Spuren von Mebell ================================================================================ Kapitel 1: Spuren I ------------------- Verträumt beobachtet Bela seinen Gegenüber, das sich die letzten Reste ihres Abendessens aus den Mundwinkeln wischt. Wie sehr er es mag, wenn die Konturen des Gitarristen vom Kerzenschein sanft beleuchtet werden und das seichte Licht nicht alles zeigt. Selbst die Bewegung beim Zusammenknüllen der Serviette wirkt auf Bela gerade wie eine Geste, die nur vor Anmut strotzt. Ein leises Seufzen huscht über seine Lippen, unwillkürlich lächelt der Schlagzeuger. „Ich muss dir noch was erzählen“ Innerhalb von Sekunden zerplatzt Belas aktuelle Traumwelt wie eine Seifenblase. Durch die vergangenen Jahre hat er gelernt, diesen Ausspruch abgrundtief zu hassen. Gleich würde Farin mit seinen Lippen immer wieder diesen Namen formen, diesen Ausdruck im Gesicht bekommen und in dieser ganz speziellen Tonlage sprechen. Er kannte es zur Genüge. Als Rodrigo González in das Projekt die Ärzte einstieg, war die Welt des Schlagzeugers noch in bester Ordnung. Doch mit der Zeit wurde diese Welt langsam, aber sicher dem Erdboden gleich gemacht. Über ihre gemeinsamen Jahre entwickelte Farin von Tag zu Tag mehr tiefer gehende Gefühle für ihren Bassisten. Als in irgendeiner Nacht Bela nach einer Sturmklingelattacke vor Farin stand, sah er sich mit seinem eigenen Ebenbild konfrontiert. Wenn er Liebeskummer hatte und über den Durst trank, glich er seinem Freund vor ihm. Wenn man den Alkohol strich, war die Lage somit treffend beschrieben. Natürlich hörte Bela immer zu, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Lauschte den Klängen eines unglücklich Verliebten, nickte an den Stellen, wo er nicken sollte und gab liebevolle Ratschläge. Kurz: Er erfüllte die Pflicht eines besten Freundes im vollen Umfang. Jedoch wurde sich nicht nur Farin in dieser Zeit seinen Gefühlen gegenüber einer gewissen Person bewusster den je. All das, was er durchlebte, durchlebte Bela ebenso. Tief in ihm hatte der Wunsch nach dieser Person schon lange geschlummert, doch erst Rodrigo ließ ihn endgültig aufblühen. Der lautlose, unsichtbare Konkurrenzkampf gedieh. Bei jeder Gelegenheit umarmte der Schlagzeuger den Blonden inniger als sonst, küsste ihn ganz bewusst „aus Spaß“ wenn er betrunken war oder versuchte sich an tiefschürfenden Blicken. Keine seiner sehr offensichtlichen Versuche fruchtete. Farin hatte die rosarote Brille eines Verliebten auf und nur Augen für Rod, Rod und Rod. In seiner Resignation wünschte Bela sich oft jemanden, der ihm genauso zuhörte, wie er seinem Freund. Doch dieser Jemand existierte nicht, deshalb fraß er all seine Wut, seinen Hass und auch seine Liebe in sich hinein. Der Gedanke, der ihn am Leben hielt, war, dass Farin nie den Mumm haben würde, Rodrigo seine Gefühle zu offenbaren. Er ertrug lieber das Gejammer, als dass er irgendwann mit ansehen musste, wie glücklich der Blonde mit jemand Anderem war. Manchmal hasste er sich selbst dafür, dass er seinem besten Freund nicht dieses Glück gönnte. Vielleicht waren es auch oft diese Schuldgefühle, die ihn einfach ruhig Farin lauschen ließen. Damit sein Gewissen wenigstens etwas Ruhe fand. Deshalb hebt Bela auch heute nur leicht den Kopf und fordert auf: „Erzähl.“ „Morgen. Morgen... Bin ich mit Rodrigo verabredet. Ich.. werd ihm sagen, was ich empfinde.“ Einige Sekunden verstreichen, in denen alles still steht, durch Belas Kopf rasen die eben ausgesprochenen Worte. Das letzte schützende Haus in seiner Welt würde morgen in Schutt und Asche liegen, er würde unter den Trümmern begraben werden. Die Frage, wie Rod wohl auf dieses Liebesgeständnis reagiert, stellt sich der Schlagzeuger nicht einmal. Viel zu offensichtlich war die letzte Zeit, manch ein ausgetauschter Blick, eine Geste der beiden hatte ihm einen tiefen Stich versetzt. Das nächste Bild, was sich in den Kopf des Schlagzeugers einnistet, sind Rod und Farin, eng umschlungen, versunken in einem Kuss, in diesem Augenblick die glücklichsten Menschen der Welt. Wie so manch eine Albtraumvorstellung frisst sich das Bild immer tiefer in seine Gedanken, wird immer detaillierter und lebendiger. Als sich dieses Kopfkino auch noch in Bewegung setzt, weckt ihn Farins verunsicherte Stimme glücklicherweise aus dem Albtraum: „Meinst du, es ist nicht der richtige Zeitpunkt? Ich würde gerne deine Meinung haben, bevor...“ Belas Stuhl schabt über die Dielen, als er aufsteht, und unterbricht dadurch das zögerliche Sprechen des Blonden. Langsam und bedächtig bewegt er sich auf Farin zu, ähnelt dabei einer Katze auf der Jagd. Fest umfasst der Schlagzeuger die Handgelenke seines Freundes und zieht ihn von seinem Stuhl zu sich hoch. Verdutzt beobachtet der Blonde die Aktion, unfähig zu handeln. Sicher nur wieder ein infantiler Spaß seines Freundes, er kennt ihn doch. Als er jedoch nur Bruchteile einer Sekunde später regelrecht gegen die Wand geworfen wird und harte, raue und besitzergreifende Lippen auf seinen spürt wird er eines Besseren belehrt. Die reflexartige Handlung folgt sofort, aber Bela reagiert schneller und duckt sich unter der schlagenden Hand hinweg, antwortet mit einem gehässigen Lachen. „Hast du sie noch alle? Du weißt ganz genau, dass ich Rodr...“ Weiter kommt Farin nicht, die ersten Buchstaben des so verhassten Namens haben gereicht. Ein klatschendes Geräusch später ziert ein feuerroter Handabdruck die Wange des Blonden. „Ab jetzt verbiete ich dir, diesen Namen in meiner Gegenwart zu denken, geschweige denn auszusprechen“, in Belas Stimme brodelt Hass und die pure Dominanz. Ein Gefühl von Macht durchebbt ihn, lässt ihn unglaublich einschüchternd und groß wirken. Erschlagen von der Präsenz seines Gegenübers, legt Farin einfach nur langsam seine Hand auf die schmerzende Stelle in seinem Gesicht und starrt auf den Boden. Leise ergreift er das Wort: „Hör sofort auf mit dem Scheiß. Du bist wahnsinnig, Bela...Wahnsinnig vor Eifersucht.“ Kaum ist das letzte Wort verklungen, reißt der Schlagzeuger die Arme seines Opfers mit voller Wucht nach oben, so dass sie hart gegen die Wand schlagen. Schmerzerfüllt keuchend rüttelt Farin erneut an der Vernunft seines Freundes, dieses Mal sanfter: „Verdammt, lass es sein, das tat verdammt weh. Ich würde morgen gerne im Ganzen vor Rods Haustür stehen.“ Urplötzlich löst Bela den Druck von Farins Händen, legt seine eigenen locker auf die weiche Haut. „Bitte. Lass mir diese letzte Nacht, diese Chance noch.“ Jegliche Emotionen sind aus seiner Stimme hinweg gefegt, brüchig und leise murmelt Bela die Worte, nur Millimeter vom Gesicht seines Gegenüber entfernt. Als er erneut ansetzen will, bricht seine Stimme endgültig. Es ist in diesem Moment nicht nur seine Stimme, die bricht, sondern auch der Widerstand Farins. All die Verzweiflung der ganzen Jahre spricht aus dem Schlagzeuger, so hilflos und schmerzvoll, dass der Blonde sich seinem Freund nicht verwehren kann. Dazu muss er gezwungenermaßen in die regungslosen Gesichtskonturen starren, die ihm noch mehr Schmerz als die Worte bereiten. Vorsichtig lässt Farin einen seiner schmerzhaft pochenden Arme sinken und schließt ihn um Belas Hüfte. Gleichzeitig beugt er sich vor und gibt dem Kleineren einen fast schüchternen Kuss. Trotz der Kürze und Zurückhaltung des Kusses