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Bittersüße, göttliche Strafe

von

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Wer ist hier das Opfer?

‚Wer ist hier das Opfer?’
 


 


 

Leise, sehr leise, schlich sich ein vermummter Mann in den Palast des Pharaos. Er war durchschnittlich groß, schlank. Normalerweise erregte er großes Aufsehen, wenn er nicht so gut vermummt durch die Straßen Ägyptens ging.

Weiter leise schlich er sich an den Wachen vorbei, die ihn nicht bemerkten. Es waren viele Gänge, aber er wusste, wohin er musste. Er hatte eine Tat vor, die grausam war. Zwar wollte er nicht den jungen Pharao töten, aber einen seiner Priester.
 


 

Seth, den Hohenpriester.

Das Motiv: Neid.
 


 

Er verstand das Motiv zwar, aber fand, dass der Neid-Priester – sein Auftraggeber – selbst Schuld daran war, noch nicht so weit gekommen zu sein. Denn wer sich gerne mal vor Aufgaben drückte und sich lieber mit Frauen und Sklavinnen beschäftigte, war selbst Schuld.

Aber das stand nicht zu Debatte.

Er sollte einfach diesen jungen Priester – der auch arrogant und eingebildet sein sollte – erledigen.

Für gutes Geld, versteht sich natürlich! Denn für einen Dieb war jede Münze lebensnotwendig.

Und da kamen einer zweiköpfigen Familie – wie er sie hatte – ganz Recht, denn diese 100 Münzen würden für ein paar Monate ihr Leben sichern.

Wenn er sie doch nur schon hätte...
 

Endlich kam er in dem Gang an, wo der Hohepriester Seth und seine Diener leben sollten.

Man konnte den jungen Mann gar nicht verfehlen. Er war überdurchschnittlich groß, hatte eisblaue Augen – was eine reine Besonderheit in Ägypten war, wenn diese selbst Ägypter waren! – und braunes Haar. Ebenso bronzenfarbige Haut. Der junge Mann konnte sich gar keinen Menschen mit blauen Augen vorstellen – und erst recht nicht eisig.

Mit jedem Schritt bedacht, den er tat, bewegte er sich weiter.

Zum Glück waren hier keine Wachen mehr aufgestellt. Was ihn allerdings auch wunderte. Brauchte denn ein Priester keinen Schutz...?! Naja, ihm konnte das ja nur Recht sein.
 

Der junge Mann blieb stehen, als er vor einer vornehmeren Tür ankam, als zuvor im Gang.

Inwiefern sie vornehmer war?

Natürlich aus Holz, aber viel geschliffener, mit Verzierungen.

Behutsam öffnete er die Tür – und... sie war geschlossen. Entweder war der feine Herr noch nicht in seinem Bett oder er schloss die Türe auch zu, wenn er schlief. Dies konnte ihm ja aber egal sein, denn er konnte jedes – naja..., ok, fast jedes – Schloss knacken. Aus einer Tasche seines Umhangs holte er eine Nadel und kniete sich vor das Türschloss. Nach wenigen Sekunden war es geöffnet. Leise erhob er sich wieder und vorsichtig öffnete er die Tür zu seinem kleinem Reichtum für wenige Monate.
 


 

Langsam schritt er in den Raum ein.

Auf der linken Seite stand im unteren Eck ein großes Regal, mit ungblaublich vielen Papyrusrollen und in der Ecke der linken Seite stand ein großer Tisch mit Stuhl, mit ebenfalls einigen Papyrusrollen.

In der Mitte stand ein weiterer Tisch, diesmal allerdings mit mehreren Stühlen – insgesamt vier.

In der rechten Ecke unten war eine Art Trennwand und ein großer Schrank.

Und in der oberen rechten Ecke das Bett. Es war riesig. So ein großes Bett hatte der junge Mann noch nie gesehen.

Er wollte dann gar nicht wissen, wie groß das Bett des Pharaos – des mächtigsten Mann in Ägypten – war!

Dieses Bett war aus einem Holz, dass er nicht kannte. Aber es sah sehr wertvoll und teuer aus. Es war schwarz und irgendwie doch zur gleichen Zeit auch braun. Und auf dem Bett lag der Hohepriester.
 

Er trat zu dem Bett.

Verwundert, über so eine makellose Schönheit, blickte der junge Mann den Schlafenden sich etwas genauer an.
 

Braunes Haar, das ihm wahrscheinlich manchmal ins Gesicht fiel. Ein männliches – sehr markantes – Gesicht. Sein Oberkörper war sehr muskulös, ebenso wie seine langen Beine. Lange, schmale Finger. Leicht standen ihm an den Armen die Knochen heraus. Allerdings sah diese Länge gar nicht schlaksig aus, sondern sehr gut – er würde es sogar sinnlich nennen.

Der Mond – es war heute Vollmondnacht – schien dem jungen Mann ins Gesicht. Das gab ihm etwas mysteriöses.

Etwas, das ihm etwas unbeschreibliches gab. Etwas, das...
 

Der Vermummte erschrak sich fast zu Tode, als ihn in der Dunkelheit zwei Augen – eisblau – ansahen.

Vor lauter Schreck konnte der junge Mann sich gar nicht bewegen, der andere dafür umso mehr und setzte sich schnell auf und stand keine zwei Sekunden nachdem Aufsetzten vor ihm.

„Wer bist du? Und was machst du hier?“

Er gab keine Antwort Preis, sondern schaute weiter in diese eisblauen Augen. Sie fesselten ihn. Machten ihn verrückt.

Noch einmal kam die Frage: „Wer bist du und was machst du hier?“

Als immer noch keine Antwort vom jungen Mann kam, wurde es dem Hohepriester zuviel und er packte ihn am rechten Arm.

„Sag es! Oder ich breche ihn dir!“ kam es mit einer eiskalten Stimme, bei der einem ein Schauer über den Körper fuhr.

„Jono.“

„Was machst du hier? Antworte – sofort!“

Schwer schluckte der junge Mann, jetzt bekannt durch den Namen Jono, denn er konnte nichts sagen, denn er kam sich vor, als wäre er ein kleines, hilfloses Tier, dass von einer Schlange gefressen werden würde.

„Okay, wenn du nicht reden willst, dann halt eben anders,“ kam es von Seth.

Er schmiss den jungen Mann in eine Ecke und plötzlich war dieser bewusstlos.

„Anscheinend war der Stoß zu heftig... Manchmal ist Kraft doch nicht so gut...,“ kam es, genervt, von sich selbst.

