Peace of mind. von BouhGorgonzola (Seelenfrieden.) ================================================================================ Kapitel 6: Like a mouse in a trap. ---------------------------------- Kensi fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut, doch sie versuchte wie sonst auch einen geregelten Ablauf ihres alltäglichen Lebens hinzubekommen. Mal mehr, mal weniger gut konnte sie verdrängen, dass sie echte Werwölfe kannte, auch wenn sie diese noch nie in verwandelter Form getroffen hatte. Sie glaubte einfach daran, so wie es diese eben taten. Den Unterricht bei Jessica verließ sie fast immer als erste, Danielle versuchte sie so gut wie möglich auszuweichen. Dennoch konnte sie des abends oft die schemenhaften Umrisse des Mädchens ausmachen und spürte förmlich, wie der Blick ihrer Lehrerin während der Schulzeit sie verfolgte. „Hey Kensi!“ Kathleen hatte seit dem Gespräch im Café kaum ein Wort mit ihr gewechselt, doch nun steuerte sie genau auf Kensi zu und holte diese ein. „Kath.“, murmelte Kensi und wendete sich wieder ihrem Schließfach zu, ohne großartig Interesse an einem Gespräch mit Kath zu zeigen. „Keks quer gefrühstückt?“, erkundigte Kath sich und ließ sich mit dem Rücken gegen die Schließfächer fallen, „Du bist schon die ganze Woche über so merkwürdig. Welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?“ „Ich werde einfach nur krank.“, meinte Kensi ernst und schloss ihr Schließfach mit einem lauten Knall, „Das ist alles.“ Sie wendete sich ab, wollte an Kath vorbeigehen, doch Kath löste sich von den Schließfächern und versperrte ihr den Weg. Ihre dunklen Augen ruhten fest auf Kensis blauen und sie schien sie zu röntgen. Kensi drehte den Kopf weg, versuchte den Blick zu ihr vermeiden. „Du hast Angst vor mir.“, sagte Kath ernst, „Du hast allen ernstes Angst vor mir.“ In ihrer Stimme schwang ein bitterer Unterton mit und Kensi drehte leicht den Kopf, um Kath doch eines Blickes zu würdigen. Diese wirkte angespannt und hatte die Hände zu Fäusten geballt, als wenn sie sich nicht mehr wirklich unter Kontrolle halten könnte. Kensi konnte sehen, dass Kath die Zähne fest aufeinander biss. Noch bevor Kensi etwas sagen konnte, irgendetwas Entschuldigendes, fuhr Kath herum und ging eilends davon, ohne auch nur ein Wort zu sagen. In Kensi blieb ein Schuldgefühl zurück, auch wenn sie nicht wusste wie sie dieses erklären sollte. Auch der Rest des Schultages ging ähnlich vorbei. Die beiden Mädchen wechselten kein Wort mehr miteinander, Kath vermied den Blick zu Kensi, wenn diese gemeinsamen Unterricht hatten. Trafen sich ihre Blicke, so wendeten sie diese fast augenblicklich wieder voneinander ab. Kensi wich noch immer Danielle so gut es ging aus und sie war froh darüber, keinen Unterricht mehr bei Jessica zu haben. Jason musterte seine beste Freundin kritisch, sagte allerdings kein Wort dazu. Es war bereits kurz nach fünf Uhr, als Kensi das Schulgebäude verließ. Sie hatte der Theatergruppe vor einigen Wochen versprochen, dass sie ihnen aushelfen würde und so hatte die Blonde in die Rolle einer Kriegerin aus einem Tempel einnehmen müssen, die in verschiedenen Szenen auf die Hauptcharaktere des Stückes traf. In eine andere Rolle schlüpfen und die Probleme vergessen zu können, hatte Kensi wirklich gut getan. Sie fühlte sich durchaus besser, auch wenn sie beim Verlassen des Schulgebäudes wieder von ihren Gedanken eingeholt wurde. „Hallo, Kensi.