Wireless Connection von taiyo83 ================================================================================ 02 - Explosion -------------- ~ Kapitel 2 ~ Explosion Die Tür zur Werkstatt öffnete sich, und Shoichi stürmte förmlich hinein, mit erhitztem Gesicht und vorfreudig leuchtenden Augen. Es dauerte einen Moment, bis sich sein ohnehin schwacher Visus an die schummrigen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, aber dann sah er ihn: Den Prototyp der Strau Mosca. Und er war noch atemberaubender als auf seinem Computerbildschirm. Jetzt, wo er direkt vor ihm stand, sah Shoichi erst, wie groß er wirklich war, und wo jeder andere es mit der Angst zu tun bekam, wuchs seine Begeisterung ins Unermessliche. „Wärst du vor drei Wochen hier gewesen, hättest du seine Ummantelung noch ohne Kratzer bewundern können, Captain.“ Shoichi wirbelte beim Klang der ihm bekannten Stimme herum, und sein Lächeln weitete sich. „Spanner! Es ist eine Ewigkeit her!“ Mit drei schnellen Schritten stand er vor dem Mechaniker, der ihn ebenso gut gelaunt angrinste und ihm die Hand hinhielt. „Viel zu lang. Du hast es ganz schön weit gebracht, Shoichi.“ antwortete der Blonde, ehe sie einen festen und herzlichen Händedruck austauschten. „Du musst gerade was sagen… ich hab mir eben deine Pläne angesehen. Die sind genial! Wie bist du auf die Idee mit der künstlichen Flamme gekommen?“ Weder die Tatsache, dass sie sich fast 3 Jahre nicht gesehen hatten, noch der Unterschied im Rang, der Shoichi rein theoretisch zu Spanners Vorgesetztem machte, stand den beiden jungen Männern im Weg. Es war, als wären die letzten Jahre niemals vergangen und sie immer noch auf der Mittelschule, wo sie sich alle paar Monate auf Technikwettbewerben, Messen oder Workshops getroffen und dort fast jede freie Minute miteinander verbracht hatten, um zu fachsimpeln und ihre Ideen auszutauschen. Sie teilten immer noch dieselbe Leidenschaft für Roboter und die gleiche Freundschaft voller Respekt für den anderen. „Ich wollte eine alternative Energiequelle. Menschliche Insassen sind nicht nur im Kampf gefährdet, sie sind auch eine unzuverlässige Energiequelle, die beim geringsten Schaden sofort schwächer wird. Der Gola Mosca-Typ hätte niemals in Serienproduktion gehen können, aber mit dieser künstlichen Energieversorgung ist das kein Problem mehr!“ Spanners Augen leuchteten, als er anfing, Shoichi das Prinzip der eingebauten Dying-Will-Flamme zu erklären, und sein Gegenüber sog jedes seiner Worte auf wie ein Schwamm. Erst jetzt merkte der Rothaarige, wie sehr ihm das gefehlt hatte, mit jemandem über ganz simple profane Dinge wie Energie, Kreisläufe, Triebwerke und Waffenausrüstung zu reden. Was für ein Glück, dass er die Cervello weggeschickt hatte – mit Sicherheit hätten die beiden Frauen sich schrecklich gelangweilt und womöglich noch zum Aufbruch gedrängelt… „Warte, ich zeig dir eine Simulation, die ich gestern angefangen hab, sie war leider noch nicht fertig, sonst hätte ich sie auch schon hochgeladen…“ Im Schneidersitz ließ Spanner sich vor seinem Laptop, der auf einem niedrigen Tisch stand, nieder und fing an, in rasender Geschwindigkeit in die Tasten zu hauen. „Du kriegst das als erster zu sehen – die anderen würden