Langsam ging er zu ihm und hob ihn auf, trug ihn zu einen der vier Stühle und setzte ihn so hin, damit er nicht runterfiel. Danach ging er zu seinem Schrank, öffnete ihn und holte etwas heraus. Danach wurde der Schrank wieder geschlossen. Als er wieder bei Jono war, legte er das Etwas, das er aus dem Schrank geholt hatte, auf den Tisch. Es war ein langes Seil.

>Als erstes werde ich ihm seinen Umhang ausziehen.<

Dies tat der junge Priester dann auch und als er das Haar des Fremden sah, verschlug es ihm die Sprache.

>Blond. Gold. Goldblond... Was für eine Haarfarbe...! Ist er gar nicht von hier?!<

Mit weiteren Gedanken ging Seth daran, Jono erst mal seinen Dolch, den er in seinem Gürtel trug, abzunehmen. Danach fesselte er ihn.

Als dies erledigt war, ging er hinaus, nahm einen Krug mit, um sich frisches Wasser aus dem Brunnen des Gartens zu holen, wo die Sklaven ihn immer holten. Normalerweise machte dies einer seiner Sklaven, aber zu dieser späten Stunde würde er sicher keinen mehr wecken.

Er wusste ja selbst, was es hieß, schwer und hart zu arbeiten und sich am Ende eines Tages, geschafft sich schlafen zu legen.
 

Als er am Brunnen ankam und er den Krug in den Brunnen schmiss und den vollen Krug wieder herauszog, kam leise eine Person zu ihm.

„Seth. Was machst du zu dieser späten Stunde noch hier?“

Kurz wirbelte der Angesprochene herum – der Krug fiel wieder in den Brunnen – verbeugte sich und erzählte der Person, was geschah.

„Was hast du jetzt vor?“

„Mich wundert es, Pharao, dass Ihr mich das fragt,“ kam die überraschte und ehrliche Antwort des Angesprochenen.

„Meinst du etwa, ich bin jemand, der es liebt, Menschen eines qualvollen Todes zu sehen? Dazu müsstest du mich zu gut kennen, Seth, dass ich es verabscheue.“

„Ja, da habt Ihr Recht. Ich weiß es, wie sehr Ihr es verabscheut. Aber... ich wüsste da schon etwas...“

„Ach, und was?“

Kurz erzählte der Priester dem Pharao, was er vor hatte und dieser meinte dazu:

„Besser, als ihn den Löwen zum Fraß zu werfen.“

„Entschuldigt mich jetzt bitte, Pharao. Ich möchte noch etwas Wasser holen.“

„Lass dich nicht stören. Ich verschwinde schon wieder,“ sagte der Pharao mit einem Augenzwinkern und war nach ein paar Sekunden aus dem Garten wieder verschwunden.
 

Der Priester drehte sich wieder um, um den Krug noch einmal aus dem Brunnen zuschöpfen. Als er den Krug aus dem Brunnen hatte und wieder in seinem Zimmer war, sah er, dass sich der junge Mann namens Jono auf dem Stuhl hin- und herschmiss.

„Anscheinend hat er einen Alptraum...,“ sagte er leise zu sich selbst.

Er ging zu ihm hin und stellte den Krug ab. Danach holte er wieder aus seinem Schrank ein Tuch und tunkte es dann in den Krug.

Er wusch ihm das Gesicht ab und untersuchte ihn nach Verletzungen und die Verletzungen, die er fand, versorgte er.

Denn er hatte schon in sehr jungen Jahren gelernt, wie man Verletzungen versorgte und was bei gewissen Verletzungen half. Als dies erledigt war, sperrte er die Türe noch einmal ab und ging wieder zu seinem Bett, um sich schlafen zu legen. Denn fest genug an dem Stuhl war der Eindringling ja gebunden...
 


 


 

Als der Hohepriester Seth am nächsten Morgen aufwachte, sich streckte und aufstand, bemerkte er, dass sein neuer junger „Freund“ schon wach war.

„Was mach ich hier noch? Und warum habe ich Bandagen um meine Verletzungen?“ war die Begrüßung des Gefesselten.

„Hätte ich dich etwa einfach wieder laufen lassen sollen? Meinst du ja wohl selbst nicht! Und ich habe etwas bestimmtes mit dir vor und da brauche ich dich nicht verletzt. Denn das kannst du dann noch oft genug werden,“ kam die Antwort, während Seth zur Tür lief. „Ich hole jetzt erst einmal Frühstück. Zwar werde ich dir auch etwas bringen, aber ich werde es dir selbst geben. Denn du sollst deine gerechte Strafe erhalten und wir wollen ja nicht, dass du ausreißt.“ Nachdem er mit dem Reden geendet hatte, verschwand er.

>Was meint er? Okay, dass ich eine Strafe verdient habe, verstehe ich ja noch... Aber... was meinte er damit, dass ich jetzt nicht verletzt sein soll, weil ich es später ja noch oft genug sein kann?<
 

Nach einigen Minuten hörte er näher kommende Schritte vom Gang. Sie waren nicht laut und schwer. Aber als Dieb hatte er ein verdammt gutes Gehör und wusste sofort, dass es der Hohepriester war, der zurückkam.

Jono schloss seine Augen und versuchte sich zu konzentrieren.
 

Nur die Ruhe bewahren. Diesmal würde er nicht rumstottern und ihn wie ein Wesen von einer anderen Welt anstarren. Diesmal... Das metallische Klicken des Türschlosses unterbrach ihn in seinen Gedanken.
 

Seth betrat den Raum. Er trug ein kleines Tablett, auf dem zwei Schüsseln, ein kleiner Tonbecher und ein Krug waren. Hinter sich verschloss er wieder die Tür, ließ aber den Schlüssel stecken.

>Schließt er denn nur ab, damit sonst keiner reinkommt? Denkt er, dass ich nicht fliehen könnte? Wie selbstsicher er doch ist...<

Wortlos kam der Hohepriester näher, stellte das Tablett auf den Tisch, vor dem Jono, noch immer gefesselt, auf einem Stuhl saß.

Dann starrten sie sich gegenseitig nur an.
 

Seths Blick war kühl, emotionslos und arrogant, wie Jono fand. Dieser blickte einfach nur mit allem Trotz, den er in dieser Situation aufbringen konnte, zurück.
 

Dann plötzlich grinste Seth.

Höhnisch, verächtlich, gefährlich.

