Little Brother + Big Brother =Chaos von Gouda-kun (Der ganz normale Wahnsinn!) ================================================================================ Kapitel 6: Ein Moment für die Ewigkeit -------------------------------------- Dylan schüttelte den Kopf und machte einen Hechtsprung um Marcel noch rechtzeitig aufzufangen. „Marcel!“ rief er erschrocken, schlang die Arme und den Körper seines Freundes und presste ihn feste an seine Brust, während seine Beine nachgaben und er langsam auf den Boden sank. „Hey, was ist los! Marcel!“ Dylan rüttelte ihn kräftig an den Schultern, doch Marcels Kopf kullerte bloß hilflos hin und her. Just in diesen Moment klärte die kühle Abendluft seinen Verstand auf, Dylan war zwar noch immer verwirrt, doch die Angst um Marcel verfiel ihm ungeahnte Kräfte. Er sprang hoch und riss Marcel gleichzeitig mit in die Höhe. Durch den scharfen Ruck der wie ein Blitz einschlug, schoss Marcels Geist in seinen Körper zurück. Träge öffnete er die Augen und starrte in den Himmel: Der Mond und die Sterne wurden von dicken Regenwolken verdeckt. „Dylan…“ krächzte er heiseren. Marcel bekam kaum Luft, etwas schnürte ihm regelrecht die Atemwege ab. „Oh Marcel… Du bist wach, wie geht es dir?“ Dylan beugte sich über ihn und verdeckte den Abendhimmel. Vorsichtig strich er dem Kleinen eine Haarsträhne aus dem blassen Gesicht. Marcel drehte den Kopf zur Seite um Dylan in die Augen zuschauen. „Mir ist schlecht und schwindelig“ murmelte er leise. „Könntest du bitte aufhören mich zu zerquetschen?“ „Oh! Tut mir leid, Kleiner. Hast du sonst noch schmerzen?“ fragte Dylan und lockerte seinen Griff sofort. Er trug Marcel ohne Mühe zu einer Parkbank die in der Nähe stand, und setzte ihn vorsichtig ab. „Jetzt tut mir nichts mehr weh… Danke“ flüsterte Marcel. Seine Lippen waren ganz blau angelaufen und zitterten im Luftzug. Das war doch verrückt, warum hatte er diesen Schwächeanfall bekommen? Er hatte Dylan doch nur in Augen geschaut, mehr nicht… „Sorry“ flüsterte er. „Können wir jetzt in das Restaurant gehen?“ Dylan starrte ihn geschockt an, in seinen Katzenaugen tobte ein Sturm von den unterschiedlichsten Gefühlen. „Du bist grade ohnmächtig geworden, du musst sofort nachhause, Marcel. Spiel hier nicht den starken!“ Der folgende Schrecken vertrieb auch noch das letzte bisschen Farbe aus Marcels Gesicht. Jetzt war er Leichenblass – wie seine Geschwister. „Nein, alles nur das nicht!“ rief er panisch, „Wenn Jeremy erfährt das ich neuerdings aus heitern Himmel umkippe, mauert er die Wohnungstüre zu! Du darfst ihm davon nichts erzählen. Sonst war es das letzte Mal, dass wir getroffen haben. Bitte halt es geheim, Dylan. Ich möchte nicht den Rest meines Lebens in meinem Zimmer am Computer verbringen müssen!“ Schließlich kniffe Dylan die Augen zusammen und starrte Marcel zornig an. „Was ist dir wichtiger: deine Gesundheit oder deine Freiheit?“ er streckte eine Hand aus. „Gib mir dein Handy, ich rufe Jeremy an und sage ihm, dass er dich hier sofort abholen soll“ „Das tust du nicht – Niemals!“ Marcel rutschte so weit wie es die Bank zuließ von Dylan weg und drückte sein Handy mit beiden Händen an sich. „Wenn du dieses Ding wirklich willst, musst du es mir schon mit Gewalt abnehmen!“ Vielleicht war es seine Überzeugungskraft, vielleicht war es aber auch Mitleid – Dylan kreuzte die Finger und seufzte auf. „Okay, wie du willst…“ er schaute auf den Boden, während sich seine Augen unheilvoll verdunkelten. „Dann gehen wir jetzt eben etwas essen – Aber wenn du auch nur ein kleines bisschen taumeln solltest, bringe ich dich ohne Diskusionen Nachhause“ Die vergangen Wochen hatten Dylan verändert. Sein Gesicht war nicht mehr ganz so rund, mittlerweile traten die Wangenknochen stärker hervor. Unter seiner weißenhaut zeichneten sich deutlich ein paar harte Muskeln und Sehen ab, wie bei den Männern die täglich ins Fitnessstudio gingen. Die Zeit des zarten, kindlichen Jungen war vorüber gezogen. Unwillkürlich musste Marcel schlucken. plötzlich war er nicht mehr ganz so scharf darauf sich mit Dylan anzulegen; Dylan wirkte auf einmal viel älter und kräftiger als er. Da fiel ihm plötzlich etwas Wichtiges ein… „ Dylan, wie alt bist du eigentlich?“ „Am sechsundzwanzigsten Mai werde ich 15 Jahre“ sagte Dylan kühl. Der frostige Ton machte seine gewohnte Samtstimme rau und unnahbar. „Wenn es mir schlecht geht sage ich dir sofort Bescheid“ Dylan sah ihn argwöhnisch an. Er war noch immer sauer, das sah man ihm an, und seine Katzenaugen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. „Und wehe wenn nicht!“ „Na sicher. Krieg´ ich jetzt meinen charmanten Freund zurück?“ Das Wort Freund blieb in der Luft hängen und taute Dylans Gesichtsausdruck endlich auf. Er grinste und verpasste Marcel einen Stoß mit den Ellbogen, ehe sie sich erhoben und auf den Weg machten. Es dauerte nicht mehr lange und die beiden hatten das kleine Restaurant in einer ruhigen Gasse gefunden. Die kleinen Tische und Stühle waren aus einfachem Holz und schufen mit den restlichen mobilia eine freundliche Atmosphäre. Eine Kellnerin hatte Marcel und Dylan schon längst gesehen, als sich die Glastür öffnete und sie das Haus betraten. Die junge Dame lächelte sie äußerst freundlich an. „Einen Tisch für zwei?“ fragte sie. Dylan nickte Wortlos. Die tatsachte das die Kellnerin ihn permanent anstarrte, prallte wie ein Pingpongball von ihm ab. An die neugierigen Blicke der Leute hatte er sich schon vor sehr langer Zeit gewöhnen müssen. Die Dame führte sie zu einem ruhigen Tisch in der Ecke, und verschwand nachdem sie Marcel ein spitzbübisches lächeln zugeworfen hatte. Kichernd blickte Dylan ihr nach. Stets hatte sein Lachen einen angenehmen, beruhigenden Klang; Wie ein helles Glockenspiel in einer alten Kapelle. „Ich glaube sie mag dich“ neckte er. „Sie ist sehr hübsch, und ich bin halt ein Frauenmagnet!“erwiderte Marcel grinsend. „Na klar bist du das, deshalb sind ja auch die ganzen Weiber der achten Klassen hinter dir her. Wie viele Liebebriefe bekommst du in der Woche? 15 Stück?!“ Kurz überlege Marcel; „Mal mehr, mal weniger“ Dylan lachte wieder. „Du bist wirklich niedlich. Ich glaube, ich bin neidisch…“ er lächelte schälmisch, doch seine Augen blieben sanft. „Du bist ein Spinner!“ murmelte Marcel verlegten. Unter den Haaren glühte sein dünnes Gesicht wie Feuer. Was hatte dieser unverschämte Casanova nur an sich, das er es immer wieder schaffte ihn in so peinliche Situationen zubringen? Am liebsten wäre Marcel vor Scham im Erdboden versunken, und zwar ganz schnell. Heimlich streckte Dylan seine Hand aus und berührte vorsichtig Marcel Finger. Ein Lächeln, so schön das man es nicht beschreiben konnte, zierte sein elfenhaftes Antlitz. „Hey, das war nur Spaß; Guckst du mich bitte wieder an?“ Inzwischen war die Kellnerin zurück gekommen und schaute zuerst auf Dylan. „Was möchtest du trinken, junger Mann?“ „Nur ein Wasser bitte, ohne Kohlensäure“ sagte er sehr freundlich. Dann schaute sie zu Marcel. „Und was bekommst du?“ „Ich bekomme eine Cola“ „Okay“ Die Kellnerin warf ihr Haselnussbraunes Haar über die Schulter, und entschwand zu den Tischen der andern Gäste. Ausirgendeinen Grund fühlte Marcel sich dazu verpflichtet ein neues Gespräch einzuleiten; Es war ihm unangenehm wenn Dylan ihn nur anstarrte, aber kein Wort sagte. „Der Abend war toll. Hoffentlich treffen wir uns in Zukunft öfters“ „Das hoffe ich auch. Hast du schon entschieden was du essen möchtest?“ Marcel griff nach der Speisekarte zu seiner Rechten. Nachdem er sie sorgfältig studiert hatte, wählte er für sich eine einfache Pastete aus. „Und was willst du?“ fragte Marcel und spähte neugierig über den Rand der Karte. „Nichts, mein Vater hat heute Abend schon für mich gekocht. Und wenn ich das nicht Esse, macht er nie wieder was für mich…“ Sekunden später, stand die Kellnerin wie auf Knopfdruck wieder neben ihnen– sie hatte ihren Tisch ohne Unterbrechung beobachtet – und nahm freudig die Bestellung entgegen. Dylan hatte das Essen seinerseits dankend abgelehnt. Danach wurde es ruhig, jeder hatte Zeit seine Gedanken nachzuhängen. Und das fand Marcel gar nicht prickelnd, denn jetzt musste er wieder an vorhin denken, als Dylan kurz vor einen Nervenzusammenbruch gestanden hatte. Mit Wörtern wie: Gefahr, böse und schlecht hatte er nahezu um sich geschmissen. Das passte einfach nicht mit Dylans sanften Wesen zusammen! Marcel hob den Blick und saß wie sein Gegenüber grade verträumt eine Serviette zerflederte. Jetzt oder nie, sagte Marcel sich im Stillen. „Dylan?“ „Mmm-hmm?“ „Du hast mir im Kino eben einen riesen Schrecken eingejagt. Was meinst du damit, als du sagtest du wärst eine Gefahr für mich“ Noch während er sprach merkte Marcel dass es ein riesiger Fehler war, die Sache so offen anzusprechen; Mit jeden weiteren Wort erstarrte Dylans Gesicht mehr und mehr zu Eis. Es war beunruhigend ihn so zu sehen, jetzt saß er wirklich gefährlich aus. Marcel wartete geduldig ohne Dylan anschauen, ein Blick in seine Katzenaugen würde genügen um ihn aus der Fassung zu bringen. Ein Blitz der Vernichtung würde ihn treffen, und verbrennen. „Tut mir leid, aber das kann ich dir nicht erklären“ flüsterte Dylan monoton. „Wieso denn nicht? Ist es so schrecklich?“ Wie zur Bestätigung knurrte Dylan wütend. „Nicht hier und nicht jetzt…“ Doch so schnell ließ Marcel sich diesmal nicht einschüchtern, hartnäckig bohrte er weiter. „Erzählst du mir es denn später?“ Dylan gab keine Antwort, in seinem Porzellangesicht regte sich nichts. Erneut wartete Marcel und schaue Dylan sogar entschlossen an. Dazu war dieser noch nicht mal in der Lage; Er blickte an Marcels Gesicht vorbei. Die Augen funkelten wütend. „Sag einfach ja. Ich hör dann auch auf dich zu nerven“ Marcel merkte selbst das dieses Argument ziemlich schwach war, deshalb fügte er sanft hinzu; „Ich dachte wir sind Freunde. Du kannst mir alles erzählen. Alles. Und nichts was du sagst, wird unsere Freundschaft zerstören können. Ich mag dich wirklich sehr gerne, und finde das wir offen miteinander sein sollten, oder Dylan?