Digimon Destiny von Kiripurin (season 6) ================================================================================ Kapitel 52: Schluss mit den Lügen --------------------------------- Alice hatte beschlossen, dass sie das mit Ryan und onetimegirl endlichen regeln musste. Nachdem sie gestern bis Mittag geschlafen hatte, hatte sie sich den Rest des Tages Zeit genommen um nachzudenken. Ihr Freund hatte sie zwar gefragt, ob sie etwas mit ihm machen wollte, sie hatte aber abgelehnt. Einerseits weil sie wusste, worauf genau er Lust gehabt hatte, andererseits weil sie wirklich Nachdenken hatte müssen und da wäre es nicht sehr sinnvoll gewesen, wenn Ryan bei ihr gewesen wäre. Außerdem sollte er nicht mitbekommen, dass sie wütend auf ihn war, zumindest gestern noch nicht. Heute sah alles anders aus. Damit er ihr nicht ausweichen und davonlaufen konnte, wollte sie sich mit ihm bei sich zu Hause treffen. Rico war bei Nayuta, wo sich ihre Mutter befand wusste sie nicht und ihr Vater war soundso seit Weihnachten noch nicht heim gekommen. Wenn sie so darüber nachdachte, stand die Wohnung eigentlich ziemlich oft leer … Das Mädchen hatte die Konversation mit Ryan schon hundertmal im Kopf durchgespielt und all seine möglichen Antworten in Betracht gezogen. Genau genommen war es gar nicht möglich, dass er sie mit seinen Worten überraschte. Sie hatte alles durchdacht, vom Anfang bis zum Schluss, wobei sie festgestellt hatte, dass der Start das schwierigste war. Das war ihr einziges Problem … Sie hatte sich noch nicht für den perfekten Beginn entscheiden können, aber sie würde dann schon sehen, wie sich das Thema am besten anschneiden ließ, wenn es soweit war. Naokimon hatte sie schon in ihr D-Maak gesperrt, welches auf ihrem Bett lag. Von dort aus bekam es die Diskussion von ihnen nicht so sehr mit, denn das wollte sie dem Digimon auf jeden Fall ersparen. Dann läutete es auch schon an der Tür. Alice erschrak etwas, als sie das schrille Geräusch der Glocke hörte. Es war so leise gewesen, dass sie das für gewöhnlich nicht störende Klingeln als besonders laut empfand. Sie atmete einmal tief ein und aus und sprach sich anschließend gut zu. Schnell huschte sie zur Tür, um ihrem Gast aufzumachen. Zu ihrer Überraschung war Ryan sogar überpünktlich. „Du bist schon da?“, fragte sie überrascht, woraufhin er ihr gleich einen Kuss auf die Wange als Begrüßung gab. „Ja, ich hatte nichts zu tun“, antwortete er ihr und trat in die Wohnung ein. Er entledigte sich seiner Jacke und seiner Schuhe und marschierte anschließend gleich ins Wohnzimmer. Alice ging ihm nach, hatte aber irgendwie das Gefühl, dass etwas an seinem Verhalten heute komisch war. Langsam setzte sich das Mädchen auf einen Wohnzimmersessel, da Ryan auf der Couch Platz genommen hatte und sie beim Besprechen dieses Themas nicht neben ihm sitzen wollte. Eine Weile schwiegen beide, bis sie plötzlich gleichzeitig zum Reden anfangen wollten. „Ich wollte mit dir über etwas Wichtiges reden“, meinte Alice, noch bevor Ryan neu ansetzen konnte. „Ich ironischer weise auch mit dir“, entgegnete er ihr, woraufhin er verwirrt von dem Mädchen angesehen wurde, „Darf ich zuerst?“ Alice überlegte kurz. Was musste er ihr wohl so Dringendes sagen, das es nicht warten konnte? Sie konnte nicht leugnen, dass er sie neugierig gemacht hatte. „Nur zu“, erwiderte sie also, während ihr Herz auf einmal schneller zur schlagen begann. „Ich red nicht lang drum rum, ich bring’s gleich auf den Punkt“, erklärte er und blickte sie dabei ernst an, „Ich hab mich vor einiger Zeit bei so eine Chat angemeldet, rein spaßhalber. Ich dachte es wäre unterhaltsam mit einigen Mädchen zu schreiben und auch ein paar von ihnen zu veraschen.