da sowieso nicht mitkommen, die schwächeln ja schon, wenn ich von sowas popligem wie Fieberoptik anfange…“ meinte er, ohne über die Schulter zu sehen. „Hmmm…“ Abwesend ließ Shoichi eine Hand über die Außenverkleidung des Mosca wandern und spürte ein Prickeln in den Fingerspitzen, als er die Schrammen ertastete. Für einen Moment vermisste er seinen alten Job, als er genau wie Spanner ein einfacher Ingenieur gewesen war, der Pläne für Waffen und Roboter entworfen und diese dann gebaut hatte. Keine Frage, er mochte die Arbeit, die er mittlerweile hatte, ihm standen alle Möglichkeiten offen, und für seine Forschung war es das Beste gewesen, sich rasch hochzuarbeiten… aber wenn er Spanner so sah, wie er mit Feuereifer über seine Roboter redete, spürte er doch einen winzig kleinen Eifersuchtsstich in der Brust. Dabei wollte er sich nicht ausmalen, wie wenig Geld sein Freund für diese Knochenarbeit womöglich erhielt… Irgendetwas fing an, unter Shoichis Hand zu vibrieren, und als der Rothaarige sich aus seinen Tagträumen riss, hörte er auch das stetig anschwellende summende Geräusch, dass von dem Mosca-Prototyp ausging. „…?“ „Ich bin gleich soweit, irgendwie öffnet die Datei nicht… hoffentlich hat der Lap heute Morgen nichts von dem Regenguss abgekriegt…“ Mit leicht verengten Brauen zog Spanner einen neuen Lolli aus seiner Hosentasche und riss das Papier mit den Zähnen ab, während sich seine Augen fest auf den Bildschirm hefteten, in der Hoffnung, die Lösung für die Ladehemmung zu finden. Shoichi starrte den Roboter an, dann wandte er den Kopf. „Spanner… ich glaube…“ – „Gestern ging das doch noch tadellos!“ – „Spanner! Ist das normal, wenn…“ – „Moment, ich hab‘s gleich…“ – „Spanner!!“ Fest packte Shoichi den Blonden an der Schulter, und als Spanner ein freudiges „ENDLICH!“ ausstieß und den Kopf hob, blickte er in Shoichis schönstes Panikgesicht. „ICH GLAUBE DER MOSCA IST AKTIV!“ – „WAS?!“ Schnell war der Mechaniker auf den Beinen und starrte nun ebenfalls in Richtung des Roboters, der in diesem Moment seinen schweren Metallarm hob und auf die beiden Offiziere richtete. Zwischen den gepanzerten Finger glühte es rötlich auf. „Raketen?“ wisperte Shoichi. „Flammenwerfer.“ antworte Spanner knapp. Und dann: „RUNTER!!!!“ Innerhalb von Sekunden brach in der kleinen Werkstatt die sprich- und wortwörtliche Hölle los. Aus allen Ecken loderten die Flammen auf, und dort wo es nicht brannte explodierten Raketen an den Wänden und am Boden – nur weil das Gas für den Flammenwerfer aufgebrauch war, hieß es nicht, dass der Strau Mosca nicht noch genug Waffen hatte, die er auf Shoichi und Spanner hätte abfeuern können. Mit einem Krachen schlug eine der Raketen knapp über den Köpfen der beiden Männer ein, die sich gerade noch rechtzeitig mit einem heldenhaften Hechtsprung unter Spanners Werkbank hatten flüchten können. Um sie herum regnete es Blech, Schrauben und Ersatzteile. „KANNST DU IHN NICHT ABSCHALTEN?!“ schrie Shoichi gegen den ohrenbetäubenden Lärm an, während er mit beiden Händen seinen Kopf zu schützen versuchte. „GEHT NICHT! DER EXTERNE KONTROLLER WURDE SOEBEN ZERSTÖRT!