Desperate for a long time von Midwintermidnight ================================================================================ Kapitel 2: Chaos und erste Schritte ----------------------------------- Eine angenehme Ruhe und Wärme umgab mich, ließ die Anspannung weichen und gab mir ein friedliches Gefühl von Sicherheit. Ich vergrub die Nase im Kissen und kuschelte mich tiefer in die Decke. Die Panik und Angst war verschwunden. Es war so ruhig und nur das Rauschen vom Meer war durch das geöffnete Fenster zu hören. Blinzelnd öffnete ich die Augen und blickte in helles Sonnenlicht, was mich dazu brachte die Augen direkt wieder zu schließen und den Kopf im Kissen zu vergraben. Draußen war es ganz anders als ich gestern angekommen war. Die grauen Wolken waren verschwunden, stattdessen war der Himmel in seinem typischen klaren blau, doch irgendwas an dem Bild, das ich eben gesehen hatte störte mich gewaltig. Ich hielt inne und noch einmal öffnete ich die Augen, jedoch langsamer, da das Licht für meinen Geschmack noch immer zu hell war und mich somit blendete. Erschrocken nach Luft schnappend sah ich jetzt den Körper, der neben mir saß. Den Rücken ans Kopfende gelehnt und den Kopf ins Sonnenlicht haltend, hatte er die Augen geschlossen. Seine Atemzüge gingen gleichmäßig wie meine zuvor, doch jetzt machte sich Angst in mir breit und Fragen schwirrten mir durch meine ohnehin schon wieder aufgewühlten Gedanken. Woher wusste er verdammt noch mal, dass ich hier bin? Oder wie ist er hier rein gekommen? Die Ruhe und Wärme war verflogen, stattdessen tobte ein Schneesturm zusammen mit einem wütenen Chaos. „Willst du schon wieder weglaufen?“ „Was?“, zuckte ich zusammen. Desorientiert sah ich mein Gegenüber an. Ich war so in meine Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht gemerkt hatte, wie er sich mir zugewandt hatte und mich jetzt auch noch zu allem Überfluss auch noch besorgt musternd ansah. Diese verflucht grün-braunen Augen, in denen noch mehr Sorge zu liegen schien als ich je in den ganzen Jahren zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Warum ausgerechnet jetzt? Warum? Es hat doch sonst auch keinen interessiert? Es geht mir doch gut! „Rachel?“, zögernd sprach er mich an, als könnte ich zurück schrecken und weglaufen und das war auch das Einzige was ich im Moment wollte. Weglaufen. Weg. Weg von ihm. Weg von dem Mitleid und den grünbraunen Augen in denen es lag. „Warum bist du hier?“ krächzte ich stattdessen. Zwang mich auf die cremfarbene Decke zu blicken. „Weil ich mir Sorgen gemacht habe.“ Er klang so ruhig dabei, als wäre es selbstverständlich, aber das war es nicht. Nicht wenn es dabei um mich ging. Ich schlug die Decke zurück, ärgerlich obgleich ich ihm hätte- ja was eigentlich? Dankbar? Denn das konnte ich es wohl kaum nennen. „Willst du schon wieder weglaufen?“ wiederholte er die schon eben gestellte Frage, deren Antwort ich ihm zum wiederholten Male schuldig bleiben sollte. „Was heißt hier schon wieder?“, fauchte ich. „Glaubst du wir sind blind?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Mensch, Rachel!“ Er zog mich zu sich herum. „Ich weiß nicht was los ist, aber etwas ist doch mit dir?!“ „Nein,“ ich zitterte, „es geht mir gut.“ Lüge. Schon wieder. Wie immer- und immer wieder. Ich schluckte, schüttelte stumm den Kopf. „Nein tut es nicht,“ widersprach er mir energisch. „Sieh dich doch mal an.“ „Und?“ ich verschränkte die Arme. Ungläubig sah er mich an. „Das…“ er verstummte, sprang stattdessen vom Bett, du lachst nicht.“ „Doch.“ „Aber nicht ehrlich. Es ist, als würdest du eine Maske tragen, denn deine Augen bleiben traurig. Sie leuchten nicht, nicht mehr.