Gijinka von Shub_Niggurath ================================================================================ Kapitel 5: Breaking The Habit II -------------------------------- Der Steinbruch ist doch ein Witz... Als Stadt, die der sozialen Ordnung dient, wie diese dämlichen Konstrukte der Menschen, getarnt, handelt es sich eigentlich um eine Diktatur, um die innersten Triebe zu unterdrücken. Doch wie verrückte proklamieren die Regenten, die Stahlkönige, seit Generationen, dass unser System der Leistung und Gegenleistung dem Friedenserhalt und der Freiheit diene. Doch eine Leistung als einziger Weg Essen zu bekommen? Erst ein wirtschaftlicher Zweck, ehe man eine Familie gründen darf? Nur bei verständlichen Hintergründen, die irgendein Bürokrat absegnet, darf man kämpfen? Keine gerechtfertigte Verteidigung? Was dringend gebraucht wird darf man sich nicht nehmen, und wird bestraft, wenn man die Herausgabe sich erzwingt? In meinen Augen klingt das nicht nach Freiheit. Er recht machen solche Prinzipien konfliktanfälliger. Ob diese Ordnung jemals im Sinne des ersten Stahlkönigs lag? Vermutlich nicht. Wahrscheinlich haben über die tausende Jahre seine Nachkommen sein Manifest so zu Tode interpretiert, dass nun dieses System der Unfreiheit entstanden ist. Ich bin mir sicher, die verstorbenen Herrscher drehen sich im Grabe um. Schon viele Bürger des Steinbruchs planen Veränderungen des Systems. Und auch ich bin der Meinung, dass diese antiquierte Hierarchie endlich reformiert werden muss. Keine Leistung und Gegenleistung – freies Essen für alle, reguliert durch strikte Zuteilungsregeln. Wer bestohlen, in die irregeführt, missbraucht wird darf den Schädling von selbst bestrafen. Wer herausfordern und kämpfen möchte, was unsere Spezies nun einmal braucht, darf. Freie Partnerwahl, jede Entscheidung muss auf einem selbst beruhen. Der Stahlkönig ist kein Ratgeber mehr, sondern ein Richter, der entscheidet, wenn eine Situation eskaliert. Leider ist der einzige, der dazu berechtigt ist, das System in eine neue Richtung zu bewegen, der Stahlkönig selbst. Doch der amtierende ist alt, es zeigen sich schon Anzeichen von Senilität. Zu verfestigt sind seine verstaubten Vorstellungen vom gerechten Zusammenleben, der lässt sich nicht mehr umstimmen. Eine Veränderung liegt allein in der Hand des Erben. Mein Name ist JET und ich bin einer von ihnen. Und vermutlich der, der eine größere Chance auf die Nachfolge hat. Zumal es wegen mir nur mehr zwei Konkurrenten gibt – zehn meiner zwölf Geschwister habe ich aus dem Rennen geschmissen, weil ich sie im Kampf vernichtend geschlagen habe. Zwei von ihnen waren älter, einer galt davor als der stärkste der Nachkommen. Doch nachdem ich ihnen diese Niederlage beschert hatte, konnte mein Vater sie nicht mehr ernst nehmen und strich sie aus seinem geistigen Testament. Und so habe ich nur mehr zwei Mitwettberber: Howlith und Beryl. Und diese beiden sind harte Gegner. Denn wir drei sind so geeignet, wie belastet, dass der Stahlkönig an seinem Sterbebett eine schwere Entscheidung treffen müssen wird. Howlith ist von den Geschwistern der, der unserem Vater am ähnlichsten ist. Nicht nur optisch, auch im Wesen sind die beiden so gut wie identisch. Er ist erwachsen, stark, pazifistisch und ein Denker, noch dazu ein Familienmensch. Howlith ist jünger als ich, doch hat er schon eine große Familie und teilte sich freiwillig einer Rolle als Arzt im System zu. Und auch unserem Vater war seine Familie stets am wichtigsten. Des Weiteren ist der Blondschopf kopflastig, einer dieser Personen, die alle Vor- und Nachteile eines Problems abwiegen und schlussendlich die Lösung wählen, welche scheinbar die wenigstens Nachteile mit sich zieht. Entscheidungen aus dem Bauch heraus kennt er nicht. Dies beruht auf dem Bemühen den geringsten Schaden herbeizuführen und kopflastige Leute wie Howlith neigen Bauchentscheidungen als die zu beurteilen, die nur Unzufriedenheit herbeiführen. Konflikte vermeidet er. Kämpfe sowieso. Er hasst nichts mehr als Zwietracht, er ignoriert diese sogar gekonnt. Bis heute bemerkt der Idiot nicht, dass das soziale System im Steinbruch zu keinem Utopia geführt hat, sieht nur Friede und Harmonie und denkt, jeder teilt mit ihm diese Meinung. Und auch er bemerkt nicht, dass Beryl und viele andere ihn nicht ausstehen können. Und das sind die Gründe, warum Howlith nicht zur Regentschaft geeignet ist. Tausend Stunden über die kleinste Entscheidung nachzudenken verursacht Ungeduld. Denn so tugendhaft es ist, immer die beste Lösung finden zu wollen, so muss ein Herrscher auch genügend Spontanität aufweisen, um in Risikomomenten dominant zu bleiben. Aber der gewichtigere Punkt ist: Wie will man eine Ordnung erhalten, wenn man sich weigert