Tsukasas panische Angst in vollen Zügen zu genießen. Seine Waffe schwang entspannt in seiner Hand hin und her, ehe er sie wieder die beiden richtete. Kaimah keuchte entsetzt und klammerte sich an Tsukasa, der erschöpft seinen Kopf an die Wand in seinem Rücken legte und zu Katashi aufblickte. „Wie rührend“, sagte dieser. Seine Stimme wurde von einem Blitz untermalt, auf den umgehend der Donner folgte. Der Regen prasselte stärker gegen die Fenster. Katashi kam etwas näher und schien sich nicht entscheiden zu können, auf wen von beiden er den Lauf richten sollten. Wie betäubt legte Tsukasa einen Arm um Kaimah und versuchte sie zu verbergen, als glaubte er ihr damit helfen zu können. „Bitte“, hörte er sich dann leise keuchen. „Nicht sie. Bitte.“ Katashi lachte, und es klang in Tsukasas Ohren so schrecklich, dass er beinahe schmerzerfüllt die Augen zusammenkniff. „Bitte?“, wiederholte er dann und schwang mit der Pistole umher. Wie beiläufig griff er sich an die Seite, wo ihn die Kugel gestreift hatte. Blut sickerte in seinen weißen Kittel. „Bitte?“ Er schüttelte mit einem theatralischen Seufzen den Kopf. „Sind Sie so naiv, Doktor Oota? Glauben Sie, ich lasse mir meine lang ersehnte Rache nehmen, bloß weil sie um Gnade bitten?“ „Sie hat Ihnen nichts getan“, gab er leise zurück. Kaimah zitterte wie Espenlaub und versuchte sich unter seinem Kittel zu verstecken. „Ich weiß.“ „Und ich auch nicht.“ „Da wäre ich mir nicht ganz so sicher.“ Tsukasa verstand nicht, was er meinte. Aber irgendwie war er auch viel zu müde dazu. Zum ersten Mal glitt sein Blick zu seinem Bein hinunter, dass er vor sich ausgestreckte hatte. Es hatte sich bereits eine Blutlache gebildet, und der Anblick ließ ein schwindeliges Gefühl in ihm aufkommen. „Anscheinend vergessen Sie gerade, dass sie überhaupt der Verantwortliche für das ganze Theater sind.“ „Wie meinen Sie das?“, fragte Tsukasa lahm. Er biss die Zähne zusammen, als ihn ein immenser Schmerz überkam. Katashi verzog seinen Mund und hockte sich vor ihn. Der Lauf der Pistole richtete sich direkt auf Tsukasas Stirn und mit wild schlagendem Herzen schloss er die Augen und schluckte. „Hätten Sie ihn damals nicht operiert, dann hätte ich meine Rache längst bekommen. Er wäre jetzt da, wo er hingehört: in der Hölle.“ Tsukasa gab einen leisen Laut von sich und zuckte zusammen, als der Kalte Lauf seine Haut berührt, doch er öffnete die Augen nicht. „Aber nein, Sie mussten natürlich den Helden spielen! Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was Sie mir damit angetan haben?“ „Karyu hat Ihren Bruder nicht getötet.“ „Karyu? Gott, wie niedlich.“ Katashi schnaubte abfällig und richtete sich wieder auf. „Andererseits sollte ich Ihnen vielleicht danken. Dadurch, dass Sie Ihrem Karyu so ans Herz gewachsen sind, habe ich einen weiteren Grund um Sie zu töten.“ Tsukasa traute sich ein Auge zu öffnen und sah dabei zu, wie Katashi gemächlich auf und ab ging und dabei seine Waffe betrachtete. Er rechnete jeden Augenblick damit, dass er sie auf ihn richten und abdrücken würde. „Und wenn ich mit Ihnen fertig bin, dann wird er persönlich dafür büßen.“ Wie im Traum zog Tsukasa Kaimah fester an sich und ließ sie leise vor sich hin weinen. Im Gegensatz zu ihm schien sie ihre aussichtslose Lage bereits erkannt zu haben. „Sie können das nicht“, sagte er dann leise, sodass Katashi stehen blieb und ihn aufmerksam betrachtete. „Was kann ich nicht?“ „Sie können Ihn nicht töten.“ „Oh.“ Katashi schaute amüsiert und richtete wie zum Spaß seine Waffe auf Kaimah, die Tsukasa instinktiv enger an sich zog. „Da haben Sie wahrscheinlich recht. Ich nicht.