“ schrie Spanner zurück und deutete auf seinen Schreibtisch, wo der Laptop lichterloh brannte. Shoichis Magen fing bei diesem Anblick ebenfalls an zu brennen, und er stöhnte leise, was in der Detonation des nächsten Raketengeschosses unterging. „WENN DAS SO WEITERGEHT, ZERLEGT ER DIE GANZE EBENE!! ... UND WAS BEDEUTET DAS ROTE AUFLEUCHTEN?!“ Spanners linke Augenbraue zuckte leicht, und Shoichis Bedürfnis, sich hier und jetzt zu übergeben, wurde noch dringender. Das, was er da im Gesicht seines Freundes sah, war der Anflug von Angst. „Spanner…?“ – „Überhitzung… ER EXPLODIERT! ER HAT DIE SELBSTZERSTÖRUNG EINGELEITET!!“ Kaum hatte der Blonde ausgesprochen, ballte sich seine behandschuhte Hand um Shoichis Finger. „RAUS HIER!!“ Die beiden Offiziere schossen unter der Werkbank hervor, stolperten mühsam in eine aufrechte Position und sprinteten dann quer durch die Werkstatt in Richtung Tür, die zum Glück schon von einer der Raketen getroffen war und in welcher nun ein großes Loch klaffte. Shoichi spürte die Temperatur rapide ansteigen und verfluchte sich innerlich, nicht öfter etwas für seine ohnehin sehr dürftige Fitness zu tun. Es waren vielleicht 20 Meter bis zur rettenden Tür, aber sie kamen ihm kilometerlang vor… Dann ging alles ganz schnell. Er hörte Spanner noch irgendeinen fremdsprachigen Fluch ausstoßen, ehe die Explosion seine Ohren taub werden ließ. Die einsetzende Druckwelle, die entstand, als der Mosca in seine Einzelteile zerbarst, reichte aus, um beide Männer von den Füßen und gegen die Wand zu schleudern, nachdem sie es in letzter Sekunde in den Gang hinaus geschafft hatten. Shoichi fühlte den harten Aufprall, der seltsamerweise nicht einmal so weh tat wie er erwartet hätte, und etwas Warmes sickerte an seiner Stirn herunter. Als nächstes wurde ihm schwarz vor Augen. „… -sama!“ Oh Gott… sein Kopf fühlte sich an, als würde er platzen… nein, er wollte die Augen nicht öffnen, es war so angenehm dunkel und wattig… „Irie-sama…!!!“ Jemand tätschelte seine Wange, nicht all zu fest, aber immer noch energisch genug, dass Shoichi sich unwillkürlich an seine Kindheit und diverse Ohrfeigen zurückerinnert fühlte. Vorsichtig öffnete er ein Auge und auch nur einen Spaltbreit, und sah einen wirren Mix aus weiß, rosa und viel zu grellem Licht. „Irie-sama! Wie fühlt ihr euch! Habt ihr Schmerzen?“ – „M…Meine Brille… bitte…“ brachte der Angesprochene mühsam heraus und richtete sich umständlich aus seiner Liegeposition auf. Unter seinen Fingern tastete er ein weiches, für ein Bett allerdings zu dünnes Polster. „Bitte sehr.“ Die Person vor ihm hielt Shoichi seine Brille hin, und als er sie aufsetzte und ein paar Mal blinzelte, erkannte er eine der Cervello. Soweit er das Gesicht unter der schwarzen Maske erahnen konnte, sah die junge Frau leicht besorgt aus. „Wo bin ich?“ murmelte der Rothaarige noch immer benommen und sah sich im Raum um. Viele weiße Möbel, peinliche Sauberkeit und der aufdringliche Geruch von Desinfektionsmitteln ließen nicht viel Spielraum für Spekulationen: Das musste die Krankenstation sein. Shoichi verkrampfte augenblicklich - er hasste Krankenhäuser und alles was ihnen auch nur nahe kam. Dann jedoch kam die Erinnerung an das, was in der Werkstatt geschehen war, zurück, und er wurde mit einem Schlag hellwach. „Spanner! Was ist mit Spanner?!“ – „Keine Panik… ich lebe noch.