Katatonia Sleep von DemonhounD (Darkfiction) ================================================================================ Kapitel 3: Einsamkeit --------------------- Etwas in Meg schrie, da er selbst eine lange Zeit nicht mehr fähig gewesen war auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Er konnte sich nicht bewegen. Gefühlte Stunden war er einsam im weißen Nebel herum gekrochen und verlor darüber beinahe den Verstand. Das Schlimme war, dass er genau fühlen konnte, dass dies die Bestrafung für seinen Fluchtversuch war. Irgendetwas wollte ihn genau hier behalten und Meg wusste, dass er sich dem nicht würde entziehen können. „Hier ist doch rein gar nichts!“, versuchte Meg in den Nebel zu schreien, aber es gelang ihm nicht. „Dieser Ort ist nicht einmal real!“ Der Terror in ihm wuchs mit jeder gefühlten Sekunde, die genau so gut eine Ewigkeit hätte sein können. Er konnte jetzt nicht aufgeben! Er musste einfach hier raus! Egal, was dieses "hier" auch sein mochte und egal, wo dieses „raus“ hinführen mochte. Er durfte nicht mehr Träumen. Er musste zurück, um… Wieso eigentlich? „Was genau ist eigentlich an der Welt da draußen so viel besser, als hier?“, fragte ihn sein Verstand mit bohrender Eindringlichkeit und Meg verharrte kurz, als er nicht sofort antworten konnte. Ilone war fort. Wieso sollte er für sie in die Wirklichkeit zurück kehren? Sie war ohne ihn ohnehin viel besser dran. – Und sie wollte auch ohne ihn sein, dass hatte sie mehr als deutlich gemacht. Sollte er für die Fans zurück kehren? - Natürlich war das ein schöner Gedanke und er würde sich auf dem Titelblatt einer jeden Illustrierten hervorragend machen. – Die Realität war aber, dass es Meg tief in seinem Herzen ziemlich egal war. Wenn er sterben würde, würden sie ihn vermutlich in Erinnerung behalten, aber das würde sie nicht davon abhalten sich einem neuen Idol zu zu wenden, dessen Konzerte man besuchen konnte und dessen T-Shirts es im Sonderangebot auf jedem Festival zu kaufen gab. Meg war durchaus ersetzbar für sie. Wieso sollte es anders herum nicht genau so sein? Wieso sollte er seinen Fans mehr Hingabe schenken, als sie ihm? Vielleicht sollte er für seine Freunde erwachen. Die waren irgendwo ja besser ohne ihn dran. Meg war sich durchaus bewusst, dass er ein lausiger Freund war. Er mochte „seine Leute“, keine Frage, aber irgendwo in sich hatte er das Gefühl, dass er ihnen mehr Scherereien brachte, als Nutzen. Sollte er für die Band zurück kehren? – Das vermutlich am Ehesten, aber auf der anderen Seite würden seine Jungs auch ohne ihn klar kommen. - Er wusste, dass sie ihn hinter seinem Rücken als perfektionistischen Besserwisser bezeichneten. – Daniel hatte wenigstens den Mut es dann und wann vor Meg selbst aus zu sprechen. Natürlich hatten sie damit Recht und Meg war sogar stolz darauf. Wieso sollte er sich mit Mittelmäßigkeit zu Frieden geben? Egal, wie hart er seine Leute angetrieben hatte und egal, wie sehr sie ihn auch während ihrer Arbeit verfluchten. – Das Ergebnis sprach für sich und hatte sie bisher immer wieder überzeugt, dass es gut und richtig gewesen war auf Meg zu hören. – Deswegen war er ja auch der Anführer. Meg war bewusst, dass diese Art zu denken arrogant klingen musste, aber ohne ihn würde es keine Band geben. Dementsprechend gab es eigentlich keinen Grund ins Diesseits zurück zu kehren, um der Band zu dienen. – Er war die Band. Sie würde mit ihm stehen und fallen. – Und vielleicht war jetzt der Zeitpunkt gekommen um unter zu gehen, niemals zu altern, zu sterben und damit