“ Er wandte sich wieder ab. Tsukasa strich dem Mädchen mit zitternden Händen über den Kopf. Karyu rutschte weg, streckte eine Hand nach dem Geländer aus und fing sich im letzten Moment ab. Der Regen war von einem Moment zum anderen so heftig geworden, dass sie den Rest der Treppe nur mit Mühe und Not erklimmen konnten. Mit zusammengekniffenen Augen kämpften sie sich voran und Karyu hörte erleichterte Laute, als sie endlich das Dach erreichten. Wasser spritzte auf, als sie durch Pfützen liefen und sich die nächstbeste Deckung suchten, um nicht irgendwelchen Wachen überrascht zu werden. Doch nichts rührte sich hier oben. Karyu ließ seinen Blick weiter schweifen und ging mit seinem Headset auf einen anderen Kanal. Es rauschte. „Herr Matsumura?“ „Wer sonst“, gab er verstimmt zurück und hörte, wie Fushimasu sich haspelnd entschuldigte. „Wo sind Sie?“ „Auf dem Dach. Am Ostflügel.“ Es folgte ein Schweigen, während dem Karyu seinen Blick über die nahen Hochhäuser schweifen ließ. Dann erklang ein leises Klicken. „Ich sehe Sie.“ „Glückwunsch.“ „Ich bin westlich von Ihnen. Ein großes, weißes Gebäude, dritter Stock.“ Karyu suchte danach und fand es. „Okay. Sehen Sie was?“ Wieder folgte Stille, die ihn innerlich zur Weißglut trieb. Die Sekunden zogen sich elend in die Länge, dann hörte er Fushimasu leise seufzen. „Nein... ich-... warten Sie!“ „Ja?“ „Ich glaube-“ „Herrgott nochmal, jetzt raus mit der Sprache!“ „Direkt unter Ihnen!“ Karyu stockte. „Was-“ „Im dritten Stock! Da ist eine Person!“ „Wo genau?“ „In Ihrem altem Zimmer. Sie wissen schon, da wo die Kleine-“ „Ja, ich weiß!“, bellte Karyu dazwischen und stürzte gefolgt von seinen Leuten zum Westrand des Daches. Tsukasa, durchzuckte es ihn. Verdammte Scheiße, er muss es sein! „Glauben Sie vielleicht, ich würde so etwas wie das hier veranstalten, ohne alles geplant zu haben?“ Katashi kam wieder näher und fixierte Tsukasa, während er lässig die Waffe immer wieder von einer Hand in die andere fallen ließ. Mit einem lautlosen Schlucken starrte er auf die Pistole. „Das alles bloß, um mich-“ „Schon irgendwie erschreckend, nicht wahr?“ Katashi hielt inne und hing eine Weile seinen Gedanken nach, dann richtete er wieder seine Waffe auf sie. „Natürlich habe ich das nicht alles alleine auf die Beine gestellt. Ich hatte Hilfe von außen.“ Tsukasa überkam eine vage Vorstellung, um wen es sich handelte, doch er musste sich mit aller Kraft darauf konzentrieren seine Schmerzen in den Griff zu bekommen. „Warum reden Sie nicht mehr mit mir?“, fragte Katashi dann gespielt bestürzt. „Langweile ich Sie?“ „Sie machen mich krank.“ Tsukasa hörte ihn lachen. Mit einer Hand abwinkend drehte er sich wieder weg, überlegte es sich anders und richtete wieder die Waffe auf ihn. „Wie auch immer. Bald haben Sie diese Sorgen nicht mehr. Und ganz unter uns: Ich kann mir hier alle Zeit der Welt lassen. Angenommen, es ist tatsächlich... Hilfe für Sie unterwegs: Das Gebäude wurde gut abgesichert. Und außerdem lagert im Keller eine... ganz... besondere...“ Er machte eine gedehnte Pause und entsicherte die Pistole, zielte Tsukasa direkt zwischen die Augen. Er schloss seine Augen und wünschte sich nichts sehnlicher, als Karyu noch ein letztes Mal sehen zu können. „... Überraschung.“ Es knallte. Tsukasa zuckte zusammen und gab einen erschrockenen Laut von sich, merkte aber im selben Augenblick, dass er noch lebte. Auf das Knallen folgte ein Klirren, und geistesgegenwärtig beschützte er Kaimah vor den umherfliegenden Scherben. Katashi drehte sich rasant den Fenstern zu, durch das sich sechs Gestalten ins Zimmer schwangen, allesamt bis unter die Zähne bewaffnet. Schneller, als Tsukasa es realisieren konnte, hatten sich zwei von ihnen auf den anderen Arzt gestürzt, ihn entwaffnet und zu Boden befördert. Ein weiterer Mann kam geradewegs auf Kaimah und ihn zu, und als er den Helm abzog schluckte Tsukasa atemlos. Er starrte Karyu verblüfft an, als der sich vor ihn hockte, schlang schließlich seine Arme um ihn und brach in Tränen aus. „Scheiße“, wisperte er aufgelöst und versuchte seinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ „Ich hatte eigentlich gehofft, dass du dich freust mich zu sehen.“ „Wie- wie bist du-“ „Später.