sehnSUCHT von blechdosenfee (Sein letzter Wunsch) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sie war wunderschön. Von den Jungfern bekam sie ihr Haar mit Blumen, Perlen und Bändern verziert und hoch gesteckt. Vereinzelte Strähnen fielen sanft gewellt hinab und umrahmten ihr liebliches Antlitz. Ihre Wangen waren gerötet, nicht nur vom Rouge. Die Lippen bebten vor Erregung, während sie mit einem Pinsel die rote Farbe auftrug. Im Spiegel sah sie ihre Augen vom schwarzen Kajal umrandet und mit rosefarbenen Lidschatten betont. Die grünen Pupillen sollten freudig blicken, doch das einzige Gefühl das sie sah, war Trauer. Sie zuckte leicht zusammen, als sie ihre Mutter im Spiegel erblickte. „Mutter.”, kam es wispernd über ihre Lippen. „Du wirst erwartet.”, damit drehte sich die Frau um und schloss die Tür hinter sich. Ihre Welt drehte sich. Sie spürte wie wässrig ihre Augen wurden. „Nicht weinen. Das schöne Make-up, ... sonst verläuft es.”, die engelsgleiche Stimme holte die junge Frau aus ihrer Welt zurück. Sie sah in blaue Augen, die sie bittend anblickten und ihr Leid teilten. Beide Mädchen lehnten ihre Köpfe aneinander und flüsterten stumme Schwüre. „Wir sollten los. Die Gesellschaft wartet.”, kam es aus der Hintergrund. Sie erhoben sich. Ein letztes Mal betrachtete die junge Frau ihr Antlitz im Spiegel, bevor es von einem Schleier getrübt wurde. Sie hätte so glücklich sein können. So glücklich. Mit ihm. Blumen, Bänder und ein roter Teppich schmückten den Gang. Von beiden Seiten spürte sie die erwartungsvollen Blicke der Gäste. Zu ihrer Linken wurde sie geleitet von ihrem Vater, vor ihr von zwei Blumenkindern und hinter ihr von ihren Jungfern. Jeder Schritt, der sie näher zu ihrem Ziel führte, brachte eine der so wohlbehüteten Erinnerungen in ihr hervor. „Lass es uns tun. Lass uns durchbrennen. Gegen die Gesellschaft rebellieren.”, seine Augen funkelten, während das Lächeln immer breiter wurde. „Womit denn?”, sie lachte. Ihre Finger strichen zärtlich durch sein dunkelbraunes Haar, das viel zu wild in alle Richtungen abstand. „Womit? Na, mit meinem Auto.” „Mit deinem Auto?”, wiederholte sie erstaunt. „Welches Auto? Du besitzt noch nicht mal ein Fahrrad.” Sie liebte es, wenn er so enthusiastisch von der Zukunft sprach – ihr von einer Welt erzählte, die so anders als die Gesellschaft war, in der sie lebte. „Mag sein, dass ich kein Auto zum jetzigen Zeitpunkt besitze. Aber das soll nicht heißen, dass ich mir nicht irgendwann eines leisten kann.”, flüsterte er ihr mit rauer Stimme entgegen. Ihre Blick trafen sich und verursachten bei beiden noch immer dieses unbeschreibliche Gefühl vom flatternden Herzen und dem Kribbeln im gesamten Körper. Seine Hand berührt sanft ihre Taille und wanderte zu ihrem Bauch. „Was wünscht du dir mehr, ein Junge oder ein Mädchen?”, erwartungsvoll sah sie ihn an. Doch anstatt einer Antwort, küsste er zärtlich ihre Nasenspitze, ihre Stirn, beide Wangen und einen ihrer Mundwinkel. Dann hauchte er: „Mir ist es egal. Die Hauptsache ist doch, das wir ein gesundes Kind haben, oder?” Es waren genau diese Worte, die ihr das Gefühl gaben den Richtigen gefunden zu haben. Mehr als ein gehauchtes Ja kam ihr nicht über die Lippen. Sie hätten so glücklich sein können. Beide so glücklich. Ihr Vater hatte sie bis zum Ziel gebracht und nun überließ er sie dem Pfarrer und ihrem Zukünftigen. Starr blickte sie gerade aus. Die Worte des Geistigen vernahm sie nur undeutlich, wie durch Watte. Es glich einem Wunder, dass die junge Braut nicht längst zusammengebrochen war. Ihre Finger verkrampften sich um das Blumenbukett, während das Herz mit jedem Schlag