More than meets the eye von Meeresstern (HoroxRen - Punk und Student AU) ================================================================================ Kapitel 1: Blickkontakt ----------------------- Der Chinese, Ren Tao, machte sich auf seinen Heimweg von der Uni. Es war früher Abend, doch bedingt durch den beginnenden Herbst begann es bereits zu dämmern. Auf seinem Heimweg nahm er jedes Mal einen kleinen Umweg durch einen Park. Er wollte sich das kleine Stückchen Natur, in diesem er sich entspannen und dadurch seine Gedanken fahren lassen konnte, nicht nehmen lassen. Gerade in einer Großstadt wie Tokyo war es schwierig solche Rückzugspunkte zu finden. Ren wusste nicht, dass ausgerechnet an diesem Abend ein junger Punk auf einer der Bänke des Parks sein Quartier errichtete. Auf dieser saß er nun, bzw. hing mit dem Gesäß am äußersten Rand der Sitzfläche, den Oberkörper dabei soweit zurückgeworfen, dass er sich anlehnen konnte. Seine ungestümen, blauen Haarfransen im Irokesenschnitt nach vorne gestylt. Und das dunkle Nackenhaar, ca. ab Ohrhöhe bis zum Bauchnabel lang gewachsen. Mit Springerstiefeln, kurzer Hose und ’nem Achselhemd, allesamt recht abgegammelte Klamotten. In dem Moment als der Chinese langsam seinem Weg folgte, welcher ihn auf den Punk zu bewegte, setzte sich dieser interessiert auf. Durchdringend beobachtete er den kleinen, schmalen Körper, der unter dem leichten Herbstmantel versteckt war. Das zu Boden gerichtete Gesicht, die kurzen, dunkelvioletten Haare und ganz besonders den Spike am Hinterkopf. Er war sich nicht sicher einen Punk vor sich zu haben oder nicht. Leicht genervt hob er die Oberlippe. In diesem Augenblick schaute der Chinese auf, er kam nicht umhin die Hingabe mit der er beobachtet wurde zu bemerken. Auch er musterte sein Gegenüber, blieb dabei zwar nicht stehen, wurde aber langsamer. Die Blicke ließen nicht eindeutig schließen was sie voneinander hielten, war es nun Respekt oder Missgunst? Auf jeden Fall ein hohes maß an Interesse. Und dann brach der Chinese den Blickkontakt ab, da er nicht stehen blieb, sondern, wieder aufs ursprüngliche Tempo beschleunigt, an seinem Gegenüber vorbei ging und ihn alleine ließ. Nach diesem doch recht merkwürdigen Tag begegneten sie sich jeden Abend auf diese Art. Es wurde ihre Tradition, dabei grüßten sie sich nicht, machten keinerlei Gesten, nur das aufeinander Treffen ihrer Blicke war entscheidend. Und ein jedes Mal ging der Chinese unverrichteter Dinge am Punk vorbei, welcher ihm, ein jedes Mal, noch eine Weile nachsah. Doch eines Abends, als der Chinese seinen Heimweg ging, war die Bank leer. Kein Punk, keine blauen Haare, keine durchdringenden blauen Augen die ihn fixierten – Niemand!. Irgendwie stimmte ihn das traurig. Er kannte den Kerl zwar überhaupt nicht und diese Blicke waren ja weder von Bedeutung, noch irgendeinem Sinn. Es war auch nicht so, als dass sie ihn erheitern würden, er legte nicht mal einen Wert in sie, dachte er zumindest. Trotzdem war durch den fehlenden Blickaustausch der Tag nun unvollständig. Die Tage blieben eine halbe Woche lang unvollständig, ehe Ren sich dadurch so unwohl fühlte, dass er in einem Spaziergang nach Zerstreuung suchte. Es war bereits spät, er ging in der Dunkelheit etwas abseits des Großstadtgetummels, um in Ruhe nachzudenken. In der Uni lief es gut, er war weg von seinen grässlichen Eltern und hatte seine eigene gemütliche Wohnung; wo war das Problem? Warum fühlte er sich in letzter Zeit so merkwürdig? Er konnte es nicht mal in Worte fassen. Er fühlte sich so unausgeglichen, fast schon unvollständig. Und dann auch noch das verschwinden dieses Freaks, der ihm ja eigentlich scheiß egal sein könnte. Ren näherte sich dem Park, zweimal war er durch diesen bereits gegangen, es war sinnlos sich ein drittes Mal zu vergewissern ob die Bank leer war. Dann vernahm er ein wimmern, er horchte um festzustellen das es ein menschliches war. Er sah sich um, nur zwei Schritte weiter befand sich eine Gasse, in diese er jetzt spähte. Da lag die Quelle der Laute, ein kleines Häufchen Elend von einem jungen Mann. Der Chinese dachte an den Punk, er dachte allgemein an Punks; an Obdachlose und all die gesellschaftlich verstoßenen Seelen, die man besonders in Großstädten so häufig sah. Daran, dass er nie Mitleid mit diesen hatte, obwohl man das Elend an vielen ablesen konnte. Und an den Hohn mit diesem jene Menschen als „asozial“ bezeichnet wurden, dabei waren jene die so dachten die eigentlich Asozialen. Aber dies war halt Beweis der allgemein gängigen Meinung das „Opfer“ sei selbst Schuld. Aber, was könne er schon ändern? Die Tatsache nichts ändern zu können, verbunden mit der Gewissheit, dass solches Leid existiert war zu zermürbend. Also wollte er fortfahren wie bisher, dies, diese Gedanken und das aufkommende Mitleid, zu ignorieren. Er hatte kein Mitleid. Er war zu sehr damit beschäftigt selber mit seinem Leben klar zu kommen; und so ist es in der Welt, hier ist schließlich jeder selbst für sich verantwortlich! Als er gerade dem Häufchen Elend den Rücken zudrehen wollte, drehte dieses, von der Schwerkraft gelenkt, seinen Kopf zur Seite. Vorher lag das Gesicht in der Schwärze der Gasse, jetzt erst konnte Ren ihn als den Punk aus dem Park erkennen. Er hatte eine Platzwunde an der Stirn, das herunter gerannte Blut war bereits angetrocknet. Auch der restliche Körper sah mitgenommen aus, die Kleidung war teils zerrissen und lies auf Wunden blicken. In seinem kraftlosen Gesicht lagen die geschlossenen Augen tief herabgesunken in den Augenhöhlen und in dem fahlen Licht traten die Wangenknochen noch mehr hervor. Er sah erschöpft aus, fast tot und schrecklich abgemagert. Vor entsetzen vergaß Ren all seine Gedanken. „Hey! Lebst du noch?!“ stieß er hervor. Er lebte noch, schien auch nicht das Bewusstsein verloren zu haben, war aber unfähig sich zu rühren. Seine Kraft reichte nur für ein blinzeln. Ren war sich nicht sicher ob der Andere ihn wirklich erkannte, aber als sich seine Augen wieder schlossen zeigte sich ein kurzes Lächeln in seinen Mundwinkeln. Der Chinese bemerkte dabei das glitzern seines Unterlippen Piercings. Er schluckte schwer, ging in die hocke und griff nach der Schulter des Punks, sie war eiskalt. „Na los, reiß dich zusammen!“ Rens Stirn kräuselte sich, als auch nach Minuten keine Reaktion kam. Was tun? Schließlich war er ein vollkommen Fremder, der auf der Straße lebte. Wer wusste ob er nicht ein Verbrecher war? Nur weil sie einander täglich ansahen, hieß es nicht, dass sie irgendwas miteinander Verband. Ren hatte keine Verantwortung für ihn, schließlich war er nur eine der vielen ausgestoßenen Seelen, für die der Chinese kein Mitleid aufbringen konnte. Und doch wie er da lag, verletzt, hilfebedürftig und mitleiderregend. Ren konnte ihn dort nicht liegen lassen! „Komm, du musst aufstehen.“ Er versuchte ihn aufzurichten, vergebens. „Komm schon, Junge!“ stachelte er ihn an „Beweg dich!“ Mit schleppenden Bewegungen und schwerem Körper versuchte der Punk sich zu bewegen, seine Atmung wurde schwerer. Die Augen geschlossen hob er den Arm, um sich an dem was er griff, Rens Schulter, hoch zu drücken, dieser hielt den Arm unterstützend mit seinem eigenen. Der erschöpfte Leib entfernte sich leicht der Wand an welche er lehnte, doch die Hand glitt machtlos von Rens Schulter ab. Ehe der Rücken wieder gegen die Wand knallte, fing Ren ihn schnell auf. Nun hatte der Punk doch das Bewusstsein verloren. Leicht hoffnungslos seufzte er, ehe er den Leib auf seinen Rücken hief, um ihn zu tragen. Am Boden lag ein kleines Bündel, das Hab und Gut des Punks, auch dies hob er auf. Der Leib war leichter als erwartet, sie erreichten schnell das große Gebäude in dessen fünften Stock Rens Wohnung lag. Dort angekommen lies er den Punk auf seinem Bett nieder, er dachte daran das Bettzeug später waschen zu müssen, doch erst mal wollte er sich um die Verletzungen kümmern. Als er ihm die Stiefel auszog, bewegte sich etwas in der, auf Kniehöhe platzierten, Hosentasche. Eine Ratte lugte hervor und sah Ren an. Dieser erschrak und lies erst mal vom Punk ab; nein wie ekelhaft, wo kam denn jetzt dieses Ungeziefer her? Doch als er sah wie umsichtig sie um den Punk schlich und sein Gesicht anstupste, wusste er das sie sein Haustier sein musste. Er entsann sich auch, sie schon einige Male auf seiner Schulter gesehen zu haben. Aber was macht er jetzt mit ihr, er wollte sie eigentlich nicht frei durch die Wohnung rennen lassen. Er dachte daran sie in den Wäschekorb zu legen, von dort wird sie kaum abhauen können, doch als er seine Hand auf sie zu bewegte kam ihm ein anderer Gedanke: »Was ist wenn sie mich beißt?