“ Mit einem leisen Rascheln wurde der Vorhang neben ihm beiseitegeschoben, und Shoichi blickte auf ein bandagiertes Gesicht, eingerahmt von blonden wirren Locken. Aber nicht nur Spanners rechte Wange, sein Nasenrücken und das Kinn waren mit Verbänden und Pflastern zugeklebt, auch seine linke Schulter und der Brustkorb waren in weiße Wickel gehüllt, und unter den losen Boxershorts des Mannes schauten großzügig verpflasterte Knie hervor. „Die Mumie kehrt zurück…“ grinste er, bevor er sich neben Shoichi auf die Untersuchungsliege fallen ließ, nur um sofort mit einem „AU!!“ wieder aufzuspringen. „Shit…“ – „Offizier Spanner hat diverse Schürf- und Schrammwunden, eine Platzwunde unterhalb des Auges, eine leicht geprellte Schulter, zwei geprellte Rippen und Verbrennungen ersten Grades im Nacken davon getragen. Keine schwerwiegenden inneren Verletzungen.“ Die Cervello ließ das Krankenblatt, das auf dem Beistelltisch neben Shoichis Bett gelegen hatte, sinken und blickte von einem zum anderen. „Ihr hattet Glück, Irie-sama… außer einer Schürfwunde an der Schläfe und einem verrenkten Nackenwirbel habt ihr keinerlei Verletzungen erlitten. Ihnen beiden wurden Schmerzmittel verabreicht und prophylaktisch Antibiotika verordnet. Unter der Auflage, dass sie sich jeden zweiten Tag zur Kontrolle einfinden, bis alle Verletzungen abgeheilt sind, dürfen sie die Krankenstation auf eigene Verantwortung verlassen.“ Ein Seufzen löste sich aus Shoichis Kehle, und er fuhr sich wie automatisch durch die Haare, die mit Sicherheit schon aussahen wie ein geplatztes Sofakissen. So wie es sich anhörte, nahm seine Pechsträhne in Melone Base kein Ende. Erst verpatzte er die Eröffnungsrede, dann jagte er die Werkstatt in die Luft und beförderte den Leiter der Technikereinheit auf die Krankenstation – was kam als nächstes? Sein Blick wanderte hinüber zu Spanner, und sofort bekam Shoichi ein schlechtes Gewissen. Nicht nur weil sein Freund von oben bis unten bandagiert war, sondern auch, weil er seinen wertvollen Strau Mosca zerstört hatte. Wenn Spanner noch genauso an seinen Maschinen hing wie vor 4 Jahren, wovon er stark ausging, musste ihm der Verlust sehr nahe gehen… „Schau nicht so. Ich sagte doch, ich bin ok.“ meinte der Blonde ruhig, als hätte er Shoichis Gedanken gelesen. „Aber deine Werkstatt… der Mosca… deine ganze Arbeit…!“ – „Ist schon ok. Du konntest doch absolut nichts dafür… davon abgesehen hätte ich ihn sowieso nicht mehr in Betrieb nehmen dürfen, nachdem er letztes Mal schon so viel Schaden angerichtet hat. Und die Daten habe ich alle schon abgespeichert.“ – „Aber dein Laptop… der ist doch…?“ – „Es lebe die Sicherungskopie.“ Spanner hielt einen ganzen Schlüsselbund von USB-Sticks hoch. „Man kann nie genug Sicherungskopien haben – solltest du am besten wissen.“ Ein erleichtertes Lachen brach über Shoichis Lippen heraus. Natürlich, er wusste es – immerhin hatte er Spanner das mehrfach zur Antwort gegeben, als sie noch Schüler gewesen waren und er einen regelrechten Speichertick an sich gehabt hatte, über den sich Spanner mehrfach lustig gemacht hatte. Anscheinend hatte der Jüngere sich ein Beispiel an ihm genommen… „Wir werden sofort den Beginn der Reparaturmaßnahmen in die Wege leiten, damit sie schnellstmöglich ihre Arbeit wieder aufnehmen können. Bis dahin stellen wir ihnen eine Notunterkunft zur Verfügung.