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A Pirate Story

Not all men seek rest and peace, some are born with the spirit of the storm in their blood, restless harbingers of violence and bloodshed, knowing no other path!
von

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April, 1725

Not all men seek rest and peace, some are born with the spirit of the storm in their blood, restless harbingers of violence and bloodshed, knowing no other path!
 

April, 1725

Der dreizehnjährige schottische Junge hatte vorher noch nie eine so große Stadt wie Bristol gesehen und rannte aufgeregt hin und her. Bristol war eine parlamentarische Stadt, die vom Tuchhandel lebte, hatte ihm seine Mutter erzählt, die ihn versuchte an die Hand zu nehmen, da die Gassen von Menschen überfüllt waren und sie Angst hatte den kleinen schwarzhaarigen Knaben aus den Augen zu verlieren. Er war aufgeregt und betrachtete alles mit großer Neugier, dabei schien ihn der Gestank der Stadt nicht im Geringsten zu stören. Der Junge erinnerte sich an die lange Reise nach Bristol und wie sie der Servern, einem Fluss, der in den Cambrian Mountains entspringt, durch die Grafschaft Shropshire gefolgt waren und nun ihr Ziel erreicht hatten. Hier lebte seine Großmutter und seine Tante zu denen er und seine Mutter unterwegs waren. Seine Tante hatte vor kurzem einer Tochter das Leben geschenkt. Seine Mutter hatte das Gut in den Highlands, nach dem plötzlichen Tod seines Vaters, einem guten Freund anvertraut, der es nun für unbegrenzte Zeit verwalten sollte. Der Junge wusste was das hieß, vielleicht würde er nie wieder nach Hause zurückkehren. Er seufzte wehmütig und Tränen schossen ihm in die Augen, als er an seinen besten Freund Ian dachte.

„Sieh nur Nethaniel!“, meinte seine Mutter glücklich und zeigte auf eine riesige Kirche, „Das ist Saint Mary Redcliffe! Wie beeindruckend!“

Nethaniel blickte zu dem riesigen gotischen Bauwerk und ihm stockte der Atem. Er wollte schon Halsüberkopf losrennen, um sich die beeindruckende Kirche näher anzuschauen, doch seine Mutter zog ihn in eine andere Richtung und blieb direkt vor einem Fuhrwerksunternehmen stehen. Es war ein stolzes, großes Haus auf dem groß der Name Beteille prangte. „Komm mein Kleiner! Wir sind zu Hause!“, meinte seine Mutter lächelnd und öffnete die Tür des Geschäfts. Nethaniel wollte gern wissen, warum sie nicht in dem Highlands geblieben waren, doch er schwieg.

Es empfing sie schwerer Tabakgeruch und ein älterer Herr, der sie freundlich begrüßte.

„Das, Nethaniel, ist dein Onkel! Sag guten Tag!“, meinte seine Mutter, doch Nethaniel dachte gar nicht daran, diesem alten Mann seine Aufwartung zu machen und schwieg beharrlich weiter. Seine Mutter sah ihn missbilligend an, als plötzlich ein kreischendes Frauenzimmer die Treppe runter kam und sich auf ihre Schwester stürzte.

Nethaniel hatte diese Person, die ihm als Tante vorgestellt wurde, noch nie zuvor gesehen und weigerte sich auch jetzt ihr irgendwie entgegen zu kommen.

„Ihr müsst ihn entschuldigen, er ist mit dieser ganzen Misere ein bisschen überfordert!“, wich seine Mutter aus. Seine Tante zuckte bloß mit den Schultern und wand sich ab.

„Komm Claire! Ich will dir die Kleine zeigen! Nathaniel kann ja mit Roger spielen!“, meinte sie und beide verschwanden im nächsten Stockwerk. Roger? , dachte Nethaniel, was ist das für ein Tier? Nichts ahnend drehte er sich um und sah dem großen Tier in die Augen. Es war ein großer schlaksiger Junger, der wahrscheinlich so alt war wie er selbst. Er hatte fettige Haare und musterte den noch kleinen Schotten angewidert.