« Sich jetzt eine Krankheit einzufangen, darauf hatte er nun wirklich keine Lust. Er fuhr erst mal fort den Punk seiner Kleidung zu entledigen und die Wunden zu reinigen und verbinden. Die stammten eindeutig von einem Kampf – einem unfairen Kampf. Er hatte viele Schnittverletzungen und Blutergüsse, anhand ihrer Positionierung konnte Ren den Tathergang gut erschließen. Er ist sicher mit einem Messer in die Knie gezwungen worden und erst als er am Boden lag wurde auf ihn eingetreten. Wer konnte ihn nur so zugerichtet haben? Um gegen die Unterkühlung vorzugehen stellte Ren seine Heizung auf Maximalleistung und warf sämtliche Decken die er finden konnte über den halberfrorenen Leib. Da diese nicht sehr viele waren legte er noch seine Wintermäntel darüber. Die Ratte hatte es sich auf der Brust ihres Meisters bequem gemacht und da sie sich ruhig verhielt lies Ren sie in Ruhe. Seine Wohnung bestand nur aus einem Zimmer, einem Bad und einer Küche. Nicht viel, aber für einen Studenten reicht es. Er war schon froh, dass sein Schlafbereich von der Küche getrennt war, dass er nicht ständig die Gerüche dort hatte. Die Heizung leistete gute Dienste, also lief Ren alsbald nur noch in seiner dunklen Satin Boxershorts durch die Wohnung, die von einem Ying-Yan Symbol am linken Hosensaum geziert wurde. Nun widmete er sich dem kleinen Bündel, es war ein ganz einfacher Leinenbeutel. Neben einigen dreckigen Klamotten fand er Fotos und Briefe die anscheinend vom Punk geschrieben wurden, die er aber schnell wieder beiseite lag, die jetzt zu lesen wäre zu viel Eingriff in die Privatsphäre. Die Fotos besah er sich allerdings. Es schien ein älteres zu sein, ein pubertärer Punk, wenn nicht noch jünger. Hier noch ohne Irokesenschnitt, jedoch bereits mit blauem Haar, der breit grinsend aus dem Bild guckte. Neben ihm ein jüngeres Mädchen, das eingeschüchtert, oder eher, den Tränen nahe, in die Kamera sah, dabei an seinem T-shirt zerrte. Es war eindeutig Sommer, trotzdem war ihr ebenfalls blaues Haar durch ein winterlich dickes, mit Schnörkel geziertem Stirnband aus ihrem Gesicht gehalten. Und dann noch ein anderes, dass einen finster dreinblickenden Punk zeigte, allerdings war es nicht der Blauhaar. Er sah über die Schulter in die Kamera, hatte dunkle Dread locks mit allerlei Klimbim mit eingeflochten und ein geweitetes Ohrloch. Seine Augen waren auch nicht ein solch wunderschönes eisblau wie das des Freaks der da im Bett lag, sie waren dunkelbraun, wie die Haare. Unter den Sachen befand sich außerdem noch ein Holzstock, dem Verzierungen eingeschnitzt waren, mit dem der Chinese jedoch nichts anfangen konnte. Er legte die Objekte wieder beiseite und machte sich daran ein Wok Gericht zuzubereiten. Von dem Gewicht einer drückenden Wärme, wurde er langsam wieder zur Besinnung geführt. Der Freak sah sich um, wo war er? Da er sich aufsetzte plumpste seine Ratte von der Brust. „Kororo!“ rief er voller Freude ihren Namen, als diese durch den Sturz erwachte und von ihm geknuddelt wurde. „Wie schön du bist noch bei mir.“ Er setzte sie auf seine Schulter, wurde dann aber von dem Schmerz seiner Verletzungen eingeholt, sodass er sie auf seinem Schoß behielt. Nachdem er bemerkte wie gut er Verbunden war sah er sich im Zimmer um. Blickte er vom Bett direkt geradeaus sah er einige Haken an der Wand, an denen Jacken hingen und darunter verstreut Schuhe lagen, darunter auch seine Stiefel. Die Wand zu seiner rechten, an diese das Bett geschoben war, machte geradeaus blickend eine Biegung. Wahrscheinlich nur eine kleine Ecke hinter dieser sich die Haustür verbarg. An der Wand der Kleiderhaken waren zwei weitere Türen sowie ein Kleiderschrank und eine Kommode, auf dieser ein kleiner Fernseher stand. Wendete er seinen Blick nach links sah er zum Bücherregal sowie zur Fenstertür die den Weg auf einen Balkon freigab, dies war die Wand direkt gegenüber der Eingangstür. Links direkt neben ihm war ein sehr großer Schreibtisch, über dem ein Regal angebracht war auf dem einige dicke Ordner standen. Dies war die Wand an die das Kopfende des Bettes geschoben war. Die Möbel waren dunkel und sehr imponierend, an ihrem Stil erkannte man, dass es sich um Chinaimporte handeln musste. Unwillkürlich musste er an den Chinesen denken, den er nun so lang nicht mehr gesehen hatte. Entsprechend war er auch nicht überrascht als sich die weiter links liegende Tür öffnete und eben dieser aus ihr trat. Ihre Blicke trafen sich, der Punk fixierte den Anderen wie er mit einem Tablett in der Hand auf ihn zutrat. Am Bett angekommen stellte er dieses darauf ab und setzte sich wortlos dem Punk gegenüber. „Danke!“ Mehr wurde nicht gesprochen, es war das Erste das überhaupt zwischen ihnen gesprochen wurde. Und der Punk meinte dies nicht nur in Bezug auf das Essen, sondern auch auf seine Rettung. Ren blieb stumm, er nahm den Teller mit der um einiges kleineren Portion und begann zu essen. Der Blauschopf konnte nicht aufhören ihn mit den Augen abzutasten. Der dünne aber trainierte Körper, die blasse Haut, die Art und Weise wie er seine Hand zwischen Teller und Mund hin und her führte. Vor allem aber zog ihn die tiefe Narbe die sich Mitten auf seiner Brust auftat in den Bann. „Iss!“ verlangte der Chinese schließlich ohne hochzusehen, kurz bevor er seine Portion komplett vertilgt hätte. Der Punk widmete sich endlich dem leckeren Nudelwok Gericht, in das der Andere extra viel Gemüse und Fleisch hineingemischt hatte, und schlang es halb ausgehungert hinunter. Diese Chance nutzte Ren sich ein schwarzes Oberteil überzustreifen, er wollte dem Freak nicht auch noch seinen Rücken präsentieren, nachdem dieser bereits über die Vorderansicht so erschrocken war. Ferner schaltete er die Heizung aus, es war langsam wirklich warm genug hier drin. „Du willst dich doch bestimmt waschen?!“ „Hä?“ der Punk war etwas verdutzt. „So wie du aussiehst hast du schon länger keine sanitären Anlagen gesehen. Soll ich dir Wasser einlassen?“ „Und meine Verletzungen?“ „Die verbind ich dann noch mal neu.“ Erneutes Schweigen. Der Punk sah auf seinen Körper, so ein Bad würde jetzt wahnsinnig gut tun. „Du bist so nett zu mir...“ „Freu dich nicht zu früh, morgen werfe ich dich hier wieder raus.“ „Danke.“ „Jetzt sei mal nicht so unterwürfig und mach dich fertig fürs Bad!“ meckerte Ren, als er in eben diesen Raum ging um es für den Punk vorzubereiten. „Und das Vieh da wirst du auch waschen!“ zeigte dabei auf die Ratte. „Was? Kororo?“ der Sprechende sah auf sein Tier. „Quatsch, die macht sich selbst sauber, ist wie bei Katzen.“ „Wenn du hier bleiben willst nimmst du sie mit ins Bad!“ „Von mir aus kann ich sie waschen, aber während ich bade musst du auf sie aufpassen, den Temperaturen da drin hält sie nicht stand!“ „Was? Ich fass das Vieh doch nicht an!“ Der Punk machte ein Schmollgesicht „Hör auf mein liebes Haustier ein Vieh zu nennen! Sie heißt Kororo! Ko-ro-ro!“ “Wie kann sie ein Haustier sein, wenn du nicht mal ein zu Hause hast?” „Boah!“ mehr erwiderte er nicht, wollte in einem Satz das Bett verlassen, doch daran hinderten ihn seine Verletzungen. „Autsch!“ gab er von sich, als er sich wieder auf die Bettkante nieder lies. „Geht’s?“ „Jau, wird schon.“ Log er. „Muss ich im Bad auch noch neben dir sitzen und aufpassen das dir nichts passiert?“ recht bissig und zynisch die Frage von Ren. „Nein, du sollst auf Kororo aufpassen! An fremden Orten fühlt sie sich unwohl und dann wird sie auch noch von mir getrennt.“ er stand wieder auf, Kororo in seiner Hand haltend und trat auf Ren zu. Dieser war etwas überrascht und rührte sich deshalb nicht als der Blauschopf ihm näher kam. „Halt mal still.“ Gab er von sich, als er die Ratte auf des Chinesen Schulter absetzte, die dort den Nacken nutzte zwischen beiden Schultern nervös hin und her zu laufen. „Wuah, das kitzelt.“ „Aber es ist nicht schlimm, oder?“ „Nein“ „Siehst du, sie tut nichts. Nimm sie mal in die Hand.“ Ermutigte der Freak sein Gegenüber, der sich immer noch nicht traute. Also nahm er sie wieder von der Schulter und wollte sie auf Rens Hand setzen. „Nicht wahr meine Süße? Für dich ist es doch auch nicht so schlimm?!“ Kororo schnupperte noch mal an dem Gesicht ihres Herrchens, ehe sie sich auf Rens Hand setzen lies. Dieser besah sich das Tier, irgendwo war es ja doch niedlich. „Und was soll ich mit ihr machen?“ „Beschäftige dich mit ihr, Ratten sind gesellige Tiere.“ Damit schloss der Punk die Badezimmertür hinter sich. Ren lies sich auf sein Bett fallen und setzte Kororo vor sich ab, dass er sie im Blickfeld hatte. Dann ärgerte er sich als ihm ein Gedanke kam »Er hätte die Ratte zuerst waschen sollen!« Diese beschnupperte sein Gesicht, welches seinen nachdenklichen Ausdruck nicht verlor, da Ren wieder zu wichtigeren Themen kam, die er diesmal laut aussprach. „Muss es nicht wahnsinnig anstrengend sein auf der Straße zu leben?“ Er sah auf Kororo „Dir macht das ja nichts aus; aber ihm? Er ist so mager...“ So versunken bemerkte er auch nicht als der Blauschopf noch einmal aus dem Bad trat. Dieser hörte zwar die Worte, ging aber unauffällig auf sein Bündel zu, um einen kleineren Beutel herauszunehmen. Erst als Kororo in seine Richtung sah bemerkte der Chinese das seine Worte gehört wurden. »Ups, peinlich« doch der Punk ging nicht darauf ein, bemerkte nur das seine Klamotten nicht mehr da waren. Auf das verwirrte Gesicht reagierte Ren: „Deine Sachen sind in der Wäsche.“ „Echt? Super!“ „Das Handtuch, welches ich dir hingelegt habe, hast du bemerkt?“ „Jau!“ dann überlegte er kurz „sind die Wunden nicht zu frisch um jetzt zu baden?“ „Als ich dich behandelt habe hat sich bereits Schorf gebildet. Pass einfach auf das kein Schaum dran kommt! Und die Pflaster lässt du dran.... Komm, ich ersetze den Kopfverband durch einige Pflaster.“ Bei dem Vorschlag stand Ren auf um gesagtes in die Tat umzusetzen. „Was ist eigentlich passiert?“ Der Punk grummelte bei der Frage. „Was wohl, ich bin verprügelt worden.“ Da Ren spürte, dass die von seinem Gegenüber ausgehende Wut nicht gegen ihn gerichtet war hackte er weiter nach: „Ja, aber weshalb? So was passiert doch nicht ohne Grund.“ „Manchmal schon.“ Damit hatte er zwar recht, aber die Antwort war trotzdem nicht ausreichend zufriedenstellend, also fuhr er doch fort: „eine Gang hat es auf mich abgesehen.