Finera - New Adventures von Kalliope ================================================================================ Kapitel 5: Begegnung im Regen ----------------------------- Es war mittlerweile Abend geworden und Faith und Mira saßen völlig erschöpft im Foyer des Pokémoncenters. Schwester Joy brachte ihnen eine Porzellankanne mit heißem, dampfendem Kakao, da die beiden Mädchen lange gebraucht hatten, um Miras Hunduster wieder einzufangen. Das Pokémon hatte sich als sehr wild entpuppt und schien seiner neuen Trainerin überhaupt nicht gehorchen zu wollen. Stattdessen war es einfach davongelaufen, bis es am späten Nachmittag doch noch angefangen hatte zu regnen. Seit dem liefen die beiden Jungtrainerinnen klitschnass durch Eichwald City und hatten Hunduster völlig erschöpft und durchnässt am Waldrand gefunden und eingefangen. „Ich bin eine miserable Trainerin!“, begann Mira zu jammern und erntete ein tröstendes Schnurren ihres Starters Evoli. „Ich konnte Hunduster nicht einmal aufhalten. Es hört partout nicht auf mich…“ Unvermittelt traten auch Tränen in Miras Augenwinkel – nicht das erste Mal an diesem Tag. „Mach dir bitte keinen Kopf deswegen. Du kriegst das schon hin, ihr zwei habt einfach einen unglücklichen Start. Sieh dir Kokuna und mich an, wir zwei sind auch ein Team, obwohl wir uns anfangs nicht leiden konnten.“ „Kokuna!“, stimmte das Pokémon zu und lehnte sich ein wenig mehr gegen Faith, auf deren Schoß es thronte. „Sieh es als Herausforderung, Mira. Wenn du Hunduster erst einmal dazu gebracht hast, dass es dich akzeptiert, kann es dir ein sehr starker Partner werden. Damit wärst du bei deinem ersten Wettbewerb in Lapidia super dran!“ Faiths Augen glühten bereits vor Feuereifer, auch sie wollte endlich in der ersten Arena kämpfen und den Orden in der Hand halten. „Ja, wenn!“, entgegnete Mireillia jedoch schluchzend und vergrub sich mit Krokodilstränen in Evolis Fell. „Evo…“ Das Evoli rieb tröstend seinen Kopf an Miras und versuchte sie aufzumuntern. Gerade wollte Faith noch ein paar Worte hinzufügen, da klopfte ihr jemand auf die Schulter und sie fuhr erschrocken herum. Ein Junge in ihrem Alter grinste sie an, auf seiner Schulter hatte ein stattliches Exemplar von einem Smettbo seinen Platz gefunden und schlug sachte mit seinen prachtvollen Flügeln. „Du bist auch am Labor von Professor Sage gewesen, ich habe dich gesehen. Ich bin Joel Light. Das dort hinten ist Trixi, meine Zwillingsschwester.“ Faith folgte dem Blick des Jungen und blieb an einem Mädchen hängen, das ebenso wie Joel braune Haare und braune Augen mit einem anderen Farbeinschlag im Licht hatte. Trixis Augen fixierten sie mit einem purpurnen Schimmer, während Joels Augen wirkten, als würde flüssiges Gold unter der braunen Schicht schwimmen. „Aha.“ Faith musterte die beiden ein wenig argwöhnisch, erinnerte sich dann jedoch an ihre guten Manieren und setzte ein freundliches Lächeln auf. „Ich bin Faith Loraire. Und ich war im Labor, da hast du Recht. Kokuna hier ist mein Starter, es hat sich bereits bei unserem ersten Kampf entwickelt.“ „So?“ Joels Grinsen wurde schmaler und seine Augen sprühten von demselben Kampfgeist, den auch Faith in sich trug. „Was hältst du dann von einem kleinen Kampf draußen auf dem Außenplatz des Pokémoncenters?“ „Jetzt, im Regen?“ Der Gedanke, noch einmal hinaus zu müssen, missfiel der jungen Trainerin eindeutig, doch wenigstens fand Mira das Gespräch so interessant, dass sie nicht mehr weinte, sondern still dem fremden Jungen lauschte. Joel lachte auf und auch Trixi fuhr sich sichtlich amüsiert durch die Haare. „Der Platz ist überdacht. Wir werden nicht nass. Also, was sagst du? Wenn sich dein Hornliu schon zu Kokuna entwickelt hat, muss es stark sein. Genau die richtige Herausforderung für mich.“ „Weil dein Raupy schon zu einem Smettbo geworden ist?“ „Smettbo?“ Der Schmetterling horchte auf, als Joel seinen Namen nannte, doch dann schüttelte der Junge den Kopf und seine Stimme wirkte eine Spur arroganter. „Smettbo ist nicht mein Starter. Ich habe es heute Vormittag im Eichwald gefangen, nachdem ich mit meinem Starter trainiert habe. Mein Smettbo ist das stärkste Pokémon, das ich finden konnte, deshalb war es gerade gut genug für mein Team. Ich werde der neue Champion werden.