“ Draußen begann es zu Regnen und das Unwetter spiegelte Dylan Emotionen wieder. Das Wasser und der Wind peitschten alle Hindernisse nieder, die sich es wagten ihnen in den Weg stellten. „Ich würde es dir ja gerne sagen“ meinte Dylan und sein Ton war hart, und sehr ernst. „Aber grade weil ich will das wir Freunde bleiben, muss ich es für mich behalten. Es ist so… erschütternd, das ich es oft selbst nicht wahr haben will. Doch ich muss mit meiner Schmach leben, und das will ich dir nicht antun. Eine zerrissene Seele ist mehr als genug! Du würdest zu Grunde gehen…“ Jetzt war Dylans Stimme ganz kalt, genau wie sein Blick. Er schien tief in Erinnerungen versunken zu sein, und würde sobald nicht mehr auftauchen. Glücklicherweise kam die Kellnerin zurück und stellte einen Teller vor Marcel ab. Jetzt brauchte er Dylan nicht mehr perplex anzuglotzen. Das Mädchen schaute noch einmal kurz zu Dylan, und ging dann. Erst jetzt bemerkte Marcel seinen leeren Margen, der leise grummelte, und er griff eilig nach dem Besteck. Die Pastete roch ganz gut. Vorsichtig schnitt er ein kleines Stückchen ab und schob sich die Gabel in Mund. Und es schmeckte auch noch toll! Langsam schluckte er den ersten Bissen runter und wagte es sich dann, die Augen zu heben; Dylan starrte mit leeren Augen vor sich her, der goldene Ton in ihnen war gefroren und Leblos. Allmählich begann Marcel sich sorgen zumachen. Er legte das Messer weg und streckte die Hand nach Dylans Arm aus. Ein zucken huschte über das Gesicht, blitzschnell zog er seinen Arm fort und legte ihn in den Schoß. Schuldbewusst senkte Dylan den Blick. „Tut mir leid“ sagte er mit sanfter, doch zugleich trauriger Stimme, „Aber ich bin so verwirrt, du musst mir noch ein wenig Zeit lassen. Ich hatte… noch nie einen richtigen Freund, Marcel. Alle Menschen finden mich abstoßend, weil ich so fremdartig bin. Sie machen einen großen Bogen um mich. Aber du bist ganz anders. Du bist freiwillig mit mir zusammen, und es scheint dir auch noch Spaß zu machen! Und grade das verwirrt mich; Warum empfindest du so, warum verhältst du dich nicht wie die anderen? Was ist dein Geheimnis?“ Er schaute Marcel so intensiv an, dass dieser beschämt weg schauen musste. Dylans Augen waren wieder normal, ihre Hypnostichen Kräfte ungebrochen. Er räusperte sich und dachte über die ungewöhnlichen Sätze nach, die Dylan ihm gesagt hatte. Nun ja, in einem Punkt hatte er ohne unumstritten recht: Er, Marcel, war Dylans einigster Freund. Was prinzipiell betrachtet ziemlich bedrückend war. Dylan war doch so klug und reif für sein Alter das man kaum glaubte, dass er erst in die achte Klasse ging. Warum hatte er also nicht mehr Freunde? Mieden seine Mitmenschen ihn wirklich so sehr? Urplötzlich sprang Dylan in die Luft, sein Zähne hatte er feste zusammen gebissen und schon rannte er nach draußen, in das Unwetter. Marcels Verstand brauchte ein paar Sekunden um die neue, unerwartete Situation zu verarbeiten. „Was ist denn los? Warte!“ Er sprang auf und stützte Dylan hinterher. Da Marcel so schnell war, bekam er vor dem Restaurant seinen Arm zufassen doch Dylan riss sich grollend los. „Geh einfach Nachhause und vergess mich!“ schrie Dylan ungehalten und funkelte Marcel zornig an, „Ich bin kein guter Umgang für dich – ich bin gefährlich! Kapier das endlich!“ „Ich kann nicht, Dylan! Ich kann es einfach nicht. Außerdem bist du mir eine Erklärung schuldig. Sag mir, was dich so Quält!“ „Tzz, du wirst es eh nicht verstehen, warum sollte ich mir also die Mühe machen und es dir lang und breit erklären?!“ zischte Dylan zurück, dann drehte er sich zu der Straße um und lief davon. Das gefiel Marcel nicht – er war 14 Jahre, er ging auf ein Gymnasium und er war beim besten Willen nicht vollkommen verblödet. Wieso wollte Dylan ihm nichts verraten? Es war ein dunkles Geheimnis, soviel stand fest. Eins von der Sorte, die manche Menschen in den Wahnsinn, oder in die Psychiatrie trieben. Vor lauter Panik begannen Marcels Hände unkontrolliert zu zittern. Jetzt – in diesen Moment – dürfte er Dylan auf keinen Fall alleine lassen, wer weiß, auf was für Ideen er sonst noch kommen würde. So lief er ihm schnell nach. Bestimmt saßen sie in der Dunkelheit aus wie zwei Vollidiotien die einander nach jagten, doch das war belanglos. Der Trip endete rückartig im Stadtpark; Auf einmal blieb Dylan stehen und drehte sich blitzschnell um, die goldenen Augen funkelten sogar in der Finsternis gespenstig. „Ich bitte dich ausdrücklich Marcel, halt dich von mir fern. Wir dürfen keine Freunde mehr sein, wir hätte nie welche werden sollen! Das war falsch, und Gehirnlos von mir so egoistische zu sein. Ich hätte dich nie solch einer Gefahr aussetzten dürfen. Geh jetzt zu deiner Familie heim, sie wartet sicher schon auf dich…“ „Jetzt ist es aber zu spät!“ rief Marcel aufgebracht. „Du bist nun ein Teil von meinem Leben, und das kann ich nicht so einfach wegwerfen“ Im Mondlicht saß es so aus, ob sein ganzer Körper zittern würde, „Dylan du bist inzwischen mein Freund geworden, und ich verstehe nicht was auf einmal mit dir los ist! Ich möchte dir helfen, verstehst du das denn nicht! Wo liegt das Problem, was verheimlichst du vor mir?“ Dylan stieß ein kaltes Lachen aus. „Du willst es also wirklich wissen!? Dann komm mit, und glaub deinen eigenen Augen!“ Er ging weiter und Marcel musste wieder rennen um mit Dylan Schritt zuhalten. Er trat wirklich energisch aus. Sie liefen bis zu dem alten Schrottplatz der unmittelbar hinter dem Park lag. Hier war Marcel noch nie gewesen. Jeremy hatte es ihm verboten, er sagte dazu nur, es wäre zu gefährlich für ihn da man im Vorhinein nie wusste, was sich hier für ein Gesindel rumtrieb. Obdachlose, Drogenabhängige, Diebe, Schläger, Alkoholiker, Vergewaltiger, Mörder… „Warte hier“ murmelte Dylan und kletterte flink über den Zaun, dann sprang er auf der anderen Seite runter um dort zwischen ein paar verschrotteten Autos zu verschwinden. Marcel verharrte auf der Stelle und stürzte nachdenklich die Lippen. Er hatte nicht die leiseste Ahnung wann nun passieren würde. Vielleicht hatte Dylan ihn aber auch nur belogen, und war schon längst auf den Weg Nachhause. Bei längerem Überlegen war der Einfall gar nicht so verkehrt; Dylan wollte ihn doch so dringend los werden… - in diesen Moment jedoch zerriss ein fürchterliches heulen die Nachtruhe und Marcel machte einen Satz auf die Bäume zu. D as war doch hoffentlich kein großer Hund der den Schrottplatz bewachte? Ihm lief es eiskalt den Rücken runter, als er sich vorstellte wie sich ein monströser, bösartiger Rottweiler vor Dylan aufbaute. Noch einmal ertönte das scharfe Geräusch, Marcel hielt sich die Ohren zu, doch die Augen hatte er gewaltsam aufgerissen. Hastig blinzelte er die kleinen Regentropfen weg die sich an seinen Wimpern verfangen hatten, um eine bessere Sicht zu haben. Es geschah urplötzlich, ein zischen zerschnitt die Luft und der weißhaarige Junge war zurück gekommen. Dylan stand in der Mitte des Schrottplatzes, ohne das ihn jemand zuvor gesehen hatte. Er hielt eine rostige Eisenstange in der Hand. „Na gut…“ flüsterte Dylan so leise, das Marcel sein Gehör enorm anstrengen musste um etwas zu verstehen. „Denk jetzt bitte nichts Falsches von mir. Ich möchte dich nicht verlieren, auch wenn es sich eben vielleicht anders angehört hat. Ich mag dich, und tue das hier nur, damit dein Gewissen endlich Ruhe hat“ Die Metallstange warf er über den Zaun, die dann klirrend vor Marcels Füßen landete. „Nur für den Fall, das etwas schief gehen sollte“ Dylan benutze sein altes, charmantes Lächeln während er sich zu einen verschrotteten Jeep drehte. Der Regen würde stärker, genau wie Marcels Unwohlsein. Inzwischen kniete Dylan neben dem Auto und umfasste mit beiden Händen jeweils ein Reifen auf der rechten Seite. Was dann geschah war so unmöglich, dass es eine Halluzination hätte sein können. Dieser schmächtige, hellhäutige Junge mit den suggerieren Augen hob den kompletten Jeep an. Ein Mensch – ein Kind! – stemmte ohne mit der Wimper zu zucken ein 1 Tonnen schweres Auto. Entsetzt wich Marcel zurück. Das ging weit über seine Vorstellungskraft hinaus! Er rutschte auf der schlammigen Erde aus und stürzte zu Boden. Dylan stand auf, wobei der den Jeep nur noch mit einer Hand über den Kopf balancierte. Seine gefühllose Mine sah wie eingemeißelt aus, mit ihr als Sahnehäubchen war das grauen beinahe komplett, aber nur fast, anscheinend hatte Dylan noch etwas vor. Es hatte noch nie einen Zeitpunkt gegeben an dem Marcel sich mehr gefürchtet hatte, noch nie hatte er so etwas Unfassbares und faszinierendes gesehen…! Kurz darauf warf Dylan das Auto in die Luft – und die Erdanziehungskraft zog es zugleich wieder runter. Die Welt um Marcel herum geriet bedrohlich ins Wanken, in seiner Kehle steckte ein Schrei, doch seine Stimme brach weg. Das Auto. Dylan. Es würde ihn zerquetschen! „Dylan…“ stieß Marcel heiseren hervor. „Lauf weg, der Jeep…“ Als es hätte krachen sollen, öffnete Marcel seine zusammen gepressten Augen, und sah dass der Wagen nur wenige Meter über Dylans unversehrten Kopf schwebte. DAS AUTO – FLOG! Das war zu viel des guten. Marcel begann hysterisch zuschreien, sein Überlebensinstinkt machte ihn Beine und er sprang in die Höhe. Das war nicht wirklich geschehen, das hast du dir nur eingebildet, protestierte sein gesunder Menschenverstand. Du träumst nur, du liegst zuhause in deinem Bett und schläfst! Das Alles hier war bloß ein verrückter Traum, Nebenwirkungen von dem beängstigen Horrorfilmen, die seine Zwillingsbrüder immerzu schauten. Ganz langsam verstummte Marcels Geschrei, in seinen Ohren halte es jedoch wieder. Er bekam keine Luft mehr, die Angst lähmte seinen gesamten Körper. Die Tränen in seinen Augen konnte er nun fast nicht mehr zurückhalten. Vor Schmerzen und vor Panik wimmerte er leise und bemühte sich, nicht aus zu flippen. Der Himmel klärte sich auf und der Mond schickte ein paar Strahlen auf die Erde. Obwohl es jetzt wärmer wurde zitterte Marcel so heftig, das seine Zähne schmerzhaft auf einander schlugen. Das war doch nur ein Traum, eine Sinnestäuschung, ohne Bedeutung! Warum zum Teufel wachte er denn nicht endlich auf? „Marcel…“ Dylan blinzelte und der Jeep setzte sanft auf den Boden auf. „Was ist mit dir los? Marcel!“ rief er diesmal deutlich lauter und bewegte sich vorsichtig auf den Zaun zu. Dylan hob beschwingend die Hände um zu symbolisieren das er unbewaffnet war. Doch Marcel wich trotzdem zurück; Wenn er wirklich nicht Träumte, musste er den Verstand verloren haben. Das Mondlicht und die Matsche an seinen Finger fühlten sich einfach zu Real an. Der arme Jeremy! Was würde er nur tun, wenn noch einer seiner Brüder durchdrehte? Denn Daimon sah gelegentlich auch solche Sachen, aber nur Samstagabends, um 23 Uhr und nach 2 Flaschen Doppelkorn. „Siehst du jetzt was ich meine?