„Du hast sicher Hunger, nicht wahr, mein kleiner Einbrecher?“, sagte er mit seiner scharfen, durchdringenden Stimme, die Jono Schauer über den Rücken laufen ließen. „Da ich leider dich nicht losbinden möchte, werde ich dich wohl füttern müssen. Ich hoffe für dich, du weißt meine Großzügigkeit zu schätzen.“

„Bevor du mich „fütterst“, möchte ich wissen, was für eine „gerechte“ Strafe das ist, die du vorhin erwähnt hattest“, erwiderte der Blonde.

„Willst du dir den Appetit verderben?“, kam die spöttische Antwort.

„Ich will wissen, was mit mir passiert! Das ist mein Recht!“ kam es aufgebracht von Jono.

„Du und ein Recht? Welche denn noch? Du wirst mein persönliche Sklave. Und jetzt iss!“
 


 

>Ich soll... was werden?< Jono hatte mit allem gerechnet.
 

Hinrichtung, tödliches Gift trinken, lebenslanger Kerker oder Dienst auf der Galeere, Tieren zum Fraß vorgeworfen zu werden, öffentliches Anprangern, Foltern sämtlicher Art wie Auspeitschen, Ätzen und Abschneiden gewisser Körperteile – aber das?
 

Sicher, Versklavung ist auch eine Strafe, vielleicht sogar die härteste Strafe für jemanden wie Jono, der seinen ganz eigenen Willen hatte, um nicht zu sagen, sehr eigenwillig war. Aber manch einer würde seine Seele hergeben, um der private Sklave eines Hohenpriesters zu werden. Wenn man bedenkt, dass er eigentlich nur eine gewöhnlicher Dieb war, dann käme das eigentlich schon einem sozialen Aufstieg gleich. Egal wie hoch man der nun sein mochte oder man es schätzte...
 

„Hat es dir so die Sprache verschlagen?“

Wieder dieses dämliche und hochmütige Grinsen. Es machte Jono rasend vor Wut.

Sicher, er war ihm nun vollkommen ausgeliefert, egal was er tat – es nützte nichts. Das er gefesselt war, war für ihn umso schlimmer. Untätig saß er da, wehrlos, machtlos. Jono hasste es so zu sein.

„Ich werde verdammt noch Mal niemals dein Sklave werden! Da sterb’ ich lieber!“, schriee er ihn an.

„Wie du willst – die Alternative wäre übrigens Hinrichtung. Du hast die Wahl: Tod oder Sklave sein.“

>Sterben?! Ich kann nicht sterben. Noch nicht. Nicht so lange sie so krank ist. Wen hat sie denn noch, wenn ich nicht mehr da bin... Ich kann sie doch nicht zurücklassen. Ich kann also auch auf gar keinen Fall hier als Sklave oder sonst was bleiben. Wenn ich doch nur eine Fluchtmöglichkeit hätte... Also muss ich wohl oder übel erst mal mitspielen...< dachte Jono.

„Also wenn ich schon die Wahl habe“, begann Jono, „gibt es dann nicht auch noch mehr Auswahlmöglichkeiten? Ich finde ehrlich gesagt weder Tod noch Sklaverei so toll.“

„Nein.“

„Mist... Schade eigentlich...“

„Deine Entscheidung?“

„Dann muss ich wohl oder übel Sklave nehmen. Aber glaub ja nicht, dass der Gedanke dir dienen zu dürfen“ – er betonte „dürfen“ schön ironisch – „so verlockend ist. Ich kann einfach noch nicht sterben.“

Der Blonde sah seinen neuen Herrn mit einem ernsten Blick an, fixierte seine Augen, nur um zu zeigen, dass, selbst wenn er gefesselt und schwächer war, er sich niemals einfach so rumkommandieren lassen würde, dass egal was passiert, er immer seinen Willen behalten und Widerstand leisten würde.
 

Egal, was kommen möge...!
 


 


 

Der hochgewachsene Priester erwiderte den Blick ruhig. Den Jungen zu seinem Leibsklaven zu machen war eine fixe Idee gewesen und er konnte dies auch nicht mehr zurücknehmen, schließlich wusste bereits der Pharao davon.

Aber er bereute es auch nicht.

Irgendwas gefiel ihm an dem Kleinen.
 

Nun, er war auch ein sehr seltener Anblick hier in Ägypten. Da waren zum einen diese Haare. Er konnte sich an ihnen gar nicht satt sehen. In der Nacht hatten sie mysteriös geschimmert im Mondlicht. Nun, wo die Sonne in sein Zimmer schien und es langsam schwül wurde, strahlten sie feurig. Irgendwie passten sie zu dem Jungen. Aber dann waren da noch diese Augen...
 

Vor einiger Zeit hatte er mal einen Händler kennen gelernt, der den Palast mit Edelsteinen aller Art belieferte. Er hatte ihm eine ganz besondere Rarität – wie er die Steine nannte – weil sie von einem ganz weit entfernten Ort stammten, gezeigt. Es handelte sich um viele kleine, braune Steine. Die Färbung empfand selbst er, der gefühlskalte Hohepriester, als schön. Sie hatten die gleiche Farbe wie die Augen von Jono. Ein tiefes, warmes Braun, in dem man sich verlieren konnte. Bernstein. So nannte der Händler sie.
 

Und eben diese Augen starrten ihn jetzt trotzig an. Seth genoss es regelrecht, so lange in sie hineinzublicken. Es war, als besäßen sie eine unendliche Tiefe, in der er nichts anderes als Ruhe und Geborgenheit finden würde. Wenn nur ihre Besitzer nicht so ein sturer Dickkopf wäre.

Aber so würde ihm wenigstens nicht so schnell langweilig werden.
 

Der Hohepriester lehnte sich vor, bis er auf der selben Augenhöhe wie sein neues Spielzeug war. Mit ruhiger Stimme fragte er:

„Warum willst du denn nicht sterben? Was gibt es in deinem Leben, wofür es sich zu leben lohnt?“

„Das geht dich überhaupt nichts an“, antwortete Jono mit sicherer, bestimmter Stimme, trotz einer kleinen Gänsehaut, die Seth, nicht ohne eine gewisse Genugtuung aus den Augenwinkeln, bemerkte.

„Wo wir gerade beim Thema Tod sind: Warum wolltest du mich töten?“ Seine Stimme wurde unwillkürlich schärfer und noch eisiger.

„Es war ein Auftrag – was sonst?“

„Wer gab dir den Auftrag?“

Schweigen.