“ Gespannt lauschte Alice seinen Worten. Sie war durcheinander, weil er auf einmal anfing, das Thema von sich aus anzusprechen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Aber sie würde ja sehen, wohin das führte und wie weit er von onetimegirl erzählen würde. „Irgendwann lernte ich aber onetimegirl kennen. Anfangs wollte ich auch bei ihr ausprobieren, wie lange es dauern würde, bis ich sie um den Finger gewickelt habe, doch zu meiner Verwunderung war sie anders als die anderen. Ich kann’s nicht genau erklären, was genau es an ihr war, dass mich reizte, immerhin schrieben wir nur miteinander, aber sie schien mich zu verstehen.“ „Okay, du schreibst mit einem anderen Mädchen, find ich jetzt zwar nicht so toll, aber davon geht die Welt nicht unter“, stellte sie sich unwissend. „Die Geschichte geht ja auch noch weiter“, bemerkte er ohne viel Emotion, „Ich schreibe schon seit ein paar Monaten mit ihr und es hat sich irgendwie angeboten, dass ich ihr alles erzähle, was ich sonst niemanden oder nur sehr wenigen Personen erzählen würde. Egal was war, nachdem ich mit onetimegirl geschrieben hatte, ging es mir immer besser. Es tut mir leid, dass ich nicht schon früher von ihr erzählt habe, aber ich wusste, dass du dich aufregen würdest und das wollte ich uns beiden eigentlich ersparen.“ „Dann hör auf mit ihr zu schreiben und die Sache hat sich erledigt“, machte Alice ihren Standpunkt klar. „Nein, das mach ich nicht“, gab er ohne darüber nachzudenken zurück. „Bitte?“ „Sie ist mir viel zu wichtig, als dass ich sie einfach so aufgeben würde, ich mag sie viel zu sehr.“ „Aber sie ist nicht einmal real, woher willst du wissen, dass sie dich nicht auch verarscht?“, fragte sie geschockt. „Ich glaube nicht, dass sie das tut. Und wenn doch, bin ich selbst Schuld, aber ich weiß, dass ich das mit ihr nicht einfach so beenden werde. Wenn dir das nicht passt, ist das dein Problem und nicht meins.“ Alice konnte nicht glauben, was er da gerade von sich gab. War das wirklich sein Ernst? War ihm diese SMS-Beziehung ernsthaft wichtiger als seine echte? Der konnte etwas erleben. „Hörst du dir eigentlich selber zu?“, erkundigte sie sich noch immer überrumpelt von dem Verlauf des Gesprächs, „Pass ja auf was du sagst! Wenn du so weiter machst, verlierst du nämlich uns beide!“ Ryan stand die Verwirrung ins Gesicht geschrieben. Einen Moment war es ganz ruhig im Raum und Alice merkte erst jetzt, was sie da eigentlich gesagt hatte. Scheiße, das war ihr einfach so rausgerutscht. „Was meinst du mit ‚ich verliere beide‘?“ Toll hatte sie das gemacht, echt, das war ja mal wieder eine Glanzleistung von ihr. Wie konnte sie nur so blöd sein? Es war wahr, was sie gesagt hatte, aber es war definitiv zu früh zum Vorschein gekommen. Ihr würde jetzt aber nichts mehr anderes übrig bleiben, als ihm die Wahrheit zu sagen, er würde nicht locker lassen. „Ich bin onetimegirl“, erklärte sie ruhig, woraufhin Ryan kurz auflachte. „Willst du mich jetzt verarschen, oder was?“ „Nein, das ist mein Ernst.“ Als Ryan merkte, wie ernst es ihr war, war er verblüfft. Es dauerte aber nicht lange, bis sich eine brennende Wut in ihm aufbaute. Jetzt verstand er. Jetzt war ihm alles klar. Warum war er eigentlich nicht schon früher darauf gekommen? Er war so ein Idiot. „Und ich hab mich noch gefragt, warum onetimegirl Alice so gut versteht und mir immer die richtigen Ratschläge gibt“, bemerkte er, woraufhin ihm ein kurzer anmaßender Lacher entfuhr, „Seit wann spielst du schon dieses Spielchen, hm? Etwa schon die ganze Zeit über?