Gefahren zu sehen? Konflikte lauern überall, von außen und von innen. Diesen muss man sich stellen. Man wird schwach und angreifbar, wenn man weigert sich zu wehren. Howliths extrem pazifistisches Bemühen würde zum Untergang des glorreichen Steinbruchs führen. Doch auch muss ich mich fragen, warum Howlith überhaupt noch freiwillig im Rennen ist? Als sein erster Sohn geboren wurde, erzählte er mir, er würde für seine Familie auf den Thron verzichten. Doch bis heute hat er die Erklärung nicht abgegeben. Auch ein Grund ihn nicht als Erben einzusetzen – er will gar nicht regieren. Da lob ich mir Beryl, denn die will, noch mehr als ich. Aber da es schon ein Gnadenakt unseres Vaters war, sie in Liste der potenziellen Erben aufzunehmen, bezweifle ich ihre Chancen. Ich achte Beryl am meisten im ganzen Steinbruch. Obwohl sie nie die Stärke erreichen wird, die ich oder Howlith noch vor einigen Jahren hatten, verliert sie nie einen Kampf. Beryl ist eine geniale Taktikerin – sie analysiert die Kämpfe ihres Gegners, erfasst das Muster und plant ihre eigenen Züge so, dass sie stets die Schwäche trifft. Selbst unser Vater konnte nicht gegen sie gewinnen – Beryl ist eine der wenigen, die einen Stahlkönig besiegte. Das war auch der Grund, dass sie um den Titel mitwetteifern darf. Als erste Frau. Doch dank dieser Karriere verständlich. Dennoch sind ihre Chancen auf den Thron gering. Erstens: Beryl kann nicht mehr stärker werden. Denn sie ist krank. Aus unbekannten Gründen wird ihr Körper nie den Druck aushalten, dem andere unserer Gattung standhalten. Ihre Knochen sind fragil und die Felspartien ihres Körpers morsch – niemand anderer blutet so schnell wie Beryl. Sie verliert oft das Bewusstsein und ist meistens müde. Und niemand will einen schwächelnden Herrscher haben. Vater auch nicht. Zweitens: Beryl ist eine Frau. Sie hatte schon Glück überhaupt im Rennen zu sein. Ein Erfolg einer Minderheit pro Generation ist in den Augen meines Vaters genug – den zweiten Schritt, die Herrschaft, muss eine Frau nach ihr machen. Drittens: Beryl ist zu stur, zu verbissen, zu ehrgeizig. Auf mich treffen auch diese Attribute zu, doch kann ich ein gewisses Maß halten. Der Stahlkönig hat dies immer an mir geschätzt – meine Fähigkeit, spontan den Mittelweg zu finden. Plus und Minus und immer sind ausgeglichen. Deswegen war ich lange sein Liebling. Bis ein Ereignis stattfand, welches mir sowohl Punkte für, als auch gegen die Thronnachfolge verschaffte: Ich fand einen Metallmantel. Metallmantel sind Artefakte, die tief in der Erde vergaben sind. Durch sie findet eine körperliche und mentale Transformation statt – wir wachsen, der Körper verformt sich, unsere Haut wird heller, härter, auch unsere Kraft vervielfältigt sich und der Verstand wird extremiert. Da es ein Privileg ist, als Prophezeiung der Götter interpretiert wird, einen Metallmantel zu finden, existiert die Tradition den Königssohn, der diesen Gegenstand fand, den Thron erben zu lassen. Noch bin ich der einzige der Nachkommen, der sich weiterentwickelte. Doch ist diese Tradition nicht wirklich zwingend und mein Vater hat mir klar gemacht, dass er bereit ist sie zu brechen, wenn ich mich nicht zusammenreiße... seit ich den Metallmantel trage, bin ich nämlich etwas irre. Nicht einmal eine Millisekunde brauche ich, um zu wissen, was zu tun ist. Meine Bauchentscheidungen sind keine Gefühlsausdrücke mehr, sondern Ergebnisse von kürzesten Überlegungen, bei denen sich alle Aspekte sich vor mir ordnen sehe – mein Bauch wählt schließlich die Lösung, die ihm am Besten gefällt. Zwar erinnere ich mich nie an diese Gedankengänge, doch ich kenne den Vorgang nun zu gut, um nicht mehr zu vermuten, dass sie fremdgesteuert sind, sondern alles auf meinem freien Willen basiert. So sind meine Entscheidungen nie mehr als Ergebnisse des perfekten Zusammenspiels von Emotionalität und Logik. Doch bin ich einer dieser Wesen, die Konflikte nicht scheuen, sogar suchen. Ich greife an, ehe ich angegriffen werde. Mit aller Kraft, meistens frontal, aber auch in den Rücken. Sodass mir eben das Beste beschert werden wird. Ich war schon immer breit Gewalt einzusetzen, doch nun zögere ich nicht mehr. Was ich will nehme ich mir. Weil ich seit meiner Entwicklung immer weiß, dass ich das Recht darauf habe. Deswegen wirke ich, wie ein brutaler, perverser Rüpel. Wahrscheinlich entspricht dies auch der Wahrheit, doch man muss sich vor Augen halten, dass ich stets nachdenke. Und dass ich nicht den Thron des Machtmissbrauchs und der Gewaltanwendung wegen will– ich habe erkannt, dass unser System verhasst ist, dass ich es hasse, und dass es verändert werden muss. Mein Name ist Jet und ich bin ein potentieller Stahlkönig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)