“ Die zweite Cervello hatte soeben den Raum betreten und verbeugte sich vor Shoichi und Spanner, ehe sie weiter sprach: „Natürlich wird der entstandene Schaden soweit möglich ersetzt. Bitte erstellen sie uns eine detaillierte Liste der beschädigten Dinge auf, wir werden sie sofort weiter reichen.“ Spanner nickte nur knapp und machte Anstalten, den Raum zu verlassen, um der Aufforderung nachzukommen. Shoichis irritierte Stimme jedoch ließ ihn innehalten: „Wie… Unterkunft…? Es ist doch nur deine Werkstatt beschädigt worden… oder?“ – „Etliche an den Werkbereich grenzenden Räumlichkeiten wurden durch die Explosion in Mitleidenschaft gezogen, so auch Offizier Spanners Wohnraum. Er ist völlig verwüstet, sämtliche sanitären Einrichtungen sind beschädigt, und alle Stromkreise wurden unterbrochen. Bis die Reparaturarbeiten vollendet sind, braucht er ein neues Appartement.“ Hätte die Cervello nicht von Natur aus eine stets gleichbleibende Stimmlage gehabt, Shoichi hätte geschworen, dass sie bei diesem Satz vorwurfsvoll geklungen hätte. Die Röte kroch über seine Nase, und er schluckte hart. Also hatte er nicht nur Spanners Arbeit zu Nichte gemacht, sondern ihm auch noch das Dach über dem Kopf genommen – und jetzt sollte der Mechaniker in eins der winzigen Zimmerchen ziehen, wo gerade mal genug Platz für ein Futon und einen Koffer war? Das konnte er nicht zulassen. „Für den Zeitraum, den die Reparaturen benötigen, kann Offizier Spanner bei mir wohnen. Mein Appartement ist riesig… all den Platz brauche ich gar nicht. Ich bin sowieso den ganzen Tag unterwegs. Es ist meine Schuld, dass das alles passiert ist, da werde ich dafür sorgen, dass er ordentlich untergebracht ist.“ meinte er entschieden, und zu seiner Überraschung nickten beide Cervello. Anscheinend hörten die Frauen tatsächlich auf jeden seiner Befehle. „Wie ihr wünscht, Irie-sama. Wir werden sofort ein zusätzliches Futon und Trennwände in ihr Appartement bringen lassen.“ Shoichi sah, kaum dass eine der Cervello wieder gegangen war, hinüber zu Spanner, der nicht wirklich von dem Angebot überrascht zu sein schien. „Wie früher im Ferienlager…“ meinte er mit einem halbseitigen Grinsen. „Nur, dass jetzt nicht mehr gespielt wird.“ – „So kann man es ausdrücken.“ Auch Shoichi musste nun unwillkürlich grinsen. Spanners trockener Humor hatte ihm gefehlt. „Ein Unfall in den Werkstätten?“ Byakuran hob den Blick von den Unterlagen, die er gerade durchgesehen hatte, und der junge Offizier, der vor ihm stand und seinen Report machte, schien förmlich zusammen zu schrumpfen. „J-Ja… eine Explosion… dieser Roboter ist explodiert…“ stotterte er hilflos und betete innerlich darum, dass der Commander seine Augen wieder von ihm nehmen würde, weil er diesem Blick nicht lange würde stand halten können. Byakuran richtete sich auf. „Der Strau Mosca… soweit ich weiß, gab es da vor ein paar Wochen doch schon mal einen Zwischenfall. Wurde jemand verletzt?“ – „Zum Zeitpunkt der Explosion hielt sich Captain Irie in der Werkstatt auf. Er und Offizier Spanner, der leitende Mechaniker vor Ort, befinden sich im Krankenflügel, es geht ihnen beiden gut.