“ „Nein, ich hab’s erst vor kurzem herausgefunden …“, entgegnete sie, während in ihr Schuldgefühle aufkamen. „Ah, ich weiß schon. Ich hab eh einmal gemerkt, dass onetimegirl irgendwie seltsam ist, das war so um die Weihnachtszeit, hab ich Recht?“, fragte er noch immer mit diesem seltsamen ironischen Ton in seiner Stimme. „Ja, zu der Zeit hab ich es herausgefunden, eigentlich ziemlich genau zu Weihnachten.“ „Ich fasse es nicht … Du hast das ernsthaft einfach ausgenutzt. Und dann beharrt onetimegirl … beharrst du, ach, was weiß ich, darauf, dass wir unsere wirklichen Identitäten nie kennen sollten.“ „Ich weiß, ich hätte was sagen müssen.“ „Und du regst dich auch noch auf, dass ich mit onetimegirl schreibe, obwohl du dasselbe machst.“ „Ich war ja nicht so verknallt in blackunfaithfulangel“, verteidigte sie sich, aber mit leiser Stimme. „Und du glaubst ernsthaft, dass mich das jetzt kümmert?“, erkundigte er sich entsetzt, „Ich bin echt … nein, weißt du was? Herzlichen Glückwunsch, du hast es echt geschafft, dich noch mehr daneben zu benehmen, als es ich immer tue und das will mal was heißen. Ich hab dir, nein ich hab onetimegirl wirklich vertraut und du nutzt das einfach so aus. Gott, was ich ihr alles erzählt habe … Ich hab mich zwar auch immer aufgeführt wie ein Arsch, aber so hintergangen hab ich nie jemanden.“ „Ryan, ich …“ „Nein, vergiss es, ich will nichts mehr von deinen Lügen hören“, unterbrach er sie und erhob sich anschließend von der Couch, „Du bist zu weit gegangen, Alice.“ „Ganz ehrlich, Ryan“, erwiderte sie und stand ebenfalls auf, „Hättest du es mir gesagt, wenn du zuerst herausgefunden hättest, dass ich onetimegirl bin? Glaubst du das wirklich?“ „Ja, das hätte ich und weißt du auch wieso?“ „Sag’s mir“, gab sie herausfordernd zurück, weil sie nicht erwartete, dass er eine passende Antwort hatte. „Weil ich echt froh gewesen wäre, wenn ich gewusst hätte, dass onetimegirl wirklich eine Person in meiner Nähe ist. Aber jetzt muss ich verstehen, dass onetimegirl gar nicht existiert.“ „Aber ich bin doch sie! Alles, was sie dir geschrieben hat, war ich!“ „Nein, du bist Alice, du hast dich nur hinter onetimegirl versteckt und dich als eine Person ausgegeben, die du nicht bist“, erklärte er und machte sich auf den Weg zur Eingangstür. „Wer sagt, dass ich nicht in Wirklichkeit so bin?“, fragte sie, während sie ihm nachging. „Das merkt man doch“, gab er nur knapp zurück. Alice blieb drei Meter weg von ihm stehen und wusste nicht mehr, was sie sagen sollte. Sie sah ihm einfach dabei zu, wie er hastig in seine Schuhe schlüpfte uns sich seinen Mantel anzog. Dann verschwand er wortlos aus der Wohnung. „Yurioka, kommen Sie“, meinte ein Polizeibeamter, der Ricos Gefängnistür öffnete. Der Junge sah auf und erhob sich anschließend von der unbequemen Bank, auf der er gesessen hatte. Er steckte die Hände in die Hosentasche und schlenderte ohne Hast aus der Zelle raus. „Ihr Vater hat die Kaution bezahlt“, fügte der Polizist hinzu, während er die Tür hinter Rico wieder schloss. „Mein Vater?