“ flüsterte Dylan traurig. „Du hast eine Heidenangst vor mir, ich sehe es in deinen Blick, ich rieche es an deinem schweiß und ich höre deinen schnellen Herzschlag“ seine Stimme wurde schwach vor Bitterkeit, „Jetzt habe ich genau das erreicht, vor dem ich dich die ganze Zeit schützen wollte. Ich bin wirklich ein abscheuliches Monster… wie überraschend“ Dylan machte noch zwei Schritte auf Marcel zu, wenn er die Hand ausgestreckt hätte könnte er den Zaun berühren, der sie voneinander trennte. Eine schwache Mauer, die eine Barriere zwischen seinen tödlichen Fähigkeiten und Marcels Schutzloser Haut errichtet. „Ich werde dir nicht weh tun, das verspreche ich dir“ sprach Dylan sanft und langsam weiter. Die Wut, die bis vor ein paar Minuten noch seinen Körper beherrscht hatte war wie verflogen. „Aber wenn es dich beruhigt, kannst die Eisenstange nehmen um dich zu verteidigen“ Marcel stockte und vergaß für den Moment das er eigentlich Angst hatte. „Bist du verrückt geworden!“ sagte er schroff, „Ich könnte dich damit ernsthaft verletzten!“ In Dylans Gesicht regte sich eine leise Emotion. Er öffnete die Lippen und begann leise und hinreißend zu lachen. „Ich lasse mit meiner bloßen Willenskraft ganze Autos schweben, und du befürchtest mich verletzten zu können? Ist das dein Ernst?“ Eine Weile blieb es still. Genau diese Zeit brauchte Marcel um sich klar zu machen, das Dylan tatsächlich dazu in der Lage war unglaublich schwere Dinge anzuheben, auch nur einen einzigen miesen Trick anzuwenden. Er stieg über die Stange hinweg und stellte sich vor den Zaun – Auge um Auge mit Dylan, dem weißen Ungeheuer. „Das war wirklich…. Unfassbar. Woher kannst du das?“ „Das erklär ich dir einander mal – wenn du dich immer noch mit mir abgeben willst - ich glaube nicht, das du einen weiteren Schock verkraftest. Ich bringe dich jetzt zurück nach Hause“ Stumm nickte Marcel, er hatte einen schweren Kloß im Hals stecken, also piepste er kümmerlich; „Bitte tu das…“ Erneut ändere dich Dylans Gesichtsausdruck. Er ging in die Hocke und Sprang geschwind über den Zaun. Eine tiefe Sorgenfalte zierte seine Stirn. „Geht es dir echt gut? Du siehst aus ob du jeden Augenblick umkippen könntest… soll ich dich tragen?“ „Nicht nötig, mir geht es gut!“, antworte Marcel rasch. Dylan schloss die goldenen Augen und atmete tief ein. Die Hoffnung die ihn durchströmte war so stark, dass man sie körperlich spürte. Seine Aura war angenehm warm und vertraut. Der wahre Dylan, den Marcel so mochte, war zu ihm zurückgekehrt. „Ich bin so froh dass du mich akzeptierst, auch wenn du noch schauderst. Aber du wirst nicht mehr lange Angst haben, den ich beweise dir das ich mich wie ein richtiger Mensch verhalten kann!“ Marcel versuchte zu lächeln, doch das gelang ihm nicht so ganz. Schweigend gingen sie nach Goathland zurück. Wie ein richtiger Mensch, was bedeutete dies? War Dylan, nicht einfach nur Dylan? Vor Jeremys Haus blieben sie stehen und Marcel schaute Dylan erwartungsvoll an. „Hast du noch ein wenig Zeit für mich? Bleib doch noch eine Weile hier, ja? Bitte, sonst weiß ich nicht, ob ich morgen früh meinen eigenen Augen traue…“ Die Vorstellung schien Dylan nicht ganz zugefallen, er schüttelte langsam denn Kopf. „Aber Marcel, das geht nicht! Wenn mich Jeremy findet, bin ich Hackfleisch… wirklich.“ „Bitte Dylan, Bitte…! Ich beschütze dich auch!“, bettelte der Kleine und klammerte sich verzweifelt an Dylans Handgelenk fest. Sein Herzschlag beschleunigte sich und die Panik machte sich wieder in Marcels Brust breit. „Du kannst mich nach so einer Darbietung nicht alleine zurücklassen! Sonst drehe ich durch – das Schwör ich dir! Bitte, bitte, bitte!“ „Ist ja schon gut! Ich warte oben in deinem Zimmer auf dich.“ Verwirrt zog Marcel seine Augenbrauen zusammen, „Du weißt wo mein Zimmer ist?“ Dylan grinste und entblößte eine Reihe Perlweißer Zähne. Dabei fielen einem sofort unangenehm die Eckzähne auf. Sie waren ein ganzen Stück länger und spitzer als die von andern Menschen. Marcel speicherte dieses Detail sorgfältig ab, um später noch mal darauf zurück zukommen. Er hatte sich schon halb umgedreht als Dylan ihm an Handgelenk festhielt und ihn an seine Brust riss. Ein schüchternes Lächeln huschte über sein Elfengesicht, dann beugte er sich über Marcel und drückte ihm sanft die Lippen auf die Stirn. Dieser schloss die Augen, ein Schwindelgefühl ließ seinen Schädel schwirren… „Bis gleich…“, die Worte wehten ihm Wind davon, genau wie Dylan. Marcel riss die Augen erschrocken auf; sein Freund war weit und breit nicht mehr zusehen. Obwohl er wusste das Dylan gleich in seinem Zimmer auf ihn warten würde, überkam Marcel eine Gänsehaut. Er zog die Weste enger um seinen Körper und lief schnell zur Haustüre. Sie öffnete sich, Jeremy hatte demnach schon auf ihn gewartet. Auf seinen vollen Lippen lag seltsamerweise ein herzliches lächeln… „Hallo Engelchen.“, sagte Jeremy ehe er Marcel zur Begrüßung auf den Mund küsste. Eigentlich hätte dieser nicht mit so einer Reaktion gerechnet. Er war verwirrt darüber, dass Jeremy sich so schnell wieder beruhigt hatte, wo er ihn doch die ganze letzte Woche wie Luft behandelte. Von der einen Stunde auf die andere war der Zorn über gewisse Dinge vergessen. Komisch - Normalerweise war sein Bruder sehr nachtragend. Marcel korrigierte sich in Gedanken. Jeremy war nicht nur nachtragend, sondern auch äußerst Rachsüchtig… So dachte Marcel zumindest. Er musterte Jeremy argwöhnisch. Doch wenn Jeremy eins in den letzten Jahren perfektioniert hatte, dann das verbergen seiner wahren Gefühle… Er legte einen Arm über Marcels Schulter und führte ihn ins Wohnzimmer. „Na, wie war dein Abend?“, fragte Jeremy freundlich, nachdem er sich auf das Sofa gesetzt hatte. Er sagte nichts zu Marcels durchweichten Kleidern. „Es war sehr Nett. Du musst Dylan unbedingt mal richtig kennenlernen. Er ist etwas ganz besonders.“ „Schön.“, sagte Jeremy. „Was habt ihr gemacht?“ Nun musste Marcel auf der Hut sein: Jeremy schaute ihn prüfend an. Gegen Marcels willen beschleunigte sich sein Puls und er kämpfte gegen die Furcht an, die seine Kehle empor kroch. Er konnte seinen Bruder nicht anlügen! Jeremy merkte so viel und deckte Geheimnisse auf, als hätte er einen eigebauten Röntgenblick um anderen bis auf die Seele zuschauen. Eine Art Sechster Sinn. „Erst waren wir im Kino und dann sind wir zu einem Restaurant gegangen. Unterwegs hat uns ein Regenschauer überrascht.“ „Ach Brüderchen…“, sagte Jeremy seufzend. „Komm her zu mir!“ Für Unbeteiligte wäre dies eine ganz normale Bitte gewesen. Aber Marcel wusste es besser. Immer wenn Jeremy nach einem Streit ungewöhnlich ruhig erscheint, stand er in Wirklichkeit kurz davor, seine Beherrschung zu verlieren. Eine unbedachte Antwort oder Bewegung, und Marcel konnte sich schon auf eine saftige Ohrfeige gefasst machen… Unsicher nähere er sich dem Sofa und sah wie Jeremy eine flauschige Decke von der Sofalehne nahm, und ihm damit ein wickelte, bis er aussah wie eine Frühlingsrolle. Dann hob er Marcel hoch und setzte ihn auf seinen Schoß ab. „Marcel…“, flüsterte Jeremy spitz. „Warum bist du so dreckig?“ „Ich bin gestolpert und hingefallen.“, flüsterte Marcel zurück und spürte eine Hand die seinen Rücken streichelte. Nur mit Mühe unterdrückte er den Reflex aus Furcht vor den Fingern, von Jeremys Schoss zu springen und blickte seinen Bruder stattdessen fragend an. „Du fällst in letzter Zeit öfters hin, hm?“ Verdammt, Jeremys Talent schlug wieder zu! Ganz automatisch verkrampfte sich Marcels Körper als er schaudernd nickte. „Ich lass dir ein Bad ein.“ Jeremy drehte Marcel zu sich herum und hielt sein Gesicht fest. „Okay?“ Er schaute seinen kleinen Bruder mit funkelnden Augen an. Ein neues Beben durchfuhr Marcel, lief über seinen Rücken und brachte seine Stimme zum Zittern. „Ja, das könnte ich gut gebrauchen.“ Da hatte Jeremy auch schon die Arme um seinen Körper geschoben und trug ihn in das untere Badezimmer. Nur dieses eine hatte eine Badewanne. Das andere Bad, auf der Etage von den Zwillingen und Marcel, hatte keine und war außerdem sehr viel kleiner. „Zieh dich schon mal aus, ich bin gleich wieder da.“ Jeremy öffnete im Bad eine zweite Türe um zu der Badewanne zu gelangen die Kreisrund im Boden verankert war. Ohne ihn fühlte Marcel sich furchtbar Hilflos, seine Beine zittern auf einmal so stark das er sich auf den Boden setzten musste. Ihm war sehr wohl bewusst, das Dylan sich irgendwo im Haus aufhielt. Warum ihn allerdings grade jetzt die Realität einholte, und eine unvorstellbare Angst seine Kehle abschnürte war ihn ein Rätsel. Marcel schlang die Arme um seine Brust als befürchtete er, er würde in tausend Stück zerfallen. Das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer… Kurz darauf kam Jeremy zurück, als er in Marcels Gesicht schaute sah er schockiert aus. Etwas altbekanntes verschreckte ihn. „Was hast du? Ist dir schlecht, Liebling?“ Zart streichelte er mit zwei Fingern über Marcels Wange. „Sag mir was los ist? Soll ich vielleicht einen Arzt rufen?“ Erst als Jeremy Marcel in den Arm nahm fühlte er sich geboren und war in der Lage den Kopf zu schütteln. Er musste sich jetzt endlich zusammen reißen! Dylan hatte ihm ein Geheimnis anvertraut, was er bewahren musste. „Kannst du mir beim Ausziehen helfen?“, murmelte Marcel mit brennenden Wangen. Trotz der Angst hatte er noch genügend Emotionen übrig, um Rot zu werden als Jeremy ihm Wortlos seine Bitte erfüllte. Anschließen half er Marcel in die Wanne z und setzte sich dann auf den Fliesenboden. Aus irgendeinem Grund sah er so fertig aus, wie Marcel sich fühlte. Marcel beobachte seinen Bruder eine ganze Weile; Jeremy hatte die Augenlieder geschlossen und nahm das bekümmerte Gesicht seines Bruders gar nicht wahr. „Du sieht erschöpft aus…“ bemerkte Marcel in die Stille hinein. Langsam öffnete Jeremy die Augen, ein Oranges leuchten flackerte in ihnen. „Du kannst froh sein, das du heute Abend weg warst“ brummte er rau. „Hier war die Hölle los und momentan ist nur Waffenstillstand. Die Zwillinge haben sich zerstritten, und ich musste sie andauernd davon abhalten sich gegenseitig an die Kehle zuspringen“ Marcel grummelte was Unverständliches. „Darum schläft Kim jetzt in meinem Bett und ich gehe naher hoch zu Daimon.“ Fast hätte Marcel hysterisch Nein geschrien, doch im letzten Augenblick konnte er sich noch auf die Zunge beißen. Das war so ziemlich das schlimmste, was passieren hätte können! So viel Pech konnte nur er haben. Dylan saß höchstwahrscheinlich schon in seinem Zimmer, verbotener weiße natürlich, und Jeremys Luxsohren klebten später auf der andern Seite der dünnen Trennwand. Marcels Zimmer und das Zimmer der Zwillingsbrüder wurde nur durch diese eine Wand voneinander getrennt, was nicht grade viel Spielraum für Unterhaltungen bot. Bei aller Panik und Hysterie hätte Marcel am liebsten los geheult. Aber er tat es nicht, weil er nicht wusste wie er Jeremy den Ausbruch erklären sollte. „Wenn dir Übel ist übergib dich bitte nicht ins Badewasser…“ flüsterte Jeremy trocken. Unvermittelt griff er plötzlich nach Marcels Handgelenk und drehte es so, dass die Handinnenfläche nach oben zeigte. Sein Blick ruhte jedoch auf das schweißnasse Gesicht seines Bruders, dann rutschten die Augen auf seine Hände. Unterhalb des Gelenkes war ein feiner Riss zuerkennen, aus dem regelmäßig ein schwaches Blutrinnsal tröpfelte. „Oh!