“ Diese Arroganz verursachte, dass Faiths Mine sich augenblicklich verfinsterte und auch Kokuna konnte diese Provokation nicht einfach auf sich sitzen lassen. Es wurde unruhig und warf seiner Trainerin kampflustige Blicke zu. „Also schön, Joel.“ Faith spuckte den Namen nahezu aus. „Ich nehme deine Herausforderung an, ganz gleich, was für ein Pokémon dein Starter auch sein wird. Du wirst nicht gegen mich gewinnen!“ „Exzellent.“ Joel schlug in die Hände und drehte sich zu Trixi um. „Dann lass uns sofort anfangen, ich warte nicht gerne sinnlos.“ „Prima, ich auch nicht“, giftete Faith zurück, schnappte sich Kokuna und folgte mit stampfenden Schritten ihrem neu erklärten Rivalen. Mira folgte ihr auf leisen Sohlen, Evoli wie immer an ihrer Seite. „Denkst du, dass das wirklich eine gute Idee ist? Sein Smettbo sieht sehr kräftig aus, dann wird sein Starter bestimmt einen Typenvorteil gehabt haben. Du hast mit Kokuna keine Chance.“ „Ich werde ihn in Grund und Boden stampfen“, presste Faith mit starrem Blick hervor und schwang die Tür zum Außenbereich auf, wo bereits Trixi und Joel auf sie warteten. „Also schön, fangen wir an. Kokuna, mach dich bereit!“ Kokuna stellte sich kampfbereit auf und konzentrierte sich. „Koku kokuna!“ Joel schien amüsiert zu sein und auch Trixi lächelte süffisant in sich hinein, spielte mit einer Haarsträhne und sah zu, wie ihr Bruder ein Sniebel entließ, das sich sofort mit einem scharfen „Snie!“ zum Kampf aufstellte. „Fangen wir an. Sniebel, Kratzer!“ Faith schluckte. Mehrmals. Ihre Aggressivität war verflogen und stattdessen erkannte sie einfach die Situation, wie sie war: Sniebel war stark, flink und Kokuna würde verlieren, was Joels Ego nur noch weiter aufbauschen würde. Sie hasste diesen Jungen bereits jetzt, doch konnte sie Kokuna einfach ins offene Messer laufen lassen? „Zöger nicht lange, benutz Giftstachel! Volle Breitseite!“ Der Regen prasselte auf Eichwald City nieder, als gäbe es kein Morgen. Giftstachel knallten auf scharfe Krallen und Sniebel steckte den Angriff weg wie nichts. Es ließ sich seine eingetretene Vergiftung nicht anmerken und führte den Kratzerangriff zu Ende. Kokuna wurde daraufhin über das Feld geschleudert und auf Joels Befehl hin setzte Sniebel mit einem Ruckzuckhieb nach. Es war ein Volltreffer und ein kurzer Kampf. Beide Trainer starrten auf das Feld. Joels Mine veränderte sich kaum, als er Sniebel zurück in den Pokéball zog und einen abwertenden Kommentar über Kokuna von sich gab. Er hatte mehr von diesem Kampf erwartet, hatte mehr von Faith und ihrem Kokuna erwartet und schlenderte nun mit Trixi an seiner Seite zurück ins Trockene. Mira kam vorsichtig zu Faith, die immer noch auf die Stelle starrte, an der ihr besiegtes Kokuna lag. „Faith…“ Mira legte vorsichtig die Hände auf die Schultern ihrer Freundin, doch Faith schüttelte sie ab und erst jetzt bemerkte Mira, dass Faith stumme Tränen weinte. Die junge Trainerin fühlte sich einfach nur elend. Ihre Wangen brannten ebenso wie ihre Augen, weil sie enttäuscht war – nicht von Kokuna, sondern von sich selbst und ihren Fertigkeiten als Trainerin. Sie hatte astrein versagt und sich noch dazu blamiert. Schweigend zog sie Kokuna zurück. Die Niederlage wog schwer und zog ihr Herz zusammen. „Lass mich“, brachte Faith stotternd hervor, trat einen Schritt zur Seite und begann einfach nur zu rennen, ehe sie merkte, was sie tat. Sie fühlte sich schwach und ihr Kopf glühte von den Kopfschmerzen, die sie bekommen hatte. Schon bald spürte sie keinen Unterschied mehr zwischen den Tränen in ihrem Gesicht und den Regentropfen, die sie bis auf die Knochen durchnässten. Ihr Schluchzen war verstummt, doch ihr Herz brannte noch immer vor Scham, als sie nicht mehr wusste, wohin sie gelaufen war. Plötzlich wurde ihr schwindelig, sie rutschte auf einer nassen Steintreppe aus, stürzte nach vorne und rechnete schon mit einem schlimmen Aufprall, als sie zwei starke Hände von hinten packten. Faith wurde durch die Luft gewirbelt und fand Halt in den starken Armen ihres Retters, der sie mit seinen Augen, die einen Funken Besorgnis offenbarten, zu durchbohren schien. Sie sah direkt in die eisblauen Augen, die sie in ihrem Leben nicht mehr vergessen sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)