Bei Nacht in Venedig von Scarla ================================================================================ Kapitel 2: Wiedersehen ---------------------- Kalter Wind peitschte Luna ins Gesicht und ein beständiger, feiner Nieselregen ließ sie schaudern, doch vertreiben konnte er sie nicht. Es war dunkel, doch nicht, weil es Nacht war, sondern weil es schon den ganzen Tag über nicht hell geworden war. Dicke Regenwolken hielten die Sonne davon ab, ihre hellen, wärmenden Strahlen zur Erde hinab zu schicken, und so fror sie, trotz des dicken Mantels. Und dennoch war sie nicht bereit ihren Platz an der Reling des Schiffes aufzugeben. Still und starr stand sie da und schaute hin zum Horizont, wo vor einiger Zeit Land erschienen war. Es war nicht irgendein Land, das sie dort sah, sondern Italien und die Stadt, die langsam in Sichtweite geriet, was ihre Heimatstadt, Venedig. Es war Jahre her, seitdem sie die Stadt des Mondes das letzte mal gesehen hatte. Sie war fünfzehn gewesen, als sie gegangen war und jetzt, mit einundzwanzig, kehrte sie wieder heim. Es kam ihr vor, als wäre sie Jahrzehnte fort gewesen und sie freute sich sehr, wieder durch die Stadt zu laufen, immer direkt am Wasser entlang. Wie viele glückliche Stunden hatte sie hier verbracht, gemeinsam mit Nuova, ihrem über alles geliebten Bruder, und Lupo, dem jungen Mann, der so oft mit ihnen gemeinsam durch die Gassen gezogen war. Wie traurig war damals der Abschied gewesen. Das auseinander gehen mit Lupo hatte sie nie als Abschied bezeichnen können, sie hatte ihm nicht einmal auf Wiedersehen gesagt. Sie war einfach nur gegangen, als würden sie einander am nächsten Morgen wieder treffen. Und auch Nouva hatte sie niemals Lebewohl gesagt, denn sie hatte gewusst, dass sie sich wieder treffen würden. Und heute würde es so weit sein. Sie wusste, dass auch ihr Bruder wieder heim kam, gemeinsam mit seiner jungen Frau. Luna hatte Lotta nie kennen gelernt, an jenem Abend hatte sie eine wertvolle Vase zerbrochen und war zur Strafe auf ihr Zimmer geschickt worden. Noch in derselben Nacht hatte sie sich mit Nuova gemeinsam davon gestohlen hinfort, zu einer Feier, die Lupo gegeben hatte, und zum ersten mal in ihrem Leben so wahr zu ihrem Bruder gesprochen, das sie es nicht mehr hätte ertragen können, wieder in seiner nähe zu bleiben. Den darauf folgenden Abend war sie nach England abgereist, ohne ein Wort des Abschieds oder der Erklärung. Nuova war ebenfalls an diesem Abend abgereist, gemeinsam mit Lotta nach Deutschland, wo er erst eine lange Zeit bei ihrer Familie gelebt hatte. Im vergangen Jahr hatten die beiden dann einander das Ja-Wort gegeben und hatten seither die Geschäfte des Vaters in England geregelt. Luna war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr dort gewesen. Sie hatte mit ihrem Bruder geschrieben und wusste daher, was mit ihm die letzten Jahre geschehen war, und er wusste, von welcher Ruhelosigkeit seine Schwester erfüllt war. Es war, als würde ihr etwas sehr wichtiges fehlen, etwas, das man nicht ersetzen konnte und auf der Suche danach hatte sie die ganze bekannte Welt bereist. Selbst auf der Seidenstraße bis nach Asien war sie gereist und durch die Wüsten bis in die südlichsten Winkel Afrikas. Und doch, finden konnte sie nicht, was ihr so wichtig war. Nicht einmal einen Namen geben konnte sie ihm. Sie würde weitersuchen, wenn sie es auch in ihrem geliebten Venedig nicht finden sollte, doch jetzt lagen erst einmal ein paar schöne Tage vor ihr. Immerhin würde sie ihren Bruder treffen und ihre Schwägerin und, wer wusste es denn schon, vielleicht sogar Lupo, der für sie immer gewesen war, wie ein zweiter Bruder. Sie wusste nicht, was aus ihm geworden war, denn mit ihm hatte sie keine Briefe geschrieben und wenn Nuova etwas wusste, so hatte er es ihr nie erzählt. »Sieh doch, Papa, da ist die Stadt!