Milchglas von yoshi_ ================================================================================ Beschlüsse ---------- Hannah Ich starrte auf den Tisch vor mir, das Handy am Ohr. Meine Stimme war ganz ruhig, aber innerlich brodelte ich – langsam und bedrohlich wie Lava. „Du bist was.“ Sie wiederholte, was sie gesagt hatte. Ich schwieg. Dass das Wasserglas in meiner Linken nicht zerplatzte, grenzte an ein Wunder, so fest, wie es umklammert hielt. Ich wusste wirklich nicht, ob ich sie auslachen oder schreien sollte. Kotzen wäre auch eine Option gewesen, nach der mit der Sinn gestanden hätte. „Bist du nicht.“, hörte ich mich sagen. Ganz tief und kalt. Und dann legte ich auf. Etwa zehn Sekunden hielt ich mich erstaunlich gut auf meinem Stuhl. Dann sprang ich auf und tobte mich aus. „Weil ihre Eltern das wollen?! Ist sie bescheuert?! Da kann sie doch auch gleich den Leibeigenen-Vertrag unterzeichnen, den diese Monster garantiert schon irgendwo griffbereit haben!“ Ich knallte die Tür zu, nur, um meinen Aggressionen Ausdruck zu verleihen. „Wo zum Teufel hat sie ihr Hirn?! Das ist doch nicht die Linda, die ich kenne! Das ist einfach dämlich!“ Pinot Grigio verzog sich auf den Schrank, als ich mit einem Knall das halbgeöffnete Fenster schloss, sodass die Scheibe nur so zitterte. Wütend warf ich mich auf mein Bett. „Scheiße, verdammt!“ Linda Scheiße. Okay. Okay. Scheiße… Ich war völlig durch den Wind. Warum war sie so wütend? Warum war das denn ihr Problem? Miriam hatte es doch auch total locker aufgenommen, was machte Hannah so einen Stress? Scheiße… Ich wusste nicht, wohin mit meinen Gedanken. Mir war zum Heulen zu Mute. Aber warum, verdammt?! Hallo, meine Entscheidung? Es ging sie absolut nichts an. Was war sie denn jetzt so angefressen? Wegen meiner Eltern? Mein Gott, ich tat doch dauernd Dinge, die ihnen missfielen, da würde es mich nicht umbringen, wenn sie mich EINMAL nicht für eine Entscheidung verachteten! Aber vielleicht… machte Hannah sich auch nur Sorgen. Vielleicht wollte sie nur das Beste für mich oder so. Aber vielleicht WAR das ja das Beste für mich – ich versuchte es schließlich gerade herauszufinden… Gott, Scheiße. Zwei Sätze von ihr und ich war völlig von der Rolle. Ruhig, Baakhausen, schalt ich mich selbst, du bist eine erwachsene Frau und nur du bist für dich verantwortlich. Aber ich fühlte mich trotzdem schrecklich. Zerrissen, irgendwie. Was für ein mieses Selbstbewusstsein musste ich haben, wenn mich zwei Sätze von Hannah dazu brachten, eine Entscheidung zu bereuen, die ich eben noch ganz gut gefunden hatte? Kein Wunder. Wahrscheinlich hatten meine Eltern immer schon versucht, mich zu einer leicht beeinflussbaren Person zu formen… Und offensichtlich war ihnen das gelungen. Verdammt. Wahrscheinlich war Hannah deswegen so sauer. Scheiße. Ich fuhr mir zum tausendsten Mal mit beiden Händen durch die Haare. Wo stand mir nur der Kopf? Ich wollte nur noch weinen. Konnte mir mal jemand verraten, was ich jetzt tun sollte? Scheiße… Miriam Dass Hannah leicht cholerische Züge hatte, war nichts Neues. Auch, wenn sich das für gewöhnlich in eher harmlosem Gemecker niederschlug. Seitdem sie Linda kannte, war das fast vollständig zurückgegangen, sodass ich beinahe vergessen hatte, wie gerne Hannah sich über alles Mögliche aufregte. Im Moment regte sie sich allerdings nicht einfach nur auf, sie war drauf und dran, meine Wohnung zu zerlegen. Und das lag auch nicht an allem Möglichen. „Alexander Von-Und-Zu-Sowieso?!“ Ich seufzte und nahm ihr das Lineal aus der Hand, mit dem sie gerade auf den Tisch vor mir geschlagen hatte. „Sieht so aus.“ „Der BESCHISSENE Schnösel, den ihre DÄMLICHEN Eltern für sie ausgesucht haben?!“ Mal sehen, wie weit wir mit Logik kamen. „Ja, na und? Wenn schon. Vielleicht ist er ja-“ „NICHT GUT GENUG! Genau das! Ich meine, sie hat nicht mal das Scheiß-Date selbst ausgesucht! Das lief alles über ihre kranke Mutter! Das ist doch gestört!“ Sie steigerte sich mit jeder Sekunde mehr in ihre überdramatischen Ausflüchte hinein. „Und abgesehen davon ist der Kerl HÄSSLICH! Wen stellt sie sich vor, wenn sie diesen Quasimodo küsst, Ashton Kutcher?!“ „Du hast nur EIN Bild von ihm gesehen! Und so hässlich ist er gar nicht, das weißt du ganz genau.“ „Ist er wohl, verdammt!“, fuhr sie mich an. Ich stand auf und ging um den Tisch herum. „Wo ist überhaupt dein Problem? Ist doch ihre Sache.“ Ich wusste, wo ihr Problem war, vermutlich sogar besser als sie selbst. Aber mich interessierte wirklich, wie sie das vor sich selbst erklärte… Und plötzlich sah Hannah müde aus, und genauso traurig, wie sie war. „Ach, keine Ahnung…“ Ich nahm sie in die Arme. „Ach Süße.“ „Ich mach mir nur einfach echt Sorgen um sie, weißt du?“ Klar, Sorgen. Hannah machte sich keine Sorgen. Sie war krank vor Eifersucht und kapierte es nicht. Aber ich wollte mich da nicht einmischen. Erstens würden sie mir nicht glauben, zweitens würden sie das auch selbst schaffen, wenn es sein sollte, und drittens wollte ich mir hinterher nicht vorwerfen lassen, dass ich ihnen das eingeredet hätte, wenn es nicht klappte. „Nicht weinen.“ Hannah schniefte trotzig. „Ich weine nicht.“ „Natürlich nicht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)