„Ich habe dir eine Frage gestellt.“

„Und du wirst keine Antwort bekommen.“

„Wieso nicht?“

„Dumme Frage. So läuft das nun Mal ab. Man bekommt einen Auftrag und wenn die Bezahlung stimmt, dann fragt man auch nicht mehr viel nach.“

Seth richtete sich wieder auf und Jono atmete innerlich erleichtert auf. Er schien ihm seine Unwissenheit abzunehmen. Es war auch besser so. Wenn dieser Priester raus bekäme, dass er ihn bei Seth verpfiffen hatte, dann würde das Konsequenzen nach sich ziehen. Dabei fürchtete er sich nicht um sein eigenes Leben, sondern um ihr Leben.

Der Priester kannte seinen Namen, wusste von seiner kranken Schwester und wie sehr er sich um sie sorgte. Ansonsten hätte er ihm sicher nicht nur so eine niedrige Summe angeboten. Er wusste, wie verzweifelt Jono war.

Dem Hohepriester aber war die Erleichterung in den bernsteinfarbenen Augen nicht entgangen.
 

Betont langsam ging er um den Gefesselten herum und blieb hinter ihm stehen, bückte sich runter zu ihm, so dass er ihm nun direkt ins Ohr flüstern konnte:

„Du kennst sein Gesicht. Du kennst seinen Namen. Du weißt sogar, warum er mich tot sehen will. Habe ich nicht recht, Jono?“ Er freute sich innerlich, als er merkte, wie Jonos Körper sich angespannt hatte, und als er hörte, wie der kleine Blonde schwer schlucken musste. „Du solltest eines lieber sehr schnell lernen: Du bist mein Sklave. Ich bin dein Herr. Du hast mir nicht nur zu gehorchen, du solltest mir absoluten Gehorsam und absolute Loyalität zeigen. Ich dulde es weder, wenn du mich anlügst, noch wenn du mir etwas verschweigst. Haben wir uns verstanden?“

Ein zögerliches Nicken.

„Dann wollen wir uns nun darum kümmern, dass du was in den Magen bekommst, nicht?“

Seth ging nun wieder zum Tisch und nahm eine der beiden Schüsseln, in der ein heller Brei und ein Löffel sich befanden. Und wieder dieses Lächeln.

„Und nun sei ein braver Junge und mach 'Ahh...!'!“

„Nenn mich nicht so...!“ knurrte der „brave Junge“.

„Aber nana! Das sagt man doch nicht zu seinem Meister, Herr und Gebieter, Junge! Also, lieb sein und essen,“ erwiderte Seth mit höhnischer, hoher, Stimmer und steckte einfach den Löffel, der zuvor in Brei getunkt war, in den Mund des anderen.
 


 


 

Nun herrschte Stille zwischen den beiden. Jono unterließ es, irgendeine Sauerei zu veranstalten. Zum einen war das Essen wirklich lecker und er hatte lange nichts Richtiges mehr gegessen. Und zum anderen war er nun doch etwas eingeschüchtert von seinem Herrn. Er war gefährlich.

Kein Wunder, dass der Priester jemanden angeheuert hatte, um ihn umzubringen, statt es selbst zu tun. Der Hohepriester war niemand, mit dem man sich einfach so mal anlegte.
 

Kurz nachdem die Schüsseln leer gegessen und der Krug nur noch zur Hälfte gefüllt war, klopfte es an der Tür.

„Wer ist da?“

„Ich bin’s, Anzu, mein Herr“, antwortete eine weibliche Stimme.

Augenblicklich stellte Seth den kleinen Tonbecher, aus dem er gerade noch Jono trinken ließ, auf dem Tisch zurück und ging zur Tür und schloss sie auf.

Ein Mädchen – oder sollte man doch junge Frau sagen? – mit brünetten Haare und Lächeln auf den Lippen trat hinein.

„Der Pharao hat sich nach Euch erkundigt. Er wünscht Euch sofort zu sprechen.“

„Verstanden. Ich bin hier sowieso fertig“, sagte er mit einem Nicken in Richtung Jono. „Bring ihm neue Kleidung – und zwar die eines Sklaven. Sorg dafür, dass er sich wäscht und nicht mehr wie ein Straßenköter stinkt und aussieht. Und weich nicht von seiner Seite. Ich werde mir noch überlegen, zu welchen Arbeiten ich ihn gebrauchen werde.“

„Wie Ihr wünscht, Herr“, sagte das Mädchen ehrerbietig, mit leicht gesenktem Kopf, und verneigte sich.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, war der Hohepriester bereits gegangen und ließ Anzu, mit dem noch immer auf einem Stuhl gefesselten, Jono zurück.
 

„Wie ist eigentlich dein Name?“, fragte Anzu, nachdem sie Jono von seinen Fesseln befreit hatte.

„Jono“, antwortete der Blondschopf, während er seine Handgelenke knetete und versuchte, seine vom unbequemen Sitzen steif gewordenen Glieder wieder beweglich zu machen.

„Dann komm mal mit, Jono“, sagte die ewig lächelnde Anzu. „Dann will ich dir zeigen, wo die Bäder für uns Sklaven sind.“

Er folgte der jungen Frau und sah sich genau um, während er ging.

Denn er musste sich hier alles gut merken, um flüchten zu können – zu seiner Schwester, um sie zu beschützen. Die Nachbarn würden sie nicht die ganze Zeit bei sich dulden, denn sie konnte ihnen nicht mal zur Handgreifen... nicht richtig, jedenfalls.

Nach einigen Gängen hielten beide vor einer Tür und Anzu öffnete sie.

„Hallo Ibrahim. Könntest du für Seth’s neuen Sklaven bitte eine Wanne Wasser voll machen? Währenddessen such ich Sklavenkleidung für ihn,“ sagte sie.

„Na klar, Anzu. Komm doch herein, junger Mann,“ erwiderte der Mann namens Ibrahim.

„Bis gleich, Jono,“ kam es noch von Anzu, die dann verschwand.

Kurz blickte der Blondschopf ihr noch nach, wand sich dann aber dem älteren Mann zu, als dieser sagte:

„Komm mit, mein Junge.“
 


 

Währenddessen lief im Thronsaal eine hitzige Diskussion.

„Aber mein Pharao, dass könnt ihr doch nicht zulassen!“ rief ein älterer Priester, namens Akunadin, aufgebracht.