“, machte Marcel vor Überraschung. „Das ist sicher passiert als ich hingefallen bin“ Jeremy zog missbillig einen Mundwinkel nach unten. „Kann ich dich kurz alleine lassen um Desinfektionsmittel zu holen, ohne dass du gleich absäufst?“ „Ich versuch es!“, versprach Marcel. „Danke.“ Jeremy grinste. Dann ließ er Marcels Hand los und ging aus dem Bad raus. Endlich alleine! Schoss es Marcel durch den Kopf. Sein Körper entspannte sich ein wenig und zog den Duft des Badeschaums tief ein. Solange Jeremy weg blieb, musste er ihm auch nichts vorspielen. Ein erlösender Gedanke. „Bist du noch am Leben, Süßer?“ Jeremy war zurück gekommen und schlenderte lässig auf die Wanne zu. Er setzte sich auf ihren Rand und untersuchte Marcels Arm aus neue. „Mmm-hmm, kein Dreck in der Wunde, das ist gut.“ Er hielt ein kleines Fläschchen in der Hand und träufelte ein winziges bisschen auf ein Wattepad, was er zuvor mit zwei Finger festgehalten hatte. Der Geruch von Alkohol stieg Marcel in die Nase und ihm wurde leicht schwindelig davon. „Hey, nicht Untergehen! Du bist ja schon wieder so blass.“ Erinnerte ihn Jeremy mit neckender Stimme. Dann strich er mit dem Pad gründlich über die Verletzung. Marcel zuckte zusammen und hätte Jeremy fast gewaltsam seinen Arm entrissen, aber sein Bruder hielt den Arm fest umschlungen. Ein entkommen war nicht möglich. „Aua!“, jammerte Marcel, „Das brennt total!“ „Das hat Alkohol, der auf wunde Haut trieft, so an sich.“ „Das weiß ich auch! Aber es tut trotzdem weh…“ Der Schmerz schüttelte ihn am ganzen Leib, doch Jeremy blieb hart und setzte seine Tätigkeit fort. „Das hast du toll gemacht.“ lobte Jeremy Marcel am Ende. „Okay, ich glaube das reicht jetzt. Für heute sind meine sadistischen Gelüste befriedigt.“ Unsicher zog Marcel die Hand zu sich zurück. Die Wunde blutete nicht mehr, im Großen und Ganzen hatte also doch Jeremy gute Arbeit geleistet. „Danke.“, sagte Marcel aufrichtig, und er spürte dass vor Glück ein warmes Licht sein Inneres durchflutete. Er konnte es nicht beschreiben, aber irgendwie gab es da eine tiefe Verbindung zwischen ihn und Jeremy. Einen Funken, den er vorher noch nie so intensiv wahrgenommen hatte… Es gab keine Person auf der Welt due er mehr brauchte als seinen Bruder Jeremy. Deshalb lehnte er den Kopf an seinen Hüftknochen – das einigste Stück was er im Sitzen erreichte – und schloss seufzend die Augen. Ein weiches Kichern drang in sein Gehör, Jeremy lachte in sich hinein. „Heute ist aber jemand Kuschelbedürftig.“ und kraulte Marcels Nacken. Dieser genoss die sanftmütige Liebkosung, und wünschte sich das Jeremy das öfters machen würde. Die Minuten vergingen ohne dass sich einer vom Fleck bewegte, oder gar die Lust dazu verspürte es zu ändern. Doch irgendwann wurde das Wasser so kalt, das Marcel unruhig wurde. „Jeremy…“, flüsterte er leise. „Ich weiß, ich weiß…“ Rasch holte Jeremy ein großes Handtuch hervor, ohne seinen Platz auf den Badewannenrand zu verlassen, und hielt es Marcel unter die Nase. Kaum hatte Marcel es sich um die Hüfte gewickelt, da überkam ihn auch schon eine riesen Portion Eile. Er hatte Dylan vergessen! Der arme Kerl saß da oben schon fast eine Stunde alleine rum und er hatte nichts Besseres zu tun, als mit seinen großen Bruder zu schmusen. Hektisch zog Marcel sich an und putzte wie ein Wilder seiner Zähne. Jeremy beobachtet ihn mit einem Hochamüsierten Blick. „Du hast es aber plötzlich eilig. Bist du so müde? Soll ich mit in dein Zimmer kommen, um sicher zugehen das du nicht ausversehen die Treppe runterfliegst?“ Als Marcel lachte, klang es eine Spur zu hoch. Das unheimliche Echo machte sogar ihm selber Angst. „Nicht nötig Jerry. Gute Nacht!“ rief er und umarmte Jeremy zum Abschied herzlich, dann lief er die Treppe hoch und riss die Türe zu seinem Zimmer auf. Doch der Raum war leer. Wie verwirrend. Wo war Dylan geblieben, oder war er vielleicht unsichtbar? Mittlerweile würde Marcel nichts mehr Überraschen… „Hallo?“, flüsterte er in die Dunkelheit hinein. „Hallo!“, antwortete eine sanfte Stimme. Etwas berührte Marcels Haar und er legte den Kopf in den Nacken. Wenige Zentimeter über ihn hockte Dylan auf seinem großen Kleiderschrank. Der Albino lächelte verlegen. „Ich fand es zu unhöflich, mich ohne Erlaubnis auf dein Bett zusetzten…“ Marcel prustet los. „Und dafür kletterst du auf den Schrank? Du bist echt verrückt.“ Er setzte sich auf den Teppich. „Komm da runter, sonst fühle ich mich noch kleiner, als ich in ohnehin schon bin.“ Dylan spannte die Muskeln vor den Sprung an, und landete so geschmeidig auf allen vieren wie eine Katze vor Marcels Beinen. „Ich finde nicht dass du zu Klein bist. Für dein Alter bist du perfekt.“, sagte Dylan treuherzig, und nun klang er schon viel fröhlicher. Marcel schwieg einen Moment. Noch einen Versuch musste er starten, die Bedingungen waren erste Klasse. „Können wir jetzt reden? Über dich… und deinen Kräften?“ Dylans Gesicht war ein Stück entfernt und er starrte Marcel verwundert an. Er verzog es ein kleines bisschen, bevor er antwortete. „Du lässt einfach nicht locker oder?“ „Nein.“, sagte Marcel feste. „Also gut…“ Dylan setzte sich neben ihn und legte einen Arm über Marcels Schulter. „Ich fange ganz am Anfang an; Das 16. Jahrhundert ist mein Geburtsjahr und ich wurde in einem sehr kleinen und Armen Viertel von Russland geboren. Mein Vater musste den ganzen Tag hart arbeiten, um meine Mutter und mich so halbwegs über die Runden zu bekommen. Auch wenn ich oft Hunger Lid, weil uns einfach das notwendige Geld fehlte, war ich ein glückliches Kind und unheimlich stolz auf meine Eltern. Sie waren so stark und verloren nie die Hoffnung, egal wie ausweglos die Situation auch erschien. Mutter und Vater sind die mutigsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Doch das alles begriff ich leider erst, als es schon zu Spät war… du musste wissen, dass meine Gesichte nicht sehr schön ist. Ist dir das trotzdem egal, Marcel?“ Marcel sah Dylan prüfend an, „Ich möchte dir zuhören. Bitte erzähl mir alles wie es geschehen ist, und kürze nicht, wovon du denkst dass es mich verstrecken könnte. Ich will dich endlich verstehen.“ Nun sah Dylan aus dem Fenster, sein Blick war verschwommen und ihn Hunderten Jahren alten Erinnerungen versunken. „Seit ich denken kann, waren wir Arm. Ich lebte damals in einem winzigen Dorf, in einer noch winzigeren Hütte, die noch nicht mal Wasserdicht war. Natürlich wollte ich wie alle Kind mit 6 Jahren in die Schule gehen, die in der nächsten Stadt war. Alle meine Freunde waren Tagsüber dort. Wenn sie erwachsen waren, wollten sie alle dasselbe; einen guten Beruf erlernen und irgendwann von zu Hause ausziehen. Doch meine Eltern konnten mir nicht das nötige Geld für die Aufnahme geben, geschweige für die ganzen Bücher, die ich dann noch kaufen musste. Meine Mutter vertröstete mich immer wieder mit denselben Worten: „Dein Vater ist ein kluger Mann, er kann dich auch von zuhause aus unterrichten. Dann muss man nicht erst viel Geld aus den Fenster schmeißen.“ Doch mir ging es in erster Linie nicht um den Unterricht, ich wollte einfach mit meinen Freunden zusammen sein und Spaß mit ihnen haben. Aber natürlich musste ich zuhause bleiben. Anfangs brachten mir meine Freunde noch Schulsachen vorbei und ich hatte wenigstens etwas Gesellschaft, doch das wurde von Woche zu Woche weniger. Es war ihnen einfach zu lästig, und außerdem musste sie selber Lernen, denn gute Noten fallen einem bekanntlich nicht in den Schoß. Ich begann mich zu langweilen und musste mich selber beschäftigen, da meine Freunde keine Zeit mehr für mich hatten. Anfangs fand ich das sehr schwer, ich konnte ja noch nicht mal ein Buch lesen! Mit der Zeit jedoch fiel es mir immer leichter. Ich ging in die Stadt, wenn die andern in die Schule mussten, und verbrachte fiel Zeit bei einer alten Dame, die mir oft Pfefferminzbonbons schenkte. Sie brachte mir auch das lesen bei und ich war überglücklich wenigstens eine Sache zu kennen, die man sonst nur in der Schule lernte. Ha, dachte ich mir, so toll ist die Schule auch wieder nicht. Jetzt kann ich lesen, ohne von einem hochnäsigen Lehrer eins auf die Finger zubekommen. Und die alte Dame war auch stolz auf mich, und froh darüber weil sie nicht mehr ständig alleine war. Ich las alles Mögliche, von Kunst bis zur Literatur, ich verschlang jedes Buch das mir in die Finger kam. Die alte Dame sorgte auch dafür dass mir nie der Stoff ausging. Sie hatte tausende Bücher in ihrer alten, schmutzigen Hütte rum stehen, deren Inhalt ich gebiert in mir aufnahm. Inzwischen wusste ich auch was ich werden wollte, ein gelehrter Mann der viel Macht hatte, mein Wünsch war es, irgendwann mal ein Richter zu sein. Als Richter könnte ich dafür sorgen, dass so arme Kinder wie ich in die Schule gehen konnten. Ich würde dafür sorgen, dass sie die Aufnahmegebühren niederließen. Jeden Tag und jede Nacht arbeitete ich für mein großes Ziel. Es gab für mich nichts Wichtigeres, als meinen Traum zu verwirklichen. Keiner konnte mich aufhalten, niemand konnte mich umstimmen, ich war wie eine eiserne Statue die selbst den gefährlichsten Stürmen trotze. Und außerdem stelle sich mir niemand in den Weg; Meine Eltern und die alte Dame bestärken mich nur noch in meinem vorhaben. Sie alle bewunderten meinen unerschöpflichen Ehrgeiz. Doch dann kam der verhängnisvolle Abend, der mein ganzes Leben über den Haufen schmiss. Selbst heute weiß ich noch, dass es an ein Donnerstagabend geschah. Es war wie immer eisig kalt draußen, und ich saß in einer flauschigen Decke gewickelt vor der hellen Feuerstelle und las ein neues Buch, was ich von der Alten bekommen hatte. Er war ein sehr merkwürdiges Buch, mit Wörtern und Sätzen die ich nicht richtig verstand. So eifrig wie ich jedoch war, lege ich es nicht zur Seite sondern studierte es mühsam weiter. Es handelte über Sagenumwogende Pflanzen, die eine starke, heilsame Wirkung hatten. Die meisten von ihnen wuchsen jedoch unter der Erde und das bedeutete, dass es Teufelsfrüchte waren. Die Früchte der Unterwelt waren strengstens verboten, denn jeder wusste, dass das Böse in ihnen wohnte. So ging ich zu der alten Dame zurück und fragte warum sie mir solch ein Hexenbuch gegeben hätte. Die Alte schaute mich nur an und lächelte geheimnisvoll. „Dylan, du bist ein ganz besonders Kind und ich spürte Kräfte in der Schlummern, die sonst niemand hat. Das Buch wird dir den rechten Weg weißen. Vertraue mir, und deinem Schicksal. Es wird dich nicht enttäuschen!