«, riss die Stimme eines kleinen Mädchens sie aus ihren Gedanken. Sie stand unweit von Luna auf der Reling und zeigte aufgeregt auf Venedig, das man mittlerweile gut erkennen konnte. Ihr Vater stand hinter ihr und versuchte sie lachend zu beruhigend, denn das kleine Mädchen war in unbändige Aufregung verfallen. Luna lachte, als sie das sah und musste unwillkürlich an sich selbst denken, denn vor einem Jahrzehnt hätte sie gewiss genauso dort gestanden und wäre ebenso ganz aus dem Häuschen gewesen, und weder ihr Vater noch ihr Bruder hätten diese Freude jemals trüben können. Nicht, das sie es gewollt hätten. »Warst du noch nie in Venedig?«, fragte sie. Ihr Englisch hatte sich sehr gebessert in den vergangenen sechs Jahren. Das Mädchen schaute sie verwundert an, dann schüttelte die heftig den Kopf und kam zu Luna gelaufen. »Noch nie, aber es soll wunderschön dort sein! Warst du schon einmal dort?«, fragte sie und ihre Augen strahlten, während sie zu Luna aufblickte. »Ich bin Venezianerin, ich bin dort aufgewachsen, auch wenn ich schon lange nicht mehr dort gewesen bin«, antwortete sie lachend. »Ist die Stadt wirklich so schön, wie alle behaupten?«, fragte das Mädchen und begann aufgeregt auf und ab zu springen. »Ich habe ganz Europa bereist und Afrika und Asien auch und ich kann dir versichern, das es nirgendwo eine solch schöne Stadt gibt, wie Venedig«, brüstete sich Luna lachend. »Dann bin ich beruhigt, dann hat sich die Reise zumindest gelohnt«, antwortete ihr das Mädchen, wirbelte herum und während sie an ihrem Vater vorbei lief, griff sie seine Hand und zog ihn ohne viel Federlesen einfach mit sich. »Lass uns ganz nach vorne gehen, von dort sehen wir bestimmt mehr!« Was der Vater antwortete hörte Luna nicht, doch das brauchte sie auch nicht. Stattdessen schaute sie wieder auf die Stadt und blieb so lange dort stehen, bis sie im Hafen eingelaufen waren. Sie war eine der letzten, die an Land ging, denn sie hatte Zeit und mochte nicht in diesem ganzen Gedränge laufen. Außerdem wartete sowieso keiner auf sie, denn sie hatte den genauen Tag ihrer Ankunft nicht gekannt, als sie Nuova das letzte mal geschrieben hatte. Auch nicht, mit welchem Schiff sie kommen würde. Wie erwartet erblickte sie kein bekanntes Gesicht in der Menge. Einen Augenblick überlegte sie, wie sie zum Elternhaus kommen sollte, beschloss dann aber zu laufen. Nass war sie sowieso und vor gefahren hatte sie keine Angst, denn kaum jemand kannte sich so gut in den Gängen aus, wie sie. Lupo hatte ihnen so viele Verstecke und geheime Gänge gezeigt, das sie keine Angst vor einem bösen Menschen hatte. Außerdem war der Weg nicht weit. Die Nacht war noch nicht vollständig über die Stadt hereingebrochen, als sie vor der Tür stand. Sie klopfte nicht sofort, sondern betrachtete erst einen Augenblick lang die beiden geflügelten Löwen aus irgendeinem wertvollen Gestein, die den Eingang bewachten. Als sie klein war hatten Vater und Bruder immer erzählt, das die Löwen Wächter waren und wenn jemand das Haus betreten wollte, der ihnen böses tun mochte, würden sie lebendig und verjagten ihn. Die Zeit, die ihnen böses getan hatte, hatten sie nicht verjagt. Sie seufzte tief, dann trat sie endgültig an die Tür und klopfte. Es vergingen nur wenige Augenblicke, da wurde sie geöffnet und eine gänzlich fremde Person schaute sie aus hochmütigen Augen an. »Sie wünschen?