“ Kensi fuhr herum, als sie die Stimme des Mannes hörte. Er war ein Asiate mit schwarz-braunen Haaren und sehr dunklen Augen und Kensi konnte sich nicht daran erinnern, ihn jemals gesehen zu haben. Woher also kannte er ihren Namen? Doch ihre Gedanken wurden vertrieben, als er ihr immer näher kam, dann genau vor ihr stehen blieb und sie fest im Genick packte. Alles in ihr schrie danach, dass sie sich wehrte und dann floh, doch ihr Körper reagierte nicht. Auch nichts, als er den Kragen von Kensis T-Shirt ein wenig zur Seite schob und ein Stück ihrer Schulter dadurch freilegte. „Was … was soll das …. ?“, fragte Kensi, noch immer unfähig sich zu bewegen. Sie hörte ein tiefes Lachen, spürte den kalten Atem des Asiaten auf ihrer Schulter und dann spürte sie einen stechenden Schmerz, der ihr von der Schulter aus durch den ganzen Körper schoss und ihr Tränen in die Augen trieb. Sie wollte schreien, doch ihre Stimme versagte ihr, sie wollte fliehen, doch ihr Körper reagierte nicht. Ihre Beine gaben nach, doch bevor sie gänzlich zu Boden ging, fing der Asiate sie auf, hob sie hoch und ging dann mit ihr davon, während Kensi langsam die Augen zufielen. „Kensi! Wo bist du?!“ Danielle hatte Kensi an der Schule abfangen wollen, doch der Verkehr war ihr dazwischengekommen, so dass sie sich etwas verspätet hatte. Kensi war nicht vor der Schule gewesen, doch dort hatte die Schultasche des Mädchens gelegen. Danielle hatte sie aufgehoben und sich dann suchend umgesehen, doch nichts Auffälliges entdeckt. Einzig und allein ein ungutes Gefühl ließ sie unruhig werden. Sie blickte sich noch einmal kurz um, dann lief sie so schnell sie konnte mit der Tasche zum Lehrerparkplatz. Dort hoffte sie, dass Jessica noch in der Schule war und sich ihrer annahm, um ihr zu helfen. Sie machte sich nicht nur wegen dem unguten Gefühl und der Tasche Sorgen um Kensi. „Jess! Jess!“, rief sie, kaum war sie in Nähe des Lehrerparkplatzes und konnte die junge Lehrerin sehen. Diese drehte sich herum, blickte Danielle an und schüttelte leicht den Kopf. „Du weißt, in der Nähe des Schulgeländes bin ich immer noch Mis-“ „Vergiss diese Formalitäten, Jess!“, unterbrach Danielle sie aufgebracht, „Das fand ich vor der Schule.“ Jessica musterte die Tasche kurz, die Danielle ihr hochhielt. „Es ist Kensis. Und von Kensi keine Spur.“ Jessica warf ihre eigene Tasche in ihr Auto, dann schloss sie die Autotür und lehnte sich dagegen, das Mädchen nachdenklich anblickend. Es kam zwar vor, dass Schüler ihre Schultasche vergaßen, doch Kensi war eigentlich keine Kandidatin für solch etwas. Darüber hinaus hatte Kensi sich die gesamte Woche über merkwürdig verhalten … „Das ist nicht gut.“, meinte sie mit gedämpfter Stimme. „Sag ich doch!“, meinte Danielle aufgebracht, „Ich habe ein ganz ungutes Gefühl dabei … und ich befürchte, dass du mit deiner Theorie doch Recht hast.“ „Wo hast du sie gefunden?“ „Auf dem Schulhof, nahe des Eingangs zum Schulgelände.“, antwortete Danielle. „Hast du sie versucht auf dem Handy zu erreichen?“, erkundigte Jessica sich und Danielle griff in die Tasche und zog Kensis Handy heraus, „Bei ihr zuhause?