zur Legende zu werden. Die Jungs konnten sich auch eine andere Band suchen. Sie alle hatten das Zeug dazu und waren vielleicht in einer Anderen deutlich besser aufgehoben, wo sie ihre eigenen Ideen besser verwirklichen konnten. Meg kam zu dem Entschluss, dass er es vielleicht verdient hatte in die Irrealität ab zu driften. Das einzig Wirkliche, auf das er sich nun konzentrieren konnte war seine Wut und die Schmerzen, die schon vor einer Weile eingesetzt hatten. Das und die Tatsache, dass er Angst vor dem Sterben hatte, gaben ihm noch etwas Kraft sich zu wehren. Wäre er wach, hätte er sich zu diesem Zeitpunkt einen Schuss gesetzt und alles wäre gut, oder zumindest erträglich. Gott! Was machte er nur, wenn er mittlerweile wirklich abhängig war. Wie nur sollte dann erst in ein paar Stunden werden? "Genau! Du hast kein Problem mit Drogen! - Nur ohne!", bohrte die sarkastische Stimme in Megs Kopf wieder. Zumindest glaubte Meg eine Weile, dass es seine eigenen Gedanken waren. Bisher hatte er versucht das leise Flüstern in seinen Gedanken zu ignorieren, doch dies klang, als wäre es direkt neben seinem Ohr. „Mach dir keine Gedanken, du spürst hier nur das, was du brauchst, das Sterben und der Hunger im weitesten Sinne werden da vermutlich nicht zugehören.“ Endlich sah Meg etwas im wabernden Nebel. Vor ihm stand im leeren Nichts ein Wesen, dass ihm selbst sehr ähnlich war. Die genauen Konturen blieben verschwommen, wie in einem Traum, an den man sich beim Erwachen kaum noch erinnert. Was Meg wusste war, dass sein Zwilling vollständig schwarz war, als wäre es von innen heraus verbrannt. „Leidenschaft!“ Meg kam dieses seltsame Wort in den Sinn, als er sein Gegenüber ansah, der ihn mit verschränkten Armen und höhnischem Grinsen aus der Leere heraus beobachtete, wie er selbst es vielleicht getan hätte. "Wo bin ich?", fragte Meg und für eine Weile glaubte er, der Schatten würde nicht einmal antworten, so wie auch Ilones Zwilling geschwiegen hatte. Umso erschrockener war Meg, als eine Stimme, die klang wie brechendes Eis, antwortete: "Was denkst du?" "Bin ich gestorben?", fragte Meg. Der Schatten lachte höhnisch und Meg fiel auf, dass die Augen vollkommen gelblich und katzenhaft waren, was es schwer machte die feinen Gefühlsregungen zu deuten. "Mach es dir nicht so einfach.", forderte der Schatten. "Wenn du gestorben wärst, wäre ich nicht mehr hier." "Dann lebe ich noch.", kombinierte Meg und war nicht wirklich erleichtert. "Bin ich ohnmächtig? Träume ich?", waren seine nächsten Fragen. Der Schatten schien zu überlegen, denn er legte den Kopf fast unmerklich schief und hob eine dunkle Augenbraue. – Scheinbar kritisch musterte er Meg eine Weile. "Belassen wir es dabei.", sagte er einfach, nachdem er viel zu lange geschwiegen hatte, doch Meg ließ nicht locker. "Wer bist du?", bohrte er weiter und kam sich beinahe vor, wie ein überneugieriges Kind. Der Schatten blickte ihn mit einem Ausdruck an, der klar machte, dass er in diesem Moment vielleicht Ähnliches dachte, dann grinste er und obwohl die schneeweißen Fangzähne unter den hochgezogenen Lippen, Meg eher an ein Knurren, als an eine freundliche Geste erinnerten, hatte er aus irgendeinem unbestimmten Grund den Eindruck genau die richtige Frage gestellt zu haben. "Ich", sagte der Schatten und sah an Meg vorbei in die weiße Ferne "Ich bin vermutlich der Grund aus dem du sterben wirst." Leidenschaft. Dieses Wesen wusste, wie es war, wenn man von innen heraus verbrannte. "Ich muss hier raus.", forderte Meg und streckte das Kinn vor. Das Wesen lächelte ihn an und Meg bekam das Gefühl, dass er nicht ganz ernst genommen wurde. "Nein.", sagte der Dämon einfach. "Ich werde dich zu gegebener Zeit von diesem Ort befreien. Aber jetzt ist es zu früh.