“, fragte er skeptisch, aber eher an sich gerichtet, „Ist er also wieder hier …“ „Ich bin als Vertretung ihres Vaters hier“, meldete sich plötzlich ein Mann zu Wort, dessen Stimme er schon oft genug gehört hatte. Es handelte sich um Saburo Koi, der Anwalt von Ricos Vater. Als ihn der Junge erblickte, ging er aber nur ohne zu grüßen an ihm vorbei. Ja, er kannte ihn gut, dass war nicht das erste Mal, dass er von ihm aus dem Gefängnis geholt wurde. „Hätte mich gewundert, wenn er sich selbst die Finger schmutzig gemacht hätte“, bemerkte Rico, woraufhin ihm Herr Koi hinterherlief. „Sie müssen Ihren Vater entschuldigen, er ist erst vor kurzem wieder in der Stadt eingetroffen“, verteidigte er ihn aufgebracht, „Als er erfahren hat, dass Sie aufgrund körperlicher Gewalt im Gefängnis sitzen, hat er mich sofort verständigt, um mich um die Angelegenheit zu kümmern.“ „Das glaub ich Ihnen, es wäre ja inakzeptabel gewesen, wenn irgendwer herausgefunden hätte, dass ich hier bin.“ „Jetzt vor den Wahlen sieht Herr Yurioka das gar nicht gerne.“ „Ich wünschte ich könnte sagen, ich hätte absichtlich eine Schlägerei angezettelt“, murmelte der Junge. „Wie bitte?“ „Ach nichts“, gab er nur zurück und schwieg dann die restliche Zeit. Hime saß in ihrem Zimmer. Sie hatte viel über ihr Gespräch mit Shunichi nachgedacht, jedoch trug das nicht dazu bei, dass sie sich mehr mit seiner Idee anfreunden konnte. Ihr war klar, dass es keine perfekte Lösung gab und dass sie dem bereits zugestimmt hatte, jedoch hatte sie immer noch ihre Zweifel. Würde sie Shunichi nicht so gut kennen und mögen, wäre ihr das viel zu riskant gewesen. Aber sie vertraute ihm nun mal, dass er ihr nicht das Herz brechen würde. Hoffentlich mutete sie ihm da nicht zu viel zu. „Na, in Gedanken?“ Das Mädchen schreckte auf und wandte sich sofort zum Fenster, von wo die tiefe Stimme her kam. Chris war da. Ihr Herz schlug vor Aufregung viel zu schnell und sie wich unbemerkt zurück. Er lehnte lässig gegen das Fensterbrett, wobei seine Flügel fast keinen Platz hatten. Sie ragten fast ganz hinauf bis zur Zimmerdecke. Das D-Hue hatte ein freches Grinsen im Gesicht und die Arme verschränkt. Fikadamon stellte sich sofort schützend vor Hime. „Oh tut mir leid, dir fällt es sicher einfacher, in meiner anderen Gestalt mit mir zu reden“, meinte er, woraufhin er seine menschliche Form annahm. In der Tat fiel es dem Mädchen wirklich leichter, wenn sie einen Menschen vor sich hatte und nicht eine unheimliche Gestalt mit monströsen schwarzen Flügeln. Sie machte einen tiefen Atemzug und sie spürte, wie sich ihr Herz langsam wieder beruhigte. „Zumindest ein bisschen“, entgegnete sie nach einer Weile. „Ach komm schon, ich hab dir doch gesagt, dass ich dir nichts tun werde, ich will mich heute nur mit dir unterhalten“, erklärte er locker. „Worüber willst du dich unterhalten?“, fragte sie leise. „Hm … weiß nicht, über dies und das …“, gab er zurück, während er mit den Blättern von Himes Topfpflanze spielte, „Mir war langweilig und ich dachte mir, du unterhältst mich sicher gerne.“ „Mir bleibt ja nichts anderes übrig.“ „Da hast du auch wieder Recht“, stimmte er ihr zu. Plötzlich verschwand Chris und Hime brauchte eine Weile, bis sie ihn neben der Tür wiederfand. Zuerst fragte sie sich, was er hatte, dann hörte sie aber ihre Mutter an die Tür klopfen. „Mit wem unterhältst du dich denn da, Hime?“, erkundigte sie sich verwirrt. Hime wollte schon ansetzen, um etwas zu sagen, doch dann beobachtete sie, wie sich Chris‘ Hand zurück in die D-Hue-Gestalt, also mit langen spitzen Krallen, transformierte. Er würde sie umbringen, wenn sie hereinkommen würde oder Hime irgendetwas Falsches sagen würde. „Ich telefoniere mit Shunichi!“, entgegnete sie laut und deutlich, kniff dabei aber die Augen zusammen, aus Angst, sie würde ihr nicht glauben, „Über Freisprecher.“ „Warum gehst du nicht einfach zu ihm hinüber, wenn du etwas von ihm brauchst?