“ „N-Nein.“ „Dann solltest du das tun, Dani.“ Danielle nickte, holte ihr eigenes Handy hervor und wählte die entsprechende Nummer, dann führte sie ein kurzes Gespräch und schüttelte enttäuscht den Kopf. Auch dort war Kensi nicht. „Charlie.“, murmelte Jessica leise, „Er erwähnte so etwas in der Art.“ „Er ahnte, dass sie verschwinden wird?!“ „Nein, Dani.“, versicherte Jessica ihr, „Es gab aufgrund von Kaths Verhalten einige Unstimmigkeiten und Sorgen im Clan. Sie ist, was sie ist … und das ist nicht ganz ungefährlich.“ „Du meinst, dass Kensi bei Kath ist?“ „Ich bezweifle das.“, antwortete Jessica und blickte sie nachdenklich an, „Auch wenn die beiden heute anscheinend einen Streit hatten, so weiß ich, dass Kath das bei ihr nicht tun würde. Nicht so offensichtlich in unserer Nähe. Aber es gibt da noch jemanden … und die Gerüchte um die Prophezeiung werden immer mehr.“ „Caihong Jin.“ Jessica nickte. „Ich hörte, dass er in der Stadt ist, aber was ist so gefährlich an ihm?“ „Er ist ein Vampyr, Dani.“, erklärte Jessica der Jüngeren, „Schneller, stärker und gefährlicher als alle anderen und das, obwohl er erst einundzwanzig ist. Einundzwanzig in der Rechnung der Menschen und unserer. Ich kenne ihn zu wenig um seine Stärke einschätzen zu können und auch sein Können vermag ich nicht zu beurteilen, aber es ist offensichtlich, dass er am meisten gesucht wird. Er war vor kurzem bei Charlie und hat mit ihm und Lilith gekämpft. Die Vampire sind alarmiert.“ Kensi kam langsam wieder zu Bewusstsein. Sie wusste weder, wo sie war, noch wie sie dorthin gekommen war, noch wie lange sie dort überhaupt schon war. Ihre Schulter fühlte sich taub an und als sie ihre Hand darauf legte, kamen langsam die Erinnerungen hoch. Ein junger Asiate hatte sie angesprochen und dann – sie wollte es kaum glauben – gebissen. Irgendetwas war dabei geschehen, denn sie hatte das Bewusstsein verloren und war in diesem Zimmer, in dem sie sich befand, aufgewacht. „Lass mich rein, Cai!“ Kensi blickte sich verwirrt um, als sie eine ihr bekannte Stimme gedämpft vernahm. Anscheinend war sie nicht alleine und der Asiate schien Besuch bekommen zu haben. „Allison, im Moment passt es mir nicht.“ „Weißt du eigentlich, dass das Rudel wegen irgendetwas nach dir sucht? Sie sind in Aufruhr!“ Eine kurze Pause trat ein, dann hörte Kensi die Stimme des Asiaten: „Meine bloße Anwesenheit gefällt ihnen nicht. Nur, weil ich das bin, was ich bin.“ „Du tötest sie.“ Kensi fuhr ein eiskalter Schauer den Rücken hinab. Sprach man über sie? „Du bist ein Teil meiner Welt, Allison. Auch du hast einst getötet. Du hast getötet, wer dir nahe stand und deiner Kraft nicht gewachsen war.“ Kensi schluckte. Zwar wusste sie nicht, wer Allison war – auch wenn sie die Stimme zu kennen meinte -, so wusste sie doch, dass sie weder den Mann noch die Frau unterschätzen durfte. Anscheinend war sie an Mörder geraten und das bereitete ihr Sorgen. Würde sie durch die Hand einer der beiden sterben, oder würde man sie finden? Danielle sollte doch mit Hilfe von Jessica auf sie aufpassen … auch wenn sie die beiden von sich gestoßen hatte, so hatte sie Danielle immer in ihrer Nähe ausmachen können. Waren die beiden schon auf ihrer Spur? Würden sie sie rechtzeitig finden und retten? „Wir sehen uns heute Abend, Caihong.