Katatonia Sleep von DemonhounD (Darkfiction) ================================================================================ Kapitel 16: Schreckblitz ------------------------ Daniel wartete lange im Krankenhaus, bevor er sich entschloss Ilone nach zu fahren und als er selbst mit dem kleinen Armeegrünen Truck in die Straße vor Megs Haus einbog war Ilone schon mehr als zwei Stunden fort. Er hatte versucht auf ihrem Handy an zu rufen, doch sie hatte es entweder ausgestellt, oder keinen Empfang. Warum er so unruhig war, wusste Daniel eigentlich selbst nicht genau, allerdings hatte er aus einem unerfindlichen Grund das Gefühl, dass es richtig war, genau hier zu sein. Die Straße vor Megs Haus hatte sich mit Nebel gefüllt, wie es an herbstlichen Abenden oft der Fall ist. Jedoch schien die Innenstadt für solch einen dichten Nebel seltsam deplatziert und so betrachtete Daniel leicht verwirrt die Häuserdächer, die langsam zu undeutlichen Schemen verschwammen. Es hatte begonnen zu schneien. – Der erste Schnee, der in diesem Jahr fiel und Daniel betrachtete das als ein gutes Zeichen. Er hatte Schnee immer mit Hoffnung in Verbindung gebracht. Wieso das so war konnte er selbst nicht sagen. Vielleicht, weil der Winter die kurze Zeit im Jahr darstellt, in der die Menschen näher zusammen rücken wollen. Ein paar Meter vor Megs Haus, bemerkte Daniel die ersten Pressefahrzeuge und verlangsamte sein Tempo, um am Straßenrand halt zu machen. Die Handbremse gab einen gequälten, zerrenden Laut von sich und Daniel stieg aus, um den Rest des Weges zu laufen. Er dachte an Ilone und machte sich Sorgen, ob sie vielleicht von ein paar Reportern oder Fans belästigt worden war. Er schüttelte unwillig den Kopf und wechselte die Straßenseite, um zu vermeiden, dass sie ihn sahen. – Indes war ihm klar, dass der Nebel nicht so dicht sein konnte, als dass sie ihn nicht trotzdem bemerken würden. Er war nun einmal nicht unauffällig, selbst wenn er es wollte. – Vielleicht war es deswegen letztendlich gar nicht so schlecht gewesen in Megs Schatten zu stehen. Immerhin war er auf der Bühne zumeist unsichtbar geblieben. Meg war derjenige, der sich niemals verstecken konnte. Das Rampenlicht war immer auf ihn gerichtet. Sogar nun, wo er vielleicht starb. – Daniel schauderte bei dem Gedanken. Er selbst fand den Gedanken furchtbar nicht einmal im Tod Privatsphäre haben zu dürfen. Kalter Wind schlug ihm entgegen und der große Braunhaarige dachte kurz darüber nach, dass der Hauch, der ihn mit tausend schwarzen Armen umfangen wollte eigentlich unnatürlich war. Hinter ihm verschwamm das Fahrzeug der Reporter im Nebel und dieser verdichtete sich mit jedem Schritt, den Daniel auf Megs Appartementhaus zuging. Als ginge der Nebel von diesem leuchtenden Zentrum aus, das einst Megs zu Hause gewesen war. – Als sei die Natur selbst bemüht den Sterbendem mit einem feinen grauen Seidenschleier zu bedecken, um ihm den letzten Frieden zu geben, den Menschen ihm nicht vermocht hatten zu geben. Daniel sog die Luft ein, als ihn ein weiterer kühler Windhauch traf. Konnte es sein, dass die Wohnung brannte? – Nein. Bei einem derart dichten Rauch würde man es Meilenweit riechen und das einzige, das Daniel wahrnehmen konnte, war der scharfe Geruch von kalter Luft und Autoabgasen. Vielleicht war der Nebel und die graue Eintönigkeit der Grund, aus dem Daniel derartig traurige Gedanken hatte. Er wollte nicht, dass Meg starb. Es konnte nicht sein. Es durfte nicht sein. Ohne Meg, das erkannte er nun, wäre sein Leben mit einem Schnitt