Post Blue von Mebell (It's between you and me) ================================================================================ Kapitel 10: 13:00 ----------------- 13:00 Unter dem abwesenden Blick Farins, dreht der Sekundenzeiger unermüdlich seine Runden. Die große Uhr zeigt genau genommen 13 Uhr und fünf Sekunden an. Sie befinden sich in irgendeinem viel zu warmen Büro, in irgendeinem viel zu hohen Hochhaus irgendwo in Berlin und ein stetig so dahin plätschernder Wortschwall eines Managers ergießt sich über die beiden Freunde. Während Farin jedoch eher in sich gekehrt ist, hibbelt Bela wie ein Schulkind auf seinem Stuhl herum und grinst hyperaktiv. „Okay, dann bräuchte ich nur noch Ihre Unterschrift...“ Bela reißt dem armen Mann förmlich den angebotenen Kugelschreiber aus der Hand, aus dem Augenwinkel erkennt Farin, dass der Schlagzeuger es zum Glück geschafft hat, sich hier seine Fledermaus zu verkneifen. Zuzutrauen wäre es ihm. Mit leuchtenden Augen reicht Bela den Stift weiter, Farin weiß nicht, wann sein Freund das letzte Mal so euphorisch und glücklich war. Langsam nimmt er den Stift, setzt schnell seine Unterschrift unter das Stück Papier, will nicht darüber nachdenken. „Die Kopie und alle Restunterlagen schicke ich Ihnen per Post, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.“ Endlich kann Farin seine eingeschlafenen Beine wieder bewegen, schiebt den Stuhl an den Schreibtisch und verabschiedet sich höflich. Bela schleift er mehr oder weniger mit aus dem Büro, bevor dieser zu peinlich für seine Umwelt wird. „Wir haben gerade unseren neuen Plattenvertrag unterschrieben!“ „Mhm.“ Die Gegensätze in den Stimmlagen sind geradezu erstaunlich. „Diese Unterschrift ist unsere Zukunft,Baby. Nen neues Album, neue Tour, neue Fans...“, sein Blick wird glasig. „Dachten wir das beim letzten Mal nicht auch?“, setzt Farin an. Der Schlagzeuger bleibt mitten auf einer Treppe stehen, ungeachtet der geschäftigen Mitarbeiter, die beinah in ihn rein laufen. „Das ist ein Neuanfang! Alles auf Null, im Prinzip nur wir beide. Und jetzt freu dich verdammt nochmal wenigstens ein bisschen über den Vertrag!“ „Ich hab da so meine Zweifel.“ „Fick die Zweifel, wir werden berühmt!“, das letzte Wort brüllt Bela peinlich laut, voller Glückseligkeit. Er ist wirklich ein kleiner Schuljunge im falschen Körper. „Aber eigentlich brauchst du die Zweifel gar nicht zu ficken. Spätestens in ein paar Monaten kannst du dann eine hübsche Blondhaarige aus der Ersten Reihe vögeln... Bis dahin muss du mit mir vorlieb nehmen“, der Schlagzeuger spricht immer noch viel zu laut und grinst wie ein Honigkuchenpferd. Die gesamten Mitarbeiter ihres neuen Labels lachen möglichst verhalten, um nicht aufzufallen. Farin wird dementsprechend puterrot. „Bela...Komm jetzt, wir wollen doch später den Anlass feiern...“ Beim Wort „feiern“ wird Bela hellhörig und lässt sich brav mitziehen, Farin ist noch nie so heilfroh gewesen, ein Gebäude verlassen zu haben. * Irgendein etwas besserer Club, Farins ganzes Monatsgehalt, inklusive dem Gitarristen, und ein betrunkener Schlagzeuger. Bela war den ganzen Nachmittag schon ohne Alkohol schlimm genug, aufgedreht und völlig neben der Spur. Singend war der Ältere durch die Straßen Berlins gehüpft (das Verb ist wortwörtlich zu verstehen), hatte sich in den buntesten Farben ihr Rockstarleben ausgemalt und dabei war das Grinsen die ganze Zeit wie fest getackert. Farin hatte sich wirklich bemüht, den Schlagzeuger einfach