“, vernahm sie die Stimme von Allison, „Und bis dahin pass auf dich auf.“ „Du auch, Ally.“, ertönte Caihongs Stimme, dann war Stille und Kensi hörte, wie sich Schritte ihrem Raum näherten. Aus diesem Grund schloss sie die Augen und stellte sich bewusstlos. „Such Kathleen.“, wies Jessica Danielle an, „Sie wird dir wegen Kensi helfen. Hoffe ich.“ „Was machst du?“ „Das Rudel ist informiert.“, berichtete Jessica, „Ich werde mit Charlie auf die Suche gehen.“ Danielle musterte Jessica eine Weile skeptisch, dann meinte sie: „Du lässt mich nicht auf die übliche Art mit dir Kontakt aufnehmen, seit Kensi über uns Bescheid weiß, du weichst mir aus. Irgendetwas weißt du und du willst es mir nicht mitteilen.“ „Dani, ich habe nicht immer die Befugnis, dir alles mitzuteilen. Du bist ein Neuling, ich bin … “ „Was genau bist du eigentlich?“, hakte Danielle nach, „Deine Stellung im Rudel ist mir ziemlich unklar. Du bist zwar die Freundin von Charlie, aber kein Alphatier. Was also … ?“ Jessica blickte sich kurz um, dann antwortete sie mit gedämpfter Stimme: „Noch ist nicht die Zeit für Antworten, Dani. Nicht aufgrund deines Ranges, sondern weil die Zeit noch nicht reif ist. Sogar die anderen aus dem Rudel wissen es nicht genau.“ „Charlie?“ „Er weiß es.“, erklärte Jessica ruhig, „Aber er hält die anderen für mich hin. Bei Diskussionen deshalb werde ich als zweites Alphatier genannt, immerhin bin ich an seiner Seite, aber ich bin das nicht.“ Danielle öffnete den Mund für eine weitere Frage, doch Jessica brachte sie mit einem Handzeichen zum Schweigen und sagte mit ernstem Tonfall: „Such Kathleen. Wenn meine Befürchtung stimmt, dann kann sie uns am ehesten weiterhelfen. Sie ist selbst zum Teil einer … “ Danielle nickte, reckte den Daumen, dann lief sie los, während Jessica in ihren Wagen stieg und ebenfalls losfuhr. Auch wenn die Brünette sich gegen die Mithilfe von Kath sträubte, so sah sie ein, wie wichtig diese Hilfe war. Allerdings stellte sich die Suche nach dem blonden Mädchen als schwer heraus, denn egal wo Danielle ihre suche startete, eine Spur oder ein Zeichen gab es nicht. Allerdings wurde das Mädchen bei jeder Bewegung genau beobachtet, auch wenn sie selbst das nicht bemerkte. „Abgesehen davon, dass du dich in unser Territorium verirrt hast, solltest du aufpassen, was du machst.“ Danielle zuckte zusammen und fuhr herum. Vor ihr standen zwei breitschultrige Männer, von denen einer ein T-Shirt mit einem Bandlogo trug und der andere seinen nackten und muskulösen Oberkörper zeigte. Der Mann mit dem T-Shirt hatte lange blonde und zerstrubbelte Haare und einen drei-Tage-Bart, während der andere kurze und dunkelbraune Haare hatte. Beide hatten sie braune Augen, allerdings war die Intensität unterschiedlich. „Sollte ich?“, fragte Danielle herausfordernd und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, wobei sie allerdings noch immer um einiges kleiner als die beiden Männer war. „Niña de la luna.“, sagte der Blonde ernst, „Man erkennt euch doch sofort.“ „Dann darf ich annehmen, dass ihr kalte Wesen seid?“ Der andere Mann nickte und meinte mit tiefer Stimme: „Liliths. Wir sind Children of the Night.“ „Es gibt einen Grund für meinen Aufenthalt in eurem Gebiet.“, versuchte Danielle zu erklären. „Unser Gebiet, unsere Spielregeln.