«, fragte sie und Luna runzelte missbilligend die Stirn. »Ich möchte zu Seniore Gallotini, sagen sie ihm, das Luna da ist«, forderte sie in so eisigem ton, das die Dienerin die Nase rümpfte und noch hochmütiger schaute. »Seniore Gallotini ist für niemanden zu sprechen, er hat besuch von seinen Sohn«, erklärte sie pikiert. »Dann komme ich ja wie gelegen«, knurrte Luna zwischen zusammengebissenen Zähnen. Die Dienerin jedoch fragte nicht nach, sondern zog viel sagend die Augenbrauen hoch und Schloss die Tür vor ihrer Nase. Verblüfft, über so viel Dreistigkeit starrte die junge Frau selbige für einige Sekunden nur fassungslos an, dann schlug sie so heftig gegen dir Tür, das ein wenig Staub aus den Ritzen rieselte. Nur Sekunden später öffnete die gleiche unmögliche Person und funkelte sie böse an. »Ich sagte, das sie Seniore Gallotini sagen sollen, das Luna da ist und mit ihm zu sprechen wünscht, also gehen sie jetzt bitte zu ihm, und tun das auch«, grollte sie ohne Umschweife. »Und ich sagte, junges Fräulein, das der Seniore für niemanden zu sprechen ist«, erwiderte die Dienerin und wollte abermals einfach die Tür schließen, doch Luna stieß sie mit einem heftigen Ruck auf und trat ein. Ohne auf das Gezeter und Gekeife zu achten, das auf die niederprasselte, lief sie schnurstracks zum Wohnzimmer des Hauses. Hier waren immer schon die schönsten und gemütlichsten Stunden des Tages verbracht worden und es würde sie wundern, wenn sie den Vater und den Bruder nicht genau hier fand. Doch sie hatte die Tür noch nicht ganz erreicht, als sie sich öffnete und ihr Bruder wütend den Kopf hinausstreckte. »Minette, was machst du hier für einen lärm, sei leise«, schollt er die Dienerin. »Ich kann nichts dafür, Senior Nuova, dieses unerzogene Ding ist hier einfach eingedrungen und will nun partout nicht wieder gehen«, jammerte die. Nuova richtete daraufhin seine Aufmerksamkeit und sein Missfallen auf Luna, die er nicht zu erkennen schien. »Wer bist du?«, fauchte er, »und was hast du hier zu suchen? Der Seniore ist heute für niemanden zu sprechen.« »Ich weiß, das hat die da auch schon gesagt«, antwortete ihm Luna in ebenso gereizten Ton und deutete auf Minette. »Und warum ignorierst du es dann?«, knurrte ihr Bruder. »Oh, ich kann auch wieder gehen, wenn es das ist, was du willst, Nuova, aber erst will ich Vater guten Tag sagen«, fauchte Luna, stieß ihn zur Seite und ging in das Zimmer hinein. Ihr Bruder indes starrte sie verblüfft an. »Luna?«, fragte er unsicher, doch sie achtete nicht mehr auf ihn. »Vater, ich bin wieder da«, sagte sie in sanften Ton zu ihrem Vater, der in einem der großen Sessel am Feuer saß und sie verwundert, aber nicht missbilligend anschaute. »Luna mein Kind? Bist du es wirklich?«, fragte er. Sie nickte und mit Tränen in den Augen stand er auf um sie heftig in die Arme zu schließen. »Luna, meine Tochter, wie habe ich dich vermisst!« Jetzt trat auch Nuova auf sie zu und schloss sie ebenso heftig in die Arme. Er entschuldigte sich, er hatte sie einfach nicht erkannt. Sie war ja auch nicht mehr das Mädchen von damals, sondern eine wunderschöne junge Frau. Es folgten fröhliche Stunden, in denen sie ihr wieder sehen feierten. Nur kurze Zeit später stieß auch Lotta auf sie und voller verblüffen erkannte Luna, dass ihre Schwägerin bald Mutter werden würde. Das hatte sie bisher nicht gewusst, Nuova hatte es ihr absichtlich verschwiegen, um sie damit zur überraschen. Diese Überraschung war ihm gelungen, denn seine Schwester freute sich sehr für das junge Ehepaar und wünschte ihnen alles Gute. Sie blieb, bis spät in die Nacht hinein, doch als sie sich dann zu Bett begeben wollten, da verneinte sie. Mit dem Hinweis, dass sie noch etwas erledigen musste, verließ sie das Haus wieder. Sie wusste nicht genau, wo sie nun hingehen sollte und ging deswegen einfach los. Mittlerweile hatte es heftig angefangen zu regnen. Obwohl sie den ganzen Tag schon wach gewesen war und sie müde war, dachte sie nicht daran, jetzt schlafen zu gehen. Stattdessen lief sie, einfach so, ohne Sinn und Ziel. Nein, ohne Sinn und Ziel war nicht richtig. Obwohl sie es sich selbst nicht zugestanden hätte, hatte ihr laufen doch ein Ziel. Sie wollte Lupo finden, sie wollte sicher wissen, dass es ihm gut ging, denn immerhin war er wie ein Bruder für sie. Es war schon sehr spät, als sie zur alten Lagerhalle kam. Es scheute sie, hinein zu gehen, denn sie wusste, dass dann die altern Erinnerungen wie eine Sturmflut über sie hergehen würden, und doch drängte sie etwas dazu. »Dort solltest du nicht hineingehen, das Dach ich baufällig, es könnte jederzeit herunter kommen«, erklärte ihr eine Stimme, nachdem sie eine Weile schon so dagestanden hatte. Sie schaute die Gestalt an, doch das Gesicht konnte sie nicht erkennen, denn er trug eine Maske. Nichts Ungewöhnliches zu dieser Zeit und so dachte sie nicht weiter darüber nach. »Wolltest du dort Unterschlupf vor dem Regen finden? Das wäre keine gute Idee, wie gesagt, das Dach ist Baufällig, seid Jahren schon«, erklärte er. Luna antwortete ihm nicht, sondern schaute einfach nur. Eigentlich sah und hörte sie ihn gar nicht wirklich, sondern war tief in Gedanken versunken, die sie regen und wind schon nicht mehr spüren ließen. »Komm lieber mit mir, ich kann dir ein Dach über den Kopf bieten. Außerdem siehst du aus, als könntest du eine warme Suppe vertragen, Mädchen. Komm mit mir«, bot er an und wie in Trance nickte sie und griff nach seiner Hand. Er sagte zwar nichts, doch er schien sich zu wundern, was mit ihr geschehen war. Vielleicht hatte man ihr ein Leid angetan und sie war noch nicht über diesen Schock hinweg? Er führte sie zielstrebig durch die Stadt ohne ein Wort zu sagen und sie folgte ihm bereitwillig bis hin zu einem großen Palast. Sie gingen nicht durch die vordere Tür hinein, sondern durch einen Botengang direkt in die Küche. Dort setzte er sie sogleich an den großen Tisch und machte ein Feuer im Ofen. »Du siehst halb erfroren aus, bist du schon lange so im regen herumgelaufen?«, fragte er während er arbeitete. »Nein«, antwortete sie einsilbig, schüttelte plötzlich den Kopf. Es wurde Zeit langsam wieder zu Bewusstsein zu kommen. Sie blinzelte ein paar mal, schaute sich dann neugierig um. »Ich arbeite hier, aber mein Herr ist gut, er hat nichts dagegen, wenn wir hier ab und an einmal eine arme Seele eine Mahlzeit und ein Dach für eine Nacht bieten«, erklärte er, bevor sie fragen konnte. »Das ist sehr freundlich von ihm. Und auch von dir, das du mich hierher gebracht hast, danke«, bedankte sie sich, schüttelte aber den Kopf, »Aber es wäre nicht nötig gewesen, ich habe ein Zuhause.« »Und nicht einmal ein schlechtes, das verrät mir deine Kleidung«, nickte er, winkte dann aber ab. »Du hast nicht auf mich gewirkt, als hättest du nach hause gehen wollen, also mach dir keine Gedanken.« Sie schaute ihn einen Moment lang nachdenklich an, dann nickte sie. »Wie heißt du?«, fragte sie leise. »Ich? Angelo«, antwortete er und lächelte. »Angelo bedeutet Engel. Nennst du dich nur so, oder ist das dein wirklicher Name?«, fragte Luna neugierig. »Nun, auch wenn ich für Menschen wie dich ab und an einmal den Engel spiele, so ist es doch mein wirklicher Name. Vielleicht hat die Person, die ihn mir gab ja gewusst, was ich irgendwann einmal tun würde«, lachte er, dann schaute er sie neugierig an. »Und dein Name?