„Hallo, mein Name ist Roger Jared Beteille!“, meinte er schleimig, „und wer bist du?“

Nethaniel musterte seinen feinen Anzug, aber schwieg. Der Junge blickte ihn triumphierend an.

„Kannst du überhaupt englisch sprechen?“, fragte der Junge höhnisch und mimte einen Pantomimen. Nethaniel konnte diesen Jungen nicht leiden und schob angewidert den Kiefer vor.

„Mein Name ist Nethaniel Adrain Hawkins McLaughlin!“, sagte er stolz und sah Roger aus grimmigen Augen an. „Oh! Ein hochwohlgeborener schottischer Bastard!“, meinte er kalt, „wo hast du denn deinen Tartan gelassen!“

Nethaniels Augen wurden zu Schlitzen: „Na wenigstens sehe ich nicht aus wie ein gerupftes Huhn!“

Roger sah an sich hinunter und ging auf Nethaniel los. Nethaniel hatte einige Erfahrung mit Prügeleien und wusste wie man sich gegen Größere durchsetzte.

Nethaniel wollte sich gerade zur Wehr setzten, als seine Tante kreischend das Zimmer betrat. Roger, der die Situation schneller erfasst hatte begann markerschütternd zu plärren: „Er…er hat angefangen! Ich hab gar nichts getan!“, schniefte er und Nethaniel kam die Galle hoch.

„Nethaniel…!“, sagte seine Mutter und kam drohend auf ihn zu.

„Ich hab gar nichts gemacht!“, meinte er zu seiner Verteidigung.

„Du sollst nicht lügen!“, meinte seine Mutter und verpasste ihm eine Maulschelle. Tränen liefen über seine Wangen und er funkelte sie an, „Und jetzt entschuldige dich bei Roger!“

„Ich hasse dich!“, zischte er leise, drehte sich um und stürmte auf die überfüllte Straße.

Er hörte seine Mutter schreien, aber hörte nicht hin. Er rannte durch Straßen und Gassen, bis er sich plötzlich im Hafen wieder fand und sich auf eine Kiste setzte. Er weinte um seinen Vater und seine Freunde. Er hasste sein neues Stadtleben jetzt schon und wollte wieder nach Hause.

Plötzlich packten in zwei Arme von hinten und hielten ihm den Mund zu. Es war weder seine Mutter noch sein Onkel und Nethaniel wehrte sich mit allem was er hatte.

„Hey Jack! Sieh mal was ich hier hab! Für den kriegen wir auf Barbados eine hübsche Stange Geld!“, brüllte sein Peiniger. Etwas Hartes traf Nethaniel am Kopf und ihm wurde schwarz vor Augen.
 


 

Barbados, 1726

Er beobachtete die kleine Schleichkatze, die fast einen halben Meter maß. Es war ein schönes Tier mit grauem Fell, mit einem spitzen Kopf und einem langen Schwanz. Ein zweites Tier gesellte sich dazu und Nethaniel beobachteten wie die beiden Mungos ins Gestrüpp verschwanden. Er seufzte. Er war nun schon zwei Jahre als Frondiener Hawkins auf Barbados und wollte endlich verschwinden, so wie die kleinen Mungos, die er beobachtet hatte. Die Familie bei der er lebte war zwar nett und behandelte ihn gut, aber Nethaniel war nicht zum Sklaven geboren. Noch ein paar Tage und etwas Glück, mahnte er sich. Er hatte sich einen ausgefeilten Plan überlegt wie er von der Sklaveninsel fliehen konnte. Er hatte beschlossen es wie Sir Henry Morgan, ein berühmter Bukanier, zu machen und sich erstmal bis nach Jamaika durchzuschlagen. Nächste Woche wollte sein Herr nach Bridgetown reisen und er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht den jungen Hawkins mitzunehmen. Bridgetown lag direkt an der Carlisle Bay an der atlantischen Küste. Nethaniel musste immer den Seemännern zur Hand gehen, während sein Herr Geschäfte abwickelte. Zu seinem Glück kannte Nethaniel einen alten Seebären, der ihn mit Sicherheit auf ein Schiff nach Jamaika, oder bestenfalls nach Amerika schleusen konnte. Nethaniel streckte sich und dachte an die Highlands und hoffte inständig, dass er es schaffte dorthin zurückzukehren. Er dachte an seine Mutter und fragte sich, ob sie ihn wohl vermisste.