wähnt der Schlagzeuger sich kurz vor einer Ohnmacht. Der Geschmack Farins haftet endlich auf ihm, endlich bekommt er sein allergrößtes Begehr. Kurz blinzelt er und erwacht aus seiner Trance, leckt sich über die Lippen. Sofort errichtet Bela wieder die Fassade aus Eis um sich, beobachtet den Blonden für einige Zeit fast abfällig, bevor er ruckartig das schwarze Hemd von dem trainierten Oberkörper reißt. Endlich darf er Farin so unverhohlen gierig anstarren, endlich darf er ihn berühren, endlich darf er all das tun, was er allerhöchstens im Traum gewagt hat. Erneut durchflutet ihn das Gefühl der absoluten Macht, getrieben von dieser lässt er seine Fingernägel über den Körper des Größeren fahren, genießt das erschreckte Keuchen in vollen Zügen. Eigentlich würde der Schlagzeuger gerne alles in Zeitlupe erleben und ausführen, jedoch verschleiert die Lust seine Wahrnehmung und auch seine Handlungen. Daher öffnet er ebenso grob den Knopf der schwarzen Jeans und schiebt sie mit einer fließenden Bewegung von den Beinen seines Freundes. Nur noch mit Shorts bekleidet, mit leicht gerötetem Oberkörper und verklärt blickenden Augen bietet der Blonde einen Anblick der Extraklasse. Scheinbar stellt dieser nun auch nach einiger Zeit fest, dass sein Partner noch ziemlich bekleidet ist. Impulsiv will Farin ihm das Shirt vom Körper ziehen, erntet dafür aber nur einige Striemen auf seiner anderen Wange. Katzenartig hat Bela seine Fingernägel erneut eingesetzt, um den Größeren zu peinigen. Dieser stößt einen leisen, spitzen Schrei der Empörung aus, ergreift aber nicht erneut die Initiative, aufgrund der unglaublichen Präsenz Belas. „Ich mach heute die Regeln..“, flüstert dieser nur voller Hochmut und streift sich nun selbst das Shirt über den Kopf. Kurze Zeit später landen auch die Bluejeans inklusive der Boxershorts auf den Küchendielen. Getrieben von Lust, Hass und auch seiner Liebe stürzt der Schlagzeuger sich auf das letzte Kleidungsstück des Blonden, küsst ihn darauf ungestüm und hält seine Unterlippe kurz, aber schmerzhaft gefangen. Haut berührt Haut, Lippen pressen sich auf Lippen und Leidenschaft trifft auf Leidenschaft. Deutlich erregt beschließt Bela, wieder die absolute Dominanz an sich zu reißen, dieses Gefühl voll auszukosten. Mit einer kraftvollen Bewegung löst er Farins Körper von der Wand und wirft ihn hart und gierig auf den Küchenboden. Der schmerzverzerrte Schrei ist Musik in seinen Ohren, lässt ihn lachen. Sekunden später findet sich der Schlagzeuger wieder über seinem Freund, gibt ihm dieses Mal aber zwei Finger anstatt einen dieser brutal erregenden Küsse. Diese finden sich mittlerweile an einer ganz anderen Stelle wieder, der Blonde verzieht vor Lust und Schmerz zugleich das Gesicht, stöhnt. Es ist dieser Anblick unter ihm, der den Schlagzeuger fast zum ersten Mal über die Schwelle stößt: Der verschwitzte Oberkörper, die Wollust in den Augen und der bizarre Ausdruck in den Gesichtszügen. Länger kann er nicht mehr warten, ein Stoß, ein Schrei. Mit jedem Stoß, mit jedem von Stöhnen durchsetztem Schrei wird Bela noch wilder und ungehemmter. Farins Oberkörper reibt über die schmutzigen Dielen, seine Beine haben einen Platz auf den Schultern des Teufels in ihm gefunden, der Rücken ist halb durchgebogen. Eine endlose Spirale aus Gier und Schmerz lässt sein Sichtfeld flackern, seine rauen Laute hallen durch das Haus. Ihr Spiel würde für einen heimlichen Beobachter bestialisch und grotesk anzusehen sein, gleichen sie doch mehr Tieren als Menschen. Vor allem Bela hat alle seine Hemmungen mit seiner Begierde hinuntergespült, seinen ganzen Körper durchzieht ein unkontrollierbares Gefühl. Gleich würde seine Welt explodieren, aber vorher... „Sieh mich an.