auszuhalten oder brav an seinem Pessimismus zu klammern. Er steht auf erfolglosem Posten, die Euphorie hat ihn unaufhörlich in ihren Sog gezogen. Der gute alte Spiegel funktioniert noch immer tadellos, ist glasklar. So steht Farin an der Theke, beschützt seinen Orangensaft vor „Ausrutschern“ von Vodka Flaschen, lässt die dröhnend laute Musik auf sich prasseln und beobachtet den derzeit pogenden Schlagzeuger mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Ziemlich verschwitzt schwankt dieser am Ende des Liedes auf ihn zu, grinst immer noch unaufhörlich. Ehe Farin sich versieht hat Bela seine Arme um den Hals des Gitarristen gelegt und sich an dessen Brust geschmiegt. Der Alkoholpegel hat jetzt die Kuschel-Phase erreicht, bei der Farin nie weiß, ob er leiden oder sich freuen soll. „Ey...Die werden sich soo freuen, dass die noch mit mir gepogt haben...Wenn mein Gesicht auf der Bavo klebt und jeder mich kennt...Jeder.“ Als Antwort für seinen Größenwahnsinn erntet er ein liebevolles Tätscheln auf den Hinterkopf von Farin. „Aber jetze...Hab ich Lust rauszugehen.“ Kaum sind die Worte verklungen, zerrt Bela seinen besten Freund durch die Menschenmenge aus der stickigen Luft nach draußen. Die laue Sommerluft tut so unglaublich gut, riecht frisch und so sehr nach ihrer Heimatstadt. Allein durch diese kleine Tatsache klettert auch Farins Laune emsig weiter nach oben. Sie stehen auf dem kleinen Hinterhof des Clubs, keine Menschenseele treibt sich hier herum, was eigentlich eine Verschwendung des atmosphärischen Platzes ist. Bela presst sich erneut an seinen Freund, hat seine Hände wieder im Nacken Farins verschlungen, strahlt ihn an. Vorsichtig hebt dieser seine Hand, legt diese ebenso bedacht auf die bleiche Wange Belas. Er ist so schön in dem schummrigen Hinterhoflicht, die Schatten malen sich auf sein Gesicht, geben ihm etwas verschlagenes. Farin ist egal, dass der Schlagzeuger alkoholisiert ist. Es ist ihm auch egal, dass er eigentlich nicht an diese Form der Zukunft glaubt. Noch mehr egal sind ihm seine eigenen Probleme. Jetzt zählt nur dieser ganz besondere Mensch vor ihm. „Ick könnt dich jetze einfach so küssen...“ Bei den Worten kommen die schmalen Lippen nah, so nah, dass er den Atem fühlt, den typischen Bela Geruch einatmen kann. Ein bisschen riecht er wie immer nach seiner letzten Party, da ist aber noch eine ganz andere Note, vielleicht beschreibbar mit dem Duft flüssiger Schokolade. „Warum tust dus dann nicht?“ Just in diesem Augenblick pressen sich die warmen Lippen auf seine, spürt er eine gierige Zunge, die Einlass will. Niemand auf dieser Welt küsst besser als der Schlagzeuger, so hungrig, aber doch irgendwie liebevoll. Seine Küsse wecken Erinnerungen, beschwören Gedanken, rauben den Atem, lassen die Umwelt vergessen. Er könnte sein ganzes Leben lang einfach nur Bela küssen und wäre glücklich dabei. Natürlich bleibt es nicht bei diesem einen Kuss, sanft schiebt der Schlagzeuger Farin in Richtung der kleinen Mauer am Ende des Hofes. Dort angekommen lässt Farin sich bereitwillig gegen diese drücken, genießt die Hände, die unter sein T-Shirt fahren und unsichtbare Spuren malen. Zärtliche, kurze Küsse wandern über sein ganzes Gesicht, Bela greift nach der Hand seines Freundes und legt auch dort seine Fährte aus Liebkosungen. Seufzend gibt sich Farin ganz den verwöhnenden Lippen hin, erkennt kein Gestern, kein Heute und auch kein Morgen mehr. Nur Bela. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)