„Hawkins?“, hörte er die Stimme seines Herrn rufen, „Komm sofort her oder ich lasse dich in Ketten legen!“

Nethaniel stieß ein paar grobe gälische Flüche aus und stand seufzend auf.

Tortuga

Tortuga, 1730

Die Sonne ging rotgolden über dem Meer auf und verwandelte die schwarze Wasserfläche in eine rotgoldene Ebene aus kleinen orangen Lichtblitzen. Der Himmel war in ein sanftes blaurosa getaucht und es versprach ein schöner Tag zu werden. Der Atlantische Ozean lag ruhig da, man schmeckte die salzige Luft und fühlte die schwache Brise, die auf einen guten Segeltag schließen ließ.

Kleine Dunstschwaden hingen im Hafen von Tortuga und ließen die Seeräuberinsel friedlich und ruhig wirken. Île de la Tortue lag nordöstlich von Hispaniola im atlantischen Ozean und machte zu solch früher Stunde einen mehr als verträumten Eindruck.

Die langen, dunkelgrün glänzenden Blätter der Brotfruchtbäume wiegten leicht hin und her. Die kopfgroßen essbaren Früchte hingen schwer an den Ästen, der bis zu zwanzig Meter hohen Bäume. Neben diesen Giganten wirkten die kleinen Orangenbäume fast wie Kinder.

Die vielfach gegliederten Stängel des Zuckerrohrs auf den Feldern reckten ihre langen Blätter gen Himmel und ein kleiner Leguan verschwand in einem Strauch.

Langsam erhob sich die rotgoldene Sonne aus ihrem nassen Bett und zaghafte Strahlen vielen in den Hafen.

Nathaniel blinzelte vorsichtig und streckte sich, es war also schon wieder morgen! Er setzte sich gähnend auf, dabei rieb er sich schlaftrunken die Augen. Bedächtig erhob er sich aus seinem Nachtlager und streckte sich zufrieden.

Er füllte eine Schüssel mit Wasser, bekreuzigte sich und goss sich das eiskalte Wasser über die tiefschwarzen Haare. Prustend schüttelte er sich. Jetzt war er wenigstens wach! Der Rum vom Vorabend hatte seinen Zweck erfüllt und Nathaniel hatte pochende Kopfschmerzen! Er legte sich eine Spiegelscherbe zurecht und begann sich zu rasieren. Nathaniel war groß und schlank, er hatte ein schmales Gesicht und verwegene grüne Augen. Seine schwarzen Haare fielen ihm mit einer Art beiläufiger Eleganz in die Augen, die niemand so schnell nachmachen konnte, er war ein schwarzer Kelte, wie seine Mutter immer zu sagen pflegte. Seine hohen Wangenknochen ließen ihn wie einen der alten Nordmänner aussehen, oder wie einen barbarischen Wikinger. Er war jung, vielleicht zu jung, aber er war ein erfolgreicher Seeräuber, oder wie Jaques sich auszudrücken pflegte: „ein aristokratischer walisischer Bukanier! Stur wie zehn Esel!“

Nathaniel schmunzelte und sah sich in seiner Kajüte um. Wo waren nur seine Schuhe, zum Donnerwetter noch mal! Das Schiff, was er in Partnerschaft mit einem anderen Bukanier erstanden hatte, lag friedlich im Hafen von Tortuga. Aber wie lange noch? Nathaniel hatte aus guter Quelle, dass die Spanier bald wieder eine Silberflotte durch das karibische Meer schicken wollten…

Sein Magen knurrte und so zog es ihn ganz von selbst in die Pantry, wo er Jaques Beteille mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen antraf. Jaques war ein französischer Deserteur, der ausgezeichnet kochen konnte. Er war klein und rundlich und säuberte gerade fröhlich die Kochlöffel.