„Doch! Das kann ich, Akunadin! Und es ist gut so!“ entgegnete der junge Mann ihm. „Zwar mögt ihr weiser sein als ich, an den Mehrzahlen eurer Tagen, aber ich weiß, was für mein Volk gut ist.“

„Aber...“

„Nichts aber, Akunadin! Du hast es doch gehört, was der Pharao gesagt hat. Zwar sind wir zum Teil auch seine Berater, aber er muss uns nicht fragen, ob wir damit einverstanden sind. Er muss es uns nur berichten,“ entgegnete Mahado. „Und so schlecht finde ich die Idee gar nicht.“

„Was du findest!“ murmelte der grauhaarige Mann und blickte entzürnt den Jüngeren an.

„Hört auf mit euren Streitereien! Ihr könnt alle gehen – bis auf Seth. Ich möchte noch etwas mit dir besprechen.“

Alle verneigten sich vor dem Pharao und gingen hinaus.

Nach einigen Augenblicken fragte Seth:

„Was wollt Ihr, Pharao?“

„Ich wollte dich noch Mal wegen deinem neuen „Schützling“ fragen. Bist du dir sicher, dass du ihn zu deinem Sklaven machen möchtest?“

„Ja. Es könnte ganz amüsant mit ihm werden, denn er ist ein ziemlicher Sturkopf. Somit wird mir vielleicht nicht mehr so schnell langweilig...“, war die ehrliche Antwort des jungen Mannes, worauf beide anfangen mussten, zu lachen.
 


 

Ja, Seth war sich sicher, die nächste Zeit würde wirklich nicht langweilig werden.

Er hoffte nur tief im Inneren, dass er sich aber auch nicht allzu viele Probleme mit dem jungen Jono einhandelte.

Das Leben als Sklave beginnt

'Das Leben als Sklave beginnt'
 


 


 

Jono seufzte laut.

Irgendwie war alles, was in den letzten zwölf Stunden passiert war, viel zu viel für ihn.
 

„Seltsam, wie schnell doch das eigene Leben komplett auf den Kopf gestellt wird“, murmelte er leise vor sich her, während er an die helle Decke starrte. Dann seufzte er erneut und ließ sich wieder zurück ins angenehm warme Wasser gleiten, bis nur die Hälfte seines Kopfes heraussah.

Säuerlich beäugte er die Utensilien, die am Wannenrand lagen. Zwei verschiedene Bürsten, ein Schwamm, ein Stück Seife, dass in einer kleinen Tonschale lag und drei kleine Flaschen mit Ölen darin. Er hasste es sich zu waschen.

Erneut seufzte er, weil er wusste, dass er nicht drumherum kam. Wenn er hier heil wieder rauskommen wollte, musste er zunächst brav mitspielen. Er griff nach der Seife, tauchte sie ins Wasser und begann dann seinen Körper einzuseifen. Gedankenverloren griff er nach der groberen Bürste, um den Dreck der letzten Monate runterzuschrubben.
 

Wieso hatte dieser Hohepriester ihn verschont? Er hatte ihn überwältigt, hätte alles mit ihm machen können. Foltern, töten, aus der Stadt jagen, an einen Sklavenhändler weiterreichen. Aber er hat ihn einfach mal so zu seinem Leibsklaven ernannt und das, obwohl er versucht hatte, ihn hinterrücks zu ermorden.

Der konnte doch nicht mehr ganz dicht sein... jemanden bei sich behalten, der einen töten wollte... wie hatte er es nur geschafft, bis zum heutigen Tage zu überleben?
 

Ratlos schüttelte Jono seinen Kopf.

Verstehen konnte er das nicht.

Trotzdem war er froh, noch am Leben zu sein. Hoffentlich überlegte es sich dieser Hohepriester nicht doch noch anders... Nochmals schüttelte er seinen Kopf, diesmal um die Gedanken an die mögliche Konsequenzen zu vertreiben.

Nun legte er die Bürste zur Seite, sein ganzer Körper war bereits wund vom vielen Schrubben, dafür aber endlich sauber. Dann ließ er sich ganz ins Wasser gleiten, genoss für einen Moment das Gefühl, komplett von dem warmen Wasser umgeben zu sein, bis er dann wieder auftauchen musste, um nach Luft zu schnappen.

Er griff dann nach einem bestimmten der Fläschchen, nahm den Deckel ab und schnupperte kritisch daran, verzog aber dann das Gesicht. Der Kräutergeruch war zwar angenehm, und es waren auch einige seiner Lieblingskräuter mit dabei, aber es war viel zu intensiv, zu stark konzentriert seiner Meinung nach. Aber es half nichts, also ließ er ein bisschen von dem Kräuteröl auf seine Hand, rieb es sich schließlich in seine Haare und spülte es sofort wieder aus, in der Hoffnung, dass nicht zu viel von dem Geruch blieb. Als er sich sicher war, dass das Öl komplett aus seinem Haaren ausgespült war, stieg er aus der Wanne und trocknete sich ab. Bevor er sich anzog, griff er noch nach der anderen Flasche, die den Schnuppertest diesmal mehr oder minder bestand, und rieb sich mit dem Körperöl ein.

Er hatte es nie verstanden, warum Leute so verzweifelt darauf aus waren, wie ein Kräuterfeld zu riechen, als schämten sie sich, Menschen zu sein. Ibrahim hatte ihm allerdings gesagt, dass man hier im Palast darauf bestand und Jono wollte wegen so einer Sache keinen Aufstand wagen. Nach einer Woche in der Gosse würde er schon wieder so riechen und aussehen, wie er es gewohnt war.

Denn so zu riechen und auszuehen war ihm allemal lieber, als wie jemand zu stinken, der vorgab, etwas zu sein.

Wie die hohen Herren es ja taten.
 

Bei dem Gedanken musste er wieder seufzen.
 

Hoffentlich konnte er bald von hier flüchten.

Als normaler Sklave wäre es ihm sicherlich sehr leicht gefallen, aber als Leibsklave eines Hohepriesters erweckte man leider schnell Aufsehen, vor allem in Kombination mit seiner Haarfarbe...

Er fluchte leise vor sich hin. Egal wann, bei der ersten Gelegenheit war hier weg.

Scheiß auf das Geld. Scheiß auf die Ehre.

Er würde sich seine Schwester schnappen und die Stadt verlassen, schön weit weg..., wo ihn und sie niemand finden würde.

Die Ölflasche machte ein schnappendes Geräusch, als er sie wieder verschloss und an ihren Platz zurückstellte. Dann zog er sich endlich an. Es war sehr ungewohnt für ihn, so saubere und beinah neue Kleidung zu tragen. Der Leinenstoff war so weiß, dass es beinah so aussah, als würde er leuchten.