“ Ren schwieg dazu, klebte einige Pflaster auf die Stirn des Verletzten. „Bist du wirklich Obdachlos?“ gab er von sich, nach einer langen Zeit der Überlegung. „Was wird das; ein Frage-Antwort Spiel?!“ „Sorry, ich wollte nicht zu persönlich werden.“ „Ach, schon gut. Sorry auch von mir, wollte dich nicht anfahren...“ Erneutes Schweigen, ein irgendwie peinliches Schweigen. „Ja, ich bin Obdachlos. Es ist anstrengend, aber ich krieg’s hin.“ Der Blauschopf lächelte ermutigend, doch dies änderte nichts an dem sorgenvollem Gesicht des Chinesen. „Ich bin dann baden.“ Löste er die Situation auf und verschwand wieder im Angekündigten Raum. Erfrischt und sauber trat der Blauschopf aus dem Badezimmer, seine kahlen Stellen des Kopfes sowie des Unterkiefers waren nun wieder rasiert. Nur am Kinn lies er einige Stoppel als Bart stehen. Zu seiner Verwunderung war er in dem Zimmer alleine. Den Beutel mit seinem Rasierer warf er zurück zu seinen anderen Sachen, nutzte die Gelegenheit sich etwas im Raum umzusehen. Er sah auf die Ordner des Regals, »mh-hm, ein Student!« stellte er für sich in Gedanken fest. Dann sah er auf den sehr aufgeräumten Schreibtisch, auf dieser stand eine Uhr »Schon elf ..« Nun ging die Eingangstür auf, der Chinese trat mit einem Wäschekorb in der Hand hinein. „Sie hat sich ja schnell an dich gewöhnt!“ gab der Punk von sich, als er seine Ratte auf Rens Schulter sitzen sah. „Ja, sie war total brav! Sogar unten im Wäschekeller.“ „Ähm...apropos, kannst du mir was zum anziehen geben?“ grinste er dann entschuldigend, während Kororo wieder ihren Weg auf seine Schulter fand. Ren gab ihm eine aus der Kommode gefischte Boxershorts, schließlich wollte er auch nicht, dass der Blauschopf den restlichen Abend im Handtuch bekleidet blieb. Dann schmiss er sich erneut auf sein Bett, erst als er die Augen schloss merkte er die eigene Müdigkeit und vergas vollkommen, dass er einen Gast hatte. „Und wo schlafe ich?“ erinnerte dieser ihn jäh daran. Rens Augen weiteten sich, darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht und einen Futon besaß er auch nicht. Doch der Punk wäre kein Punk wenn er nicht einen dreisten Charakter hätte. Schon saß er neben dem Chinesen „Rück ’n Stück!“ wies er ihn sogar noch an. „He!“ rückte aber trotz der Beklage zur Seite. „Soll ich doch heute schon verschwinden?“ Ren wurde ein bisschen kleinlaut „Deine Haare sind nass, dann erkältest du dich!“ Rens Bett war schließlich groß genug für zwei Leute, also war das schon okay. Er linste noch mal zum Punk, zu seinem mageren Körper dessen Knochen gut sichtbar waren und zum nassen hellblauen Haar das nun zu einer Seite gelegt war. Wieder blitzten seine Piercings, neben dem an der Lippe, war noch eins an der Augenbraue und sogar eins am Nippel. „Aber du stehst auf und machst das Licht aus!“ Und während der Blauschopf der Aufforderung nachging dachte Ren erneut an das bisher nicht stattgefundene Bad der Ratte. Doch das war ihm egal, seine Priorität galt im Moment seiner Müdigkeit, er hätte keine Geduld zu warten bis dies auch noch erledigt wäre. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in ihm breit, bei dem Gedanken einen vollkommen Fremden neben sich liegen zu haben. Dies müsste eigentlich beängstigend sein, doch konnte Ren diesen Gedanken sehr gut verdrängen. Er hörte das rascheln der viel beschäftigten Ratte und den Atem ihres Meisters. Es war ausreichend Platz zwischen ihnen, dennoch merkte er die Präsenz dieser Person. Und Obwohl es jemand Fremdes war, fühlte er sich wohl dabei. Seine Müdigkeit reichte nicht aus ihn schnell ins Land der Träume zu führen, doch war sein Weg dorthin angenehm wie nie zuvor. Kapitel 2: Pinguin ------------------ >>Ich kenne gar nicht seinen Namen.« Ren schlenderte Gedanken versunken auf dem Gehweg, diesen mit seinen Augen fixierend. »Wie dumm bin ich eigentlich? Lasse einen Fremden bei mir schlafen aber frage nicht nach dem Namen....« Er befand sich auf dem Weg zur Uni, allein. Er hatte seine Ankündigung eingehalten den Punk am nächsten Morgen rauszuwerfen. Nur ein gemeinsames Frühstück gönnte er den Beiden, ehe das Zahlenbild der Uhr von ihnen verlangte das Haus zu verlassen. Unterwegs trennten sie sich recht bald, da der Punk von sich behauptete einige seiner Sachen in einem leerstehenden Gebäude gelagert zu haben und dort nun nach dem Rechten sehen zu wollen. Dies war wohl der Grund weshalb er seit längerem auf der Parkbank nicht auffindbar war; in dem Gebäude hatte er zumindest ein Dach überm Kopf. »Das ist doch sonst nicht meine Art....« Es fand keine Absprache eines Wiedersehens statt, nicht mal ein vernünftiger Abschied. Nur das süße Lächeln des Blauschopfs, als er sich erneut Bedankte, brannte sich, zusammen mit dem warmen Farbenspiel der aufgehenden Sonne, in Rens Gedächtnis. »Er hat allerdings auch nicht nach meinem Namen gefragt.« Auf eine für ihn unerklärliche Weise wurde er dadurch schwermütig. Sie waren einander sympathisch, daraus könnte sich durchaus eine Freundschaft entwickeln. Das wäre wünschenswert, schließlich hatte Ren nicht viele Freunde. Vielleicht trug er daran aber auch selber Schuld, schließlich war er es, der die Leute von sich fern hielt. Dies geschah nicht immer bewusst, doch war es seine feindselige, arrogante und desinteressierte Art durch diese er sich selbst sabotierte. Obwohl er seine ihm durchaus bekannten Charaktereigenschaften auch häufig genug beabsichtigt so einsetzte. Drei Tage lies er verstreichen ohne die Bank aufzusuchen. Er machte sich zwar große Sorgen um den Punk, insbesondre wegen der Verletzungen... doch ihm zu begegnen würde sicher zu einer befangenen Situation führen. Solange Ren nicht wusste wie er dann reagieren sollte, wollte er diese Situation nicht herbeiführen. Darüber hinaus könnte es genauso gut sein, dass der Punk wieder nicht vorzufinden sei. Ren wüsste noch weniger wie er mit dieser Enttäuschung umgehen sollte, wenn ihm in diesem Moment bewusst werden würde den Punk eventuell nie wieder zu sehen. „Hey, Intelligenzbestie!“ sein Studienkollege Seiji riss ihn aus seinen Gedanken, als er sich mit diesen Worten zu ihm saß. Eigentlich hasste es Ren so genannt zu werden, trotzdem sagte er diesmal nichts. Zu dritt saßen sie an einem der Mensa Tische, um gemeinsam zu essen und nebenbei etwas zu lernen, obwohl es eher ein ausnutzen von Rens Intelligenz war. Schließlich hatte er diesen Spitznamen nicht umsonst bekommen und das als jüngster Student dieser Lehranstalt. Wie jeden Dienstag trafen sie sich in der Pause zwischen den zwei Vorlesungen; eine Stunde Pause war schließlich zu lang um sie nutzlos totzuschlagen, aber zu kurz um deswegen nach Hause zu gehen. Das Essen hier war zwar nicht das leckerste, aber günstig, und bot zumindest den Vorteil dem Aufwand selber etwas zuzubereiten zu entgehen. Ren stopfte sich was vom Salat nach einigem stochern an seiner Gabel hängen blieb in den Mund. „Also, rekapitulieren wir was Prof. Makamoto gesagt hat...“ begann Yumi die heutige Vorlesung zusammenzufassen. Sie waren zwar erst im dritten Semester, trotzdem bemerkte man bereits wie sehr ihnen das ‚Rechnungswesen’ zu schaffen machte. Nach einer kurzen Weile begann Ren ihr zu erklären wie die heute besprochene Rechnung zu verstehen sei. Er hatte nicht das Gefühl sich ausnutzen zu lassen, auf diese Art lernte er schließlich auch etwas, und immer noch besser als die Stunde alleine zu verbringen. Yumi folgte den Erklärungen, blickte aber immer wieder irritiert zur Seite, auch Seiji lies sich davon ablenken, nur Ren ignorierte dies gekonnt. Bis die 21 jährige etwas verlauten lies: „Hey, beobachtet der uns?“ sie flüsterte es leicht verunsichert und deutete mit einer Kopfbewegung zur Person die sie meinte. „Nicht uns, sondern Ren.“ Fügte Seiji hinzu, worauf der Chinese skeptisch aufsah und seinen Kopf in die angedeutete Richtung schwang. Jetzt sahen alle drei auffällig zu dem Blauschopf herüber, der mit zufriedenem lächeln an einem der Tische saß ca. 10 Meter von ihnen entfernt. Und da Ren ihn endlich bemerkt hatte wurde sein lächeln noch breiter und er hob seine Hand zum winken. „Kennst du den?“ wurde Ren sofort gefragt. Die beiden sahen den Gefragten verunsichert an, schließlich würde niemand von einem so feinen Herren wie Ren erwarten mit einem so zerzausten Kauz abzuhängen. Dieser war selber sehr überrascht, versteckte dies auch im Tonfall seiner Antwort nicht: „Naja, mehr oder weniger.“ Der Punk stand auf und ging auf das Grüppchen zu. „Was heißt ‚mehr oder weniger’?“ Yumi schien sich sehr unwohl zu fühlen, ihre Stirn lag in Falten, da sie ihre Augenbrauen nicht stoppen konnte aufeinander zuzurennen, während sie weiterhin missbilligend zum Punk sah. Auch der Chinese konnte nicht anders als seinen verdutzten Blick auf den Blauschopf zu belassen, ein Gefühlsgemisch aus Freude und Verunsicherung wuchs in ihm. „Man, Ren, jetzt sag schon!“ doch dazu blieb ihm keine Gelegenheit mehr, da der Punk bereits bei ihnen angekommen war. „Hi!“ wieder sein sehr zufriedenes Lächeln unterstützt von einem tiefen eisblauen Blick „Du heißt also Ren...“ Der Angesprochene fasste sich wieder und lies einen kurzen Luftstoß etwas lauter seiner Nase entkommen, sollte wohl ein Lachen sein, er konnte nicht anders denn zu schmunzeln. „Ja, genau. Ren Tao.