Finera - New Adventures von Kalliope ================================================================================ Kapitel 74: Wie kannst du nur ----------------------------- Dunkelheit. Sie umfing Faith mit ihren gierigen Armen und ließ die Jungtrainerin am ganzen Körper wie Espenlaub zittern. Es dauerte einige Sekunden, bis sie merkte, dass sie die Augen fest geschlossen hatte und sich nichts um sie herum tat. Vorsichtig blinzelnd öffnete sie die Augen und sah sich im Halbdunkeln um. Die Ritterrüstung, die sie noch immer umklammert hielt, rührte sie nicht mehr. Alles war still. Totenstill. Zittrig drückte Faith die Arme näher an ihren Körper und entkam so dem Griff der Metallhandschuhe, dann stolperte sie keuchend einen Schritt rückwärts und hatte sogleich kalte Steinwand im Rücken. Noch immer passierte nichts und Faith atmete tief durch. Sie drehte der Ritterrüstung den Rücken zu und tastete vorsichtig mit den Fingern über den kalten Stein, doch was auch immer für ein Mechanismus dafür gesorgt hatte, dass sie hier her gelangt war, er schien sich nicht rückgängig machen zu lassen. Sie war gefangen. Oder war dies einer der alten Geheimgänge, die sie eher aus Büchern kannte? Nachdenklich trat sie zurück zu dem Blechmann und hob eine Schulterplatte ein Stück an. Darunter verbarg sich nichts, jedenfalls kein Mensch. Vielleicht hatte bei ihrem Klopfen gegen das Metall ein Mechanismus reagiert und nun saß sie hier fest. Wenn Eindringlinge durch einen Schock tot umfallen sollten, war sie definitiv kurz davor gewesen. Faith biss sich auf die Unterlippe und tastete sich weiter den Gang entlang. Geheimgänge führten oft zwischen einzelnen Zimmern entlang und hatten versteckte Eingänge, aber irgendwo musste sie zwangsläufig auch wieder nach draußen gelangen. Ihr Herzschlag beruhigte sich von Minute zu Minute, die sie durch das Halbdunkel des Ganges tappte und sich dabei immer wieder Spinnweben und Staubfäden aus dem Gesicht streichen musste. Die wenigen Lichtstrahlen kamen aus winzigen Ritzen weit über ihr. Plötzlich stieß Faith mit der Hand auf ein Stück Holz, das sich dabei ein Stück zur Seite verschob. Sie hielt inne, schob den Riegler weiter zur Seite und zwei winzige Löcher wurden frei. Vorsichtig stellte sie sich auf die Zehenspitzen und schaute hindurch – im nächsten Moment sog sie schaudernd die Luft ein. Das war der Gang, durch den sie gelaufen war. Jetzt wusste sie auch, warum sie sich so beobachtet gefühlt hatte, man konnte durch die Augen des abgebildeten Herrschers schauen und so die Menschen auf dem Gang beobachten. Aber wenn ihr Gefühl wirklich gestimmt hatte… Dann war sie nicht alleine. Augenblicklich pumpte ihr Herz mehr und mehr Adrenalin durch ihren Körper und nervös ging Faith weiter. Auf einmal fühlte sie sich gar nicht mehr so mutig. Sie liebte Abenteuer, aber der Bunker von Team Dark hatte ihr schon einmal ihre Grenzen aufgezeigt. „Bitte lass mich einfach hier raus…“, murmelte sie leise vor sich hin, bis der Gang sich verbreiterte und ein zweiter Gang dazu stieß. Wundervoll, ein Labyrinth aus Gängen, genau das hatte sie gebraucht. Mit rasendem Herzen ging sie weiter und nach einigen weiteren Minuten stellte sie erleichtert fest, dass der Geheimgang hinter einer Kurve heller erleuchtet wurde. Sie schien sich dem Ende zu nähern. Faiths Schritte wurden schneller, sie riss die Tür am Ende des Ganges auf und erstarrte zu einer Salzsäule, als hinter ihr die Tür ins Schloss fiel. „Nein…“ Für ein paar Sekunden setzte ihr Herzschlag aus, dann machte sie benommene Schritte vorwärts. Links von ihr stapelten sich Käfige an der Wand und die Beschriftung rief alptraumhafte Erinnerungen in ihr hervor. Nummer: Vulpix 0223 Vater-DNA: Vulnona 0003 Mutter-DNA: Vulnona 0009 Geschlüpft: 