halbiert. Es war, als sei Meg der Zwilling, den Daniel als Einzelkind nicht hatte – und er fühlte sich mit ihm nicht weniger verbunden, als mit einem Bruder. Nun, da der letzte Kampf begonnen hatte, bemerkte Daniel, dass er keine Angst mehr hatte. Er würde den Weg mit Meg gehen, egal, wie dieser Aussehen mochte. Er würde gegen alle Dämonen verteidigen, die sich ihnen in den Weg stellen mochten und egal, was auch geschah: Er machte Meg keinerlei Vorwürfe mehr, dass dem so war. Der Nebel umschloss ihn. * * * * * * Meg wurde zurück in die Dunkelheit geschleudert. Der Fall hatte aufgehört. Er war allein in den Schatten. Wieso hatte er das vergessen? Die blaue Sporttasche, die man damals in aller Hast für ihn gepackt hatte und in der sich alles befunden hatte, was er von da an besitzen würde. Nur all jene Dinge, die er gemocht hatte – seine Spielzeuge, die Nightrise-Puppe, - seine Erinnerungen - waren zurück geblieben. Man hatte sich bemüht schnellstmöglich zu vergessen. Vor Allem seinen Vater. Meg indes spürte schon damals, dass sein Vater ihn niemals verlassen würde, selbst wenn man ihn an einem sicheren Ort für alle Zeiten weg gesperrt hatte. Er war bei seiner Tante und ihren schrecklichen Töchtern eingezogen, ohne sich jemals zu Hause zu fühlen. Er sah sich selbst als Insekt und Abschaum, der von fremden Menschen lebte, die ihm nichts bedeuten. War es deswegen so verwunderlich, dass er sich wie ein delinquenter Jugendlicher benahm? Im Endeffekt war er einfach nur einsam. – Er war dort hin gekommen, weil er keine andere Wahl hatte. Er war dort eingezogen, weil sein Vater seine Mutter umgebracht hatte und dann versucht hatte auch ihn, seinen Sohn, zu töten. Megs Hand fuhr automatisch an seinen Hinterkopf, auf dem er, wenn er vorsichtig mit den Fingern über den Nacken und durch die blonden Haare fuhr, ein paar feine Narben wahrnahm, die selbst die Zeit nie würde heilen können. Wieso hatte er ihm dies angetan? „Wie hätte ich jemals die geforderte Stärke erlangen können, wenn er mich umgebracht hätte?“, flüsterte Meg und in diesem Moment ging ihm auf, dass dies seit Jahren die Schutzbehauptung gewesen war, die sein Vater um sich und ihn herum aufgebaut hatte. „Die Wahrheit ist, dass du das bemitleidenswerte Monster von uns Beiden bist.“, sagte Meg Urplötzlich war er zurück im Thronsaal. Er kniete vor dem Thron und sah seinen Vater direkt an. Die Augen der Kreatur vor ihm weiteten sich unmerklich, bevor Meg begriff, dass seine eigene Haut nun schwarz geworden war. Ein seltsames Gefühl von Triumph überkam ihn. Er hatte sich lange nicht mehr derartig komplett gefühlt. - Er war der Schattendämon. „Sie war stärker als du. Immer! – Deswegen konntest du nichts Anderes tun, als sie um zu bringen.“, zischte Meg nun und eine Hand griff zur goldenen Kette, an der er hing. Sein Vater versuchte im selben Moment die Kette hoch zu reißen, um ihm die Luft ab zu schnüren. Es gelang ihm nicht. Meg zog die Hand zurück. „Du bist derjenige von uns, der schwach ist.“ Meg stand auf. Jetzt war er bereit. Er hatte noch nie zuvor einen Menschen dermaßen gehasst und er würde seinen Vater nun vernichten. Dieses Wesen hatte in seinen Träumen nichts verloren. Er war ein Eindringling. „Lass mich los!“, forderte Meg. „Wieso glaubst du, dass ich dich jetzt freilasse?“, hörte er nun seinen Vater, der sichtlich seine Stärke zurück gefunden hatte. „Da draußen gibt es nichts mehr für dich.