Amnesia von kiyahotep (Verlorene Erinnerung) ================================================================================ Prolog: Flucht -------------- Prolog Die Sonne stand schon weit im Westen, als er den hintersten Teil der großen Parkanlagen betrat, die den Himmelsturm umgaben. Er wandte sich noch einmal um, aber niemand folgte ihm. Die Himmelspagode war hinter den Bäumen, Sträuchern und Brunnen verschwunden. Nur ab und zu blitzte das weiße Mauerwerk noch zwischen dem satten Grün auf. Eingetaucht in die letzten Reste des Sonnenlichts. Bald würde es sicherlich anfangen zu dämmern. Er streifte die Schuhe ab und ging barfuss durch das kühle Gras. Der Garten war hier verwilderter und die Bäume bildeten einen kleinen Hain, den er nun betrat. Er hatte sich unbemerkt aus dem Himmelsturm gestohlen, war völlig unauffällig über einen der Balkone in den Garten gelangt, wie er es als Jugendlicher oft getan hatte. Er war seinen Wächtern entkommen, die ihn jeden Tag aufs Neue spüren ließen, dass er ein Gefangener war - ein Gefangener, obwohl er in den Gemächern eines Königs hauste und als Gott verehrt wurde. Der Tag war furchtbar gewesen. Der Abschluss einer katastrophalen Woche, die nur die Fortsetzung eines horrenden Monats gewesen war. Die Hasshisen hatten ihn mit Papieren zugeschüttet, jeder noch so kleine Adlige hatte eine Audienz gefordert, im Osten gab es mal wieder größere politische Skandale, im Norden gab es Verschwörungen um den Tenno Bishao Santo, im Westen gab es Rangeleien um die Thronfolge, obwohl der Tenno noch sehr lebendig war und es wohl auch noch eine ganze Weile bleiben würde, und im Süden - im Süden saß Ashray und machte ihm die Hölle heiß … Hinzu kamen noch diverse Auseinandersetzungen mit Dämonen, aber die waren zur Zeit wirklich sein kleinstes Problem. Er konnte einfach nicht mehr. Er brauchte eine Auszeit, wollte fliehen. Jetzt! Sofort! Weg von hier, möglichst weit weg von den Wachen, den Verpflichtungen seines Amtes und dem Himmelsturm, seinem Zuhause, seinem Gefängnis. Einfach nur weg! Er lehnte sich an den Stamm eines mächtigen Baumes und schloss die Augen. Warum konnte er nicht einfach fliehen? Nur für ein paar Tage alles vergessen, was ihn hier umgab. Vielleicht einfach mal mit Ashray ein bisschen umherziehen. Sicherlich kannte der viele Orte, die er nicht kannte, niemals sehen würde … Er seufzte leise. Ashray … erst vor zwei Tagen waren sie wieder aneinandergeraten und es war immer der gleiche Vorwurf: „Nie hast du Zeit für mich!“ Die Worte des Prinzen hallten noch immer in seinem Kopf und das Schlimme war: Er hatte Recht. Und er, der Shuten, der Herrscher des Himmels und der Erde, das mächtigste Wesen hier, konnte nichts an diesem Umstand ändern, überhaupt nichts. Tränen stiegen in ihm hoch. Er versuchte sie zu unterdrücken, was ihm nicht wirklich gelang. Vereinzelt liefen sie ihm über die Wangen. Er stieß sich von dem Baum ab, drehte sich um und schlug mit voller Wucht gegen die raue Rinde. Seine Hand schmerzte, aber der Schmerz hatte etwas Befreiendes. Er starrte seine Hand an, die nicht einmal eine Schramme abbekommen hatte. Es dauerte eine Weile, bis er sich der Situation überhaupt bewusst wurde. War es nicht damals ähnlich gewesen? Vor etwa einem Jahr, oder waren es doch schon zwei? Einer der Soldaten, ein Drogenabhängiger, hatte ihn im Garten überfallen. Er war alleine gewesen - verbotener Weise - genau wie jetzt auch. Ashray hatte ihn mehr oder weniger gerettet, indem er den Angreifer niedergeschlagen hatte und er, Tia, hatte den Mann geheilt und seine Erinnerungen verändert, sodass er sich nicht an seine Tat erinnerte … nicht erinnerte! Eine Idee keimte in ihm auf. War es möglich. Könnte er es? Er betrachtete seine Hände, hielt sie in die untergehende Sonne, deren Strahlen sie in ein intensives goldenes Licht tauchten. Es würde auf einen Versuch ankommen. Ohne Erinnerungen sein, hieß frei sein! Freiheit! Nichts wollte er im Moment mehr, als einmal frei zu sein. Nur die Erinnerungen trennten ihn noch davon! Er lachte laut auf. Es war ihm egal, ob man ihn hören würde denn es kam nur auf einen einzigen Versuch an … Einen - einzigen - Versuch! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)