“ Fassungslos sah ich zu ihm auf. Er kam um das Bett herum. Hockte sich langsam vor mich. Misstrauisch sah ich ihn an. Was um Himmels Willen sollte das hier werden? „Rachel,“ er streckte seine Hand nach mir aus, doch ich wich ihm aus, kauerte mich gegen die Rückenlehne, den Blick noch immer auf ihn gerichtet. Resigniert seufzte er, blickte erst auf den Boden, während es schien, dass er mit sich selbst rang, dann sah er auf, fixierte mich mit seinem Blick. „Du willst dir nicht helfen lassen- oder?“ „Was heißt wollen? Da gibt es nichts zu helfen,“ presste ich zwischen zusammen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er zog lediglich die Brauen hoch. Und ich wusste nicht was es war, das plötzlich in mir aufbegehrte und auch nicht ob es an seinen Augen lag, seiner Gestik, seinen Worten, ich weiß es nicht, was mich dazu brachte auf der andren Seite vom Bett zu springen und ihn anzuschreien: „Was bildest du dir eigentlich ein, dass du glaubst hier auftauchen zu können, mit der Erwartung, dass ich dir mein Seelenleben offen lege, was wohlgemerkt zuvor auch niemanden hier interessiert hat, aber jetzt wo jemand glaubt irgendwas entdeckt zu haben, einfach nachbohren zu können. Verdammt noch mal was soll das denn jetzt plötzlich alles? GEH! Hau ab! Lass mich allein!!!“ Die letzten Worte schrie ich ihm heiser erstickt entgegen. Meine Augen brannten vor aufgestauten Tränen, die jetzt nach meiner Triade brennend über meine Wangen rannen. Ich sah zu ihm auf. „Was grinst du denn jetzt so unverschämt? Verschwinde!“ Ich drehte ihm den Rücken zu, ließ mich auf den Boden fallen, die Bettkante im Rücken, den Kopf auf den Knien abgelegt. Stille. Dann Schritte auf dem weichen Teppich, die gedämpft klingend näher kamen. Ich hob den Kopf nicht, spürte auch so, dass er sich mir gegenüber hockte. Mich stumm kurz ansah, bevor er mich an sich zog. Erschöpft stemmte ich mich gegen ihn, doch gab ich es nach einem kläglichen Versuch auf, hatte ich doch meine ganze Kraft vorhin darauf verwendet ihn anzuschreien, so ließ ich mich jetzt müde gegen ihn fallen- und er zog sich nicht zurück. Weidete sich nicht an meinem Aufprall, sondern fing mich auf, während ich leise weiter weinte, tat er nichts weiter als stumm in seiner Haltung zu verharren und mir Halt zu spenden. Erst als mein Schluchzen in trockenes Husten und auch erst lange danach, versuchte er erneut mit mir Blickkontakt aufzunehmen und es dauerte einige weitere Minuten, in denen er mich nur stumm angesehen hatte, bis er etwas sagte: „Es tut mir Leid, dass ich es nicht eher bemerkt habe und für dich da sein konnte. Ich weiß nur eins und zwar, das ich dir jetzt anbieten kann für dich da zu sein, das heißt wenn du es überhaupt möchtest.“ Er schwieg. Wartete nun auf eine Reaktion meinerseits, doch wie sollte die aussehen? Er konnte von mir doch nicht allen ernstes erwarten, dass ich ihm freudig um den Hals falle. „Wohl kaum,“ murmelte er. Perplex sah ich ihn, aus meinen Gedanken gerissen, an. Entschuldigend lächelte er: „Ich glaube kaum, dass du Luftsprünge machst, geschweige denn dass ich es erwarten dürfte, aber als du mich angebrüllt hast, hatte ich Hoffnung, dass du dich noch nicht selbst aufgegeben hast. Und es eben nicht zu spät ist- oder ist es das etwa?