Peace of mind. von BouhGorgonzola (Seelenfrieden.) ================================================================================ Kapitel 8: Feelings which shouldn't be seen by you. --------------------------------------------------- „Kathleen!“ Die Blonde blieb stehen und drehte sich langsam zu der Brünetten um, die sich ihr mit raschen Schritten näherte und ihren Namen gerufen hatte. Sie beide hatten einander seit Kensis Rettung nicht mehr gesehen. „Ich wollte mich für deinen Einsatz bedanken. Du hast mir sehr geholfen.“ „Es gibt nichts zu danken.“, wehrte Kath ab, „Das ist das Mindeste, das eine Schülerin für ihre Lehrerin tun kann.“ „In dem Moment waren wir nicht Schüler und Lehrer, Kath.“, korrigierte Jessica sie, „Wir waren das, was wir wirklich sind. Und keiner von uns ist so stark, wie er sich im Leben als Mensch gibt.“ „Wenn du mir eine Standpauke halten willst, Jessica, bist du umsonst zu mir gekommen.“ „Ich habe nicht vor, dich zurechtzuweisen.“, meinte Jessica, „Ich weiß zu gut, wie es dir im Moment geht.“ „Woher willst du das wissen?“ Kath klang gereizt und nicht sonderlich überzeugt von den Worten der Älteren. „Du kannst es nicht wissen.“ „Caihong und du, euch verbindet mehr als nur die Tatsache, dass ihr beide Vampyre seid. Oder du zum Teil.“, sagte Jessica ruhig und setzte sich damit über Kaths verärgerten Gesichtsausdruck hinweg, „Ich konnte es in deinen Augen sehen und in deinen Bewegungen, als wir in seiner Wohnung waren. Und ich ahnte es schon vorher.“ „Spionierst du immer anderen nach?“ „Nein. Das ist nicht meine Aufgabe.“, wehrte Jessica ab, „Und um zum eigentlichen Punkt zurückzukehren: Ich weiß, wie es dir geht, weil ich selbst so etwas fast ständig erlebe.“ Kath sah Jessica überrascht an. „Solltest du je das Bedürfnis verspüren, dass du mit jemandem darüber reden willst … Du kannst mich jeder Zeit erreichen.“, schloss Jessica und lächelte schwach, „Und auch wenn ich vielleicht dann nicht helfen kann, so werde ich dir doch zuhören. Meist hilft schon das ein wenig.“ Sie griff in ihre Hosentasche und holte etwas hervor, dann reichte sie es Kath und erklärte auf deren fragenden Blick hin: „Bislang war es mir immer eine Hilfe, aber du benötigst es viel mehr als ich. Wenn du je mit mir sprechen willst, wirst du wissen, was zu tun ist.“ Jessica wendete sich ab und ging langsam auf die Haustür von dem Haus zu, in dem Charlie wohnte. Kath blickte ihr nach, dann fragte sie laut: „Warum erlebst du das fast ständig?“ Doch Jessica reagierte nicht darauf, schloss die Haustür auf und verschwand im Inneren des Gebäudes. Der nächste Tag begann, der Morgen ging vorüber und der Mittag war da. Danielle kehrte nach Schulschluss bei Charlie ein, während Jessica das Mittagessen zubereitete. Charlie selbst war außer Haus, seine Arbeit hatte nach ihm verlangt. Kensi war zwischenzeitlich wach gewesen und hatte sogar ein paar Worte mit Jessica gewechselt, doch für längere Gespräche war sie zu müde gewesen, so dass Jessica und Danielle allein in der Küche standen. „Charlie sagte, ich sei kein Neuling mehr.“, brach Danielle das Schweigen, welches zwischen ihnen beiden geruht hatte. Jessica nickte, blickte allerdings weiter in den Topf vor ihr, in dem sie rührte. „Und aufgrund meiner Position im Rudel soll ich mit dir sprechen.“, fuhr die Blonde unbehelligt fort, „Was ich hiermit tue.“ „Deck den Tisch, Dani.“, wies Jessica sie an, „Das Essen ist gleich fertig.“ „Jess, ich rede über etwas Wichtiges! Du sollst nicht einfach ablen-“ „Danielle.“, unterbrach Jessica sie ernst, „Deck den Tisch. Und das ist keine Bitte mehr.