„Bonjour Jaques!“, begrüßte Nathaniel ihn hungrig.

„Bonjour Monsieur!“, gab Jaques zurück. Bedauerlicherweise bestand der kleine Franzose darauf, dass die ersten Worte, die man mit ihm morgens wechselte, auf Französisch abgegeben wurden. Andernfalls stellte er sich einfach taub.

„Hast du was zu essen?“, fragte Nathaniel, um das Knurren seines Magens zu übertönen. Der Franzose schwieg, als hätte er ihn nicht verstanden. Nathaniel hasste diese Prozedur und seufzte tief. Jaques hatte einfach keine Lust ihn zu verstehen. Plötzlich drehte Jaques sich um.

« Dis donc, tu as acheté quelque chose à manger ? », fragte er leichthin. Ob ich was zum Essen gekauft hab? Natürlich nicht! , dachte Nathaniel und sah den Franzosen eindringlich an.

« Non! Je n`ai rien acheté! Pourquoi ? », antwortete er wahrheitsgetreu.

« Alors, il y a un problème: on n`a plus de baguette, plus de fromage, plus de pain et plus d`eau minérale! », sagte Jaques ruhig.

Nichts mehr zu Essen?

„Wie bitte? Wir haben nichts mehr zu Essen!?“, Nathaniel sah ihn vernichtend an, da der Franzose sich immer noch taub stellte.

« Et toi, tu n`as rien acheté, bien sûr. Qu`est-ce que tu as fait toute la journée ? », erboste sich Nathaniel. Warum war der Franzose nicht einkaufen gegangen! Was hatte er denn so Wichtiges zu tun gehabt?

„Rien!“, antwortete Jaques schlicht.

Nichts!? Und da hatte er keine Zeit mal was zum Essen zu besorgen?

« Alors, rien ne t`empêchait d`aller faire les courses! », meinte Nathaniel wütend. Dann seufzte er und gab sich geschlagen.

« Bon! Mais ni toi ni moi ne voulons mourir de faim ! Et si je ferais les courses ? », meinte Nathaniel kühl.

„Das ist eine gute Idee! Du hast Recht! Ich will auch nicht am Hungertod sterben! Aber vergiss nicht die Zwiebeln mitzubringen!“, meinte Jaques nun glücklich.

Nathaniel murmelte ein paar gälische Verwünschungen und verschwand aus der Pantry.

„Das is`ja mal wieder typisch! Dämlicher französischer Bastard!“, grollte Nathaniel und schritt über das Deck der Victory .

„Guten Morgen, Hawk!“, erschallte es plötzlich vom Steg, „Was ist denn mit dir los?“

Der Rotschopf Killian Gasquet, der von allen nur Red genannt wurde, stand am Steg und kratzte sich am Kopf.

„Jaques, diese treulose Tomate, hat mal wieder das Essen vergessen!“, meinte er und schlurfte über den Steg.

„Mach dir nichts draus, Hawk! Der dumme Franzose kann da meinetwegen versauern! Ich kenn eine großartige Taverne, wo es Frühstück gibt!“, meinte Killian.

„Gute Idee, Red! Lass uns gehen!“

Er blickte in das kristallklare Wasser der Bucht und betrachtete die knochigen Wurzeln der Mangroven, die sacht vom Wasser umspielt wurden. Es war selbst jetzt schon ziemlich warm und es würde ein heißer Tag werden, denn die Sonne tat ihr bestes die morgendliche Kühle zu vertreiben.

