Little Brother + Big Brother =Chaos von Gouda-kun (Der ganz normale Wahnsinn!) ================================================================================ Prolog: Eine etwas andere Familie --------------------------------- Lautes Gepolter im Treppenhaus unterbrach den kurzen Moment der Idylle im Anwesen der Sandjoés. „Jeremy!“, rief Marcel ungehalten und stürmte in das Wohnzimmer. Sein älterer Bruder saß grade in einem flauschigen Sessel neben dem offenen Kamin und brütete über einem dicken Kochbuch. Der junge Mann, namens Jeremy hob den Kopf und strich sich augenblicklich eine lange Ponysträhne aus dem Bildschönen, aber blassen Gesicht. „Ja, Marcel?“ fragte er mit freundlicher, wohlklingender Stimme und lächelte den blonden Jungen im Türrahmen sanft an. Seitdem er hier lebte kündigte solch ein Tonfall meistens eine mittelschwere Katastrophe an. „Kim und Daimon haben mich schon wieder aus dem Zimmer geschmissen! Sag ihnen bitte dass ich meine Hausaufgaben machen möchte, und sie in ihr Zimmer zurück gehen sollen. Bei dem Lärm denn die veranstalten, kann ich mich nicht konzentrieren!“, jammerte Marcel und seinen hellblauen Augen funkelten ärgerlich. Jeremy seufzte. Er hatte es doch geahnt… Immer wieder war es die gleiche Leier; Kiley, der allerdings von jedem Kim genannt wurde, und Daimon gehörten ebenfalls zu der Familie der Sandjoés und meinten, dass sie sich alles erlauben durften. Die zwei Brüder waren Zwillingen, sahen sich jedoch keine Spur ähnlich und verstanden sich bestens. Auf andere Menschen wirkten sie wie Pech und Schwefel: Daimon und Kim hingen immer zusammen, teilten die gleiche Moralvorstellung und niemand konnte sie aus einander reißen. Und es war ein offenes Geheimnis das sie ihren jüngsten Bruder, Marcel, nicht ausstehen konnten und so sie tristen ihn bei jeder Gelegenheit. Jedoch brachten sie Jeremy einen gewissen Respekt entgegen, und hörten auf seine Anweisungen. Genau wie heute. Kaum war er die Treppe zu den 3 Zimmern der oberen Etage hoch gegangen, schon begannen Kim und Daimon ihre Sachen zupacken und gingen unter leisen Protest in einen anderen Raum. „Was haben wir denn mit seinen Hausaufgaben zu tun?“, zischte Kiley leise zu Daimon. „Er ist doch selbst Schuld wenn er sie erst jetzt macht!“ Daimon verdrehte im Stillen die Augen; „ Scheiß drauf. Du weißt doch das Jeremy ihm den Arsch pudert.“ Neugierig lugte Marcel über das Treppengeländer und sah wie Jeremy gelassen die Treppe runter stieg. Er lächelte den Wartenden milde an. „Sie sind verschwunden. Du kannst wieder hoch gehen… und bitte…“ Jeremy fasste Marcel am Arm, der grade an ihm vorbei huschen wollte, und drehte ihn zu sich um. „Du solltest demnächst selber mit Daimon und Kim Reden. Es sind deine Brüder und keine gemeinen Schüler die dich verprügeln wollen. Wenn du freundlich zu ihnen bist, werden sie sicher dasselbe tun…“ Marcel nickte ohne Nachzudenken. Jeremy hatte vielleicht recht, aber es war doch viel praktischer seine Angelegenheiten von einem Mann klären zulassen, der viel älter und stärker war wie man selbst. Außerdem würden ihn die Zwillinge NIEMALS nett behandeln. Noch eher gefror die Hölle… „Und das nächste Mal machst du deine Hausaufgaben etwas früher, verstanden?.“ Jeremy zog seine schmale Augenbrauche hoch. „Hast du schon auf die Uhr gesehen? Eigentlich solltest du längst im Bett liegen und Schlafen anstatt dich um solche Sachen zu kümmern.“ Er warf seinem kleinen Bruder noch einen letzten mahnenden Blick zu und ging damit ins Wohnzimmer zurück. Marcel seufzte leise. „Ja, Jeremy.“ , murmelte er und hoffte, dass das Thema damit vom Tisch sein würde. Er hatte wirklich keine Lust sich jetzt auch noch mit dem Familienoberhaupt zu streiten. Aber in der Tat. Jeremy war mit seinen Vierundzwanzig Jahren der Älteste von der Familie. Doch er war nicht annähernd so streng wie er aussah; wahrhaftig hatte er sogar das sanfteste Wesen von allen, und konnte sich doch überall Durchsetzten. Im ersten Moment schreckten Viele vor seinem äußeren Erscheinungsbild zurück, da er wirklich nicht wie jemand aussah, dem man gerne abends alleine auf der Straße begegnen würde; Jeremy war sehr groß und so breit gebaut, das er mühelos den einen oder anderen Flachbildschirm verdecken konnte. Oft wirkte sein Gesichtsausdruck verschlossen, sein Lächeln erschien auf Fremde manchmal gespielt und kalt. Doch nach dem anfänglichen Schrecken dürften sich die Menschen recht bald von ihren negativen Vorurteilen verabschieden, denn Jeremy war unter seiner harten Schale ein weicher Mann, mit einem guten Herzen. Das war wohl einer der entscheidenden Gründe warum Kim und Daimon ihn auch so respektierten. Schnell rannte Marcel in sein Zimmer und schmiss sich auf das warme Bett. Er holte sein Deutschheft und eine Federmappe unter der Matratze hervor und schlug es auf. Bevor an anfing zu schreiben, drehte er sich nochmal auf den Bauch um und starrte auf den Wecker der auf dem Nachttischschrank stand; es war schon halb zehn, da sollte jeder Vierzehnjährige Junge längst schlafen. Aber Marcel war kein normaler Junge; Vor zwölf Jahren hatte er seine Eltern bei einem Verkehrsunfall verloren und wurde seitdem von seinen großen Brüdern aufgezogen. Doch so grausam dies vielleicht auch in den Ohren andere Leute klingen mochte, war es für ihn gar nicht: Als seine Eltern damals verstarben war er grade mal zwei Jahre alt, und dementsprechend löchrig und verschwommen war auch seine Erinnerungen an sie und ihre gemeinsame Zeit zusammen. Und wie sollte er jemanden vermissen denn er so gesehen nicht wirklich kannte? In seiner jetzigen Welt existierten nur noch Jeremy, Kiley und Daimon. Die 3 einzigen Menschen die ihm das Schicksal noch gelassen hatte. Es klopfte laut an seiner Zimmertüre und Marcel schreckte hoch. „Ja?“ rief er irritiert. Die Türe wurde aufgerissen, und der zweitälteste Bruder stand auf der Schwelle und funkelte Marcel zornig an. Der Siebzehnjährige Sohn der Sandojé Familie sah fast wie ein Model aus; groß, dunkelhaarig, attraktiv und zu allem Überfluss war er auch noch sehr intelligent und verantwortungsvoll. Und er war der eingebildetste, ignoranteste und heimtückischste Kerl auf der ganzen Welt. Allerdings kannten nur die wenigsten seine negativen Eigenschaften - In den Augen der meisten Leute war er einfach nur der unglaublich attraktive und warmherzige Mitschüler. Jederzeit war er da, jederzeit half er seinen Kameraden aus der Klemme wenn sie ihre Hausaufgaben vergessen hatten, oder es einen Streit zwischen zwei Klassen zu regeln gab, und es einen neutralen Vermittler bedarf. Alle wussten das man sich Blind auf den Kiley Sandojé verlassen konnte. Dass er das nicht aus Nächstenliebe oder gar Freundlichkeit tat, bemerkten sie in ihrer blinden Verehrung nicht. Kiley verkörperte so ziemlich jeden Anspruch, den ein Mädchen nur stellen konnte: Er war gutaussehend, obwohl >gutaussehend< den Nagel nicht ganz auf dem Kopf traf. Der Typ war eine Mischung aus Johnny Depp und Hugh Jackman! Also Super-Duper Gutaussehend! Nur selten hatte Marcel auch nur ein vergleichbar schönes Lächeln gesehen wie seins, das hieß, das die Weiber Reihenweise in Ohnmacht fielen wenn er sie denn einmal besonders nett behandelte. Von seinem durchtrainierten Körper ganz zu schweigen. Da wäre sogar Mister Adonis ganz grün vor Neid geworden. Aber Marcel konnte seinem unwiderstehlichen Charme nichts abgewinnen; für ihn war und blieb sein Herzallerliebster Bruder von der ersten Begegnung an, ein riesengroßes Arschloch. Das hatte gar nichts mehr mit normaler Geschwister-Rivalität zutun. Das war purer Hass! Er spielte mit den Herzen der Mädchen, benutzte sein Charisma um persönliche Vorteile zu erlangen, Manipulierte andere Menschen damit er sie für seine Zwecke ausnutzen konnte... Bäh! Und mit diesem Kerl sollte Marcel doch tatsächlich verwand sein?! Wieder mal bewies der Herr das er einen verkorksten Sinn für Humor hatte, denn zwischen ihm und Kiley gab es keine Ähnlichkeiten. Ein kleines Lächeln huschte über Marcels Gesicht als er merkte, dass er darüber ein wenig enttäuscht war. Kim erfühlte so ziemlichen jeden seiner eigenen, geheimen Wünsche. Er wäre auch gerne groß, muskulös und nie um einen frechen Spruch verlegen, aber so war er einfach nicht. Im Gegenteil. Solch eine Beschreibung würde noch nicht einmal in tausend Jahren auf ihn zutreffen. Vom Typ her war Marcel eher vom Modell; das schüchterne Mauerblümchen mit dem geringen Selbstvertrauen. Er hatte nicht das Gefühl, sich körperlich in den letzten paar Jahren verändert zu haben. Marcel war immer noch klein, von schmächtiger Statue und für seinen Geschmack viel zu kindlich und feminin. Oft passierte es das ihn fremde Leute auf der Straße oder in der Schule als Mädchen betitelten, weil sein Gesicht so feine Züge hatten und die Augen so groß und rund waren . Kulleraugen, nannte Jeremy sie Liebevoll. Kiley und Daimon bevorzugte hingegen eher die Bezeichnung als >Tunten-murmeln.< „Das hast du kleine Petze ja wieder toll gemacht“, zischte Kim plötzlich bedrohlich und riss Marcel damit aus seiner Gedankenwelt zurück. Huch, war der Kerl also immer noch da? „Kannst du dich nicht selbst verteidigen, oder musst du immer Jeremy vorschicken? Aber ich sag dir nur eins: Pass auf Junge, du bewegst dich auf sehr dünnen Eis. Wenn du dir noch so eine Nummer erlaubst, werde ich dir persönlich die Nase brechen! Oder noch besser.“ Auf Kims Gesicht bereitete sich ein gemeines grinsen aus, welches gar nicht zu seinem hübschen Gesicht passen wollte. „Ich schubse dich vor den Schulbus und lasse es wie ein Unfall aussehen…“ „Und du willst das anstiften?“, gab Marcel kühl zurück. „Jeremy wird dir den Kopf abreißen.“ „Das ist mir sowas von egal, du Pisser! Hauptsache du verschwindest bald von hier. Verräter in diesem Haus kann ich nicht ertragen! Mann, du kotzt mich mit deiner Einstellung echt an! Lös` dich doch einfach in Luft auf und lass uns Alle zufrieden!“ Nach dieser Schimpfkanone knallte Kim ohne ein weiteres Wort zu sagen die Türe zu und stampfte in sein Doppelzimmer zurück, welches er sich mit Daimon teilte. Lass dich nicht prozieren, dachte Marcel und drehte sich wieder zu seinen Hausaufgaben und versuchte an seinen Aufsatz für die Schule weiter zuschreiben. Aber mit seiner Konzentration war es längst vorbei. Wütend packte er sein Schreibheft, das Schmierblatt mit dem Aufsatz und die Mappe und knallte es wieder unter sein Bett zurück. Mist. Er musste wirklich bald lernen sich gegen Kim und Daimon zu wehren, schließlich war Jeremy nicht immer da, um ihn zu beschützen. Damit hatte Kiley wirklich recht. Zwar waren Marcel und die Zwillinge noch nie die dicksten Freunde gewesen, aber die Gemeinheiten und Sticheleien der älteren Geschwister hatten in der letzten Zeit wirklich stark zugenommen. Fast jeden Tag fanden sie nun einen Grund oder eine Gelegenheit um ihn hier zuhause, oder draußen vor der gesamten Schule bloß zu stellen... Dabei wusste Marcel noch nicht mal was er den Schlimmes verbrochen hatte, das sie ihn plötzlich so abgrundtief hassten. Zum wiederholten Mal schaute Marcel an diesem Abend auf die Uhr; mittlerweile war es schon halb elf. So spät noch mal aufzustehen, hielt er für blanken Selbstmord. Auch wenn Jeremy sehr geduldig mit seinen Mitmenschen umging konnte er doch Fuchsteufelswild werden, wenn seine jüngeren Geschwister noch so spät wach waren und nicht schliefen. Aber Marcel musste noch einmal ins Bad… Sonst würde seine Blase platzen! Leise wie eine Maus stand er auf, schlich durch den Raum und öffnete die Zimmertüre einen Spaltbreit. Schnell schaute er nach rechts: In Kims und Daimons Zimmer brannte keine Licht mehr, sie schliefen bereits. Also eine Gefahr Weniger. Dann blickte er von der Treppe aus, runter ins Wohnzimmer; glücklicherweise saß Jeremy wieder in seinem Sessel und verfolgte eine Krimiserie im Fernsehen. Marcel macht sich bereit und sprintete ins Badezimmer. Erst als er die Türe hinter sich geschlossen hatte, schalte er das Licht ein. Ein paar Minuten später ging er zurück und kam an dem Schlafzimmer der Zwillinge vorbei. Aus dem Raum drangen gedämpfte Stimmen nach draußen, die sich sehr leise unterhielten. Aha, also schliefen die Zwillinge doch noch nicht. Marcel wagte es aber nicht stehen zu bleiben, um zu lauschen. Doch da wurden die Stimmen seiner Brüder plötzlich lauter und es hörte sich so an, als ob Daimon sich mit Kim stritt. Jetzt musste Marcel doch anhalten; Die Zwillinge stritten sich so gut wie nie und das wollte er sich nicht entgehen lassen. Leise schlich er zu der Türe und drückte sein Ohr gegen das Holz. „ – das kannst du nicht machen!!“, zischte Kim von innen. „Er ist noch immer unser Bruder!“ Aus Daimon Mund schoss ein boshaftes Gelächter und Marcel zuckte ängstlich zurück. Vor Schrecken rutschte sein linker Fuß zur Seite, was ihm fast ein Sturz auf den Boden beschert hätte, aber glücklicherweise konnte er sich noch in der letzten Sekunde am Türrahmen fest krallen. Puh, da hatte er nochmal mehr Glück als Verstand gehabt. Wenn Daimon so lachte bedeutete das in den meisten Fällen nur Ärger. „Was? Willst du mich verarschen? Es interessiert mich einen Scheißdreck was er angeblich sein soll! Fakt ist nur, dass er keiner von Uns ist und deshalb dürfen wir es tun! Da er nur ein gewöhnlicher Sterblicher ist, brechen wir keine Gesetzte!“ „Nein Daimon!“, knurrte Kiley auf einmal so laut und aggressiv, wie man es selten von ihm erlebt hatte. Ein kurzes Poltern ertönte, wahrscheinlich war er grade auf die Beine gesprungen und fixierte seinen Zwillingsbruder nun mit glühenden Augen. „Was soll das heißen? Wie waren auch nicht wie Jeremy, und er hat uns trotzdem nicht - “ „Bitte Kiley!“, unterbrach Daimon den Älteren ebenfalls wütend und aufgebracht. Der Laminat Boden knacken noch einmal als er Kim schließlich gegenüber stand und die Hand sanft in seinen Nacken legte. Er hob den Kopf des Kleineren ein Stück an, damit er ihm in die Augen schauen musste. „Ich will mich nicht mit dir Streiten, okay? Aber Jeremy hat zu dem gemacht was wir heute sind, das musst du doch einsehen? Und dieser Wurm da, er würde mit diesem Wissen nicht klar kommen. Wenn er irgendwann mal die Wahrheit über uns erfahren sollte, würde er sich andauert von irgendeiner Brücke schmeißen oder so! Ich habe keine Lust mehr, mich ständig in seiner Gegenwart zurück zuhalten. Ich will ihn schnellsten los werden... Ach, zum Teufel mit Jeremy und dieser lächerlichen Familien-Nummer. Aber ich habe da schon eine Idee, Kim! Wir könnten ihn doch einfach - “ „Schhhhht!!“, machte Kim plötzlich und Daimon klappten den Mund zu, während seine Augenbrauen angespannt nach oben wanderte. „Alter, du nervst mich langsam. Was ist denn jetzt schon wieder?!“ „Da ist jemand an der Türe und lauscht…“, antwortete der Dunkelhaarige leise. Da machte Marcels Herz einen Salto Richtung Margen; Irgendwie hatte Kiley ihn bemerkt. Noch schneller als zuvor sprang er zurück und rannte in sein Zimmer wo er sich sofort auf seine Bett warf. Kaum hatte er es geschafft die Decke über seinen Körper zu ziehen als keine Sekunde später, auch schon Kim das Zimmer betrat. Der älteste Zwillingsbruder blieb im Schatten des Rahmens stehen und warf einen skeptischen Blick in den abgedunkelten Raum. „Marcel...? Bist du wach?“ Allerdings kniff der seine Augen feste zusammen und versuchte ruhig zu Atmen. Doch da er grade gerannt war, funktionierte das Schlecht. Außerdem schlug sein Herz so laut, das er befürchtete das sein Bruder das laute pochen bis hin zum Flur hörten konnte. Nach einigen Sekunden – oder Stunden – griff Kim nach der Türklinge und zog die Türe vorsichtig zu. Es machte Klick und Marcel atmete erleichtert auf. Was auch immer Kiley und Daimon da besprochen hatten, sie wollten nicht das es irgendeiner erfuhr. Aber was noch viel wichtiger war, was hatte Daimon mit >Er ist keiner von uns< gemeint? Es war klar, dass sie mit >ihn< Marcel meinten. Aber was hatten die Zwillinge vor? Und was würde Daimon mit ihm machen, wenn Kim nicht im letzten Moment dazwischen gegangen wäre? Er sagte dass Marcel die Wahrheit nicht verkraften würde, doch wovon redete Daimon da? Hüteten die Zwillinge und Jeremy ein Geheimnis von dem nur Marcel nichts wusste? Kapitel 1: Eine blutige Angelegenheit ------------------------------------- Es war sieben Uhr als Marcel träge seine Augen aufschlug. Er hatte sehr schlecht geschlafen. Immer wieder war er in der vergangen Nacht aufgewacht weil er dachte, Stimmen in seinem Zimmer zuhören. Natürlich war das alles nur Einbildung, doch sein Gefühl sagte ihm, sogar jetzt noch, dass da etwas in seinem Zimmer war was nicht hierher gehörte. Ziemlich müde richtete Marcel sich in seinem Bett auf und begab sich auf die Suchen nach seinen Socken. Er fand ein helles Paar unter seinem Bett und streifte sie über die Füße. Vom Erdgeschoss aus hörte er wie Töpfe klapperten, und vermutete dass Jeremy schon aufgestanden war und in der Küche arbeitet. Warum er so sicher war? Daimon und Kim Frühstückten nie am Morgen und kauften sich ihr essen lieber in der Schulcafeteria. Genaugenommen aßen sie so gut wie nie mit ihrer restlichen Familie. Wie erwartet stand Jeremy am Herd und briet Speck und zwei Spiegeleier in einer Öl-Beschichteten Pfanne an, als Marcel die Treppe runter kam. „Guten Morgen.“,, sagte Jeremy in Richtung Herdplatte. „Oh… Morgen!“, rief Marcel etwas verwundert zurück. Erst jetzt drehte sich der ältere Bruder zu ihm um, und strahlte den Blondhaarigen warmherzig an. „Setzt dich nur hin.“, sagte er und deutet auf die Stühle, die vor einem reichlich gedeckten Küchentisch standen. „Warum siehst du müde aus…? Hast du schlecht geschlafen?“ Marcel erstarrte und sein Herz zog sich krampfhaft zusammen. Ohoh… Er ahnte Böses. So wich er den Blick des Älteren aus und ging zu dem Tisch, wo er sich auf seinen Sitzplatz niederließ. Jetzt konnte er nur darauf hoffen das Jeremy heute einen Tag hatte, und wenn nicht... dann würde er seinen nächtlichen Ausflug gestern Nacht spätestens in 5 Minuten bitterlich bereuen. „Du hast nicht geschlafen.“, meinte Jeremy als nächstens. Es klang nicht wie eine Frage, sondern wie einer Feststellung. Er fragte selten etwas, anscheinend wusste er bereits alles im Voraus. „Alpträume.“ nuschelte Marcel leise und vorsichtig. Hastig versteckte er seine Augen mit seinem langen, blonden Pony als er bemerkte, dass Jeremy ihm prüfend ins Gesicht schaute. „Du lügst doch.“, sagte der Ältere eine Spur Kühler als zuvor, und schwenkte mit einer raschen Handbewegung die Pfanne von der Herdplatte. Er trat an den Küchentisch heran und gab Marcel ein gebratenes Ei und etwas Speck. „Also…?“Erwartungsvoll zog Jeremy eine Augenbraue nach oben und setzte ein schiefes, aber wissendes Lächeln auf. Marcel verschluckte sich bei diesem Anblick fast an seinem Spiegelei und starrte ihn perplex an: Die Schönheit seines Bruders verschlug ihm wie jedes Mal die Sprache, und dieser sonderbare Gesichtsausdruck hatte seine ganz eigene Wirkung. „Ähm… ich…“, stotterte Marcel wild drauf los; er war nicht in der Lage einen grammatisch korrekten Satz zu formulieren, wenn Jeremy ihn so direkt anschaute wie es grade tat. Das bereitete ihm eine Gänsehaut und war ihm sogar richtig peinlich. Natürlich blieb Jeremy auch diese Reaktion nicht verborgen. Sarkastisch hob er die Mundwinkel zu einem Lächeln an. „Hey. Ganz ruhig, Brüderchen.“, sagte er sanft und seine Blick wanderte zu den leeren Stuhl. Er zog ihn langsam zurück und setzte sich Marcel genau gegenüber. Seine schlanken Hände faltete er zusammen und stütze die Ellenbogen auf der Tischplatte ab. „Ich warte immer noch…“, meinte er mit rauchiger Stimme und halbgeschossenen Augenlidern. Irritiert hob Marcel wieder den Blick um seinen Bruder anzugucken; Doch das war keine gute Idee, denn sobald er ihm in die Augen schaute verlor er schon wieder den Faden. Er wurde jetzt extrem Nervös als Jeremys volle Aufmerksamkeit nun auf ihm lag. Unwillkürlich sackte er in seinen Stuhl zusammen und zog ängstlich den Kopf ein. „Das- Das habe ich doch schon gesagt…! Ich hab schlecht geträumt, nichts weiter.“ „Ja wirklich? Und deshalb schleichst du auch kurz vor Mitternacht im Flur herum? Ich wusste gar nicht, das du neuerdings Schlafwandelst.“ Die Ausrede die sich Marcel bereit gelegt hatte ging kläglich den Bach hinunter. Stumm wie ein Fisch gaffte er auf seinen Teller. Da hat Jeremy ihn gestern Abend also doch erwischt! Und er hatte es nicht einmal bemerkt… Jeremy zog einen zweiten Teller zu sich und kratze den Rest aus der Pfanne heraus. Anscheinend wollte er nicht weiter auf Marcels nächtlichen Ausflug eingehen, und schlang sein Frühstück ungewöhnlich schnell hinunter. „Tut mir leid…“, flüsterte Marcel dann aufrichtig und stocherte mit gesenktem Blick auf seinem Spiegelei herum. „Ich wollte dich nicht anlügen.“ „Hast du aber schon.“, entgegnete Jeremy kühl. Entgegen seiner Art stand er vom Tisch auf und räumte seinen Teller in die Spülmaschine. Normalweise wartete er immer damit bis Marcel gegessen hatte und machte dann erst die Küche sauber.„Bist du in zwanzig Minuten fertig? Ich fahre euch heute zur Schule. Beeile dich bitte, ich erwarte einen sehr wichtigen Brief von der Armee.“ Warum denn, wollte Marcel schon fragen, doch der Satz blieb ihm plötzlich im Hals stecken: Eben hatte Jeremy ihm unmissverständlich Mitgeteilt, dass er enttäuscht von ihm war. Noch bestürzter als zuvor sprang Marcel auf und fasste Jeremy am Unterarm. „Hör mir bitte zu.“, flehte er verzweifelt. „Ich versteh nicht, warum du immer so böse wirst wenn einer von uns in der Nacht aus dem Zimmer geht. Das ist doch nichts Schlimmes! Ich kann doch auch nichts dafür, wenn ich noch einmal auf die Toilette muss.“ Jedoch ignorierte Jeremy ihn ohne auch nur im Geringsten auf das Gesagte einzugehen. Aus lauter Verzweiflung wurde Marcels Griff stärker, und dabei er drückte dem Älteren die Blutversorgung ab. Jetzt gab Jeremy doch ein leises zischen von sich und griff mit seiner eigenen Hand nach Marcels Handgelenk, und zog es leichthändig weg. Dabei drehte er es ein wenig, so dass Marcel herum stolperte und ihm den Rücken zuwenden musste. „Aua!“, rief Marcel überrascht und biss seine Zähne auf einander. Sein Bruder hatte kräftemäßig wirklich einiges auf den Kasten...! „Es ist schon, okay.“, sagte Jeremy mit scharfem klang in der sonst so weichen Stimme. „Es geht nicht sich darum das du spät nachts im Haus herum streunst, obwohl du schon längst schlafen solltest, sondern darum, dass du mich angelogen hast! Wenn ich etwas nicht tolerieren kann, dann sind es Lügen. Das müsstest du aber langsam wissen, Marcel. Und jetzt geh dich endlich umziehen, ehe Kiley und Daimon aufstehen und das Badezimmer blockieren. Ich habe es wirklich eilig!“ Ruckartig ließ er Marcels Hand los und drückte seinen kleinen Bruder mit dem Unterarm in Richtung Treppe. Ohne noch einmal zurück zuschauen rannte Marcel die Stufen hoch und verschwand in seinem Zimmer. Neben der Türe blieb er stehen und lehnte sich mit pochenden Herzen gegen das kühle Holz. So Aggressiv hatte er Jeremy noch nie erlebt! Das warf ihn so richtig aus der Bahn. In solchen Situationen wünschte sich Marcel, dass er kein schmächtiger, vierzehnjähriger Junge wäre, mit blonden schulterlangen Haaren, blauen Kulleraugen und schmalen Gesicht. Er wollte lieber ein ausgewachsener Mann sein, der sich vor nichts um niemanden fürchte. Aber Jeremys Gesichtsausdruck wirklich schrecklich gewesen. Wie sollte er sich gegen so einen überirdischen Kerl wehren, der Jeremy zweifellos war? Er war immerhin Zehnjahre älter als Marcel, Achtmal so stark (was Jeremy allerdings nie offen zugeben würde) und mit einer Höhe von einem Meter fünfundneunzig, Fünfunddreißig Zentimeter größer als er. Das Marcel gegen ihn immer den Kürzeren zog, war ja wohl Glas klar. Was die Sache aber noch hundertmal erschwere war Jeremys auffallend schönes Erscheinungsbild, das alles und jedem in seinem Bann zog. Die Beschreibung >Wunderschön< traf den Nägel nicht ganz auf den Kopf. Jeremy edles Aussehen war einfach nur sagenhaft… Er hatte lange, dunkle Wimpern, goldgelbe Augen und gepflegte schwarze Haare die bis zu seiner Taille reichten. Im Vergleich zu Kiley und Daimon, war er der muskulöseste von allen und gleichzeitig doch der dünnste. Aber auch die Zwillinge legten mit ihren zarten Siebzehnjahren schon ein übernatürlich, attraktives Aussehen an den Tag. Kiley war kleiner und weniger kräftig, aber trotzdem noch Muskulös und machte einen durchtrainierten Eindruck. Er hatte kurze, nach allen Seiten abstehende, schwarze Haare und zwei unterschiedliche Augenfarben. Das Rechte war Blutrot, das Linke honiggelb. Kileys Gesichtszüge waren genau so perfekt, und symmetrisch wie Jeremys. Es hatte den gleichen hellen Teint, identisch großen Augen und das schöne Lächeln eines Engels. Eine raue Stimme riss Marcel unsanft in die Realität zurück, und eine Hand packte ihm an Kragen. „Bist du immer noch nicht fertig!?