“ „Du bist nicht berechtigt, mir solche Dinge aufzutra-“ „Ich bin nicht berechtigt?!“ Danielle wusste, dass sie in ihrem Trotz zu weit gegangen war und senkte den Blick. „Ich mag vielleicht die Position abstreiten, aber ich bin noch immer Charlies Freundin.“, sagte Jessica kühl und gereizt zugleich, „Und wenn ich sage, dass du etwas tun sollst, dann hast du es zu tun. Wir reden noch über deine Position, aber nicht sofort.“ Langsam nickte Danielle, holte Platzdecken, Besteck und Teller heraus und wendete sich dem Decken des Tisches zu. Es dauerte nicht lange und die beiden saßen am Esstisch vor ihrem Mittagessen und begannen mit dem Essen. Sie hatten Kensi eine Portion zubereitet und ins Gästezimmer gebracht – für den Fall, dass sie wach wurde und Hunger bekam. Beide versuchten das bevorstehende Gespräch so lange wie möglich hinaus zu zögern, doch die Stille wurde ihnen bald schon unerträglich. „Ist jetzt die Zeit, dass wir darüber reden?“, erkundigte sich Danielle vorsichtig und blickte Jessica unsicher an. Diese legte ihre Gabel zur Seite, schluckte ihren Bissen herunter und antwortete: „Sieht so aus.“ Danielle blickte sie abwartend an, während sie langsam weiter aß. Jessica überlegte kurz, dann erklärte sie: „Es kommt immer mal wieder vor, dass es Sonderpositionen in einem Rudel gibt. Nimm mich … Abgesehen von der Position, die mir durch Charlie zusteht, beziehe ich eine ganz andere Position. Sie hat keine Bezeichnung, aber sie ist von großer Wichtigkeit.“ „Ja, ich wunderte mich immer während der Sitzungen darüber.“, gestand Danielle. Jessica nickte und fuhr fort: „Wenn Charlie meint, dass du auf keine der normalen Positionen passt, so würdest du normalerweise einfach, auch wenn du keiner bist, als Jährling eingestuft. Aber wenn er dich zu mir schickt, bedeutet das, dass auch du eine dieser Sonderpositionen beziehst.“ „Wie bekommen wir heraus, welche?“ „Darin liegt das eigentliche Problem.“, gab Jessica zu, „Normalerweise betrachtet man dafür das Können.“ „Aber ich habe nichts besonderes vorzuzeigen.“ „Doch, deine Fähigkeit.“ „Empathie ist keine Fähigkeit, Jessica. Und auf Kensi kann ich es ohne einen Grund nicht anwenden.“ „Sie ist sehr wohl eine Fähigkeit, denn, mit Ausnahme von Kensi, sie lässt sich auf alle anwenden und nicht nur auf Werwölfe oder gar nur das Rudel.“, verbesserte Jessica Danielles Aussage, „Und mir kommen zwei Vorteile dessen in den Sinn. Es könnte sein, dass ich eine eventuelle Position für dich gefunden habe, Dani.“ Sie lächelte die Jüngere an und nahm einen Bissen zu sich, während Danielle mit erstauntem Blick einen Schluck trank. Und selbst als beide diese Handlungen abgeschlossen hatten, schwiegen sie noch einen Augenblick lang, bevor Jessica Danielle erklärte, was ihr in den Sinn gekommen war. „Es setzt allerdings voraus, dass du niemandem mehr von deiner Fähigkeit berichtest, Dani.“, warnte Jessica sie und Danielle nickte etwas, „Du könntest bei Treffen mit anderen dabei sein und deren Gefühlslage überprüfen.“ „Und was soll das bringen?“ „Vorausschauendes Handeln.“, erklärte Jessica, „Stell dir vor, dass Charlie mit Vampiren ein Gespräch aufgrund der Territorien hält und heikle Themen dabei auf den Tisch kommen. Hitzig wie nun einmal alle sind, werden einige der Vampire sauer oder gar wütend. Und sie sind verdammt gut darin, ihre Gefühle äußerlich zu verbergen. Aber innerlich … Und ab da kommst du ins Spiel.“ „Ich?“ „Du würdest Gefühlsregungen spüren und es Charlie mitteilen können. Dieser wäre für eventuelle Angriffe gewappnet und doppelt geschützt.