“ beeilte der junge Mann sich zu sagen. Kaum dass er ausgesprochen hatte, hoben sich Byakurans Augenbrauen leicht an. „Sho-chan wurde verletzt? Ich sollte ihm später einen Besuch abstatten…“ – „Das wird nicht nötig sein - der Captain wurde vor ca. einer halben Stunde auf eigene Verantwortung wieder entlassen. Offensichtlich ging es ihm so gut, dass kein Grund für einen längeren Aufenthalt bestand.“ informierte ihn der Offizier nach einem raschen Blick auf sein Klemmbrett. Die Mundwinkel des Weihaarigen verzogen sich zu einem Lächeln. Ganz offensichtlich hatte Sho-chans Angst vor Ärzten wieder einmal zugeschlagen und den Jungen in Rekordgeschwindigkeit genesen lassen. Und dennoch… „Wie ist es zu dem Unfall gekommen?“ – „Nun… es macht den Anschein, als hätte Captain Irie… aus Versehen den Mosca aktiviert. Genaueres wissen wir erst, wenn die Bergungsmaßnahmen und Untersuchungen in der Werkstatt abgeschlossen sind.“ Byakuran lachte laut und belustigt auf und nahm dann das Klemmbrett entgegen, um den Report zu unterzeichnen. „Sho-chan… Melone Base scheint dir kein Glück zu bringen.“ meinte er vielmehr zu sich selbst, ehe er das Klammbrett zurückgab und den jungen Offizier anlächelte. „Ich möchte, dass sie dem Captain Blumen auf sein Appartement liefern lassen. Ich schreibe ihnen das genaue Arrangement auf, damit sie es auch nicht vergessen oder verwechseln…“ Bei diesen Worten musterte Byakuran seinen Gegenüber so intensiv und durchdringend, dass der Offizier das Gefühl bekam, der Commander wolle den Auftrag persönlich in sein Gehirn festpinnen. Er würde einen Teufel tun und den Befehl nicht korrekt auszuführen – diese Augen würden es nicht tolerieren, wenn er einen Fehler machte. Kaum dass sich die Tür hinter dem ängstlichen jungen Mann wieder geschlossen hatte und seine hastigen, fast schon flüchtenden Schritte verebbt waren, erhob sich Byakuran von seinem Schreibtisch und schritt hinüber zu dem breiten und blütenweiß bezogenen Sofa, das mitten im Appartement stand, wo er sich mit einem kleinen genüsslichen Seufzen in die Polster fallen ließ. Die Augen zur Decke gerichtet, entnahm er dem Beutel Marshmallows, der neben ihm lag, einen der flauschigen Bälle und drehte ihn gedankenverloren zwischen den Fingern. „Wollen wir hoffen, dass Sho-chans Pechsträhne nicht noch länger anhält… ich würde nur ungern mein Urteil über ihn revidieren…“ wisperte er in die Stille des Raumes hinein, ehe er die Augen schloss und den Marshmallow zwischen seine Lippen schob. Es war nicht zu übersehen, dass Shoichi in Melone Base gewisse Vorzüge erhielt. Selbst jemandem, der nicht über Spanners wachsamen Blick verfügte, dem selten etwas entging, wäre der Unterschied zwischen den gewöhnlichen Quartieren und denen des Kapitäns der zweiten Einheit aufgefallen. Fasziniert sah Spanner sich um, kaum dass sie das Appartement betreten hatten, und sog jedes Detail der neuen ungewohnten Umgebung in sich auf. Natürlich fielen ihm sofort all die extravaganten technischen Spielereien auf, vor allem die Hologramme an den Wänden weckten den spontanen Wunsch in ihm, sein Werkzeug auszupacken und einen der flachen Monitore auszubauen, um zu sehen, wie er funktionierte. „Ich werde dir gleich ein paar Leute rufen, die dir helfen können, deine Sachen hierher zu bringen. Ich… ich hoffe, es wurde nichts Wichtiges zerstört.