“, meinte der Dunkelhaarige, „Selbst hier auf offener Straße beachtet uns niemand. Unsere Macht.“ „Spielt euch nicht so auf.“, meinte Danielle abweisend, „Sie beachten euch sehr wohl. Zwei Männer mit offensichtlicher Bandenangehörigkeit und eine junge Schülerin. Das erweckt das Interesse der Menschen.“ Beide Männer warfen sich kurze Blicke zu. „Ihr seid doch nicht wirklich so doof, wie ihr tut, oder?“ „Na warte … du Gör-“ „Lass das Mädchen in Frieden!“ Der Blonde, der Danielle hatte in Ärger packen wollen, blickte erschrocken auf das blonde Mädchen, welches seine Faust mit bloßer Hand abgefangen hatte. Sie war aus dem Nichts zwischen ihnen erschienen und funkelte die beiden Männer finster und herausfordernd an. „Ich warne euch nur einmal.“, meinte sie drohend, „Und wenn das nicht reicht, werde ich euch Lilith auf den Hals hetzen.“ „K-K-Kathleen!“, rief der Dunkelhaarige aus und wurde um einiges blasser unter seinem sonnengebräunten Teint, „Liliths Schützling!“ „Ich war nie ihrer und ich werde es nie sein.“, meinte Kath kühl, „So wenig, wie ich im Clan bin.“ „Kath.“ Kath drehte den Kopf und blickte Danielle fragend an, dann fragte sie ernst: „Was willst du noch hier? Verschwinde. Das hier ist keine Gegend für dich.“ „Ich habe nach dir gesucht.“, erklärte Danielle und bewegte sich kein Stück. „Nach mir?“, fragte Kath, dann blickte sie die beiden Männer wieder an, „Selbst wenn sie euch reizt … meldet sie und sie wird verschwinden.“ Und damit griff sie Danielle am Handgelenk und zog sie mit sich mit. „Was ist so wichtig, dass du dich in das Gebiet von Lilith begibst und dich mit zwei Männern ihrer Sorte anlegst?“, erkundigte Kath sich, nachdem sie Danielle ein ganzes Stück weit mit sich gezerrt hatte und nun los ließ. „Kensi.“ „Kann das Mädchen nicht auf sich selbst aufpassen?“ Kath klang gelangweilt und rollte mit den Augen. „Sie ist verschwunden.“, sagte Danielle ernst, „Ihre Tasche lag vor der Schule, aber keine Spur von ihr. Ich habe Jess informiert, die meinte, ich sollte dich fragen.“ Sie hielt kurz inne, während Kath sie auffordernd ansah. „Na ja … und sie befürchtet, dass das auf das Konto von Caihong Jin gehen könnte.“ „Caihong?“, fragte Kath und klang dabei spöttisch, „Warum sollte sich so ein Kerl für Kensi interessieren? Am Äußeren mag es nicht liegen und besondere Fähigkeiten besitzt sie auch nicht.“ „Fakt ist, dass Kensi verschwunden und Caihong in der Stadt ist, Kath.“, erinnerte Danielle Kath, „Und da du eben zum Teil das bist, was auch er ist, verlange ich deine Hilfe.“ Kath blickte Danielle schweigend und nachdenklich zugleich an. „Kensi ist deine Freundin.“, beharrte Danielle, „Und auch wenn sie sich die gesamte Woche über nicht wie sie selbst verhalten hat … Sie ist noch immer Kensi Cone, ein neunzehn Jahre altes Mädchen, eine Schülerin unseres Jahrgangs … eine Freundin.“ „Wenn er sie wirklich hat … “, begann Kath nachdenklich und sie wirkte mit einem Mal besorgt, „ … dann wird er sie töten. Sie hat keine für ihn interessanten Fähigkeiten, weshalb er sie zu einer von uns machen würde. Und wenn er das noch nicht getan hat, so wird er es bis … “ Sie unterbrach sich, doch Danielle schien neugierig geworden zu sein: „Bis was, Kath? Du weißt etwas, oder?