“, zischte Daimon spitz und stand plötzlich wie aus dem Boden gewachsen hinter Marcel. Grob zog er das Gesicht des Jüngeren zu seinem eigenen. „Jeremy will in Zehn Minuten Fahren. Und wenn du bis dahin nicht fertig bist, kannst du zur Schule laufen!“ Er schliff Marcel ins Badezimmer und schleuderte ihn samt Nachthemd in die Duschkabine, dann drehte er das Wasser bis zum Anschlag auf. Als nähtest griff Daimon nach dem Shampoo und der Seife und warf es ebenfalls in die Dusche. Und schon flog die Badezimmertüre mit einen Ohrenbetäubenden krachen in die Angel zurück. „Darum brauchst du Arsch dich nicht zu kümmern!“, rief Marcel wütend. „Darauf kann ich getrost verzichten!“ Tja, das war dann wohl das letzte Mitglied der vier Geschwister; Das was das schwarze Schaf der Familie, und der berüchtigte Bad Boy der Stadt, Daimon Sandojé. Er war der jüngere Zwillingsbruder von Kiley und sah seinem Lieblingsbruder von der Größe und der Statue her relativ ähnlich. Na gut, er war vielleicht 2 bis 3 Zentimeter größer und vom vielem Sport her, Muskulöser gebaut. Doch mit seinen roten, schulterlangen Haaren, den Smaragdgrünen Schlangenaugen und dem silbernen Lippenpiercing war er ein ganz anderes Wesen, welches eine andere Aura ausstrahlte. Eine gefährlichere Aura… Den rothaarigen Jungen einfach nur als ein Monster zu bezeichnen, wäre in Marcels Auge pure Untertreibung gewesen. Für Gewöhnlich war das ein absolutes K.O. Kriterium in dieser Gegend, wo sehr auf gutes Benehmen und Disziplin geachtet wurde. Alle Leute die hier wohnten, stammen entweder aus gutem Hause oder besaßen das Glück, einen reichen Gatten geheiratet zu haben. Doch Daimon war nun schon sein ganzes Leben hier, besaß schon immer den selben Charakter, nicht das große Geld und wurde doch von Tag zu Tag beliebter. Es war mittlerweile kein Geheimnis mehr, das sich die Sandojé-Zwillinge trotz ihrer sehr gewöhnungsbedürftigen Art, einen guten Ruf in dieser Stadt erarbeitet hatten. Jeder der Daimon draußen auf der Straße oder in der Schule begegnete, stufte ihn sofort in die Kategorie >Schläger< ein. Und das passte in der Tat auch gut auf Daimons aggressivem Charakter. Er war gemein, vorlaut und brutal. Ein Mann, vor dem man sich in Acht nehmen sollte wenn man seine Gesundheit mochte. Doch leider hatte nicht jeder das Glück, um ihn aus dem Weg zu gehen... Wie zum Beispiel Marcel. Ein Blick in Daimons grüne Augen genügte und schon hatte er schlechte Karten. Manch einer würde vielleicht vermuten, das die beiden Geschwister gut mit einer auskamen, da sich Gegensätze ja bekanntlich anzogen, aber bei Daimon und Marcel war eher das Gegenteil der Fall... Die zwei hassten den jeweils anderen noch schlimmer als die Pest! Die Menschen in Thirsk wechselten sogar Freiwillig die Straßenseiten wenn Daimon ihnen zufällig entgegen kam, denn alle wussten, dass der jüngere Zwilling einer Ladung Dynamit glich. Er prügelte sich gerne, und es gingen schon viele Anzeigen wegen Körperverletzt auf seiner Kappe. In diesem Fall bildete er das komplett Gegenteil zu Kiley. Der ältere löste seine Konflikte lieber mit Worten, anstatt wie Daimon mit Gewalt. Einzig und Alleine Jeremy konnte Daimon bändigen. Und natürlich sein Zwilling Kiley; aber der mischte sich nur selten in Daimons Prügeleien ein, und wenn, dann schlug er sogar mit zu. Immerhin waren die gleichaltrigen Brüder unzertrennlich. Demnach war Daimon eindeutig kein Mensch, dessen Freund man unbedingt sein wollte. Und dennoch standen viele Weiber auf ihn und seine Schulnoten konnte er auch ohne Scham vorweisen. Manchmal ist die Welt wirklich mehr als nur ungerecht. Bodybuilder mit Modelqualitäten, schoss es durch Marcels Gedanken. Wütend schüttelte Marcel den Kopf, um diese lästigen Gedanken loszuwerden. Inzwischen war er stocksauer. Heute war wirklich nicht Tag, einfach alles, wirklich alles lief schief; Erst der Streit mit Jeremy, nun stand er mit Klatschnassem Nachthemd unter der Dusche und gleich würde Kim ins Bad stürmen, und ihn aus der Dusche reißen, weil sie keine zweite im Haus hatten. Doch Kim kam nicht und Marcel hatte genügend Zeit sich zu waschen und fertig zu machen. Glücklicherweise lagen noch ein paar Klamotten vom Vortag im Wäschekorb, so dass er nicht in sein Zimmer rennen musste und welche aus dem Kleiderschrank zu holen. „Marcel!“, kreischte Daimon plötzlich von draußen und Marcel fuhr Wutentbrannt herum. „Was willst du von mir?! Man ey, kann man in diesem Haus nicht mal 5 Minuten seine Ruhe haben?! Verpiss dich oder ich knall dir gleich den Föhn in deine hässliche Fresse!“ Das war ein Fehler gewesen. Ein verdammt großer Fehler. Auch wenn Jeremy in der Nähe war und Daimon sich in seiner Gegenwart meistens zurückhielt, eskaladierte die Situation nun: Innerhalb von zwei Sekunden sprang die Badezimmertüre auf und Daimon stürzte sich fauchend auf Marcel. „Denn letzten Satz nimmst du Bastard zurück!“, rief Daimon mit Zornröten Gesicht, und schlug Marcel mit der Faust nieder. „ Du solltest uns auf Knien dafür danken, dass wir dich damals aufgenommen haben. Wir hätte dich auch verrecken lassen können, nachdem Mama und Papa gestorben sind. Nur Jeremy wollte dich haben, ansonsten keiner! Wenn es nach Kim und mir gegangen wäre, hatten wir dich einfach aufge - “ „Weg da!“, rief Kim der grade ins Badzimmer gelaufen kam. Er packte seinen Zwillingsbruder energisch an den Schultern und zog ihn von Marcel weg. Der Blonde saß wie festgefroren am Boden. Daimon hatte ihm eiskalt ins Gesicht geschlagen! Wahrscheinlich war sogar seine Nase gebrochen, weil in Strömen Blut aus ihr geschossen kam. Mühselig richtete sich Marcel auf und betastete panisch sein verwundetes Haupt. Jeder einzelne Zentimeter Haut brannte wie Feuer und Marcel krümmte sich erneut; plötzlich wurde ihm schlecht. So viel Blut auf einmal vor sich zu haben, war schon eine heitere Sache auf vollem Magen. Kim stöhnte auf da Daimon sich nun mit ganzer Kraft gegen ihn wehrte und den Ellenbogen in seinen Magen rammte. „Ah~ Ganz ruhig, Junge!“, rief Kim heiseren und schlang seine Arme fester um Daimons Oberkörper. „Es gibt keinen Grund die Beherrschung zu verlieren! Okay? Atme tief ein, und wieder aus... Schööön Langsam~“ Er spähte zu Marcel hinunter und schrie ihn an. „Verschwinde, hau ab du Bengel! Oder ich lasse Daimon wieder auf dich los!“ Das ließ Marcel sich ganz sicher nicht zwei Mal sagen und rastete in Windeseile aus dem Raum. Er jagte die Treppe hinunter und prallte mit Jeremy zusammen, der ihm auf halber Höhe entgegen kam. „Was ist denn jetzt wieder los?“, fuhr Jeremy ihn auch schon sofort ungehalten an. „Warum brüllt ihr so rum – Marcel, was ist mit deinem Gesicht passiert…“ Geschockt taumelte Jeremy ein Stück rückwärts bis er auf einmal das Treppengeländer im Rücken spürte. „Das darf doch nicht… Nein, das kann nicht… Komm sofort mit, Schnell!“ Blitzartig schloss Jeremy seine Arme um Marcels Hüfte, der inzwischen nur noch wimmern konnte, und warf ihn wie ein Mehlsack über die Schulter. Er sah noch einmal nach oben, ehe er wie Besessen die Stufen runter flog, Marcel ins Wohnzimmer brachte und ihn in einen Sessel drückte. „Keine Angst, Süßer…. Ich helfe dir sofort, bleib ganz ruhig und bewegt dich nicht. Versuch wenn möglich auch nicht zu Atmen“ sagte Jeremy schnell, dann rannte er in die Küche. Marcel blieb stocksteif sitzen, alles um ihn herum drehte sich wie nach einem besonders langen Karussell Aufenthalt. Und ihm war Schlecht… so mies hatte er sich noch nie in seinem ganzen, bisherigen Leben gefühlt. Er schmeckte das warme Blut auf seiner Zunge, und es klebte sogar in seinen langen Haaren! Ja schön, so viel zum Thema Dusche. Da kam auch schon Jeremy zurück und legte ihm ganz vorsichtig einen kalte Kompress auf die Nase um die Blutung zu stoppen, und die Schwellung zu reduzieren. „Kannst du dich nach vorne Beugen?“, fragte Jeremy und Marcel spürte wie die Hand in seinem Gesicht zitterte, und so er nickte kurz. „Und atme nur durch den Mund, damit das Blut nicht in den Rachen läuft. Tut es sehr weh? Wer hat das gemacht, Daimon oder Kiley?“ Jedoch schüttelte Marcel den Kopf. „Es tut nicht mehr sehr weh. Daimon war es….Erst haben wir uns nur angeschrien, aber dann stürmte er plötzlich ins Badezimmer, und schlug mir ohne Vorwarnung ins Gesicht. Gott sei Dank kam Kim hinzu und zog Daimon von mir runter. Wäre er nicht gekommen, hätte er mich wohl…“ Ihm stockte der Atem als Marcel daran dachte; Für einen Moment hatte er wahrhaftig das Gefühl gehabt, das Daimon ihn an Ort und Stelle umgebracht hätte. Jeremy lauschte seinem Bruder gespannt und setzte sich dann auf die Sessellehne. „Nicht weinen, Süßer…“, sagte er mit schwerer Stimme und streichelte Marcel über den Rücken. „Alles wird gut. Ich werde nachher mit den Zwillingen reden. So kann das nicht weiter gehen…“ „Ich weine doch gar nicht!“, rief Marcel aufgebracht. Sah Jeremy denn nicht dass es Blut war, das da sein Gesicht runter floss? „Okay dann weinst du halt nicht. Du verlierst nur durchsichtige Flüssigkeit, die aus den Tränendrüsen deiner Augen geschossen kommt. Ist das besser?“ „Ja“, schniefte Marcel trotzig und zog Jeremy nun komplett auf den Sessel. „Soll ich hier bleiben?“ „Ja, bitte“ Marcel lehnte seinen Kopf gegen Jeremys breite Brust und schloss die tränenden Augen. „Bitte lass mich nicht alleine…“, flüsterteer leise. „Ich will nicht dass du auch noch gehst. Das Mama und Papa weg sind ist sehr schlimm, aber wenn du fort bist, will ich nicht mehr leben…“ Kapitel 2: Spannungen im Hause Sandojé -------------------------------------- „Das habe ich nicht gehört“ murmelte Jeremy entschlossen, aber er drückte Marcel mit seinem Arm fester an seine Brust. „Ich lasse dich nicht alleine. Wenn dir meinetwegen etwas passiert, könnte ich nie wieder in den Spiegel schauen!“ Marcel schlunzte leise und schloss die Augen. Auf Jeremy konnte man sich einfach verlassen. Egal was passierte, bei ihm fühlte er sich sicher und geborgen. Es klopfte leise und jemand räusperte sich vornehmend. Es war Kim, der da auf der Türschwelle stand. „Darf ich reinkommen?“ fragte er höflich und leise. „Nur zu, setzt dich“ sagte Jeremy und deutet mit seiner freien Hand auf eine Stelle neben ihm. „Danke…“ sagte Kim und setzte sich neben ihm auf die Couch. Er fummelte noch eine Weile an seiner Jacke herum ohne Jeremy oder Marcel anzuschauen, anscheinend wusste er nicht so recht was er sagen sollte. Es dauerte ein wenig bis Jeremy endlich seine Stimme erhob. „Was ist da oben passiert?“ fragte er Gradewegs und funkelte Kim an. Ob er wohl schon wieder wusste, was los war? Ob es nun eine Sinnestäuschung war oder nicht, aber Marcel sah wie weiß Kim wurde und das nervös zucken seiner Hände blieb ihm auch nicht verborgen. „Daimon ist ausgerastet. Er hat Marcel geschlagen, daraufhin kam ich ins Badezimmer weil ich den Lärm denn sie veranstaltet haben gehört habe. Natürlich habe ich ihn sofort von Marcel weggerissen“ Das war die Wahrheit. Aber in seiner Stimme lag Wut und Zorn, ganz so ob Marcel an dem ganzen Unglück selber schuld sei. „Und wo ist Daimon jetzt?“ fragte Jeremy ruhig. Er hielt Marcel noch immer im Arm. Kim nickte in Richtung Decke. „Den habe ich in unser Zimmer gesteckt. Daimon ist grade total aggressiv und braucht erst mal ein paar Minuten Ruhe, um Runter zukommen“ Anscheinen war Jeremy mit dieser Aussage zufrieden und blickte zu Marcel hinunter. „Das Stimmt so, oder?“ „Ja…“ antworte Marcel vorsichtig und vermied es Kim in die Augen zuschauen. Der Kerl sollte bloß nicht so tun, ob es ihn leid täte. Im Stillen lachte er sich doch hundertprozentig mit Daimon kaputt! Noch wütender als zuvor wollte er aufspringen, aber Jeremy hielt Marcel hartnäckig fest. Alles zappeln und strampeln hatte keinen Sinn, Jeremy bewegte sich keinen Millimeter vom Fleck. Also er auch nicht, und schon wieder verfluchte Marcel seine Hilflosigkeit. Kim und Jeremy unterhielten sich noch eine Weile ohne das einer Notiz von seinen verzweifelten Befreiungsversuchen nahm. Inzwischen war es schon halb Neun. Die Schule hatte bereits vor einer halben Stunde angefangen, aber Jeremy bestand darauf dass seine Geschwister zuhause blieben. Besser kann es nicht kommen, dachte Marcel sarkastisch, ein bisschen Zoff, eine halb gebrochene Nase und schon braucht man nicht in die Schule. Super! Wenn da nur nicht dieses Organ in seinem Gesicht wäre, was triefte und andauernd schmerzte. Die alte Wandeluhr im Wohnzimmer tätigte grade ihren letzten Gong als ein grauenhaftes stöhnen und ächzen aus dem Hausflur drang. Jeremy und Kim erstarrten und drehten ihre Köpfe langsam zur Türe. Sie waren bereit jeden Moment aufzuspringen und zuzuschlagen. Doch es war bloß Daimon der diese sonderbaren Laute von sich gab. Er stampfte schwerfällig die Treppenstufen runter und blieb wie angewurzelt stehen. Als Marcel ihn erblickte zuckte er ängstlich zusammen. Daimon war sogar noch weißer als Kim und hatte die grauenhafteste Maske aufgesetzt, die es auf der Welt gab. Keine Spur mehr war zu sehen von den makellos schönes, verführerischen Jüngling mit der frechen Zunge. „Was gibt´s denn da zu gaffen? Willst du dir noch eine Schelle fangen?!“ knurrte Daimon grimmig und stierte Marcel feindselig an. „Beruhig dich!“ sagte Jeremy scharf. „Wir haben uns grade unterhalten. Macht es dir was, aus wenn du dich zu uns setzt?“ Ein noch hässlicheres feigsten huschte über Daimons Gesicht und er bleckte die Perlweißen Zähne. „Zu dieser Missgeburt da setzte ich mich erst wenn die Hölle gefriert!“ Seine grünen Augen waren zusammen gezogen und merkwürdig erstarrt. Dann drehte er den Kopf und schaute Kim an. Sofort verwandelte sich die Grimasse zu einem liebevollen lächeln. „Kommst du mit in die Stadt?“ fragte er sanft. „Vielleicht solltest du hier bleiben…“ sagte Kim furchtlos mit klarer Stimme. Noch einmal veränderte sich Daimons Ausstrahlung: Er schnaubte verächtlich und fuhr mit den Fingerspitzen durch seine schulterlangen Haare. Danach ging er geschwind zu der Couch und ließ sich neben Kim in die Polster fallen. „Also…?“ Marcel hatte das ungute Gefühl das gleich etwas Schlimmes passieren würde und er presste sich intensiv an Jeremys Oberkörper. Dieser hob sogleich die Hand und streichelte beruhigen über Marcels zitternden Haarschopf. Keine Sekunde später teilte ihnen unmissverständlich ein tiefes Knurren mit, das Kim und Daimon das gar nicht gerne sahen. Die zwei saßen stocksteif und angriffslustig da, während sie ihren ältesten und jüngsten Bruder voller Abscheu musterten. „Muss das sein…?“ fragte Kim und seine Augen funkelten. „Kim, ich glaube ich brauche eine Kotztüte. Das ist einfach zu viel des Guten…“ grummelte Daimon voller Missgunst. Marcel war entsetzt von dieser Reaktion. Jeremy anscheinend nicht. Sie diskutierten mindestens eine Stunde lang und böse Worte schossen wie Giftpfeil durch den Raum. Zuletzt sprang Kim auf und schleppte einen fast überschäumenden Daimon aus dem Wohnzimmer. Die Haustüre wurde aufgerissen und schlug so hart in die Scharniere zurück, dass ein Familienbild von der Kommode im Salon fiel. Selbst von weiten hörten sie Daimon noch toben und brüllen. „Es ist alles meine Schuld!“ klagte Marcel. „Warum nur hassen sie mich so sehr? Was habe ich ihnen getan?“ Seine Stimme zitterte heftig und neue Tränen schossen aus seinen Augen. Es war ihm peinlich vor Jeremy zu weinen und er versuchte hastig die Tränen aus seinem Gesicht zu wichen, doch umso verzweifelter er es versuchte umso mehr Tränen flossen nach. Leise Schluchzer schlichen sich aus seiner Kehle und nun gab Marcel seinen Kampf auf und vergrub das Gesicht in Jeremys Hemd. „Schon gut… Sie hassen dich nicht. Sie verstehen ihre Situation nur noch nicht. Doch das wird sich schon bald ändern“ sagte der Ältere sanft und legte seine Hand auf Marcels Kopf. Jeremy beugte sich vor und verwundert spürte Marcel eine Hand unter seinem Kinn, welche dieses sanft anhob. Die Goldenen Iriden seines Gegenübers bohrten sich beängstigen in die seinen, und als er dann auch noch plötzlich die dazugehören weichen Lippen auf seiner Stirn spürte, hatte er das Gefühl, man hätte ihn erneut geschlagen. Marcel konnte nicht mehr klar denken; sein Herz hämmerte hart gegen seine Brust, schien zu zerspringen. Vor seinen geistigen Augen explodierten Sterne in allen Farben und Formen, währenddessen lehnte sich Jeremy wieder zurück und lächelte. „Soll ich jetzt das Mittagessen machen?“ fragte er ruhig. Stumm nickte Marcel und rutschte auf seinen Armen heraus. Doch kaum stand er auf eigenen Beinen, wäre er fast umgeknickt, wenn er sich nicht noch im letzten Moment an der Couch fest gekrallt hätte. Jeremy, der geschwind aufgestanden war, ging in die Küche; anscheinen kümmerte es ihn wenig das Kim und Daimon grade abgehauen waren. Immerhin waren die beiden sehr wütend gewesen, und Alle kannte Daimons Aggression-Potenzial genau. In seinem Zustand könnte der Rothaarige leicht eine Straftat begehen… Tatsächlich holte Jeremy wenig später ein paar Eier und Milch aus dem Kühlschrank um einige Portionen Pfannkuchen zu backen. Er ist schon toll, dachte Marcel und begann zu lächeln. Jeremy steckte es einfach so weg das seine Eltern vor zwölf Jahren bei einem Brand gestorben waren und fand dann auch noch Zeit, sich um seine kleinen Geschwister zu kümmern. Vielleicht lag es daran dass Jeremy in der Vergangenheit eine besondere, körperlich fordernde Ausbildung als Elitesoldat hinter sich, und schon das ein oder andere Erlebt hatte. Warum konnten Kim und Daimon nicht genauso sein? Warum behandelten sie ihn immer so grob, wie so ein Ausgestoßener oder wie eine ekelige, widerfertige Kackerlage? Leise verschwand Marcel in seinem Zimmer und schaltete zum ersten Mal seit Tagen seinen Computer an. Er hatte zwei E-Mails von seinem besten Freund Connor bekommen. Eine war heute Morgen um halb Neun an gekommen und die andere, vor einer halben Stunde. Hallo Morsi, was ist los? Warum antwortest du nicht auf meine SMS? Darum habe ich dir kurzerhand eine E-Mail geschickt. Triezen dich Daimon und Kiley wieder, und warum bist du heute nicht in der Schule gekommen? Wir haben grade Informatik darum kann ich dir schreiben. Felix und seine Gang haben wieder was ausgefressen und hätten um Haaresbreite einen Schulverweis bekommen. Schade dass die nicht geflogen sind; er ist neben den Zwillingen der größte Störenfried an der Schule, aber leider Gottes auch einer mit den besten Noten. Na ja, das Leben ist halt ungerecht. Hoffentlich kommst du morgen wieder, ich hab keine Lust mehr mich jeden Tag von Felix´ doofen Kommentaren anmachen zulassen. Ciao, Connor Auf Marcels Stirn legte sich eine tiefe Sorgen falte, dann seufzte er schwer. Connor war ein typischer Streber mit langweiligen Haaren, riesiger Brille und ausgebeulten, karierten Pullovern. Häufig wurde er wegen seines Aussehens gehänselt. Aber Felix, Daimon und Kim taten war kein einfach Mobbing mehr; sie terrorisieren Connor regelrecht. Wäre an seiner Stelle, wäre ihn der Geduldsfaden schon lange gerissen… Die zweite Nachricht lautet wie folgt: Marcel, du hast immer noch geantwortet. Ist etwas Ernstes Vorgefallen? Soll ich nach der Schule mal bei euch vorbei kommen? Das wird Daimon und Kiley zwar nicht gefallen, aber Jeremy ist ja da, oder? B ei ihm trauen sie sich nicht aufzumucken. Bitte antworte mir schnell oder ruf mich auf meinem Handy an. Wir hören beziehungsweise, sehen uns dann. Kaum hatte Marcel die E-Mail gelesen begann er schon an der Antwort zuschreiben. Bis Jeremy mit dem Mittagessen fertig war, hatte er noch etwas Zeit übrig. Hallo Connor, Tut mir leid dass ich dir nicht eher schreiben konnte. Aber heute Morgen gab es hier einen Monstermäßigen Streit. Daimon hätte mir fast die Nase gebrochen, bis Kim plötzlich das Badezimmer stürmte und mich rettete. Das hat der aber nur gemacht, damit Jeremy ihn zur Strafe nicht durch die Tretmühle jagt. Wenn wir alleine gewesen wären, hätte er sicher auf Daimons Seite gestanden und ihn unterstützt. Dann wäre meine Nase jetzt sicher gebrochen. Die Zwillinge sind momentan so aggressiv, dass es ganz schlecht wäre, wenn du heute zu Uns kommst… Sorry Connor! Ich bin morgen wieder da, die Nase ist schließlich noch ganz. Wir sehen uns dann um kurz vor acht am Schultor; Jeremy fährt uns morgen zur Schule. Marcel klickte auf Senden und schon wurde die Nachricht an Connor weitergeleitet. Hoffentlich hielt er noch eine Weile durch, bei den ganzen Ärger denn er am Hals hatte. Immerhin war Connor trotz Strapazen einer der klügsten Köpfe in seinem Jahrgang. Es wäre ein Jammer wenn so ein guter Schüler, wegen solchen Idioten die Schule wechseln musste. Und zweitens war Connor seine bester Freund, denn er ziemlich gerne hatte und nicht verlieren wollte. „Marcel! Essen ist fertig!“ schallte es plötzlich aus der Küche. „Ich komme schon!“ rief Marcel zurück und fuhr den Computer runter. Die Zwillinge waren außer Haus und es gab Pfannkuchen, Marcels Leibgericht, warum sollte er da noch einen Grund haben Trübsal zuschieben? Der nächste Tag war schlimmer als der letzte und viel anstrengender als erwartet. Der Grund für dieses Dilemma war folgendes: Erstens, hatte Marcel verschlafen weil die Batterien von seinem Wecker über Nacht den Geist aufgaben. Zweitens, Kim klemmte ihn versehentlich die Finger in der Haustüre ein, was er aber aus purer Rache getan hatte, vermutete Marcel wütend. Und drittes, Jeremys Auto hatte ein technisches Problem, so dass sie doch mit den Bus fuhren mussten, während er in die Werkstatt fuhr. Glücklicherweise bekamen sie den zweien Schulbus, der nicht so voll war wie der erste. „Hey Connor“ sagte Marcel etwas lustlos als er einen besten Freund im Bus erblickte. Der Braunhaarige Junge schaute verblüfft hoch und rückte einen Sitz weiter damit sich Marcel setzten konnte. „Ich dachte, Jeremy wollte euch fahren…“ sagte Connor verwundert. „Das Auto ist kaputt gegangen. Und guck dir mal mein Hand an, die sieht aus als hätte ich die mit einem Bügeleisen geglättet. Das ist Kims Schuld, er hat sie mir in der Eingangstüre eingeklemmt. Selbstverständlich hat er es wie ein Unfall aussehen lassen und Jeremy hat es ihm auch noch geglaubt. Ah, wenn man vom Teufel spricht, grade ist er mit Daimon eingestiegen“ Marcel und Connor regten ihre Hälse und spähten über die niedrigen Sitze hinweg, wo sich jetzt alle Köpfe zur Eingangstüre drehten. Kim und Daimon waren ziemlich beliebt und wurden von allen Schülern, insbesondere den weiblichen Geschlecht, bewundert. Selbst bei den Lehrern hatten sie einen Stein im Brett weil sie genau wie Felix ziemlich intelligent und scharfsinnig waren. Oder vielleicht war es auch nur ihre überirdische Eleganz, die jeden andern in ihrer Umgebung so sehr einschüchterte das sich niemand traute ihnen in die Quere zukommen. Sie erweckten den Eindruck , als wären sie unbesiegbar. Wie es sich für richtig harte Kerle gehörte, besaßen Kim und Daimons jeweils eine eigene Clique und natürlich waren sie in dieser auch der geachtete Anführer. Doch obwohl sich die Zwillinge so ähnlich waren, unterschieden sich beiden Gruppen wie der Tag von der Nacht: Zum Beispiel achtet Daimon darauf dass er Große, Starke und Schnelle Jungs in seiner Gang hatte, die ordentlich austeilen konnten. Im Gegensatz zu Kim, der eher auf Verstand und Vermögen setzte und dadurch mehr Ansehen von den Schülern erntete. Die zwei Gruppen verstanden sich untereinander gut, konkurrieren aber heftig mit Felix’ Clique, die in der Stadt auch relativ angesehen war. In den Pausen gab es oft Szenen wo sich die Anführer im Zweier-Kampf gegenüberstanden. Doch das ging selten Fair zu, denn Daimon und Kim zogen gemeinsam in die Schlacht gegen Felix. Kapitel 3: Alte Feinde, Neue Freunde? ------------------------------------- Hallo Kim!“ rief ein blondhaariges Mädchen, mit rosa Gesicht und wild winkenden Händen. Ein anders Mädchen drängelte sich an ihr vorbei um an Kim ranzukommen, und ihn auf die Wangen zu küssen. Das Mädchen mit den blonden Haaren funkelte sie mordlustig an. „Hey Teresa“ sagte Kim mit einem Engelsgleichen lächelnd auf dem bildschönen Gesicht und hauchte dem Mädchen, was kichernd an seinen Hals hing, einen sehr leichten Kuss auf die Backe. So leicht, dass sich Marcel sicher war, das seine Lippen ihre Haut nicht einmal berührt hatten. Doch das Mädchen flippte total aus und verfiel in einen hysterischen Kicheranfall. Kim ging vorsichtig auf Abstand; er mochte es nicht sonderlich wenn ihn jemand fremdes anfasste, und so berührte er auch keinen wenn es nicht dringend erforderlich war. Nur Daimon, oder engere Freunde konnten ihn ohne Bedenken anfassen und sich anrühren lassen. Marcel wusste das Daimon Kims verhalten diesbezüglich auf die Nerven ging, aber er sprach seinen Zwillingsbruder nicht darauf an. Er tat nichts, was ihre gute Beziehung auch nur geringfügig gefährdend könnte. So fasste Daimon seinen Zwilling an den Schulten, wimmelte kurzerhand das lässige Mädchen ab und drückte Kim zu einem zweier Sitz, in der Mitte des Busses. Bevor er sich setze, ließ er seine grünen Augen durch den Bus wandern, und begrüßte flüchtig noch andere Leute die er kannte. Sein Blick blieb schließlich auf Marcels Gesicht kleben, und er schaute ihn ein paar Sekunden schweigend an. Sein Mundwinkel zuckte leicht, kurz konnte Marcel zwei sehr spitze Eckzähne erkennen, die dann jedoch wieder unter seiner Lippe verschwanden. Konnte ein Mensch so lange Zähne haben, war das normal? Mit einer stolzen Kopfbewegung warf Daimon seine Haare zurück die ihm vor den Augen hingen, und ließ sich neben Kim in den Sitz fallen. Die Busfahrt über sprach Marcel nicht mit mehr Connor, und konzentrierte sich darauf Daimon Löcher in den Rücken zu starren. Doch sein Bruder drehte sich nicht mehr um. Nur einmal, ganz rasch, als der Bus anhielt und alle Jugendlichen ausstiegen spürte Marcel noch mal diesen stechenden Blick im Nacken. Als er sich jedoch zu Daimon drehte, stieg dieser grade mit Kim, den Blondenmädchen, Teresa und zwei stämmigen Jungen aus. „He Marcel! Träum nicht rum!