01. Oktober DNA-Eigenschaften: Ausreichend DNA-Lieferant: Entei Mit Tränen in den Augen las sie die Beschriftung. Immer und immer wieder. Dieses kleine Vulpix war erst heute geschlüpft und Faith spürte, dass es wohl schon zum Forschungsobjekt geworden war. Je länger sie in diesem Raum stand, regungslos wie eine steinerne Statue, desto mehr wurde ihr klar, dass sie machtlos war. Team Dark war zu mächtig. Sie würde es nicht aufhalten können. Doch zurück in den Gang konnte sie auch nicht, sie musste hier durch und einen Ausgang finden. Faith ging weiter, jeder Schritt unendlich mühsam. Ihr fiel das Atmen schwer, weil ihre Brust von den vielen Gefühlen in ihr so zusammengeschnürt wurde. Am Ende des Raums befand sich eine weitere Tür, durch die sie hindurchging. Hier war ein altes Schlafzimmer umfunktioniert worden. Das riesige Herrscherbett mit dem dunkelroten Baldachin war an die Wand geschoben, alle wertvollen Gemälde mit schwarzen Leinentüchern verdeckt. Ein Schreibtisch erstreckte sich durch den halben Raum, auf ihm standen unzählige Computer, die mit noch mehr Kabeln zusammengehalten wurden. Ihr wurde schlecht. Mit dem Gefühl sich jeden Moment übergeben zu müssen, durchlief Faith weiter diese Qualen. Auf den Computerraum folgte ein weiterer Raum mit Käfigen, nur dass sich in diesen ein paar wenige Pokémon befanden. Sie wusste, dass sie ihnen nicht helfen konnte, weil es schon viel zu spät war. Dennoch zerriss Faith der Anblick eines halbtoten Schwalbini fast das Herz. Wie konnte man nur so grausam und skrupellos sein? Und was um Himmels Willen wollte Team Dark damit bezwecken? Als sie sich wegdrehte, fiel ihr ein Klemmbrett auf, das auf einem Tisch lag. Sie trat näher heran, schlug wahllos eine Seite auf und begann eine fein säuberlich verfasste Notiz zu lesen. Tag 42 des Experiments. Noch immer sind keine großen Erfolge zu verzeichnen. Langsam gehen uns die Versuchsobjekte aus und die verbliebenen Pokémon produzieren kaum noch verwertbare Nachkommen. Viele sind zu schwach oder überstehen nicht einmal die Initiationsphase. Einbringung von Enteis DNA muss überdacht werden. Ein paar Seiten später fand sie eine weitere Notiz und begriff, dass das Klemmbrett eine Art Tagebuch der Forschungen zu sein schien. Tag 133. Langsam gebe ich es auf. Wie soll es nur weitergehen? Ich beginne an meinen Methoden zu zweifeln, wenn ich sehe, wie viele Pokémon durch meine Hand den Tod finden. Aber es geht nicht anders. Ich bin schon zu weit gekommen, als dass mich diese Rückschläge noch aus der Bahn werfen können. Und noch ein Eintrag, das Datum auf der Seite verriet, dass er von heute war. Tag 465 und es ist endlich vollbracht. Vulpix 0223 ist vielversprechend, es scheint Enteis DNA ohne größere Schäden angenommen zu haben. Ich bin nah dran, das spüre ich. Weitere Tests müssen durchgeführt werden, doch ich bin mir sicher. Bald werde ich das Geheimnis der Legendären entschlüsselt haben. Faith blätterte alle Seiten zurück, trat einen Schritt zur Seite und atmete tief durch. Diese Dinge konnte sie nicht verstehen, aber sie wusste, dass die Legendären einzigartig und mächtig waren, genau das zeichnete sie aus. Plötzlich hörte sie hinter sich schlurfende Schritte und drehte sich um, die Hand schnellte bereits zu einem ihrer Pokébälle, doch sie hielt inne. Zum zweiten Mal schien sie zu einer Salzsäule zu erstarren, doch ihrem Gegenüber ging es nicht anders. Faiths Hand begann zu zittern und das Zittern breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Sie riss die Augen auf, starrte das Mitglied von Team Dark in seiner schwarzen, unverkennbaren Uniform an. Doch viel schlimmer war, dass sie ihren Blick nicht von seinen Augen lassen konnte. Eisblau. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)