“ „Demnach wäre ich ein Bodyguard im Sinne einer Alarmanlage?“ „Wenn du es so ausdrücken magst, Dani.“, meinte Jessica amüsiert. „Du hast deine Fähigkeit gut im Griff, aber man kann sie verbessern.“ „Inwiefern?“, fragte Danielle neugierig nach. „Ein jeder kann erlernen, ob das Gegenüber Lügen oder die Wahrheit erzählt.“, antwortete Jessica, „Rein äußerlich und von den Stimmlagen her, aber das Erlernen ist ein langer und harter Prozess. Dir dürfte es wesentlich leichter fallen, kannst du doch die Gefühle der Personen spüren. Ich kann dir beim Erlernen helfen, aber selbst beherrschen kann ich es nicht.“ „Ich denke darüber nach.“, meinte Danielle. „Wurde in der Schule nach Kensi gefragt?“, erkundigte Jessica sich und erhob sich langsam, um den Tisch wieder abzuräumen. „Jason wird langsam skeptisch. Er war bei ihr gewesen und Kensis Schwester hat ihm gesagt, dass sie eine Weile bei mir sei … wegen eines Schulprojektes, aber dass er sie ja am nächsten Tag in der Schule abfangen könne, wenn es nicht allzu wichtig ist.“, berichtete Danielle, „Er sagte nicht, dass sie in der Schule krankgemeldet ist, sondern verabschiedete sich nur.“ „Und wie sieht es mit Kathleen aus?“ „Seit Kensis Rettung habe ich sie weder gesehen, noch gesprochen. Sie kommt nicht in die Schule und ihre Pflegefamilie hat sogar eine Vermisstenanzeige aufgegeben.“, antwortete Danielle, „Hast du etwas von ihr gehört?“ Jessica schüttelte den Kopf. „Ich wüsste zu gerne, wo sie ist und warum sie einfach so verschwunden ist.“, meinte Danielle und trug die benutzten Teller zur Spüle. „Sie hat gegen einen vollwertigen Vampyr gekämpft, Dani.“, erinnerte Jessica sie, „Und sie wurde daran erinnert, dass auch sie eine Gefahr für Kensi darstellt.“ „Weißt du das, oder ahnst du das?“ „Ich nehme es an.“, gestand Jessica seufzend, „Kathleen Reese umgeben eine Menge Geheimnisse, aber sie zu lösen liegt nicht an uns.“ Es war später Abend und Jessica saß neben Charlie auf dessen Sofa im Wohnzimmer seiner Wohnung. Sie hatte den Kopf an seine Brust gelegt und er hatte den Arm um sie gelegt. Beide unterhielten sich mit leiser Stimme. „Kathleen war hier. Ich nehme an, dass sie nach Kensi gesehen hat.“ „Wann?“ „Die letzte Nacht, als ich hierher kam.“, antwortete Jessica leise, „Charlie, ich denke, dass sie etwas mit Kensis derzeitigem Zustand zu tun hat.“ Charlie strich ihr langsam den Oberarm herab und sah Jessica nachdenklich an. „Wir sind machtlos und können nichts zu ihrer Besserung beitragen, aber sie scheint wirklich dagegen anzukämpfen und gewinnt manchmal sogar die Überhand. Kensi erlangt ab und an das Bewusstsein und spricht sogar mit uns, allerdings kann sie diesen Zustand nicht lange aufrecht erhalten.“ „Vielleicht hat Kathleen ihr gesagt, dass sie durchhalten soll.“, mutmaßte Charlie. „Hast du jemals an ein Leben ohne die Kräfte gedacht, Charlie?“ Charlie sah Jessica überrascht an. Er hatte nicht mit einer solchen Frage gerechnet, auch wenn er sie schon lange und sehr gut kannte. Nie hatte er geglaubt, dass sie solche Gedanken haben könnte. „Ich bin als das, was ich bin, geboren worden.“, antwortete er, nachdem er etwas überlegt hatte, „Ein Leben nur als Mensch kam für mich demnach nie in Frage, da ich es nie zu hundert Prozent habe erleben dürfen.“ „Aber wünscht du dir manchmal, dass du ein ganz normaler Mensch bist?“ „Ich würde es, wenn die Frau, die ich liebe, es sich wünscht.“ Jessica löste sich langsam von ihm, stützte sich an der Rückenlehne des Sofas ab und blickte ihn lange an, dann meinte sie: „Aber wir können ja doch nie nur Mensch sein.