“ Ich fuhr erschrocken zusammen. Ich sollte Kräfte besitzen, die die Alte mit diesem Hexenbuch in Verbindung brachte? Dann heiße das ja, dass ich ein Hexer war! Eine unheilbringe Person, die mit den Dämonen und dem Teufel einen Pakt schloss, dessen Seele für immer verloren war. Natürlich war ich bodenlos von der alten Dame enttäuscht und verließ auf der Stelle ihr Haus. Der alten Verrückten war doch nicht mehr zu helfen! Vielleicht war sie selber eine Hexe und versuchte nun eine neue Seele ins Verderben zu stürzten. Natürlich war das der Fall, sagte ich mir ärgerlich: denn ich war doch noch ein unschuldiges Kind, meine Seele war viel mehr Wert, als die Seelen von Erwachsen. Wütend stampfte ich nach Hause und schloss mich den ganzen Tag in meinem Zimmer ein. Ich grübelte hin und her, und überlegte ob ich es meinen Eltern erzählten sollte. Mein Vater würde schon dafür sorgen, dass die Alte ihre gerechte Strafe bekam! Doch wollte ich das wirklich? Hatte die alte Dame mir nicht viel beigebracht? Vielleicht habe ich einfach nur überreagiert, und das Buch war in Wirklichkeit ganz harmlos, und nur meine Unwissenheit stand mir im Wege. Nein, ich wollte auf keinen Fall das der alten Dame etwas passierte; ich möchte dieses närrische Weib, außerdem hatte man mir beigebracht dass ich älteren Leuten Respekt entgegen bringen musste. Ich war der Dame sehr dankbar und das wollte ich ihr auch beweisen. So machte ich mich am nächsten Morgen auf den Weg zu ihrem Haus, und klopfte an die morsche Türe. „Wer ist da?!“, krächzte eine altbekannte Stimme. Ich räusperte mich vornehmen. „Ich bin es, Dylan Smirnow. Kann ich mit Ihnen sprechen?“ Ich hörte wie die Alte schwer einatmete. „NEIN!“, kreischte sie plötzlich hysterisch. „Du willst mich doch nur auf den Scheiterhaufen bringen. Und was habe ich nicht alles für dich getan, Junge! Ich habe dir das lesen gelehrt und mein ganzes Wissen geschenkt, doch was ist der Dank dafür? Der Tod! Du willst mich töten lassen, jawohl, vom Schlachter und vom Pfarrer. Du hast ihnen von dem alten Buch erzählt oder? Ich habe es von meiner guten Mutter geerbt, der Kräutersammlerin, die mit ihren Wissen und ihren Säften vielen Menschen das Leben gerettet hat. Aber du undankbares Balg weiß ihr Lebenswerk nicht zu schätzen, schäm dich in Grund und Boden!! Pfui!“ Ihre frühere warme, geduldige Stimme klang grauenhaft Fremd. Ich habe noch nie einen Menschen so schrecklich Schreien gehört. Sofort überkam mich ein schlechtes Gewissen. Was habe ich nur getan? Die alte Dame hatte mir vertraut und ich habe sie als Hexe betitelt. Was für eine Schmach! Wenn das meine Eltern wüssten, würden sie mich blau und schwarz Prügeln…. Verzweifelt begann ich mit den Fäusten gegen die Türe zu trommeln. „Es tut mir leid.“ rief ich. „Bitte Else, verzeih mir! Ich war so dumm und verabscheue mein Verhalten gegenüber dir zutiefst! Gib mir noch eine Chance!“ Ich schlug so lange gegen das Holz bis meine Haut aufplatze und blutete, da öffnete sich plötzlich die Türe und Else erschien ihm Rahmen. Sie rückte ihre Haube zurecht, und verpasste mir eine schallende Ohrfeige. Mein Kopf flog nach rechts, mein Gesicht brannte wie glühende Kohlen. Ich biss die Zähne zusammen und blinzelte die Tränen fort. Else sollte mich jetzt auf keinen Fall weinen sehen, so viel Stolz war mir doch geblieben. Sie nahm mich zurück, wie einen verloren Sohn, und war bereit mir zu verziehen. Mein Unterricht bei ihr ging weiter, doch ich hatte mittlerweile andere Interesen entwickelt. Das Buch ihrer verstorben Mutter faszinierte mich. Es zog mich in eine mystische Welt voller Legenden und Sagen. Plötzlich lernte ich wie man seltene Blumen fand, anstand Gesetzesbücher zu lesen. Meinen Eltern gefiel dies ganz und gar nicht; Sie wollten, dass ich später im Gerichtsamt arbeitete, aber das war mir schnurzegal. Else war nicht nur eine erstklassige Lehrerin, sondern auch eine richtige Kräuterkundige Zauberin. Oh ja, ich bewunderte die alte Dame aus tiefsten Herzen. Und dann geschah etwas Unerwartetes, was aber zugleich ein wunderbares Geschenk war. Ich entdecke meine besonderen Fähigkeiten. Zwar hatte mir Else immer gesagt dass es irgendwann passieren würde (sie hatte es an meiner stärker werdenden Aura gespürt) doch er war unbeschreiblich. Ich stand eines Morgens in ihrer Küche und koche einen Saft gegen Keuchhusten. Nichts ahnen streckte ich meine Hand nach den Holzlöffel aus - ich war ganz in das Rezept versunken - und plötzlich hielt ich das Ding in den Händen. Ich hatte den Löffel noch nicht mal mit einem Finger berührt, und doch lag das Instrument fest in meiner Handfläche. Der Kochlöffel war von selbst in meine Hand gesprungen! Ich schrie erschrocken auf, und Else kam verwirrt in die Küche gehumpelt. „Was ist los, Junge?“, rief sie hektisch. Ich war unfähig zu antworten, gebahnt schaute ich auf den Holzlöffel. Else sah mich prüfend an, ihre alten Augen erkannten die Anzeichen sofort. „Öffne deine Handfläche und lass den Löffel fallen“ sagte sie streng. Ohne zu überlegen gehorchte ich ihr; ich drückte meine Finger auseinander und der Stiel rutschte weg, doch kaum hatte er den Kontakt zu meiner Haut verloren blieb er in der Luft hängen, als würden ihn unsichtbaren Fäden halten. Ich hörte ein zufriedenes schnauben hinter mir. Tränen funkelten in Elses blauen Augen. „Ich wusste es doch…“, flüsterte sie benommen. „Du bist kein normales Kind, du hast Telekinetische Fähigkeiten, und wahrscheinlich auch die Macht Energiefelder zu erschaffen. Oh Dylan, ich bin so stolz auf dich! Mit ein bisschen Übung lernst du, wie man sie richtig einsetzt“ Von an Trainierte ich jeden Tag meine Kräfte und Else behielt wieder einmal recht. Ich konnte immer schwere Sachen zum Schweben bringen, irgendwann konnte ich sie auch verformen, oder aus ziemlich weiter Entfernung zu mir rufen. Es war unglaublich. Das waren die besten Jahre meines Lebens… Aber dann machte ich einen verhängnisvollen Fehler. Wie ich es in letzter Zeit öfters tat, las ich in den Nächten die Aufzeichnungen von Elses Mutter im Kerzenschein. In der Mitte eines kleinen Notizheftes entdeckte ich ein loses, sehr altes Stück Papier. Es war ganz zerfledert und fleckig. Ich faltete es vorsichtig auseinander und strich es mit den Fingerspitzen glatt, aus Angst es könnte vor meinen Augen zu Staub verfallen. Auf dem Papier stand eine Formel, eine spezielle Beschwörung für einen Geist oder einem Dämon. Ich drehte das Papier um und sah, dass auf der Rückseite ein einziger Satz stand: >Achtung: Nur in lebensbedrohlichen Situationen anwenden!< Wie merkwürdig, dachte ich stirnrunzelt, normerweise hatte Else alle Zauberformeln und Bannsprüche weggeschlossen…. Ein grinsen zog sich über mein Gesicht, als ich den kleinen Zettel in meine Hosentasche wandern ließ. Wenn dieser Zauberspruch hier so einfach rumlag, war er sicher nicht sehr gefährlich. Im Gegenteil, er war sogar nützlich; Man sollte ihn nur bei Bedrohungen benutzen. Das hörte sich doch mal viel versprechend an. Als ich später zuhause war und mich in mein Bettlacken wickelte, holte ich den Zettel wieder hervor. Der Mond leuchtete grell und die Strahlen die in mein Zimmer fielen, ermöglichten es mir die verschiedenen Worte zu lesen. Die Formel war sehr einfach, man brauchte noch nicht mal Kerzen! Ich begann vor Freude zu zittern; Else hatte es mir noch nie erlaubt eine Zauberformel zu benutzen. Angeblich wäre ich noch zu unerfahren… Das einigste was ich dürfte, war stinkender Hustensaft herzustellen. Mir ging das langsam auf die Nerven; wenn ich schon ein Hexer war, wollte ich auch Zaubersprüche benutzen! Ich drehe mich auf den Rücken und hielt das Papier über den Kopf um besser sprechen zu können. Ganz leise murmelte ich die geheime Zauberformel, und es geschah – nichts! Okay, meine Vorhänge flatterten ein wenig im Wind, aber das war´s auch schon. Ich schnaubte, und machte einen zweiten Versuch. Wieder war nicht die kleinste Spur eines Zaubers zu erkennen. Was für eine dämliche Formel was das denn? Hatte sich die Alte der Else hier etwa einen kleinen Spaß erlaubt… und dann auch noch Warnungen hinten drauf kritzeln. Ich zerriss das Papier in kleine Fetzen und stopfte es wütend in mein Kopfkissen. Toller Zauberspruch, tolle Dämonen Beschwörung. Irgendwann fielen mir die Augen zu und ich glitt in einen Traumlosen Schlaf hinüber… „Dylan!“, rief meine Mutter am nächsten Morgen. „Aufstehen, gleich ist es Mittag!“ Ich blinzelte, aber ich musste die Augen wieder zusammen kneifen, weil die Sonne mich fies blendete. Das grelle Licht schien wie jeden Tag, ein weiter Beweis dafür dass manche Zauberformeln bloß Unsinn waren. „Mein liebes Kind, du kannst nicht die ganze Nacht aufbleiben und erwarten das du dann am nächsten Morgen ausgeruht bist!“ sagte meine Mutter streng und zog mir das Leinentuch weg. „Wir haben kein Brot mehr. Geh bitte auf den Wochenmarkt und kauf welches, sonst gibt es heute nichts zum essen“ Ich versuchte würdevoll aufzustehen, aber ich schaffte es nicht und flog prompt auf die Nase. Wenn das mal keine Lebensbedrohliche Situation war! HALLO ZAUBER! Träge zog ich mich an und wählte den kürzesten Weg zur Stadt, damit ich schnell wieder zuhause war. Gähnend trottete ich über Steine und Drecksbrocken hinweg während ich über Wiesen und Felder ging. Jetzt im Sommer war es vergleichsweise warm, und der Schnee schmolz zu kaltem Wasser zusammen. Ich lief über eine moderne Steinbrücke und dann entdeckte ich IHN zum ersten Mal. Regungslos wie eine Statue stand er am Flussufer, und fütterte ein paar riesige Raben mit Brotstücken. Ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte den Fremden an, ohne zu blinzeln. Was mir sofort ins Auge sprang waren seine Haare. Sie waren viel zu lang! Das dunkle Haar war glatt und verdeckte seinen Rücken zur Hälfte. Männer dürften nicht so lange Haare haben, das war verboten! Nur Frauen war es erlaubt, die Haare so zutragen. Der Fremde schaute urplötzlich auf, drehte den Kopf sofort in meine Richtung und schaute mich neugierig an. Seine Augen hatten eine seltsame Mischung aus Roter, Gelber und Oranger Farbe. Schnell senkte ich den Blick, das tat man aus Höflichkeit. Ich war mir ziemlich sicher, dass der Fremde ein Ausländer war, denn seine Haut war von der Sonne braun gebrannt. „Einen schönen guten Morgen.