“ Karyu blickte auf Tsukasas Bein hinab, und sein Gesicht verfinsterte sich. „Es geht“, versicherte Tsukasa halbherzig und wurde im selben Moment vom Boden gehievt. „Shinji!“, rief Karyu. „Nimm du die Kleine!“ Ein weiterer Mann kam im Laufschritt an, und Kaimah wehrte sich gar nicht, als er sie sich auf die Arme hievte. Karyu legte sich einen von Tsukasas Armen um die Schulter, doch als der versuchte einen Schritt zu gehen, knickte sein gesundes Bein weg. Schweiß stand ihm auf der Stirn, und sein Körper zitterte. „Festhalten“, riet Karyu und hob ihn hoch. Noch immer mit seiner Fassung ringend vergrub Tsukasa sein Gesicht an seiner Schulter und schlang die Arme um seinen Nacken. „Es tut mir leid“, wimmerte er. „Es tut mir alles so leid. Ich-“ „Ruhig. Das hat noch Zeit.“ Mit einem knappen Befehl schickte er zwei Männer zur Tür in Richtung Gang, um die Lage einzuschätzen. „Hier oben ist niemand mehr“, sagte Tsukasa leise. „Sicherheit geht vor.“ Tsukasa antwortete nicht, sondern klammerte sich fester an ihn. Die Tatsache, dass jetzt alles gut werden würde, hatte ihn längst nicht eingeholt. Sein Blick fiel mit einem Mal auf Katashi, der von zwei Polizisten in ihre Mitte genommen dastand und ihn hasserfüllt anstarrte. Tsukasa lief es kalt den Rücken hinab und versteifte sich. Doch ehe er sich noch bewusster über diese Blicke werden konnte, wurde Katashi aus seinem Blickfeld hinaus und auf den Flur geführt, der als sicher befunden wurde. Es war alles unwirklich. Surreal. Tsukasa konnte gar nicht glauben, dass er doch noch dem sicheren Tode entgangen war. Wie im Traum sah die Gänge entlang, die sie durchschritten, schließlich im Erdgeschoss ankamen, in dem es vor Polizisten nur so wimmelte. Er sah ungefähr ein Dutzend aus Karyus Kommando, und noch dazu zahlreiche Streifenpolizisten. Auch Karyu sah sie. Und er schnaubte kaum hörbar. Ihr Weg führte an ihnen vorbei und hinaus, wo ihnen ein Regenschwall entgegenschlug. Die Männer mit Katashi verschwanden zu einem der Streifenwagen, während Karyu und dieser Shinji, der Kaimah im Arm hielt auf eine ganze Gruppe von Wagen zuhielt. Laute Rufe wurden laut, als man sie sah, und Tsukasa konnte Fushimasu erkennen, der sich erleichtert die Haare raufte und sein Gesicht in den Händen verbarg. Dann stockte sein Atem. Dicht neben ihm standen seine Eltern und starrten ihm entgegen. Mehrere Leute eilten auf sie zu, doch Karyu schlängelte sich an ihnen vorbei, schob Reporter und Zivilisten zur Seite, die ihm den Weg versperrten. Schließlich ließ er Tsukasa hinunter, der direkt vor seinen Eltern zum Stehen kam. Seine Mutter brach in Tränen aus, während sein Vater ihm kreidebleich die Schulter klopfte. Nahezu gleichzeitig nahmen sie ihn in den Arm und er ließ es wie betäubt geschehen. „KENJI!“ Er hob irritiert den Kopf und sah wie sein Bruder sich zusammen mit seiner vermeintlichen Verlobten durch die Menge auf sie zu kämpfte. „SCHEISSE, JAG MIR DOCH NICHT SOLCHE ANGST EIN!“ „Herrgott! Geht es dir gut?!“ Beide stürzten so in die Umarmung hinein, dass Tsukasa wankte, doch Karyu packte seine Schulter und stützte ihn schweigend. Seine Augen lagen auf Horiko, und als Tsukasa seinen Blick aus den Augenwinkeln erfasste wurde er bleich. Karyu ließ ihn los, lächelte flüchtig und hielt gebührenden Abstand. Anscheinend hatte er eins und eins zusammengezählt. „Lasst... lasst mich los, bitte.“ Tsukasa wankte wieder hin und her, und stützte sich an Bruder und Vater ab, ehe sie endlich von ihm abließen. Um ihn herum hatten sich erneut Menschen gesammelt, die von Polizisten zurückgedrängt wurden. Und jetzt sah er das erste Mal Sanitäter, die sich ihren Weg zu ihm bahnten. Er hörte wie seine Mutter aufgeregt auf ihn einredete und dem Arzt folgte, der Tsukasa zu einem der Krankenwagen führte. Als er sich einmal nach ihr umdrehte, sah er, dass Karyu ihm ebenfalls nachging. „... und dann dachten wir: HERRGOTT, NEIN! Unser SOHN arbeitet da! Und dann sind wir sofort hierher gefahren!