Mit gekonnten Handgriffen wandt sich Jono das Leinen um seine Hüften und legte schließlich den kostbaren Gürtel und den dazu passenden Halsschmuck an. In dem Waschraum war kein Spiegel, sodass er nicht beurteilen konnte, wie er aussah. Still hoffte er bei sich, dass das Ergebnis Seth befriedigen würde.

Schließlich hatte er bereits am eigenen Leibe erlebt, wie stark der Hohepriester war und das Sklaven mal eben aus einer Laune heraus geschlagen wurden, war nichts unübliches.

Jono fluchte, dass er sich in seiner derzeitigen Situation nicht wehren konnte. Aber komme was wolle, er würde es ertragen. Auch wenn das hieße, sich komplett demütigen zu lassen. Es ging schließlich nicht um seinen Stolz, sondern darum, dass er schnellstmöglich zu seiner Schwester zurück musste.
 


 

Seth saß ruhig an seinem Tisch und ging gerade einige Schriften durch, als es an der Tür klopfte.

„Wer ist da?“, verlangte er zu wissen.

„Ich bin es, Anzu“, war durch die Tür stark gedumpfte Antwort. „Ich bringe Euch Jono, so wie Ihr es verlangt habt.“

„Kommt herein.“

Seth blickte nicht auf, sondern las weiter die Abschrift vor sich. Am Rande seines Blickfeldes sah er, wie die beiden Sklaven eintraten und darauf warteten, dass er ihnen weitere Befehle gab. Er ließ sie aber noch etwas warten, bis er fertig war, blickte dann erst auf und sagte zu der Sklavin: „Du kannst nun gehen, Anzu.“

Diese verneigte sich wortlos vor ihm und schloss hinter sich die Tür.

Nun sah er sich den Blondschopf genauer an und was er sah, verschlug ihm die Sprache:
 

Frischgewaschene Haare, noch ein wenig nass, wobei ihm einige Tropfen von den Haaren fielen. Sauberes Gesicht, saubere Hände, saubere Beine.

Und die Kleidung die er an hatte..., da musste Seth sich wirklich beherrschen, nicht ewig auf ihn zu starren. Sie passte wie angegossen. Hauteng, dass alles gut zur Geltung gebracht wurde. Aber trotzdem nicht zu aufreizend.

Ja, so konnte sich der Raufbold wirklich sehen lassen.
 

Leicht schluckend sah er nun in das Gesicht seines neuen Sklavens. Der Ausdruck war allerdings wie immer, wie er ihn bereits von ihm kannte:

Trotzig.

Wieder in die Realität zurückkommend stand der Priester auf und ging auf den jungen Mann vor sich zu, sah ihm dabei fest in die Augen und nahm jede Bewegung, jeden Atemzug, wahr.

Als er vor ihm stand, blickten sie sich einige Momente an, bevor der Braunhaarige anfing, zu sprechen:

„Nun, Jono, jetzt sieht's du wenigstens nicht mehr ganz so wie ein Straßenköter aus. Zwar bist du noch eines von deinem Verhalten her, aber das werde ich auch noch ändern. Denn du musst und wirst mir als mein Leibsklaven gehorchen müssen, auch wenn es dir nicht passt. Und du wirst alles für mich machen, was ich dir sage. Wenn ich es dir nicht sage, gilt als Zeichen ebenfalls mein Blick. Haben wir uns verstanden?“

Mit immer noch trotzigem Blick sah der Blonde zu seinem Herrn auf, antwortete allerdings leise knirschend:

„Ja.“

„Was hast du gesagt?“ erwiderte der andere. „Ich habe deine Antwort nicht richtig verstanden...“

„Ich sagte „Ja“.“

„Na dann..., haben wir uns wohl verstanden.“

„Wenn du meinst.“

Eine Augenbraue wanderte nach oben des Höherstehenden und sagte:

„Hör auf mich zu duzen. Das steht nicht in deiner Position.“

„Aber in deiner, oder was?“ kam es hitzköpfig vom anderen.

„Ja. Ich kann immerhin mit dir tun und lassen, was ich will. Und zwar wirklich, alles, was ich will.“

„Ach. Denkst DU das?“

„Ich denke es nicht nur, ich weiß es auch. Oder soll ich es dir unter Beweis stellen?“

„Versuch's doch. Schaffen wirst du es sowieso nicht.“

„Nun gut..., wenn du es unbedingt als Beweis haben willst...,“ kam es leise von Seth, der noch näher an Jono heran ging und die Türe mit einer schnellen Handbewegung abgeschlossen hatte, ohne das der andere flüchten hätte können.

Vorsichtig wich der Sklave nun ein wenig von seinem Herren weg und fragte verunsichert:

„Was wird das?“

„Dein Beweis,“ wurde die Antwort gehaucht.

Mit einer kräftigen Bewegung wurde Jono zu Boden geschleudert und sah nun, wie Seth sich zu ihm herunter beugte und zwar so, dass er sich nicht mehr wehren konnte oder fliehen.

„Und..., was wirst du nun tun?“ kam es von dem Überliegenden. „Du weißt, was ich jetzt könnte, du großer Sprücheklopfer. Oder?“

Hart schluckend nickte Jono. Jetzt hatte er wirklich beinahe Angst vor ihm.
 

Wenn Seth wollen würde, könnte er ihn hier und jetzt vergewaltigen und niemanden würde es stören. Die Diener und niederen Priester hätten nichts zu sagen, nur der Pharao könnte es öffentlich mehr als missbilligen und verbieten. Denn er war immerhin der Herrscher über Ägypten.
 

Wenn dieser sich um so was überhaupt kümmerte...

Aber eher wohl nicht, wie Jono, zu Unrecht, dachte.
 

Ja, jetzt hatte der junge Mann wirklich Angst.

Dies war eine Situation, die er noch nie erlebt hatte und auch nie erlebt haben wollte. Und das, was ihn dabei am meisten demütigte, war, dass er Seth hilflos ausgeliefert war und nichts gegen ihn tun konnte. Und er keine Macht mehr über sein eigenes Leben hatte, es nicht mehr bestimmen konnte und durfte.
 


 

Seth sah in die geweiteten Augen von Jono.

Stumm sah er seinen Sklaven noch einige Augenblicke an, bis er sich von ihm erhob.

„Ich hoffe, dass wird dir eine Lehre sein,“ sagte er. „Begreife endlich, dass ich von uns beiden mehr Macht habe und ich mit dir tun und lassen kann, was ich möchte – auch wenn es dir nicht passen mag. Und nun, steh auf.“

Langsam sich erhebend, befolgte Jono den Befehl seines Herren, sah stumm zu Boden, als dieser die Türe wieder aufgesperrt und geöffnet hatte.