“ Charlie seufzte, nickte leicht und zog sie wieder zu sich. Er legte beide Arme um sie, küsste ihre Stirn und legte sanft sein Kinn auf ihren Kopf, wobei er sie nicht losließ. Dass sie über so etwas nachdachte, bereitete ihm Sorgen, doch dass sie in seiner Nähe war, vertrieb sie wieder. „Jessica ... “ Der Abend war fortgeschritten und Charlie war mittlerweile ins Bett gegangen. Er hatte mit Jessica noch eine Weile auf dem Sofa gesessen und sich unterhalten, allerdings hatten beide einen großen Bogen um das Thema Menschsein gemacht. Alleine saß Jessica nun auf dem Sofa und war in Gedanken versunken, als sie ihren Namen vernahm. Sie wusste sofort, wer es gewesen war und erhob sich. Kath war bereit zum Reden. Jessica fand Kath auf dem Dach einer leerstehenden Lagerhalle auf einer Erhöhung der Stadt. Das Mädchen stand am Rande des Daches und blickte verträumt auf die hell erleuchtete Stadt hinab, während Jessica zunächst eine metallene Treppe hinunterstieg und dann über das Dach zu ihr ging, um neben ihr stehen zu bleiben. „Woher wusstest du, dass ich mit dir reden möchte?“, fragte Kath und blickte die Ältere aus den Augenwinkeln heraus an. „Die Kette, die ich dir gab, stammt von der Person, der ich mein Dasein als Werwolf verdanke.“, antwortete Jessica, „Als Erinnerung und Schutz.“ „Was hat die Kette damit zu tun?“, fragte Kath verwundert und nahm den Anhänger der Kette um ihren Hals mit Zeigefinger und Daumen. „Damit kann der Neuling seinen Schöpfer kontaktieren, wenn der Schöpfer seinem Neuling die Kette überreicht.“, erklärte Jessica, „Ich bekam diese Kette, aber sie hat ihre Funktion nach dem Tod meines Schöpfers verloren.“ „Aber du bist weder mein Schöpfer, noch bin ich Neuling.“, widersprach Kath. „Ich reichte dir die Kette … und du konntest mich kontaktieren. Allein das Weiterreichen der Kette genügt. Wir stehen mental nicht in Kontakt, doch die Kette ändert das, wenn es das ist, was du wirklich willst.“ „Du sagtest, dir erginge es ähnlich.“, wechselte Kath das Thema. „Es geht dir nicht aus dem Kopf, was?“ Kath nickte. „Caihong ist für dich das, was du an dir selbst verabscheust.“, meinte Jessica. „Charlie ist das, was du an dir nicht magst? Du willst kein … du willst nicht das sein, was du bist?“ „Manchmal wäre das Leben so viel einfacher.“, gestand Jessica seufzend, „Aber Charlie und mich verbindet noch mehr.“ „Ihr seid ein Paar. Das ist es.“ „Nein.“, widersprach Jessica, „Zwar auch das, aber ich meine anderes. Charlie tötete jemanden, der mir nahe stand.“ Kath schluckte, dachte über Jessicas Worte nach. Auch wenn sie Charlie nicht so gut kannte; wie konnte er jemanden getötet haben? Jemanden, der offensichtlich keine bösen Absichten hegte, da er Jessica nahe stand? Wie konnte das geschehen sein? „Bevor du dich fragst, wie das geschehen konnte, will ich dir sagen, dass Charlie noch nicht das Rudel führte und wir alle anders waren. Einschließlich ich selbst.“, kam Jessica Kath zuvor, „Und bevor wir weitersprechen … “ Kath sah ihre Lehrerin fragend an. „Mir ist sehr wohl aufgefallen, dass Lilith ebenfalls hier oben ist.“ Aus dem Schatten hinter ihnen trat eine junge brünette Frau heraus und lächelte Jessica amüsiert an, die ihr einen kurzen Blick zuwarf, allerdings dann wieder nach vorne auf die Stadt blickte. Kath biss sich auf die Unterlippe, sagte allerdings nichts dazu. „Jessica Brooke Levin.“, sagte Lilith, „So verletzt wie bei dem Kampf hast du mir eher zugesagt.“ „Remy.“, reagierte Jessica auf Liliths Worte, „Ich sollte dir für dein Erscheinen im Kampf danken.