“ „Danke“, konnte er nur geschafft sagen und beobachtete, wie sein Bein hochgelagert und untersucht wurde. „Sieht appetitlich aus“, sagte einer der Sanitäter mit verzogenem Gesicht, während er mit fliegenden Fingern einen Druckverband anlegte. „Wäre es nicht besser, wenn wir alle Verletzten wieder reinbringen? Ich meine, dass da ist ein Krankenhaus.“ Sein Kollege nickte, doch Tsukasa wich auf einmal sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Die Rufe ignorierend hievte er sich wieder hoch, stützte sich ab wo immer er Halt finden konnte und humpelte auf Karyu zu, der ihn perplex ansah. „Es ist etwas im Keller“, stieß er heiser hervor. Karyus Blick änderte sich im ersten Moment nicht, doch dann zogen sich seine Augenbrauen zusammen. Er griff nach Tsukasas Arm und verschwand in der Menge in Richtung Polizeiwagen. „Weißt du was?“ „Nein. Aber... ich bin mir absolut sicher, dass es gefährlich ist.“ „Woher weißt du das?“ „Katashi hat davon geredet und-“ „Was genau hat er gesagt?“ „Er- er-... er meinte, selbst wenn Hilfe kommt..-“ „Ja?“ „Dann lagert etwas im Keller. Eine Überraschung.“ Karyus Miene verfinsterte sich noch mehr, und als er schließlich seinen Vorgesetzten erblickte, der allem Anschein nach mit einem der Streifenwagen hier aufgetaucht war, hielt er direkt auf ihn zu. „Yoshitaka!“ Er grinste ihn an und hob eine Hand um ihm auf die Schulter zu klopfen. „Im Keller des Gebäudes ist eine Bombe.“ Er ließ den Arm wieder sinken und wurde bleich. „Sind Sie sicher?“ „Hundertprozentig.“ Sein Vorgesetzter starrte ihn an. „Da drinnen sind noch sämtliche Kranke, die nicht als Geiseln getaugt haben-“ „Ich weiß“, unterbrach Karyu ihn ungeduldig und half Tsukasa in den Wagen, vor dem sie hielten. Er ächzte, als er sich das Bein stieß und Karyus Hand schnellte zu seinem Arm. „Geht's?“ „Ja.“ „Weiß man, wann sie hochgeht?“, wollte Karyus Vorgesetzter wissen. Der warf einen fragenden Blick auf Tsukasa. Er schüttelte hilflos mit dem Kopf. „Er-... er meinte aber, er könne sich Zeit lassen.“ „Und wann hat er das ungefähr gesagt?“ „Ich weiß nicht. Vielleicht vor.. vor zwanzig Minuten. Kurz danach bist du gekommen.“ „Okay.“ Karyu zog die Tür zum Rücksitz auf und schmiss seinen Helm hinein, ehe er sich das Gewehr vom Rücken zog und dazu legte. „Ich geh rein.“ Tsukasa starrte ihn an und suchte nach Worten, doch als sich ihre Blicke trafen merkte er, dass jeglicher Versuch ihn davon abzuhalten zum Scheitern verurteilt sein würde. Karyus Vorgesetzter sah ihn ebenso sprachlos an. „Haben Sie ein bessere Idee?“, fragte Karyu, als er dessen Blick sah. „Die Chancen, die Leute aus diesem Gebäude zu evakuieren, bevor das Ding hochgeht, stehen eins zu einer Millionen. Sorgen Sie lieber dafür, dass die Leute aus dem Erdgeschoss verschwinden!“ „Du hast keine Ahnung“, stieß dann Tsukasa hervor. Karyu drehte sich wieder zu ihm um. „Von was?“ „Vom Gebäude.“ Das schien in einen Moment zum Nachdenken zu bringen, doch noch ehe er etwas erwidern konnte räusperte sich der Vorgesetzte. „Ich könnte jemanden suchen, der-“ „Nicht nötig“, unterbrach Tsukasa ihn. „Er hat bereits jemanden.“ Erst schien der Mann nicht zu verstehen, während Karyu kurz angebunden nickte . „Du brauchst ein Headset. Oder ein Funkgerät. Irgendwo hinter dir-“ Karyu hielt inne, als Tsukasa sich bereits umgedreht hatte und sämtliche Fächer durchsuchte. Schließlich zog er tatsächlich ein Headset hervor. Mit zittrigen Fingern legte er es an. Ehe er hätte fragen können, was er machen musste, hatte Karyu sich zu ihm hinab gebeugt und betätigte ein paar kleine Knöpfe. „Okay“, sagte er dann und betastete sein eigenes Gerät. „Du bist auf Kanal zwei. Drück am besten gar nichts an dem Ding, ehe die Sache nicht gelaufen ist.“ Er betrachtete Tsukasa eindringlich. „Brauchst du einen Plan?“ „Nein.“ „In Ordnung. Ich verlass mich auf dich.“ Er erhob sich wieder, und Tsukasa beobachtete mit trockenem Mund, wie ein paar letzte Worte mit seinem Vorgesetzten wechselte, der daraufhin verschwand und ein paar Befehle weiterzugeben. Aus den Augenwinkeln sah er wieder seine Familie, die versuchte sich an den Polizisten vorbeizukämpfen. „Karyu!