“ rief Connor der auch schon draußen stand. „Wenn du noch lange rum pennst, fährt der Bus weiter“ „Ist ja schon gut!“ rief Marcel und sprang aus der Tür. „Warum hast du Daimon die ganze Zeit beobachtet? Du sahst dabei aus, wie ein Stalker… Hast du an diesem Morgen überhaupt etwas anderes mitbekommen als ihn?“ wollte Connor wissen als sie grade denn Weg zum Schultor hinauf gingen. „Wieso?“ sagte Marcel und starrte seinen Freund ärgerlich an. „Die alte Villa am Höllenberg ist nicht mehr Unbewohnt. Ich habe einen Umzugswagen vor dem Haus gesehen“ sagte Connor. „Die armen Irren werden nicht lange bleiben. In diesem Haus spukt es“ meinte Marcel und rümpfte trotzig seine Nase. Er war sich sicher, dass Wesen wie Geister, Dämonen und Engel wahrhaftig existierten. Auch wenn ihn gewisse Leute deshalb hänselten… Zwar wusste es kaum jemand, aber Marcel hatte vor sieben Jahren einen echten Dämon gesehen. In ihrem Haus. Es war Mitternacht gewesen und Marcel wurde von einem sonderbaren Geräusch aus der Diele aufgeweckt. Er hatte von Unten ein Kratzen gehört, ganz so, als ob eine Katze mit ihren Krallen über sehr feinen Laminatboden ging. Vielleicht hatte einer von ihnen ein Fenster aufgelassen und auf versehen eine Katze im Haus eingesperrt, die jetzt verzweifelt an den Holztüren Kratze. Marcel entschloss sich dazu aufzustehen und dem armen Tier zu helfen. Draußen auf dem Flur war es Mucksmäusen still. Es war doch Mitternacht, da schliefen ja alle Leute. Außer die, die grade unterwegs waren um eine Katze zu retten. Leise schlich er sich die Treppe runter. Von einer Katze war noch nichts zusehen. Im Gegensatz zu den Kratzen, das immer lauter und wilder wurde. Vielleicht ist es doch keine Katze, dachte Marcel mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend. Möglicherweise war es auch Einbrecher, der da versuchte ins Haus einzudringen. Er glaubte eine Bewegung in der Küche zu sehen, fremde Geräusche zuhöre. Bitte lass es eine kleine Katze sein, dachte Marcel und streckte den Arm aus um den Lichtschalten an der Treppe zu erreichen. In dieser Sekunde brach die schwarze Wolkendecke auf und ein bleicher Mond erschien am Himmel. Ein greller Lichtstrahl fiel durch das Küchenfenster und tauchte den Raum in gespenstisches Zwielicht. Aus dem Spalt heraus stieg ein Monstrum mit schwindelerregender Höhe. Das Wesen war schneeweiß mit schwarzen Flecken auf der glatten Haut. Sie sah aus, wie die teurere Marmorplatte die Jeremy schon immer haben wollte. Zwei große Fledermausschwingen schossen aus seinem Rücken empor. Wo eigentlich Fingen hätten seine sollen, hingen Fünf paar Säbelartige klauen herab, die wie zum Töten gemacht waren. Ganz zu schweigen von den Beinen – diese Beine waren dreimal so lange wie normale, und die länglichen Füße besaßen keine normalen Nägel sondern waren ebenfalls mit scharfen Pranken besetzt. Vom dem Kopf war nichts zusehen, dafür war das Wesen zu Groß. Noch im selben Moment schlug Marcel die Hände vor sein Gesicht und schrie. Bruder Jeremy, der im ersten Stockwerk schlief, riss seine Türe auf und kam vor der Treppe zum stehen. Er schaltete das Licht an. Da hörte Marcel auf zu schreien, schweißgebadet hockte er auf der Treppe und starrte zu ihm hinunter. „Was ist los? Warum schreist du?“ fragte Jeremy und ging langsam die Treppenstufen hoch. „Ein Monster war hier…“ berichtete Marcel mit zittriger Stimme. „Es stand in der Küche. Ich bin von dem Lärm das es gemacht hat aufgewacht, ich dachte es wäre bloß eine Katze, die wir eingesperrt haben“ „Hör mir mal zu“ sagte Jeremy sanft, setzte sich zu ihm auf die Treppe und nahm ihn in den Arm. „So etwas wie Monster und Geister und Dämonen gibt es nicht. Du hast nur geträumt und dir dann diese Geräusche eingebildet“ „Stimmt, es gibt keine Monster“ sagte der zehnjährige Kim kühl der grade am Treppenansatz erschienen war. Schon damals sah er aus wie ein kleiner Engel, doch diesen Ruf behielt er nur, solange sein vorlautes Mundwerk geschlossen blieb. „Du bist langsam zu alt für solche dämlichen Schauergesichten. Leg dich wieder hin, ich schreibe morgen eine Klausur für die Schule und brauche meinen Schlaf!“ Damit ging Kim in sein Zimmer zurück. Er hatte für so etwas kein Verständnis. In Wahrheit hatte er für nichts Verständnis, was Marcel anging. Marcel schien ihn nicht gehört zu haben, entsetzt starrte er in die Küche. „Aber ich habe es doch gesehen“ beharrte er ernst, „Es war weiß und schwarz und…“ „Wenn du unbedingt etwas sehen willst, siehst du es auch“ sagte Jeremy. „Horch nur mal: Überall raschelt es, hier knistern, dort rappeln. Das ist ganz normal in so einer stürmischen Herbstnacht wie diese. Es war kein Monster, wahrscheinlich hast du nur den Schatten der Bäume vor dem Haus gesehen. Und jetzt geh wieder Schlafen. Es ist nichts passiert“ „Ich geh nicht alleine hoch!“ rief Marcel und stand auf. „Und schlafen tue ich da erst recht nicht“ „Dann schläfst du halt bei mir... Ist das Okay?“ brummte Jeremy und gähnte herzhaft. „Ja“ Marcel nickte. Sie gingen in Jeremys Doppelzimmer und Jeremy holte ein zweites Paar Kissen und Decken aus dem Schrank. „Glaubst du echt nicht an Geister?“ fragte Marcel und guckte beschämt auf seine nackten Füße. „Viele Menschen glauben an Geister und Dämonen. Manche sprechen sogar mit ihnen…!“ „Alles Unsinn“ meinte Jeremy barsch. „Blöde Gruselgeschichten um Kindern Angst einzujagen. So etwas sollte man verbieten“ „Ich bin aber kein Kind mehr, ich bin schon sieben Jahre alt!“ rief Marcel während er seinen Bruder einen wütenden Blick in den Rücken rammte. „Jetzt ist aber Schluss damit“ sagte Jeremy und legte das Schlafzeug auf seinem Bett ab. „Wenn du kein Kind mehr bist, kannst du jetzt sofort hoch gehen und in deinem eigenen Bett schlafen“ „Dann bin ich doch noch ein Kind!“ Marcel zog einen Schmollmund. Bei diesem Anblick konnte Jeremy nicht länger Böse bleiben und verwuschelte liebevoll Marcels blondes Haar. „Zeit zum Schlafen gehen, du Geisterjäger!“ Jeremy legte sich ins Bett und Marcel krabbelte rasch zu ihm. Er ließ sich einen Gutenachtkuss auf die Wange drücken, ehe Jeremy ihm seine hinhielt und er ihm ebenfalls einen Kuss gab. „Schlaf schön“ „Du auch“ „…Jeremy…“ „Hmm?“ „Es gibt wirklich keine bösen Monster…?“ „Nö, aber wenn du nicht gleich die Augen zumachst, werde ich zu einem…“ Marcel kicherte und schloss die Augen während er sein Gesicht in das Kopfkissen kuschelte. Und wenn es doch Monster gäbe, würden sie mit Sicherheit nicht hier rein kommen. Denn Jeremy besaß den bösen Blick. Den konnten alle Soldaten. Tag ein, tag aus üben sie den Blick vor dem Spiegel. Und das solange, bis sogar der Spiegel erzitterte. „Herr Sandojé, würden Sie endlich mal mit den Tag-träume-Reihen aufhören!“ Marcel riss die Augen auf und starrte Connor perplex an. „Was ist denn los?“ fragte er leicht benommen. „Wir sind in der Klasse. Und unsere Lehrerin ist auch schon da“ Ihre Lehrerin war eine ängstlich, kleine Person mit einem nervösen Augenzucken. Sobald Frau Garcia eine Klasse betrat wurde es unruhig, sehr unruhig und so schlimm dass kein einziger Schüler mehr auf seinen Platz saß und alle durch die Klasse wuselten. Niemand Respektierte die Lehrerin. Besonders Grausam war es, wenn sie in den elften Klassen Unterrichten musste. Die Halberwachsenen ignorieren sie oder legten ihr Reißzwecken auf den Stuhl. Und ein paar Sekunden später sah man, wie Frau Gracia schreiend aus der Klasse rannte. Aber am aller schrecklichsten war es, wenn sie in Daimons oder Felix’ Klasse ging. Die beiden lachten sie nach jedem Satz aus (Kein Wunder, denn die arme Frau stotterte die Hälfte der Zeit) und störten den Unterricht mit aller Kraft. Einmal hatte Frau Garcia die Beherrschung verloren und Daimon ihr Klassenbuch auf den Kopf geschlagen. Natürlich stand sie danach unter Schock, aber Daimon war so dermaßen explodiert das er der Lehrerin im Handumdrehen 3 Finger brach. Das hatte zu folgen, das er eine Anzeige wegen Körperverletzung bekam und dazu eine saftige Ohrfeige von Jeremy. Und Frau Garcia erhielt eine Verwarnung vom Schulamt und, wie konnte es anders sein, ein sehr wütenden Brief von Jeremy. Auch wenn er Daimons Ausraster keineswegs tolerierte, ließ er es trotzdem nicht zu, der jemand Fremdes seinen kleinen Bruder anpackte. Von diesem Moment an, unterrichtet Frau Garcia nicht mehr in Daimons Klasse. Sie weigerte sich strikt dagegen diesen verdorben, brutalen, respektlosen Flegel noch weiter erdulden zu müssen. Und sie bekam vom Schulleiter recht. Doch Marcel empfand trotz alledem Mitleid für Frau Garcia. Warum mussten den auch alle Schüler ständig auf ihr herum hacken? Das ist doch echt das letzte. Die zwei Freunde setzten sich an ihrem Fensterplatz in der letzten Reihe. Sie hatte jetzt mit Frau Gracia Deutsch. Es klingelte und die Stühle wurden laut ächzend nach hinten geschoben. Marcel und Connor hatten nicht viel vom Unterricht mitbekommen, da sie sich im geheimen Briefchen schickten oder „Schiffe versenkten“ auf dem Rand ihrer Deutschehäfte spielten. Nur so konnte man den langweiligen Stoff der Frau aushalten, ohne einzuschlafen. Die Hälfte der Schule ging nun in die Cafeteria, bis auf die wenigen die sich ihr Essen am Kiosk kauften, um draußen auf dem Schulhof zubleiben und eine Zigarette zu Rauchen. Wieder suchten sich Marcel und Connor einen Platz hinten am Fenster. Wenn sie so weit weg von den anderen Typen saßen, wurde man nicht so schnell aufmerksam auf sie. War alles schon eintrainieret. Doch heute hatte Marcel ja eh einen schlechten Tag erwischt und zufällig bekam Macho Felix Lust darauf ihn und seinen Freund ein bisschen zu quälen. Der große, athletische, dunkelhaarige Felix, mit dem kleinen Zopf ihm Nacken schlenderte gelassen zu ihrem Tisch. Sie bemerkten den großgewachsenen Jungen erst, als er direkt vor der Platte stand. Marcels Augenbrauche zuckte leicht. Ein schlechtes Zeichen. Sie zuckte nur, wenn Ärger in der Luft lag… „Was ist?“ fragte Marcel und blickte tapfer in Felix’ erwachsenes Gesicht; tatsächlich war dieser halbe Elefant erst Siebenzehn Jahre alt, obwohl man ihn mindestens auf zwanzig schätzen würde. Felix ignorierte ihn und zog einen Stuhl zurück und setzte sich genauso hin wie Connor: Angezogene Beine, die Hände in seinen riesen Pulloverärmeln versteckt und herunter hängenden Schultern. Connors Ohren färbend sich schneller um, als eine Verkehrsampel von Rot nach Grün sprang. Er schlug ein Bein über das andere, und kreuzte die Arme vor der dünnen Brust. Zugleich äffte Felix seine Bewegung nach. Inzwischen hatten sich ein paar Schüler zu ihnen umgedreht die leise und verhalten Kicherten. Sie empfanden Felix Pöbelleien nicht als Mobbing, sondern eher als abwechslungsreiche Unterhaltung. Connor wurde noch nervöser und griff nach seinen Schokoriegel. In seiner hasst flutschte das Päckchen jedoch durch seine zitternden Finger und landete genau in Felix´ Händen. Das Lachen um sie herum wurde lauter, mehr Schüler waren auf sie aufmerksam geworden. Langsam wurde die Sache Marcel dann doch zu bunt und er schnaubte hörbar auf. as dämliche feixen Rundherum schwoll rasch ab. Zwar war Marcel ein sehr ruhiger und freundlicher Schüler, mit dem man viel machen konnte, aber manchmal platze selbst ihm der Kragen. Da war auch so ein Riese wie Felix es nun mal war nicht mehr sicher. Bis jetzt hatte Marcel sich nur einmal im Leben geprügelt, und das war die härteste Klobberei seit Zehnjahren auf diesen Schulhof gewesen, meint die Schülerzeitung. Er hatte so ein bescheuerten Zehntklässler zwei Rippen gebrochen und die Kniescheibe zertrümmert als dieser ihn eine leere Bierflasche auf den Kopf hauten wollte. Kurz darauf kam Jeremy in die Schule marschiert (Als der Typ aus dem Krankenhaus entlassen worden war) und machte den Kerl wortwörtlich so Platt, dass der Typ noch über Nacht die Schule wechselte. Jeremy war also auch schon bekannt. Auch seine Berufung als Elitesoldat hatte sich in Windeseile herum gesprochen. Und da die wenigstens seinen wahren Charakter kannten, hatten sie alle Angst vor Jeremy Sandjoé… Ein Adrenalinkick rauschte durch Marcels Adern und er sprang energisch auf die Beine. Erst schenkte Felix ihm nur ein mitleidiges Lächeln, dann stand er auch auf und taxierte Marcel mit hartem Blick. Er wusste, dass der Kleine im Notfall heftig zuschlagen konnte; das hätte er von seinen herzallerliebsten Brüdern geerbt, die Felix ja so gerne in Stücke reißen würde. „Willst du Zwerg dich mit mir prügeln?“ fragte Felix. Sein Mund war eine einzigen Line, die sich quer über seinem Gesicht zu einem hässlichen grinsen verzogen hatte. „Eigentlich wollte ich das nicht“ knurrte Marcel sauer. „Aber du verarschst meinen Freund. Und das kann ich nicht zulassen“ „Bitte“ flehte Connor leise und packte Marcel an den Handgelenken. „Lass ihn einfach reden. Das ist es nicht Wert, außerdem bricht der Kerl dir sämtliche Knochen im Leib! Und wahrscheinlich sind da auch ein paar Stück bei, von denen du gar nicht wusstest, das du sie hast!“ „Lass mich los! Sofort“ zischte Marcel und starrte Connor entsetzt an. „Ich habe keine Lust mir jeden Tag dieses scheiß Theater von diesen Möchtegern Macho anzuhören! Das muss ich schon zuhause ertragen!“ Schnell riss er sich aus Connors Hand los und blickte Felix herausfordernd ins Gesicht. Auch wenn es dumm war, sagte er grimmig: „Na los, Schlag schon zu oder hast du Angst weil ihr so viele Zeugen sind!“ Die Neugierig geworden Schüler in der Cafeteria kamen näher und bildeten allmählich einen Halbkreis um die zwei Streitenden. Marcel musste sich schwer zusammenreißen, damit er sich nicht hysterisch schreien auf Felix’ grinsendes Gesicht stürzte. Eine leise, aber eindringliche Stimme in seinem Kopf erinnerte ihn schmerzlich daran, dass Felix drei Jahre älter war und dazu noch hunderttausend Mal stärker wie er. Was konnte er denn diesem Riesen schon entgegenbringen? Vielleicht sollte er sich einfach Connor schnappen und Hals über Kopf aus der Cafeteria flüchten. Aber damit war es noch nicht vorbei, erstens war er dann das Gespött der Schule, und zweites würde Felix ihn irgendwann sowieso in die Finger kriegen und Krankenhaftreif prügeln. Nein, Nein, NEIN. Marcel schüttelte innerlich den Kopf; So weit würde es nicht kommen. Immerhin gab es da noch Jeremy, und auch wenn es wenig Hoffnung brachte, Kiley und Daimon würden es auch nicht zulassen dass ein Halbriese ihren kleinen Bruder Tot schlug. Auch wenn es nur darum ging, ihre Familienehre aufrecht zu erhalten. „Du hast es so gewollt!“ rief Felix plötzlich glockenhell. Geistesabwesend riss Marcel sich aus seiner Gedankenwelt, und sah dass Felix just in diesen Moment seinen langen Arm hochriss und grade auf ihn ein dreschen wollte, als er auf einmal in seiner Bewegung innehielt. Der junge Sportlehrer, der erst kürzlich auf dieses Schule gewechselt hatte, betrat den Raum und blickte mit hochgezogenen Augenbrauchen auf die Menschenmasse vor ihm. „Was in drei Teufels Namen ist den hier los…?“ murmelte er. Der Lehrer bahnte sich mit schnellen Schritten durch den Schülerkreis und stemmte die Hände in die schmalen Hüften. „Wolltet ihr zwei euch grade prügeln?“ fragte er mit kräftiger, doch leicht amüsierter Stimme. Marcel schüttelt rasch seinen blonden Kopf; Er wollte Antworten, doch er konnte sich nicht mehr an den Namen dieses Lehrers erinnern. Er hatte noch nie Unterricht mit ihm gehabt. Doch Felix anscheinen schon, denn er fuhr sich mit der gebräunten Hand durch seine Haare und grinsten den Lehrer etwas dümmlich an. „Wir wollten uns nicht Schlagen, nein! Ich würde doch keinem kleinen Jungen wehtun, das tut man nicht. Echt jetzt!“ Als Felix das Wort Kleiner benutze, erwachte in Marcels Magengrube ein brüllendes Monster das Felix am liebsten in Stücke gerissen hätte. Doch als er grade zum Gegenschlag ausholen wollte, sprach ihn der Lehrer an. „Ist das Wahr? Ihr habt euch nicht geschlagen und hattet es auch nicht vor? Aber warum stehen den hier alle rum, und warten so gespannt?“ Lüg jetzt nicht zischte die Stimme in Marcels Kopf eindringlich. Das ist ein Lehrer, ihm kannst du vertrauen! Sag den Kerl dass Felix dich und Connor provoziert hat und eine Schlägerei anzettelten wollte. „Ja, das ist wahr…“ sagte Marcel kraftlos. Wenn er die Wahrheit sagte, würde der Schulleiter Jeremy anrufen und der bekam dann einen Herzinfarkt weil sich jetzt auch noch sein blonder Engel prügelte. Das wollte Marcel Jeremy nicht antun, er tat ja schon jetzt zu viel für ihn. Jedoch schien der Lehrer wenig beeindruckt und legte Marcel Väterlich einen Arm über die zierlichen Schultern. Das passte dem Jungen gar nicht, und er trat einen kleinen Schritt zu Seite. Marcel wollte vor seinen Mitschülern nicht den Eindruck eines Hilflosen Schwächlings erwecken… Sonst würden sie ihn doch nie Respektieren und obendrein als Leherer-liebling abtun. „Was ist denn mit deiner Nase passiert? Sie ist ja ganz rot und sieht auch irgendwie schief aus“ „Es ist nichts…“ sagte Marcel steif. Er merkte dass jetzt fast alle Augenpaare der Schule auf ihn gerichteten waren. Hoffentlich waren die Zwillinge nicht hier, dachte Marcel verbittert, und überschlug rasch die Möglichkeiten die die beiden hatten, um ihn dann aufs Neue zu hänseln. „Wie wäre es, wenn du mit in mein Büro kommst? Da können wir dann in Ruhe Reden. “ fragte der Lehrer und lächelte freundlich. Stumm nickte Marcel und schaute hoch, direkt in Felix´ braunes Gesicht. Seine kleinen Augen loderten förmlich. Wenn du ein Wort sagst bringe ich dich um. Schien dieser zornige Blick zusagen. Der Lehrer führte Marcel aus der Cafeteria und verließ mit ihm das Schulgebäude. Inzwischen hatte er ihn losgelassen und zog ein Schlüsselbund aus seiner Hosentasche um die Sporthalle aufzuschließen. „Wie heißt du denn?“ fragte der Lehrer. „Marcel Sandojé, ich gehe in die achte Klasse“ Der Lehrer nahm es Wortlos zu Kenntnis und betrat die Sporthalle. Zielstrebig steuerte er sein Büro an und klopfte leicht an die massive Holztür. Das Verwirrte Marcel ein wenig; warum musste der Lehrer bei seinem eignen Büro anklopfen? Waren sie etwa nicht alleine da drinnen? Prompt bekam er eine Antwort als die Türe aufschwang und ihnen eine kleine, elfenhafte Person gegenüber saß. Sie hatten ihnen Rücken zugewandt und saß auf einen Stuhl. Augenblicklich drehte sich die Person – ein Junge – zu ihnen um und lächelte den Lehrer ein wenig schüchtern an. „Schön das du gewartet hast“ sagte der Marcel immer noch unbekannte Lehrer und erwiderte das Lächeln des Jungen. „Das war doch kein Problem“ erwiderte der Junge mit samtweicher Stimme. Inzwischen war sein Blick zu Marcel gewandert und schaute ihn neugierig ins Gesicht. Panik durchzuckte Marcel als er in die Augen dieses Jungen guckte. Sie waren groß, tief, Caramelfarbenen und absolut unnatürlich. Dieser Junge war anders. Er unterschied sich bizarr von allem was Marcel bis jetzt gesehen hatte. Doch der Junge war nichts besonders; er war weder groß, noch vortrefflich hübsch - aber er hatte etwas an sich, das jedes Wesen im Radius von Zehn Metern in seinen Bann zog, und gefangen hielt. Bis auf einmal, da fiel es Marcel wie Schuppen von den Augen – es waren genaugenommen drei Sachen, seine Honiggelben Augen mitgezählt, die ihn so merkwürdig machten; Seine Haare und seine Haut. Beides war schneeweiß. Vor allem seine Haare stachen einem sofort ins Auge, selbst frisch gefallener Schnee würde neben ihnen Grau und Langweilig erscheinen. Das schöne Haar, funkelte leicht in der Mittagssonne die durch das große Fenster hinter ihm fiel. Und was seine Hautfarbe anging, da konnte er sich sofort neben Jeremy oder Daimon stellen und würde nicht sonderlich auffallen. Marcel konnte gar nicht anders als diese sonderbare Typ schockiert anzuglotzen. Und der Junge schaute ihn immer noch an, nicht böse oder feindselig. Nein, ganz normal: freundlich und vielleicht sogar ein bisschen verschämt. Nichtsdestotrotz lächelte er unbeirrt weiter. „Könntest du bitte draußen warten, Dylan? Ich hole dich später wieder rein“ sagte der Lehrer höfflich. Anscheinen konnte er ihn gut leiden. Der Junge mit den Namen Dylan nickte wortlos und erhob sich mit einer fließenden Bewegung von dem Stuhl. Er ging rasch zu Türe und streifte im Vorbeigehen vorsichtig Marcels Arm. Es bedeutet wohl so etwas wie ein unsicheres: `Hallo, schön dich kennenzulernen`. Dann war der Neue auch schon verschwunden. Erleichtert seufzte Marcel auf und seine Lunge füllte sich mit neuem Sauerstoff, in Dylans Gegenwart hatte sein Gehirn vergessen wie man Atmete. Der Sportlehrer setzte sich hinter den Schreibtisch und forderte Marcel mit einem Kopfnicken auf sich ebenfalls zu setzten. Rasch ging Marcel seiner stummen Bitte nach und setzte sich ihm gegenüber. „Also…“ sagte der Lehrer. „Ich bin Herr Maclynn, ich glaube wir hatten noch keinen Unterricht zusammen, oder?“ „Ja. Richtig“ sagte Marcel. Herr Maclynn schaute in seinen Unterlangen und runzelte plötzlich die Stirn. „Oh!“ sagte er in einem milde überraschten Ton. „Kann es sein, das du noch zwei Brüder auf dieser Schule hast?“ Kurz stocke Marcel der Atem weil ihm ein Stein in den Margen gefallen war. Ob die Zwillinge schon wussten dass er bei einem Lehrer im Büro saß? Und ob sie es auch schon an Jeremy weiter gegeben hatten? „Wenn Sie Daimon und Kiley Sandojé meinen, dann sind es meine Brüder“ Plötzlich lächelte Herr Maclynn. „Ich bin ihr Sportlehrer. Und ich bin von ihnen begeistert, egal was die andern Lehrer über die zwei sagen. Es sind erstklassige Sportler. Daimon könnte es weit bringen, ich habe noch nie einen Jungen in seinem alter gesehen, der so einen Ehrgeiz und Talent hat. Er ist unverkennbar der Kapitän der Karate Mannschaft“ Schweigend nickte Marcel, er hatte am eigenen Leib Daimons Talent erfahren und ertragen. Ob Daimon ihm jetzt wohl öfters mit Schlägen drohen würde? Daran wollte Marcel gar nicht erst denken. Wenn sein Bruder wirklich so Stark war und ihn so hasste, sah Marcel sich in Zukunft nur noch mit Verbänden und Schienen durch die Gegend laufen. „Hat Felix dir auf die Nase geschlagen?“ fragte der Herr Maclynn auf einmal, und sein Gesicht bekam einen ernsten Ausdruck. „Nein“ sagte Marcel rasch und wurde bleich. Er wollte Daimon nicht verraten, soviel stand fest, oder er würde spätestens Zuhause noch eine vors Gesicht bekommen. Ganz egal ob Jeremy da war oder nicht, soviel Rebell war Daimon dann doch. „Willst du es mir sagen?“ Nein, eher gefriert die Hölle. Marcel schüttelte den Kopf. „Na gut, dann vielleicht einander Mal. Könntest du mir trotzdem einen kleinen Gefallen tun?“ Der Lehrer schaute Marcel fragend an. Marcel schaute fragend zurück, ob es wohl einen Hacken an der Sache gab? Jedoch nickte er. Der Sportlehrer war ein netter Kerl, auch wenn er Daimon und Kim mochte was an sich ein Ding der Unmöglichkeit war. „Der Junge von eben, Dylan, er ist seit heute auf dieser Schule. Er kommt von weit her. Könntest du ihm ein bisschen Gesellschaft leisten und die Schule zeigen. Er wird sich sicher freuen nicht alleine zu sein, an seinem ersten Tag“ „Wenn es weiter nichts ist“ Marcel lächelte dasselbe Lächeln was Jeremy benutzte, wenn ihm etwas gegen die Stirn schlug, er es aber nicht sagen konnte. Dieser Dylan war ein ganz komischer Vogel. Vielleicht war er ein Albino, das würde zumindest seine Haut - und Haarfarbe erklären. Aber Marcel war sich sicher das er irgendwo gelesen hatte das Albions normalerweise rötliche Augen hatten, und keine Caramelfarbenen. „Vielen Dank“ das schien Herr Maclynn aufrichtig zu meinen. „Du hast bei mir ein Stein im Brett!“ Marcel verabschiedete sich schnell und verließ das Zimmer. Draußen auf den Flur, unübersehbar dank seinen Haaren, saß Dylan auf einen Stuhl. Er schaute auf und starrte Marcel an. „Hallo, ich bin Marcel Sandojé. Soll ich dich mal in der Schule rumführen?