“ Er behielt ein draufgängerisches Grinsen im Mundwinkel und sah selbstbewusst zum Freak herauf. Wer hätte das erwartet, ausgerechnet hier in der Uni traf er zufällig .... Moment mal! Ein Zufall war gänzlich ausgeschlossen, was wollte der Punk denn in der Uni, wenn nicht IHM begegnen?! Damit sei nicht behauptet, unter den Studenten gäbe es keine Punks, doch stand ja bereits fest, dass dieser hier nicht zu diesen zählte. Hatte sich der Chinese jetzt etwa einen Stalker eingefangen? Selbst wenn, es wäre ihm egal gewesen, er war einfach nur froh, dass er den Freak doch noch mal zu Gesicht bekam. Genauso darüber, dass dieser sich wohl die selben Gedanken gemacht hatte wie er selbst. Der Blauschopf nahm sich einen Stuhl, drehte ihn um und setzte sich mit der Lehne zwischen den Beinen drauf, sodass er sich mit den Armen auf dieser abstützen konnte. „Und wie heißt du?“ nahm Seiji Rens Frage vorweg. Nur kurz lies er seine Pupillen zur Person wandern die sich eben erdreistete sich in ihr Gespräch einzumischen, sein Blick verfinsterte sich dabei. Dann sah er wieder freundlich zum Chinesen, antwortete als hätte dieser die Frage gestellt: „Horohoro.“ „Und weiter?“ auch Seiji schien nicht sehr begeistert von dem Blauschopf. „Tut doch nichts zur Sache.“ „Ich will’s aber auch wissen“ gab Ren von sich. „Horohoro Usui. Reicht auch das Horo nur einmal zu sagen.“ Stellte er sich darauf vollständig vor. Die Beiden grinsten sich eine Weile an, bis Ren den Schorf der noch nicht geheilten Wunde an der Stirn seines Gegenüber entdeckte. „Hast du keine Pflaster?“ gab er darauf gespielt genervt von sich. „Tz...“ Horo war sichtlich amüsiert, „Woher denn bitte?“ „Und wie geht’s dir sonst so?“ „Mhh... also jetzt definitiv besser...“ Wieder das alles sagende Grinsen, sowie, von Beiden unbemerkt, eine Eifersüchtige Miene in Yumis Gesicht. Nur Seiji war sich noch der Realität bewusst und blickte auf seine Uhr „Leute, wir haben nur noch ’ne viertel Stunde und haben gleich bei Mr. Überpünktlich!“ „Lernen können wir nächstes Mal weiter, und in zehn Minuten loszugehen reicht auch aus.“ Warf Ren in diesen versteckten Appell ein, wurde aber von Seiji eines Besseren belehrt: „Nicht wenn du einen guten Platz erhaschen möchtest.“ Darauf stand Yumi überstürzt auf: „Also; ich geh schon los, muss noch aufs Klo!“ Genauso überstürzt verlies sie darauf die Mensa. Seiji hingegen hörte nicht auf seinen eigenen Appell und blieb sitzen. „Woher kennt ihr euch?“ Eine schwierige Frage für Ren, wollte er nicht die Wahrheit sagen. ‚Freunde’ konnten sie ja kaum sein, haben sie sich doch erst vor zwei Minuten Namentlich beieinander vorgestellt. Für Horo schien das Ganze einfacher: „Ren ist mein Held in strahlender Rüstung!“ meinte er theatralisch gestikulierend. „Hä?“ „Jab! Er hat mir geholfen als ich halbtot auf der Straße lag.“ „Wusste gar nicht das unser Stachelkopf so selbstlos sein kann!“ „Haha!“ der Freak musste einfach loslachen „Stachelkopf, das gefällt mir!“ „Musst du gerade sagen, Freak!“ giftete dieser Stachelkopf ihn darauf an. „Ach komm, jetzt tu doch nicht so böse!“ reagierte Horo, als hätte er Rens Spiel durchschaut. Nach dieser lockeren und fröhlichen Verhaltensweise war er Seiji wieder sympathischer geworden, er blickte erneut auf seine Uhr. Konnte aber nichts sagen da das Gespräch durch Horos Magenknurren unterbrochen wurde, der darauf etwas verlegen reagierte „Hehe, sorry!“. Trotzdem konnte er seinen gierigen Blick auf die immer noch recht große Portion auf Rens Tablett nicht verbergen. Dieser seufzte „Willst du was ab haben?“ „Liebend gerne!“ damit riss er die Gabel aus Rens Hand und begann zu essen, das Tablett dabei auf seinen Platz belassend, sodass er jeden Bissen umständlich über den Tisch führen musste. »Ich wollte ja auch vielleicht nicht noch selbst etwas essen?« dachte Ren, der die Gabel jetzt kaum zurück nehmen würde, nachdem sie bereits mit Horos Speichel benetzt war, und deshalb das Tablett in die Tischmitte schob. Da ihn kein knurren mehr unterbrechen konnte sprach Seiji seinen Satz: „Ich gehe dann auch schon los.“ „Halt mir ’nen Platz frei.“ Bat Ren noch, ehe der Blonde die Beiden alleine lies. „Woher wusstest du...?“ begann der Chinese schließlich, ohne seine Frage beenden zu können „Naja, diese Uni ist die einzige in unserem Stadtbezirk die internationales Management anbietet, ich wusste also wo ich zu suchen habe.“ Erst nach Beendigung des ersten Satzes schluckte er seinen im Mund bearbeiteten Bissen herunter. „Man, das macht echt Hunger den ganzen Tag in der Mensa zu sitzen und zu warten“ „Du bist ’n richtiger Trottel!“ Ren lachte dabei kurz und nasal „Was war dein Plan, hier solange sitzen bis du mir begegnest?!“ „Genau! – äh, bzw. nein! Ich wollte am Eingang warten, aber davon gibt’s ja so viele! Und dann bin ich durch die Uni gerannt... aber das ist ja genauso sinnlos! Erst dann hab ich mich hierher gesetzt. Naja ist doch egal, es hat ja geklappt!“ der Punk zeigte seine Freude wieder in einem Lächeln, nachdem er seine sehr lauten Erklärungen beendet hatte. „Außerdem kenn ich jetzt auch mal deinen Namen!“ Auch Ren verbarg seine Freude über dieses wiedersehen nicht, musste sich aber erst an die Lautstärke dieses Kerls gewöhnen. Er schien gar nicht zu merken wie laut er war, schien sich seiner Umwelt nie so wirklich bewusst. „Also!“ begann der Punk wieder, immer noch beim sprechen nicht darauf achtend wie viel Essen sich in seinem Mund befand. „Ich möchte mich irgendwie bei dir bedanken! Wie du dir vorstellen kannst hab ich keine Kohle... also, dir was zu schenken oder sonst was...“ „Das ist doch auch gar nicht nötig!“ „Na-na, doch das ist es! Naja jedenfalls dachte ich, vielleicht verbringen wir etwas Zeit miteinander bis mir was eingefallen ist?“ Ren musste schmunzeln, jetzt bediente sich der Kerl doch Tatsächlich eines Vorwands! War es nicht offensichtlich das sie Beide gleich fühlten mit dem Wunsch einander kennen zu lernen? „Okay, die Vorlesung dauert gut zwei Stunden, hast du dann Zeit?“ „Jau, hab ich. Willste nichts mehr?“ der Punk deutete aufs Essen. „Nein.“ Lehnte er das Essen ab. „Alles klar, dann beim Haupteingang, ja?“ „Wenn du mir sagst welcher der Haupteingang ist.“ Der Dunkelhaarige gab ihm eine Beschreibung dieser, während Horo seine Portion vertilgte. Darauf musste der Chinese sich beeilen die Vorlesung noch rechtzeitig zu erreichen. Dieses mal hatten sie zumindest ein Wiedersehen vereinbart, und da es ja bereits in einigen Stunden war dürfte nichts schief gehen. Die Info was er studierte wird sich der Freak bestimmt von seinen Ordnern seines Regals abgeleitet haben. Schließlich ruhte darauf neulich sein Blick, als Ren aus dem Wäschekeller wiederkam. Glücklicherweise haben ihm seine Kollegen wirklich einen Platz freigehalten, und da nun Konzentration gefordert war geriet er auch nicht in Erklärungsnot. Der Punk wartete tatsächlich zwei Stunden später am Haupteingang. Kororo saß wie so häufig auf seiner Schulter, er schien zumindest ansatzweise Vernunft angenommen zu haben, sich bei dem kälter werdenden Wetter endlich eine Jacke anzuziehen. Zwar eine dünne aus Leder, aber immer noch wärmer als die Achselhemden und T-shirts. Trotzdem kombinierte er dazu eine kurze Hose, Ren fröstelte dies schon beim Anblick. Er trat aus dem Gebäude heraus, auf den Killernieten verzierten Kerl zu, der keck an einer der Säulen des Vordachs lehnte, eine selbstgedrehte Zigarette in der Hand. „Willste auch?“ er hielt ihm das brennende Röhrchen Papier entgegen, eingeklemmt in Zeige- und Mittelfinger. Ein süßlicher, starker, im Abgang etwas stechender Geruch wehte dem Studenten entgegen, der darauf angeekelt die Nase rümpfte. „Ist das Marihuana?“ Etwas über diese Reaktion überrascht zog der Punk seine Hand wieder zurück. „Ja... also eigentlich ja bloß Hasch...“ Sagte es fast emotionslos, ehe er noch mal einen Atemzug durch den Joint sog, die Augen dabei auf Ren belassend. „Bist du wahnsinnig; direkt vor der Uni?!“ wie konnte Ren diesem Idioten nur so etwas wie Vernunft unterstellen? Ihm war als müsste er nun an dessen Verstand zweifeln. „Was denn, ihr Studenten seid doch die Haupteinnahmequelle sämtlicher Dealer. Das kratzt hier keinen... “ „Und zu denen gehörst du wahrscheinlich auch noch?!“ „Nein, aber reg dich ma’ ab...“ „Man, lass lieber schnell von der Uni weg, ehe Jemand was merkt!“ mit diesen Worten scheuchte er den Punk auf und sie gingen langsam los. Da der Joint allerdings schon am Ende war schnippte er diesen achtlos von sich. „Nimmst du noch andere Sachen!?“ Ren hatte kein Problem damit seinen Ärger zu zeigen, obwohl es ja eigentlich die alleinige Entscheidung des Punks war, was er tat. „Nein, aber... ach komm ey, wegen dem bisschen kiffen kannste doch jetzt nicht ernsthaft sauer sein?“ argumentierte der Punk genervt los, soweit man dies als argumentieren bezeichnen konnte. „Schon gut.“ Doch überhaupt nichts war gut, wer wusste schon ob er die Wahrheit sagte? Nachdem Ren ja offensichtlich eine Abneigung gegen Cannabis und seine Erzeugnisprodukte hatte, würde der Punk andere Drogen, gesetzten Fall er nahm sie, kaum zugeben. Aber für den Moment sollte dies egal sein. „Nur bleib mir mit brennenden Gegenständen fern, da hab ich ’ne Allergie gegen!“ Der Blauschopf sah den Kleineren an, seinen unglücklichen Gesichtsausdruck. Fremde zeigten einander nicht ihre Wunden, erst recht nicht die frischen, noch blutenden. Erst mal musste man sich ja kennen lernen, ganz beharrlich an der Oberfläche kratzen, auch auf die Gefahr hin selber Wunden zu hinterlassen. Das wussten Beide und entsprechend verhielten sie sich. Nicht zuviel fordernd, nicht zuviel fragend. Ren hatte sich schon von alleine wieder beruhigt: „Und wohin?