zu zerspringen schien. „Alan hör auf.”, schrie sie. Starr vor Angst sah das Mädchen wie sich ihr Jake mit Alan am Boden raufte. „Hört auf.”, Tränen bildeten sich in ihren Augen. Panisch vor Angst, wusste sie nicht was sie tun sollte. Unbeholfen lief sie auf die beiden zu und versuchte den Blonden von ihrem Freund wegzuziehen. „Lass ihn los!”, ihre Finger krallten sich in Alans Oberarm. Dieser sah nicht einmal auf, als er sie zu Boden stieß. Doch für Jake war es Grund genug sich aus seiner defensiven Position auf Alan zu stürzen. „Rühr sie nicht an.”, geifte er wütend und schlug mit der Faust zu. Erneut verkeilten sich die beiden Jungen wieder ineinander und versuchten den Kopf des jeweils anderen auf den Aspahlt zu schlagen. Vollkommen in Tränen aufgelöst, verfolgte sie das Spektakel. Ihre Arme schmerzten vom Fall auf den Asphalt. Sie konnte nichts tun. Der Radau blieb nicht unbemerkt. Aus dem Bowlingcenter kamen die anderen Jugendlichen und bildeten einen Kreis um die Drei. Die Jungen schrien, brüllten und feuerten die beiden Raufenden an, während die Mädchen in ihren kurzen gepunkteten Kleidern vor der Tür des Centers blieben und die edlen Jacken ihrer Freunde über den Schultern trugen. Erst das beherzte Eingreifen eines Zuschauenden brachte andere ebenfalls dazu die beiden Streithähne voneinander zu trennen. „Jake. Hör auf.”, Will baute sich vor seinem besten Kumpel auf und sah ihn wütend an. „Was soll das?” Der Angesprochene ging nicht auf die Frage ein, sondern versuchte an seinem Freund vorbei zukommen, um Alan erneut einen Haken zu verpassen. Doch die anderen Jungs, die hinter ihm standen hielten seine Arme eisern fest. Dem Blonden ging es nicht anders. „Hör auf. Kümmer dich lieber um Anne.”, zischte Will. Erschrocken sah Jake zu seiner Liebsten, die immernoch weinerlich am Boden hockte, fassungslos auf den Asphalt starrte und von Nelly betreut wurde. „Anne.”, flüsterte Jake, als er langsam auf sie zukam. Er hockte sich neben sie und strich ihr sanft durchs Haar. „Anne. Es tut mir leid.”, seine Stirn lehnte sich an ihren Kopf. Es herrschte Stille. Anne wandte ihr Gesicht zu ihm. „Tu sowas nie wieder, ja? Versprich es mir. Ich hatte solche Angst um dich.”, flehend sah sie ihm in die Augen. Er nickte und nahm ihr diesen Wunsch ab. „Nie wieder.” „Kommt schon, wie lange soll das noch gut gehen mit den Beiden.” Alle blickten zu Alan, der aufgebracht wenige Meter vor den Beiden stand. „Halt die Klappe, Alan.”, zischte Nelly. Sie stand auf und trat zwischen ihm und das Paar. Der Blonde grinste und ein ekliges Lachen war von ihm zu hören. „Leute, wie lange soll das noch so weiter gehen?”, er sprach zur Menge, die sich wieder um die kleine Gruppe gescharrt hatte. „Alan was soll das?” „Was das soll, Will?”, ein leises Lachen kam von ihm. „Das sollte ich lieber dich fragen. Schließlich ist Anne deine Verlobte.” Will seufzte. Alle hier wussten, das seine Eltern die Verlobung mit Annes Eltern arrangiert hatten, noch bevor die Beiden laufen konnten. Doch Will war diese Verlobung egal, sein Herz gehörte längst jemanden anderem und Jake war sein bester Freund. Anne kannte er aus frühsten Kindertagen. Sie waren zusammen aufgewachsen, wie hätte er sie jemals als Frau lieben können, wo er in ihr doch seine Schwester sah. „Verlobungen können gelöst werden.”, war seine einzige Verteidigung, wissend welches Argument Alan parat hatte. „In dieser Gesellschaft? Vielleicht im Urwald bei den Wilden. Aber wir leben in einer zivilisierten Welt, in der es Strukturen und klare Richtlinien gibt, die es einzuhalten gilt.”, fauchte Alan. „Na und. Schon mal etwas vom Fortschritt gehört. Wir können nicht ewig auf einen Standpunkt verharren.”, schrie Nelly. „Was weißt du denn?”, zischte der Blonde. „Hast dich Will doch auch nur an den Hals geworfen um deinen Status in der Gesellschaft zu heben und von der Kohle abzusahnen. Dir kann es doch nur Recht sein, wenn die Verlobung gelöst wird.” „Das ist nicht wahr.”, verteidigte sich Nelly. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt. „Ach nein.”, grinste Alan. „Und das Kleid, das du gerade trägst. Wurde das nicht mit dem Geld von Will bezahlt?” Nelly senkte den Kopf, ihre blonden Locken fielen ihr ins Gesicht. „Warum kannst du uns kein Glück gönnen?”, mischte sich Jake wieder ein. „Glück? Welches Glück? Kannst du ihr ein glückliches Leben bieten?”, damit zeigte er auf Anne, die mittlerweile aufgestanden war. „Kannst du ihr das Leben bieten, das sie jetzt lebt?” „Ich brauch das Leben, das ich jetzt lebe nicht. Mir reicht es schon ein Dach über den Kopf zu haben und meine Kinder mit Jake versorgt zu wissen.”, gab ihm Anne zur Antwort. Es hätte so schön sein können. So schön für Beide. Anne zuckte zusammen, als Will ihre Hand nahm und sein Ehegelöbnis sprach, während er ihr den Ring ansteckte. Fast mechanisch tat sie es ihm gleich. Die Worte des Pfarrers holten sie endgültig aus der Starre zurück, ließen sie aber an den schlimmsten Tag ihres Lebens erinnern. „Hiermit erkläre ich euch, zu Mann und Frau.”, er lächelte. „Der Bräutigam darf seine Braut nun küssen.” Damit hob sich der weiße Schleier vor ihrem Gesicht und sie blickte in die traurigen Augen ihres Jugendfreundes Will. Der Kuss war kurz, doch für die feiernden Gäste das Siegel der Ehe. Die frisch Angetrauten vernahmen von überall Glückwünsche und gute Segenssprüche. Als sich Anne umdrehte sah sie in die wässrigen blauen Augen ihrer liebsten Freundin, Nelly. Sie kam auf die Braut zu und umarmte sie. „Es war sein Wunsch. Sein Letzter.”, hauchte sie ihrer besten Freundin ins Ohr. „Jake.”, jammerte Anne. Sein Kopf war auf ihren Schoss gebettet. Röchelnde Geräusche entkamen seinem Mund als er sprach. „Anne, nicht weinen. Tränen stehen dir nicht.” Verzweifelt drückte sie ihre Hand auf die Wunde, die so tief ging, dass sich die Lungen langsam mit Blut füllten. „Verlass mich nicht.”, schluchzte sie. „Denk doch an unser Kind. Es braucht dich... ich brauch dich.”, die Tränen strömten über ihre Wangen und sammelten sich an ihrem Kinn. Jake hob seinen Arm und wischte ihr sanft mit dem Daumen die nassen Spuren weg. Er wollte ihr noch so viel erzählen. Von dem Job, den er in einem anderen Bundesstaat bekommen hatte und damit genug Geld verdient hätte, um ihr und dem Kind ein gutes mittelständisches Leben zu bieten. Verzweifelt, dass er Anne mit dem ungeborenen Kind allein ließ, kam er auf eine groteske Idee. „Will. Nelly.”, hauchte er. Sein bester Freund beugte sich über ihn, Nelly rückte näher heran. Jake sah in die blauen Augen von Nelly, er brauchte nicht einmal seinen Wunsch ihr gegenüber zu äußern, da nickte sie schon. „Ich verspreche es. Ich werde deinen Wunsch akzeptieren, und dieses Opfer bringen.”, hauchte sie weinend. Verwundert sah Will von Jake zu seiner Nelly. „Will.”, Jake forderte die Aufmerksamkeit seines besten Freundes. „Will... heirate Anne. Kümmere dich um sie und ihr Kind, bitte.”, sein Blick duldete keinen Widerspruch. Es war sein letzter Wunsch. Nicht einmal die Worte der Liebe für Anne konnte er noch aussprechen. Anne sah zum Himmel, als sie die Kirche verlassen hatte. Sie spürte Wills sanften Händedruck zu ihrer Linken und Nellys zur Rechten. Sein letzter Wunsch war erfüllt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)