“ Während Bela diese drei Wörter verlauten lässt, platziert er einen Stoß auf die empfindsamste Stelle seines Freundes. Die weit aufgerissen Augen, das heisere Stöhnen, das Verkrampfen seiner Muskeln und vor allem die Gewissheit, dass allein er Farin zur Ekstase getrieben hat, bringen den Schlagzeuger schlussendlich zu seinem alles betäubenden Höhepunkt. Vor seinen Augen sieht er Farbsprenkel, die Konturen des benutzen Körpers unter sich verschwimmen in diesem Meer aus Farben und Empfindungen. Langsam steht Bela auf, schwankt dabei voller Trunkenheit und kann sich im letzten Moment an den Türrahmen krallen. Keuchend schiebt er sich wieder hoch und verschwindet aus dem Blickfeld Farins. Dieser bleibt wie ein zerbrochenes Spielzeug zurück, ist unfähig zur Bewegung, berauscht von seiner eigenen Wollust. Doch dieser Schleier löst sich langsam ins Nichts auf, seine Gedanken werden wieder klar und realisieren das Geschehene. Es war ein Akt der Freundschaft, kein Akt der Liebe. Aber wie sollte er dies dem lusttrunkenen und verliebten Schlagzeuger klar machen? Wie er sich auf das große Sofa im direkt anliegenden Wohnzimmer schleppt, weiß er auch nicht mehr genau. Was er weiß, ist, dass sein kompletter Körper aus Schmerz zu bestehen scheint. Der Preis für die raue Lust. Leicht zitternd zieht er eine bereit liegende blaue Fleecedecke über seinen verschwitzten und geschundenen Körper, währenddessen hört er tapsige Schritte. Farin ignoriert sie getrost, auch, als er einen warmen Körper hinter sich spürt. Erst als sich eiskalte Finger um seinen nackten Bauch schlingen, dreht der Blonde sich still in Richtung Bela. Das Erste, was er in der Dunkelheit sieht, sind die leeren und trostlosen Augen vor ihm. Ein Zeugnis von Verletzlichkeit und Leid, direkt in sein Gesicht geschrieben. Die Lust scheint aus dem Schlagzeuger eine andere Person ans Licht zu bringen, denn an dem zitternden, nackten Körper neben sich erinnert nichts mehr an den Bela von gerade. Immer noch schaut Farin in diese Augen, ein Fehler. Er ertrinkt mit in diesem Ozean aus Leid und Schmerz, lässt sich von langen Fangarmen hineinziehen, bis er verzweifelt einen Rettungsring auswirft. Unendlich sanft und liebevoll presst er seine Lippen auf die des Älteren, zuckt kurz zusammen aufgrund seiner aufgerissen und empfindsamen eigenen Lippen. Während der Berührung sieht Bela ihn weiter unerbittlich an, ein Blick, der alles, aber auch nichts sagen kann und sich tief in die Erinnerung des Blonden brennt. Erst nach einiger Zeit löst Farin die Verbundenheit zwischen ihnen, breitet ein Stück der Decke über den Frierenden hinter sich und dreht sich wortlos wieder auf seine Seite. Erneut spürt er die klammen, langen Finger auf seiner Haut, fühlt sich erdrückt. Mit aller Kraft zwingt er seinen Verstand zu einem Satz, einem Satz, der ein Kartenhaus einstürzen lässt: „Mach dir bitte keine Hoffnungen.“ Als Antwort darauf verschränken sich die Hände noch enger um seinen Bauch, klammern sich an das zerbrechliche Stück Nähe. Auch hier lässt er Bela wieder gewähren, liegt still da und fragt sich, wie dumm und unnachvollziehbar Menschen handeln können. Hinter Farin denkt eine eng zusammengerollte Person in etwa das Selbe. Kapitel 2: Spuren II -------------------- N/A: Schenkt mir jemand eine Tüte Zeit und dazu noch ein Glas Motivation? Äh, auf jeden Fall ist das Teil II,irgendwie war der jetzt schon so lang, dass ich neu unterteilt hab. Ich denke mal,das bleibt jetzt bei drei Teilen. (Ich höre gerade aus dem Off: DAS denkst auch nur du...) Vielleicht kommt der nächste und letzte Part sogar schneller..