Sie schritten über die unregelmäßigen Kopfsteinpflaster der Straßen. Der Himmel über ihren Köpfen war von einem satten hellblau, man fühlte sich erfrischt und wollte die angenehme Luft tief einatmen, dabei die Augen schließen und dem Lied des Meeres lauschen. „Das Meer ist mein wahlverwandtes Element, und schon sein Anblick ist mir heilsam!“1

Lange Palmenblätter hingen über den Straßen und Gassen, die Ile de la Tortue war eine sehr schöne Insel der Karibik.

Red und Nathaniel setzten sich in eine rauchige Ecke der Taverne und bestellten sich Grog, Haferbrei und ein paar Früchte.

Red senkte die Stimme und beugte sich vor, während er sich den Löffel in den Mund steckte: „Was ist eigentlich mit den spanischen Silberschiffen? Der Kontaktmann will uns in der Nähe von Jamaika treffen, oder?“

„Aye! In einer Woche! Es handelt sich um einen spanischen Deserteur, der uns den Auslauftermin, Name, Route und Zielhafen der Silberschiffe nennen kann!“

Red pfiff leise anerkennend durch die Zähne und nahm einen großen Schluck Grog.

„Vertraust du diesem Deserteur?“, fragte er leise, sodass nur Nathaniel ihn verstehen konnte.

Der Angesprochene schüttelte den Kopf: „Nein! Aber mit einer ausreichenden Menge Tabak und Rum von der Insel, sollte ein vertrauenswürdiger Spanier aus ihm werden!“

Er lächelte verschmitzt und schnipste eine Brotkrume von seinem Hemd. Die Tür der Taverne öffnete sich, zu solch früher Stunde war noch nicht viel los. Grelles Sonnenlicht viel in die dämmrig, rauchige Atmosphäre.

Ein dunkelhaariger Mann trat ein, seine wüsten Haare hatte er mit einem Tuch aus seinem Gesicht verband, sodass lange Ohrringe zum Vorschein kamen. An seinem Hemdkragen zeichneten dich die roten Lippen eines Kussmundes ab und er lächelte verklärt. Kincaid Murray steuerte direkt auf den Tisch zu, an dem seine beiden Kumpel saßen. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich gegenüber von Nathaniel. „Morgen!“, meinte er und bemerkte sofort, dass Red auf seinen roten Hemdkragen starrte.

„Der heilige Paulus sagt zwar Frauen seinen sündig, aber…“, meinte er und machte eine ungalante Handbewegung, „verdammt soll ich sein, wenn ich meine Männlichkeit verleugne und die Finger von ihnen lasse! Ich denke jeder Mann ist mindestens genauso sündig, ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine Frau lüsternere Gedanken hat als ich!“

„Amen!“, meinte Nathaniel vergnügt und schnalzte mit der Zunge, als die Kellnerin an ihm vorbei wuselte.

„Aye! Das habe ich eben dem Priester an den Kopf geworfen, als er mich halbtot aus einem Bordell schleifte, damit ich meine Sünden beichten und endlich die Absolution entgegen nehmen könnte!“, meinte Kincaid und steckte sich ein Stück Orange in den Mund.

„Ich habe noch nie viel vom heiligen Paulus gehalten! Und ich nehme an du hast dem Geistlichen nicht den Gefallen getan, dich von deinem Schuldenberg zu erlösen, aye?“, sagte Nathaniel achselzuckend.

„Aber der steht doch in der Bibel!“, entgegnete Red schockiert.

„Ja, da steht so einiges!“, sagte Kincaid gleichmütig und richtete sich wieder an Nathaniel, „Aye, allerdings! Er kann froh sein, dass ich ihm nicht den Hals umgedreht hab, nachdem er mich aus den Armen meiner Süßen gezerrt hat und mir gedroht hat, sie entweder zu heiraten oder für immer im Fegefeuer zu schmoren!“

„Ich denke unser Geistlicher ist ein bisschen übereifrig!“, sagte Nathaniel und streckte sich. Kincaid Murray gehörte der andere Anteil an der Victory und er war einer von Nathaniels besten Freunden.