“ sagte Marcel vorsichtig. Seine Stimme zitterte ein wenig vor Aufregung. Er hatte Probleme einen klaren Gedanken zufassen, wenn in Dylan so direkt anschaute, wie er es jetzt tat. Irgendwie erinnerte sich Marcel grade an Jeremy… dieser Junge besaß eine ähnliche Ausstrahlung wie er. Da zog sich auch schon ein breites grinsen über Dylans weißes Gesicht. Seine Haut war wirklich Makellos und könnte sogar schön sein, wenn sie ein wenig Farbe hätte. „Das wäre sehr nett von dir. Ich kenne mich hier noch nicht aus, du könntest mir zum Beispiel mein Klassenzimmer zeigen“ sagte Dylan mit seiner leisen, charmanten Stimme. Schnell zog er einen kleinen, gelben Zettel aus seiner Hosentasche und schaute kurz darauf. „Ich gehe in die achte Klasse“ ergänzte er. Einen Moment überlegte Marcel wie er dem Neuen alles erklären konnte, immerhin war das Gymnasium riesengroß und ziemlich verzweigt. Als er nach der Grundschule hier her wechselte hatte er sich oft verlaufen oder seinen Klassenraum nicht gefunden. Er verließ mit Dylan die Sporthalle, und schaute flüchtig auf die Uhr. Die Pause dauerte noch 10 Minuten. Wenn er es heute nicht schaffte alles zu zeigen, musste er es morgen zu Ende bringen… Bitte Nicht… Ihm wurde bewusst, das Dylan ihn anstarrte und er beschleunigte seine Schritte. Der Himmel war dunkelblau und die Sonne brannte unerbittlich herab, also beeilte Marcel sich um so mehr um in das Schulgebäude zukommen. Dylan konnte seinen Schritt mühelos mithalten und war sogar einpaar Sekunden eher an der Eingangstüre und öffnete sie für Marcel. Er schenkte dem Albino ein mattes Lächeln, und zeigte ihm als erstes Sekretariat, auf der rechten Seite. Jetzt hatte Marcel Gelegenheit diesen Dylan mal genauer unter die Lupe zunehmen, und auf kleine Details zu achten. Der weißhaarige Albino hatte ein rundes Kinn mit noch kindlichen Zügen, die Augen waren verhältnismäßig groß und glänzend. Da hob Dylan den Blick und schaute Marcel verblüfft an. „Ist etwas?“ fragte er trocken. Natürlich lief Marcel sofort Knallrot an und schlug beschämt die Augenlieder nieder. Er hörte ein sanftes Glucksen neben sich, wagte aber nicht in Dylans Richtung zugucken. Umso näher Marcel und Dylan der Cafeteria kamen, umso voller wurde es im Flur. Die Schüler gafften sie neugierig an, was Marcel ihnen nicht verübelte. Mit den skurrilen Dylan an der Seite fielen sie aus der Norm. Kein Wunder das einige sogar stehen blieben und ihnen verdutzt hinterher guckten. Sicher fragte sie sich, was der Sandojé Winzling mit dem Weißhaarigen Zombie zu schaffen hatte. „Das bin ich gewohnt“ sagte Dylan zu Marcel Gewand und starrte mit harter Mine geradeaus. „Lass dich nicht ablenken, und rede einfach weiter. Ich höre dir die ganze Zeit zu“ Mit einem Mal wirkte er sehr viel älter als zuvor. „Okay… also, das da hinten ist die Cafeteria. Und gleich da hinten, neben den Toiletten, sind die Klassenzimmer der achten Klassen“ sagte Marcel. „In welche Klasse gehst du eigentlich?“ Dylan brauchte nicht noch mal seinen Zettel raus zu holen und sagte sicher; „ In die 8 B“ Oh. Kurz setzten Marcels Gedankengänge aus. „Dann sind wir ja Klassenkameraden!“ er lächelte Dylan vielversprechenden an, und erwartete das sein Lächeln sofort erwidert wurde, aber das geschah nicht. Dylans Augen waren Wachsam auf Marcel gerichtet. Nicht die leiseste Spur eines Lächelns umrahmte seine Schmalen Lippen. Dylans Augen strahlten eine solche Intensität aus, dass es für Marcel unmöglich war den Blick abzuwenden. Seine Hände begannen zu Zittern. Sein Herz raste vor Aufregung und pochte schmerzhaft gegen die Rippen. Endlich öffnete Dylan den Mund, er schien seine Worte genau abzuwiegen und sprach mit warmer, fließender Stimme; „Das ist ja ein angenehmer Zufall. Ich dachte schon, ich müsste mich alleine mit ein paar Pubertierenden Kinder rum schlagen. Hoffentlich Schreckt mein Aussehen sie nicht allzu sehr ab…“ Dann ging er mit einer schier unmöglichen Geschwindigkeit zur Türe der 8 B und öffnete sie, ohne vorher anzuklopfen. Marcel hörte wie jähes Gemurmel erstarb, und seine Klassenkameraden Dylan wahrscheinlich genauso verblüfft anschauten wie er es vor wenigen Minuten selbst gemacht hatte. „Wie war es in der Schule?“ fragte Jeremy als Marcel nachmittags die Haustüre aufschloss. Er lehnte sich aus der Küchentüre und lächelte Marcel freundlich an. „Normal“ sprach Marcel kühl und setzte sich an den Essenstisch zu seinem Bruder. Ihm war nicht nach reden zumute, dafür saß der Schock der nahen Prügelei und Dylans Hypnoseblick noch zu tief in den Knochen. Doch Jeremy wollte schon Reden und bohrte hartnäckig weiter. „Denn sag mir, was heute dein schönest Erlebnis war“ Jeremy goldene Augen funkelten begierig auf. „Ich habe einen netten Sportlehrer kennengelernt“ sagte Marcel schließlich. „Und was war dein schlechtestes Erlebnis?“ Marcel überlegte einen Moment, dann sagte er leise: „Dylan….“ Jetzt ändere sich Jeremys weicher Blick Schlagartig; Seine weißen Lippen kräuselten sich vor Ekstase und die goldenen Augen bekamen einen roten, animalischen Glanz. „Dylan - ist das ein Jungennamen?“ fragte Jeremy mit einem zischenden Unterton in der Samtstimme. Marcel schaute vorsichtig in sein ernstes Gesicht und war so sehr eingeschüchtert von ihm, das er nur mit den Kopf nickten konnte. „Marcel, hat er dir etwas getan? Hat er dich geschlagen oder so etwas in die Richtung?“ Jeremy kniff gefährlich seine funkelten Augen zusammen. „Um Gottes willen, wo denkst du hin? Dylan ist nur ein Neuer an der Schule, aber er ist irgendwie…. Anders“ „Ach so ist das“ sagte Jeremy ruhig. Sein Gesicht entspannte sich wieder und die Augen verloren diesen angsteinflößenden Rot-Ton.„Dann bin ich ja beruhig“ Wo jetzt Jeremys kleine Welt wieder heil war, holte er die Schinken – Peperoni – Lasagne aus dem Backofen und stellte sie auf den Küchentisch. „Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, Liebling“ säuselte er sanft und schnitt das Mittagessen zurecht. „Und du erst!“ sagte Marcel lachend. „Plötzlich hast ausgesehen du wie ein Ungeheuer, das jemanden Umbringen wollte“ „Wirklich….?“ sagte Jeremy so leise ob er mit sich selber sprach. Er warf Marcel einen so schnellen Blick zu, dass dieser es nicht sehen konnte. Sein Blick war hart und unergründlich. Wie recht er doch hat, dachte Jeremy bitter und setzte sich auf seinen Stuhl. Kapitel 4: Die Nacht bei der alten Villa am Höllenberg ------------------------------------------------------ Als am nächsten Morgen die Sonne durch Marcels Fenster fiel, stand er grade unter der Dusche. Heute war er extra früh aufgestanden, damit es keinen Streit mit Daimon oder Kim gab. Die beiden schliefen noch tief und fest in ihren weichen Betten und bekamen daher nichts von den Plänen ihres Bruders mit. Als Marcel angezogen war, rauschte er die Treppe runter und Frühstückte hastig eine Schüssel Cornflakes. Dazu trank er ein paar Schlucke aus dem Milchkarton die im Kühlschrank stand. „Hallo. Schon so früh auf den Beinen?“, fragte eine weiche Stimme hinter Marcels Rücken. Er drehte sich um und strahlte über das ganze Gesicht. „Guten Morgen Jeremy!“, rief Marcel gutgelaunt. Sein Bruder schmiss die Kaffeemaschine an und setzte sich hinter den Küchentisch. Er hatte seine langen Haare zusammen gebunden und trug einen blauen aus samt gefertigten, Forettee Bademantel der seine erstklassige Figur betonte. „Warum bist du so gut drauf?“, fragte Jeremy noch ein wenig schlaftrunken. „Haben Attentäter die Schule in die Luft gejagt oder was?“ Er gähnte Herzhaft. „Warum muss es immer einen Grund für gute Laune geben?“, erwiderte Marcel. „Weil ich dich seit vierzehn Jahren kenne“ Aber Marcel ließ sich sein Hochgefühl nicht verderben. Heute würde ein richtig schöner Tag werden! Das sagte ihm zu mindestens sein Gefühl. Er drückte Jeremy kurz und rannte hoch in sein Zimmer um seine Schultasche zu holen. Zufällig schaute er aus dem Fenster um die Sonne anzulachen, und da sah er SIE! Sie stand auf der Menschenleeren Straße und starrte unbeweglich zu Marcels Zimmer hinauf. Im ersten Moment dachte Marcel an eine Sinnestäuschung, das könnte nicht sein. Er blinzelte heftig und ging zum Fenster damit er es öffnen könnte. Das rothaarige Mädchen auf der Straße rührte sich nicht vom Fleck. Sie war eine klassische Schönheit die jedes andere Mädchen mühelos in den Wind stellten konnte. Sie hatte große, himmelblaue Augen und hellrote Haare die in sanften Wellen bis zur Mitte ihres Rückens fielen. Immer noch ganz Fassungslos beugte Marcel sich aus dem Fenster und riss die Augen vor Verblüffung weit auf. Das Mädchen ließ ihm Zeit seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bringen, dann riss sie unerwartet die Arme hoch und winkte Marcel Freunden strahlend zu. Schnell schüttelte Marcel seine Benommenheit ab und begann wie wild mit den Händen zu fuchteln „Bist du es wirklich!?“, rief er ihr grinsend zu. „Ich dachte deine du und deine Eltern wollten erst in einer Woche von Hawaii zurückkommen. Oder wurde es euch zu heiß auf der sonnigen Insel?“ „Na klar bin ich es!“, rief das Mädchen zurück. Sie zog eine beleidigte Schnute, doch ihre Augen leuchteten noch immer vor Aufregung. „Freust du dich den gar nicht mich zusehen!? Soll ich wieder zurück fliegen?“ „Du bist immer noch die alte Zicke, Fee!“ Mit Fee meinte Marcel das lebhafte Mädchen. Sie hieß wirklich Fee, ausnahmsweise war es mal kein Kosename seinerseits. „Und du bist noch immer so frech wie vorher!“ Sie musste ein grinsen unterdrücken, um ihren ernst Gesichtsausdruck bei zu behalten. „Ich komme sofort runter. Ich muss schnell noch etwas erledigen!“, rief Marcel ihr zu und schloss das Fenster dann wieder. Wo Fee wieder in der Stadt war, konnte er endlich sein wahres Gesicht zeigen. In Lichtgeschwindigkeit schälte er sich aus den öden Streber-Klamotten und zog seinen heißgeliebten Visual Kei Look aus dem Kleiderschrank. Das Outfit bestand aus einer Jeanshotpants, einer Netzstumpfhose, hohen Chucks, einen enganliegenden, schwarzen Oberteil und Ellenbogenlangen Armstulpen. Nur noch schnell die Haare zu einem hohen Zopf binden und schon war er fertig und vollkommen zufrieden mit seinem Werk. Marcels Brustkorb wäre vor Freude fast geplatzten, jauchzend rannte er nach unter. Als er jedoch einen Fuß aus der Haustüre gesetzt hatte, packte Jeremy ihn plötzlich am Arm und hielt ihn zurück. Verwundert drehte sie Marcel zu ihm um. Hoffentlich kam jetzt keine negative Bemerkung über seine sehr krasse Klamotten Zusammenstellung. „Wenn du Fee suchst, die sitzt in der Küche.“ sagte Jeremy lediglich mit einen breiten Lächeln. Die zwei gingen in die Küche zurück, wo Fee schon längst am Tisch saß und sich grade Orangensaft in ein Glas schüttet. Marcel war in drei Riesenschritten bei ihr und warf strahlend die schlanken Arme um ihren Hals. Fee war seine beste Freundin. Und ein richtiger Kumpel dazu, der hilfsbereit und verlässlich war. Sie war ebenfalls Vierzehn Jahre und besuchte sogar das gleiche Gymnasium, doch sie ging in eine andere Klasse wie er. Der dunkele, Gothic Lolita Look war Fees Markenzeichen, wie für Kim die unterschiedlichen Augenfarben und die kurzen Strubel Haare. „Warum seid ihr so früh aus dem Urlaub zurück gekommen? Gab es Probleme?“ fragte Marcel und setzte sich auf die Tischkante, den Oberkörper zu Fee gebeugt. „Ja.“, sagte sie und nippte kurz an ihrem Glas. „Unser Flug für nächste Woche wurde gecancelled. Wenn wir nicht den Flug gestern genommen hätten, hätten wir Wochen auf einen neuen Termin warten müssen“ „Oh, das ist schade… Aber hast du dich denn wenigstens erholt?“ Marcel lächelte sie freundlich an. Er freute sich wirklich Fee zusehen. Sicher würde Connor Luftsprünge machen, weil Fee auch seine beste Freundin war. „Natürlich! Mir geht es super. Hawaii ist einfach nur toll, hoffentlich fahren wir da irgendwann mal zusammen hin“ Sprungvoll sprang sie auf um zu beweisen wie super es ihr ging. Ein wenig zu Sprungvoll - sie rutschte auf den glatten Fliesenboden aus und Jeremy, der plötzlich neben ihr stand, musste sie auf fangen. Er zog die perfekt geformten Augenbrauen hoch. „Sei vorsichtig oder du verbringst die nächsten Wochen im Krankenhaus. Dann war der schöne Urlaub für die Katz´“ „Ähm… Danke…. Ich werde in Zukunft besser aufpassen“ nuschelte Fee und wand sich schnell aus Jeremys griff. Schweigen blickte sie auf ihre Füße um ihr Gesicht zu verbergen, das sofort rot anlief. Sie war ein kleinwenig in Jeremy verknallt. Marcel kicherte leise, griff nach Fee´ Hand und zog sie aus der Küche. „Können wir sofort los gehen?“ frage er. „Wir müssen den ersten Bus erwischen, weil mein Unterricht schon um halb 8 beginnt. Der Bus kommt in 12 Minuten“ „Natürlich,“, sagte Fee. Sie schulterten ihre Taschen, und verließen das Haus in aller Frühe. Als sie dann im Bus saßen fielen Connor fast die Augen aus dem Kopf als er Fee neben Marcel erblickte. „Fee….“, stammelte er. „Du bist wieder da. Mensch, wie lang deine Haare geworden sind. Ein Monat ist doch schon eine lange Zeit.“ „Ich habe euch zwei richtig vermisst.“ sagte sie mit deutlich rot angehauchten Wangen. „Ich könnte euch gar nicht vorstellen wie froh ich bin, wieder hier zu sein. Ich gehe meinen Eltern schon auf die Nerven, weil ich immer nur von euch Rede.“ Marcel und Connor quittierten das mit einen breiten Lächeln; Sie wussten dass es der Temperamentvollen Fee sehr schwer fiel, ihren Gefühle offen zu zeigen. Nach einer kurzen schweige Pause blitzen Fee´ Augen plötzlich auf. Sie drehte sich auf ihren Sitz herum, dass sie Marcel und Connor gleichzeitig anschauen konnte. Auf einmal schien sie elektrisiert zu sein, ihre Haare bauschten sich knisternd auf. „Habt ihr schon das Neuste gehört?“, flüsterte sie leise, obwohl der Bus fast leer war. Es war ihre Art spannende Informationen in ein düsteres Licht zu tauchen, damit es aufregender wirkte. Wie ein Nervenaufreibender Horrorfilm. „Was denn?“, zischelte Connor zurück. Er beugte sich nach vorne um seinen Freunden noch näher zu sein. „Jemand ist in die Villa am Höllenberg gezogen. Als ich gestern Abend noch mal mit Rio spazieren gegangen bin und an der Villa vorbei kam, brannte im letzten Stockwerk das Licht.“ „Das wissen wir schon.“ sagte Marcel wenig beeindruckt. „Aber nicht mehr lange. Wenn der Spuck wieder anfängt, sind die Bewohner ganz schnell über alle Berge. Es stand damals ja nicht umsonst dick und fett in der Tageszeitung auf dem Titelblatt, ich zitierte: Haus er Toden. In der alten Villa im kleinen Goathland wurden am Morgen mehr als 32 verstümmelte Leichen gefunden. Das Haus steht schon seit 3 Jahren leer und der oder die Mörder konnten unerkannt fliehen. Bis heute fehlt noch jede Spur von ihnen, die Polizei ist Ratlos. Und weil die Nachbarn nachts immer wieder Geräusche gehört und Schatten gesehen haben, erzählten sie ihren Freunden von den unruhigen Seelen die fortan in dieser Villa ihr da sein fristen mussten. Das ist doch wohl plausibel.“ Er blickte seine Freunde ernst an und wartete darauf dass sie ihm widersprachen. „Es gibt keine Geister.“, meinte Fee vorsichtig, sie erwartete einen Wutanfall von Marcels Sorte. Doch er blieb ruhig und lächelte sie leicht und freundlich an. „Doch, gibt es.“, sagte Marcel und senkte dramatisch die Stimme. „Ich habe euch doch erzählt, was ich mit Sieben Jahren in unserm Haus gesehen habe. Und das war kein Halloween Streich von den Zwillingen, das war echt. Das war ein gemeiner Dämon der aus dem Tor am Höllenberg auferstanden ist. Dieser Berg ergibt wohl das Gate zur Unterwelt…“ Schweigend schauten sich die Freunde an, bis Connor wieder sprach: „Lasst uns heute Abend doch einfach zum Höllenberg gehen und ein bisschen rum schnüffeln. Dann sehen wir ja, wer Recht hat. Am besten Treffen wir uns um Viertel vor zwölf an der Ecke der Jansonstreet, und gehen von dort aus gemeinsam zur Villa. Es wäre toll wenn du Rio mit nimmst Fee, dann es so aussieht ob wir mit ihm Gassi gehen und keiner kann uns blöd Anmachen.“ „Warum denn so Spät? Ich weiß nicht ob ich um diese Uhrzeit mit kann.“, murmelte Marcel etwas verlegen. „Wenn Jeremy um Mitternacht in unsere Zimmer kommt um zu Kontrollieren ob wir schon schlafen, und ich nicht in meinen Bett liege, dreht er mir garantiert den Hals um“ „Dann sagst du ihm halt, das du neuerdings Schlafwandelst.“, meinte Fee. Ihre hellen Augen blitzen lustig auf und sie zog eine Grimasse. „Ich schreibe euch eine SMS, einverstanden?“, schlug Marcel vor und versuchte zu lächeln. Obwohl ihm bei dem Gedanken daran zur Geisterstunde eine verfluchte Villa zu beobachten, eher zum heulen zumute wäre. Doch da er sich seiner Furcht schämte, sagte er nichts. Die Busfahrt ging an diesen Tag ungewöhnlich schnell zu Ende und die drei waren schon fast bedrückt aus, als sie die Schule erreicht hatten. Gleich mussten Connor und Marcel in den Unterricht gehen, und sich vorerst von ihrer Fee trennen. Der Lehrer war noch nicht da und Marcel saß in Gedankenversunken in der Klasse und kritzelte ein paar unförmige Muster auf sein Heft. Connor ging in einen Mathekurs für Fortgeschrittene und könnte ihm daher keine Gesellschaft leisten. Der Stuhl neben Marcel bewegte sich plötzlich. Überrascht, dass jemand neben ihm sitzen wollte, blickte Marcel auf und wurde sofort blass vor Schreck. „Guten Morgen Marcel.“, sagte der weißhaarige Dylan gutgelaunt. Aus halbgeschlossen Augen blickte er zu Marcel auf und fixierte ihn grinsend. Er hatte den Stuhl zu ihm gedreht und die Wange in die Handfläche gelegt mit der er sich auf der Tischplatte ab stützte. „Morgen.“, gab Marcel flüsternd zurück und schnappte nach Luft. Schon wieder verlor er die Fassung da Dylan ihn so tief in die Augen schaute und die ganze Macht seines Blickes entfesselte. „Hast du letzte Nacht schlecht geschlafen? Du siehst so Käsig aus…“ Sorgenvoll schaute Dylan auf die weiße Haut in Marcels sonst so rosiges Gesicht. „Ja es war einfach zu Warm. Ich habe kein Auge zubekommen.“, log er wild drauf los. Man konnte ja nicht sagen das Dylans Augen einem das Blut in den Adern gefrieren ließen. Außerdem hatte Marcel nicht wirklich geflunkert; Während er hier gedankenverloren gesessen hatte waren die anderen Schüler eingetrudelt. Obwohl es erst Fünfzehn oder Sechzehn Grad waren trugen alle kurze T-Shirts und Shorts. Auch Dylan. Obwohl er eher aussah wie groteskes Gothic-Model auf dem Laufsteg. Eine schwarze Baskenmütze verdeckte einen Großteil seiner kurzen, nach allen Seiten abstehenden Haare. Passend dazu trug eine düstere Karottenjeans, halb Stiefel und ein etwas zerrissenes, schwarzes Muskelshirt. Als Dylan den Kopf ein wenig schief legte bemerkte Marcel zum ersten Mal das seine Haare nicht Komplett kurz waren, sonder lang. Ein Rotes Gummiband hielt die weißen Haare im Nacken zusammen, die mindestens bis zu Dylans Oberschenkel reichten. „Und du? Hat dir die Hitze gar nichts ausgemacht?“, fragte Marcel. „Nicht wirklich. Ich habe nie Probleme beim Schlafen.“, gab Dylan als Antwort zurück. Sie mussten ihre Unterhaltung beenden da der Mathelehrer den Raum betrat und die Klasse zur Ruhe aufforderte. Sogleich richtete sich Dylan auf, rückte seinen Stuhl von Marcel weg und packte seine Material aus. Dann faltete er die Hände und blickte konzentriert auf die Tafel. Augenblicklich begann der Unterricht und Herr Brookstone erklärte ihnen das Gleichungssystem von Trapezen und Würfeln. Schüchtern warf Marcel einen Blick zur Seite, während er versuchte Herr Brookstone Geschwafel mit einem Ohr zu verstehen. Aber Dylan schaute nicht rüber, sondern schrieb gelengendlich etwas mit, oder schaute verträumt aus dem Fenster. Als es nach 45 Minuten klingelte erhob sich Dylan so schnell und dass Marcel zusammen zuckte und seine Federmappe vom Tisch schmiss. Ärgerlich seufzte er auf und bückte sich, doch eine weiße Hand kam ihm zuvor und griff nach dem gewünschten Objekt. „Danke.“, murmelte Marcel und griff nach der Mappe. Dylan ließ sie grinsend in seine Hand fallen, drehte sich um und verschwand im Gang, der sich allmählich füllte. Wenig später kamen Connor und Fee zu Marcel und gingen gemeinsam in die Cafeteria. Aber sie hatten nicht viel Zeit zum Essen, da sie gleich Sport hatten und sofort in die Halle mussten. Insgeheim hoffte Marcel dass er Herr Maclynn wieder sah, um noch mal mit ihm zu sprechen. Irgendwie konnte er diesen Lehrer gut leiden. Der Sportunterricht zählte zu Marcels Lieblingsfächern und er verschwand rasch in der Kabine um sich umziehen. Es war das einigste Fach, wo er Klassenbester war. Außerdem war dieses Talent für Sport auch das einigste, was er mit seinen Geschwistern gemein hatte. Doch nicht alle teilten seine glühende Begeisterung. Connor zum Beispiel; Er hatte es bis jetzt immer geschafft, einen Mitschüler oder sich selber zu verletzten. Daher war es auch nicht wunderlich das alle in Sicherheit sprang als Connor beim Völkerball, zum ersten Mal den Ball fing und an der Reihe war. Nach der Doppelstunde Sport liefen die Schüler der 8 B in ihr Schulgebäude zurück und gingen wie gewohnt in die Pausenhalle oder in die Cafeteria. Alle, bis auf Marcel. Er schleppte sich mit einem großen Kühlbeutel im Gesicht durch den Gang, und würde am liebsten Nachhause gehen. Ausgerechnet er hatte den Schmetterball von Connor mit voller Wucht abbekommen. Und das auch noch mitten ins Gesicht, jetzt war seine Nase erst recht kaputt. Ächzend vor Schmerzen stieß er die Klassentüre auch und ging zu seinem Tisch am Fenster. Jemand hinter ihm zog rasselnd die Luft ein. Es hörte sich merkwürdig gequält und heiseren an. Er drehte sich um und erblickte Dylan in der Ecke des Raums stehen. Sein Oberkörper war leicht nach vorne gebeugt, das blasse Gesicht in seine Hände verborgen. Na nu, dachte Marcel, ihm war nicht aufgefallen das der Albino vorhin gar nicht beim Sportunterricht dabei war… „Dylan?“, fragte Marcel verwundert. „Was ist los, ist dir etwa schlecht?“ Dylan antworte mit einem weiteren keuchen und schüttele krampfhaft den Kopf. Marcel spürte dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte und vergaß sogar seinen eigenen Schmerz. Er ging langsam auf ihn zu und streckte seine Hand nach ihm aus. Doch Dylan zuckte zurück als ob ihn jemand einen elektrischen Schlag versetzte hätte, und presste sich gegen die Wand in seinem Rücken. „Marcel verschwinde!“ fauchte er zwischen seine Finger hindurch. „Lass mich in Ruhe! Hau ab, ich will dich nicht sehen. Mach schon!“ Geschockt schaute Marcel Dylan an wich allerdings nicht vor ihm zurück, stattdessen machte er noch einen Schritt nach vorne. „Ganz ruhig…“, sprach er sanft. „Ich will dir nur helfen, mehr nicht. Hast du so große Schmerzen das wir zum Krankenzimmer müssen? Ich kann dich stützen, wenn du nicht alleine gehen kannst“ „Hau – endlich –ab!“ keifte Dylan und riss die Hände von seinem Gesicht weg. Der Anblick verpasste Marcel gleich den nächsten Schrecken. Dylans Haupt war leidvoll verzehr und noch weißer als sonst. Seine Hände zitterten vor Nervosität, und sein Körper bebte schlimmer als jeder Presslufthammer. Doch das aller schlimmste war seinen Augen; Sie leuchteten Purpurrot und schienen von innen heraus zu flackern. Jetzt geriet Marcel ins schwanken und schreckte vor Dylans Erscheinung wirklich zurück. Verängstigt ging er einen Schritt nach hinten, die Hände für den Fall der Fälle auf Kopfhöhe erhoben. Da sprang Dylan auch schon nach vorne, packte ihn mit beiden Händen an den Schultern und warf ihn ob er nur 5 Kilo wiegen würde, über einen Tisch. Marcel rutsche über die Platte und hörte von weitem ein geräuschvolles splittern. Dann fiel er auch schon an der andern Seite des Möbelstückes runter und landete mit dem Gesicht nach unten auf den Boden. Er hatte grade noch genügend Zeit um seine Arme vor den Kopf zerwerfen. Aber es war noch nicht vorbei. Ehe er bewegungslos liegen blieb, rutschte er noch ein Stückchen weiter und riss sich trotz Armstülpen die ganzen Unterarme am Boden auf. In seinem Kopf rumorte es so heftig, dass er gar nicht das Blut bemerkte das mittlerweise aus jeder einzelnen Wunde seines Armes strömte. „Was soll das?!“, krächzende Marcel den Tränen nahe, verstummte jedoch als er die roten Flecken auf dem Boden saß. Er schaute von seinen Arm auf und begegnete mit Schrecken dem schimmernden Rot von Dylans Augen direkt vor seinem Gesicht. Keuchend zog er die Luft ein, aber er atmete nicht mehr aus. Sein Herzschlag versagte für einige Sekunden den Dienst, geriet danach ins stotterten und ging unregelmäßig weiter. Dylan hatte doch sich tatsächlich auf seinen Rücken geworfen und starrte Marcel Mordlustig ins Gesicht. Seine roten Augen waren leer, Tod und kalt. „Dylan….“ wisperte Marcel leise. „Willst du mich etwa… umbringen?“ Ein Zucken huschte über Dylans bizarres Gesicht, danach riss er die Augen weit auf und starrte ihn schockiert an. Er musste schluckten. „Nein.“, sagte er rau und heiseren zugleich. „Ich wollte dich nur Retten“ Er richtet sich auf und zog Marcel mit einer Hand hoch. „Was meinst du?“ Nun war Marcel sichtlich verwirrt. Vor 2 Minuten hatte er noch damit gerechnet das Dylan ihm ins Gesicht schlagen würde, und dann rette er ihm das Leben? Wann soll das bitte schön passiert sein? „Hätte ich dich nicht zur Seite gestoßen, wärst du jetzt schon auf den Weg ins Krankenhaus. Tut mir leid, das ich dabei etwas Grob war.“, sagte Dylan ruhig. Seine Gesichtszüge waren freundlich und ein Lächeln umspielte seine Lippen. Doch für Marcel sah es aus wie eine Maske. „Ich habe nicht gar nicht gemerkt, dass du mich gerettet hast.“, knurrte Marcel sauer. „Nur das du mich angeschnauzt und über den Tisch geworfen hast. Danke auch!