« »Der Mond, Luna«, antwortete sie und lächelte. »Der Mond also, ja? Ich liebe den Mond, er schenkt einem Trost in den einsamen Stunden der Nacht«, erklärte er und lächelte. »Ich weiß, ich war immer schon stolz auf meinen Namen gewesen. Ich glaube, dass die Namen, die man uns bei unserer Geburt gibt ein Vorbote dessen ist, was unser Schicksaal sagt. Und wer möchte nicht den Mond selbst zum Schicksaal haben?«, fragte sie. »Ich. Der Mond ist einsam am weiten Himmel und er hat nur die Nächte zum glücklich sein, den die Tage muss er an die Sonne abgeben. Wie soll man da glücklich sein?«, erkundigte er sich neugierig. Darauf antwortete Luna nicht, aber die lächelte wissend, während ihr Angelo Suppe auf einen Teller tat. Es schmeckte ihr gut, dennoch as sie nicht allzu viel, denn sie war Müde. Ihr Retter merkte das schnell und stellte den noch halb gefüllten Teller einfach auf die Waschwannen, mit dem Hinweis, das die Köchin das am nächsten morgen wegräumen würde, und führte sie hinauf in den Palast. Dem Gesinde des Herrn musste es wahrlich gut gehen, denn die Räume, in die Angelo sie führte, waren wunderschön und so groß, wie für einen guten Gast, doch auch auf wiederholtes nachfragen erklärte der junge Mann ihr immer wieder, das es bloß sein eigenes Zimmer war. Er wollte sie alleine lassen, doch er hatte noch keinen zweiten schritt zur Tür gemacht, das bat sie ihn, bei ihr zu bleiben, bis sie eingeschlafen war. Er zögerte einen Moment, doch dann nickte er und setzte sich zu ihr auf die Bettkante. »Der Mond ist nicht einsam, er hat Engel am Himmel, der bei ihm sind«, erklärte sie unvermittelte, »Doch was hat ein Engel, wenn er so allein ist auf Erden, wie du?« »Auch ich war nicht immer allein, ich hatte einmal ein Vögelchen. Ein hübsches Tier, das mir so viel bedeutete, wie nichts anders, doch sein sehnlichster Wunsch war es, frei zu sein. Also ließ ich ihn fliegen wohl wissend, das es zu mir zurückkommen würde, wenn es mich ebenso sehr liebte. Doch bis heute ist es nicht wiedergekehrt. Vielleicht ist es zum Mond hinauf geflogen, der ihm seinen Namen gab und hat den Rückweg nicht mehr gefunden. Vielleicht hat es aber auch ein anderes Vögelein getroffen und denkt nun nicht mehr an mich«, erzählte er und antwortete damit auf ihre frage. Luna hörte ihm zu, schaute ihn dann in die wunderschönen braunen Augen und einer plötzlichen Ahnung folgend fragte sie: »Würdest du mir dein Gesicht zeigen? Ich mag wissen, wie mein Retter aussieht.« Er zögerte einen Moment, dann nahm er die Maske ab und darunter hervor kam ein verheertes Gesicht, beherrscht von einer scharfen Narbe. »Dein Vögelchen hat jetzt endlich den Rückweg gefunden, Lupo«, flüsterte sie und schaute ihn mit tränen in den Augen an. Jetzt endlich hatte sie gefunden, was sie gesucht hatte. Lupo jedoch schien noch nicht ganz zu begreifen, was sie meinte, denn er blinzelte sie verwundert an. Dann nickte er mit einem lächeln und schloss sie in die Arme. »Ich wusste doch, dass es sich nur verirrt haben konnte. Willkommen zurück von deiner Mondreise, Luna«, antwortete er. Noch lange saßen sie so da, eng umeinander geschlungen und freuten sich, dass sie endlich ihr Glück gefunden hatten. Und während die Sonne an diesem Morgen die Wolken aufriss und seine warmen strahlen auf das Land hinabschickte, die ersten, nach einer langen Zeit des Regens, da fragte der Engel den Mond, ob sie nicht fortan gemeinsam den Nachthimmel erleuchten sollten. Der Mond lachte laut auf vor Freude und sagte dankend ja, denn so schön die Sterne auch waren, wahre Freunde konnten sie nicht sein. Doch jetzt würde sie dennoch nicht mehr einsam sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)