“ Kath schüttelte den Kopf und widersprach ihr: „Ich habe nur Gedanken laut ausgesprochen. Es ist ja nicht so, als gäbe es ein Verfallsdatum für Wirte.“ Danielle blickte sie verwundert an, schwieg daraufhin allerdings. „Ich … habe eine Idee, wo ich eventuell Informationen herbekommen könnte.“, meinte Kath mit gedämpfter Stimme. „Gut, warum dann nicht gleich los?“ „Ziemlich große Abneigung gegen Werwölfe.“, wehrte Kath ab, „Und auch ich bin nicht sonderlich gern gesehen. Geduldet, da Lilith ein Auge auf mich wirft, aber nicht akzeptiert und respektiert.“ „Also gehst du nur alleine?“ Kath nickte und meinte ernst: „Und folge mir nicht. Wenn ich mit jemandem deiner Sorte dort auftauche, war alles umsonst.“ Danielle seufzte, nickte aber zustimmend. „Kennst du in Venice am Venice Beach den kleinen Musikladen?“, erkundigte Kath sich. Danielle überlegte, dann nickte sie langsam. „Geh dorthin und sage der Händlerin dort, dass ich dich geschickt habe. Sie wird dich wahrscheinlich ein wenig ausfragen, aber ihr kannst du vertrauen, sie ist eine Neutrale und Teil von uns.“, trug Kath der Brünetten auf, „Wenn alles gut läuft, bin ich innerhalb der nächsten zwei Stunden ebenfalls dort. Sie wird dich auch nach Ladenschluss dort warten lassen. Mach es, es ist sicherer.“ Danielle nickte und Kath wendete sich ab und lief davon, während auch Danielle sich langsam auf den Weg machte. Kensi hörte, wie die Tür zu dem Zimmer aufging, in dem sie sich befand, und ein kühlerer Luftzug wehte durch das Zimmer. Sie hörte sich nähernde Schritte und spannte unwillkürlich jeden Muskel in ihrem Körper an, hielt die Augen weiterhin geschlossen. „Wie du dich doch bewusstlos zu stellen versuchst.“, hörte sie Caihong direkt neben ihr sagen, „Aber das bringt dir nichts. Deine Angst verrät dich, Kensi Cone.“ Kensi öffnete langsam die Augen, nur um Caihong direkt ins Gesicht zu sehen. Dieser sah siegessicher aus, aber seine Augen strahlten etwas Eisiges aus. Und das jagte ihr einen eisigen Schauer den Rücken hinab. „Ein Mensch ist für einen wie mich nur ein Wirt. Frisches Blut und das in vielen Litern. Frisches, warmes Blut.“, sagte Caihong, „Dein Leben ist für mich nur eine Nahrungsquelle, die erlischt, sobald ich mich gelabt habe.“ „Vam-Vampyr … ?“, brachte Kensi mühsam über ihre Lippen und ihre Stimme zitterte und klang heiser. Caihong nickte, dann erhob er sich langsam aus seiner Hocke und richtete sich auf, wobei Kensi seiner Bewegung mit den Augen folgte. „Du wärst tot.“, sagte er, „Wäre da nicht etwas, was mich davon abhält.“ „Was?“ Kensi nahm allen Mut zusammen, um diese Frage so eisig klingen zu lassen, wie es nur irgendwie ging. „Einige der Wesen der Nacht haben besondere Fähigkeiten. Diese kann man schon vor der Verwandlung erkennen, zumindest kann und meine ich das. Und nur diese sind es zu leben wert.“ „Worauf willst du hinaus?“ „Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendetwas ist an dir. Eine Fähigkeit. Und aus diesem Grund werde ich dich zu einer von uns machen.“ „Das wirst du nicht!“, fauchte Kensi heiser, „Die Werwölfe werden es verhindern!“ „Die wissen doch nicht einmal, wo ich mich hier in der Stadt aufhalte.“ „Oh doch! Sie haben zwei von ihnen auf mich angeset-“ „Danielle Brennan, einen Neuling.“, unterbrach er sie und grinste amüsiert, „Ich weiß. Eine Geborene.