“ „In ’nen Park, aber ’nen andren als sonst...“ „Alles Klar.“ Sie spazierten drauf los, Ren steuerte schnell auf einen Park zu, einen der ihm ebenfalls gefiel und der groß genug war, darin eine Weile auf und ab gehen zu können, ohne das es langweilig würde. Obgleich der Student noch am Verstand des Punks zweifelte war er auch neugierig auf eben diesen. Was war das für ein Kerl? Dem seine Umwelt und Manieren so vollkommen egal schien, der sich aber trotzdem um jeden Preis bei ihm bedanken wollte. Und warum lebte er auf der Straße? Wie ein echter Punk um der Rebellion Willen? Oder war er ein gesellschaftlich Verstoßener? Ren war zwar wahnsinnig neugierig, aber Jemanden auszufragen war nun überhaupt nicht seine Art, also schwieg er, er wollte ja auch nicht zu persönlich werden, schließlich könnte er auf eine Wunde treffen. Sie redeten über dies und das, nebensächliches, oder besser gesagt oberflächliches. Über ihren Musikgeschmack, der sich überraschenderweise in mehr Punkten ähnelte denn gedacht. Darüber das Ren erst seit einem Jahr in Japan lebte, Aufgrund seines Studiums. Japanisch hatte er bereits vorbereitend darauf in China gelernt. „Ist dir nicht kalt?“ Ren war immer noch nicht darüber hinweg wie cool der Punk die Temperaturen wegsteckte. „mh? ... sollte es denn? ...“ „Naja sie mich an, mit dem Mantel und so ...“ „Bist wohl ’ne Frostbeule?“ der Punk grinste spöttisch „Dabei haben wir erst ende September, was machste im Dezember; eingemummelt laufen wie die Eskimo?“ „Mpf! Du musst aber zugeben, dass es für September ungewöhnlich kalt ist!“ Der Blauschopf hob nur die Achseln, machte dazu ein beschwichtigendes Gesicht. Nach einer kurzen Pause erklärte er: „Keine Ahnung... find’s nicht kalt. Vielleicht bin ich’s nur noch gewohnt, von Hokkaido.“ „Hokkaido?“ „Jau, da komm ich weg“ „Was machst du dann hier?“ der Punk gluckste leicht gestellt: „Ich bin halt schon ’ne Weile unterwegs. Was denkst denn was ich den ganzen Tag auf der Straße mache, da versucht man halt rum zu kommen.“ Er grinste wieder und er sah wirklich gut aus wenn er grinste, sein Piercing glitzerte dann immer. „Aha. Und wie lange bist du schon in Tokyo?“ „Ne weile ... bleib auch erst mal hier.“ Wie einfach der das Alles sagte, als wäre seine Lebenssituation die normalste der Welt. „Dann sag doch mal; was machste so auf der Straße?“ Jetzt fragte Ren doch nach und übernahm sogar noch die Spracheigenarten seines Gegenübers... „Das Beste daraus machen...“ er überlegte kurz „das würde ich ja zu gerne sehen...“ „Hä? Was?!“ „Na dich eingemummelt wie ’n Eskimo, du watschelst dann bestimmt im Pinguin-Style durch die Gegend.“ Er grinste breit in sein Lachen herein. Hatte es tatsächlich geschafft auf so einfache Art das Thema zu wechseln, Ren vollends zu irritieren. „Woher willst du das wissen?“ Seine Stimme klang eigentlich leicht gereizt, fast gekränkt, weshalb er versuchte sein kichern zu unterdrücken, als er sich diesen eingemümmelten Watscheltanz bildlich vorstellte. Wollte schließlich nicht zugeben wie recht der Punk hatte. Dieser konnte das Gefühlsgemisch aber sehr gut von Rens Gesicht ablesen. „Aha, auf einmal empfindlich?“ und wieder grinste er, Ren sehr gut durchschauend, hatte er doch durch die Jahre auf der Straße eine außerordentliche Menschenkenntnis bekommen. Begann dann sich wie ein Pinguin fortzubewegen: „Nag, Nag“ watschelte vor sich hin „brrr! Mir ist ja soooo kalt....“ schüttelte sich bei den Worten, die Schultern anziehend und watschelte dann weiter. Es war niedlich und witzig: eine echt gute Parodie. „Halt die Klappe, du Schneetrottel!“ Ren machte ein bitterböses Gesicht, wollte den Trottel dadurch zum schweigen bringen. Ihm zeigen das er ganz und gar nicht lustig war. Obwohl er somit log und er sein Lachen lediglich hinter diesem Gesicht versteckte. Als der menschliche Pinguin diesen finsteren Blick bemerkte riss er die Augen auf: „Aahh, Todesblick!“ und viel sofort um, gab dabei noch ein paar krächzende Laute von sich. Er spielte einen sterbenden Pinguin, der von Rens Blick umgekommen war. Das war zuviel, das sich dieser Freak nur wegen seiner dummen Show einfach in den Dreck warf und dann auch noch seine Albernheit... Rens Fassade bröckelte und er prustete los bis er in lautes Lachen verfiel. Ein echtes, nicht spöttisches Lachen, von dem er sich selbst nicht erinnern konnte wann es das letzte Mal so klang. Der Punk sah sehr glücklich aus sein Ziel endlich erreicht zu haben. Er hätte dem Lachen mit Freuden noch länger gelauscht, aber es währte nur kurz. Zumindest hinterlies es ein grinsen auf seinen Lippen. Der Chinese war richtig aufgeblüht, schneller als er sonst brauchte, oder ... war er überhaupt jemals so aufgeblüht? Er half dem armen totem Pinguin noch auf die Beine, ehe sie ihren Spaziergang und ihre Unterhaltung fortführten. Ihr Umgang war locker, freundschaftlich, als würden sie sich schon ihr Leben lang kennen. Dabei fielen auch häufiger liebgemeinte Beleidigungen und gestellte Streitereien. Aber die Themen blieben Allgemein. Horo sprach vom Snowboarden, seinem Hobby und Ren erzählte von seinem Pferd, das er nun vernachlässigen musste, da es ja zwangsweise in China geblieben war. Nachdem der Punk so gekonnt vom Thema seiner Lebensverhältnisse abgelenkt hatte, versuchte Ren es nicht erneut diesbezüglich irgendwas herauszufinden. Obwohl er sich schon wunderte, wie schaffte der Kerl es zu überleben? Ren hatte ihn noch nie unter den anderen Schnorrern in der Stadt gesehen, was ihn eigentlich erleichterte, da er zu diesen häufig unfreundlich war, es wäre schade wenn Horo dort einmal mit dabei gewesen wäre. Aber wenn er weder dealte noch schmarotzte... was blieben einem da noch für Einnahmequellen? Aber naja, er sagte ja er käme klar, also brauchte Ren auch kein schlechtes Gewissen zu haben sich am Abend zu verabschieden, wohlwissend, dass er nun im warmen Bett schlafen würde, während der Punk nichts weiter als sein erwähntes altes Gebäude hatte, in diesem wohl nicht mal eine Matratze existierte. Wenigstens war dieser Park nun ihr neuer Treffpunkt, sie sahen sich Tags drauf wieder, am Donnerstag dann nicht, das wäre dem Studenten zu stressig gewesen, aber am Freitag ... Kapitel 3: Punks ---------------- Er saß auf einer Bank, die Ratte seines Kollegen bei sich, lies sie von einer Hand auf die andere rennen, indem er die freigewordene Hand immer direkt vor ihr positionierte. Erwähnter Kollege war kurz in den Büschen verschwunden, das 60 Yen (40 cent, also null quali xD“) Bier musste wieder raus, glücklicherweise auf natürlichem weg. Der Chinese ekelte sich, dass der Kerl gleich mit ungewaschenen Händen zurückkehren würde, obgleich er ganz genau wusste, dass die Ratte die er nun selber in Händen hielt um einiges verseuchter mit Krankheitserregern war, denn Horos Hände überhaupt sein könnten. Und er musste ja auch dem Punk einräumen, dass auch er selbst bereits häufig genug in Büschen verschwunden war, wenn es halt nicht mehr anders ging. Er konnte nicht anders als wieder über Horos Lebensart nachzudenken. Er wusste noch immer nicht wie freiwillig dieses Leben war, aber es musste doch grässlich sein. Keine Stelle sich zu waschen, ständige Wetterabhängigkeit und Hunger, oder wo bekam Horo nun sein Essen her? Nicht mal bei Ren hatte er besonders viel geschnorrt, nur wenn er bemerkte, dass er etwas aß bat er um einige bissen, mehr nicht. Hatte kiffen nicht sonst die Auswirkung, dass die Leute erstrecht Hunger hatten? Bei ihm anscheinend nicht... Ren konnte ja nicht ahnen wie sehr sich der Punk zusammenriss von ihm nicht zu viel zu schnorren. Er wollte ihn dadurch nicht belästigen und auch nicht den Eindruck vermitteln er würde ihn ausnutzen. „Hey!“ er rieb seine Hände an seiner Hose, sah den Chinesen an, der keine Anstalten machte ihm sein Haustier wieder zu geben. Er setzte sie sogar auf seine eigene Schulter, was ja schon fast einem Hohn gleichzusetzen war. Aber an sich war es nicht verwunderlich, Ren hatte Kororo doch sehr lieb gewonnen. „Heyy...“ dieses mal ein missbilligender Tonfall „Gib mir meine Freundin zurück! Nicht hier Fremdgehen!“ machte dazu einen Schmollmund, den konnte er besonders gut. „Tja, sie mag dich wohl nicht mehr.“ Mit Kororo konnte man den Punk am besten ärgern, sie war ihm als einzige Begleitung halt enorm wichtig. „Du... könn’ wir kurz bei mir vorbei?“ „mh?“ „Zu dem Gebäude von dem ich erzählt habe..“ „Klar.“ Rens Neugierde war zu groß um irgendwelchen Bedenken Beachtung zu schenken. „Aber wunder dich nicht, zwei Kollegen von mir bauen was an ... also ... wenn du da dann....“ „Ja, ist okay“ zwei ‚Kollegen’ bauen was an? Und er hatte also mit den Pflanzen dann nichts zu tun? Ja, na klar! „Ne.., ja ... weil du das ja nicht so magst und so ...“ „Schon gut, aber warum willst denn jetzt auf einmal dahin?“ „Hab was vergessen.“ „Mh, was denn?“ „Siehst du dann!“ der Punk tat etwas geheimniskrämerisch. „Sag!“ „Vergiss es!“ „Dann brauche ich ja auch nicht mitzukommen...“ „Ne brauchste auch nicht, wird dir da eh nicht gefallen. Aber gib mir Kororo wieder!“ Horo lenkte aber schnell ein. Was sollte Ren denn damit anfangen, wollte er nun das er mitkam oder nicht? „Ich sage, sie mag mich lieber als dich, also bleibt sie jetzt bei mir.