ähä :D Genug Schwachsinn geschrieben. Viel Spaß! --- Das Erste, was Farin nach dem Aufwachen realisiert ist der heiße Atem in seinem Nacken. Unnachgiebig fühlt er die warme Luft zirkulieren, hört das leise Geräusch beim Ein- und Ausatmen. Eigentlich möchte er die festzusammengepressten Augenlider überhaupt nicht heben und schon gar nicht die wärmende Zuflucht unter der Decke verlassen. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen öffnet Farin langsam die Augen und gewöhnt sich an das kalte Dämmerlicht im Zimmer. Mit etwas Anstrengung kann er sogar die tickende Wanduhr ausmachen, die von der Dunkelheit halbverschluckten Zeiger entziffern. Gerade einmal ungefähr sieben Uhr in der Früh, wenn seine Augen ihn nicht täuschen. Um Farin schlingen sich immer noch die Arme, wie Fangarme eines Seeungeheuers. Zudem spürt er einen kälteren Fuß, der wohl in den letzten Stunden zwischen seine Beine gemogelt wurde. Zentimeter für Zentimeter schiebt Farin sich von seinem Freund weg, bedacht darauf Bela nicht zu wecken und auch keinen unangenehmen Sturz vom Sofa zu erleben. Am Rand des Schlafplatzes angekommen hat er sich endgültig von dem Besitzergreifenden Schlagzeuger gelöst und lüftet immer noch mit äußerster Vorsicht die Fleecedecke. Für einige Sekunden überlegt Farin tatsächlich, sich einfach wieder an Bela zu kuscheln und wieder in den Schlaf zu driften. Eiskalte Luft schlägt ihm entgegen, sein eigener Körper schmerzt schon im Zustand des Liegens. Heute jedoch hat Farin den wahrscheinlich besten Grund seines Lebens aufzustehen, ein ganz bestimmtes Ziel, eine Richtung die er einschlagen will. Lautlos schwingt er so seine Beine vom Sofa, steht langsam auf. Nicht langsam genug, ein stechender Schmerz fährt wie ein plötzlicher Blitz durch ihn, der Kopf dröhnt aufgrund der geringen Dosis Schlaf. Kurz fährt Farin sich mit der Zunge über die rauen Lippen, wirft einen dezenten Blick hinter sich. Bela schläft scheinbar: Tief, fest und seiner Ansicht nach sogar traumlos. Außerdem scheint er die Illusion zu wahren, dass der Blonde immer noch neben ihm liegt. Hände und Füße verharren in der gleichen Position, als Farin genauer hinsieht, erkennt er das leichte Lächeln auf seinen Lippen. Seufzend schleicht der Blonde aus dem Zimmer und durch die nur schemenhaft zu erkennende Wohnung. Eine große, schwarze Anhäufung kann er als sein Hemd, seine Hose und seine Socken identifizieren. Seine Boxershorts findet er kurze Zeit später unter einem Stuhl. Zusammen mit seiner Kleideransammlung begibt Farin sich in das Badezimmer, schließt leise die Tür und lehnt sich an ebendiese. Es steht außer Frage, dass er seinen Besuch bei Rodrigo nicht verschiebt. Die Schönheit der Chance ist es an diesem Tag leider nicht, eher die Hässlichkeit der Chance. Aber es ist die lang ersehnte Chance, daher unterscheidet der Blonde nicht zwischen solchen doch eher trivialen Dingen. Dass er mit Bela geschlafen hat, bereut er nicht. Ein Dienst der Freundschaft, nur eine Unterstreichung ihrer besonderen Beziehung. In dieser Beziehung existierte das Wort 'Unmöglich' noch nie, es war ihnen schon so viel passiert, welches gegen dieses Wort stieß. Vielleicht ist all das nur der Gipfel zwischen all den Höhen und Tiefen, zwischen Liebe und Hass. In dieser Empfindungsachterbahn wartet nun logischerweise die rasante Talfahrt, die Farin gerade jedoch getrost verdrängt. Ein Blick in den Spiegel später verrät, dass man Farin die vergangene Nacht wohl auf zwei Kilometer Entfernung ansieht. Dunkle Schatten liegen unter seinen Augen, ein hauchzarter Kratzer überzieht sein Gesicht. Seine blonden Haare sind ebenso verschwitzt