“ Stumm sah ich ihn an. Hatte ich mich schon komplett aufgegeben? Oder gab es noch etwas auf das ich hoffen konnte oder durfte und er versuchte diesen Funken zu schützen? Aber warum sollte er es tun? Würde er den Funken im Endeffekt sogar selbst zum erlöschen bringen- wenn es sich als schwierig herausstellen sollte, so wie viele vor ihm die Flamme immer kleiner werden ließen? Immer noch sah er mich abwartend an. Vorsichtig schob ich mich von ihm weg. Kommentarlos ließ er es zu, hinderte mich nicht. Den Kopf in den Nacken gelegt starrte ich an die Decke. Was sollte ich den jetzt machen? Allerdings was hatte ich denn noch groß zu verlieren? Eine Enttäuschung mehr oder weniger? Und wenn nicht jetzt, würde ich entweder danach auf die Schnauze fallen, nur, dass es dann das letzte Mal sein würde oder aber mein Fall wäre zu Ende und er- ja und er… Ich löste den Blick von der Decke und sah ihn an. Mit gemischten Gefühlen blickte er zu mir zurück. Unsicherheit gleichzeitig Entschlossenheit begegneten mir. Zwei Gegensätze, die weiter nicht hätten von einander entfernt liegen können. Er legte den Kopf schief. Zittrig ließ ich die angehaltene Luft entweichen. Hier saß er nun, so wie ich es mir immer gewünscht hatte. Gut ich hatte mir nicht ihn gewünscht, sondern jemanden. You want somebody just anybody to lay their hands on your soul tonight Und jetzt wo er hier war. Jetzt hatte ich noch mehr Angst. Angst davor ihm, dass alles anzuvertrauen. Obwohl ich doch wusste, dass ich keine Angst haben musste, nicht vor ihm und dennoch, war etwas da was mich innerlich blockierte, mir den momentan einzigen Weg versperrte. „Willst du vielleicht erstmal von dem kalten Boden runter?“ „Hmm.“ er versuchte mir Zeit zu geben, damit wir nicht in dieser ungewissen Stille uns anschweigen mussten. Er streckte mir die Hand entgegen um mich hochzuziehen. Ich griff zu und biss dabei die Zähne zusammen. „Rachel?“ Besorgt sah er erst mich, dann meine Hand an die ich ihm entgegen gestreckt hatte. Er wurde blass, „Was hast du denn gemacht? Warte kurz ich hol Salbe und einen Verband. Du hast doch welchen im Bad.“ „Ja schon, aber…“ „Bin sofort wieder da.“ „Clemens nicht. Nicht ins Bad!“ Ich lief ihm nach. blieb dann aber im Flur stehen. Er hatte das Licht im Bad schon angeknipst und starrte nun auf die Splitter des zertrümmerten Spiegels. Shit! Wortlos sah er mich kurz an, bevor er ihm Bad verschwand. Man hörte, das Knirschen, als er auf einzelne am Boden liegende Splitter trat. Ebenfalls ohne ein Wort zu sagen kam er zurück dirigierte mich zurück und griff wortlos nach meiner Hand um diese zu verbinden. Kaum dass er einen Knoten in den Verband gemacht hatte zog ich meine Hand zurück, rutschte an das Kopfende des Bettes und zog die Beine an meinen Körper, wie sooft wenn ich mich unwohl fühlte. Und das tat ich gerade mehr als alles andere, denn er hatte eine Seite gesehen, die noch nie jemand zuvor gesehen hatte und ich war eigentlich auch nicht darauf aus es jemals jemandem zu zeigen. „Passiert das eigentlich öfters?“ fragte Clemens jetzt zögerlich und ohne dass er es erwähnte wusste ich dass er den Spiegel meinte. Ausweichend schüttelte ich den Kopf. „Nein nicht wirklich, aber …“ Was sollte ich ihm denn sagen, dass ich es nicht mehr ertragen hatte nach alldem mich selbst noch im Spiegel zu sehen? „Schon okay. Geht mich ja auch nicht wirklich was an,“ lenkte er ein. „Willst du mir denn jetzt erzählen was wirklich mit dir los ist- oder soll ich immer noch gehen?“ Er wollte eine Antwort, was ich ihm nicht verübeln konnte,aber ich spürte auch den Zweifel. „Du denkst, dass es eine Schnapsidee war zu kommen, aber das war es nicht. Es war wohl er genau das Richtige, auch wenn ich dir noch nicht sagen kann wie richtig es war.“ Kaum hatte ich angefangen zu reden, ging mir dieser Teil leicht wie selten über die Lippen. Ein Griff nach dem letzten Rettungsring, den er mir zugeworfen hatte und es lag nun an mir mich aus dem schwarzen Meer zu ziehen und die Hilfe anzunehmen. An sich nicht schwer, wäre da nicht auch noch die Strömung, die an einem zerrt und die es zu überwinden gilt bevor man den Rettungsring erreicht. „Möchtest du mir erzählen was passiert ist?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)