“ Irgendwie tat das weh. Meg war sich ziemlich sicher, dass dieses Wesen ein Produkt seiner eigenen Fantasie sein musste. – Ein Traum quasi. Als solcher hätte er ihm eigentlich doch gehorchen müssen, so, wie man Träume allgemein kontrollieren kann, sobald man weiß, dass man nicht mehr wach ist. „Lass mich derweilen deine führende Kraft sein.", sagte das schwarze Wesen statt auf die Forderung ein zu gehen und streckte eine schlanke, krallenartige Hand nach vorne. Meg schrak zurück. – Nicht nur vor der Hand, sondern generell auch vor der Vorstellung die schwarze, leicht nach Formaldehyd und Verwesung riechende Haut könne ihn berühren. „Und was ist, wenn ich gar keinen Anführer haben will?“, fragte Meg noch bevor er Gelegenheit hatte seine Worte zu überdenken. Die Kreatur hatte offensichtlich nicht mit dieser Art von Widerstand gerechnet. „Dann werden wir Feinde sein.“, erklärte er schlicht und es lag nichts Bedrohliches in seiner Stimme. Es war eine reine Tatsache und gerade das machte es für Meg so eindringlich. Er wandte sich von der Kreatur ab. "Denk nach Meg! Du liegst in einem Krankenhausbett.“, flüsterte er zu sich selbst „- Und dieses schattenhafte Wesen kann einfach nicht real sein." Meg war zumindest erleichtert, dass er sich mittlerweile wieder eingeschränkt bewegen konnte. Es war vielleicht Teil seines Traumes, dass er sich bereits vor dem Schattenwesen einen eigenen Körper erdacht hatte, um seinen abstrakten Gedanken eine einfache Form geben zu können. Meg überlegte kurz, ob er einfach vor dem Ding weglaufen sollte, doch aus irgendeinem Grund hielt er es für vollkommen unmöglich, dass er diesem Abbild seiner Selbst entkommen würde. Er musste es einfach ignorieren. Das funktionierte meist ganz gut mit Halluzinationen, Alpträumen und Problemen. „Es ist nicht real!“, flüsterte Meg und es war ihm egal, dass der Schattendämon ihn vermutlich hörte. "Ich bin genau so real, wie du es brauchst.", kam postwendend die Antwort und das Wesen klappte eine klauenbewehrte Hand auf und schloss sie wieder. – Erst jetzt fielen Meg die tödlichen Krallen wirklich auf, an denen bei genauem Hinsehen noch getrocknetes Blut kleben musste. – Blut aus welcher Quelle? Dies war alles Einbildung! „Es ist nicht real!“ Meg drückte seine Hände gegen die Schläfen und genoss eine Weile den heilenden Schmerz seiner bohrenden Finger. "...wie ich es brauche...", wiederholte er geistesabwesend die Ausführungen des Dämons und schloss die Augen. „Ich brauche dich nicht!“ Dieses Mal kam keine Antwort mehr. Meg öffnete die Augen. Das Wesen war verschwunden und stattdessen hatte der Nebel nur ein Stück weit an dichte zugenommen. Meg hatte also Recht. Er konnte diese Umgebung beeinflussen und das bedeutete, dass er noch immer träumte. Mittlerweile hatte er eine recht klare Vorstellung von dem, was geschehen sein musste. – Er lag im Krankenhaus. Wie genau er hier her gekommen war, konnte er nicht sagen, aber dies war logisch. Vielleicht hatte er eine Überdosis gehabt? – Oder einen Autounfall? – Diese grellen Lichter wären damit ja erklärt. Beinahe belustigt sann er eine Weile über Ufo-Entführungen nach und verwarf den Gedanken gleich wieder. – Mit dieser Möglichkeit wären zwar auch seltsame Lichter und unfassbare Ereignisse erklärt, aber so sehr hatte er seinen Verstand bisher nicht verloren. Langsam erhob