“ Der hielt inne, als er sich auf den Weg in Richtung Krankenhaus machen wollte und drehte sich um. Tsukasa betrachtete ihn hilflos, ehe er sich hochhievte und auf ihn zu humpelte. Ohne nachzudenken ließ er sich gegen ihn stürzen und schlang die Arme um seinen Körper. Karyu fing ihn auf, und ehe er sich versah küssten sie sich. Hinter sich hörte Tsukasa japsende Geräusche, dann aufgeregtes Gerede. Doch er ignorierte es. „Vergeigs nicht“, stieß er dann hervor, als sie sich voneinander gelöst hatten. „Okay?“ Ein leichtes Lächeln legte sich auf Karyus Lippen, ehe er ihn wieder losließ. „Liegt ganz bei dir.“ Nach einem letzten Blick drehte er sich um und hechtete auf das Krankenhaus zu, aus dem die letzten Leute hinaus strömten, die sich bis eben im Foyer befunden hatten. Er verschwand hinter einem Schleier aus Wasser und mit nervös klopfendem Herzen kehrte Tsukasa wieder zum Wagen zurück. Mit einem letzten, kräftigen Tritt verschaffte Karyu sich Zugang in den Keller. Die Tür flog geräuschvoll auf, knallte gegen die Steinwand uns schwang halb zu ihm zurück, doch er er hatte sich bereits hindurch geschlängelt und nestelte an seiner Taschenlampe herum. Es rauschte einmal in seinem Ohr, dann hörte er Tsukasas Stimme. Trotz der Hektik durchfuhr ihn eine wärmende Welle. „Ich bin drin.“ „Siehst du was?“ „Stockdunkel.“ „Direkt rechts müssten sich diverse Lichtschalter befinden.“ Karyu wandte seinen Blick an die rechte Wand und erkannte im Schein seiner Taschenlampe die Schalter. Er betätigte sie alle auf einmal, und nach und nach wurde der Keller von einem grellen Licht erfüllt. „Okay.“ „Okay. Die schnellste Runde kannst du machen, wenn du als erstes nach rechts gehst.“ Karyu tat wie ihm geheißen und eilte den schmalen Gang entlang. „Wohin führt der Weg?“ „Ins Leichenschauhaus.“ Karyu verzog den Mund, erwiderte jedoch nichts. In ihm tickte wieder die imaginäre Uhr, die ihn immer nervöser werden ließ. Die nächste Tür, die er erreichte, führte ihn tatsächlich mitten unter die Toten. Mit einem gequälten Gesicht entzündete er auch hier das Licht und machte sich daran, sämtliche Ecken zu durchsuchen. „Vergiss die Kühlkammern nicht“, sagte irgendwann Tsukasa und Karyu ging auf sie zu um sie zu überprüfen. „Nichts“, antwortete er irgendwann. „Links von dir ist eine Tür. Die führt in den nächsten Gang.“ „Okay.“ Es folgte wieder ein längeres Schweigen, während dem Karyu den nächsten Korridor absicherte. „Sind rechts von dir gerade drei Türen?“ „Ja.“ „Geh die nacheinander ab.“ Es folgte eine längere Stille. Dann: „Nichts.“ „Okay.“ Karyu hörte, wie nervös Tsukasa war und rief sich schließlich selbst ins Gedächtnis, dass der ganze Laden quasi in jeder Sekunde hochgehen könnte. Ihm wurde übel. „Folg dem Gang weiter. Links werden noch einmal drei Türen auftauchen.“ Karyu durchsuchte auch diese Räume, aber auch hier ließ sich nichts entdecken. Langsam begann er daran zu zweifeln, dass seine Vermutung, hinter dieser Überraschung würde sich eine Bombe befinden, richtig war. „Nein“, schnaubte er. „Okay. Geh weiter.“ Die Minuten zogen sich zäh dahin, während beide immer angespannter wurden. Mittlerweile hatten Karyus Hände damit begonnen zu zittern, wenn er eine Tür öffnete und den Raum dahinter untersuchte. Je öfter es vorkam, dass er nichts entdeckte, desto höher wurde die Wahrscheinlichkeit, dass er zu spät kam. „Nichts“, stieß er wieder hervor, als er ein Zimmer durchsucht hatte. „Scheiße!“ „Am Ende des Ganges sind noch zwei Räume“, meinte Tsukasa und klang beinahe hoffnungsvoll. „Wenn da nichts ist- vielleicht hat er nur-...“ Er brach ab, doch Karyu wusste nur zu gut, was er meinte. Mit beflügelten Schritten hielt er auf die letzten Türen zu. Es knallte plötzlich. Und dann war es dunkel um ihn. Fluchend suchte er nach seiner Taschenlampe und entzündete sie. „Karyu, hast du noch Strom?