Böse Träume von Technomage (Wichtelfanfiction für Wolfsstern(Zirkel der durchgeknallten FF-Autoren))) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Bald nachdem Colette und ihre Reisegefährten den See Umacy erreicht hatten, war die Dämmerung über Sylverant angebrochen. Sheena hatte mit Undines Hilfe das Einhorn aus den Tiefen des Sees befreit und es hatte ihnen sein Leben gegeben, um anderen zu helfen. Auch wenn das Einhorn seinem vorbestimmten Schicksal gefolgt war, saß der Tod ihnen noch nah unter der Haut. Da die Nacht nicht mehr weit entfernt gewesen war, beschlossen sie ihr Lager in der Nähe des Sees aufzuschlagen, um noch einmal Gelegenheit für Ruhe und Schlaf vor den bevorstehenden Ereignissen zu finden. Das letzte Siegel lag zum Greifen nahe und Colette bemerkte, dass es selbst Lloyd besorgt und nachdenklich stimmte; soweit es seine Möglichkeiten zu ließen. Sheena und Genis schien der Tod des Einhorns, auch wenn er nicht von Dauer war, stärker zu treffen als er es unter normalen Umständen getan hätte. Raine bemühte sich eine Erwachsene zu sein. Und Kratos.. war nun einmal Kratos. Colette dachte daran, was das Einhorn gesagt hatte. Wenn ein Leben endete, begann dadurch stets ein neues. Das Ende ihres Lebens, wusste Colette, würde das Leben von unzähligen Menschen ermöglichen. Ein erleichternder Gedanke. Es hat mich Martel genannt. Doch meinen Zustand eine Krankheit. Colette saß am Ufer des Umacy-Sees und blickte auf die spiegelglatte Oberfläche des Wassers hinaus. Obwohl es tief in der Nacht war, konnte sie ungetrübt bis ans weit entfernte andere Ufer sehen als wäre es direkt vor ihrer Nase. Ihr Lager mochte über hundert Meter entfernt sein, doch sie hörte den anderen mühelos beim Schlafen zu. Lloyd schnarchte, während Raine und Genis unverständliche Satzfetzen murmelten. Sheena atmete ruhig und friedlich. Allein Kratos war beinahe nicht auszumachen, denn sein Atem ging so leise und kontrolliert wie am Tag. Colette hätte sich direkt in ihre Mitte legen können und sie nicht deutlicher gehört. Sie versuchte sich zu erinnern, wann sie zum letzten Mal geschlafen hatte; doch es war zu lange her, seit sie aufgehört hatte zu zählen. Colette lächelte, als von der Uferböschung Glühwürmchen aufstiegen und ihr Anblick sich mit dem Zirpen der Zikaden vermischte. Die meisten Nächte quälten sie, weil es nichts zu tun gab und sie nicht wusste, wohin mit ihren Gedanken. Es gab wirklich nicht mehr viel, worüber sie unbekümmert nachdenken konnte. Alle Eindrücke und Gefühle wurden langsam, aber sicher zu entfernten Erinnerungen eines fremden Menschen, während die Gegenwart nichts Neues hervorbrachte und nur Leere bereithielt. Am Tag und auf der Reise beschäftigte sie eine Aufgabe, die gewaltig genug war, um sich davon ablenken zu lassen, doch nachts war das Ziel dieser Aufgabe eine schmerzliche Gewissheit. Auch wenn Colette ihr Schicksal akzeptiert hatte, fiel es ihr nicht leicht ständig an den eigenen Tod zu denken. Oft dachte sie an Lloyd und ihre anderen Begleiter, auch an die Menschen, denen sie auf ihrer Reise geholfen hatten. Selten streiften ihre Gedanken ihren Vater und wichen selbst dann schnell wieder vor ihm zurück. Colette fühlte sich sehr glücklich und dankbar ihre Reise umgeben von Freunden zu bestreiten, doch bald kam sie sich egoistisch vor und es blieb nur noch die Gewissheit, welche Last sie Lloyd und den anderen bereitete. So wie gerade jetzt, stand Lloyds Erscheinung wie ein Sternenbild vor ihren Augen, wenn sie auf den Horizont blickte. Er lachte sie an, weil Colette an keinen anderen Lloyd denken konnte. Es war eines der wenigen Bilder, wenn nicht das einzige, das sie sich noch klar ins Bewusstsein rufen konnte. Ihre Hände lagen im feuchten Gras und der Nachtwind wehte ihr leicht entgegen, doch sie konnte sich nur entfernt daran erinnern, dass es Empfindungen gab, die dazu gehörten. Tatsächlich war ihr Körper vollkommen taub, auch wenn es das nicht ausreichend beschrieb. Das Fehlen von Tastsinn, Geruch und Geschmack war kein menschliches Gefühl und so fehlten ihr auch die Worte, um es auszudrücken. Doch die kleinen Bewegungen und Geräusche in Nächten wie dieser – die Insekten, der Wind in den Bäumen, das Funkeln der Sterne – waren zutiefst beruhigend und halfen ihre neu erwachten übernatürlichen Sinne zu beschäftigen. Es war der einzige Moment, in dem sie eine Ruhe erreichte, welche jener des Schlafs ähnelte. Das ruhige Kreisen der Glühwürmchen wallte auf als habe jemand die Luft aufgeschüttelt. Sie stoben höher hinauf wie fliegende Funken über einem Feuer und tanzten in der Luft gleich einer überbelichteten Sternenkonstellation. Colettes Augen folgten eifrig ihren Mustern und manchmal erkannte sie erblühende Blumen darin, ein anderes Mal galoppierende Pferde. Der Schwarm wiegte sich im Wind und stand für keine