“ Kensi sah ihn verwirrt an. „Und Jessica Brooke Levin.“, fuhr Caihong unberührt fort, „Die extrovertierte und doch unantastbare Freundin des Alphatieres.“ Kensi schluckte. Woher wusste er das? Ein lautes Klopfen war zu hören und Caihong seufzte. Er warf Kensi einen kurzen Blick zu, dann verließ er den Raum und schloss die Tür hinter sich. Kensi war wieder allein im Zimmer und sie vernahm die gedämpften Stimmen von Caihong und seiner Besucherin, die anscheinend wieder Allison war. „ … das Mädchen ist verschwunden und darum sind sie noch alarmierter. Danielle kam zu mir und hat mich um Hilfe gebeten, weil Jessica dich für den Übeltäter hält.“ „Kaum bin ich hier, bin ich der Bösewicht.“ „Cai, das ist eine ernste Angelegenheit.“, warnte ihn das Mädchen, „Sag mir bitte, dass du Kensi nicht entführt hast.“ „Traust du mir das zu, Allison?“ Kensi wurde mit einem Mal, als das Mädchen ihren Namen nannte, bewusst, wer Allison war. Es war Kath, die blonde Einzelgängerin, mit der sie sich am Morgen noch gestritten hatte. Sie verstand nicht, inwiefern Kath mit Caihong verbunden war, doch die beiden kannten einander und das besorgte Kensi. Allerdings ließ es sie auch ein wenig Hoffnung schöpfen. „Kath!“, rief sie so laut ihre heisere Stimme es ihr erlaubte, „Ich bin hier!“ Kensi konnte hören, wie Kath etwas zu Caihong sagte und dann innehielt, nur um den Asiaten dann zu fragen, was das gewesen sei. Dieser schob es auf die Nachbarn, doch Kensi vernahm, wie Kath an ihm vorbeizukommen versuchte. Allerdings hörte sie auch, wie Caihong sie zurückwies und anscheinend gab es ein kleines Gerangel zwischen den beiden. „Ich komme wieder, Caihong.“, warnte Kath ihn kühl, „Und dann habe ich Danielle bei mir.“ „Als ob so ein Neuling einem vollwertigen Vampyr wie mir mit meiner Ausbildung etwas antun könnte.“ „Unterschätze die Werwölfe nicht, mein Lieber.“, meinte Kath, „Hast du einen bei dir, sind auch all die anderen da.“ „Du gehst also ein Bündnis mit deinen größten Feinden ein?“ „Mein größer Feind, Caihong, ist etwas ganz anderes.“, widersprach Kath, dann hörte Kensi, wie eine Tür kraftvoll ins Schloss fiel. „Du bist eine wirklich wichtige Person in diesem Spiel.“ Caihong kam wieder in das Zimmer zurück. „Meine Freundin verbündet sich für dich mit den Wölfchen. Aber im Grunde müsste sie wissen, dass keiner von ihnen mir gewachsen ist.“ Kensi sagte nichts. „Du wirst Angehörige meiner Rasse.“, sagte Caihong, „Und da wird mich niemand von abhalten können.“ Er näherte sich Kensi, packte sie am linken Oberarm und zog sie auf die Beine. Die Blonde versuchte an die Wand hinter sich zurückzuweichen, doch er ließ ihr keine Chance und hielt sie fest. Langsam und mit festem Griff zog er sie näher zu sich und Kensi spürte, wie die Hitze durch ihren Körper schoss. Einzig und allein ihre Schulter fühlte sich eiskalt und taub an. „Ein ungefährlicher Biss. Nur ein wenig zur Bewusstlosigkeit.“, murmelte Caihong und strich mit der freien Hand über Kensis Schulter. Kensi versuchte sich loszureißen, doch sein Griff war unlösbar. Sie kämpfte immer mehr dagegen an, doch Caihong ignorierte es, näherte sich mit seinem Mund ihrer Schulter und Kensi schloss die Augen, als sie seinen Atem auf ihrer Haut spürte. Alles, was sie sich in diesem Moment wünschte, war nichts weiter, als dass es vorbei war. „Dani!