“ „Sei mir bitte nicht böse, schau nur!“ Mit dem ausgestreckten Arm deutete Dylan auf die Fenster. Eins von ihnen war zerbrochen; In der Mitte klaffte ein Faustgroßes Loch. Und auf den Boden lag ein Faustgroßer Stein. Irgendein Schüler musste den Stein während der Pause in die Luft geschmissen haben, und dabei war ihm zufällig die Fensterscheibe in die Quere gekommen sein… Marcel drehte den Kopf von dem Fenster weg und blickte in Dylans Augen. Sie waren wieder Golden und tief … und hypnotisiert. Schnell senkte er die Augenlieder, aber das konnte auch nicht verhindern dass er rot anlief. „Tut mir leid.“, nuschelte Marcel verlegen. Dann hob er den Kopf und lächelte ein wenig. „Was für ein Glück das du so gute Reflexe hast. Ich bin dir etwas schuldig“ Mit einem Mal verwandelte sich Dylans Gezwungenes lächeln, in ein wahres Lächeln. „Ach was, du brauchst dich nicht zu Schikanieren. Es ist Balsam für meine Seele andern Menschen zu helfen, das ist Dank genug.“ Marcel funkelte ihn an, er meinte es ernst; „Ich mache keine Späßchen! Wenn es etwas gibt was ich für dich tun kann, sag es mir bitte!“ Ich stehe nicht gerne in der Schuld von andern, fügte er leise in Gedanken hinzu. Zu seiner großen Überraschung streckte Dylan seine weiße Hand nach ihm aus und legte sie auf Marcels Wange. Dieser hielt still schaute ihn schweigend an. Dylan ließ seine Hand langsam und zärtlich von der Wange bis zum Kinn gleiten und berührte dort flüchtig Marcels Lippen. Dann zog er die Hand schnell zurück, schenkte Marcel ein schelmisches grinsen und verschwand ohne ein weiteres Wort aus dem Klassenzimmer. Die Schultasche hatte er lässig über die Schulter geworfen, ehe sich die Türe von selber schloss. Marcel begann zu wanken. Auf einmal war es in der Klasse unerträglich warm, fast kochend heiß. Schnell griff Marcel mit der Hand nach einer Tischkante uns hielt sich an ihr fest. Er musste heftig ausatmen und sich hinsetzten, sonst wäre er an Ort und Stelle umgekippt. Seine Beine zitterten so stark das sie ihn nicht mehr aufrecht halten wollten, und ächzend nachgaben. In diesem Moment klingelte sein Handy in der Innenseite seiner Hosentasche. Es war glücklicherweise bei dem Sturz nicht kaputt gegangen. Er zog es hervor und nahm den Anruf entgegen. „Marcel?“ „Ja wer den sonst, der Weihnachtsmann?“, gab Marcel leicht lächelnd zurück. Als die geliebte Stimme in sein Ohr drang, waren alle Negativen Gefühl wie weg geblasen. Er hörte am anderen Ende der Leitung ein sanftes Lachen und konnte sich leicht sein Bildschönes Gesicht dabei vorstellen. „Schatzilein, du bist eher mein Christkind mit den goldenen Flügeln.“, sagte Jeremy schmunzelnd und wickelte verträumt eine lange Haarsträhne um seinen Finger. „Was gibt es?“, fragte Marcel. „Die Autowerkstadt hat eben bei uns angerufen. Der Jeep ist zum abholen bereit, er schnurrt jetzt wie ein Kätzchen das eine Dose Thunfisch vor der Nase hat. Ich komme euch drei naher von der Schule abholen“ „Wie bitte!?“ rief Marcel schnell. „Es wäre Super wenn du nach der Schule vorbei kommst!“ „Gerne.“ gab Jeremy sanft zurück. „Bis später, ich sag dann noch den Zwillingen Bescheid. Und bitte beeil dich ein bisschen, ja? Ich warte immer noch auf meinen Brief von der Armee“ „,Aye Aye Sire! Auftrag verstanden und wird zu Ihrer vollsten Zufriedenheit ausgeführt. Auf Wiederhören!“, trällerte Marcel und Salutierte sogar. „Auf Wiederhören, Soldat.“ Dann riss die Verbindung ihrer Telefone ab, und man hörte auf Marcels Seite nur ein schnelles Tüten. Die letzten zwei Stunden vergingen so quälend langsam dass Marcel meinte, jemand hätte absichtlich an der Uhr gespielt. Alle paar Minuten schaute er zu ihr, musst aber dann enttäuscht festzustellen das er noch ein- ein halb Stunden Unterricht vor sich hatte. 30 Minuten noch. Er konnte sich jetzt kaum noch auf den Unterricht konzentrieren. Selbst Dylans erschreckender Angriff hatte er vergessen, oder den Volltreffer von Connor. Als es klingelte war er auch der Erste der aufsprang und seine Sachen in die Tasche stopfte. Sein Tischnachbar Connor schaute ihn verdutzt an. „Was ist denn in dich gefahren?“ fragte er mit hoch gezogenen Augenbrauen. „Ach nichts, nur das Jeremy mich und die Zwillinge gleich abholen kommt. Sollen wir dich mitnehmen?“ „Nee, brauchst du nicht.“, sagte Connor. „Meine Mutter kommt mich auch abholen. Ich muss sofort zum Augenarzt“ „Okay, wir treffen uns dann heute Abend um viertel vor Zwölf an der Jansonstreet?“, fragte Marcel während er seinen Stuhl auf den Tisch stellte. Connor nickte. Seine großen Augen hinter den Brillengläsern glühen vor Begeisterung. Als Marcel diesen Gesichtsausdruck sah, brachte er es nicht übers Herz im letzten Moment einen Rückziehen zumachen. So gingen die beiden nach draußen auf den Schulhof und sahen dass mehrere Jugendliche einen Kreis auf dem Parkplatz der Schüler gebildet hatten. „Na super.“, murmelte Marcel mit zusammen gebissen Kiefer und sein Hochgefühl schwoll rasch ab. „Bis später dann, Connor!“ Zähneknirschend drängelte er sich an den Leuten vorbei und krachte fast gegen einen Reifen, der so groß war wie er selbst. Mitten auf diesen Parkplatz stand ein schwarzer Jeep hurricane. Der wendigste, vielseitigste und kraftvollste Geländewagen, der jemals gebaut wurde. Und der gehörte Jeremy Alexander Sandojé, der damit stolz wie Oskar war. Er sah Marcel, zog grinsend seine Sonnenbrille aus und stieg aus dem Auto. Rasch um rundete er den Jeep und hievte Marcel mühelos zu seinem Gesicht hoch, um ihn einen Begrüßungskuss zu verpassen. „Hallo Engelchen…“, hauchte Jeremy zärtlich. Seine Mund schwebte bewegungslos über Marcels Unterlippe, ehe er sie kurz mit seinen eignen berührte und seinen Bruder dann wieder auf die eigenen Beine stellte. Ein murmeln und kichern erfüllte die eben noch fassungslose Runde. Ein paar Mädchen in der ersten Reihe stießen sich in die Rippen, und starrten Jeremy interessiert an. Diesen Blick kannte Marcel nur allzu gut, sie waren scharf auf seinen Bruder. Wie die meisten Weiber, denen sich Jeremy zeigte. Er konnte jedes Mädchen, und bestimmt den einen oder den andern Jungen mühelos um den Kleinenfinger wickeln. Aber Jeremy wollte jetzt noch keine feste Beziehung haben. Also warf er den Mädchen einen entschuldigenden Blick zu und öffnete die Beifahrer Türe für Marcel. Dieser seufzte. An manchen Tagen war er richtig eifersüchtig darauf dass sein Bruder so hübsch und beliebt war. Er legte die Hände auf den Sitz und wollte sich schon hoch ziehen, als Jeremy einen Arm um seine Hüfte schlang und ihn auf den Beifahrersitz hob. Er beugte sich über ihn, schnallte Marcel an und zwinkerte ihm verstohlen zu, als er die Türe zu machte. Fast Zeitgleich saß Jeremy auch schon hinter dem Lenkrad und ließ den Motor gefährlich aufheulen. Das war ein Zeichen für Daimon und Kiley, die hoffentlich bald kommen würden. Ohne nach hinten zuschauen schlängelte Jeremy den Monster Jeep an den andern Autos und Schülern vorbei, dann drückte er mit den Handballen auf die Hupe. Ein paar besonders nahe Schüler sprangen erschrocken zu Seite. „Wie geht es dir heute?“, fragte Jeremy freundlich. „Ganz gut.“, sagte Marcel leichthin. Das war nur ein Teil der Wahrheit, jetzt in diesem Moment ging es ihm gut, aber vor 3 oder 4 Stunden wäre er noch am liebsten gestorben. Unwillkürlich musste er an Dylan denken, und seinen verzehren Gesichtsausdruck. Jeremy witterte die Lüge und legte seine flache Hand auf Marcel Knie. „Wirklich…?“, seine Stimme war nur ein leises zischen. „Was ist denn da mit deinen Armen passiert?!“ Ohne eine Erklärung abzuwarten zog Jeremy den Arm seines Bruders zu sich und streifte die Armstülpen ab. Über sein perfektes Gesicht huschte ein dunkler Schatten, dann fletschte er plötzlich die Zähne und Marcels Arm zuckte zurück. Doch er blieb feste in Jeremys stahlharten Griff gefangen. „Bist du hingefallen?“, fragte Jeremy barsch. „So in etwa.“, antwortete Marcel mit zittriger Stimme. Die Hand auf seiner Kniescheibe drückte leicht zu und er zog schnappend die Luft ein. AUA! Sein Knie war doch kein Knetball! „Das ist die Wahrheit!,“ japste Marcel. Er schloss die blauen Augen und kämpfte gegen das jehe Schwindelgefühl an, das ihn noch heftiger zittern ließ. In seinen Gedanken huschte immer noch Dylans Gesicht herum. Doch er wollte sein Gesicht nicht sehen, dafür hatte es ihn zu sehr geschockt. Fast genauso gern hatte er Jeremys Gesicht nicht gesehen, das ihm plötzlich ganz nah gekommen war. Jeremy legte seine kühle Wange auf Marcels Gesicht und zog seinen Duft ein. „Beweg dich bitte nicht…“, zischte er in Marcel Ohr. Was eigentlich gar nicht mehr nötig war, da Marcel jetzt schon einer Statue glich. Das Schwindelgefühl wurde stärker, fast unerträglich. Am liebsten hatte er sich wimmernd an Jeremys Lederjacke gekrallt. Sein Herz fing an zu toben und er war sich sicher, seine Beine wären weggeknickt, wenn er nicht schon längst gesessen hätte. Eine merkwürdige Wärme schlich sich in die Stelle die Jeremy berührte. Ein Seufzer kroch über seine trocknen Lippen… „Jeremy…“, krächzte Marcel heiseren. „Hör bitte auf, du bringst mich um den Verstand… Nimm deine Hand da weg! Das kribbelt wie Sau…!“ „Erst sagst du mir die Wahrheit.“, lautete die raue Antwort. „W… Was willst du über- überhaupt wissen?“ „Alles.“, zischte Jeremy. Er hob die Hand an, die nicht auf sein Knie lang und streichelte mit seinen Fingern über Marcel Kehle. Dann keuchte er gequält; der Geruch der von ihr ausging war so Köstlich, das er sich schwer zusammen reißen musste. Anderseits musste er die Wahrheit erfahren. Wenn jemand Marcel wahrhaftig geschlagen hatte, müsste der dem Kerl alle zu verfüg stehenden Knochen brechen. „Raus mit der Sprach!“, sagte Jeremy nun etwas fester. „Du bist nicht hingefallen, nein. Du hast überall blaue Flecken. Hat dich jemand verprügelt? War es dieser Dylan, der so anders ist? Hat er dich angefasst? Marcel, sag es mir jetzt!“ Jemand der so eine Ausstrahlung wie Jeremy hatte, brauchte gar keine Medikamente um einen andern Menschen in Trance zu versetzten. Ein Blick, oder eine bloße Berührung reichten oftmals aus. Er Schnallte Marcel ab und zog ihn über den Sitz, auf seine Seite. Der Kleine atmete sich nicht einmal mehr. Was für ein Glück das die Scheiben getönt und die Türen verriegelt sind, dachte Jeremy leicht sarkastisch, bevor noch einer auf die Idee kommt, das ich mich hier an meinem kleinen Bruder vergreife. Ein schneller Blick in den Rückspiegel sagte ihm, dass seine Angst jedoch unbegründet war. „Hey…“, zischte er. „Was ist nun? War es Dylan, Ja oder Nein?“ „Nein.“, flüsterte Marcel kraftlos. „Ich bin halt so dämlich hingefallen. Dylan hat damit nichts zu tun. Glaub mir…. Lässt mich jetzt wieder los? Mir ist schon schwarz vor den Augen.“ „Dein Wort in Gottes Ohr!“ Jeremy schnaubte befriedigt und setzte Marcel wieder auf seinen Platz zurück. Dann strich er sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht und öffnete das Fenster. Von weiten sah er Daimon und Kim auf den Wagen zukommen. Marcel füllte raschelnd seine Lunge und wischte sich verstört den kalten Schweiß von der Stirn. Er konnte sein galoppierendes Herz immer noch in der zitternden Brust fühlen, und er musste sich daran erinnern dass er ein Mensch war, der weiter zu atmen hatte. Jemand wie Jeremy brauchte tatsächlich keine Schläge und Wörter um sein Anliegen auszudrücken. Er warf seinem Bruder einen schüchternen Blick zu, der grade die Autotüren entriegelte. Eine Sekunde später öffnete sich die hintere Türe und Kim setzte sich ins Auto. Daimon folgte ihm unauffällig und zog die Türe hinter sich zu. „Hallo Jerry!“, sagte Kim lächelnd, „Danke, dass du uns abholst“ Jeremy quittierte Kim Lächeln mit einem heben der Mundwinkel. „Und, gibt es etwas neues in der Schule?“, fragte er ruhig, während er den Jeep auf den Highway lenkte. Unbewusste legte er den dritten Gang ein und brauste los. Die Tachometernadel jagte von 20 km/h auf 50 Km/h hoch, Jeremy schaltete in den 4 Gang. Auf den hinteren Sitzen regte sich Kim grade genüsslich, und Daimon antworte für ihn. „Das übliche halt; Öde, Nervig und Sinnlos. Ich bin froh wenn ich naher ins Fitnessstudio hoch kann, um meinen Aggressionen abzubauen. Apropos Aggressionen….“ Daimon helle Augen verdunkelten sich bedrohlich. „Warum sitzt die kleine Ratte, –Sorry Jeremy – warum sitzt Marcel vorne, und nicht Kim. Er ist neben dir der Älteste“ Noch in voller Fahrt drehte Jeremy den Kopf nach hinten und warf Daimon einen bösen Blick zu. „Weil ich ihn hier, bei mir haben will.“, zischte er leicht zornig, dann drehte er sich zur Straße zurück. Marcel versuchte dir abwertende Bemerkung aus seinem Gedächtnis zu vertreiben, und nestelte nachdenklich an seinen schwarzen Stulpen herum. Dabei schaute er geistesgegenwertig aus dem Fenster und der wolkenlose Himmel lies gutes Wetter vermuten. Doch er kannte das tückische Wetter in Goathland und lies sich von diesem ersten Schein nicht blenden. Mit ein bisschen Glück, würde es sogar anfangen zu Regnen und dann könnten sich Connor und Fee ihren dämlichen Ausflug zum Höllenberg in die Haare schmieren… Bitte, Bitte lieber Gott! Öffne die Schleusen deines Himmels und lass es wie aus Sturzbächen gießen! Marcel verlor sich für einige Momente in seine trüber werdenden Gedanken… Währenddessen grinste Daimon auf der Rückbank bloß schief, zog eine Zigarette aus der Hosentasche und klemmte sie sich zwischen die Lippen. Ganz automatisch ließ Jeremy seine Finger über den Bordcomputer gleiten, um die hintern Fenster runterlassen. „Danke.“, nuschelte Daimon und kramte ein Feuerzeug auf der anderen Jackentasche und zündete den Glimmstängel an. Er blies den Rauch auf dem Fenster und seufzte tief, wie immer, wenn er den beißenden Rauch inhalierte. „Du hast doch schon eben deine Sucht befriedigt, in letzter Zeit Rauchst du echt verdammt viel. Das ist nicht gut für deine Gesundheit, mein Lieber!“, murmelte Kim und zog Daimon die Kippe aus den Mund, um selber einen Zug nehmen. Langsam beugte er sich über seinen Zwilling hinweg und blies den Rauch nach draußen. „Du Rauchst aber genau so viel!“, zischte Daimon ärgerlich als seine Kippe entführt wurde. „Tue ich gar nicht. Doch ich kann nicht widerstehen wenn, du neben mir qualmst“ „Dann beherrsch dich mal! Immerhin Studierst du Medizin, und willst Arzt werden“ Daimon schnappte nach dem Glimmstängel und grinste gemein als er den empörten Blick von Kim sah. „Ach Kimi-Maus!“, lachte er und streichelte mit zwei Fingern über Kims blasse Wangenknochen. „Nun guck doch nicht so böse. Oder ich kriege Angst vor dir und dann schlafe ich heute Nacht bei Jerry!“ „Kannst du gerne machen!“, zischte Kim. „Aber dann für immer! In mein Zimmer kommst du nicht mehr rein!“ Das Tachometer zeigte mittlerweile mehr als 100 km/h an und Jeremy schaltete noch einen Gang höher. Er hatte die Unterhaltung seiner Brüder heimlich belauscht. „Das würde mir gefallen Daimon, solange du nicht mit mir füßelst ist alles in Ordnung.“ sagte er grinsend. „Das macht mich nämlich so richtig an, und du hättest in diesen Moment mehr als nur Pech. Ich hoffe du stehst auf BDSM, mein Süßer.“ „Dann penne ich doch lieber bei Kim.“, meinte Daimon knirschend und biss so langen auf seinen Lippenpiercing herum, bis Kiley ihm schließlich die Zigarette zurück gab. Er wurde noch wütender als er sah dass sich Kim und Jeremy verstohlen an grinsten. Dann hob Kim lachend die Hand und tätschelte dankbar die muskulöse Schulter von Jeremy. „Ja ja… macht euch nur über mich lustig, aber das werdet ihr zurück kriegen. Verlasst euch darauf…“, knurrte Daimon, zog ein letztes Mal an der Kippe und schmiss sie danach aus dem Fenster. In 10 Minuten würden sie zuhause in die Garage rollen, und dann konnte er seinem Ärger Luft machen. „Jetzt sei doch nicht so schüchtern, du musst für alles offen sein! Außerdem werde ich dich nicht unnötig Quälen, so Sadistisch bin ich nun auch wieder nicht. Obwohl ich ja der Dominante von uns sein werde. Ich hoffe doch sehr dass du dich fügen kannst. Sonst tue ich dir richtig weh…“ sagte Jeremy mit einen gespielten Knurren in der weichen Stimme und blickte in den Rückspiegel, damit er Daimons Gesicht sehen konnte. Seine Wangen waren deutlich rot angehaucht, der Blick bockig in den Himmel gerichtet. Jeremy seufzte. Ein paar Minuten später lenkte er den Jeep in die Einfahrt und parkte vor der Garage. Der Motor kam rumpelnd zum stehen und Jeremy zog den Schüssel aus der Zündung. Sanft stupste er Marcel an. Verträumt riss dieser die Augen auf und starrte blinzelnd zu Jeremy hoch. „Ah~“, er musste kurz gähnen. „Ich bin wohl ein geschlafen. Sind wir schon da?“ Jeremy nickte lächelnd. „Hast du Hunger? Ich habe noch etwas von dem Nudeln-Auflauf im Kühlschrank stehen“ Mmmm. Marcel schmatze anerkennend und sprang aus dem Auto. Zwei Sekunden nach ihm stiegen Kim und Daimon aus, und schlendernd langsam zur Haustüre. Kim schloss die Wohnung auf und hing seine Jacke in die Garderobe. Schnell flitzte Marcel in die Küche und holte den Auflauf aus dem Kühlschrank. Er tat die Nudeln auf einen Plastikteller und schob diesen in die Mikrowelle. Inzwischen hatte sich Daimon ins Wohnzimmer geschleppt und auf das große, Haselnussbraune Sofa geschmissen. Er warf den Kopf zur Seite und ein paar rote Strähnen flogen umher. „….Kiley Sandojé….“, rief er rau. Sein Zwilling steckte den Kopf durch die Türe und schaute ihn verwundert an. „Sein wann nennst du mich so, Daimon Samuel Sandojé?“ „Seit 3 Sekunden. Holst du bitte mal Jeremy…“ „Okay“ Es dauerte nur wenige Augenblicke bis Jeremy den Raum betrat und sich neben Daimon setzte. „Was möchtest du?“ fragte er seelenruhig, mit einer großen Tasse Kaffee in den Fingern. Rasch warf Daimon einen Blick zu Küche. Marcel saß am Küchentisch und las verträumt einen Artikel in der Fernsehenzeitung. Nach einer kurzen Schweigepause: „Ich habe Hunger.“, flüsterte Daimon leise. Jeremy verschüttete etwas von seinem Getränk auf den Wohnzimmertisch. Sein Kopf drehte sich so schnell zu Daimon, das diese Bewegung vor Daimons Augen verschwamm. „Ich habe noch etwas im Keller da. In der Kühltruhe.“, flüstere er todernst zurück. Aber Daimon schüttelte den Kopf. „Nicht dieses alte Zeug, schon alleine der Gedanke daran verursacht mir Magenschmerzen. Ich brauche etwas Frisches zwischen den Zähnen. Ich habe das getrocknete Blut an Marcels Armen gerochen, und ich sag’s dir, wäre ich alleine mit ihm gewesen… hätte ich ihn angefallen.“ Als Jeremy wieder zu Atem gekommen war, berührte er blitzschnell mit den Fingerkuppen Daimons Mund. Seine langen Reißzähne waren deutlich unter den Lippen zu spüren. Jeremy beugte sich etwas runter, um noch leiser zusprechen. „Okay, ich bleibe hier bei Marcel und du gehst mit Kiley auf die Jagt. Still deinen Hunger so gut du kannst, und komm dann wieder. Aber denk daran: Nur Obdachlose oder Todkranke. Die Opfer verbrennt ihr dann… wie üblich halt.“ „Ich weiß. Mach dir keine Sorgen um uns.“, gab Daimon ruhig zurück. „Wir kommen in einer Stunde zurück.“ „Seit vorsichtig.“, warnte Jeremy mit funkelnden Augen. „Sicher, bis Später“ Daimon stand auf und ging nach draußen zu dem Wald wo er Kim vermutete. Sein Bruder war eben der absolute Naturfreak, und außerdem lebte dort im Dunklen Wald noch jemand, denn Kim gerne Gesellschaft leistete. „Jeremy?“, rief Marcel plötzlich von der Küche aus. Sein Bruder horchte auf und spitze die Ohren. „Ja Liebling?“ „Heute ist Freitag, oder? Darf ich bei Connor übernachten? Wir wollen eine Nachtwanderung durch das Dorf machen“ fragte der Kleine und schickte einen stummes Stoßgebet in den Himmel. Hoffentlich sagte er ja. Und hoffentlich fragte Jeremy nicht wo sie hin wollten… „Kommt darauf an. Wohin willst du denn?“, bohrte Jeremy misstrauisch. VERDAMMT! „Ich treffe mich mit Connor und Fee an der Jansonstreet.“ Da Marcel in der Küche saß hörte er nicht das leichte Knurren, welches sich aus Jeremys Brust schlich. „Und warum gehst du denn so spät? Geh doch sofort nach dem Essen, dann läufst du wenigstens nicht Alleine im Dunkeln herum.“ Ärgerlich holte Marcel den Teller aus der piependen Mikrowelle und schob sich einen Bissen Nudel in den Mund. Er schaute konzentriert auf den Kalender an der Küchenwand, und entdeckte ein paar schwarze Schatten auf dem Papier. Jetzt musste er Taktisch vorgehen, und schluckte die Nudeln runter. „Aber es muss doch Dunkel sein! Wir schreiben immerhin ein Referat über Fledermäuse in ihrem natürlichen Lebensraum. Und die kann man halt nur im Dunkeln beobachten. Du brauchst dir aber keine Sorgen um uns zu machen, Fee nimmt ihren Hund Rio mit. Das ist ein Monstrum von einem Vierbeiner, der könnte sogar dich umhauen. Rio ist nämlich ein 70 cm großer Hovawart. Diese Rasse ist sehr intelligent und hat einen Ausgeprägten Beschützerinstinkt. Mit ihm an unsere Seite, traut sich nichts und niemand in unsere Nähe. Danach Übernachten wir bei Connor auf dem Dachboden. Bitte sag ja, Bruderherz!“ Einen Augenblick lang dröhnte vollkommene Stille in Marcels Ohren, als er seine Notlüge ohne mit der Wimper zu zucken rübergebracht hatte. Nun musste Jeremy ihm einfach glauben! Stumm betrat sein Bruder die Küche und stelle die leere Tasse auf der Spülfläche ab. Er drehte sich auf den Fersen herum und warf Marcel einen ernsthaften Blick zu. „Ich gebe mich geschlagen, du darfst mit den zweien rausgehen wenn es unbedingt sein muss“ Na endlich! Dachte Marcel verzückt, und wollte sich schon an Jeremys Brust werfen als ein gezischtes >aber< ihn erschreckte. Jeremy stellte sich genau vor Marcel hin. Seine Augen waren so kalt wie Eis, aber so rot wie zwei leuchtende Rubine; Und ersten Mal in seinen Leben begriff Marcel warum ausgerecht Jeremy der Kommandierenden Offizier der US Special Operations Command war, und niemand anders. Der Ausdruck der in seinen Augen lag, war schrecklicher als sich Marcel es je hätte vorstellen können: Kein freundliches Lächeln in seinem Engelsgesicht, kein gütiges glimmern in den Blutroten Augen. Die Aura die von Jeremy ausging war beinahe körperlich zu spüren; sie war eiskalt und glühend heiß zugleich. „Aber…“, zischte Jeremy noch einmal. „Wenn du mich angelogen haben solltest – egal aus welchen Gründen – kriegst du die bitteren Konsequenzen zu spüren. Ich habe dich noch nie angebrüllt. Ich habe noch nie die Beherrschung in deiner Gegenwart verloren. Ich habe dich auch noch dich nie geschlagen, Marcel. Aber wenn du grade geschwindelt hast, werde ich mich vergessen und mit all diesen Sachen auf dich einstürmen. Haben wir Zwei uns verstanden?“ Plötzlich schaute Jeremy seinen kleinen Bruder genau in die Augen. Ein schmerzhaftes zucken durchfuhr Marcels Körper und lähmte ihn sofort. Angst schnurrte ihm die Kehle zu. Selbst als er vor wenigen Tagen von Daimon zusammen geschlagen wurde, hatte er noch nicht so eine Angst wie jetzt verspürt. „Ist ja schon gut…“ sagte Marcel mit piepsiger Stimme. „Wir stellen nichts Dummes an, trinken kein Alkohol und Rauchen auch nicht. Connor, Fee und ich müssen echt nur an diesem Referat arbeiten“ Jeremy schaute Marcel skeptisch an, ehe er erschöpfte seufzte und sich auf den nächstbesten Stuhl fallen ließ. Bei Daimon und Kim hatte Die-böser-Bruder-einschüchterungs-Methode immer gewirkt. Aber nicht bei seinen süßen Engel… „Du wirst mich nicht anmotzen oder schlagen? Stimmt’s Jerry? Das würde dir dein goldenes Herz in Stücke reißen! “ sagte Marcel und machte eine Schnute. Er schmollte. „Da hast du vielleicht recht…“, knurrte Jeremy sanft. „Aber Daimon würde es sicher tun“ „Das wiederum wurdest du nicht zulassen!“ Siegessicher grinste Marcel Jeremy an, diese Wortschlacht hatte dann wohl er gewonnen. „Ich könnte dir andere, noch tausendmal schlimmere Sachen antun. Aber dann hätte ich die Polizei und das Jugendamt auf der Türschwelle stehen.“, murmelte Jeremy beleidigt und starrte grimmig Löcher in den Küchentisch. Das war ja wohl die Höhe! Was erlaubte sich dieser Giftzwerg eigentlich? Wie verabredet trafen sich Marcel und Connor um viertel vor Zwölf, an der der Ecke der Jansonstreet. Sie waren pünktlich zur Stellen; doch Fee erschien nicht. Sie warteten noch 5 Minuten auf sie, dann liefen sie zur der Villa, um die Geisterstunde nicht zu verpassten. „Sie weiß ja wo wir sind“ sagte Connor, „Wenn sie hier an kommt, wird sie uns schon finden“ Das Wetter war scheußlich, kalt, nass und über aller knackten trockene Äste und welkes Laub raschelte. Eine weiß gelbe, strahlende Laterne spendete etwas Licht, in dem sich Körperlose Schatten bewegten. Außer Marcel und Connor schien an diesem Abend niemand unterwegs zu sein. Trotzdem waren sie sehr vorsichtig, immer bereit hinter dem nächsten Busch in Deckung zu gehen. Irgendwann holte Marcel sein Handy hervor und guckte auf dem leuchtenden Display; Nach seiner Uhr zu urteilen, hatten sie noch 4 Minuten bis Mitternacht. Die zwei Freunde beschleunigten ihre Schritte und erreichten die alte Villa. Im Vorgarten standen ein paar dicke Tannen, wild wachsende Efeuranken umzingelte das Haus mit den blanke Fensterscheiben und den weißen, kalten Mauern – selbst im hellen Mondlicht sah die Villa noch gespenstisch aus. Auf einem Messingschild am Gartentor neben der Klingen stand das Wort: Verkauft Marcel und Connor begaben sich zur anderen Straßenseite, wo sich hinter einem Baum verstecken und das Haus besser sehen konnten. Von irgendwo her schlug die Kirchturmuhr 12 Mal. Jetzt konnten alle Geister und Dämonen rauskommen! Gespannt warten die beiden. Die Villa lag dunkel und still auf dem Berg, nichts regte sich hinter den blinden Fenstern. Eine viertel Stunde verging. Weder Fee noch ein Geist erschien. Bloß wurde es ihnen kalt. „Sollen wir uns nicht besser zu der Villa schleichen? Soweit ich weiß, haben die Geister bis 1 Uhr Ausgang. Von hier aus sehen wir vielleicht gar keins…“, flüsterte Marcel. „Ich will aber gar kein Gespenst sehen!