„Nun komm.“
 

Langsam folgte der Blondhaarige seinem Herren.
 

„Du wirst direkt hier schlafen. Du wirst dieses Zimmer dir mit Ibrahim teilen. Und nun zu deinen Aufgaben, Jono. Du wirst, wie jeder andere Sklave natürlich auch niedere Tätigkeiten verüben, aber wenn ich etwas von dir möchte, egal was, wirst du mir sofort zur Stelle sein müssen. Auch wenn ein dir höher gestellter Sklave, Diener oder gar ein Priester etwas von dir möchte, einen Auftrag verlangt. Nur der Pharao wird für dich wichtiger sein, wenn er was von dir will, als ich. Hast du mich verstanden?“ erklärte Seth.

„...Ja.“

„Nun geh zu Ibrahim und frage ihn, welche Aufgaben er für dich im Moment hat. Bis später.“

Mit diesen Worten verabschiedete sich der Hohepriester von Jono, der sich suchend umsah.

Wenn er nur wüsste, wo Ibrahim steckte...
 


 


 

Und so vergingen die Tage und Wochen für Jono als persönlicher Sklave von dem Hohepriester Seth.

Er musste niedrige Arbeiten verrichten, wie ständiges Wasser holen oder wischen, er war für Seth einfach in allen Aufgaben das „Mädchen für alles“.

Allerdings schaffte der junge Priester es nicht, seinen neuen Sklaven zu bändigen. Er gab ihm immer noch patzige Antworten, sprang nicht sofort, wenn er etwas von ihm verlangte und gab nicht sofort klein bei. Dafür hatte Jono bereits einige Strafen erhalten, wie kein Essen oder Wasser zu bekommen, was dem jungen Mann allerdings wenig ausmachte, da er dies öfters gewohnt war.

Doch dieses Mal hatte Jono es so weit gebracht, dass er nicht nur den Zorn von Seth auf sich gezogen hatte, sondern auch den des Priesters Akunadin.
 


 

„Seth, so kann es mit diesem verdammten Sklaven nicht weiter gehen!“ rief der alte Mann aus. „Er gibt ständig Widerworte, ist zu langsam – und das mit Absicht, und hört nicht darauf, was auch wir anderen Priester sagen. Er muss bestraft werden, damit er endlich gehorcht. Egal, wie hart die Strafe sein wird. Wenn Ihr es nicht tut, werde ich es tun!“

„Wie ich meinen Sklaven bestrafen werde, ist immer noch meine Sache, Akunadin,“ sagte Seth ruhig und wandte sich zum gehen.

Sie waren auf einen der Gänge, nahe liegend von Seth's Bereich.

„Wartet!“

„Was wollt Ihr noch von mir, Akunadin? Ich werde Jono bestrafen, keine Sorge, aber nun lasst mich gehen. Ich habe noch zutun.“

„Eine Frage möchte ich noch stellen, Seth: Wieso habt ihr diesen Jüngling zu eurem Sklaven genommen? Ihr hättet ihn doch genauso sterben lassen können, Ihr könntet es immer noch. Warum plagt Ihr euch mit ihm rum?“

„Reine Abwechslung, Priester Akunadin,“ war die Antwort des Braunhaarigen. „Und nun..., entschuldigt mich.“ Mit diesen Worten entfernte sich Seth von dem älteren Mann.

„Dummkopf,“ murmelte dieser noch. „Ich hoffe, er wird dir, mein Sohn, nicht noch zum Verhängnis werden. Er hat etwas, was dir noch viel Schaden bringen kann. Lerne daraus, mein Sohn und höre endlich auf mich.“
 


 

Wütend lief Seth die Gänge entlang.

Klar, es war das gute Recht von Akunadin, sich über einen seiner Sklaven zu beschweren, wenn sie nicht das taten, was man von ihnen verlangte. Aber dieser alte Mann mischte sich ziemlich oft in seine Angelegenheiten, wie er fand.

Aber genauso verärgerte ihn Jono. Er hatte ihn oft genug ermahnt, wie er sich zu verhalten hatte, wenn er nicht als Krokodilfutter enden wollte.

Seth stand sich ein, dass er das nicht tun würde, ihn umbringen zu lassen, außer er würde Verrat begehen, dazu hatte er den Blonden trotz seiner widerspenstigen Art und frechen Antworten ihm gegenüber zu sehr ins Herz geschlossen. Diese kleinen Zankereien, die sich keiner mit ihm traute, waren wirklich eine willkommene Abwechslung. Nur müsste er, Seth, Jono wohl mal wieder zeigen, wer hier die Macht besaß.

Und er hatte da auch schon eine Idee...
 

„Ibrahim, schicke Jono zu mir, sofort!“

„Ja, Herr.“

Sich beeilend brachte der ältere Mann diese Nachricht dem jungen Sklaven, der für ihn mittlerweile wie ein Sohn war.

Er hoffte, wahrscheinlich vergeblich, dass Jono keine Strafe erhalten würde, für das, was er auch immer wieder getan hatte. Warum nur muss er so ein loses, stures Mundwerk dem Herren gegenüber haben, dachte sich Ibrahim seufzend.
 

Kurze Zeit später kniete besagter Übeltäter vor Seth.

„Wie oft muss ich dir Dummkopf noch sagen, dass du dich daran zu halten hast, was dir die anderen Hohepriester sagen, Jono?“ zischte er. „Ich habe mir wieder Beschwerden über dich anhören dürfen, vom Hohepriester Akunadin, der dich wohl am liebsten tot als lebend sehen wollen würde. Und glaube mir, ich kann es ihm bald nicht mehr verübeln.“

Stumm sah der junge Mann auf den Boden.
 

Was sollte er auch dagegen einwenden?

Er würde es ja liebend gerne, aber dann würde die Strafe, die er sicherlich gleich bekommen würde, noch um einiges härter ausfallen. Und darauf konnte er sehr wohl verzichten.

Denn er hatte es bald geschafft. Er hatte bereits Kontakte knüpfen können und einen guten Plan, wie er von hier fliehen konnte und zurück zu seiner Schwester kehren.
 