Sekunde still, sondern zog Linie um Linie flüchtigen Lichts in die Nacht wie von einer zeichnenden Hand geführt, die dem Auge verborgen blieb. Je länger Colette in die Bilder und Formen starrte, desto mehr verschmolz das Leuchten mit dem Wind in den Bäumen und den Gesängen der Grillen, bis der Nachthimmel vor ihr lebendig wurde. In glühenden Strichen formten sich Schwingen und verschwanden wieder, nur um erneut in kräftigerem Ton zu erscheinen. Zuerst war es der Farbton von Kerzen und Straßenlaternen, doch je stärker das Bild wurde, färbte es sich im tiefen Rot reifer Äpfel; die satte Färbung eines Erntemonds. Die Schwingen zeichneten sich deutlicher in der Dunkelheit ab und der Rhythmus, in dem sie wuchsen, glich einem schlagenden Herz. Sie waren breit und mächtig wie die Flügel Remiels. Das Muster erhob sich als wolle es von der anderen Seite die Leinwand der Nacht durchreißen. Der Puls erhöhte sich wie bei einer flackernden Glühbirne und bald bahnte sich die Form eines menschlichen Körper zwischen den Schwingen an. „Vater?“, rief Colette in die Nacht, auch wenn sie keine Stimme mehr hatte. Das Gebilde wuchs in einem pulsierenden Takt, während die gerade noch menschlichen Konturen sich zu einem Schweif peitschender Stränge und Striche verjüngte. Der Kopf verzerrte sich zu Zacken und Spitzen. Die Nacht wurde so schwarz als hätte Colette ihr Augenlicht verloren und das Wesen aus Schwingen und Linien so gleißend hell als wäre es das letzte Licht der Welt. Intuitiv schlug Colette ihre Flügel auf, als das Geschöpf näher glitt wie ein lauernder Greifvogel. Es überragte sie in verzerrten Ausmaßen und warf seine Schwingen wie ein fallendes Netz über ihrem Kopf zusammen. Wie eine Springflut glitten die Spitzen ihrer Flügel dem Gewirr aus Schwarz und Rot entgegen. Sie verästelten und verwurzelten sich ineinander, bildeten Knoten und verwobene Muster, während sie über Colettes Kopf umherstoben. Knirschen und Reißen niemals gekannter Stoffe drangen schmerzhaft an ihre Ohren. Das Geflecht der Flügel formte eine Brücke über ihr und ließ sie im Schatten stehen. Sie glaubte fremde und vertraute Gesichter vor sich erscheinen zu sehen. Dann waren die Flügel, die aus ihrem Rücken wuchsen nicht mehr ihre eigenen. Während sie hinterrücks aus dem Gleichgewicht gerissen wurde, schloss sich alles um sie zu einem Würgegriff. Die ineinander verflochtenen Schwingen – gleichermaßen die fremden und ihre eigene – drückten sie zusammen als wöllten sie ihr die Seele aus dem Körper pressen. Langsam entwich sie aus ihr wie die Luft aus den Lungen. „Colette!“ Lloyd stand vor ihr. Eine Hand breit entfernt. Er war ein großes Sternenbild am Himmel wie in ihrer Erinnerung. Colette nahm ihre Kraft zusammen und streckte die Hand nach ihm aus, doch noch bevor sie ihn erreichte, fiel das Bild in sich zusammen und verzerrte sich. Nicht zu einem verdrehten Schreckensbild, sondern zu einer sich immer wiederholenden Abfolge von Lloyds Leben: Von Kind, zum Jugendlichen, zum Erwachsenen, zum Vater und schließlich zum sterbenden alten Mann. Die Bilder folgten immer schneller aufeinander und wechselten wahllos ihre Reihenfolge, bis Colette glaubte, ihr Kopf müsse bersten, während ihre Seele gleichzeitig aus dem Körper gewrungen wurde. Ihr stiegen heiße Tränen in die Augen und sie begann zu schreien. Colette blinzelte und saß am Ufer des Sees Umacy. Ihr Atem ging ruhig und in ihren Ohren zirpten leise die Zikaden. Es war Nacht und doch konnte sie sehen, wie der Wind in den Bäumen am anderen Ufer spielten. Ihre Hände lagen im feuchten Gras, doch sie konnte nichts davon spüren. „Alles in Ordnung?“ Colette sah sich um und fand Kratos' Gestalt an einen der Bäume in der Nähe des Ufers gelehnt. Er kam zu ihr herüber gelaufen und legte seine Hand in ihre. „Nur ein Albtraum“, schrieb Colette ruhig und versuchte erleichtert und fröhlich zu wirken. „Du hast geschlafen?“, fragte Kratos. Colette schüttelte den Kopf, um sich dazwischen durch heftiges Nicken zu unterbrechen. Dann dachte einen Augenblick nach und lächelte dann vorsichtig. „Meine Phantasie ist wohl mit mir durchgegangen.“ „Wie du meinst“, entgegnete Kratos und wandte sich dem See zu. „Es ist einfach nicht fair“, formte Colette mit den stimmlosen Lippen. „Mh?“ Kratos stand an der Uferböschung zu ihr umgedreht. Die Glühwürmchen tanzten langsam in seinem Rücken. Colette schüttelte nur den Kopf. „Dir wurde mit deiner Aufgabe eine schwere Bürde auferlegt, die schwer aufzugeben ist, jetzt wo du dich entschlossen hast diesen Weg zu gehen. Du würdest dir einen Fehler vermutlich niemals verzeihen.“ Colette nickte nur und lächelte Kratos an. Sie standen eine Weile schweigend beieinander am Ufer des Sees und sahen in die Ferne. Dann kehrte er wieder zum Lager zurück und ließ sie allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)