“, zischte Connor zurück. „Ich will nur wissen, wer hier eingezogen ist. Du weißt ja, mein Vater ist Reporter und Hobbie Defektiv.“ Connor Vater hatte damals mit diesen Fall zutun, und lieferte der Zeitung eine ziemlich gute Story. Er bekam viel Geld von der Presse, doch dann hatte er diesen Unfall. Er hatte seiner Familie später erzählt, als er aus dem künstlichen Koma erwacht war, dass er grade in den Keller runtergegangen war um dort noch mehr Fotos zuschießen Und da passierte es plötzlich; Connors Vater spürte einen eiskalten Luftzug und sah etwas Weißes vor seinem Gesicht auftauchen. Es war eine riesige Hand. Sie schlug nach dem Mann. Mit Leibeskräften versuchte er sich zu wehren, aber er hatte keine Chance und sie stürzte ihn schließlich die Treppe runter. Durch den Aufprall zog er sich 4 Rippenbrüche, ein Schädel-Hirn-Trauma mit einer folgen Hirnblutung, und viele dicke Blutergüsse zu. Die Ärzte meinten es wäre Unmöglich das er wieder als Reporter arbeiten könnte, aber er kämpfte für seinen Traumberuf und heute rannte Herr Lowery wieder mit seiner Kamera durch die Gegend. Einen Moment lang war Connor in seinen Gedankenversunken und lächelte leicht. Dann nickte er mit dem Kopf zur Villa „Komm Morsi, wir kriechen unter die Tanne im Vorgarten. Da ist es bestimmt gemütlicher als hier. Und wir sind ganz nah am Haus und können hören, wenn drinnen etwas passiert.“ Marcel war einverstanden. Nichts wie weg aus der Kälte! Fröstelnd zog er seine Armstulpen höher, bevor sie über die Straße liefen. Alles war dunkel, weder Stimmen noch Schritte waren zuhören. Dann kletterten sie über das Gartentor (beim öffnen könnte es ungeahnt quietschen), krochen unter den großen Tannenbaum und warteten weiter. Der Mond am Himmel verschwand hinter einer düstern Wolkendecke, und tauchte wieder auf. Die Zeit zog sich dehnen in die Länge. Marcel gähnte und schob sich tiefer unter die Tanne. Hier war es wenigstens schön warm. Auch Connor wurde langsam müde, er schaute träge auf seine beleuchtete Armbanduhr. „Gleich viertel vor eins – und immer noch nichts das kleine Gespenst.“, flüsterte Connor enttäuscht. „Wenn wir später zu mir gehen müssen wir ganz leise sein, oder meine Mutter killt uns. Schlimmstenfalls ruft sie Jeremy an…“ „Oh nein, bitte nicht. Der war schon am Mittag so schlecht gelaunt, ich glaube er hat gemerkt, dass ich ihn belogen habe. Aber wenn deine Mama ihm auch noch erzählt, dass wir uns nach zwölf Uhr in fremden Gärten rum schleichen, dreht er mir den Hals um.“ „Nur noch 13 Minuten… das schaffen wir noch. Aber ich frage mich warum Fee nicht gekommen ist, normalerweise hätte sie uns zumindest angerufen“ gähnte Connor. Die Freunde beschlossen, zunächst einen Kontrollgang zu machen und dann Nachhause zugehen. Das Haus stand an einer Seite frei. Sie schlichen herum und stellten fest, dass alle Fenstern und Türen verschlossen waren. Sie können nicht einmal den kleinsten Blick in die Villa werfen. Das war wirklich frustrierend! Da hatten sie sich hier im wahrsten Sinne des Wortes die Füße abgefroren, ohne auch nur ein winziges Erfolgserlebnis zuhaben. Langsam und missmutig gingen sie zum Haus von Connors Eltern, es war ungefähr ein Zehnminütiger Fußmarsch. Connor wohne nur vier Hausblöcke von der Villa entfernt, und kam hier jeden Tag nach der Schule vorbei. Letzten Endes erreichten sie das Haus und Connor schloss leise die Wohnungstüre auf. Sie waren so müde, das sie die beiden Autos auf der anderen Straßenseite gar nicht bemerkten; eins war groß und schwarz, das andere klein und Silberfarbend. Connor war schon in begriff das Licht im Flur einzuschalten, als ihn plötzlich ein berg Haare erfasste und über den Haufen rannte. Er ließ einen ersticken schrei los, als er auf den Rücken landete und etwas feuchtes, warmen ihm die Brille von seiner Nase leckte. Es war der gigantische Hovawart Rio. Der Hund freute sich unheimlich Connor zusehen, da er Fee oft besuchen kam und ihm gelegentlich Leckereien mitbrachte. „Rio….“, krächzte Marcel mehr als nur verwirrt, und zog ihn von Connors Schultern runter. „Wie kommst du den hierher?“ Rio machte eine kleinen Sprung, und stupste seinen zweiten Freund zärtlich mit der Nase an. Heute war anscheinend sein Glückstag! Vor lauter freute verpasste der Hund Connor mit seiner wild wedelnden Route eine haarige Ohrfeige. Plötzlich öffnete sich die Wohnzimmertüre einen Spaltbreit und Fee erschien im Türrahmen. Ihr schönes Gesicht war gerötet und die großes Augen geschwollen. Anscheinet hatte sie vor kurzem geweint. „Da seid ihr ja endlich…“, krächzte sie mit rauer Stimme. Dann machte sie einen Satz nach vorne und warf sich schlunzend an Marcels Brust. „Wo warst du Fee, warum bist du nach hier gekommen und hast geweint? Ist etwas passiert?“ fragte Marcel leise und streichelte zaghaft über Fee zitternden Kopf. „Oh nein… ihr werden gewaltigen Ärger kriegen!“, keuchte sie und neue Tränen spritzen ihr aus den Augen. „Es tut mir so leid, dass ich euch nicht mehr warnen konnte. Ich bin wie versprochen um halb elf mit Rio los gegangen, und dann kamen deine Eltern mit dem Auto vorbei, Connor. Sie haben mich ganz überrascht angeguckt, und gefragt wo ihr zwei seid. Ich war zu diesem Zeitpunkt vollkommen überrumpelt und hatte Angst. Ich erzählte ihnen irgendetwas Hirnrissiges, was weder Kopf noch Fuß hatte! Natürlich wurden sie Misstrauisch und nahmen mich mit nach hier. Dann riefen sie meine Eltern an, und mussten gesagt bekommen das wir angeblich bei Marcel übernachten würden. O Gott…. Wie sie eben mit mir geschimpft haben, ich habe nur noch geheult. Und danach… danach riefen sie bei Marcel Zuhause an. Ihr könnte euch ja denken, was dein Bruder zu ihnen gesagt hat; Er wusste nur, dass wir eine Nachtwanderung im Dorf machen wollten und dann bei Connor schlafen würden. Auf jeden Fall sind meine Eltern und Jeremy jetzt hier. Sie warten in der Küche auf euch. Beeilt euch lieber, sie sahen echt wütend aus…“ Kapitel 5: Zwischen Feuer und Eis --------------------------------- Marcel warf Connor einen Blick zu, der bereits alles sagte: Hoffentlich hatte Fee ihren Eltern, beziehungsweise Bruder, nicht erzählt wo sie in dieser Nacht hin wollten, beziehungsweise, auch gewesen waren… Langsam, mit eingezogenen Köpfen, betraten die beiden die Küche und begegneten sogleich den zornigen Augenpaaren von 5 Erwachsenen. Ohne zu zögern machte Jeremy einen Schritt nach vorne, weg von den Eltern, und stemmte seine Hände in die schmalen Hüften. Erstaunlicherweise sah er einem bösen, rachsüchtigen Engel erschrecken ähnlich. „So so, wie schön das ihr auch noch mal kommt…“, zischte Jeremy Rasiermesser scharf. „Wie war das noch mal mit einem Referat über Fledermäuse? Ich glaube da hast du ein kleinwenig gelogen, oder Marcel? Fledermäuse halten sich nicht NUR am Höllenberg auf!“ Marcel musste heftig schlucken, und spürte mit Schrecken wie sich ein dicker Kloß in seinem Hals bildete. Um Himmelswillen, Nein! FEE! Unweigerlich verließ Marcel sein Glück…Hilflos bemerkte er, wie die Verzweiflung langsam sein Herz umklammert. Der zierliche Junge strengte sich an, seine Tränen zu unterdrücken; Die geröteten Augen würden ihn nur verraten und noch mehr in Schwierigkeiten bringen. Marcel öffnete den Mund um zu etwas zu sagen, doch kein Ton kam über seine zitternden Lippen. Er wagte es nicht, Jeremy lange anzusehen. Stattdessen sah Marcel unterwürfig zu Boden und versteckte somit seine Augen hinter seinem Pony. „Schau mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!", wurde er abrupt aus seiner Starre gerissen. Marcel zuckte zusammen und tat wie ihm befohlen. Sein Magen zog sich Krampfhaft zusammen, als er in die eiskalt starrenden Augen blickte, die ihn in der Zwischenzeit finster musterten. Also setzte Marcel eine arglose Mine auf, und versuchte so verwirrt zu gucken wie es ging. Er hatte das Gefühl, als stände er dem Leibhaftigen gegenüber… Connors Eltern waren nicht so ruhig wie Jeremy und stürmten sofort auf ihren Sohn ein. Connors Mutter, Frau Lowery, eine sehr kluge und sonst so ruhige Frau, packten Connor am Oberarm uns schleppte in sein Zimmer. „Wir sehen uns dann Montag in der Schule, Marcel und Fee!“ konnte er grade noch rufen, bevor Frau Lowery seine Türe zuknallte und anfing ihren Sohn zu beschimpfen. Danach ging alles recht schnell. Mit einem leidverzehren Gesichts Ausdruck und wässrigen, rot geweinten Augen verabschiedete sich Fee und fuhr mit ihren Eltern Nachhause. Auch Marcel und Jeremy gingen ziemlich zügig auf den Jeep zu, der gegenüber von dem Haus der Lowerys geparkt worden war, und lautlos auf sie gewartet hatte. Tatsächlich war Jeremy so wütend das er die ganze Fahrt über kein einziges mehr Wort rausbrachte und sich Marcel erst vorknöpfte, als die Haustüre in die Angel gefallen war. Marcels persönliches Todesurteil. Jeremy schrie den Kleinen solange an, bis ein äußerst gereizter Kiley die Treppe runter gestürmt kam und fragte ob sie einen Krankenwagen und eine Zwangsjacke nötig hätten. Daraufhin hatte Jeremy ein kurzes einsehen, oder keine Luft mehr zum Schreien, und jagte Marcel stattdessen hoch in sein Zimmer. Kraftlos ließ er sich auf seinen Stuhl am Schreibtisch sinken und atmete pfeifen aus. Unten in der Diele war es inzwischen ruhig geworden und Kim ging in sein eigenes Zimmer zurück. Marcel schnappte sich einen frischen Pyjama und huschte lautlos ins Badezimmer am Ende der Etage. Sein Herz hämmerte wie verrückt gegen seine Rippen, ob es mit aller Kraft versuchte aus dem Körper zu brechen. Er wollte keine Sekunden länger im Bad bleiben als notwendig, und auf dem schnellsten Weg unter seine Bettdecke kriechen. So putzte Marcel sich hektisch die Zähne und stellte sich danach unter die Dusche. Das warme Wasser beruhigte seinen aufgebrachten Puls und entspannte seine verkrampfte Muskulatur. Er atmete den Duft des Shampoos tief ein, und ein kleiner Seufzer schlich sich aus seinem Mund. Die vertraute Umgebung gab Marcel das sichere Gefühl, das Morgen die Welt bestimmt wieder anders aussehen würde. Er müsste sich einfach nur bei Jeremy entschuldigen… Ohne es zu merken fielen ihm die Augen zu und er rutschte erschöpft, an den warmen Fließen gelehnt, auf den Boden und sank in einen kurzen Dämmerschlaf. Aber nicht für sehr Lange; Jemand schlug laut gegen die Badezimmertüre und eine schrille Stimme holte Marcel in die Realität zurück. „Spinnst du? Es ist 2 Uhr Nachts, wie kannst du dich da noch Duschen?! Wegen diesem Krach können Daimon und ich nicht schlafen!“, fauchte Kim mit funkelnden Augen, die Marcel jedoch nicht sehen konnte, und hämmerte noch einmal gegen das Holz. „Ist ja schon gut! Ich bin jetzt fertig.“, rief Marcel zurück und kletterte so eilig aus der Duschkabine, das er auf dem nassen Bodenfußen ausgerutschte und poltern auf die Nase flog. „Was treibst du da drinnen?“, raunzte Kim ziemlich giftig weil er seinen Gottgeloben Schönheitsschlaf nicht bekam, „Nimmst du das Badezimmer aus einander?! .... Marcel?“ Als er keine Antwort bekam wartete Kim noch zwei Minuten vor der Türe, dann hob er die Stimme an und wollte grade nach Daimon rufen als die Badzimmertüre von innen aufgerissen wurde und Marcel, von Kopf bis Fuß in riesigen Handtüchern gewickelt, ihn boshaft taxierte. „Ich lebe, das Bad auch und du kannst dich wieder aus Ohr hauchen gehen. Bestell Daimon eine Gute Nacht von mir. Tschüss!“, meinte Marcel grob und wollte die Türe schon wieder zu klatschten, als Kims Hand plötzlich durch den schmalen Spalt schoss, und seine Finger sich blitzschnell an sein dünnes Handgelenk klammerten. „Was ist?!“, zischte Marcel und starrte seinen Bruder noch eine Spur wütender an. Sah Kim den nicht dass er alleine sein wollte, oder tat er das extra um ihn zu ärgern? „Was ist zwischen dir und Jeremy los?“, fragte Kim ruhig. „Ich habe euch streiten und schreien gehört. Was hast du angestellt?“ „Das geht dich nichts an, außerdem,“. fauchte Marcel, während er versuchte sich aus Kims Hand zu reißen. „seit wann interessieren dich meine Angelegenheiten?!?“ „Schon immer. Du bist mein Bruder, Marcel.“ „Ach was? Wer hat dir den das verraten, ich dachte, dass hättest du vergessen!“ „Ha ha, sehr lustig ich lache mich tot….Ok, Spaß beiseite. Jeremy und ich haben uns eben noch Unterhalten.“, sagte Kim ernst dessen Augen sich bei diesen Worten gefährlich verengten. „Kannst du dir eigentlich vorstellten was für Sorgen wir uns gemacht haben, als wir hörten, dass du dich am Höllenberg rumtreibst? Diese Jansonstreet ist gefährlich! Jeremy hätte fast eine Herzattacke bekommen. Wie, sag mir Marcel, kann man nur so dumm sein und nach Mitternacht in dieser Gegend rum schleichen, wenn du doch so gut weißt das Jeremy das auf den Tot nicht haben kann? Nein, es ist nicht nur dumm, sondern auch verantwortungslos und egoistisch, weil du nur an dich gedacht hast. Du müsstest dich jetzt in Grund und Boden schämen, du Bastard!“ Als Marcel wenig später im Bett lag, und versuchte zu einschlafen, konnte er seine aufgestockten Emotionen nicht länger zurückhalten und begann aus lauter Verzweiflung leise in sein Kissen zu weinen. Das war der bisher schlimmste Tag in seinem ganzen Leben. Und die übelste Standpauke, die er je erlebt hatte. Ihr Nächtlicher Ausflug hatte Marcel bis jetzt die härteste Strafe aller Zeiten eingejagt. Obwohl mittlerweile eine Woche vergangen war, hat sich Jeremys Miserabel Stimmung noch nicht gelegt. Er sprach kein mehr Wort mit Marcel, hielt sich nicht lange in seiner Gegenwart auf und schaute ihn noch nicht mal mehr an. Und wenn sich ihre Blicke dann doch zufällig kreuzend, durch bohrte er Marcel mit einem eiskalten Blick unter minus Temperaturen. Doch einer hatte seinen teuflischen Spaß an diesem ganzen Dilemma, und marschierte nur noch mit einen hässlichen grinsen durch das Haus. Es war Daimon, der an sich ganz und gar nicht hässlich war. Er nutze seine Chance aus um Marcel jeden Tag aufs Neue zu quälen, da Jeremy nicht mehr Eingriff und Marcel in Schutz nahm. Am achten Tag kam Daimon eines Abends in Marcels Zimmer geschlichen, warf sich auf sein Bett und grinste den Kleinen hämisch an. Marcel drehte sich von seinen Computer und den Hausaufgaben weg, und warf Daimon einen zornigen Blick zu. „Was willst jetzt schon wieder? Verschwinde von hier, und lass mich in Frieden. Mit deinem Hirnrissiges Gefasel kann ich wirklich nichts anfangen!“ Daimon lächelte so Marcel bösartig an, das seine spitzen Zähne im Licht funkelten. „Halt den Rand, du kleine Arschgeige oder ich stech´ dir die Augen aus deinen hohlen Schädel!“, fauchte Daimon unwirsch. „Und, wie fühlt es sich an von Allen verlassen zu sein? Tut es auch schön weh, dass Jerry dich nicht mehr beachtet? Hast du noch nicht daran gedacht, dich vor einen Zug zuschmeißen, du Wurm?!“ „Sei Still!“. rief Marcel so laut das Daimon im ersten Moment zurück zuckte. „Ich bin kein Wurm, klar!? Ich bin ein Mensch, und kein Tier!“ Er sprang auf und funkelte seinen großen Bruder zornig an. Unter seiner Haut brodelte die langsam überkochende Wut, die sich die ganze Woche über angesammelte hatte. Jetzt war er Daimons ewige Beleidigungen endgültig leid! „Oh ha!“, rief Daimon lachend und rollte sich auf die Seite damit er Marcel besser angucken könnte. „Jetzt sag mir bitte nicht, dass du dich mit mir Prügeln willst? Okay, du bist ja total bescheuert. Aber das du so verrückt bist, und dich mit mir zu Schlagen willst, hätte ich nicht für möglich gehalten! Ich meine; Guck dich doch mal an und sei vernünftig: Ich fast zwei Köpfe größer wie du, trage den zweiten Dan in Karate, gehe jeden Tag ins Fitnessstudio, trainiere zusätzlich Kickboxen und was hast du dagegen zu setzten? Deine großen Kulleraugen? Dein niedliches Gesicht? Oder deinen ekelhaften, Weiberkörper? Nichts! Ha! Das ich nicht Lache du Hund, du. Aber das kleine, miese Drecksstück da will also echt eine dicke Lippe riskieren. Dann heul naher bloß nicht rum, wenn ich dir eine Gesichtsverschönerung spendiert habe!“ Marcel schenkte Daimon ein sanftes Lächeln, was seine Augen nicht erreichte, deren Blick kühl und hart blieb. „Du bist doch geblendet von deiner Arroganz! Irgendwann wirst du die Konsequenzen erleben, und das ganze wird dich dann so richtig aus der Bahn werfen, du eingebildeter Mistkerl!“, knurrte Marcel ärgerlich. Jetzt war er fast so weit Daimon an die Gurgel zu springen. „Willst du mir etwa eine Moralpredigt halten?“, fragte Daimon genervt. Mit einer raschen Bewegung stand er auf und stellte sich Marcel gegenüber. Dieser schob die Beine etwas auseinander damit er einen besseren Standpunkt hatte, falls Daimon ihn schlagen sollte. Obwohl er wusste, das ihn dass in jenen Moment nicht viel nützen würde, wenn Daimon ihn mit einem gezielten Sanbon-Zuki, einen dreimaligen Fauststoß, angreifen würde. Wütender Regen trommelte gegen die Fensterscheiben von ihrem Zimmer und perlten in kleinen Tropfen von ihnen ab. Draußen war es schock finster, und nur der Mond und die Sterne am Himmel erhellten die Nacht ein wenig. „Wie wäre es mit einer kleinen Abmachung?“, fragte Daimon spitz und seine grünen Augen leuchteten grell. „Wenn du es schaffst mich aufs Kreuz zulegen darfst du mir Pausenlos in das Fressbrett schlagen, ohne dass ich mich wäre. Aber wenn ich dich zuerst Flachlege, reiße ich dir die Eier ab, einverstanden?“ Marcel schnaubte verächtlich. Auf so ein niedriges Niveau wollte er sich gar nicht erst begeben. Deshalb verdrehte er seine Augen, während er seine Haare mit einen Gummiband fest zusammen knotete. Man wusste ja nie, auf was für Ideen so ein Daimon kommt, wenn er ein paar offene Haare vor dem Gesicht hat. Plötzlich duckte sich Daimon zu einer Angriffsstellung und tiefes knurren dröhnte in seiner mächtigen Brust. Dann verengten sich seine Augen zu schmalen Schlitzen, die wie geschliffene Diamanten funkelten. „Jetzt gibt es Schläge!“, rief Daimon noch und wollte schon auf Marcel zustürmen, als ihn ein lauter Schrei in die Glieder fuhr. Es die unverkennbare Stimme von Jeremy. „Daimon!!“, brüllte Jeremy ein zweites Mal die Treppe hoch. „Komm runter, wir haben ein dickes Problem!!“ „Was gibt es - “ „Quatsch nicht, und komm in die Küche!“ Daimon fauchte leicht und warf Marcel einen harten Blick zu. Es hasste wie die Pest wenn ihm jemand Befehle erteilte. „Du rührst dich nicht vom Fleck.“, zischte er kalt zu Marcel. „Wenn ich in 5 Minuten wieder hier her komme, will ich, dass du da bist!“ Ärgerlich strich er sich die roten Haarsträhnen aus dem vollendet schönen Gesicht und verließ erhobenen Hauptes den Raum. Daimon stieg gemächlich die Treppenstufen runter, bis er den Flur durchquerte und in die Küche kam. Und dann entgleisten ihm die Gesichtszüge für einige Sekunden. Hier herrschte das totale Chaos; Der Tisch lag verkehrt herum auf den Boden, das teurere Porzellan war zerbrochen worden und mittendrin rangelte Jeremy mit Kiley herum. Beinnäheren hin sehen bemerkte Daimon den leeren, kalten Blick von Kim der an die Decke gerichtet war. Jede einzelne Faser in ihm Schrie förmlich danach um an Marcel, oder einen andern Menschen ran zukommen. Zwei Sekunden später sah er wie Kim auf Jeremy zusprang, dieser ihn mit den Händen abfing, und seine langen und scharfen Zähne Jeremys Hals um Millimeter verfehlten. Im nächsten Moment nahm Daimons Gesicht einen ruhigen, ernsten Ausdruck an und er ging langsam auf Kim zu. Dieser fauchte wütend und versuchte sich aus Jeremys Armen zu befreien. Aber gegen diesen Stahlharten griff hatte nicht den Hauch einer Chance. Mittlerweile stand Daimon genau vor ihm und umarmte Kim von vorne, sodass er seine Hände zufassen bekam. „Halt ihn gut fest.“, sagte Jeremy leise und bückte sich um ein Messer vom Boden auf zu heben. Daimon schaute ihn fragend an. Was hatte er vor? Er würde doch nicht…! Plötzlich blitze Metall auf und ein dunkelroter Blutstrahl ergoss sich über Jeremys Arm, und besprenkelte schließlich den Küchenboden. Er warf das Messer zur Seite und ging leicht in die Knie und streckte den Arm vor sich aus. „Lass Kiley los Daimon, es wird nichts passieren.“, sagte Jeremy, dessen ruhige Stimme von Jahrzehnte langer Erfahrung als Monster sprach. Doch in Daimons Augen funkelte der Misstrauen und vielleicht sogar ein bisschen Angst um seinen ältesten Bruder. „Was ist wenn er dich ernsthaft verletzt? Ich weiß nicht ob ich einen vor Durst rasenden Dämon alleine gezügelt bekomme.“ „Vertrau mir einfach. Ich weiß was ich tue.“ Auf Jeremys weißen Lippen bildete sich ein kleines, aufmunterndes Lächeln. Nach kurzen überlegen ließ Daimon Kim los und wurde ein Stück nach hinten geworfen, weil sein Zwillingen sich von ihm abdrückte und nach vorne schoss wie eine Kanonenkugel. Er ließ ein wildes Zischen ertönen als er nach Jeremys blutenden Arm griff, und seine Reißzähne darin versengte. In den ersten Sekunden tat dies Jeremy schrecklich weh, doch er biss die Zähne zusammen und betrachte feste Kims zitterten Körper. Er streckte die andere Hand aus und streichelte sanft über dessen Rücken. Immer wieder und wieder, bis die gierigen Schlückte ruhig wurden, aber das Zittern unaufhörlich stärker. Es dauerte noch eine Weile bis Kim ihn endgültig freigab und Jeremy geschockt anguckte. Unglaublicherweise waren seine Augen wieder lebendig und warm, aber verstört und ängstlich zugleich. „Jeremy…“, krächzte Kim heiseren. „Jeremy… was ist geschehen... Oh Gott – was habe ich getan?!“ Kim stieß einen scharfen Schrei aus, verlor das Gleichgewicht und landete der Länge nach auf den Fliesenboden. Schockiert starrte auf seine von Blut überströmten Hände, und begann noch heftiger zu zittern. Er schlunzte leise, versteckte die Hände in seinen Ärmeln und schon bald rollten ein paar verzweifelte Tränen über sein Gesicht. Er weinte aus Scham vor seinem Blutdurst den er nicht zügeln konnte, weinte weil er Jeremy gebissen hatte, weinte um die ganzen Menschen die er in seinem bisherigen Leben alles getötet hatte, und weinte über diese ganze ungerechte und abnormale Welt. Die hartnäckige Quelle versiegte erst als Daimon und Jeremy ihn vorsichtig hoch hoben, und ins Wohnzimmer brachten. „Es ist nichts passiert, Kim. Alles wird gut.“, flüsterte Daimon leise und wischte seinem Zwilling die Tränen aus dem Gesicht. Ehe er sie zurück ziehen konnte, griff Kim nach seiner Hand und hielt sie, an seine Wange gedrückt, fest. Langsam öffnete er die geröteten Augen. „Es tut mir so leid.“, wisperte er beschämt. Dann drehte er den Kopf zu Jeremy und sah sich sein Werk an: Auf Jeremys Oben – und Unterarm zeichneten sich deutlich vier große Bissspuren ab, die tief in sein weißes Fleisch geschlagen waren. Und wieder rollten Tränen aus Kims Augen, wobei seine Brüder das Gefühl hatten an diesem Anblick zerbrechen zu müssen. Schnell strich Jeremy mit der unverletzten Hand über seine Wange, versuchte die Tropfen wegzuwischen, doch diesmal ließ sich der Tränenfluss nicht so schnell stoppen. Kim aber schüttelte wild den Kopf; er ekelte sich vor sich selber, hielt sich für ein abartiges Monster weil er die fütternde Hand gebissen hatte. Aus lauter Verzweiflung heraus schossen Jeremys Hände nach vorne wie eine angreifende Kobra, und zogen Kim gebieterisch in seine Arme. Sofort klammerte sich dieser an ihn und rieb das Gesicht an Jeremys muskulöse Brust. Für ihn war das Alles einfach zu viel… Für Daimon übriges auch, der sich einfach nur total hilflos fühlte, dazu ein Niete im Trösten war und Kim nur seine Nähe schenken konnte. Bisher hatte er noch nie so etwas erlebt, oder sich gar dafür interessiert. Ihm waren die Gefühle seiner Mitmenschen bis jetzt so ziemlich egal gewesen, was sollte ihn das auch schon kümmern? Schließlich kümmerte sich auch niemand um ihn! Daimon schaute zu seinen Brüdern, und fühlte sich plötzlich noch mieser. Das war nur ein Teil der Wahrheit. Auch wenn er den größten Mist gebaut hatte, egal ob es nun eine Schlägereien oder Drogenprobleme gewesen waren: Kiley und Jeremy standen immer geschlossen hinter ihm, und versuchten ihm zu helfen so gut sie konnten. Während Daimon versuchte seine schlimmen Schuldgefühle zu verdrängen, wiegte Jeremy leise vor sich hinsummend Kim in seinen Armen und fragte sich was er als nächstes tun sollte. Kim hatte seit den letzten Tagen kaum etwas gegessen; er hätte es eigentlich ahnen müssen, und wurde langsam sauer. Verflucht, er hätte es doch mit Leichtigkeit verhindern können wenn er doch mal die von Zorn geblendeten Augen aufgemacht hätte. Aber nein. Er musste ja auf Marcel böse sein! Doch jetzt konnte Jeremy Wütend auf sich sein so viel er wollte, jetzt war passiert, was irgendwann sowieso passiert wäre, wenn er es nicht verhindert hätte er. Er sah zu Daimon rüber und schaute ihn so intensiv, durchdringt an bis diesen schließlich die Augen hob und den Blick erwiderte. „Kannst du mal in den Keller gehen und eine Blutkonserve aus der Kühltruhe raus holen –mein Blut stillt seinen Durst nicht lange.