“ Shoichi klang nicht nur schuldbewusst, er war es auch. Obwohl Spanner ihm keinerlei Vorwürfe gemacht hatte, wusste er, dass der Verlust seines Moscas dem Blonden nahe gehen musste. Und wenn nun auch noch Dinge aus Spanners privatem Besitz beschädigt waren… Erneut zog sich Shoichis Magen schmerzhaft zusammen, und eine neue Welle der Mutlosigkeit überrollte ihn. Irgendwie lief momentan gar nichts mehr so wie es sollte… „Hmm. Klar, kein Problem, soviel Sachen hab ich nicht.“ meinte Spanner gedankenverloren, nachdem er kurz im Kopf durchgegangen war, was er alles benötigen würde. Viel war es tatsächlich nicht, immerhin war seine Arbeit seit Tagen auf Eis gelegt, weil die nötigen Teile nicht geliefert wurden, und da nun auch seine Arbeitsräume unbenutzbar waren, würde er viel freie Zeit haben. Vielleicht konnte er das eine oder andere Projekt mit Shoichi wieder aufleben lassen, dass sie in ihrer Schul- und Studentenzeit zusammengesponnen hatten… falls sein Freund dazu Zeit hatte. Recht lässig ließ der Blonde sich auf die Couch fallen, wippte ein paar Mal auf und ab und nickte dann zufrieden, ehe er murmelte: „Darauf lässt sich sicher gut schlafen.“ - Einen Moment brauchte Shoichi, um dem Gedankengang zu folgen, dann sprudelte es schon aus ihm heraus: „Du willst auf dem Sofa…? Kommt ja nicht in Frage!“ Energisch stemmte er eine Hand in die Hüften. „Du schläfst im Schlafzimmer. Ich hab immerhin deine Wohnung zerstört, da kann ich dich jetzt nicht auf der Couch liegen lassen.“ – „Die Couch reicht mir voll und ganz, sie ist bequem zum schlafen.“ wandte Spanner ruhig ein, nahm dabei den abgenagten Lolliestil aus dem Mund und sah den Rotschopf amüsiert an. „Um ehrlich zu sein ist sie bequemer als mein Bett…“ – „Da gibt’s überhaupt nichts zu diskutieren. Du schläfst im Bett!“ fuhr Shoichi erneut auf. „Shoichi, du bist doch immer so verspannt, wäre es nicht besser…“ – „JETZT SEI DOCH NICHT SO STUR!“ – „Du wirst laut.“ – „WEIL DU ALLES KOMPLIZIERT MACHST!“ Mit einem Stöhnen sank der Ältere nun ebenfalls auf die Couch und rieb sich mit einer Hand den schmerzenden Magen. Gequält sah er unter roten Ponysträhnen zu seinem Sitznachbarn hinüber und nuschelte: „Ich hab ein schlechtes Gewissen, Spanner, also nimm das Schlafzimmer!“ Das war Shoichi wie er leibte und lebte - immer besorgt und schuldbewusst, selbst wenn es nicht nötig war. Spanner musterte seinen Gegenüber einen Moment lang sinnend und stellte fest, wie wenig dieser sich doch seit der Schulzeit verändert hatte. Mal angesehen davon, dass er die rechte Hand des momentan einflussreichsten Mafioso war der ganzen Welt war. „Wie groß ist dein Bett…?“ Shoichi zuckte nach dieser unverwandten Frage die Schultern, er hatte keine Ahnung und gab das auch zur Antwort. Außer dem Wohnzimmer hatte er noch nicht viel von seinem Appartement gesehen, er war am gestrigen Abend total übermüdet auf dem Sofa eingeschlafen. Spanner nickte nur, erhob sich, schlenderte in Richtung des Raumes, den er für das Schlafzimmer hielt und öffnete die Tür. Anscheinend hatte er auf Anhieb getroffen, denn er wandte den Kopf herum und deutete in das Zimmer hinein. „Es ist riesig. Wir werden beide drin Platz haben.