“ Meg lachte hohl und riss seinem Vater die Kette aus der Hand. Sie zerbrach klirrend unter dem Ruck des Widerstandes und ein zerstörtes Kettenglied schlug scheppernd auf den Boden. „Du hast doch gesagt, ich bin meiner Mutter ähnlich. – Das bedeutet, dass ich mich unter Menschen deutlich besser zu Recht finde, als du.“, zischte Meg und er spürte, wie der wabernde Nebel zu den Füßen des Throns angefangen hatte sich zu sammeln. Er wusste nicht, ob das ein gutes, oder ein schlechtes Zeichen war. Er wusste nur, dass es ihm nicht mehr wichtig war. „Es ist vorbei. Ich habe gewonnen.“, sagte Meg und drehte sich zum Gehen. Wie beiläufig strich er dabei über den Sarg in der Mitte des Raumes. Er hätte es nicht vergessen dürfen. Dies war die Kathedrale seines Stolzes. Es war vorbei. Auf die eine oder andere Art. Er hatte sich unbewusst entschieden. Er könnte jetzt sterben und wenn er es tat, würde es auch gut so sein. „Warte!“, rief sein Vater. Meg ging einfach weiter ohne sich um zu drehen. Dann hörte er, wie sein Vater aufstand. Meg hörte ein nasses Reißen, als würden Knochen zerbrechen. Ein Schaben von Knochen auf Knochen war zu hören, als der Leib seines Vaters sich vom Thron löste, gleichsam, als sei dieser ein Teil seines Körpers gewesen, den er nun abstreifen musste, wie eine Insektenlarve den ersten Panzer. Meg spürte, dass ihm trotz Allem ein Schauer den Rücken herunter rann. Er drehte sich um. Sein Vater lief vorwärts, wobei er das eine gebrochene Bein hinter sich herschleifte. Eine Spur aus Blut und Körperflüssigkeiten zog sich über den Boden und dort, wo er langging löste sich die Umgebung auf, als sei sie unter Säure verätzt worden. „Du wirst erst gehen, wenn ich es dir gestatte!“, schrie sein Vater in einer Stimme, die so herrisch war, dass Meg zunächst einen Schritt zurück wich. Sein Vater streckte eine Hand nach ihm aus, ohne seinen Sohn jedoch zu erreichen. Meg imitierte die Geste, als wolle er die Hand des Herrschers zum Gruß entgegen nehmen. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Wie konnte sein Vater erwarten, dass er hier in Megs eigener Kammer der Echos, wo die Kreaturen nur seinen eigenen Bedürfnissen gehorchten, der Herrscher sein könnte. Sogar diese grauenvoll entstellte Kreatur selbst, die sich langsam auf Meg zuschob, war nur von ihm dazu erschaffen worden seinen inneren Bedürfnissen nach Schmerz und Bestrafung zu entsprechen. Dies alles war nun für Meg nicht mehr relevant. Er spürte, dass er den Schmerz, den sein Vater hinterlassen hatte nun nicht mehr brauchen würde. Er hatte gewonnen. Auf die eine oder andere Art. Sein Vater war mittlerweile so dicht heran gekommen, dass er Meg beinahe berühren konnte. „Du hast keine Macht mehr über mich!“, erklärte Meg. Seine Stimme war gefasst und nur ein leichter Hauch von Aggresivität schwang mit. Die Halle der Echos begann zu verschwimmen. – Zunächst war nur das Gewölbe und die oberen Teile der Säulen betroffen, doch immer schneller breitete sich der Verfall aus, bis er selbst Meg einschloss. Der Nebel umwaberte ihn und seinen Vater, dessen Augen unbewegt im Nebel glühten und schließlich zusammen mit dem Rest dieser Welt verschwanden. Meg fühlte sich elend. Sein Kopf schmerzte höllisch. Fühlte es sich so an, wenn man starb. Meg versuchte zu atmen und spürte zeitgleich, dass ihm irgendetwas mit unbeschreiblicher Macht Luft in den Körper pumpte. Er griff zu seinem Mund und riss an einer Vorrichtung, die über sein Gesicht gespannt hatte. Zitternd öffnete er die Schlaufen und klappte das Gerät auf. Dann atmete er. Durst. Er hatte schrecklichen Durst. Sein Körper fühlte sich an, als würde er ihn heute zum ersten Mal nutzen, denn jeder Muskel schien zu schwach und seine Gelenke fühlten sich an, als seien sie zu keinerlei Regung mehr fähig. „Es ist wohl doch nicht so schön, wenn man sich wie neugeboren fühlt.