“, sagte Jeremy. Daimon nickte und verschwand, ehe er – nach einer Millisekunde- wieder im Wohnzimmer stand mit zwei roten, Plastikbeuteln in der Hand. „Ich habe doch gesagt du sollst nur eine rauf holen. Wir haben nicht mehr viele da und müssen uns bald neues Blut besorgen... Und Gegen ein paar ungekochte Schlachtabfälle hätte ich aber nichts einzuwenden…“, murmelte Jeremy leise und seine Stirn war von einer tiefen Sorgenfalte durchzogen. „Eine ist für dich.“, sagte Daimon sanft, während er den ersten Beutel aufriss und ihn Kim in die Hände drückte. Jeremy zuckte kurz und blinzelte verwirrt. „Wieso?“, fragte er, „Mir geht es gut, ich bin - “ „Dein Augen.“, antworte Daimon langsam, den Blick auf die zweite Konserve geheftet die er grade öffnete. „Sie sind Scharlachrot – du bist Hungrig, weil du Kim dein eigenes Blut gegeben hast, und dafür brauchst du dich nicht zu schämen. Im Gegenteil, das war sehr edel von dir…“ Er warf seinem älteren Bruder einen flüchtigen Blick zu und sich zu vergewissern dass er ihn nicht verletzt hatte. Jedoch war seine Sorge unbegründet; denn Jeremy lächelte bloß ein schüchternes Teenager-Lächeln, eins von der Sorte das man benutzte wenn man von seinen Eltern beim Knutschten mit seiner Freundin erwischt wurden. „Danke…“, flüsterte Jeremy wahrheitsgemäß und nahm den Beutel dankbar entgegen. Auch wenn er viel Erfahrung in diesem Gebiet hatte, war er doch vom Blut abhängig und musste sich dem ständigen Durst fügen. „Kein Problem.“, sagte Daimon lächeln und setzte sich wieder auf die Couch, „selbst die stärksten von uns haben ihre schwachen Momente“ Nach wie vor saß Marcel in seinem Zimmer und wartete aus Daimons Rückkehr – Vergebens. Er hatte hin und wieder gelauscht, und sich gewundert warum es dort unten so hektisch zu ging. Immerhin hatte er gehört wie laut sie schon mal wurden. Gab es jetzt etwa auch noch Streit zwischen Daimon und Jeremy. Oder was sollte dieses ganze Theater, war vielleicht etwas anderes vorgefallen? Doch momentan war es ruhig in der Diele. Marcel setzte sich an den PC und chattete noch eine Weile mit Connor, bevor er sich ins Bett legte – und weiter auf seinen Bruder wartete. Es lief ihm immer noch eiskalt den Rücken runter, wenn er an Jeremys zornige Blicke dachte, die ihn förmlich aufspießten. Aber nachdem er sich bei Connor ausgeheult hatte, fühlte er sich ein wenig besser, und die Killerblicke sahen nicht mehr ganz so mörderisch aus wie vorher. Irgendwann fielen ihm die immer schwereren werdenden Augenlider zu, und er glitt in einen unruhigen, traumlosen schlaf hinüber. Marcel hatte das Gefühl, als hätte er nur zwei Minuten die Augen zugemacht als ihn ein jähes Geruch zusammen zucken ließ. Aber das war nicht wirklich das Problem, als er die Augen aufgemacht hatte sah er nichts – gar nichts. Obwohl der Mond dessen Licht durch sein Fenster fiel, den Raum eigentlich etwas aufhellen sollte. Doch irgendetwas verdeckte sein Sichtfeld; es fühlte sich an wie ein weiches Band aus Samt. Marcels Beine bewegten sich unruhig über eine flauschige und warme Decke her, was so viel bedeutete, das er noch immer in einem Bett lag. Genau, in einem Bett aber nicht in seinem eigenen. Dieses hier war viel größer, hatte einen federweichen Bezug und roch komischerweise nach frisch gepflückten Vanilleblüten. Dieser süße Geruch war sehr angenehm und einladend zugleich. Einladend in Form von Heißhunger, und der einem dazu brachte sich einen riesigen Vanillepudding unter den Nagel zu reißen. In diesem sonderbaren, nach Vanille duftenden Zimmer, war es ungewöhnlich warm und feucht zugleich. Fast einem tropischen Regenwaldklima gleich, mit Nebeldicker vollriechender Luft, die einen fast erstickte. Auf einmal berührte etwas sanft Marcels Schulter; er fuhr erschrocken zusammen und währe schreiend aus dem Bett gehüpft, wenn ihn nicht zwei weitere Samtbänder an zwei Bettpfosten gefesselt hätten. Jetzt ging sein Atem unregelmäßig und flach, Angst schnürte ihm die Kehle zu. Wo war er hier nur gelandet? Und wohin waren das Haus und Jeremy so plötzlich verschwunden? Noch einmal legte sich etwas Weiches auf Marcels Schulter und streichelte ihn fürsorglich über den Arm. Diese Berührung verschaffte ihm sofort eine Gänsehaut, und er stieß zischend die warme Luft aus. Noch bevor er sich wieder beruhigt hatte kam eine zweite, frechere Hand hinzu die ihm spielerisch das enge T-Shirt vom Leib zog und es auf den Boden warf. Die andere Hand entfernte sich von seinem Arm, berührte stattdessen sein Kinn und drückte zärtlich nach oben. Dann küsste ihn jemand unerwartet auf den Mund. Marcel begann laut zu schreien, doch seine schrille Stimme halte nicht wie gewohnt in seinen Ohren wieder, denn der Laut wurde einfach von den sahneweichen Lippen gebändigt, und geschluckt. Wem auch immer diese süßen Lippen gehörten, derjenige konnte sich glücklich schätzen und ,nebenbei erwähnt, göttlich Küssen. Die Hände bewegten sich über seinen Hals und seinen Bauch, streichelten seine Hüfte und liebkosenden zärtlich seine Brustwarzen. Marcels Körper war wie elektrisiert, und seine Gedanken waren vor Panik ganz wirr und unrealistisch. Mit einer nie zuvor dagewesen Heftigkeit reagierte er auf die kleinste Berührung, und keuchte leidenschaftlich gegen die warmen Lippen, die sich jetzt fester aus seinen Mund pressten. Marcel reckte sich ungeduldig den sündigen Händen entgegen, und stöhnte genussvoll vor sich her. Am liebsten hätte er der fremden Person die Arme um den Hals gewickelt und ihn auf sich drauf gezogen um den Kuss noch wilder und hemmungsloser zu gestalten. Wie sehr er sich auch noch fürchtete - plötzlich war sein Zuhause, Jeremy, Connor und Fee ganz, ganz weit weg und nur noch ein Atomgroßer Fleck in seinem langsam, abschaltenden Gedächtnis. Noch nie hatte er etwas Vergleichbares erlebt. Zwar hatte er schon Sexualkunde gehabt, und einigermaßen gut aufgepasst, aber dieses Erlebnis sprengte jeden erdenklichen Rahmen. Zwischen seinen Beinen machte sich eine angenehme Wärme breit, doch keiner Hand, weder die Freche noch die Sanfte, gingen tiefer als bis zum Ansatz seines Schambereiches. Was fast schon wieder frustrierend war. Inzwischen wusste Marcel was Sache war, zumindest äußerlich. Da war irgendjemand in seine Zimmer geschlichen, hatte ihn entführt und machte sich jetzt klammheimlich über ihn her. Wie gerne hätte Marcel doch gewusst ob dieser jemand ein Mädchen oder ein Junge war, momentan konnte er das nicht beantworten. Die Hände von ihm oder ihr waren schlank und dünn, aber unter der warmen Haut der Oberarme spürte er ein paar kräftige Muskeln empor ragen. Was jedoch nichts zu bedeuten hatte, es gab auch genügen Mädchen die einen athletischen Körper hatten, weil sie viel Sport betrieben. Marcel mochte solche Sportlichen natürlichen Mädchen. Mit diesen Tussis die ihr ganzes Geld für Make-up aus dem Fenster warfen, konnte er freilich nichts anfangen. Obwohl er sich manchmal dabei erwischte, wie er dieser Sorte Mädchen neidisch auf die Schminke starrte. Er war ja schließlich ein eingefleischter Visual Kei und kaufte sich gerne exotischste Kleidung und noch aus gefalleners Make-up. Unerwartet traf eine flache Hand mit voller Wucht sein Gesicht und Marcel flog rücklings aus dem Bett heraus. Jemand schaltete das Licht an. Tränen stiegen ihm in die Augen als er verwirrt zu Daimon und Kiley hoch schaute, die ihn argwöhnisch musterten. „Wir haben dich schreien gehört“ sagte Kim mit rauer Stimme. „Oder so etwas in die Richtung…“ fügte Daimon hinzu und seine Lippen umspielte ein hämischer Zug. „I - Ich… was… was hast das zu bedeuten…?“ stotterte Marcel und lief augenblicklich rot an. Unbeholfen stand er auf und setzte sich auf die Bettkante. Glücklicherweise saß sein T-Shirt an Ort und stellte, so dass die Zwillinge seine hämmerndes Herz nicht hören und sehen konnten. Oder vielleicht doch? Kim verzog skeptisch den Mund zu einer schmalen Linie und ließ sich neben Marcel nieder. „Du siehst aus als hättest du einen Alptraum gehabt.“, sagte er ohne jegliches Mitleid. „Was hat dir denn diesmal zugesetzt? Ein rosa Teddybär mit Engels Flügeln auf den Rücken, mein Süßer?“ „Hat einer Spinner gerufen, das du dich meldest?“, erwiderte Marcel spitz. Zu spät bemerkte er den raschen Luftzug und die große Hand aus dem Augenwinkel auf sich kommen, die genau seine rechte Schläfe anvisierte. Kims eigene Hand schoss mit einer übermenschlichen Gewichtigkeit vor und fing Daimons Faust geschickt ab. „Lass gut sein…“, sagte Kim leise. „Ich bin selber Schuld – ich habe ihn provoziert.“ Daimon funkelte ihn wütend an und zog seine Finger mit einer kurzen, schnellen Bewegung aus dem Griff heraus. „Das hatte nicht viel mit dir zutun.“, erwiderte er frostig. „Ich wollte dem Bastard sowie mal die Fresse polieren…“ „Ach hör doch auf mit den Scheiß, du weißt doch genau das Jeremy dir dann eine Knallt!“, zischte Kim. „Ja und? Damit kann ich leben!“ „Das war doch nur eine Warnung und keine Anmache. Jetzt sei doch nicht sofort beleidigt!“ „Daran müsstest du dich aber schon gewöhnt haben!“, fauchte Daimon zurück. „So bin ich halt!“ „Schön!“ rief Kim und erhob sich blitzartig von der Bettkante. „Dann klatsch dem Kerl doch direkt das Gehirn auf dem Kopf. Mach was du willst! Das Interessiert mich nicht mehr!" "Dann hau ab du Besserwisser, und schwing hier keine Reden!" Einen Moment lang war Kim sprachlos von so einer Ungerechtigkeit. In seiner Hand kribbelte es, und er hätte Daimon am liebsten eine saftige Ohrfeige verpasst. Aber er dachte an Marcel und zügelte seine Wut und sprintete mit zitternden Beinen aus dem Raum. "Das war nicht besonders nett von dir.", sagte Marcel nach einer Weile. Daraufhin warf Daimon ihn einem eiskalten Killerblick zu. "Halt den Mund. Von so etwas hast du keine Ahnung!", knurrte er wütend. "Oh doch" sagte Marcel stur. "Du hast ihn mit deinen Worten verletzt, kein Wunder das er abgehauen ist. Kim ist dein Bruder, und du müsstest doch am besten wissen wie eng euer Beziehung ist." "Pack dir mal an die eigene Nase, Mister Superschlau. Du hast auch jemanden verletzt, der dich sehr liebt. Und bisher hast du dich noch nicht entschuldigt..." "Jeremy?", fragte Marcel schnell, er schluckte rasch die aufkommenden Emotionen runter, die ihn seit geraumer Zeit quälten und den Schlaf raubten. Er war es nicht gewohnt dass Daimon oder Kim plötzlich so aufmerksam waren. "Was willst du mir damit sagen?" "Er wartet schon die ganze Zeit darauf, dass du zum ihm gehst" "Meinst du ich kann jetzt zu ihm gehen? Wie spät ist es eigentlich?" Daimon zuckte lässig mit den Schultern, "Für eine Entschuldigung ist es nie zu Spät." Oh Gott, das wird sicher lustig um Jeremy spät Nachts aus den Bett und aus seinen Träumen zu reißen, dachte Marcel nervös, das war genau so ungefährlich, wie einem schnarchenden Löwen ins Maul zugucken. Zögerlich ging er in die 1 Etage runter, und klopfte leise gegen Jeremys geschlossene Zimmertüre. Wahrscheinlich schlief dieser schon längst, und träumte von schnellen Autos. Marcel pochte noch einmal gegen die Türe und drückte dann langsam die Klinge runter. Er steckte den Kopf durch den Rahmen und spähte mit bangem Blick in das dunkle, Kohlenrabenschwarze Zimmer. Wie erwartet hatte Jeremy der Türe den Rücken zugewandt und schlief tief und fest. Auf Zehenspitzen tapste Marcel in das Schlafzimmer und schloss genauso leise die Türe hinter sich, ehe er zu dem Bett ging. "Jeremy...". flüsterte Marcel. "Jeremy, ist du noch wach, oder schläfst du schon?" Er streckte die Hände aus um Jeremy an den Schultern zu rüttelten, aber auf halber Strecke verließ ihn der Mut und er zog sie rasch zurück. Vielleicht sollte er es Morgenabend, am Freitag, noch mal versuchen… Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sich der Blonde herum und verschwand aus dem Schlafzimmer. Freitagmorgens um halb Zehn saß Marcel in der Klasse und schenkte dem Mathelehrer mühsam seine Aufmerksamkeit. Mit großer Mühe versuchte er den Fuß zu ignorieren, der ihn schon zum dritten Mal in Folge an stupste. Leicht angesäuert warf er einen Blick zur Seite, und begegnete den Goldgelben Augen von seinem Tischnachbarn, Dylan. Er senkte den Blick auf die Tischplatte. Marcel folgte seinem Beispiel und entdeckte neben seinem Matheheft einen kleinen weißen Zettel. "Marcel" stand dort als erster geschrieben: Was ist los mit dir? In letzter Zeit bist so still und zurückhaltend. Marcel zog das Blatt zu sich und kritzelte schnell eine Antwort zurück, bevor der Lehrer auf sie aufmerksam wurde. Dann schob er den Zettel in Dylans Richtung. Mir geht es nicht so gut. Ich habe Probleme zuhause. Willst du darüber reden? Ja, aber nicht jetzt In der nächsten Pause? Wir können uns im Park hinsetzten, wenn du nichts dagegen hast. Die Cafeteria ist immer so überfüllt... Okay, das ist echt nett von dir dass du mir zuhören willst. Danke, aber jetzt bin ich dir aber schon wieder etwas schuldig… Marcel hörte ein leichtes husten, was sich allerdings eher wie ein unterdrücktes Glucksen anhörte, und lächelte Dylan dankbar an. Sein Lächeln wurde von großen, strahlenden Katzenaugen erwidert. Am Ende der Stunde packte Marcel seine Bücher unglaublich schnell ein, und verließ Fluchtartig das Schulgebäude. Heute gab es so viele Leute denen er mit seiner momentanen Begleitung, nicht begegnen wollte. Dylan lief locker neben ihm her und führte Marcel zu einer alten Eiche, deren mächtiger Schatten fast 5 Meter des Rasens beschlagnahmte. Er ließ sich ins weiche Gras fallen und Dylan setzte sich nah neben ihn, ganz dicht, sodass er den leichten, süßen Duft seines Deos roch. "Also...", sagte Dylan mit einem Engelsgleichen Lächeln auf den Lippen."Erzählst du mir jetzt warum du so traurig bist?" "Wenn es dich wirklich interessiert. Aber es ist ganz langweilig, und öde und dumm und..." "Ich bin mir sicher das es ziemlich interessant ist, wenn es dich schon so lange bedrückt. Ich habe dich nämlich die ganze Woche beobachtet. Es muss dich wirklich fertig machen." Marcel senkte die Augenlieder und blinzelte beschämt zu Dylan hoch. Er starrte ihn an, und Marcels Gedanken überschlugen sich vor Schreck. Schon wieder. "Ich habe mich mit Jeremy gestritten, meinen großen Bruder, und trage die Schuld daran. Jetzt weiß ich nicht, wie ich meine Fehler wieder gut machen kann. Mein andere Bruder, Daimon, hat gesagt ich sollte mich einfach bei Jeremy entschuldigen, aber ich traue mich nicht ihn anzusprechen. In letzter Zeit guckt er mich immer so böse an, und tut so, ob ich gar nicht existierte." "Das ist natürlich eine komplizierte Geschichte...", murmelte Dylan und stürzte nachdenklich die Lippen."Wenn du dich nicht traust Jeremy persönlich zu begegnen, schreib ihm doch einfach einen Brief. Dann hast du den ersten Schritt getan, und er wird danach auf dich zukommen, weil er der große, vernünftige Bruder ist." "Aber dann stehe ich als ein Feigling da, und das will ich nicht. Jeremy zweifelt so wieso an meiner Zurechnungsfähigkeit!" "Wirklich? Mmm-hmm, na super... Du machst dir ja ganz schön viele Gedanken darum, oder? Du musst mal den Kopf frei gekommen, dann fällt dir sicher etwas ein!" Marcel lachte trocken auf und zerrte ungeduldig an seinen Netzhandschuhen, "Ich habe begrenzten Hausartest für 2 Monate." "Was heißt denn hier begrenzt?", fragte Dylan neugierig. "Ich darf nur noch am Wochenende bis 22 Uhr raus. Und wenn ich es wagen sollte länger weg zubleiben, hat Jeremy mir eine Strafe mit Apokalyptischen ausmaßen versprochen. Ich weiß aber auch gar nicht mit wem ich weg gehen soll, meine einzigsten Freuden haben ebenfalls Hausarrest." "Oh, das ist wirklich... mies.", sagte Dylan bedrückt, doch plötzlich hellte sich Mine auf, als hätte er soeben einen Geistesblitz gehabt. "Und was ist, wenn du mit mir gehst? Würde Jeremy was dagegen haben?" "Ähm... w - was?", stotterte Marcel und starrte Dylan hilflos an. In seinem Bauch begann es unheilvoll zu kribbeln. "Mir dir? Aber, aber wo willst du den mit mir hingehen? In diesem Nest von Dorf hier, gibt es doch noch nicht mal ein großes Kaufhaus, geschweige von einem Vergnügungspark!" "Ich habe mir ein paar Karten für das neue Kino in Thirsk gekauft. Eigentlich wollte ich mit meinem Vater dahin gehen, aber er hat keine Zeit. Er muss Arbeiten. Möchtest du denn heute Abend mit mir dahin gehen?" Etwas Verführerisches lag in Dylans Hypnotisierenden Blick und Marcel hatte keine Chance, seine Bitte abzuschlagen. Ergeben nickte er. Ob Dylan vielleicht wirklich ein junger Hypnotiseur war, der andere in einem schlafähnlichen Zustand versetzen konnte? "Soll ich dich um 18 Uhr bei dir zuhause abholen?", fragte Dylan munter weiter und ignorierte Marcels Benommenheit. Dieser nickte erneut, "Aber du weißt doch gar nicht wo ich wohne." "Und du wirst es mir bestimmt jetzt sagen.", lächelte Dylan spitzbübisch. Marcel bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut, und konnte sich einfach nicht mehr von seinen Augen abwenden, die so schön und doch angsteinflößend zugleich waren. "Unser Haus steht am Ende der Beck Hole Rd. Du kannst es nicht übersehen, es ist das einigste weit und breit.",flüsterte Marcel mit Mühe und Not, weil er kurz vergessen hatte zu Atmen. Denn restlichen Tag lief Marcel mit Schmetterlingen im Bauch durch die Schule. Er musste immer wieder an Dylans überraschende Einladung denken, und konnte seine heimliche Vorfreude kaum im Zaun halten; Allein das Gespräch mit ihm hatte bei Marcel Herzklopfen verursacht. Vielleicht war der merkwürdige Albino-Junge doch nicht so schlecht, wie er zuerst geglaubt hatte.. Seine gute Laune hielt die ganze Busfahrt über, und verflog erst am Mittag als er Zuhause ausstieg. Jetzt musste er es nur noch schaffen, Jeremy von ihren Ausflug zu überzeugen. Glücklicherweise war heute Freitag und sein Bruder war noch in der Stadt unterwegs (er half in einem Café aus, um nicht den ganzen Tag im Haus zu hocken), sodass er noch Zeit hatte einen Plan für den Abend zu entwickeln. Erst Mal wollte Marcel seine Hausaufgaben erledigen und ging langsam die Treppe hoch, mit einem Becher kühler Vanillemilch in der Hand. Dieses Getränk hatte es ihm plötzlich angetan, weiß der Geier warum... Er hatte in etwa noch 4 Stunden Zeit, bis Jeremy die Haustüre aufschließen würde. Außerdem mussten seine weniger geliebten Brüder sich noch um andere Sachen kümmern, und Marcel hatte das Ganze, riesige, 3 Etagen Hohe Haus für sich alleine. Eine gute Aussieht, in Betracht der Möglichkeiten die sich ihm dadurch eröffneten. Ausnahmsweise mal durfte er seine Lieblings Screamo CDs bis zum Anschlag aufdrehen, er konnte das Treppengeländer runterrutschten und sich so ganz alleine furchtbar einsam fühlen. Marcel nahm seine Hausaufgaben mit in die Küche, für den Fall der Jeremy früher zurück kam, quälte sich grade mit seinem absoluten Hassfach; Mathematik. Nach einer Weile schaute er auf die Uhr an der Mikrowelle, die ihm sagte dass es schon 17. 45 Uhr war. Unglücklicherweise fand Marcel nichts Brauchbares mehr im Haus, was er zum Kochen gebrauchen konnte, und entschied sich kurzer Hand dazu in den Supermarkt von Thirsk vorbei zufahren. In der gleichen Straße lag zufällig das noble Café wo Jeremy seit geraumer Zeit als Kellner arbeitete, und mit ein bisschen Glück, würde Marcel ihn vielleicht treffen. So plünderte er die Haushaltskasse und fuhr mit seinem Fahrrad nach Thirsk. Die Strecke war nicht sehr weit, und ein schöner, grüner Pfad brachte Marcel letzten Endes an sein Ziel. Er brauchte nur 10 Minuten in dem kleinen Laden der alten, aber freundlichen Dame und fühlte sich bei ihr wie immer wohl. Als Marcel noch klein war, und Jeremy ihn sonntags Brötchen holen ließ, hatte sie ihm immer weiche Sahnebonbons für den Weg nach Hause geschenkt. Mit zwei Einkaufstaschen an den Armen baumeln schob Marcel sein Fahrrad in die Hauptstraße mit den vielen, kleinen Geschäften und entdeckte in der Ecke das neue, beliebte Café, The quiet hour. Schon von weiten konnte man sehen, dass heute reger Betrieb herrschte; Die Kunden schlängelten sich bereits vor der Eingangstüre, in einer langen Menschenreihe. Missmutig stellte Marcel sich ganz hinten an, Kettete vorher aber sein Rad an eine Straßenlaterne fest, und versuchte hin und wieder ein Blick in das Café zu werfen. Seinen Bruder konnte er heute nicht sehen. Doch er wartete ohne zu meckern, und schließlich wurde seine Geduld belohnt. Ein junges Mädchen im Dress des Hauses, führte ihn zu einem Tisch in Nähe der Klimaanlange. Da saß Marcel nun, und wartet auf Jeremy. Es dauerte eine Gefühlte Ewigkeit, bis endlich die sanfte, warme Stimme an sein Ohr drang, die ihn all die Jahre behütet hatte. "Einen wunderschönen Tag, die Damen. Haben sie sich schon entschieden?" Marcel drehte den Kopf leicht nach hinten, und erblickte Jeremy bei zwei weiblichen Gästen stehen, die ihm mit großen Augen musterten. Bestimmt lag jetzt dieses atemberaubend, schöne Lächeln auf seinem Gesicht, mit dem er jedes Menschliche Wesen verzaubern konnte. Jeremy war einfach die Vollkommenheit in Person - er war auffallend hübsch, brillant, Mutig, immer Freundlich und Hilfsbereit. Nur zu einem nicht, und dieser Jemand starrte ihn grade Löcher in den Rücken. Lachend drehte sich auf den Absatz seiner Schuhe herum und verschwand im Hinterteil des Cafés. Wie gemein, dachte Marcel wehmütig. So ein eiskaltes Verhalten in der Öffentlichkeit, hätte er von Jeremy nie und nimmer erwartet. Seine Laune wurde noch schlechter und erreichte den absoluten Tiefpunkt, als er die Unterhaltung der Damen in seinem Umfeld bemerkte. "Oh mein Gott - hast du denn gesehen? Den drahtigen Kellner mit den schwarzen Haaren? Der ist ja unglaublich süß" "Ja, und wie! Das ist doch Jeremy Sandjoé, ich habe gehört er sei Elitesoldat. Also ein ganz hohes Tier in der Armee" Das Mädchen starrte ihre Freundin mit offenem Mund an. "Du kennst ihn!? Weißt du..." stammelte sie verlegen, "Weißt du, ob er schon eine Freundin hat?" "Ich kenne ihn nicht persönlich, jedoch habe ich schon viel Gutes von ihm gehört. Aber bestimmt ist er schon vergeben; Solche Männer bleiben nicht lange alleine..." "Hmmm... Schade. Er ist so Nett und freundlich und gutaussehend, dass ich sogar ein wenig Neidisch bin. Der totale Übermensch, sag ich dir!" Wie bitte? Als Marcel das hörte, unterdrückte er wütend das brennten Verlangen, sich umdrehen, und diesen dummen Putten zu widersprechen. Von wegen Nett und freundlich! Er hatte es doch am eignem Leib erfahren, wie wunderbar grausam sein ach so toller Bruder sein konnte. Jetzt saß er hier in der Affenkälte (blöde Klimaanlange), und wartet auf eine Gelegenheit sich bei Jeremy zu entschuldigen. Doch auf solche Gemeinheiten konnte er getrost verzichten! Marcel war schon dabei aus dem Café zustürmen, als sich plötzlich ein Schatten auf ihn legte und er direkt in ein Bildhübsches Gesicht blickte. Es war Jeremy, der ein elegantes Kellner-Outfit trug, und ziemlich genervt rein schaute. Er beugte sich leicht zu Marcel runter und sah ihn scharf an. Mit wackeligen Beinen hielt Marcel dem Blick seines Bruders stand. "Was ist das denn für ein Benehmen?!", zischte Jeremy so leise und kalt, das es nur Marcel hörten konnte. "Du kannst doch nicht so einfach aus einem Café spazieren, ohne etwas bestellt zu haben. Das ist nicht gut für das Geschäft!" Enttäuscht ließ Marcel sich auf den Stuhl zurück fallen und zog das Magere Restgeld von dem Einkauf aus der Hosentasche. "Ich habe noch nicht mal mehr 2 Euro übrig, und die Preise in diesem Café sind ordentlich gepfeffert. Für mich als Arbeitsloser ist es unmöglich hier etwas zu bestellen." "Das hättest du dir früher überlegen können..." gab Jeremy schnippisch zurück. "Oder vielleicht solltest du dir zur Abwechslung mal einen Job suchen, damit du mir nicht ständig die Ohren voll jammerst. Aber bevor du dir noch eine Erkältung holst... Hier." Nach diesen schroffen Worten, stellte Jeremy seinem Bruder einen dampfenden Kakao mit Schokoladen streusel unter die Nase. "Danke...", murmelte Marcel mit gesenktem Blick. "Wann hast du eigentlich Feierabend?" "Mmm... Heute ich viel Kundschafte da, es könnte sein das ich länger arbeiten muss. Wieso fragst du?" "Ich würde mal gerne mit dir unter vier Augen reden, wenn du verstehst." Jeremy sah ihn unschlüssig an, dennoch nickte er kaum merklich. Er drehte sich um und rief nach dem jungen Mädchen das zuvor Marcel den Tisch zugewiesen hatte. Mit fünf Riesen Schritten stand sie vor Jeremy und lächelte ihn zähne blitzend an. "Ja bitte? Was gibt es?" "Kannst du mich bitte kurz ablösen? Ich habe hier ein kleines Problem..." schnurrte Jeremy mit Samtstimmte und die Kellnerin nickte heftig. Marcel stellte sich das Mädchen mit wedelnden Schwänzchen vor. „Ähm – Ja Klar! Brauchst du Hilfe, Jeremy?