“ „Wenns mal so wäre.“ „Der Blitz ist direkt ins Gebäude eingeschlagen.“ „So hat es ich auch angehört.“ Er stieß die vorletzte Tür auf und probierte die Lichtschalter aus, doch nichts tat sich. „Ich kann wohl eher nicht hoffen, dass der Blitz die Bombe kurzgeschlossen hat.“ „Lieber nicht.“ Schweigend durchleuchtete Karyu das Zimmer, durchmaß es einmal. Hektisch räumte er ein paar Kisten zur Seite, und stockte, als ihm etwas Rotes entgegen leuchtete. „Tsukasa!“, zischte er dann. „Scheiße, ich hab das Ding!“ „Wie lange noch?“, wollte er aufgeregt wissen. „Knappe zehn Minuten.“ Er seufzte erleichtert und räumte noch mehr Kisten beiseite, um besser an die Bombe heranzukommen. „Schaffst-... schaffst du das-“ „Keine Sorge.“ Karyu richtete seine Taschenlampe auf das Objekt und beleuchtete es von allen Seiten. Es war nicht gerade das Komplizierteste, was er bisher gesehen hatte, doch einfach würde es auch nicht werden. Er holte gerade Luft und setzte zum Wort an. Dann traf ihn etwas am Hinterkopf. Mit voller Wucht wurde er gegen eine der Kisten geschleudert. Sein Headset flog im hohen Bogen durch den Raum, und er konnte gerade noch Tsukasas erschrockenen Ruf hören. „Scheiße.“ Er fasste sich an den Hinterkopf und kniff die Augen zusammen. Und als er sich darüber klar wurde, was das bedeutete, drehte er sich rasant um. Er war nicht alleine hier. Ehe er etwas hätte sagen können, erschien eine Gestalt im Lichtkegel seiner Taschenlampe. Karyu wurde heiß und kalt, und sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht. Mit einem heftigen Ruck schlug Shimasa ihm die Lampe aus der Hand. Sie stürzte zu Boden und zerbrach. Instinktiv duckte Karyu sich Weg, als ein Schlag in seine Richtung ausgeteilt wurde. Mit aufsteigender Wut erhob er sich wieder und holte nun seinerseits in die Dunkelheit aus. Shimasa. Natürlich. Wie hatte Karyu ihn nur vergessen können! Seine Faust traf ins Leere und ein Tritt landete in seinem Magen, der ihn aufstöhnen ließ. Er presste sich eine Hand vor den Bauch und fing in letzter Sekunde den nächsten Schlag ab. Mit aller Kraft hielt er Shimasas Faust fest umklammert. Das Licht eines Blitzes zuckte durch die schmalen Kellerfenster zu ihnen hinein, und als Karyu sein Gesicht erkennen konnte, platzte der Knoten in ihm. „DU!“ Er holte erneut aus, doch Shimasa befreite sich und wich zurück. „ICH TÖTE DICH! ICH BRING DICH UM!“ Karyu sprang ihm hinterher, und als er ihn wieder zu fassen bekam, landete wieder ein unvorhergesehener Hieb in seinem Magen. Karyu ächzte. Er erinnerte sich nicht daran, dass Shimasa ein Gegner war, der es mit ihm aufnehmen könnte. Wutentbrannt ließ er seinen Kopf vorschnellen und traf Shimasas Stirn, der sich daraufhin eine Hands vors Gesicht schlug. Karyu nutzte die Gelegenheit und beförderte ihn mit einem Tritt gegen ein Regal, das laut zu scheppern begann. Mit fliegenden Fingern löste er seine Pistole aus dem Holster. Dann wurden ihm die Beine weggezogen. Mit einem dumpfen Aufprall landete er auf dem Boden, die Augen direkt auf die Bombe gerichtet, die noch immer unheilverkündend vor sich her tickte. Shimasa griff nach ihm, und ehe er sich versah prallte er wieder gegen die Kisten. Nach Luft schnappend stemmte er sich vom Boden ab, wurde aber erneut gefasst. Dieses Mal wehrte er sich jedoch, und in einem bitteren Zweikampf rollten sie über den Boden, während dem er seine Waffe verlor. Irgendwann gelang es Karyu, ihn von sich fortzutreten. Im Licht eines neuen Blitzes sah er Shimasa taumeln, erhob sich und rammte ihm den Ellenbogen in die Brust. Er hörte mit Genugtuung, dass sein Widersacher nach Atem rang, sich jedoch sofort wieder auf Karyu stürzte. Verzweifelte setzte er sich zur Wehr und warf immer wieder Blicke auf die Bombe. Fünf Minuten. Ein kalter Schauer lief seinen Rücken hinab, und nun versuchte er umso vehementer, Shimasa irgendwie kleinzukriegen. Wenn er sich noch weiter mit ihm aufhielt, dann würden sie hier unten beide das Zeitliche segnen. Dann überkam ihn mit einem Mal die Erkenntnis, dass er wohl genau das wollte. Es klickte auf einmal. Ehe Karyu einordnen konnte, dass es eine Waffe war, die entsichert wurde, traf ihn etwas Hartes an der Stirn und ließ ihn Sterne sehen. Mit einem schmerzerfüllten Stöhnen sank er auf die Knie und presste sich die Hände vors Gesicht. Die eingekehrte Ruhe beängstigte ihn. „Sieh mich an“, befahl Shimasa leise, doch Karyu reagierte erst, als ihm der Luft einer Waffe auf den Kopf gepresst wurde. In ihm bebte alles. Das konnte doch nicht das Ende sein! Nicht so! „Aha.