„Was meinst du, Hawk? Wann stechen wir in See?“, fragte er leise.

„Sobald wie möglich! Sind die Reparaturarbeiten abgeschlossen?“, fragte Nathaniel und kaute auf einem Stück Brot.

„Aye! Red“, er richtete sich an den Rotschopf, „hast du das Segeltuch besorgt?“

„Ja! Es ist alles da! Die Crew versammelt sich heute Nachmittag! Wir können also bald mit den Vorbereitungen beginnen!“, sagte Red nachdenklich.

„Sehr gut!“, bestätigte Kincaid nickend, „Ich kümmere mich um die Navigation und die fehlenden Requisiten an Bord! Red, kümmere dich darum, dass die Segel fertig werden!“

Der Angesprochene nickte, verabschiedete sich und ging an die Arbeit.

„Ich treibe einen neuen Schiffsarzt auf und besorge den Proviant!“, schlug Nathaniel vor und wollte schon aufstehen und den kleinen Jonas suchen, damit er ihm zur Hand ging, aber Kincaid hielt ihn mit einer Kopfbewegung zurück.

„Ähm…Mr. McLaughlin?“, begann eine Stimme hinter ihm vorsichtig und Nathaniel verstand warum Kincaid ihn zurückgehalten hatte.

Er drehte sich halb um und blickte ihn die wütenden, blauen Augen des europäischen Geistlichen Wesley Kay. Er hielt einen dunkelhäutigen Jungen am Arm und schüttelte ihn unsanft. Nathaniel nickte still, während der Junge sich versuchte zu entwinden.

„Gehört dieser Junge zu Ihnen?“, fragte Mr. Kay und rüttelte am Arm des Kindes.

Nathaniel ahnte das drohende Unheil, lehnte sich lässig zurück und beobachtete interessiert Jonas, der Mr. Kay anfunkelte und versuchte seinen Unterarm loszukriegen. Auch Kincaid schien das sehr amüsant zu finden und stütze interessiert den Kopf auf die Hände.

„Aye! Warum?“, meinte Nathaniel grinsend. Der Pfaffe schob den Kiefer vor und blickte ihn kampflustig an.

„Ich habe diesen Jungen in einem…einem Freudenhaus aufgelesen!“, zischte Mr. Kay und stierte in die Runde.

Nathaniel straffte die Schultern und sah Mr. Kay erschrocken an. Verdammt, wie viel wusste dieser vermaledeite Pfaffe? Hatte er von dem unterschlagenen Rum erfahren, den sie im Bordell lagerten? Was hatte Jonas erzählt? Er dachte an Madame Blanchard, die Leiterin des Freudenhauses, die ihn seine Ware dort lagern ließ und im Gegenzug versorgte er sie und die Prostituierten mit Rum!

Er warf einen Seitenblick auf Kincaid, der ebenso schockiert dreinblickte.

„Oh? Ähm…tatsächlich?“, fragte Nathaniel unsicher und gewann seine Fassung wieder. Mr. Kay hatte sein Verhalten offensichtlich falsch gedeutet und plapperte ermuntert drauflos: „Ja! Ich finde es auch schrecklich wie sich solche Kinder, getrieben von der Fleischeslust dazu verleiten lassen ein Bordell zu betreten!“

Nathaniel sah den Jungen an, schließlich hatte er ihm aufgetragen zu Madame Blanchard zu gehen und ihr zu sagen, dass sie alles vorbereiten soll um den Rum auf die Victory zu verlagern. Aber der schien davon nichts zu wissen!

Kincaid räusperte sich.