“, sagte eine hohe, weiche Stimme. Perplex blickte ich auf; der Fremde kam direkt auf mich zu und lächelte sanft. Dieses Lächeln, dieses Gesicht! Er sah aus wie ein Engel. Ich wurde so verlegen das ich gar nicht mehr sprechen konnte. Auf den ersten Blick schätze ich ihn zwischen 20 oder 25 Jahre. Sein Gesicht war schmal, mit noch sehr jugendlichen Zügen. Vielleicht war er auch erst 18 Jahre… ich konnte es nicht genau sagen. Plötzlich wurde mir schwindelig, ich schwankte ein wenig nach rechts und stütze mich rasch mit den Händen an der kleinen Mauer ab. Für einen Moment schloss ich die Augen und befahl mir zu ruhig zu atmen. Hoffentlich habe ich mir keine Grippe geholt, war mein erster Gedanke. Da berührte im nächsten Augenblick etwas sehr warmes meinen nackten Arm. Ich riss meine Augen wieder auf und der Fremde stand auf der Brücke neben mir. Er musterte mich mit Wachsamen blick. „Geht es dir nicht gut?“, fragte er langsam. Seine Finger hatten sich um meinen Arm geschlossen. Sie waren die Ursache für die plötzliche Wärme auf meiner Haut. Jetzt wo er mir so nah war, sah ich dass er nicht annähernd so zierlich war, wie er im ersten Moment gewirkt hatte. Er trug eine rote Bluse mit offenen Kragen, worunter sich harten Muskeln verbargen. Ich zwang mich etwas zu sagen. „Mir geht es gut, danke.“ Der Fremde grinste selbstbewusst und schaute mir tief in die Augen. Mein Herz hob ab und begann wild zu hämmern. „Dann ist ja alles in Ordnung.“, sagte er freundlich und ließ mich los. Ein kühler Luftzug setzte seine langen Haare in Bewegung und er drehte mir den Rücken zu. „Auf Wiedersehen, ich hoffe wir sehen uns demnächst öfters.“ Der Fremde sprang über die Mauer und landete lässig auf beiden Beinen. Ein paar der Raben folgten ihm, als er am Waldrand zwischen den ersten Bäumen verschwand. Erschrocken fuhr ich zusammen als mir ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. Es fühlte sich an, ob man mich von Kopf bis Fuß in einen Gletscherspalte gesteckt hätte. Die leichte Übelkeit, die ich verspürte, ignorierte ich auf dem Wochenmarkt. Ich musste doch einen guten Eindruck hinterlassen, damit ich später eine gute Ausbildung fand. Die Bauersfrau am Brotstand schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Du siehst ja schrecklich aus, Junge!“, rief sie poltern. „So blass und am ganzen Körper zitternd. Ich rate dir zuhause im Bett zubleiben, oder du liegst schneller unter der Erde als das du blinzeln kannst“ „Schon gut.“, sagte ich erschöpft. „Ich habe eine lange Nacht hinter mir. Ich nehme nur ein Brot, bitte.“ Die Bäuerin gab mir eine Tüte und verabschiede mich zerknirscht lächelnd. Eine nette Frau, die sich leider viel zu viele Sorgen machte. Es dauerte eine halbeewig bis ich zuhause ankam, genau wie die Bäuerin, betrachtete mich auch meine Mutter sorgenvoll. „Was ist denn mit dir geschehen?“,fragte sie nachdenklich. „Ist dir unterwegs ein Dämon begegnet? Du siehst furchtbar aus, mein Kind!“ „Ach, ich weiß auch nicht“ sagte ich seufzend. „ Ich glaube, ich werde Krank. Mir ist auch schon ganz Übel.“ In Wahrheit ging es mir alles andere als Schlecht; ich hatte das Gefühl, innerlich erfroren zu sein. Der Schwindel hatte immerhin nach gelassen, aber die Kälte war hunderttausendmal schlimmer. So etwas hatte ich bis jetzt noch nie erlebt. Ich wusste nicht was mit mir los war, als ich kurz darauf mein Zimmer betrat. Alles drehte sich, die Welt um mich herum schien sich aus der Verankerung gelöst zu haben. Kraftlos fiel ich auf das Bett, nahm dem ich einfach umgekippt war. Die kurze Schwindelattacke vorhin auf der Brücke war hiergegen ein Witz. Irgendwas stimmte nicht mit mir. Aber was? Ich versuchte mich wieder auf zusetzten. Diesmal klappte es schon besser. Ich wankte grade durch das Zimmer, als die eisige Kälte mit einem Schlag zurückkehrte. Mir wurde plötzlich richtig elendig, mein Atem ging schwer, und das Blut schien aus meinem Gesicht zu weichen. Ich wollte noch nach meinen Eltern rufen, doch ihm nächten Moment wurde mir schwarz vor Augen. Ich spürte, wie ich seitlich umfiel. So muss sich es wohl anfühlen, wenn man stirbt, schoss es mir unwillkürlich durch den Kopf. Kurz darauf fühlte ich gar nichts mehr; nur noch die Kälte, in der ich immer tiefer versank, und eine undurchdringbare Todesangst. „Dylan, Liebling! Sag doch was!“, rief eine Frau entsetzt. Es war die Stimme meiner Mutter. „Was ist los, kannst du mich hören Dylan?“ Das war mein Vater. Jemand schlug mir auf die Wange. Nicht zu feste, aber trotzdem unangenehm. Ich öffnete meine bleichschweren Augenlieder. Das erste was ich sah – war weiß. Alles um mich herum war Blütenweiß. Wieder hörte ich meine Eltern nach mir rufen. Ich kniff ein paar Mal die Augen feste zusammen, und öffnete sie wieder. Endlich war der Nebel verschwunden, nun erblickte ich die besorgten Gesichter meiner Eltern. „Oh Schatz, du bist wach!“ sagte meine Mutter. Der Frau war anzusehen, dass ihr ein Stein in der Größe eines Felsbrockens vom Herzen fiel. „Was ist denn passiert?“, krächzte ich. „Wir waren in der Küche als wir plötzlich einen Schlag von hier Oben gehört haben. Als dein Vater und ich in dein Zimmer kamen, lagst du bewusstlos am Boden.“ Vorsichtig richtete ich mich auf, der Schmerz der mich daraufhin durch zuckte war vom Allerfeinsten. Ich schrie laut auf und meine Mutter riss entsetzt die Augen auf. „DYLAN!“ „MEIN SOHN!“ Der Schmerz verkrampfte meinen ganzen Körper und lähmte die notdürftigen Atemwege. Mein Arm stand in Flammen! Ich spürte es klar und deutlich, warum half mir den niemand? Mein Vater drückte mich mit roher Gewalt auf den Boden, während ich nicht aufhören zu Brüllen und wie ein verwundest Tier um mich schlug. „Löscht das Feuer!“, schrie ich entsetzt. „Was für ein Feuer?“, fragte meine Mutter verwirrt. „Hier gibt es kein Feuer - “ „Doch!“, unterbrach ich sie. „Mein Arm ist am verbrennen – sieht ihr das denn nicht!?“ Meine Eltern schauten sich ratlos an, dann griff Vater nach meinen Arm. „Brandblasen!“, rief er aus. „Dein ganzer Arm ist von Blasen übersähet! Wo hast du dich nur so abscheulich verbrannt?“ „Nirgendwo.“, jammerte ich. „Ich schwöre es, ich bin noch nicht mal in der Nähe eines Streichholzes bekommen!“ Mein Vater schob die Arme unter mich und legte mich ins Bett. Dann drehte er sich zu seiner Frau um: „Hol frisches Wasser! Wir müssen die Wunde versorgen, bevor die Blasen aufplatzen und eitern.“ Meine Mutter nickte und rannte in die Küche zurück. Damals gab es noch kein fließendes Wasser, also tauchte sie eine Tonschale in einen Wassereimer um es zu transportierend. Damit kam sie in mein Zimmer zurück und schüttete ein bisschen auf meinen Arm. Ein erstickter schreie kam aus meiner Kehle empor geschossen, und ich warf mich mit ganzer Kraft gegen die Hände, die mich hielten. „Ruhig mein Kind“ flüsterte Vater mir sanft ins Ohr. „Gleich ist es vorbei.“ Von wegen gleich vorbei… gleich, würde ich wie eine Menschliche-Fackel aussehen. Ich blendete seine Stimme aus und schüttelte wild den Kopf hin und her. Diese entsetzlichen Schmerzen! Das konnte nie und nimmer eine normale Verbrennung sein! „Und, wie fühlt sich der Tod an?“ Ich erstarrte zur Salzsäule als ich die scharfe Stimme in meinem Kopf hörte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich an die Decke. „Das ist die Strafe für dein Naives verhalten, Dylan.“, zischte die Stimme rau. Es erhob sich ein Grauen erregendes Gelächter aus beißendem Spott. „Brenne!“ rief die Stimme höhnisch lachen. „Brenne – und dann zeig dich in Demut. Du hast mich ohne Grund gerufen, und nun wirst du dafür bezahlen.“ „NEIN, LASS MICH!“, kreischte ich unbeherrscht. „ICH HABE NIEMANDEN GERUFEN!“ „O doch, Dylan, das hast du! Mein Name ist Mephisto und du hast mich heute schon einmal gesehen. Ich Befehle dir, zu der Brücke von heute Morgen zu kommen. Dort werde ich auf dich warten, und gebührend empfangen!“ Die Stimme verstummte, aber ihr Echo hallte bedrohlich in meinen Ohren wieder. Mephisto? Was für ein eigenartiger Name. Ich glaubte, ihn irgendwo schon mal gehört zu haben, aber wo nur? Ich setzte mich auf und blickte meine Eltern mit leer gebrannten Augen an. „Ich muss mal an die frische Luft.“, krächzte ich leise. „Aber Darling! Du bist ohnmächtige geworden, das ist doch nicht normal.“ sagte Mutter energisch. „Bitte bleib hier!“ „Mach dir keine Sorgen, Mutter .Mir geht es gut. Ich will nur mal eben Luft schnappen. Hier drinnen ist es so stickig…“ Sehr wackelig stand auf und verließ das Haus meiner Eltern. Mein Kopf drehte sich zwar wie ein Karussell, und alles in mir schrie danach das Weite zu suchen, aber ich ging zur Steinbrücke von heute Morgen zurück. Schon von weitem konnte ich den Fremden erkennen. Er hatte sich locker an die Brücke gelehnt und die Arme vor der Brust gekreuzt. Seine Lippen kräuselten sich zu einem bösartigen Grinsen. Blutrote Augen blitzten bedrohlich und musterten mich von oben bis unten. „Ach, hallo Kleiner.“ zischte Mephisto spöttisch. „Schön dich zu sehen. Bist du bereit, deine eigentliche Bestrafung zu empfangen?“ Jetzt war es mit der verstellten Stimme vorbei, in Wirklichkeit war ihr Klang scharf und unterkühlt. Mephisto stieß sich von der Mauer ab und kam langsam auch mich zu, seine Augen glänzend unheilvoll. Zitternd wich ich zurück. In seiner Gegenwart ging es mir noch schlechter, die Brandblasen pochten wütend auf der Haut. Der Schwindel schlug mich fast zum zweiten Mal um und ich bemerkte Hilflos, wie die Verzweiflung langsam meinen Verstand umklammerte. „Hab keine Angst…“, flüsterte Mephisto sanft während er immer näher kam. „Bleib einfach ruhig stehen und widersetzt dich mir nicht. Dann werde ich schnell mein Werk vollbringen, du wirst nur ein leichtes ziehen spüren.“ Er streckte seine Hand nach meinen Hals aus und umklammerte ihn, dabei gruben sich seine entsetzlich langen Krallen in die dünne Haut ein. Mit erschrecken stellte ich fest, wie nah der Mann mir jetzt gekommen war. Ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinunter, als ich dessen Geruch wahrnahm. Er stank bestialisch nach Schwefel! Ich spürte wie warmes Blut, mein eigenes, über meinen Nacken rollte. Mir wurde schon Übel von dem bloßen Geruch der roten, salzigen Flüssigkeit. Ich keuchte entsetzt auf und riss mich aus Mephistos Hand. Wie es mir gelang, weiß ich bis heute nicht. Ich wartete nicht ab, um zu erfahren was man mit mir vorhatte. Ich wollte einfach nur weg von diesem Schrecklichen Ort, und rannte so schnell wie nie zuvor in meinem Leben. Meine Beine bewegten sich eigenständig und trugen mich scheinbar ohne Mühe immer weiter. Wohin war mir eigentlich egal. Hauptsache weg von der Brücke. Und weg von dem Kerl. In meiner überstürzten Flucht trieb es mich schließlich in den angrenzenden Wald. Zwischendurch blickte ich mich gehetzt um, schweißnasse Haarsträhnen klebten mir im Gesicht. Mein Atem ging unkontrolliert und stoßweise. Auch wenn ich Mephisto nicht sah, wusste ich dass er hinter mir war. Dumm wie kein zweiter, flüchtete ich mich immer tiefer in den dunklen Wald. Dornenranken und Zweige rissen unbarmherzig meine gerötete Haut auf. Aus zahlreichen Wunden rann bereits Blut, doch ich spürte es kaum. Ich hatte keine Zeit für solche Belanglosigkeiten, denn ich wusste wenn ich ihm in die Hände fiel, würde etwas Schreckliches passieren. Tränen strömten über mein Gesicht. Ich war doch noch so jung, jetzt wollte ich noch nicht sterben. Mit 10 Jahren lag mein ganzes Leben vor mir. Es war ein Fehler gewesen sich mit ihm zutreffen, ein verhängnisvoller, denn ich jetzt vielleicht mit meinen Leben bezahlen musste. „Dylan, wohin willst du denn? Ich krieg dich doch so oder so!“, rief Mephistos Stimme von allen Seiten. Ihr bloßer Klang vertrieb sogar die Vögel, die sich in den Baumkronen niedergelassen hatten. „Bitte! Lass mich in Ruhe!“, schlunzende ich. Doch instinktiv spürte ich dass mein Verfolger kein Erbarmen hatte. Er würde mich solange jagen, bis ich endlich in seinen Klauen lag. Und dann konnte mir niemand mehr helfen. Da sah ich auf einmal ein Schatten zu meiner linken. Schreiend warf ich mich zur Seite, denn eine Hand erschien aus der Dunkelheit und griff gierig nach der Stelle, wo ich eben noch gestanden hatte. Ächzend rappelte ich mich auf und lief weiter. Doch Mephisto war näher gekommen, viel näher. Und dann war der Zeitpunkt gekommen. Ein brutaler Ruck ging durch meinen Körper und ich stürzte. Ein hilfloses Schluchzen war in diesen Moment das Einzige Geräusch, sonst herrschte vollkomme Stille im Wald. War alles umsonst gewesen? Jetzt sollte das Ende doch kommen? Zwei Hände legten sich um mein Gesicht und drückten es mit Gewalt hoch. Mephistos Antlitz war genau vor mir, mit seinem Körper drückte er mich fest auf den Boden und ich spürte seinen warmen Atem auf meiner dampfenden Haut. Ein sadistisches Lächeln umspielte seine Züge. Dieses feine, braune Lächeln sah verzehrt, verdreht und verrückt aus. Seine Pupillen weiten sich, genau wie meine. Mit zitternden Fingern suchte ich den Waldboden nach einen Ast ab, denn ich diesem verrückten Kerl an den Kopf hauen konnte, in der Hoffnung, dass durch den Schlag sein Genick zerbrach. Aber wieder einmal bewies mir der liebe Gott, dass er mir nichts gönnte; Meine Hände ins Leere. „Hab ich dich endlich gefangen, mein kleiner Hexenmeister…“ Mir verschlägt es denn Atmen. Plötzlich wird mir bewusst dass Mephistos Stimme tief und verführerisch klingt. Ich schnappe nach Luft… Ohne ein weiteres Wort zu sagen beugte er sich herab und presste seine Lippen unerwartet auf meinen Mund. Es war ein seltsames Gefühl; es war natürlich grauenhaft, aber auch irgendwie schön. Mein ganzer Körper schien unter elektrischen Impulsen zustehen. Und dann wurde mir Kalt. Nein, es fühle sich so an als hätte man mir mit einem Schlag sämtliche Wärme aus den Körper gerissen. Ich erstarrte unter Mephistos Fangen, doch er küsste mich weiter. Mit einem ersticken Schrei krümmte ich mich zusammen, als plötzlich ein scharfer Stich durch meine Eingeweide fuhr. Es fühlte sich so an, ob jemand mir ein glühendheißes Messer in den Leib gerammt hatte und dann, und dann… war ich plötzlich Tod“ Eine einsame Träne rollte über Dylans Gesicht als er den letzten Satz beendet hatte. Regungslos saß er da und klammerte sich an Marcels Schulter. Marcel war mehr als nur geschockt, er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Dylan ist also einem brutalen Verbrechen zum Opfer gefallen? Er schluckte hart. „Oh mein Gott…Hat dich Mephisto erstickt?“, fragte Marcel leise während er Dylans Hand tätschelte. „Nein.“ „Wie hat er denn gemacht? Er dich doch nur geküsst…“ Jetzt wurde Dylans Körper ziemlich steif, er drehte den Kopf so dass er Marcel in die Augen schauen konnte. „Weißt du überhaupt wer Mephisto ist?“, fragte er entsetzt. „Ähm… ein Pädophiler-Mörder?“ Ein Knurren kam tief aus Dylans Brust, während er sprach, „Manchmal wünsche ich mir, das er das bloß gewesen wäre… Aber was lernt ihr heutzutage eigentlich noch in der Schule außer Mathe und Physik? Hast du vielleicht den Religionsunterricht geschwänzt, oder wie? Mephisto ist die Kurzform von Mephistopheles. Einer der vielen Namen Satans! Ich habe den Teufel beschworen, Marcel, und er hat mir dann die Seelen entrissen.“ Sie schauten sich wenige Sekunden an, dann schlug sich Marcel die Hand vor dem Mund, um ein entsetzten Schrei zu unterdrücken. Der Teufel existierte wirklich, und er hatte Dylans Seele? Das war das Verrückteste was er je gehört hatte…. Und was, wenn es Wahr war? Die Erkenntnis schlug bei ihm ein wie eine Meteorhagel. Alle Geschichten die er bis jetzt über Dämonen und den Teufel gelesen hatte waren echt? Ein schauder überkam ihn. Was für ein schreckliches Ende! „Und weiter, was ist dann passiert?“ Marcel war überrascht als ein Lächeln Dylans traurige Mine ablöste. „Ich lernte Mephistos wahres Ich kennen.“, sagte er ruhig und völlig gefasst. „Ich bin also gestorben, und meine Seele gehörte dem Höllenfürsten. Eine ausweglose Situation, sollte man meinen. Doch die Verdammnis war nicht ganz so Qualvoll, wie ich mir sie immer vorstellt hatte. Mephisto war zwar der Dämon wie es in der Bibel stand, doch er besaß auch gute Charakterzüge. Ich war schon immer feingefühlig gewesen und merkte schnell dass er mich anders behandelte wie die sonstigen Wesen. Die Lage entspannte sich und der Teufel holte mich immer öfters in sein Schloss. Auch wenn ich er mich hintergangen und getötet hatte, mochte ich ihn. Mephisto hörte sich meine Sorgen an und tröstete mich, wenn ich verzweifelt weinend in seinen Armen lag. Wir kamen uns in den nächsten 100 Jahren immer näher.“ Dylan machte eine kurze Pause und strahlte Marcel vielversprechend an, „Jetzt kommt der schöne Teil meiner Geschichte. Die Zeit in der Hölle verging wie im Flug, 10 Jahre hatten dort keine Bedeutung. Endlich war ich ein freier Mann der seine Träume verwirklichen konnte, und Mephisto half mir Tatkräftig. Natürlich durfte niemand etwas von unserer engen Beziehungen wissen, sonst behauptete man irgendwann, der Teufel hätte ich Grunde genommen immer noch das goldene Herz eines Engels. Diese Schande wollte ich ihm beim besten Willen ersparen, obwohl es stimmte. Wenn er dir erst einmal vertraute, gibt es keinen besseren Freund als Mephisto. Dann würde er Berge in Bewegung versetzen, um dich zu beschützen. Es gelang uns kein Misstrauen zu erwecken. Wir waren feste miteinander verbunden, ohne dass ein Dämon es bemerkte. Ich war sehr stolz auf mich. Es dauerte nicht mehr lange und ich sah in Mephisto mehr als nur einen Freund. Unser Umgang hatte auch gar nichts Kumpelhaftes mehr an sich. Für mich war der Teufel inzwischen zum Vater geworden. Ich liebte ihn bedingungslos, und er mich. Und ich war glücklich. So ging es sehr, sehr viele Jahre weiter. Es gab keine Menschenseele der uns trennen konnte, wir waren viel zu Stark. Meine Fähigkeiten hatte ich mit auf die andere Seite genommen, und nach den Tot war ihre Macht sogar gestiegen. Ich wurde gut ausgebildet, dafür hatte Mephisto natürlich gesorgt. „Ich mache aus dir einen unbesiegbaren Krieger.“, pflegte er oft zu sagen und drückte mich zärtlich an sich, „Du bist das Beste war mir je begegnet ist, Dylan. Wenn du irgendwas auf den Herzen hast, scheu dich davor es mir zusagen.“ In letzter Zeit gab es in der Tat etwas das mich beschäftigte. Obwohl ich mich bei Mephisto sicher und geboren fühlte, vermisste ich mein altes Leben und die Welt da Oben. Ich bat ihn, mir einen Körper zu erschaffen womit ich auf der Erde leben konnte. Anfangs war Mephisto ganz und gar nicht von der Idee begeistert, doch er brachte es nicht übers Herz mich ständig Leiden zusehen. Schließlich gab er nach und half mir. Wir, oder besser gesagt er, veranstalte eine Wettbewerb um die stärksten Dämonen der Unterwelt zu küren. Die Sieger der einzelnen Disziplinen verschleppte er in eine Ferne Höhle. Dort tötet er sie und formte mir aus ihren Leibern einen neuen Körper. Alles ging glatt, Mephisto ist nicht umsonst ein Organisationsgenie, keiner bemerkte das Verschwinden der vielen Dämonen. Und wann war es endlich zu weit. Es war fertig, das neue Gefäß für meine Seele. Doch kurz darauf kam der Abschied, und das das der schmerzlichste Moment seit langem. Mit meinem neuen Körper konnte ich nicht länger in der Unterwelt bleiben, und musste sie sofort verlassen. An dem besagten Tag hatten sich viele Dämonen, und Mephisto an der Spitze, am riesigen Höllentor versammelt um sich von mir zu verabschieden. Das waren sehr lange und Qualvoll Minuten, obwohl alles sehr förmlich ablief. Natürlich hatte ich mich schon längst Privat von Mephisto verabschiedet, doch man konnte ihm ansehen wie sehr die Sache ihm zu schaffen machte. Er hatte sich jedoch ziemlich gut Unterkontrolle, und vergoss keine einzige Träne. Im Gegensatz zu mir; Ich heulte jämmerlich als ich durch die Forte schritt“ hier machte Dylan halt und ließ eine ganze Menge von der Geschichte aus, „ Ein paar Tage später. Von nun an war ich auf mich alleine gestellt, und musste mit allen Problemen selber klarkommen. Die erste Zeit war es sehr schwer für mich. Sonst hatte es doch immer Personen gegeben die mir geholfen hatten. Auf Mephisto konnte ich diesmal nicht hoffen, er schaffte es nicht mehr auf die Erde zurück. Die Engel, seine Feinde, hatten die himmlischen Schutzsiegel verstärkt, um ihn den Gefährlichsten Dämon von den Menschen fern zu halten. Sie hatten wirklich gute Arbeit geleistet, sie hatten es tatsächlich geschafft unser Magisches band zu Zerreisen. Mir blieb also gar nichts anderes Übrig als alleine weiter zu leben, denn ich wusste nicht wie ich in die Unterwelt zurück kommen sollte. Das hatte mir niemand gezeigt. Zuallererst besuchte ich das Haus meiner Eltern, natürlich stand es leer, weil sie schon vor vielen Jahrzehnten gestorben waren. Ich ertrug es ziemlich tapfer, ich hatte es schon erwartet. Es wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn sie über 100 Jahre alt geworden wären. Der Tot hatte sich meine Familie geholt, während ich mich mit dem Teufel vergnügte. Das war so Unfair vom leben. Wie immer machte es mir einen Strich durch die Rechnung. Ich beschloss erst mal in Russland zu bleiben, weil dort immer noch mein