“ Der Chinese stand auf, ging in die entgegengesetzte Richtung die der Punk vorher durch Gesten als die zu seinem ‚Haus’ andeutete. Natürlich meinte er es nicht ernst, er war schließlich wissbegierig auf Horos Lebensverhältnisse, und was wollte er denn schon mit einer Ratte? Aber jetzt direkt mitspielen ... ne! Das wäre viel zu langweilig, es war doch viel lustiger den Punk vorher noch ein bisschen auf die Palme zu bringen. „HEY!“ Der Blauschopf wusste gar nicht wie ihm geschah, er sprang dem Chinesen schnell hinterher: „Das grenzt ja schon an Kindesentführung!“ „Du hattest also was mit einer Ratte?!“ der Student zeigte ein böses grinsen. Horo hatte ein echtes Talent dafür ihm solche Vorlagen zu servieren die Ren nutzen konnte ihn zu verspotten. „Ahrg“ der Freak regte sich mal wieder über seine eigene Dummheit auf, erwischte Ren endlich an der Schulter „ich mein es ernst!“ zeigte dann sein Kugelfisch Gesicht, den Schmollmund. „Ist ja schon gut!“ Der Chinese musste seine Augen verdrehen, eine Angewohnheit von ihm. „Es geht hier lang“ Horo zeigte mit der freien Hand in die andere Richtung. „Ich dachte ich soll nicht mit?“ reagierte Ren darauf verwirrt. „Ohne Kororo geh ich nicht, solange du sie nicht hergibst musst du also mit!“ was für eine wirre Argumentationsstruktur, war es nicht der Punk der als erstes einlenkte Ren sollte nicht mitkommen? Und auf einmal wollte er Kororo nicht mehr um jeden Preis bei sich haben? Der Chinese sah auf das Tier, welchem inzwischen wohl ziemlich egal war bei wem der Beiden es sich aufhielt. Ren wollte seine Neugierde nicht zugeben, also war Kororo doch der perfekte Vorwand: „Dann werd ich wohl mitkommen müssen.“ Außerdem schien der Punk in Wahrheit ja auch zu wollen das Ren mitkam. Sie gingen durch das Abendrot, aus den Park heraus und dann leicht verschlungene Pfade, zum Teil versteckt die Gassen entlang. Ren der sich in Tokyo nur auskannte wo es für ihn eine Relevanz hatte verlor schnell die Orientierung. Alleine würde er sicher nicht den selben Weg zurück finden und dann würde es dauern bis er überhaupt Etwas ihm bekanntes wiederfinden würde. Am Rande ihres Stadtbezirks blieben sie stehen. „Wie? Das Haus ist es, hier wohnst du?“ „Jab, meine Kollegen haben‘s gefunden, da hab ich mich dazu gesellt. Ist doch besser als jede Brücke, und noch sieht es nicht aus als wollten sie’s abreißen.“ Da stand wirklich ein altes zerfallenes Gebäude vor ihnen. Ren, der ja weder naiv noch dumm war, hatte sich den Weg so gut gemerkt wies ging, sah sich nun sehr aufmerksam in der Umgebung um und war so ziemlich auf alles gefasst. Sogar darauf sich zur Not verteidigen zu müssen, wenn er auch nicht wusste gegen was. Die Eingangstür war mit vorgenagelten Brettern verbarrikadiert, aber dem Punk war das egal, er ging zielstrebig ums Haus herum in den Garten und stieg dann durch ein Fenster ein, dessen Glas wohl schon länger herausgebrochen war: „Warte mal kurz.“ Ren blieb vor dem Fenster stehen, die Ratte auf seiner Schulter, aber man sah dieser ihre Müdigkeit an, lange würde sie sich wohl nicht mehr halten können. Es war zwar schon Abend, aber eigentlich immer noch Schlafenszeit für ein Nachtaktives Lebewesen, zu diesen die Ratte nun mal gehörte, also setzte Ren sie in seine Manteltasche. Hätte er nicht gesehen, dass die Tür zugenagelt war, hätte er geglaubt sie würden Hausfriedensbruch begehen – Naja, eigentlich taten sie das ja! Auch wen das Haus unbewohnt war, gehörte es ja noch Jemandem und wenn dieser Jemand letztendlich die Stadt wäre. »Was mache ich eigentlich hier?!« Schoss es ihm dabei durch den Kopf. Da kannte er diesen Kerl gerade mal ein paar Tage und ließ sich schon von ihm verführen zu einem abgewrackten Gebäude zu gehen, von diesem aus er nicht mal den Rückweg kannte? Nicht mal eine Woche und Ren musste schon an seinem eigenen Verstand zweifeln, wo er zuvor noch an dem des Punks zweifelte? Irgendwas lief hier eindeutig schief! Er wollte sich gerade umdrehen, mit dem einzigen Gedanken »schnell weg hier!«. Aber ein kracken neben ihm verlangte seine Aufmerksamkeit, es wurde lauter, als würde etwas zerbrechen. Es war die Terrassentür, an dieser der Punk vom inneren des Gebäudes zerrte bis sie nachgab und sich öffnen lies, nicht ohne Risse um das Schloss herum zu bekommen. „Tritt doch ein!“ der Punk reichte Ren ganz nach alter Schule die Hand, als würde er einen noblen Gast in sein Schloss bitten, lächelte dazu noch ungewohnt galant. „Tz, was?! Denkst du ich hätt’s durchs Fenster nicht geschafft?!“ Ren missbilligte es, wenn Andere ihn für schwach oder unfähig hielten. Ging ins Gebäude und schlug dabei Horos Hand weg; jetzt konnte er jawohl kaum einen Rückzieher machen. „Ach so ist das, gut dann lass ich dich nächstes mal eben dich an den Glassplittern des Fensters schneiden.“ Der Punk ging ihm hinterher, die Schiebetür in der Pose belassend in der sie war. Ren hatte bereits begonnen sich umzusehen, hier war einst ein Wohnzimmer. Das dumpfe Licht gab nicht besonders viel her, Draußen dämmerte es und die Stromversorgung des Hauses war schon lange nicht mehr intakt. Die vergilbten Wände mischten sich mit dem Grau der Schatten. Es ließen sich trotzdem an den Wänden noch die Konturen erahnen der einst hier gestandenen Möbel. Bei Tageslicht konnte man diese sicher mehr als deutlich sehen. Hier und da waren Löcher in den Papiertüren und der Geruch nach altem Gemäuer hing im Raum. Etwas schimmlig und einfach nur nach alt, schon lange unbenutzt. Und das war der Raum. Horo ging voran, aus dem Wohnzimmer heraus und hielt dann an einer geschlossenen Tür. Nun war klar, hinter dieser verbarg sich der Raum welchen er und seine Kumpels für ihre Zwecke nutzten. „Hey!“ sagte seine Begrüßung zeitgleich mit dem Öffnen der Tür. Zwei braunhaarige Kerle, etwa in Horos alter, saßen auf dem Boden, grinsten fast Synchron und hoben ihre Hände: „Jo!“. Neben ihnen ein Hund mit hellem Fell, der aufsprang und Rens Hand beschnupperte, reichte ihm dabei mit dem Kopf bis übers Knie. Die beiden Kerle sahen sich sehr ähnlich, fast als wären sie Zwillinge, zum Glück konnte man sie durch ihre verschieden langen Haare unterscheiden. Der eine hatte hüftlanges Haar und man war das verfilzt! Ein Kamm hätte da auch nichts mehr retten können. Dem Anderen schienen seine Fransen auch nicht gerade wichtig zu sein, wie ausgedörrtes Stroh hatte es keinen eigenen Fall sondern stand nach hinten ab, nur vorne hingen einem Pony gleich zwei Dread locks. Auch in diesem Raum waren die Lichtverhältnisse nicht besser. Es schien wohl eine Küche gewesen zu sein. Auf Augenhöhe befanden sich Kacheln und die Kabel und Öffnungen zum installieren der an diesem Ort geforderten Anlagen prangten aus den, hier noch um einiges schlimmer vergilbten, Wänden. Darunter auch ein notdürftig gebastelter Wasserhahn. Sie hatten sich das Zimmer so weit wie nötig eingerichtet, der grossteil des Drecks stammte nicht von den ehemaligen Hausbesitzern sondern von ihnen selbst. Auf dem Boden verteilt lagen volle Aschenbecher, wobei hierfür alles diente was ein Gefäß war. Hier und da lagen Klamotten herum, alte ausgebreitete Zeitungen, Ren wollte sich nicht vorstellen welchem Zweck diese dienen könnten, er hoffte das sie lediglich irgendwelche Flecken abdeckten. Die Beiden Jungs saßen auf einer schmutzigen Matratze, auf dieser verstreut zwei dünne Decken und Kissen lagen, an der Wand dahinter lehnten ihre Rucksäcke. Am auffälligsten waren die zwei grünen Pflanzen die sich in der Raummitte genau vor den Nasen der beiden Kerle befanden, eine davon war bedeutend kleiner. Auch ohne den Geruch hätte Ren sie als Cannabis erkannt. Einerseits war er erleichtert, dass ihn hier kein Feld davon erwartete, andrerseits wusste er ja auch noch nicht wie die restlichen Gebäudeteile genutzt wurden. Ren betrachtete den Raum genau, zu seiner Erleichterung konnte er kein weiteres Equipment zum einnehmen irgendwelcher Drogen finden. Nur die zwei Pflanzen und eine Bong, also die Alternative zum kiffen, wenn man sich keinen Joint drehen wollte. In diesem Flaschenartigen Glaskonstrukt sollte wirklich mal das Wasser gewechselt werden, so wie das aussah würde es Ren nicht wundern wenn gleich ein Frosch herausgesprungen käme. Hinzu kam noch dieser Gestank! Es war unheimlich stickig in dem Raum, neben dem Geruch der Pflanze und des alten Gebäudes hing Zigaretten-, bzw. Jointqualm in der Luft. Und so lebte der Punk? Mit diesen beiden Kerlen in dem zerfallenen Gemäuer? Ren war sich überhaupt nicht sicher was er hiervon halten sollte. Irgendwo entsprach es seinen Erwartungen, trotzdem war er über alle Maßen überrascht. Denn egal wie viel einem erzählt wurde und wie gut man es sich ausmalte, die Realität war halt doch etwas vollkommen anderes! Aber Recht hatte Horo ja, besser als unter einer Brücke zu schlafen war es allemal. „Das sind Hao und Yo!“ stellte der Blauschopf zuerst den Langhaarigen, dann den Anderen vor. „Ren.“ Stellte er sich sehr trocken selber vor. „Aha, der Ritter in strahlender Rüstung also?!“ Hao grinste allwissend als er dies feststellte, während der Andere in ein unbändiges kichern verfiel, der war wohl schon ziemlich breit. Ren musste die Augen verdrehen, diese Bezeichnung würde wohl noch eine Weile an ihm kleben. „Warum haste nix zu Essen mit dabei?“ pflaumte der Langhaarige dann Horo an, der nur ein nüchternes: „Kommt noch“ von sich gab. Ren ging indes in die Hocke und widmete sich dem Hund, streichelte ihn ein bisschen, hörte den Beiden aber weiterhin interessiert zu. „Du bist heute dran was zu besorgen. Man, ich hab’ Hunger!