“ Zu einer Antwort blieb Shoichi keine Chance – wobei er auch nicht gewusst hätte, was er dazu sagen sollte. Spanners Direktheit hatte ihm schon öfter die Sprache verschlagen, sowie die Einfachheit, mit der sein Freund Entscheidungen traf, für die er selbst ewig gebraucht hätte, ohne über Pro und Kontra nachzudenken. Anscheinend war es für Spanner nichts ungewöhnliches, mit einem Mann ein Bett zu teilen… Doch noch bevor er irgendeinen Einwand äußern konnte, öffnete sich die Schiebetür und zwei junge Whitespell betraten den Raum, jeder mit zwei großen Blumenvasen in den Händen. „Ein Präsent von Byakuran-sama!“ meldeten sie steif und stellten die Blumen über den Wohnraum verteilt ab, ja, fast schien es Shoichi, als platzierten sie die Gestecke bewusst an Orten, wo jeder, vor allem er, sie sehen konnte. Und so schnell sie gekommen waren, verschwanden die beiden Uniformierten wieder aus dem Appartement, nachdem sie sich noch einmal vergewissert hatten, dass ihr Auftrag sorgfältig genug ausgeführt worden war. Nur noch die prächtigen Sträuße in den schlichten weißen Vasen erinnerten daran, dass sie hier gewesen waren. Mit einem Seufzen trat Shoichi an den größten der Sträuße, der auf dem Wohnzimmertisch direkt neben seinem Laptop stand, heran. Er kannte Byakuran und dessen Obsession mit Blumen lange genug, um zu wissen, dass sein Boss niemals Blumen ohne einen Hintergedanken verschenkte. Schon gar nicht an die, die ihm näher standen. Byakuran machte sich einen regelrechten Spaß daraus, seinen Untergebenen Arrangements zu schicken und sie die Bedeutung selbst heraustüfteln zu lassen. Ein Grund mehr, warum Shoichi sich vor einiger Zeit ein Handbuch über Blumensprache zugelegt hatte. Sorgsam betrachtete der Rothaarige die Blüten und schlug sie dann in dem Büchlein nach, dass er stets bei sich trug und welches er eben nur hatte aus der Hosentasche ziehen müssen. Je weiter er las, desto mehr verengten sich seine Brauen, und seine Kehle wurde trocken. „Wow… hast du was gewonnen?“ Wie aus dem Nichts stand Spanner neben ihm und schaute ihm über die Schulter, auf das üppige Blumengeschenk. Anscheinend hatte der Mechaniker das Schlafzimmer lang genug begutachtet. „Shoichi?“ „Die echte Goldrute – steht vor allem für Gesundheit. Geranien – sie stehen für Dummheit und Ungeschick. Gelbe Nelken – die Farbe bedeutet Genesung, und Nelken stehen allgemein für Zuneigung und Wohlgesonnen sein.“ Mit einem energischen Knall klappte das Buch zusammen, und Shoichi sah mehr an Spanner vorbei als ihn an, während er vor sich hin murmelte: „Du bist zwar ein Tollpatsch, aber ich werde dich dafür keinen Kopf kürzer machen. Gute Besserung.“ Wie erwartet, wusste Byakuran also bereits über den Unfall in der Werkstatt Bescheid, und auch, wer dafür verantwortlich war. Die Überwachung in Melone Base funktionierte jedenfalls prächtig. Shoichi stieß ein letztes Seufzen aus und wandte sich dann wieder Spanner zu, der immer noch neben ihm stand, ruhig an seinem Lollie kaute und ihn erwartungsvoll ansah. „Schön, schlafen wir beide im Schlafzimmer. Und wehe du schnarchst!“ ~... to be continued...~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)