wie sein restlicher Körper, liegen wie Unkraut auf seinem Kopf. Die Lippen sind eingefallen und rissig, seine Arme sind grün bis lila verfärbt. Ein stechender Schmerz zieht sich bei jedem Schritt durch seinen Unterleib, der Gesamteindruck wird durch die unnachahmliche Duftnote des Schlagzeugers unterstrichen. Beschreiben konnte Farin diesen Geruch noch nie, manch einer hatte den Kopf geschüttelt. Aber jeder, der sich schon Näher mit Bela beschäftigt hatte, bestätigte den Blonden. Rodrigo gehörte zu diesen Menschen und würde den an ihm klebenden Geruch innerhalb von Sekunden erkennen, sollte er nicht vorher eins und eins zusammenzählen. Kurz reibt sich Farin über die Augen, macht dadurch aber natürlich nichts besser. Deshalb beschließt er sich zu duschen, in der stillen Hoffnung dass Belas Schlaf tief und lang anhaltend ist. Eine Begegnung mit dem Schlagzeuger ist für ihn heute Morgen ausgeschlossen. Irgendein anderes Mal könnten sie diese seltsame Aktion entwirren. Vielleicht könnte man auch einfach alles unkompliziert im Raum stehen lassen. Beruhigt durch seinen letzten Gedanken des Totschweigens greift Farin nach dem Duschkopf, wird dabei aber jäh unterbrochen. Wobei jäh der falsche Ausdruck dafür ist. Es ist eine leise Vorahnung, die ihn plötzlich beschleicht. Konkretisiert: Das seltsame Gefühl der Präsenz einer Anderen Person im Raum. Trotz dieses Gefühls dreht er sich nicht um. Dinge die man nicht wahrhaben möchte, verdrängt man. Leider ist seine Ignoranz fruchtlos, er zuckt zusammen als eine eiskalte Hand sich auf seine Schulter legt: „Möchtest du mich weiter ignorieren?“ Farin ringt sich nicht zu irgendeiner Antwort durch. Es ist der Tonfall in Belas Stimme, der ihn so verunsichert. So ruhig und doch seltsam emotionsgeladen klingt der Satz in seinen Ohren nach. „Das nehme ich als Ja. Verschwindest du dann bitte aus meiner Wohnung?“ Bela lügt. Sekunden nach dieser Aussage schießt diese Erkenntnis durch seinen Kopf, so absolut offensichtlich. Natürlich soll er nicht gehen. Jedoch verkneift Farin sich weitere Kommentare, starrt stur den Duschkopf in seiner Hand an und antwortet schlussendlich doch: „In einer halben Stunde bin ich verschwunden. Duschen ist ja sicher noch erlaubt bevor ich mich langsam zu Rodrigo aufmache. Wir sind zum Frühstück verabredet.“ „WAS?“ Die Fassung und relative Ruhe ist aus der Stimme des Schlagzeugers verschwunden. Stattdessen reißt er mit einer kraftvollen Bewegung Farin zu ihm herum und schreit ihm das Fragewort förmlich entgegen. „Du hast gestern nicht viel getrunken, das solltest du noch wissen.“ „Natürlich weiß ich... Aber du kannst doch nicht nach dieser Nacht vor Rodrigos Tür stehen und ihm fröhlich deine bescheuerte Liebe gestehen! 'Hey, Rod ich wollte dir nur sagen, dass ich dich liebe und letzte Nacht mit Bela gefickt habe.'“ Mit jedem Wort schwindet die Selbstbeherrschung Belas, den letzten Satz brüllt er wieder. „Muss Rod davon wissen?“ Mit seiner schon fast gelangweilten Ruhe treibt er den Schlagzeuger sehr zielsicher auf die Spitze „Jan Vetter, du egoistischer Gefühlstrampel“ „Das gestern war einmalig. Ein Ausrutscher. Nichts, bei dem irgendetwas Großes im Spiel ist. Du hast damals so oft irgendwelche Groupies mitgeschleift, du weißt doch ganz genau was ich meine.“ „Du bist kein gottverdammter Groupie, du bist mein bester Freund!“ „Das Prinzip ist dasselbe.“ Immer noch betont gelangweilt hebt er seine Wäschestücke vom schwarzgefliesten Boden auf und drapiert sie auf dem Toilettendeckel. „Du fährst nicht zu Rodrigo.“ „Wie willst du mich hindern?