“ „Ja, ich sag doch, kommt noch!“ Wie immer wenn er genervt war hob der Punk seine Oberlippe. Ren driftete mit seinen Gedanken dann doch etwas ab. Dass diese Leute immer irgendwelche Tiere haben mussten! Wenn sie sich selbst in diese Lage verfrachteten war das ja schon schlimm genug, aber diese Tiere hatten ja keine Wahl! Sie waren machtlos und von ihren Besitzern abhängig. Andrerseits war es auch nur verständlich, dass gerade diese Leute diese Form von Freundschaft schätzten. Die Gesellschaft mochte sie verstoßen haben, doch diese Tiere würden sowas niemals tun! „Matamune mag dich wohl, sonst bellt er immer gleich“ wieder grinste Hao, mit Ren sprach er ganz anders, viel freundlicher. Und der Dunkelhaarige war auch etwas verdutzt, er wusste selber gar nicht, dass er anscheinend so Tierverbunden war; Kororo kam ja auch sofort mit ihm klar. „Machs dir doch bequem.“ Sagte Yo, nachdem er sich endlich beruhigt hatte, deutete mit seiner Hand in die Ecke hinter Ren, in dieser eine Decke lag. Doch darauf schüttelte Ren den Kopf, presste dabei die Lippen etwas aufeinander. „Ich habe doch gesagt dir wird’s hier missfallen.“ Wieder hob der Punk die Oberlippe, er war noch etwas gereizt vom Gespräch mit Hao. Ren sah etwas schuldbewusst drein, eigentlich unnötig, hatte der Punk doch nichts anderes erwartet. „Kannst du trotzdem kurz hier warten? Hast ja Gesellschaft.“ Ehe Ren etwas hätte sagen können verschwand Horo leicht gehetzt, durch die Gegenüberliegende Tür, der Raum hatte nämlich zwei Eingänge. Jetzt war dem Studenten richtig mulmig, wie konnte der Punk es wagen ihn mit diesen beiden Fremden in dem versifften Raum alleine zu lassen? Wie unsensibel von ihm! Und wie wollte er überhaupt Essen auftreiben, ging er jetzt klauen, oder was? Kapitel 4: Cannabis ------------------- Jetzt ließ ihn Horo auch noch mit diesen beiden Fremden allein. Und wie wollte er überhaupt Essen auftreiben, ging er jetzt klauen, oder was? Yo grinste den Studenten sehr breit an, wollte wohl sein Unwohlsein vertreiben: „Keine Sorge man, die Decke is’ die von Horo, kannst dich da ruhig drauf schmeißen!“ Ren sah noch mal hinter sich, das wurde ja immer besser, Horo hatte als Schlafplatz also tatsächlich nicht mal eine Matratze! Denn beim besten Willen, auf diese dreckige unter den Gesäßen der beiden Junkies würde nun wirklich keine dritte Person drauf passen. Dann setzte Hao aber an den von Horo gelieferten Hinweis an „Sorry, dass es dir hier missfällt. Können nur leider nich‘ viel dran ändern.“ Was sollte das? Er war doch kein Baby. Und nach so einem Wink setzte Ren sich dann doch auf die Decke: „Passt schon.“ Schließlich mussten sie so leben, er war ja nur zu besuch, was sollte also das falsche Mitleid? „Fühlt ihr euch hier denn wohl?“, kam also die Frage aus ihm geschossen. „Ist doch ganz gemütlich. Und wir haben ja soweit alles was wir brauchen“, Hao sah recht überzeugt aus, während Yo liegen blieb und sich größtenteils aus dem Gespräch raushielt. „Und wie lange haust ihr jetzt schon so?“ Jetzt tat er doch das was er eigentlich ablehnte: Jemanden ausfragen. Aber in diesem Fall war es ja etwas anderes. Anders als mit Horo, wollte er mit diesen beiden Junkies ja keine Freundschaft schließen. Also war es für ihn okay; schließlich war dies noch immer die beste und schnellste Methode seine Neugierde zu stillen. Er sah sich Außerdem nochmal um, all die kleinen Details, die einzelnen Zigarettenstummel, das Gekritzel auf einer Kachel, welches einen Hund abbildete. Vielleicht war es für die Punks ja wirklich ganz gemütlich. Als Hausbesetzer kostenfrei irgendwo zu leben, zu tun worauf man Lust hatte und die Illusion von Freiheit zu leben. In einer Ecke entdeckte er drei Schlafsäcke. Es war erleichternd zu wissen, dass Horo mehr als nur diese Decke zum Schlafen hatte. Hao sah fragend zu Yo, der mit den Schultern zuckte. „Da fragst du aber was...“, überlegte er dann, „auf jeden Fall seit über ’nem Jahr, stimmt’s Yo? Einen Winter haben wir hier schon durchgestanden.“ Worauf der Kurzhaarige nickte. Die Beiden waren also schon länger hier, der Blauhaarige allerdings nicht. Der wohnte bis er zusammengeschlagen wurde ja noch im Park, so zumindest hatte Ren die lange Zeit in dieser er ihn andauert dort antraf interpretiert. Solange konnten sie sich also noch nicht kennen, vermutete er. Er spürte wie sich etwas an seinem Mantel bewegte und sah irritiert an sich hinunter. Das zappeln in der Manteltasche wurde stärker und ihm wurde auf einmal klar, dass es Kororo war. Wie konnte er nur vergessen, dass sie noch bei ihm war! Er fühlte sich auf einmal um einiges wohler. Sie gab ihm das Gefühl von Sicherheit, fast so, als wäre sie das Versprechen, dass der Punk zurück kommen würde; ihn nicht hier hängen lassen würde. Aber bis dahin konnte man sich ja noch mit den Beiden unterhalten. Vielleicht könnte er ja noch mehr Informationen aus ihnen heraus bekommen. Er durfte nur nicht zu auffällig fragen, wie auch immer er das anstellen sollte. Nachdem er die Umgebung weiter inspiziert hatte widmete er sich also den Beiden. Vielleicht konnte er ihren Charakter herauslesen um das Gespräch geschickt in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken. Die beiden Jungs hatten sehr ähnliche Gesichtszüge, auffällige Wangenknochen und diese entspannten braunen Augen. Dazu dieser Selbstsichere und doch irgendwie abwesende Blick, es war wirklich schwer ihre wahren Gedanken dahinter zu erahnen. „Sagt mal, seid ihr Zwillinge?“ „Bingo!“ „Deshalb seht ihr euch so schrecklich ähnlich, gut, dass ihr zumindest unterschiedlich langes Haar habt.“ „Tja, sonst würden wir uns wohl auch noch untereinander verwechseln“, Hao grinste dämlich bei seinem schlechten Witz, den Yo wohl wahnsinnig komisch fand. Vielleicht war er aber auch nur tatsächlich schon so zugedröhnt. Beim Lachen drückte er noch einen Satz hervor, wie gut der Witz seines Bruders doch gewesen wäre. Der Chinese wurde etwas genervt, das war dasselbe wie auf irgendwelchen Partys wenn die Leute ihre Selbstkontrolle durch den Alkoholeinfluss verloren. Er selbst gehörte nie zu diesen Leuten und musste so deren kindisches Verhalten meist ertragen. Für einen Moment war es ihm egal wie auffällig oder unhöflich seine Fragen waren, er wollte bloß seine Neugierde gestillt haben. „Also kennt ihr Horo schon länger als ich? Er hat euch ja anscheinend erzählt das ich ihn vor ’ner Woche verarztet habe?“ „Gott, war das nervig! Er hat nur noch von dir gesprochen!“, platzte es aus dem Langhaarigen, „Der Chinese hier und der Chinese da und oh mein Gott ich weiß jetzt das er Ren heißt und...“, er stockte als er Rens verlegenes Gesicht sah. Dieser hatte ja bemerkt welches Interesse er im Punk geweckt hatte, hätte aber nicht erwartet, dass es doch so schlimm war. Etwas unsicher was er davon halten sollte, hielt er sich davon ab sich schmunzelnd Horos Schwärmereien vorzustellen, und ging davon aus, dass Hao gerade übertreiben müsste. „Ja doch, wir kennen ihn schon eine ganze Weile“, antwortete der Langhaarige dann doch auf die eigentliche Frage, „im Prinzip schon seitdem der in Tokyo ist... plus minus n paar Wochen“ Dann kannten sie ihn ja doch schon länger. „Aber er wohnt ja trotzdem erst seit ein paar Tagen hier?“ „Ja genau, das war sogar zwei Tage ehe dann ja die Prügelei war. Also das der halt bei uns eingezogen ist.“ „Horo ist also nach Tokyo gekommen, hat euch mit eurer Absteige kennengelernt und ist trotzdem erst kürzlich hier eingezogen“, schlussfolgerte Ren, „wo hat er denn vorher gewohnt?“ Haos Blick veränderte sich und er betrachtete Ren eine Weile ohne zu antworten. Dadurch wurde der Redefluss ihrer Unterhaltung unterbrochen. Es irritierte Ren, was war an seiner Frage denn so schwer? Aber vielleicht stockte er auch, weil Ren so viele Fragen hatte. Weil er als ein ‚Freund‘ sehr wenig von Horo wusste. Der auf ihm liegende Blick beunruhigte Ren und er griff mit einer Hand in die Tasche um Kororo in seiner Nähe zu wissen. Tatsächlich brauchte Hao den Moment nachzudenken. Horo hatte sie gebeten nichts über Shinda auszuplaudern, also durfte er jetzt nicht leichtfertig erzählen, dass sie bis vor kurzem zusammengelebt hatten. Er musste die Information vage halten: „Da hat der noch bei einem andern Kumpel gewohnt… aber der ist dann weiter gezogen, und Horo wollte natürlich nicht ohne Gesellschaft bleiben“, erfand er somit und fand die Geschichte ganz passabel. Jetzt brauchte Ren einen Moment zum überlegen, ehe er weiter fragte: „Aber eine Zeit lang lebte der doch im Park, oder? Ich hab den da ja jeden Abend gesehen, und mit all dem Zeug das er bei hatte, dachte ich wirklich immer diese arme Seele würde draußen auf der Bank schlafen.“ „Achso?“, Hao überlegte etwas, und es stimmte, die Zeitspanne als klar war, dass Horo nicht bei Shinda bleiben könne, bis er schlussendlich zu den beiden gekommen war, waren mehrere Wochen. In diesen hatte er wohl einfach im Park geschlafen. Vielleicht hatte er ja die Hoffnung gehabt, dass Shinda wieder zur Vernunft kommen würde. „Ich weiß auch nicht genau wieso der nicht sofort zu uns gekommen war. Der hat wohl etwas Zeit gebraucht sich zu entscheiden. Aber der Park war auf jeden Fall nur eine vorübergehende Lösung.“ Ren nickte etwas in Gedanken. In seinem Kopf machte es immer noch nicht so viel Sinn. Horo hätte doch mit dem anderen Kumpel mitgehen können, anstelle einen Monat lang auf der Bank zu schlafen. Er war ja auch schon den weiten Weg von Hokkaido bis hierhergekommen. Das gab Ren auch noch Rätsel auf, wie der das geschafft hatte. In seinem Kopf flackerte das Bild von Horos Lächeln und das glänzen des Piercings, wie er es sagte: ‚Ich bleibe erst mal hier.