„In der Tat sehr verwerflich!“, meinte er übertrieben ernst, „was ist denn genau passiert?“

„Nun“, sagte der Pastor ernst und setzte sich auf einen Stuhl, „ich machte wie immer einen Spatziergang, als ich plötzlich Schreie hörte! Ich bin natürlich sofort hin, zum Bordell meine ich! Ich dachte einer der armen Männer würde eine Frau zu Tode prügeln und wollte ihr zu Hilfe eilen! Und als ich die Tür aufriss stand da dieser…dieser Junge wie er in den Haaren einer Frau wühlte, die hysterisch kreischte! Ich hab ihn mir natürlich sofort geschnappt und hergebracht! Ich hoffe Sie werden ihn angemessen bestrafen, oder soll ich das für Sie in die Hand nehmen?“

„Ich hab überhaupt nicht…!“, begann Jonas, wurde aber von Mr. Kay zum Schweigen gebracht. Nathaniels Mundwinkel hoben sich. Das war alles?! Nur weil der Junge einer Frau ins Haar greift?!

„Ich fürchte, das wird nicht möglich sein! Denn wenn Sie jemanden bestrafen wollen, dann mich!“, sagte er lächelnd.

„Nun, ich finde es sehr huldvoll von Ihnen, wenn Sie den Jungen in Schutz nehmen…!“, begann Mr. Kay, doch Nathaniel brachte ihn mit einer Handbewegung zum schweigen.

„Also, erstens: dieser Junge hat einen Namen, er heißt Jonas! Und zweitens: es trifft ihn überhaupt keine Schuld, denn ich habe ihn zu Madame Blanchard geschickt!“, meinte Nathaniel kühl. Er erhob sich und Säbel klirrten.

„Sie haben was?“, Mr. Kay starrte ihn verständnislos an.

„Sie haben ganz recht gehört, ich habe Jonas ins Bordell geschickt und um Himmels Willen, lassen Sie ihn endlich los!“, schnauzte er Mr. Kay an, der Jonas sofort freigab und sich auch erhob.

„Oh mein Gott! Sie waren das?! Warum? Wollen Sie aus einem dreizehnjährigen Jungen etwa auch so einen grausamen Gottessünder machen?“, fragte er wutentbrannt und sah anklagend zu Kincaid herüber, wie als wolle er ihn als Gottessünder hinstellen, dieser lächelte jedoch nur süffisant und kaute an seinem Brot weiter.

„Nun, ich denke Sie verkennen die Situation! Ich hatte noch einige persönliche Dinge mit Madame Blanchard zu besprechen, welcher Natur sie sind, können Sie sich ja vorstellen. Jedenfalls war ich unpässlich und gezwungen den jungen Jonas zu schicken!“, führte Nathaniel hochtrabend aus.

„Und wieso packt er die Frau bei den Haaren?“, fragte Mr. Kay sein Gesicht war mittlerweile puterrot.

Nathaniel blickte Jonas fragend an, der unter seiner braunen Haut rot anlief.

„Na ja! Da war eine Tarantel, die sich in den Haaren der Madame verfangen hatte und sie hat ja so schreckliche Angst vor Spinnen!“, meinte der Junge Schulter zuckend.

„Sehen Sie! Da haben Sie Ihre Erklärung! Wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen, wir haben noch andere Dinge zu tun!“, meinte Nathaniel höflich.

„Sie sollten beten und beichten, denn denken Sie daran, das heilige Fegefeuer verschont niemanden!“, zischte er, drehte sich um und verschwand. Der junge Jonas, den Nathaniel vor dreieinhalb Jahren auf seiner spektakulären Flucht von der Sklaveninsel Barbados, mit seinem Freund Kincaid Murray, gerettet hatte, folgte ihm auf Schritt und Tritt.

„Mylord Hawkins! Das…das tut mir ja so leid!“, meinte Jonas.

„Ist schon gut Jonas! Hoffen wir nur, dass dieser einfältige Pfaffe nicht im Bordell rumschnüffelt!“, meinte Nathaniel und wandte sich ab.



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