“ Shimasa grinste abfällig und Karyu ließ seine Hände sinken, starrte an ihm vorbei auf einen imaginären Punkt. „Wirklich jammerschade, dass du am Ende doch keinen Erfolg hast.“ Karyu schwieg eisern, und das machte Shimasa wütend. Er schlug ihm ein weiteres Mal die Pistole ins Gesicht. „Weißt du was?“, fragte er irgendwann und drückte Karyu nun den Lauf an die Stirn. „Du bist nicht der Erste, der so vor mir kniet. Soll ich dir verraten, wer noch?“ Karyu presste seine Zähne aufeinander und schnaubte. Sein Blick glitt an Shimasa vorbei, direkt auf die Uhr. Er würde hier sterben. Er würde hier mit diesem Arschloch in die Luft fliegen. „Wahrscheinlich wird es dich nicht sonderlich stören“, redete Shimasa weiter und wiegte die Waffe in seiner Hand. „Immerhin habe ich dir mit Katashi damals eine Last von den Schultern genommen. Oh, du wusstest gar nicht, dass er tot war? Zu dumm, dass die Polizei alles daran gesetzt hat, die Ermittlungen der Öffentlichkeit zu entziehen!“ Bedächtig hob er Karyus Kinn mit der Waffe an und musterte ihn mit verzogenem Mund. „Ich hätte es dir zugetraut. Ja, vielleicht hättest du ihn irgendwann wirklich selbst um die Ecke gebracht, wenn ich nicht gewesen wäre. Immerhin hattest du allen Grund dazu, nicht wahr? Armer Masa. Er war noch so jung.“ Karyu schloss die Augen und schluckte bei der Erwähnung seines Bruders. Was den Rest betraf hatte Shimasa recht: es störte ihn nicht sonderlich, dass er Katashi auf dem Gewissen hatte. Diesem Mann würde er niemals nur eine Träne nachweinen. Was ihn allerdings dazu brachte sich anzuspannen, war die Art, auf die er ihm das alles erzählte. Jeden Moment rechnete er damit, Dinge zu erfahren, die er nie erfahren wollte. „Ein perfektes Verbrechen, wenn du mich fragst“, fuhr Shimasa fort, und ließ Karyus Kinn wieder sinken. „Nie im Leben wäre auch nur irgendwer auf die Idee gekommen, dass ich dafür verantwortlich war. Wieso auch? Mir hatte er schließlich nichts getan. Allerdings hat er Masa auch nichts getan.“ Karyus Blick schnellte zu ihm hoch, und Shimasa schnaufte triumphierend. „Oh“, machte er leise, ging vor ihm in die Hocke und hielt ihm die Pistole an die Schläfe. „Das wusstest du auch nicht? Du weißt gar nichts, oder? Du bist so dumm wie ein Kind.“ Er erhob sich wieder. „Das habe ich deinem Bruder auch gesagt. Mit dem Unterschied, dass er ein Kind war“ Shimasa zuckte mit den Schultern. „Dann hab ich abgedrückt.“ Karyu starrte ins Leere, während er fühlte, wie sämtliche Farbe sein Gesicht verließ. Er fühlte sich, als hätte jemand ein Loch durch ihn gebohrt. Er konnte nicht denken, keinen klaren Gedanken fassen. „Leider musste ich Katashi aus dem Weg räumen, weißt du? Obwohl er wirklich fabelhafte Arbeit für mich geleistet hat. Gefleht hat er, wie ein Kind. Ich habe alles gemacht, was du wolltest!Unfassbar eigentlich, nicht wahr? Das alles nur, um dich Jahre später so vor mir zu sehen wie jetzt.“ Karyu hob langsam seinen Blick und musterte die Waffe, die wieder auf seine Stirn zeigte. „Wie auch immer.“ Shimasa drückte ihm den Lauf auf die Haut. „Wir sehen uns in der Hölle.“ Karyus Blick senkte sich wieder. „Helden“, sagte er dann gespenstisch ruhig, „haben in der Hölle nichts verloren.