„Ich werde dich härter bestrafen als sonst, damit es dir eine Lehre sein wird.“

„Und was soll das für eine Strafe sein?“

„Sei still! Ich rede hier, du hast nichts zu sagen, außer du wirst gefragt.“

Sich abwendend von Jono, hinaus aus dem Fenster sehend, fuhr Seth fort:

„Du wirst ab sofort mir nicht mehr von der Seite weichen dürfen, wenn ich es dir sage, weder Tag noch Nacht. Nachts wirst du, wie in der ersten Nacht, hier bei mir sein, bei mir schlafen. Allerdings so, wie auch beim ersten Mal. Wie lange, hat dich nicht zu interessieren. Aber es wird dir wohl ein Gräuel genug sein, sodass du vielleicht schnell daraus eine Lehre ziehen wirst.“

Geschockt sah Jono Seth an.
 

Das konnte doch nicht dessen ernst sein, oder? Nunja..., zuzutrauen war es ihm natürlich, nur passte es ihm nicht. War ja wohl klar.
 

„Wie ich sehe, bist du nicht sehr begeistert von meinem Vorschlag. Es ist dir auch nicht zu verübeln, ich hoffe nur, dass du es endlich einsehen wirst, dass du mir zu gehorchen hast. Also, bei Sonnenuntergang bist du hier, in meinem Zimmer. Haben wir uns verstanden?“

„...“

„Jono...!“ knurrte Seth ungehalten. „Provozier mich nicht weiter. Hast du es verstanden?“

„...Ja.“

„Nun geh zurück zu deinen Arbeiten, die du zuletzt ausgeführt hast. Bin ich vor Sonnenuntergang nicht hier, wartest du draußen, ohne einen Aufstand zu machen. Nun verschwinde.“
 

Dies tat Jono schneller, als Seth noch etwas hätte sagen können.

Oh..., wie er diesen Mann hasste...! Er hasste ihn für seinen Stand und seine Macht und dafür, dass er ihn herumkommandieren konnte, wie es ihm recht war.

Und nun hatte er kaum mehr Gelegenheit, seine neuen Pläne zu fliehen, in die Tat umzusetzen, wenn er bei diesem Mann ständig sein musste.

Einen tiefen Seufzer entwich Jono. Wie es wohl seiner Schwester ging, wo sie nun war? Er wusste nicht einmal, ob sie überhaupt noch lebte und ob alles, was er hier versuchte, vergebene Mühe war.

Heftig den Kopf schüttelnd ging Jono weiter. So durfte er gar nicht anfangen zu denken! Er würde es schon schaffen, und nicht nur irgendwie, hier bald zu verschwinden, wieder in Freiheit zu sein und bei seiner Schwester zurückzukehren.
 


 

Bah!, wie es ihm auf die Nerven ging, auf den Priester zu warten. Sicherlich machte er dies mit Absicht, um ihn zu ärgern.

Sich einfach auf den Boden setzend konnte Jono jedoch auch nicht, da er sonst wegen Faulheit bestraft werden konnte. Und Strafe hatte er im Augenblick genug, wie er empfand.

Leise grummelnd bemerkte er nicht, dass Seth ihn aus einer Nische beobachtete.
 

Ja, er hatte eine Strafe gefunden, die den jungen Sklaven extrem widerstrebte.

Das war gut so, denn vielleicht würde er endlich lernen, zu gehorchen.
 

Mit starken Schritten lief der junge Mann auf den Blonden zu, beachtete ihn jedoch nicht, sondern öffnete sein Gemach.

„Setz dich auf einen der Stühle und sei still,“ wies er Jono an, kümmerte sich nicht weiter um ihn.

Einige Minuten vergingen, ohne das ein Wort fiel, bis es Jono langweilig wurde. Aber machen durfte er nichts, er wollte nicht wissen, was der andere junge Mann sich sonst einfallen ließe. Deshalb beschäftigte er sich damit, die Wände anzusehen – auch wenn das ebenso eine langweilige Aufgabe war.
 

„Nun gut, Jono. Für heute werden wir es beenden. Setz dich auf den Stuhl, damit ich dich binden kann.“

„... „

„Jono. Ich habe im Moment sehr viel Geduld mit dir, überreize sie nicht. Besser so, als der Tod, oder? Und nun mach, sonst mach ich es.“

Stumm setzte sich der Blondschopf auf einen der Stühle und sah trotzig in das Gesicht des Hohepriesters, als dieser ihn an den Stuhl band.

Ohne noch ein Wort zu sagen, drehte sich Seth um und legte einige Kleider ab, nur um neue anzuziehen.

„Nun denn..., wage es nicht, heute Nacht einen Aufstand zu wagen, denn sonst wird es Konsequenzen für dich ziehen, die du dir nie gewünscht haben wirst,“ sprach Seth und blickte ihn scharf an. „Und nun, schlaf.“

Mit diesen Worten legte sich der junge Mann in sein Bett und losch die Lampe.
 

Schnaubend sah Jono nun in die Dunkelheit.

Das konnte ja was werden, heute Nacht und die nächsten.

Ob er Schlaf finden würde, wenn er in einem Raum mit diesem Mann sein musste? Wer wusste schon, was der sich noch alles einfallen ließ.

Ein Stoßgebet von sich murmelnd schloss er die Augen, hoffend, dass bald alles besser werden würde.



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Kommentare zu dieser Fanfic (7)

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Von:  KarasuTsubasa
2015-04-30T09:23:58+00:00 30.04.2015 11:23
Spannende FF^^
du hast einen sehr schönen schreibstil,
mach weiter so ^ ^
Von:  jyorie
2011-11-07T10:46:43+00:00 07.11.2011 11:46
bitte bitte weiter schreiben :) bin schon so gespannt wie es weitergeht

LG dalass jyorie
Von:  sky1987
2010-09-15T01:40:22+00:00 15.09.2010 03:40
super geschichte
da kann man ja gespant sein wie es weiter geht
ich finde du hast eine gute art zu schreiben
hoffe es kommt bald der nächste teil
XD
Von:  Shanti
2010-07-25T17:54:12+00:00 25.07.2010 19:54
hihi


die ff ist sehr toll. ich liebe da paar einfach xD. büdde schreib ganz schnell weiter. bis dann^^

lg

shanti
Von:  Coppelius
2010-05-15T01:44:06+00:00 15.05.2010 03:44
hey,
das ist echt eine klasse anfang, trotz einiger fehlerchen, aber ich find die FF sehr gut^^
hoffe, du schreibst schnell weiter^^
Von:  Jackie20
2010-01-19T21:53:41+00:00 19.01.2010 22:53
das erste kapitel ist nicht schlecht
freu mich aufs nächste
schreib schnell weiter
bey
Von:  Judari
2010-01-19T17:52:03+00:00 19.01.2010 18:52
Hey super gut, finde ich die Geschichte.^^ Mach weiter!!^^


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