Finera - New Adventures von Kalliope ================================================================================ Kapitel 106: Die Finera-Liga ---------------------------- Am nächsten Tag saß Faith auf der Eckbank in Minamis kleiner Küche. Die Wohnung war klein, gerade genug Platz für eine Person, aber Faith wollte Minamis Gastfreundschaft auch nicht ausschlagen und zu Minako und Itsukis Großmutter in den Nebeltempel zurückkehren – in das Pokémoncenter konnten sie nicht, das war jetzt vollkommen überbelegt. Vor ihr lagen die Ohrringe und die Kette, die sie von Joel zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Als Minami eintrat, entdeckte sie den Schmuck und setzte sich Faith gegenüber. „Das Metall ist ganz schön angelaufen, hast du deine Pokémon daran Flammenwurf üben lassen?“ Faith verzog das Gesicht. „Nein. Abgesehen davon habe ich gar kein Feuerpokémon im Team.“ Für einen Moment dachte sie an Glumanda, dem es bei Professor Eich allerdings sehr gut ging, insofern wusste sie, dass sie sich damals richtig entschieden hatte. „Ich habe sie geschenkt bekommen.“ Mit dem Finger stupste sie die drei Schmuckstücke an und dann das Armband an ihrem Handgelenk. Wissend hob Minami die Augenbrauen an. „Von einem Jungen, verstehe. Er muss dich ja wirklich gern haben.“ „Ja.“ Seufzend vergrub Faith das Gesicht in ihren Händen, fuhr einmal darüber und steckte den Schmuck dann zurück in ihre Hosentasche. „Ich schätze schon, aber ich habe mich wie eine Furie benommen und jetzt reden wir nicht mehr miteinander.“ „Dann solltest du dich bei ihm entschuldigen.“ „Das kann ich nicht“, erwiderte Faith sofort bestimmt. „Ich fühle mich so schon schlimm genug, aber gleichzeitig trägt er auch eine Mitschuld an der Situation. Er müsste sich auch entschuldigen.“ „Wenn du ihn liebst, wirst du ihm verzeihen und er dir auch. Da braucht ihr keine Wörter zu, du wirst es einfach fühlen.“ Sprachlos und mit offenem Mund starrte Faith Itsukis große Schwester an, dann stand sie auf und tigerte unruhig durch die Küche. „Ich liebe ihn nicht, wie kommst du denn auf so eine Idee? Wir sind Rivalen. Wenn ich Champion werden will, muss ich besser sein als er.“ Minami legte den Kopf schief und blickte die junge Trainerin nachdenklich an. Dann schüttete sie sich noch eine Tasse Schwarztee ein. „Ich werde euch Pokémontrainer nie verstehen. Es geht doch um viel mehr im Leben als nur um Siege und Kämpfe. Irgendwann wirst du das verstehen.“ Ein atemloses Raunen ging durch die Ränge der Zuschauer, die sich im Stadion von Eisbergen versammelt hatten, als das legendäre Lavadosfeuer mit einer Fackel hereingetragen wurde. Der Champion der Finera-Liga, Carlos, trug die Fackel mit stolzgeschwellter Brust. Vor fünf Jahren hatte er die Liga gewonnen und anschließend die Top Vier herausgefordert und sie besiegt, seit jenem Tag war er ungeschlagen. In ganz Finera kannte man den jungen Mann mit den langen, dunkelblauen Haaren und dem wehenden, schwarzen Umhang. Hinter ihm liefen die Mitglieder der Top Vier in das Stadion ein. Ganz vorne lief ein junges Mädchen in Itsukis Alter mit langen, dunkelvioletten Haaren. Ihr Name war Jasmin, sie stammte aus Schloss Dunkelstein und hatte sich auf Pokémon der Typen Psycho und Geist spezialisiert. Direkt dahinter kam der vierundsechzigjährige Pokémonzüchter Francesco, der ein Herz für Kampfpokémon hatte und bereits seit dreißig Jahren den Top Vier angehörte. Robert, der mit Elektropokémon kämpfte, winkte beim Einlaufen den Zuschauern zu. Den Schluss der Viererkette bildete Imael, ein starker Feuerpokémontrainer, der als Herzensbrecher verschrien war. Die fünf stärksten Trainer der Finera-Region umrundeten das Kampffeld, stiegen auf ein gläsernes Podest und warteten dort oben, bis sich das Publikum wieder beruhigt hatte. Dann sprach Carlos in ein Mikrofon, erklärte die diesjährige Finera-Liga für eröffnet und wünschte allen Teilnehmern viel Erfolg und faire Kämpfe. Die Fackel mit dem Lavadosfeuer warf er in einen riesigen Kelch, der in etwas abstrakter Kunst Lavados nachbilden sollte. Zeitgleich begann das Publikum lautstark zu applaudieren und alle registrierten Teilnehmer liefen ebenfalls in das Stadion ein. „Siehst du Faith, kannst du sie irgendwo sehen?“ Aufgeregt rutschte Mira auf ihrem Platz umher und schaute nach unten in die Menge von Trainern. Angestrengt hielt sie nach Faiths türkisfarbenem Haarschopf Ausschau und entdeckte sie schließlich ziemlich mittig. „Da ist sie! Evan, schau!“ Evan lachte. „Ja, ich kann sie auch sehen. Aber ich hätte wirklich nicht gedacht, dass so viele Trainer ihr Glück versuchen.