“ Shimasa stutze einen Moment, und das wurde ihm zum Verhängnis. Karyu schoss in die Höhe, packte seinen Kopf und drehte ihn in einer ruckartigen Bewegung zur Seite. Ein ekelerregendes Knacken erfüllte die Stille, und als er Shimasa losließ sackte er leblos zu Boden. Dann stürzte er zur Bombe. Angespannt starrte Tsukasa auf das Gebäude, warf immer wieder hilflose Blicke auf eine Uhr. Die zehn Minuten, von denen Karyu geredet hatte, waren längst vorüber. Und das nichts geschehen war ging er davon aus, dass er es irgendwie geschafft hatte, die Bombe lahmzulegen. Doch seitdem war er nicht zurückgekehrt, und ein Ächzen war das letzte gewesen, was er von ihm gehört hatte. „Schicken Sie jemanden rein!“, verlangte er von Karyus Vorgesetzten, der ebenso erwartungsvoll auf das Gebäude starrte. „Zu gefährlich.“ „Aber die scheiß Bombe ist längst entschärft, verdammt nochmal!“ „Trotzdem dürfen wir kein Risiko eingehen“, hielt er dagegen. „Es tut mir aufrichtig leid Herr Oota, aber wir müssen uns gedul-“ Er hielt inne, und Tsukasas Blick heftete sich wieder an das Krankenhaus. Durch die Fäden endlosen Regens konnte er die Umrisse einer Gestalt erkennen. Er begann vor Aufregung zu zittern. „Karyu“, sagte er nur leise, ehe er sich das Headset hinunter riss, sich erhob und blindlings auf ihn zu humpelte. Hinter ihm griffen ein paar Leute nach ihm um ihn davon abzuhalten, doch es misslang ihnen. Er wurde schneller, je näher er dem Schemen kam. Und irgendwann bestätigte sich sein Verdacht; Mit einem Mal fühlte er sich so leicht wie nie zuvor. Karyu schlang die Arme um ihn, als er gegen ihn stürzte. Sich fest umklammernd standen sie da, während ein begeistertes Getöse ertönte. Außer Atem bewegte sich keiner von ihnen, bis sie von den Sanitätern dazu aufgefordert wurden, sich ihrer Behandlung zu unterziehen. Karyu löste sich von ihm, griff nach seiner Hand und betrachtete ihn erwartungsvoll. Mit einem ungläubigen Lächeln verschränkte Tsukasa ihre Finger miteinander. Er konnte es kaum fassen. Es war alles vorbei. „KENJI!“ Er zuckte zusammen und wandte sich nach rechts, wo er seine Mutter und Horiko vorfand, beide weiß wie ein Laken. „Was-... was- also-“ „Später“, sagte er nur müde. „Bitte.“ Horiko hielt sich beide Hände vors Gesicht, ehe sie sich einmal darüber strich und Karyu und Tsukasa betrachtete. „Aber... aber-... wir-“ „Es tut mir leid“, unterbrach Tsukasa sie reuevoll. Beide brachen in Tränen aus, und Karyu führte sie schnell an ihnen vorbei. „Da kannst du dich wohl noch auf etwas gefasst machen, was?“, fragte er, und Tsukasa lächelte grimmig. „Was du nicht sagst“ Keine drei Meter weiter kamen sie an seinem Vater und seinem Bruder vorbei. Während Kantsuo wohl eher überrascht als erschrocken war strahlte sein Vater ihn stolz an. Er kam nicht umhin, flüchtig zu grinsen und versprach, dass sie sich sprechen würden, wenn sie versorgt waren. „Ich mag deinen Vater“, meinte Karyu dann, als sie vor einem der Krankenwagen Halt machten. Er erntete von Tsukasa einen verdutzten Blick. „Ehrlich. Ich werde mich super mit ihm verstehen!“ Tsukasa lächelte, antwortete jedoch nicht. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie mehrere der Gefangenen von den kleineren Streifenwagen zu einem Großtransporter gebracht wurden. Sein Blick fiel auf Katashi, er runzelte die Stirn und drehte sich wieder weg – nur um seinen Kopf wieder zu ihm zu drehen. Es ertönten aufgeregte Rufe, als er sich auf einmal von dem Polizisten losmachte, der ihn führte. Doch ehe jemand hätte reagieren können griff er nach dessen Waffe und richtete sie durch die Menge – direkt auf Karyu. Tsukasas Herz setzte aus. Wut und Angst kamen in ihm auf, als er sah, wie Katashi abdrückte. Mit aller Kraft rammte er Karyus Seite, sodass er aus dem weg stolperte. Dann japste er erschrocken nach Luft, als sich ein brennender Schmerz durch seine Brust zog. Hustend presste er sich eine Hand darauf und suchte zitternd Halt. Alles um ihn herum begann zu Rauschen, er hörte noch ein paar vereinzelte Schüsse, einen entsetzten Aufschrei. Dann wurde alles dunkel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)