‘ Irgendetwas schien ihn an Tokyo zu binden. „Ich bin froh, dass er ein Dach über dem Kopf hat“, sagte Ren schlussendlich. Er war wirklich froh darüber. Vielleicht war es ja gar nicht so wichtig, wo er sich alles herumgetrieben hatte, schließlich war er jetzt in Sicherheit. Doch das Bild wie Ren ihn an dem einen Abend auf der Straße vorfand war noch präsent. War Horo denn wirklich in Sicherheit? „Ja, nicht wahr? Ist auch ganz cool mit ihm, kommt ordentlich leben in die Bude“, quaselte Hao indes weiter, „ich meine, den Tag über sind wir ja alle unterwegs, schnorren und so, aber abends bleiben wir nicht immer zu dritt, man hat ja noch andere Kollegen…“, fing er an zu erzählen, bis Ren ihn unterbrach: „Entschuldige bitte, aber ich hab noch ein paar Fragen.“ Er sagte es ernst und sah den Langhaarigen an, bis dieser wieder schwieg und ihm seine Aufmerksamkeit schenkte. „Ich kenne Horo ja noch nicht so lange, und es ist irgendwie blöd euch das zu fragen, aber … ich mach mir halt Sorgen. Mit wem hatte er sich denn geprügelt? Man müsse eher sagen, wer hatte ihn da so fertig gemacht? Ich meine, so wie der zugerichtet war, müssen das ja ziemlich üble Typen gewesen sein…“, Ren sah zur Erde, als er daran dachte. Im Gegensatz zu seinem Bruder, war Yo nicht so vorsichtig, wenn es darum ging was Ren erfahren durfte und was nicht und plapperte einfach drauf los: „Ja, das war Shinda, dieser Idiot, mit seiner Bande.“ Er bewegte sich dabei kein Stück von seiner liegenden Position und sah weiterhin an die Decke. Ren horchte auf in der Hoffnung endlich die Hintergründe zu erfahren, doch durch einen sehr bösen Blick bremste Hao seinen Bruder mehr von diesem Shinda zu erzählen. Dabei waren Rens Augen wissbegierig aufgerissen und seine Ohren so scharfgestellt das er jedes murmeln Yos hören sollte. Er konnte sich nicht vorstellen wer dieser Shinda sein sollte. Womöglich gehörte er noch zur Yakuza, und Horo hatte Schulden oder sonst was Schlimmes angestellt. Diese Bande waren mit Horo verfeindet und hinter ihm her. Oder schlimmer, Horo selber war ein Ex-Yakuza... Nein das kann nicht sein, beschwichtigte er sich selbst, Horo hatte an seinem Körper keine Tattoos oder besonders auffällige Narben gehabt, zumindest das Ex-Yakuza war zu weit gedacht. „Keine Sorge“, versuchte Hao ihn zu beruhigen, als er die Unruhe in Rens Augen sah, „die sind nicht so stark, letztes Mal hatten sie Horo überrascht, sonst hätten sie nicht so leichtes Spiel gehabt.“ Klar, mit seinem abgehungerten Körper wäre es ihm ein leichtes gewesen gleich eine ganze messerbewaffnete Bande auszuschalten. So ein Quatsch! Hao wollte ihn nur ruhig stellen, was eher das Gegenteil provozierte. Ren wurde etwas wütend auf Hao, wieso nur hielten er sich so bedeckt zu dieser Geschichte? Er wurde zunehmend unruhiger. „Wieso, haben sie es überhaupt auf ihn abgesehen?“ Hao betrachtete das besorgte Gesicht seines Gegenübers, dass so verzweifelt war im unklaren gelassen zu werden. Er erahnte was im Chinesen vorging. Es war eigentlich ganz schön zu sehen, dass Horo wieder jemanden hatte, der sich für ihn einsetzte und ernsthaft besorgt war. Hao entspannte sich etwas, nun da er wusste das Rens Freundschaft gegenüber Horo echt zu sein schien und begann sich einen Joint zu drehen. Er nahm eine getrocknete Blüte aus einer Tüte und hatte sogar ein Werkzeug um sie zu zerkleinern. Er nahm die Metallscheiben auseinander und legte die Blüte auf die Seite mit den Nadeln, dann legte er die zweite nadelige Scheibe darauf und drehte. „Du, bequatsch das mal lieber direkt mit Horo“, riet er Ren, „der will dich bestimmt nicht mit reinziehen. Oder, nein… lass es mich so ausdrücken: Er will dich nicht verschrecken. Aber so hartnäckig wie du bist, wird er es früher oder später erzählen.“ Das war nicht ganz was Ren hören wollte, aber er begriff, dass er hier keine Antworten finden würde und es womöglich auch fairer war Horo selber zu fragen. Er sah außerdem etwas unglücklich auf Haos Fingerfertigkeit, den Blauschopf hatte er dafür noch schelten können, aber hier war er Gast und die Beiden konnten in ihrem ‚Haus’ schließlich machen was sie wollten. Die dunklen Fingerspitzen verteilten etwas Tabak und die Blütenkrümel auf einem Papierstück, er drehte es mehrfach zwischen seinen Fingern und leckte dann die Papierkante, er sah sehr konzentriert dabei aus. Nach einem genüsslichen Zug an dem Joint bot er es dem Chinesen an. „Hier! Mach dir mal nicht so einen Stress! Fürs Erste reicht es ja, dass du ihn da aufgelesen hattest“, lächelte er. Der Chinese seufzte und sah etwas melancholisch drein. Den Joint nahm er aber nicht entgegen, mit so etwas wollte er gar nicht erst anfangen, so wanderte der Joint an Yo weiter. Dass er nicht in die Sache verwickelt werden sollte, war natürlich eine Erklärung, aber kein Grund um sich weniger Sorgen zu machen. Es sprach eher dafür, dass es sich um eine größere Sache handeln musste. Und das es etwas war, was noch nicht ausgestanden war. Ren fragte sich noch etwas: wollte er denn in die Sache verwickelt werden? Nach dem ersten Abend hatte er den Punk noch herausgeworfen, weil er, obwohl er den Punk gerettet hatte, keinen engen Kontakt haben wollte. Und jetzt schien es so, als wolle er unbedingt noch mehr für den Freak tun. Sie waren jetzt schließlich Freunde, da kümmerte man sich doch auf diese Art um einander. Ren schluckte einmal als es ihm bewusst wurde; er hatte noch nie einen solchen Freund gehabt. Eine Zeit blieb es ruhig, die beiden Zwillinge schwebten in ihrem blauen Dunst und Ren ließ die wachgewordene Ratte etwas herumlaufen. Sein Blick fiel auf die Cannabis Pflänzchen und blieb eine Weile daran haften. Das kleinere der Beiden sah ein bisschen elendig aus. „Ihr müsst die vielleicht umtopfen, etwas Sonne und frische Erde…“, er biss sich auf die Zunge. Mit dem Tipp half er ihnen ja bei ihrem Drogen Konsum. „Ja, wir haben die von den anderen Pflanzen getrennt, weil sie krank geworden ist.“ „Ihr habt noch mehr?“ „Den ganzen Keller voll“, grinste Hao, während er bereits den nächsten Joint drehte. „Willst du wirklich nichts?“, fragte Yo nach, „keine Angst, für Freunde ist gratis.“ „nene…“, lehnte Ren ab, „das heißt, ihr vertickt das Zeug auch?“ Wenn für Freunde gratis war, hieß das ja, dass sie kaum Gewinn machen würden, so schnell wie sie Freundschaft schlossen. Oder es war die Marketing Strategie a la ‚das erste Mal ist kostenlos.‘ „Ja, ein bisschen was verticken wir auch, aber nicht viel.“ „Achso.“ Kurz kehrte wieder stille ein, bis Hao diese sehr energisch durchbrach, indem er ansetzte, wo er vorher aufgehört hatte: von all Ihren Freunden zu erzählen, die mal auf einen Sprung vorbei kamen, oder sich zwischenzeitig mit einquartierten. Yo unterstützte seine Erzählungen, sodass sie sehr bunt und lebhaft wurden. Es war etwas völlig Neues für Ren von solchen Lebensmodellen zu hören, die er selbst sich nie vorgestellt hätte. Zum Beispiel erzählten sie von ‚Boz‘ die mit ihrem schrecklichem Glaubens Gesang versuchten Geld einzutreiben. An dieser Stelle äfften er und sein Bruder den Gesang nach, damit Ren eine Vorstellung davon bekam. Ein kichern konnte sich der Chinese dabei nicht verkneifen. Nebenher ließ er Kororo ein bisschen herumlaufen, nach dem kurzen Nickerchen war sie wieder ganz schön munter. Boz waren immer nur im Sommer da, und wenn sie schafften genug Geld zusammen zu sparen verkrümelten sie sich gen Winter immer in wärmere Gebiete. Sie kannten noch einige die andauernd auf der Durchreise waren. Sie Beide waren da ja anders, sesshafter. Dann begann Hao von seinem Talent zu erzählen. Schnorren alleine reichte nicht, man musste den Leuten etwas bieten können, erklärte er, eine Show. Nicht ohne Stolz berichtete er von seinen pyromanischen Leidenschaften. Davon wie er mit Fackeln jonglierte und sich inzwischen auch beigebracht hatte Feuer zu schlucken und zu spucken. Seine Augen funkelten dabei wie Glut, und am liebsten wollte er Ren gleich einiges von seinem Können zeigen, doch Yo hielt ihn davon ab das Haus anzuzünden. So eine Begeisterung hatte etwas Ansteckendes und ob Hao wirklich so gut war, wie er von sich behauptete, wollte Ren schon gerne sehen. Dem Anschein nach würde es diesen Abend aber nicht mehr dazu kommen. Trotzdem war die Atmosphäre inzwischen sehr entspannt, und Ren hatte sogar öfters Grund zu lachen. „Du bist natürlich jederzeit hier willkommen“, grinste Hao, als er sich gerade einen Joint drehte. Worauf Yo ihn mit einem nicken bestätigte: „Ja Ren, Horos Freunde sind auch unsere Freunde, du gehörst jetzt zu uns.“ Die Einladung schmeichelte Ren, aber ihn als dazugehörig zu bezeichnen empfand er doch als übertrieben, schließlich wollte er gar nicht wirklich dazu gehören. Aber die Feuershow hatte ihn schon neugierig gemacht. Und er konnte sich durchaus vorstellen, Horo noch einmal hierher zu begleiten, auch dann, wenn er nicht diese Show geboten bekäme. Der Joint machte zwischen den Brüdern die Runde und Ren merkte langsam wie die in dem stickigen Raum stehende Luft auch in seinem Körper ihre Wirkung tat. Er vermochte nicht zu sagen wie viel Zeit verging, es war nur inzwischen Draußen dunkel geworden, bis Horo endlich wieder zurückkam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)