“, flüsterte Meg und richtete sich auf, bevor er überhaupt etwas sehen konnte. Ihm war schwindlig, während seine Sicht sich nur sehr langsam klärte und er bemerkte, dass Sonne in den Raum fiel. Es war ein neuer Tag. Er hatte sich ein Krankenhaus eigentlich anders vorgestellt, doch es war bei Weitem nicht so steril, wie erwartet. Überall an den Wänden hingen mit Kinderhand ausgeschnittene Pappbilder, die Fische und andere Tiere darstellten. Ansonsten war tatsächlich alles in weiß und Chrom gehalten. Meg betrachtete seine eigenen Hände, die ihm seltsam fremd vorkamen. Er verspürte den starken Drang sich wieder in die weichen Kissen zurück zu legen. Einzig die Tatsache, dass er nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, ob er wach war, oder dies nur eine neue Traumerscheinung war, hielt ihn davon ab, seinem Drang nach zu geben. Er konnte nicht schlafen, bevor er nicht wusste, was mit ihm geschehen war. Er schwang seine Beine aus dem Bett und setzte sie auf den Boden. Ruckartig stand er auf und spürte, wie die Knie unter dem eigenen Gewicht einknickten. Er schlug mit dem Handgelenk auf den Boden und schrie vor Schmerzen. Seine eigene Stimme kam ihm so fremd vor. Er musste sofort hier raus! „Ich will aufwachen!“, schrie Meg und bemerkte, dass in diesem Moment die Tür geöffnet wurde. Der Schrei hatte beinahe seine gesamte Kraft aufgebraucht. Meg atmete schwer und schnell. Das durfte nicht sein. Er würde sich in diesem Zustand nicht verteidigen können. Wenn dies eine Kreatur war, dann musste er jetzt sterben. Eine grobe Hand packte ihn und Meg bemerkte, dass er kaum Kraft hatte ihr irgendetwas entgegen zu setzen. Er hob einen Arm und wusste, dass er das Wesen, das ihn mit festem Griff hielt am Unterkiefer getroffen hatte. Er öffnete die Augen und sah, dass diese neue Kreatur nicht schwarz, sondern schneeweiß und überlebensgroß war. Sie strahlte Ruhe und Kraft aus, seine Kleidung reflektierte das Licht und gab dem Wesen eine Aura von Helligkeit. Meg verstand die ruhigen Worte, mit denen es sprach nicht. Er wusste nur, dass in dieser Welt alles, was harmlos erscheint nur einen noch größeren Alptraum für ihn parat hatte und er wollte nicht erleben was. Es war genug. Er hatte doch gewonnen! War dies eine neue Erscheinung des Herrschers? Megs Sicht war zu verschwommen, um Genaues sagen zu können. Er war zu schwach, um sich wirklich zu konzentrieren. Er wunderte sich, dass die Kreatur noch nichts getan hatte, um ihm weh zu tun. Vermutlich sah sie genau wie Meg, dass er leichte Beute war. Es würde sich Zeit lassen mit ihm zu spielen. Natürlich. Meg spürte, wie er in das Bett zurück gelegt wurde und schließlich einen leichten Stich am Arm, beinahe direkt gefolgt von einer einsetzenden Mattigkeit, die alles zuvor dagewesene bei Weitem übertraf. Er wusste, dass er nun wach bleiben musste. Meg bemühte sich die Augen auf zu machen und es gelang ihm nur noch unter Mühen. – Die Kreatur über ihm war nicht schwarz. Was genau sollte das bedeuten? Traurig überlegte Meg, dass er nun nach Allem, was passiert war einfach sterben musste und obwohl er versuchte es zu unterdrücken, wusste er, dass er weinte, während die rauen schneeweißen Hände sanft durch seine Haare fuhren. Dann schwanden seine überreizten Sinne vollkommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)