Zuhause war. Außerdem gab es dort eine Menge für mich zutun: ich wollte wissen, was alles nach meinen Tod geschehen war. In der Hölle gab es doch keinen direkten Kontakt nach Oben. In der dritten Nacht brach ich ins Stadtarchiv ein, vollkommen vermummt in einer tief schwarzen Robe. Leise schlich ich zwischen Staubüberzogenen Regalen umher, und fand eine Weile ein paar Zeitungsartikel von dem 26. Mai 1624. Wie dir vielleicht aufgefallen ist, mein >Geburtstag<, der gleichzeitig mein Todestag ist. Dieses Datum ist die Geburtsstunde meines neuen Lebens. Ich las die Aufzeichnung aufmerksam durch: Hier drin stand das meine Eltern die alte Else wegen Mordes angeklagt hatten, sie vermuteten, das Else mich umbrachte mit ihren ganzen Salben und Gemischen. Meine Hände begannen zu zittern und steckte schnell den Artikel in das Regal zurück, eh ich es zerriss. Mit meiner neuen Kraft, wusste ich noch nicht genau wie weit ich gehen konnte. Eiligst verließ ich das Gebäude und flüchtete tief in die Berge. Der Aufstieg war nicht sehr schwer für mich, ich brauchte nicht länger als 10 Minuten um den höchsten Gipfel zu erreichen. Dort ließ ich mich in den frisch gefallenen Schnee sinken, und schaute hoch in den Himmel. Die Sterne über mir glitzerten wie Diamanten: ein Zeichen dafür, dass diese Nacht einen weiter Schnellfall einsetzte. Ich fror nicht, meinte Haut war hart und warm wie ein Vulkanstein. Die Dämonischen in meinem Inneren schützen mich vor allen Gefahren. Irgendwann fielen mir die Augen und rutschte im Traum versunken in einen düstern Spalt. Ich schlief ohne etwas zu wahrzunehmen, und schlief ohne Hunger zu leiden, und schlief ohne zu Sterben…. Es dauerte 207 Jahre bis ich wieder das Licht der Welt erblickte, denn meinen Geist und mein Körper waren im ewigen Eis eingeschlossen gewesen. Vor mir stand Mephisto. Ich blinzelte heftig, davon überzeugt Halluzinieren. Er streckte seine Hand aus, und strich mir mit glühendheißen Fingerspitzen über das Gesicht. „Schön dich wiederzusehen. Ich habe dich vermisst.“ murmelte er leise, ehe er mich in seine Arme zog und Emotionen zeigte, von denen er vorher überzeugt war sie nicht zu besitzen“ Dylan holte einen Moment Luft und schmiegte sich dann sanft an Marcels Haut. „Jetzt ist es aber Zeit zum Schlafen gehen.“, wisperte er und schaute zu dem Wecker der auf den Nachttisch stand. Es war schon 2 Uhr morgens. „Im welchen Jahr war das und was habt ihr dann gemacht?“ fragte Marcel neugierig. An Schlafen war nicht mal zu denken: Er hatte mindestens noch eine millionen Fragen auf der Zunge. „Das war vor 29 Jahren und 4 Monaten. Nachdem Mephisto mich befreit hatte, blieb er an meiner Seite und wir zogen zusammen nach Frankreich“ Marcel schaute Dylan nachdenklich an, „Aber jetzt bist du hier in Goathland, was ist weiter passiert?“ Dylan schmunzelte ein kleinwenig, als ob jemand einen Witz gemacht hatte. Die Antwort schien ganz plausibel zu sein. „Wir sind wieder umgezogen – nach North Yorkshire.“ „Dahin wo du jetzt wohnst?“ Dylan nickte wortlos – seine Augen glänzend im Mondschein. „Und Mephisto -“ „-ist immer noch bei mir, und kriegt Höchstwahrscheinleich einen Tobsuchtanfall wenn ich mich nicht bald melde. Er kann es nicht ertragen, wenn ich fort bin ohne etwas von mir hören zulassen. Das macht ihn richtig nervös.“ Er hatte Marcel dicht an sich gezogen und flüsterte die Worte langsam in sein Ohr. Ein angenehmes prickeln lag in der Luft. Ein leises Knurren drang plötzlich durch Dylans Reißzähne, und er richtete sich auf. „Okay – ich habe es nicht anders erwartet.“ zischte er, mittlerweile waren seine Augen dunkelrot „Mephisto ruft mich, ich muss zu ihm gehen – bevor er zu mir kommt. Bis morgen Marcel, ich ruf dich an, sobald ich eine Gelegenheit habe.“ Er sprang aus dem Fenster und schoss über den Rasen, das er direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite landete. Das war seine normale Art sich fortzubewegen. Benommen schaute Marcel ihm nach, bis der Schatten aus seinem Blickfeld verschwunden war. Ob Mephisto dort drüben, wo sie wohnten, auf Dylan wartete? Er wollte nicht allzu lange darüber nachdenken, für ihn war Mephisto immer noch das böse Ungeheuer, das die Menschen Teufel schimpften. Dylan dachte ganz anders über die Sache, und das war sein großes Glück. Ihm wurde Mephisto ganz sicher kein Haar krümmen, den Restlichen Lebewesen auf der Erde schon, er hasste die Menschen. Marcel krabbelte ins Bett und zog sich die Decke bis zum Kinn hoch. Was für ein anstrengender Tag heute doch gewesen war. Er gähnte verhalten und rieb sich Augen. Wirklich ermüdend. Ob Dylan inzwischen zuhause war? Im Halbschlaf drehte Marcel sich auf die Seite und atmete Laut aus. Diese Geschichte würde ihm niemand glauben. Die Hauptrollen waren ein Junge, der einen Leib aus tausenden Dämonen zusammen gebastelt hatte, und der Teufel höchstpersönlich. Ein guter Stoff für einen Fantasy-Thriller, aber ganz sicher nicht für das reale Leben. Der Schlaf trat unerwartet ein, und in Marcels Kopf wurde es angenehm leer und ruhig. Es war bereits Mittag als Jeremy leise die Zimmertüre öffnete und sich vor dem Bett auf den Boden kniete. Heute waren seine Augen besonders dunkel und schlangenhaft. „Marcel – es ist Zeit zum Aufstehen…“, flüsterte er und berührte kurz mit den Lippen Marcels Wange. Eine scheinbar harmlose Berührung, die für Seinesgleichen nahezu unmöglich war. Er biss die Zähne kräftig zusammen um nichts Unbeherrschtes zutun. Ah, wie es in seiner Kehle doch brannte! Es war schon vier Tage her, als er das letzte Mal was gegessen hatte. Der Grund dafür: die Vorräte waren erschöpft. Daimon und Kiley hatten gestern in ihrem Wütenden Rausch alles verspeist. Und jetzt hatten sie keinen Tropfen Blut mehr im Haus! Oder zu mindestens keins, was er bedenkenlos trinken konnte… Marcel schlief noch immer. Sein Blut roch warm und süß. Jeremy konnte das gleichmäßige Rauschen in seinen Adern hören. Entschlossen bis er sich auf die Unterlippe; das Blut seines kleinen Bruders roch vollkommen Sauber. Er nahm keine Drogen oder trank Alkohol, so viel war sicher. Jeremy erhob sich blitzschnell und trat einen Schritt vom Bett weg. Er spürte, dass seine Zähne keine normale Länge mehr hatten. Das war Gefährlich. Er musste schleunigst ein paar Liter Blut besorgen, bevor er vor Durst den Verstand verlor. „Aufwachen Marcel!“ zischte Jeremy unfreundlich. Der Schmerz veränderte seine Stimmung schlagartig ins Negative. Das brennen aus dem Hals erreichte seinen Mund. So langsam musste er aus dem Zimmer verschwinden… Eine kaum wahrnehmbare Bewegung huschte über Marcels Gesicht. Mechanisch öffnete er die Augen, und drehte den Kopf nach rechts. „Warum schimpfst du so?“, murmelte er träge und kniff einmal die Augen feste zusammen. Das Sonnenlicht blendete ihn ungemein. Er hörte ein frustriertes stöhnen und schaute in Jeremys Richtung. An diesen Morgen sah Jeremy noch schlechter aus, als gestern Abend. Seine Haut war leicht grau anlaufen, die Augen glasig und müde vor sich her blickend. „Jeremy?“, hauchte Marcel besorgt. Er richtete sich auf und ging mit ausgebreiteten Armen auf seinen Bruder zu. In genau derselben Haltung wich Jeremy vor ihm zurück. Sein schönes Gesicht vor Entsetzten ganz verzerrt und eigenartig Maskenhaft. „Komm bloß nicht näher!“, fauchte er Rasiermesser scharf. Eine kleine, unachtsame Bewegung würde schon genügen, um sein ganzes Leben ins Chaos zu stürzen. Halb verschreckt, halb entsetzt blieb Marcel wie angewurzelt stehen. Was war den geschehen, das Jeremy plötzlich so aggressiv war? Seine ganze Freundlichkeit, Liebe und Fürsorge verschwand vor Marcels Augen. Jetzt machte er sich wirklich ernsthafte Sorgen. Es war etwas, das er nicht verstand, ein Problem, von dem nur Jeremy wusste. Schon wieder einer, der ein Geheimnis hütete… „Was ist los? Warum bist du so schlecht drauf.“ fragte Marcel ruhig. „Ich bin nicht schlecht drauf! Weshalb fragst du!?“ schoss Jeremy sofort und giftig zurück. In diesem Moment sprang der nächste glühende Funken vom Hals aus, auf seinen Kopf über, wo es dann alle Nervenbahnen lähmte und einen Sturm der Gefühle entfesselte. Das Feuer in Jeremys Kehle loderte leuchteten hell auf, seine Augen erstrahlten Rubinrot und er konnte nur noch an das Blut denken. Jetzt war es zu spät um etwas zu ändern, oder um sich noch Unterkontrolle zu bringen. Der innere Dämon zerriss in Sekunden schnelle als Fesseln die ihn Zügelten und übernahm die Kontrolle über den Geist. Blitzartig sprang Jeremy nach vorne und packte Marcel grob an den Haaren, der gar nicht wusste wie ihm geschah. Er zerrte ihn zum Bett und stellte sich genau vor seine Beine, Kniescheibe an Kniescheibe, damit Marcel nicht fliehen konnte. Dann schalte sich Jeremys Gehirn komplett ab, denn er konnte die Hitze unter Marcels Haut spüren und das Pochen seines Pulsschlags hören. Ah, welche süße Verlockung! Dies war der Geruch, denn er verfolgte und verehrte wie ein besonders Schmackhafter Wein. Blut, wunderbares zuckersüßes Blut, warm und sanft auf seiner trockenen Zunge… Jeremy hatte seine Zähne schon an Marcels Hals gepresst, als eine andere Flüssigkeit seine Hand berührte. Automatisch blickte er nach unten, um den unbekannten Tropfen zu identifizieren. Es war eine glitzernde Träne. Nicht etwa Marcels Tränen, der war zu schockiert um zu weinen, sondern seine eigene! Sogleich ließ Jeremy von seinem Bruder ab und wischte über seine Augen. Die waren ganz nass, und nun merkte er auch, dass er leise schlunzte. „Oh Gott!“ stöhnte Jeremy verstört, „Was habe ich getan!?“ Er blickte Marcel ins Gesicht, die Panik die sich darin wiederspiegelte, gab seiner angegriffenen Seele den Rest. Kümmerlich sank er auf den Boden zusammen und drückte die Hand auf Nase und Mund. „E-E-Es t-tut mir s-s-s-so Lei- Leid!“ wimmerte Jeremy voller entsetzten, seine Stimme überschlug sich vor Aufregung, „Ich wollte das nicht tun, Marcel, Verzeih mir! Nur für einen Augenblick habe ich die Beherrschung verloren. Du kannst dir ja gar nicht Vorstellen, was grade eben Grauenhaftes passiert ist! Ich schäme mich so für meinen Durst, und kann es gut verstehen, wenn du mich nie mehr sehen willst – was erzähle ich hier eigentlich?! Du verstehst mich so oder so nicht! “ Von Jeremys unbegreiflichen Worten bekam Marcel einen dicken, fetten Kloß im Hals, seine Augen brannten unverständlicherweise, und er war froh darüber das Dylan inzwischen zuhause war. Wenn er sehen würde, dass er weinte, würde Dylan ihn vielleicht auslachen. Obwohl Marcel sich 100% sicher war, das Dylan dass niemals tun würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)