“, ließ ihre Mutter nicht locker. „Du hast Recht, mach ich beim nächsten Mal.“ Kurz darauf hörte sie schon wieder Schritte, aber diesmal bewegten sie sich zum Glück von ihrem Zimmer weg. Ihre Mutter ging nach unten. „Da hast du ja noch mal Glück gehabt“, bemerkte Chris grinsend, woraufhin seine Hand wieder menschlich wurde. „Hättest du sie etwa umgebracht?“, erkundigte sich Hime ruhig. „Hm … wahrscheinlich“, antwortete er ihr lächelnd, „Sag mal, das mit dir und deinem Sandkastenfreund, was ist das?“ „Warum fragst du mich sowas?“ „Ich will mich mit dir unterhalten, vergessen?“, gab er zurück und platzierte sich anschließend neben sie aufs Bett. „Ich weiß nicht, was da ist.“ „Hör ich da Traurigkeit mitschwingen?“ „Nein, ich bin nicht traurig.“ „Ach komm schon, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, ich will mehr wissen“, meinte er, woraufhin ihn Hime eine Zeit lang nur ansah. Rico ging nach seinem Gefängnisaufenthalt gleich nach Hause. Es war bereits Abend, er hatte aber keine Ahnung, wie lange er im Knast gesessen hatte. Er war sich ziemlich sicher, was beziehungsweise wer ihn in der Wohnung begegnen würde, aber er wollte ohnehin mit seinem Vater reden. Als er die Eingangstür öffnete, kam ihm sofort ein Essensgeruch entgegen. Das konnte nur heißen, dass er mit seinem Vater nicht alleine sein würde. Also schraubte er seine Wut etwas hinunter und machte noch einmal einen tiefen Atemzug bevor er ins Esszimmer trat. „Rico, da bist du ja“, meinte seine Mutter mit gestellter Freundlichkeit, als sie ihn erblickte, „Rechtzeitig zum Abendessen.“ Der Junge betrachtete die aufgetischten Speisen. Obwohl seine Mutter gerade einen Topf in die Mitte des Tisches stellte, war er sich sicher, dass nicht sie allein gekocht hatte, sondern dass Alice für das meiste hier verantwortlich war. Die saß nur ruhig auf ihrem Sessel und starrte angespannt auf ihr Glas Wasser. „Dein Vater ist auch endlich wieder hier“, sprach sie dann weiter, woraufhin sie sich ebenfalls auf einen Sessel gesetzt hatte. Ricos Blick wanderte nun zu seinem Vater, welcher ihn mit ausdrucksloser Miene und verschränkten Armen ansah. Verlangten sie tatsächlich, dass er sich an diesen Tisch setzen und mit ihnen essen würde, als wäre nichts passiert? Seine Hände ballten sich zu Fäusten und er hatte Mühe, dass er nicht auf irgendetwas einschlug. „Ist das euer Ernst?“, fragte er mit wütendem Blick, „Ich komm gerade aus dem Gefängnis und ihr tut so, als wäre nichts gewesen?“ „Rico, das besprechen wir ein andermal“, gab sein Vater zurück, ließ sich von Ricos aufgebrachter Art aber nicht aus der Ruhe bringen. „Was?“, erkundigte sich Alice verwirrt, „Wieso Gefängnis?“ „Hätte mich ja gewundert, wenn sie es dir erzählt hätten“, erwiderte Rico, als er sich gegen die Lehne des freien Sessels stemmte. „Rico, setz dich hin“, wurde er von seinem Vater aufgefordert. „Wozu? Damit ich so tue, als ob ich euch alle mögen würde, obwohl ich eigentlich kotzen könnte? Euer Getue geht mich schon so an.“ „Setz dich auf den verdammten Stuhl!“, wiederholte sein Vater seine Aufforderung nun etwas lauter. Der Junge starrte den Mann ein paar Sekunden wütend an, zog dann aber den Sessel nach hinten, um Platz nehmen zu können. Währenddessen hatte er seinen Vater aber nicht aus den Augen gelassen. Nun saß auch er mit verschränkten Armen da. „Jetzt hör mal zu, Rico“, begann sein Vater wieder zu sprechen, während Frau Yurioka und Alice still und sichtlich unwohl einfach nur daneben saßen, „Du kannst dich glücklich schätzen, dass du einen Vater hast, der dich aus jedem Mist, den du baust, rausholt. Glaub mir, andere würden dich im Gefängnis oder sonst wo versauern lassen. Ich erwarte mir also ein bisschen Dankbarkeit deinerseits.