Gijinka von Shub_Niggurath ================================================================================ Kapitel 2: Through The Glass II ------------------------------- Geht man davon aus, dass alle Lebewesen auf diesem Planeten einem Zweck dienen, damit die Maschinerie des sozialen Netzwerks funktioniert, so ist meine Existenz die wahrscheinlich jämmerlichste, die es gibt. Wahrscheinlich ist „Lebewesen“ sowieso die falsche Terminologie um mich zu beschreiben... die Menschen, mit denen ich zu tun habe, haben mich noch nie derartig bezeichnet. Objekt, Experiment, Meisterwerk... so nennen sie mich. Lebewesen nie. Obwohl sie wissen, dass auch ich ein Bioorganismus wie sie bin, der Emotionen und Schmerzen hat, der lebt, scheinen sie mir jegliches Recht auf ein Leben als Lebewesen abzusprechen. Dabei haben die Menschen mich erschaffen. Man hört, dass man mit den eigenen Kindern stets am besten umgeht. Doch obwohl sie für meine Geburt verantwortlich waren, bin ich in ihren Augen nie mehr als Dreck. Ein Meisterwerk, ein Ergebnis jahrelanger Forschungen, aber doch nie mehr wert als ein Lurchball in der Ecke eines Zimmers. Deswegen haben sie auch keine Skrupel meinen Körper und meine Psyche zu testen, wie weit ich Strapazen ertrage. Diese Experimente sind vielseitig – Stromschläge, Krankheiten, Hungerkuren, Kämpfe gegen Kreaturen, die zu meiner Überspezies gehörten, aber mir nicht einmal ansatzweise ähnlich, Operationen bei vollem Bewusstsein, Drogen, Isolation. Ich überlebte alles. Und jedes Mal danach führen sie mich der Öffentlichkeit vor, meinen, wie stolz sie doch auf ihre Schöpfung seien, da sie so viel erträgt. Doch sie sind nicht stolz auf mich, die Menschen waren stolz auf sich, weil sie eine Kreatur erschaffen hatten, die dies alles ertragen kann. Dass ich der Leidtragende bin, ist egal, schließlich bin ich doch nur ein Experiment, ein Meisterwerk. Ich konnte mich nicht wehren, doch taub war ich während der Folterstunden nie. Sie redeten ständig über mich. Zwar sagten sie immer, wie faszinierend mein strapazierbarer Körper und Geist sei, doch die Wortwahl drückte die Abscheu und Ekel aus. Nicht selten nannten sie mich eine niedere, wertlose Kreatur. Bloß ein Wesen, das sie erschaffen hatten. Ein Experiment. Ein Meisterwerk. Ein Sklave. Dass ich mich selbst nicht als niedere Lebensform akzeptiere, liegt an meinem Wissen darüber, dass ich der Kreatur Mensch psychisch und physisch weit überlegen bin. Deswegen haben sie auch Angst vor mir. In den meisten Stunden meines armseligen Lebens bin ich an eine Maschine gebunden, welche die Hirnzonen unterdrücken, dank denen ich Gegenstände durch die Luft schleudern, Kraftfelder aufbauen, mich zu Wehr setzen kann. Und sie haben zurecht Angst. Wären nicht diese Drähte in meinem Körper, so würde ich sie alle töten. Stets plane ich, wie ich mich von dieser Gerätschaft befreien kann – doch noch habe ich keine Möglichkeit gefunden. Lieber verbringe ich meine Zeit damit, sie zu hassen. Mein Schlafplatz ist eine Glassäule, die mit einer Flüssigkeit gefüllt ist, die meinem Körper regeneriert. Schmerzen, dank der Apparate, an die ich verbunden bin, lassen mich meistens jedoch nicht schlafen. Und so verbringe ich die Nächte den Schlaf stellend und hasse diese widerlichen Menschen, die mir diesen miserablen Lebenszweck auferlegt haben. Bis ich unerwartet Besuch von einer anderen Lebensform bekam. Ich öffnete die Augen – es war erst ein Schock diese rosa-farbene Frau zu sehen, welche dieselbe Aura ausstrahlte, wie ich, wenn ich für wenige Sekunden von den Maschinen getrennt war. Sie war mir nicht nur ähnlich, sie war wie ich. Doch ich tat das einzige, was ich kann: Hassen. Denn so ähnlich sie mir auch war, so verschieden war sie. Ich hasste diese quietschbunte Kreatur für ihre Augen, in denen ich das sah, was meinen bisher immer verwehrt wurde: eine Welt außerhalb dieser Mauern. Ich sah ein Leben unter Leuten, die sie nicht als bloßes Objekt sahen, das man foltern kann, soweit es der Körper erträgt. Ich hasste dieses Weib für ihr Leben ohne Fesseln, die ihre Kraft unterdrücken, für ein Leben, das sie selbst bestimmen kann. Ich hasste sie für ihren unversehrten Körper, der keine Narben hatte und keine Spuren von Folter aufwies. Es überkam mich der Drang aus meinem Gefängnis auszubrechen und dieses widerliche Subjekt dafür zu strafen, dass sie das hat, was mir ewig verwehrt bleiben wird. Doch die Kabel hielten mich davon ab, unterbanden meine Kräfte. So sehr ich sie auch hasste, so wusste ich auch, dass sie eine Chance war aus diesem schrecklichen Ort zu entkommen. Und so betete ich, dass sie trotz der Maschinen meine Gedanken hören konnte – Hol mich hier raus. Nein, sie hörte mich nicht, denn sie starrte mich weiterhin nur an. Hol mich hier raus... Ich zweifelte an der Intelligenz dieser Kreatur. War sie so weltfremd, dass sie nicht erahnen kann, welches Leid ich in diesem Labor ertragen muss und diese Gefangenschaft eine Zumutung ist? Geht ihr Verstand nicht so weit, zu verstehen, dass es rechtens ist, mir die Freiheit zu schenken? Dass meine Lage untragbar für jeden ist? Hol mich hier raus... Anscheinend war sie so dämlich. Sie verschwand einfach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)