“ „Die Tage von Remy sind schon lange gezählt, Jessica.“, erklärte Lilith ernst, „Im Gegensatz zu dir konnte ich mein normales Leben nicht fortführen.“ Es schien Lilith ungemein zu stören. „Du konntest studieren, einen Job erlangen, mit deiner Familie leben.“ „Remy, das ist nicht wa-“ „Lüge mich nicht an, Jessica!“ „Lilith … “ Kath versuchte Lilith zu beruhigen. „Jess ist nicht her, damit ihr euer Kriegsbeil wieder ausgrabt.“ „Sei still, Kath!“, fauchte Lilith, doch Jessica trat vor das Mädchen und sagte laut und ernst: „Kathleen hat Recht. Ich bin nicht hier, damit wir uns streiten. Du solltest auf sie hören … Für ihre jungen Jahre hat sie so einiges mehr verstanden als du.“ „Misch dich nicht in die Angelegenheiten des Clans ein, Jessica.“, drohte Lilith ihr, „Kath ist eine von uns.“ Jessica warf Kath einen kurzen Blick zu, dann meinte sie ruhig: „Ich bezweifle, dass Kathleen das selbst auch so sieht, Remy.“ Damit ging Jessica an Lilith vorbei. Sie schwieg, schenkte keinem der beiden einen weiteren Blick und biss die Zähne zusammen. Hinter sich hörte sie, wie Lilith sich umdrehte und ihr anscheinend nachblickte und Kath sich in Bewegung setzte, doch ein Lass es von Lilith schien sie aufzuhalten. Jessica kehrte in die Wohnung von Charlie zurück. Doch anstatt ins Bett zu gehen, betrat sie fast lautlos das Gästezimmer und setzte sich in den Sessel, den Charlie meist besetzte, wenn er Kensi in ihrem unruhigen Schlaf beobachtete. Es gingen ihr viele Gedanken durch den Kopf, ebenso kamen viele Erinnerungen hoch. Lilith und sie waren einst Freunde gewesen, auch wenn sie sich nur in den Ferien hatten treffen können, da sie in verschiedenen Staaten gewohnt hatten. Dann hatte Lilith eines Tages nicht mehr auf Jessicas Briefe geantwortet und nur kurze Zeit später war sie in Jessicas High School erschienen. Zu etwa der Zeit wendete sich für Jessica das Schicksal: Sie wurde in einen Werwolf verwandelt. Und nur wenig später begann die Feindschaft zwischen Lilith und ihr. Sie traf auf einen anderen Werwolf und empfand schon kurze Zeit später mehr für ihn, doch dann tauchte Charlie auf und versuchte sie von seiner Ansichtsweise zu überzeugen. Jessica wies ihn ab, doch Charlie ließ nicht locker und als Jessica und ihr damaliger Freund Charlies Warnung nicht beachteten, tötete Charlie Jessicas Freund. „Denkst du darüber nach, was damals in Charlotte geschehen ist?“ Jessica zuckte zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, dass Charlie in das Gästezimmer gekommen war, und blickte ihn nun an. Langsam nickte sie. Charlie nahm ihre Hand und drückte sie sanft, wobei er ihr ein schwaches Lächeln schenkte. „Es gibt kein gut und böse. Das hast du damals behauptet.“, meinte er und kniete sich neben den Sessel, hielt ihre Hand weiterhin leicht fest, „Also sind die Vampyre bösartig? Das fragtest du mich, als du langsam Vertrauen zu mir fasstest.“ „Du hattest damals Scott umgebracht, Charlie. Vor meinen Augen.“ „Und heute würdest du sagen, dass seine Ansichten böse waren.“ „Und meine ebenfalls.“, ergänzte sie, „Doch mich hast du am Leben gelassen.“ „Du hast bei meinen Worten gezögert. Ich sah, dass du den richtigen Weg finden konntest.“ „Es hat sich vieles über all die Jahre geändert.“, sagte Jessica mit gedämpfter Stimme seufzend, „Du hast dein eigenes Rudel, Remy würde mich am liebsten umbringen … und eine neue Generation ist geboren.“ „Du vergisst das Wichtigste, Jess.“ Charlie lächelte sie sanft an. „Wir haben uns gefunden.