“ „Warum holst du mich denn immer wieder raus? Ich glaube nicht, dass du das tust, weil dir so viel an mir liegt“, gab Rico zurück, „Das muss alles schnell und unscheinbar ablaufen, damit ja niemand mitbekommt, dass dein Sohn schon wieder etwas angestellt hat. Das würde ja nur deinem Ruf schaden und das kannst du vor allem jetzt nicht gebrauchen.“ „Pass auf was du sagst“, drohte ihm sein Vater und stützte sich nun mit seinen Händen an den Armlehnen ab, „Wirf mir weiterhin so viele Dinge an den Kopf und ich hol dich das nächste Mal nicht mehr heraus, ist es das was du willst?“ „Ja, okay, ich kann damit leben“, entgegnete Rico schulternzuckend und erhob sich anschließend wieder von seinem Sessel. „Bleib ja sitzen, Junge, wir sind noch nicht fertig!“ „Ach ja? Ich finde schon.“ Rico wollte sich schon umdrehen und gehen, doch zur gleichen Zeit erhob sich auch sein Vater und rammte währenddessen das Fleischmesser in den Tisch. Das brachte den Jungen dazu, stillzustehen und sich nicht weiter vom Tisch wegzubewegen. Alice und ihre Mutter zuckten zusammen, sagten aber weiterhin kein Wort. „Was ist mit deinen Noten?“, fragte der Mann gereizt, „Glaubst du etwa wirklich, dass mir entgangen ist, wie schlecht dein Zeugnis für dieses Trimester aussieht?“ Rico sagte nichts, er blickte ihn nur finster an. Was wollte er mit den beschissenen Noten? Glaubte er ernsthaft, dass das jetzt irgendwen interessierte? „Wie wär’s wenn du dich mal mehr anstrengen würdest, anstatt dich bei mir zu beschweren? Ich glaube, du weißt das überhaupt nicht zu schätzen, was ich alles für euch getan habe“, fuhr er fort, nahm sein Glas in die Hand und schmiss es achtlos zu Boden, „Du brauchst mehr Aufgaben, damit du nicht soviel Blödsinn anstellen kannst.“ „Dai, lass es gut sein“, mischte sich nun seine Mutter ein, ohne aufzusehen. „Nein, ich lass nichts gut sein, bevor ich nicht meinen unfähigen Kindern eine Lektion erteilt habe“, erklärte er, woraufhin er sich nun auch an Alice wandte, „Und ja, du hast richtig gehört, du bist kein Deut besser.“ „Beruhig dich doch“, versuchte es seine Frau weiterhin, sah ihn jetzt aber an. „Ich schreie, wann ich will und von dir lass ich mir schon gar nichts sagen. Das ist mein Haus, ich kann machen was ich will!“, erwiderte er und wischte mit seinem Arm einmal über den Tisch, sodass das ganze Geschirr in Reichweite zu Boden fiel und teilweise zerbrach. Als seine Frau die Unordnung von Scherben und Essensresten am Boden sah, konnte sie nicht anders als sich hinzuknien, um mit einem Fetzen, der in greifbarer Nähe lag, alles auf einen Haufen zu wischen. Herr Yurioka betrachtete sie nur mit abwertendem Blick. Noch bevor er irgendetwas machen konnte, stand Rico vor ihm, welcher ihn mit einem Schlag in die Magengrube zu Boden gehen lassen wollte. Doch der Mann schaffte es noch rechtzeitig den Angriff abzuwehren und griff sich gleich das Messer, das er zuvor in den Tisch gerammt hatte. Er fuchtelte wild um sich und Rico wich einen Schritt zurück, weil er Angst hatte, getroffen zu werden. Einmal traf er ihn aber, sodass er ihn eine Schnittwunde an der Wange verpassen konnte. „Stopp jetzt“, schrie plötzlich Alice, woraufhin alle inne hielten und den Kopf zu ihr drehten. Das Mädchen hatte ein Handy in der Hand und streckte es ihrem Vater entgegen. Auf dem Display konnte man die Nummer der Polizei erkennen. „Wenn ihr euch jetzt nicht bald zusammenreißt, ruf ich die Polizei!