sich Meg. Er war für den Moment sicher. Jetzt musste er den Weg aus diesem Alptraum suchen und das gelang offensichtlich nur mit klarem Verstand. Er hörte wieder Geräusche dort, wo er seinen Hinterkopf vermutete, aber dieses Mal schien es nicht von ihm selbst oder seinem schwarzen Zwilling zu kommen. Meg ging langsam darauf zu. Es war nur ein leises Flüstern und es kam ihm bedrohlich vor. Allerdings war es die einzige Richtung in die er sich momentan überhaupt wenden konnte. * * * * * * Als die Nachricht Ilone erreichte, fiel ihr zunächst einfach das Handy aus der Hand. Erst das Krachen auf dem Parkettboden, gab ihr die Kraft und das Gefühl in den Beinen zurück, um praktische Maßnahmen zu ergreifen. Sie stellte die Tasche ab und legte den schwarzen Schal um ihren Hals. Sie musste gehen. Jetzt! Dies hier war vielleicht teilweise auch ihre Schuld. Zwar wusste sie nichts Genaues, aber die Tatsache, dass Meg etwas zugestoßen war, deutete vielleicht darauf hin, dass er sich selbst etwas angetan hatte. Sie musste zu ihm und sich Gewissheit verschaffen, wie schlimm es wirklich war. Hektisch zog sie sich ihre unbequemen Schuhe über und verfluchte sich für ihre Dummheit. Wieso hatte sie heute überhaupt hochhackige Schuhe angezogen? Sie hatte sie nie gern getragen, aber sie wusste, dass es Meg gefiel. „Ich bin echt dämlich.“, schimpfte sie in den viel zu stillen Raum hinein. „Warum ziehe ich mich für ein Trennungsgespräch seinen Vorlieben entsprechend an?“ Eigentlich wusste Ilone die Antwort auf diese Frage ganz genau. – Auch wenn sie es vielleicht vor Anderen nicht offen zugegeben hätte. Hatte sie wirklich gedacht, dass sie mit diesem Outfit ein letztes Mal bei Meg hätte Eindruck schinden können? Was hatte sie sich davon erwartet, als sie sie heute Morgen angezogen hatte? Sie hatte schon beim Erwachen gewusst, dass es so enden würde, wie es letztendlich gekommen war. Zwar hatte sie immer noch gehofft, dass spontan ein Wunder geschah und alle Probleme plötzlich im Nichts verschwinden würden, allerdings war schon vor den drei unheilvollen Worten „Wir müssen reden.“ sicher gewesen, dass dies zumindest mit einer vorläufigen Trennung enden musste. Ilone wusste sehr genau, dass man jemanden wie Meg nicht einfach so davon überzeugen konnte sich Hilfe zu holen. – Das galt für die kleinen Probleme des Alltags genau so, wie für seine Drogensucht und seine Alpträume, die nicht nur ihm, sondern auch Ilone in der ganzen Zeit der Beziehung den Schlaf geraubt hatten. Sie wusste sie würden sich trennen. – Aber wie hatte sie auf die Idee kommen können, dass er sich nur wegen ein paar hochhackiger Schuhe zu einem „Abschiedsfick“ hergeben würde? – War sie wirklich so billig?- Und wenn nicht: Wieso hatte sie das dann eigentlich für sich selbst gewollt? Hektisch schüttelte Ilone die Gedanken bei Seite, sowie auch ein paar ihrer störrischen Haare, die sich aus dem Zopf in ihrem Nacken gelöst hatten. – Sie musste zum Krankenhaus und zwar umgehend und ohne sich in seltsamen Gedanken zu vertiefen. Genervt schleuderte sie die Schuhe bei Seite und nahm sich ein paar Springerstiefel von Meg, die sie sich schon öfter geliehen hatte, weil sie dieselbe Größe hatte wie er und weil sie auch gut zu Jeansröcken passten. – Ilone glaubte, dass das Meg unangenehm war und er hatte die Schuhe danach eigentlich kaum noch getragen. Beinahe hätte sie das Handy auf dem Boden liegen gelassen, als ihr einfiel, dass sie sich ein Taxi würde rufen müssen. Sie hastete zur Tür. 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