“ Langsam erhob er sich wieder, ließ ihre Hand los. Er schenkte ihr ein kurzes Lächeln, warf Kensi einen letzten Blick zu, dann wendete er sich ab und verließ das Gästezimmer. Jessica blickte ihm nachdenklich nach, seine letzten Worte noch immer in ihren Ohren. Sie hatten einander gefunden. „Kathleen! Komm gefälligst raus!“ Jessica war am nächsten Morgen zu einer alten Lagerhalle gegangen. Diese war verlassen und galt als einsturzgefährdet, doch Jessica hatte sich einfach darüber hinweggesetzt. Sie wusste, dass Kath sich dort aufhielt. Es war nur so ein Gefühl, aber sie wusste, dass sie diesem vertrauen konnte. Langsam öffnete sich eine der schweren Türen und die Blondine trat heraus. Sie sah nicht gesund aus: Dicke Augenringe, blass wie nie zuvor und offensichtlich hatte sie sich am rechten Arm verletzt, denn sie trug einen Verband, der schon von Blut durchtränkt war. „Was zum Teufel hast du angestellt?!“ Jessica ging langsam zu dem Mädchen herüber. Kath bewegte sich kein bisschen und hatte den Blick gesenkt. Sie wagte es nicht, ihrer Lehrerin ins Gesicht zu blicken und ließ die Arme kraftlos neben ihrem Körper hängen, während Jessica sie an den Unterarmen fasste und diese genauer untersuchte. „Wie ist das passiert, Kathleen?“, erkundigte Jessica sich und ließ die Arme der Jüngeren wieder los, „Normalerweise verschließen sich eure Verletzungen doch ebenso schnell wie die unsrigen.“ Kath, den Blickkontakt noch immer vermeidend, antwortete mit tonloser Stimme: „Caihong … “ „Caihong ist Schuld daran? Aber wie … ?“ „Ich habe ihm seine Beute streitig gemacht und er wollte, dass ich bezahle.“, antwortete Kath, „Kensi ist seine Beute.“ Jessica brauchte einen Moment, um die Wortwahl des Mädchens zu verstehen. Nicht, weil sie nicht wusste, was es bedeutete, sondern weil die Bedeutung der Worte etwas beschrieben, dass sich nicht zu hundert Prozent in Worte fassen ließ. Es betraf nicht nur Kensi an sich, sondern auch das ganze Rudel von Charlie. „Kensi wurde von Caihong markiert?“ „Weitaus mehr.“ Jessica schüttelte ungläubig den Kopf. „Caihong hat sie … er hat sie … gebissen?“ Kath nickte langsam. „Aber wie kann Kensi so lange dagegen ankämpfen?“ Jessica bekam keine Antwort von Kath. „Demnach steht die Sicherheit des gesamten Rudels auf dem Spiel!“ Kath nickte langsam, dann drehte sie sich um und wollte zurück in den Raum hinter die Tür gehen, doch Jessica war schneller und packte sie am Handgelenk. Sie hielt sie fest und ließ nicht locker; selbst als Kath kraftlos sich zu befreien versuchte. „Dich belastet etwas.“, stellte Jessica fest, „Deine Tränen verraten dich, Kathleen.“ Kath hob langsam den Kopf und in ihren sonst so ernsten und distanzierten Augen glitzerten Tränen im Morgenlicht. Selbst Jessica musste erst verstehen, was das zu bedeuten hatte, denn sie hatte Kath niemals zuvor weinen oder gar in Tränen gesehen. Und das bedeutete, dass etwas auf der Seele des jungen Mädchens lastete, womit sie nicht klar kam. Etwas, was sie eventuell nicht hatte mit anderen teilen können, weil diese sie nicht verstanden. Verstand sie, Jessica, denn das Mädchen? „Du teilst dich mir jetzt mit, Kathleen.“, forderte Jessica sie ruhig und mit sanfter Stimme auf, „Dir wird es danach besser gehen.“ Kath blickte sie ungläubig an und schien gleichzeitig gegen die Tränen anzukämpfen. „Glaub mir, es ist besser, wenn man über seine Gefühle redet, Kathleen. Ich habe den Fehler begangen und noch heute geht es mir deshalb nicht besser.“ Langsam nickte Kath, dann zog sie Jessica mit in den Raum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)