“, drohte sie und führte das Gerät langsam zu ihrem Ohr. „Das traust du dich nicht“, entgegnete ihr Vater, ließ aber den Arm mit dem Messer sinken. „Denkst du, ja?“, fragte sie während sie irgendetwas drückte und das Handy nun an ihrem Ohr lag, „Alles ist besser als das hier.“ „Nein, Alice, halt!“, meinte Herr Yurioka plötzlich aufgebracht, woraufhin sie das Gerät wieder wegnahm, „Ich hör ja schon auf.“ „Dann verschwinde“, forderte sie ihn aus traurigen Augen aus auf. Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Der Mann stapfte schnell ins Vorzimmer, zog sich seine Sachen an und verschwand kurz darauf ohne noch ein Wort zu sagen durch die Tür. Kaum war er aus der Wohnung verschwunden, lief Alice zu ihrem Bruder und umarmte ihn von hinten. Ihre Mutter machte einfach wieder weiter, wo sie aufgehört hatte. Ein paar Stunden später - es war also schon spät in der Nacht – tauchte dann ein Digimon auf, wieder einmal beim Fernsehturm. Doch diesmal erschienen nicht alle Digi-Ritter zum Kampf. Ryan ließ sich entschuldigen und Rico und Alice ebenso. „Hoffentlich haben wir Glück und wir haben’s nur mit einem Champion-Digimon zu tun“, bemerkte Shunichi, während er sich suchend nach dem Feind umsah. „Ja und kein D-Hue … aber weißt du, was jetzt blöd ist?“, entgegnete ihm Hime und tat es ihm gleich, „Wenn Alice nicht hier ist, wissen wir nicht, ob hier ein Lapidra ist oder nicht.“ „Hat sie dir irgendetwas gesagt, was mit ihr ist?“ „Nein, sie hat nur gemeint, dass es ihr wirklich leid tut.“ „Egal, dann müssen wir hier eben noch einmal hin“, bemerkte Honoka, die aber auch traurig darüber war, dass Rico nicht hier war. „Ich spüre es“, meinte plötzlich Metalltakomon, woraufhin eine kleine Explosion am Boden des Fernsehturms folgte. Aus der Rauchwolke kam ein Digimon auf sie zugeschossen. Nayuta holte sofort sein D-Maak heraus, um seine Daten zu scannen. Die Partner-Digimon, die bereits alle aufs Champion-Level digitiert waren, stürmten inzwischen dem Gegner entgegen. „Wir haben Glück“, bemerkte der Junge dann erleichtert, „Togemon ist nur auf dem Champion-Level.“ Auf einmal spürte Nayuta, wie ihm jemand auf die Schulter tippte. Verwirrt sah er zuerst auf, da sich alle Digi-Ritter und Digimon in seinem Blickfeld befanden. Wer oder was war das bloß? Sein Gesicht wurde ganz weiß und er schluckte, wagte es aber, seinen Kopf zur Seite zu drehen, um nach hinten zu sehen. Er sah in das Gesicht eines hübschen weiblichen Digimons, welches ihn niedlich anlächelte. Sein D-Maak registrierte das zweite fremde digitale Wesen ebenfalls und zeigte schon die neuen Daten an. Der Junge war aber zu perplex, als das er sich bewegt hätte. Zum Glück kam ihm aber Mastimon mit seiner Aufladungs-Attacke zur Hilfe, sodass sich das böse Digimon von dem Digi-Ritter entfernen musste. Das nutzte er gleich, um auch die nächsten Informationen zu lesen. „Das zweite Digimon heißt Kazemon und ist ebenfalls nur auf dem Champion-Level!“ „Wir haben’s ja schon lange nicht mehr mit zwei Digimon gleichzeitig zu tun gehabt“, bemerkte Hime etwas besorgt. „Hast du vergessen, dass wir trainiert haben?“, erkundigte sich Honoka, während sie ihre Handknöchel knacksen ließ, „Das schaffen wir schon.“ Ryan und Alice sind endlich aneinander gekracht! Mal schauen wie sich ihre Beziehung weiter entwickeln wird =P Und jetzt kommt mal wieder ein Digimon-Kampf ^^ Kiripurin Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)