“ Innerhalb von wenigen Sekunden rauscht Bela aus dem Bad, knallt die Türe geräuschvoll zu und dreht den Schlüssel um. All das geht so schnell, dass Farin nur die Hälfte richtig wahrnimmt. Erst als er von der Straße aus ein lautes: „SO!“ hört, registriert er das Geschehen. Genervt öffnet Farin das Badezimmerfenster und starrt auf den sich ihm bietenden Anblick. Der Schlagzeuger steht nur in Boxershorts und einem grau-melierten T-Shirt auf der Straße, den Badezimmerschlüssel hält er triumphierend in die Höhe. Glücklicherweise ist um diese Uhrzeit keine Menschenseele unterwegs, zudem liegt Belas Haus auch eher ruhiger. Wahrscheinlich wäre er sonst direkt von der örtlichen Psychiatrie einkassiert worden. „Das ist jetzt nicht dein Ernst Felse.“ „Doch.“ „Weißt du, man kann solche Dinge auch auf erwachsene Art und Weise klären...“ „Was sollen wir da klären?“ „Du scheinst da Bedarf zu haben, mein Lieber.“ Bela hadert mit sich selbst, da ihm scheinbar die Argumente ausgehen. Genau in diesem Moment wird Farin oben am Fenster klar, mit welchem Monster er hier zu kämpfen hat. Die Eifersucht treibt den Schlagzeuger bis zum Äußersten. Es ist keine situationsbedingte, spontane Eifersucht, sondern eine nagende, langwierige und unglaublich zerstörerische Form dieses Gefühls. Ein Versuch aufgrund purer Verzweiflung die geliebte Person im schlechten Licht zu sehen. Ganz kurz verkrampft sich Farins Magen. Die Person, die dort unten den Schlüssel festumklammert und mit sich selber kämpft liebt ihn. Auf eine schon wahnsinnig anmutenden Weise. Er liebt ihn auch, aber nicht auf diese doch irgendwo stumpfe Art. Auf eine Art, in der er Rodrigo niemals lieben könnte. Viel inniger, intimer und völlig anders ist seine Liebe zu dem Schlagzeuger. Mit Rod möchte er zusammen sein, die Tage verbringen, seine Lippen spüren, ihm zuhören. Jeder dürfte diese Form der Liebe kennen. Die Liebe zu Bela ist etwas, was er nur zu dieser bestimmten Person empfinden kann. Manch einer hatte ihn schon als emotionsloses Monster sondergleichen beschimpft, doch diese Leute wussten nicht von den Beiden emotionalen Brennpunkten in seinem Leben. “Wenn du wirklich so gehen kannst, mit meinen Spuren auf deiner Haut, meinem Geruch an deinem Körper, mit mir in dir…wenn du so gehen kannst… ihm SO deine Liebe gestehen kannst, dann geh ruhig.” Der verstörend ruhige Satz Belas irritiert Farin zutiefst, beunruhigt ihn aber ebenso. Der ihm so unbekannte Tonfall lässt absolut nichts Gutes ahnen. Er sollte lieber schnell verschwinden, bevor der Schlagzeuger komplett die Beherrschung verliert. Duschen kann er auch in seiner Wohnung, bis dahin würde ihn eh niemand zu Gesicht bekommen. „Ich zieh mich an und verschwinde.“ Mit diesem Satz möchte Farin das Badezimmerfenster schließen und sich anziehen. Doch Bela ist noch nicht fertig mit ihm: „Du duscht nicht Zuhause. Wir fahren jetzt zu Rod.“ Den Namen spricht er wie eine hochansteckende Geschlechtskrankheit aus, die man sich lieber nicht einfangen möchte. „Bela!“ „Das ist die Bedingung. Wir steigen jetzt ins Auto und fahren los. Ansonsten kannst du gerne in meinem Bad bleiben.“ Bela ist wahnsinnig, ein Zustand von dem man ihn nicht mehr so schnell befreien kann. Die Polizei, Gewalt oder alle anderen brachialen Methoden fallen für Farin aus. Die Hemmung ist viel zu groß, den Widerstand des Schlagzeugers so zu brechen. Aber er kann sich auch nicht mit einem schon gefährlich anmutenden, unberechenbaren und liebestollen Bela in seinem Auto auf den Weg zu Rodrigo machen. Die einzige Möglichkeit ist dem Älteren nachzugeben. Das Problem an dieser Methode: Farin Urlaub verliert nie und lässt sich schon gar nicht derart drangsalieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)