“ „Nur sechzehn von ihnen werden es durch die Vorrunden schaffen“, erklärte Itsuki und deutete auf die große Anzeigetafel, deren sechzehn Trainerprofile noch mit einem weißen Fragezeichen markiert waren. „Die Konkurrenz ist groß, wenn man es schon unter die besten Sechzehn geschafft hat, kann man wirklich stolz auf sich sein.“ „Dort unten ist Joel!“ Mira winkte dem Trainer zu, doch natürlich konnte er sie als einzelne Person in den ganzen Zuschauermassen nicht ausmachen. Etwas enttäuscht ließ Mira die Hand wieder sinken und hatte zu allem Verdruss auch Faith wieder aus den Augen verloren. „Ich bin jedenfalls sehr gespannt, die ersten Vorrundenkämpfe beginnen gleich. Wenn ihr Faith auf einem der Kampffelder seht, müsst ihr mir sofort Bescheid sagen!“ Faith fühlte sich in diesem Stadion vollkommen verloren, dabei hatte sie jetzt noch so viele andere Trainer um sich herum. Wie würde es erst sein, wenn sie die Vorrundenkämpfe wohlbehalten überstanden hatte und fortan ganz alleine auf dem großen Kampffeld stehen musste? Sie wollte gar nicht daran denken und schaute auf die Nummer ihrer Teilnahmekarte, die gleichzeitig auch anzeigte zu welcher Vorrundengruppe sie gehörte. Als sich das Stadion allmählich wieder von Trainern leerte und die vier kleinen Kampffelder aufgebaut wurden, auf denen parallel die ersten Vorrundenkämpfe stattfinden würden, saß Faith bereits in dem Aufenthaltsraum für die Trainer und schlürfte einen heißen Kakao. Für einen kurzen Moment hatte sie Joel von hinten gesehen, aber er war schon zu seiner Gruppe verschwunden. „Entschuldigung, aber du gehörst auch zur Gruppe D, nicht wahr?“ Faith schaute auf und nickte, woraufhin sich das braunhaarige Mädchen, das sie angesprochen hatte, zu ihr setzte. „Ich bin Mimi Goldberg, freut mich dich kennenzulernen. Ich bin total aufgeregt.“ „Oh ja, ich auch“, gestand Faith, leerte ihren Kakaobecher und warf ihn in den Mülleimer neben ihrem Tisch. „Das ist so ein tolles Erlebnis. Es ist schon immer mein Traum hier in der Liga zu kämpfen.“ „Meiner auch“, erwiderte Mimi lächelnd und strich sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. „Mein Bruder Mike ist in Gruppe H und ich bin wirklich froh, dass wir nicht schon in der Vorrunde aufeinandertreffen.“ Mimis weiteres Geplapper quittierte Faith mit einem aufgesetzten Lächeln, denn ihre Gedanken begannen sich um Joel zu kreisen. In welcher Vorgruppe er wohl war? Am ersten Tag würden sich aus jeder Vierergruppe die zwei besten Trainer für die zweite Vorrunde qualifizieren, in der die Gruppen neu durchmischt wurden. Am Ende standen dann die sechzehn Trainer fest, die es in den zweiten Teil der Liga geschafft hatten. „Wir als Gruppe D sind ziemlich am Anfang dran“, unterbrach Faith Mimi, die daraufhin kurz überrascht die Augenbrauen hochzog, dann jedoch nickte. Wenige Minuten später wurden die Trainer von Gruppe A und Gruppe B aufgerufen und gingen nach draußen. Auf dem großen Bildschirm konnte Faith sehen, dass Joel zur Gruppe B gehörte und sein Gegner ein Mädchen in einem beigefarbenen Kostüm war, an deren Seite ein Farbeagle lief. Die beiden anderen Gruppenmitglieder waren Jungs. Gruppe A war komplett männlich und die vier Trainer aus dieser Gruppe verteilten sich auf zwei andere Kampffelder. Nervös schaute Faith zu, wie die Kämpfe begannen, wobei sie hauptsächlich auf Joels Kampf achtete. Mit Sniebel und Lucario konnte er Farbeagle, Kapilz und Enekoro besiegen, somit hatte er recht schnell seinen ersten Kampf erfolgreich bestritten. Faith überlegte indes, auf welche drei Pokémon sie sich konzentrieren sollte, denn in den beiden Vorrunden durfte man nur drei Pokémon einsetzen, in den späteren Kämpfen dann alle sechs ohne Wechsel. Schneller, als es ihr lieb war, wurde Gruppe D gebeten sich bereit zu halten. Mimi lächelte ihr aufmunternd zu, auch wenn sie und Faith gleich Gegnerinnen sein würden. „Möge die bessere Trainerin gewinnen“, flötete Mimi gut gelaunt. „Wobei eine Niederlage kein Drama ist, immerhin haben wir noch zwei andere Mitglieder in unserer Gruppe D, die wir aus dem Turnier werfen können. Ich werde dir jedenfalls die Daumen drücken, Faith.“ „Öh, danke, ich dir auch“, erwiderte diese etwas perplex, schüttelte dann leicht den Kopf und trat hinaus in das Stadion, als Gruppe D aufgerufen wurde. Noch ein letztes Mal atmete sie tief durch, dann machte sie sich mit stoischer Gelassenheit auf den Weg zu ihrem Kampffeld und trat Mimi als Gegnerin gegenüber. Der Kampf konnte beginnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)