“ Danielle lehnte an den Tresen des kleinen Musikladens am Venice Beach und redete mit der alten Besitzerin dessen. Diese war, kaum hatte Danielle ausgesprochen, was Kath ihr aufgetragen hatte, wie eine Großmutter und redete mit einem breiten Lächeln mit ihr. Sie hatte erfahren, dass die alte Frau Maria Merio hieß und ein Vampir war. Allerdings gehörte sie keinem Clan an und hatte auch einiges für Werwölfe über. Darüber hinaus hatte sie Kath einiges lehren können und kannte das Mädchen schon eine ganze Weile. „Allison Kathleen.“ Maria lächelte die Blonde erfreut an. „Dein letzter Besuch ist lange her.“ Kath nickte knapp. „Alles in Ordnung mit deinem Freund?“ Danielle sah überrascht von Maria zu Kath und zurück, dann fragte sie grinsend: „Freund? Kath hat einen … Freund?“ „Maria versteht gerne einiges falsch.“, wehrte Kath ernst ab, „Und selbst wenn, würde sie mit niemandem darüber reden. Richtig, Maria?“ Die alte Frau nickte. „Ich weiß, wo Kensi ist.“, fuhr Kath fort, „Oder eher gesagt, ich bin mir ziemlich sicher. Unsere Lehrerin lag gar nicht mal so falsch mit ihrer Vermutung.“ „Caihong Jin?“ Maria räusperte sich und sowohl Kath als auch Danielle blickten sie fragend an. „Er ist ein Vampyr, ausgebildet von Shaolin Mönchen in China und ursprünglich aus Süd-Korea stammend.“, meinte Maria, „Der gefährlichste und am meisten gesuchteste Vampyr aller Zeiten und erst 21 Jahre jung. In der Zählung der Menschen.“ „Caihong hat nicht, was ich habe.“, widersprach Kath, „Werwölfe und meine Kräfte.“ „Aber niemand weiß, wo er sich aufhält.“, warf Danielle ein, doch Kath hob beschwichtigend die Hand und meinte fast schon gelassen: „Niemand hat meine Informationsquelle.“ „Aus erster Hand.“, stimmte Maria zu, „Doch der Preis ist dafür hoch, Kathleen. Bist du dir im Klaren über dein Handeln und die Konsequenzen?“ Kath nickte. „Für einen Menschen?“ „Für Kensi.“, sagte Kath bestimmt und erwiderte Marias ernsten Blick ebenso ernst, „Selbst wenn sie kein Mensch wäre.“ „Und wie gehen wir es an, Kath?“, erkundigte Danielle sich und ließ ihren Blick von Maria zu Kath wandern. Diese blickte sie aus klaren und vor Tatendrang fast leuchtende Augen an. „Nimm Kontakt zu Charlie und Jessica auf. Sag ihnen, was ich dir dann verkünde.“ „In Ordnung.“, meinte Danielle, machte ein konzentriertes Gesicht und nickte dann. „Caihong ist hier am Venice Beach. Sie sollen in etwa einer halben Stunde mit dem gesamten Rudel dort erscheinen, wo wir uns dann auffinden. Ausfindig machen können sie dich, oder?“ „Allein du bist leicht zu finden.“, meinte Danielle. „Sie müssen das Rudel dort teilen. Eines geht von hinten, eines von vorne. Sie sollen auf mein Kommando warten – wir beide gehen vom Dach aus.“, fuhr Kath fort, „In Ordnung?“ Sie wartete und beobachtete Danielle, die anscheinend alles irgendwie den anderen Werwölfen mitteilte, dann nickte sie wieder. „Dann auf, Dani.“, forderte Kath sie auf, „Wir haben einem Vampyr in den Hintern zu treten und ein Mädchen zu retten.“ „Darauf kannst du dich verlassen!“, meinte Danielle grinsend. „Passt auf euch auf, Mädchen.“, sagte Maria besorgt, „Denn eurer Freundin läuft die Zeit davon.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)