“ fragte sie überfürsorglich und schaute Marcel verdutzt an. „Nein, danke. Das ist nur mein kleiner Bruder…“ Dann warf Jeremy Marcel einen raschen Blick zu, und winkte ihn auf dem Lokal. Kaum waren sie draußen, Entspannten sich Jeremys Gesichtszüge. Ein wenig zu mindestens. "So, jetzt sind wir alleine... Was willst du von mir?", fragte Jeremy betont ruhig, obwohl seine goldenen Augen das genaue Gegenteil verrieten. Selbst jetzt, Tage später, war er noch wütend auf Marcel. "Freitags und samstags kann ich doch bis 22 Uhr bleiben, richtig?" Mit zusammen gebissenen Zähnen nickte Jeremy bloß. "Also, heute ja ist zufällig Freitag. Darf ich mit einen Freund nach Thirsk gehen? Wir wollten uns in dem neuen Kino einen Film angucken.", sagte Marcel schnell und schaute Jeremy gespannt an. "Meinst du Connor?" "Nein, jemanden den ich erst vor kurzen kennengelernt habe, ich gehe mit... Dylan..." Für wenige Sekunden sah es aus, ob Jeremy einen Schlaganfall bekommen hätte. "Was - meinst du etwa diesen Dylan, diesen komischen Vogel da, der so anders ist?! Was hast du auf einmal mit ihm zu tun?" Marcel zuckte mit den Schultern und verdrehte theatralisch die Augen. "Ich habe mich halt in ihn getäuscht. Dylan ist wirklich sehr nett..." Und Charmant und höflich und zuvorkommend und gut aussehend... irgendwie. Jeremy tat so, als hätte er Marcels Worte nicht gehört. "Ich kenne diesen Jungen nicht. Und wie Alt ist der überhaupt? Älter oder jünger als du?" "Ähm... ich habe keine Ahnung. Ich hab ihn noch nicht danach gefragt. Aber er muss ungefähr in meinem Alter sein, 14 oder 15 Jahre, sonst würde er ja in eine höhere Klasse gehen." "Mir gefällt das ganz und gar nicht.", stellte Jeremy es knurrend klar. "So wie du diesen - Dylan - anfangs beschrieben hast, ist das ein Außenseiter. Mit solchen Leuten muss man vorsichtig umgehen, du weißt nie was so einer grade Denkt!“ Oh -ho, meldete sich grade Jeremys unterdrückter Vaterinstinkt? "Jeremy, ich nehme natürlich mein Handy mit. Du kannst mich sooft anrufen, wie es die Telekom zulässt. Bitte, ich war auch die ganzen Tage brav. Meinst du nicht ich hätte eine kleine Belohnung verdient? Schließlich willst du ja immer, dass ich unter die Menschen komme. Das ist doch die Gelegenheit." Marcel setzte ein unschuldiges lächeln auf seine Lippen, und versuchte so verführerisch wie Dylan zugucken. Jeremy verzog das Gesicht - und stöhnte. "Na gut.", seufzte er und verschränkte die Arme vor der Brust; Ein natürliche Schutzfunktion - oder unterdrückte Aggressionen, mit denen er nicht antworten konnte. "Heute drücke ich mal ein Auge zu. Aber Gnade dir Gott, wenn du nicht pünktlich daheim bist. Oder wenn du irgendwo bist, wo du nicht sein solltest, dann - " "Danke, Jeremy!", jubelte Marcel Freunden strahlend und hüpfte von einem Bein auf das andere. "Dylan wird mich um 18 Uhr abholen, sei bitte nett zu ihm. Er ist manchmal ein wenig Schüchtern." „Ja Ja!“ sagte Jeremy kühl, und dachte noch nicht mal im Traum daran. Tzz~ er würde diesem verrückten Kerl schon zeigen, wo der Hase liefe! Nach 3 Stunden geriet Marcel leicht in Panik und ging hinauf in sein Zimmer, um sich umziehen. Es musste etwas besonders sein, das war Glas klar - schließlich war Dylan auch etwas besonders. Marcel entledigte sich seinen Klamotten und probierte mehrere Outfits an; Die schwarze Jacke mit dem Reißverschluss, den raffinierten V-Ausschnitt und den unzähligen Riemen, hatte es ihm angetan und siege letzten Endes über die kritische Auswahl. Da es schon viertel vor Sechs war, packte ihn die ängstliche Nervosität aufs Neue. Grade zog er die neue Violette Röhrenjeans an, als es von unten her klingelte. Jeremy eilte zur Türe, mit Marcel als Schatten im Rückrad, und öffnete sie ohne zu zögern. Erst jetzt bemerkte Marcel wie Dunkel es schon draußen war, und Dylans Haare leuchteten im Veranderlicht wie die hellen Sterne am Himmel. "Guten Abend, ich heiße Dylan Smirnow und Sie sind sicher Marcels Bruder?" Jeremy nickte bissig, während er Dylan bis auf die Knochen röntgte. Dieser lächelte unsicher, entgeistert über diese sonderbare Begrüßung. Auch wenn er etwas größer als Marcel war, erreichte sein Kopf grade mal Jeremys unterste Rippe. "Hallo Dylan...", sprach Jeremy mit frostiger Stimme."Schön, dass du zu uns gekommen bist." Und das wird auch dein letztes Mal sein... Mit angemessenen, langsamen Schritten trat er auf Dylan zu und ergriff die Hand, die er ihm zögerlich entgegen streckte. "Es ist schön, Sie kennen zu lernen.", sagte Dylan zähneknirschend. Zu seiner großen Verlegenheit musste er feststellen, dass seine Stimme vor Aufregung zitterte. Jeremys kalte Aura war alles andere als freundlich oder einladend… Marcel drängelte sich an seinem Bruder vorbei und grinste Dylan aufmunternd an, mit der Absicht die Stimmung etwas zu lockern. "Hi Dylan! Na, hast du dich schon für einen Film entschieden? Ich habe gehört dass der neue Zombiefilm, Cursed selenium, ein echter Klassenschlager ist. So richtig zum Fürchten," - Jeremys Gesichtsausdruck saß momentan auch zum Fürchten aus – „und Schreien. Hoffentlich sitzen da keine Hysterischen Kinder rum, die nach jeden Bluttropfen am Rad drehen." Marcel schaute schnell von Dylan (der geschockt aussah) zu Jeremy (der die Zähne bleckte) und begann Glockenhell zu lachen. "Oh, tut mir leid. Das war nur ein Scherz. In so einen Film kommen wir doch noch gar nicht rein. Der ist nur für Erwachsene, für Leute über 18 Jahre. Komm Dylan, wir gehen jetzt!" Immer noch lachend griff er nach Dylans Handgelenk und zog ihn sanft, dennoch bestimmend aus Jeremys Klauen. "Ich rufe an, bevor ich Nachhause komme, dann brauchst du dir keine Sorgen machen. Tschüss!" rief Marcel noch über die Schulter, ehe er auf die Straße trat. Dort ließ er Dylan rasch los und blickte ihn entschuldigend an. Die Anspannung fiel sofort von ihm ab, und ohne dass er etwas dagegen unternehmen konnte, machte sich eine rote Farbe in seinem Gesicht breit. "Sorry..." nuschelte er beschämt."Mein Bruder ist immer noch sauer auf mich, und behandelt jeden, der was mit mir zu tun hat, wie eine Handgranate. Sonst ist er der beste und liebste Bruder, den es auf dieser Welt gibt" Jetzt grinste Dylan auch und seine Augen begannen im alten Glanz zu strahlen. Er glaubte ihn. Munter gingen sie den direkten Weg zur Stadt. Es dauerte nicht annähernd so lange wie gedacht, und eine halbe Stunde später standen sie unter den mächtigen Schatten des Werbebanners. Nach kurzem Diskutieren entschieden sich Dylan und Marcel für den skurrilen Fantasy-Thriller, wo Mutierte, gutartige Ungeheuer in Menschlichenerscheinung eine Stadt vor anderen Monstern beschützte, und gingen gemeinsam zur Kasse. Die Dame am Empfang stempelt Dylans Karten ab, und wünschte ihnen mit einem breiten Lächeln viel Spaß. "Sollen wir uns eine Tüte Popcorn kaufen?", fragte Marcel, und blieb am Kiosk neben den verschiedenen Vorstellungsräumen stehen. "Ich lade dich ein, ja?" "Ah, für mich brauchst du nichts kaufen, Danke.", sagte Dylan eine Spur zu schnell. Marcel zog fragend die Augenbrauen zusammen. "Das kommt gar nicht in Frage. Du mich eingeladen, und jetzt bin ich dran!" Er ging mit gezückter Geldbörse zu dem Kino-kiosk, und kaufte eine extra große Tüte für sich und Dylan. "Ich habe dich nicht einfach aus Jucks und Dollerei eingeladen.", murrte Dylan während er sich mit Marcel durch die Überfüllten Sitzreihen quetschte. "Ich hatte nur ein schlechtes Gewissen, weil ich dich an diesen einen Tag so blöd angemacht habe. Du bist mir nichts schuldig, hörst du?" Marcel hatte sich mit seiner Popkorntüte niedergelassen und warf Dylan einen kurzen Blick zu, bevor er auf seine Feststellung einging. Er zuckte kurz die Achseln. "Du meinst den Tag, wo du mich über den Tisch geworfen hast? Ich dachte, du wolltest mich damit vor denn Stein retten? Aber das habe ich schon wieder vergessen. Und das ist mir jetzt auch egal. Jeder von uns, hat mal einen schlechten Tag. Ich habe dafür vollstes Verständnis, glaub mir." "Ich aber nicht!", zischte Dylan grollend und seine fröhliche Mine wurde finster. "Du hast ja nicht die leiseste Ahnung was passierten hätte können, wenn ich wirklich ausgeflippt wäre. Und was das in diesen Moment für dich bedeutet hätte, darf ich gar nicht erst denken! Es war so dumm und Verantwortungslos vor mir, dich solch einer Gefahr auszusetzten." Dylan schüttelte es am ganzen Körper, während die Wörter nur so aus seinem Mund hervor sprudelten."Ich hätte dich schwer verletzten können und niemand hätte dir geholfen, weil kein Mensch gegen mich kämpfen kann, ohne mit den Leben zu bezahlen. Du könntest jetzt schon Tod sein und unter der kalten Erde liegen - jede Sekunde die du mit mir verbringst, ist Gefährlich für dich, Marcel! Du solltest dich von mir fern halten, oder noch besser; vergiss mich, und tue so ob es mich nie gegeben hätte. Ich kann mich beherrschen, ich kann dir aus dem Weg gehen aber ich bin zu egoistisch um genau das zu tun. Ich will in deiner Nähe sein, ich möchte - " Abrupt stoppte Dylan die Flut seiner Erklärungen und starrte bekümmert auf die weiße Leinwand im Kinosaal; seine Anspannung war fast körperlich zu spüren. "- ich möchte doch auch jemanden haben..." Marcel war geschockt; Noch nie hatte Dylan ihn so weit hinter seine sorgfältig gepflegte Visage blicken lassen. Doch was meinte er mit diesen seltsamen Worten? Es hörte sich fast so an, ob er, Dylan, gefährlich für Marcel wäre. „Was willst du damit sagen? Ich versteh´ dich nicht ganz…“, stammelte Marcel verwirrt. Dylans Unerwarteter Ausbruch hatte ihn deutlich getroffen. „Es tut mir Leid. Vergiss einfach was ich gesagt habe“ Dylan ließ das Gesicht in seine Handflächen sinken, und atmete tief ein. Es war offensichtlich dass er litt, doch Marcel wusste nicht wie er ihn trösten konnte. Dylan hatte ihn geschockt und so knabberte er trübselig an ein paar Popkörnern, um ihn nicht die ganze Zeit anzuglotzen wie ein Vollidiot. Er spürte deutlich Dylans Schmerz; sie schien in elektrischen Funken aus seinen Körper zuschlagen. Den gesamten Film über saß Dylan in seiner verkrampften Haltung und verdeckte mit den Fingern seine Augen. Er hockte reglos da, wie eine Statue; Marcel war sich sicher das Dylan bis jetzt noch kein einigstes mal geatmet hatte. Als die Lichter angingen, beugte Marcel Oberkörper zur Seite und berührte sanft seinen Arm. „Was ist los?“, fragte er flüsternd. „Hat der Film dir nicht gefallen, oder möchtest du jetzt Nachhause?“ Dylan schüttelte den Kopf, bevor er die Hände in seinen Schoß fallen ließ. „Mir geht es gut... wirklich.“, sagte er feste, wobei sein Blick auf den Boden gerichtet blieb. „Ich hoffe ich habe dir nicht die Vorführung verdorben.“ „Ich weiß noch nicht mal wie der Hauptdarsteller heißt. Ich habe eher darauf geachtet, ob du nicht zusammenbrichst. Du siehst grauenhaft aus, wenn ich das mal so sagen darf. Ich habe schon Leichen mit einer gesünderen Hautfarbe gesehen.“ Kurz verzog sich Dylans Mund zu einem schiefen grinsen, die Anspannung löste sich langsam von seinen Körper. Er seufzte Abgrundtief und erhob sich – zu schnell für Marcels Augen – von seinen Sitz. Mit der linken Hand griff er nach Marcels rechten und manövrierte ihn aus dem kleinen, stickigen Kino. Sie traten draußen auf die Straße wo Dylan erst einmal erleichtert ausatmete, und lächelte Marcel dann zaghaft an. Er hielt seine Hand noch immer fest. „Gleich ist es 20. 45 Uhr. Wenn du möchtest, können wir noch irgendwo hingehen.“, sagte Dylan leise. Marcel schnappte nach Luft und umklammerte Dylans Hand unwillkürlich fester. Dieser Hypnotische Blick verfehlte seine Wirkung nie, niemals in dieser Intensivität. „Wohin willst du denn? Hast du schon an etwas Bestimmtes gedacht?“, wisperte Marcel mit schwacher Stimme. „Hmm…“ murmelte Dylan und tippte nachdenklich mit dem Zeigefinger auf seine Unterlippe. „Ich finde, wir sollten etwas Essen gehen.“ „Ähm, Okay…“ Marcel biss sich auf die Zunge und versuchte seiner Miene zu entnehmen ob er es ernst meinte; Dylans bestimmender Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran. Ohne ein weiteres Wort zusagen ging er los und zog Marcel hinter sich her. „Hier ganz in der Nähe gibt es ein klasse Restaurant, dort gibt es die besten Steaks der Welt“ Marcel wurde hellhörig, „Auch Pasta? Ich liebe Cannelloni! Jeremys Nudelauflauf ist einzigar - “ Er wünschte er hätte den Namen seines Bruders nicht ausgesprochen, denn tief in seinen Inneren riss eine alte Wunde auf. Im Schatten der Häuser konnte Dylan glücklicherweise seine Augen nicht sehen, in denen sich grade Verletztheit und Tränen wiederspiegelten. „Was? Du meinst einzigartig?“ fragte Dylan locker, der die Bedrückte Atmosphäre noch gar nicht wahrgenommen hatte. „Dein Bruder kann Kochen? Das ist ja großartig! Ich kenne kaum Männer oder Jungen die kochen könnten“ er kicherte verschämt. „Alles was ich fabriziere fällt unter die Kategorie; ungenießbar bis hochgiftig.“ „Mmm-hmm.“, murmelte Marcel bloß, er wusste dass seine Stimme beim Sprechen weg brechen würde. Dylan drehte seinen Kopf nach hinten. Er war entsetzt. Kreidebleich, fürs seine Verhältnisse Kreidegrau, und mit weit aufgerissenen goldenen Augen sah er Marcel an. „Was ist los? Warum weinst du, habe ich etwas Falsches gesagt?“ Marcel spürte den Blick aus sich ruhen, er schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf. „I – Ich habe dir doch er-r-erzählt, das ich mich mit Jere-my gestritten habe. Ich glaube mittlerweile, das er mich hasst…“ wimmerte Marcel leise. Er hatte nicht bemerkt wie die Tränen aus seinen Augen traten und ihm über die Wangen liefen. Hastig wischte er sie mit den Ärmeln fort. Es war ihm mehr als nur peinlich; noch nie hatte er vor jemand anderen, als vor seinen Brüdern geweint. Dylan brauchte eine Weile um sich von Marcels Anblick zu erholen. Er hob seine Hand, unfähig etwas anders zu tun, und streichelte ihn flüchtig über die Tränennasse Haut. Seine Finger waren angenehm warm und kalt zugleich. „Marcel.“. sagte Dylan mit rauer, erwachsener Stimme. „Ich glaube das du Jeremy sehr schlecht einschätzen kannst; Er leidet mehr unter eurem Streit, als du dir vorstellst kannst. Er gehört zu der Sorte von Menschen die ihre wahren Gefühle vor anderen Leuten verbergen. Das macht er, weil er niemanden zur Last fallen will.“ Er schaute Marcel tief in die Augen – verschlang ihn mit seinem ausgehungerten Blick. „Er macht sich wahnsinnige sorgen um dich und mir hätte er vorhin fast die Finger zermatscht. Jedenfalls – in deiner linken Jackentasche befindet sich eine Dose Pfefferspray. Jeremy hat sie dir zugesteckt als du mich von ihm weg gezogen hast, ich habe es gesehen.“ Benommen starrte Marcel ihn an. Seine eine Hand hink schlaff in Dylans linken; Alles um ihn herum begann sich zudrehen. „Wie kannst du dir da so sicher sein?“ japste er heiseren. „Ich habe halt gute Menschenkenntnisse.“ antwortete Dylan nüchtern. „Und ich kann andere sehr gut einschätzen.“ Sein Mundwinkel zog sich ein kleinwenig nach oben, seine Augen wurden dunkler und strahlten noch mehr Unmenschlichkeit aus. Im Schein der Straßenlaternen leuchteten sie sogar Rot-Orange. Marcel spürte wie das Schwindelgefühl stärker wurde. Sein einigster halt war Dylans Hand, an die er sich umso mehr drückte. Die Aura, die von dem Albino ausging bestand einfach nur aus purer und geballter Energie. Das war nichts für so einen schwächlichen Jungen, wie Marcel es war. Besonders nicht, wenn man grade, einen leichten Drang zur Melancholie verspürte und besonders dann nicht, wenn der Hypnotiseur Dylan hieß. „Dy…lan“, konnte Marcel grade noch sagen, als ihm endgültig schwarz vor Augen wurde. Und dann brach er Ohnmächtige zusammen... Kapitel 6: Ein Moment für die Ewigkeit -------------------------------------- Dylan schüttelte den Kopf und machte einen Hechtsprung um Marcel noch rechtzeitig aufzufangen. „Marcel!“ rief er erschrocken, schlang die Arme und den Körper seines Freundes und presste ihn feste an seine Brust, während seine Beine nachgaben und er langsam auf den Boden sank. „Hey, was ist los! Marcel!“ Dylan rüttelte ihn kräftig an den Schultern, doch Marcels Kopf kullerte bloß hilflos hin und her. Just in diesen Moment klärte die kühle Abendluft seinen Verstand auf, Dylan war zwar noch immer verwirrt, doch die Angst um Marcel verfiel ihm ungeahnte Kräfte. Er sprang hoch und riss Marcel gleichzeitig mit in die Höhe. Durch den scharfen Ruck der wie ein Blitz einschlug, schoss Marcels Geist in seinen Körper zurück. Träge öffnete er die Augen und starrte in den Himmel: Der Mond und die Sterne wurden von dicken Regenwolken verdeckt. „Dylan…“ krächzte er heiseren. Marcel bekam kaum Luft, etwas schnürte ihm regelrecht die Atemwege ab. „Oh Marcel… Du bist wach, wie geht es dir?“ Dylan beugte sich über ihn und verdeckte den Abendhimmel. Vorsichtig strich er dem Kleinen eine Haarsträhne aus dem blassen Gesicht. Marcel drehte den Kopf zur Seite um Dylan in die Augen zuschauen. „Mir ist schlecht und schwindelig“ murmelte er leise. „Könntest du bitte aufhören mich zu zerquetschen?“ „Oh! Tut mir leid, Kleiner. Hast du sonst noch schmerzen?“ fragte Dylan und lockerte seinen Griff sofort. Er trug Marcel ohne Mühe zu einer Parkbank die in der Nähe stand, und setzte ihn vorsichtig ab. „Jetzt tut mir nichts mehr weh… Danke“ flüsterte Marcel. Seine Lippen waren ganz blau angelaufen und zitterten im Luftzug. Das war doch verrückt, warum hatte er diesen Schwächeanfall bekommen? Er hatte Dylan doch nur in Augen geschaut, mehr nicht… „Sorry“ flüsterte er. „Können wir jetzt in das Restaurant gehen?“ Dylan starrte ihn geschockt an, in seinen Katzenaugen tobte ein Sturm von den unterschiedlichsten Gefühlen. „Du bist grade ohnmächtig geworden, du musst sofort nachhause, Marcel. Spiel hier nicht den starken!“ Der folgende Schrecken vertrieb auch noch das letzte bisschen Farbe aus Marcels Gesicht. Jetzt war er Leichenblass – wie seine Geschwister. „Nein, alles nur das nicht!“ rief er panisch, „Wenn Jeremy erfährt das ich neuerdings aus heitern Himmel umkippe, mauert er die Wohnungstüre zu! Du darfst ihm davon nichts erzählen. Sonst war es das letzte Mal, dass wir getroffen haben. Bitte halt es geheim, Dylan. Ich möchte nicht den Rest meines Lebens in meinem Zimmer am Computer verbringen müssen!“ Schließlich kniffe Dylan die Augen zusammen und starrte Marcel zornig an. „Was ist dir wichtiger: deine Gesundheit oder deine Freiheit?“ er streckte eine Hand aus. „Gib mir dein Handy, ich rufe Jeremy an und sage ihm, dass er dich hier sofort abholen soll“ „Das tust du nicht – Niemals!“ Marcel rutschte so weit wie es die Bank zuließ von Dylan weg und drückte sein Handy mit beiden Händen an sich. „Wenn du dieses Ding wirklich willst, musst du es mir schon mit Gewalt abnehmen!“ Vielleicht war es seine Überzeugungskraft, vielleicht war es aber auch Mitleid – Dylan kreuzte die Finger und seufzte auf. „Okay, wie du willst…“ er schaute auf den Boden, während sich seine Augen unheilvoll verdunkelten. „Dann gehen wir jetzt eben etwas essen – Aber wenn du auch nur ein kleines bisschen taumeln solltest, bringe ich dich ohne Diskusionen Nachhause“ Die vergangen Wochen hatten Dylan verändert. Sein Gesicht war nicht mehr ganz so rund, mittlerweile traten die Wangenknochen stärker hervor. Unter seiner weißenhaut zeichneten sich deutlich ein paar harte Muskeln und Sehen ab, wie bei den Männern die täglich ins Fitnessstudio gingen. Die Zeit des zarten, kindlichen Jungen war vorüber gezogen. Unwillkürlich musste Marcel schlucken. plötzlich war er nicht mehr ganz so scharf darauf sich mit Dylan anzulegen; Dylan wirkte auf einmal viel älter und kräftiger als er. Da fiel ihm plötzlich etwas Wichtiges ein… „ Dylan, wie alt bist du eigentlich?“ „Am sechsundzwanzigsten Mai werde ich 15 Jahre“ sagte Dylan kühl. Der frostige Ton machte seine gewohnte Samtstimme rau und unnahbar. „Wenn es mir schlecht geht sage ich dir sofort Bescheid“ Dylan sah ihn argwöhnisch an. Er war noch immer sauer, das sah man ihm an, und seine Katzenaugen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. „Und wehe wenn nicht!“ „Na sicher. Krieg´ ich jetzt meinen charmanten Freund zurück?“ Das Wort Freund blieb in der Luft hängen und taute Dylans Gesichtsausdruck endlich auf. Er grinste und verpasste Marcel einen Stoß mit den Ellbogen, ehe sie sich erhoben und auf den Weg machten. Es dauerte nicht mehr lange und die beiden hatten das kleine Restaurant in einer ruhigen Gasse gefunden. Die kleinen Tische und Stühle waren aus einfachem Holz und schufen mit den restlichen mobilia eine freundliche Atmosphäre. Eine Kellnerin hatte Marcel und Dylan schon längst gesehen, als sich die Glastür öffnete und sie das Haus betraten. Die junge Dame lächelte sie äußerst freundlich an. „Einen Tisch für zwei?“ fragte sie. Dylan nickte Wortlos. Die tatsachte das die Kellnerin ihn permanent anstarrte, prallte wie ein Pingpongball von ihm ab. An die neugierigen Blicke der Leute hatte er sich schon vor sehr langer Zeit gewöhnen müssen. Die Dame führte sie zu einem ruhigen Tisch in der Ecke, und verschwand nachdem sie Marcel ein spitzbübisches lächeln zugeworfen hatte. Kichernd blickte Dylan ihr nach. Stets hatte sein Lachen einen angenehmen, beruhigenden Klang; Wie ein helles Glockenspiel in einer alten Kapelle. „Ich glaube sie mag dich“ neckte er. „Sie ist sehr hübsch, und ich bin halt ein Frauenmagnet!“erwiderte Marcel grinsend. „Na klar bist du das, deshalb sind ja auch die ganzen Weiber der achten Klassen hinter dir her. Wie viele Liebebriefe bekommst du in der Woche? 15 Stück?!“ Kurz überlege Marcel; „Mal mehr, mal weniger“ Dylan lachte wieder. „Du bist wirklich niedlich. Ich glaube, ich bin neidisch…“ er lächelte schälmisch, doch seine Augen blieben sanft. „Du bist ein Spinner!“ murmelte Marcel verlegten. Unter den Haaren glühte sein dünnes Gesicht wie Feuer. Was hatte dieser unverschämte Casanova nur an sich, das er es immer wieder schaffte ihn in so peinliche Situationen zubringen? Am liebsten wäre Marcel vor Scham im Erdboden versunken, und zwar ganz schnell. Heimlich streckte Dylan seine Hand aus und berührte vorsichtig Marcel Finger. Ein Lächeln, so schön das man es nicht beschreiben konnte, zierte sein elfenhaftes Antlitz. „Hey, das war nur Spaß; Guckst du mich bitte wieder an?“ Inzwischen war die Kellnerin zurück gekommen und schaute zuerst auf Dylan. „Was möchtest du trinken, junger Mann?“ „Nur ein Wasser bitte, ohne Kohlensäure“ sagte er sehr freundlich. Dann schaute sie zu Marcel. „Und was bekommst du?“ „Ich bekomme eine Cola“ „Okay“ Die Kellnerin warf ihr Haselnussbraunes Haar über die Schulter, und entschwand zu den Tischen der andern Gäste. Ausirgendeinen Grund fühlte Marcel sich dazu verpflichtet ein neues Gespräch einzuleiten; Es war ihm unangenehm wenn Dylan ihn nur anstarrte, aber kein Wort sagte. „Der Abend war toll. Hoffentlich treffen wir uns in Zukunft öfters“ „Das hoffe ich auch. Hast du schon entschieden was du essen möchtest?“ Marcel griff nach der Speisekarte zu seiner Rechten. Nachdem er sie sorgfältig studiert hatte, wählte er für sich eine einfache Pastete aus. „Und was willst du?“ fragte Marcel und spähte neugierig über den Rand der Karte. „Nichts, mein Vater hat heute Abend schon für mich gekocht. Und wenn ich das nicht Esse, macht er nie wieder was für mich…“ Sekunden später, stand die Kellnerin wie auf Knopfdruck wieder neben ihnen– sie hatte ihren Tisch ohne Unterbrechung beobachtet – und nahm freudig die Bestellung entgegen. Dylan hatte das Essen seinerseits dankend abgelehnt. Danach wurde es ruhig, jeder hatte Zeit seine Gedanken nachzuhängen. Und das fand Marcel gar nicht prickelnd, denn jetzt musste er wieder an vorhin denken, als Dylan kurz vor einen Nervenzusammenbruch gestanden hatte. Mit Wörtern wie: Gefahr, böse und schlecht hatte er nahezu um sich geschmissen. Das passte einfach nicht mit Dylans sanften Wesen zusammen! Marcel hob den Blick und saß wie sein Gegenüber grade verträumt eine Serviette zerflederte. Jetzt oder nie, sagte Marcel sich im Stillen. „Dylan?“ „Mmm-hmm?“ „Du hast mir im Kino eben einen riesen Schrecken eingejagt. Was meinst du damit, als du sagtest du wärst eine Gefahr für mich“ Noch während er sprach merkte Marcel dass es ein riesiger Fehler war, die Sache so offen anzusprechen; Mit jeden weiteren Wort erstarrte Dylans Gesicht mehr und mehr zu Eis. Es war beunruhigend ihn so zu sehen, jetzt saß er wirklich gefährlich aus. Marcel wartete geduldig ohne Dylan anschauen, ein Blick in seine Katzenaugen würde genügen um ihn aus der Fassung zu bringen. Ein Blitz der Vernichtung würde ihn treffen, und verbrennen. „Tut mir leid, aber das kann ich dir nicht erklären“ flüsterte Dylan monoton. „Wieso denn nicht? Ist es so schrecklich?“ Wie zur Bestätigung knurrte Dylan wütend. „Nicht hier und nicht jetzt…“ Doch so schnell ließ Marcel sich diesmal nicht einschüchtern, hartnäckig bohrte er weiter. „Erzählst du mir es denn später?“ Dylan gab keine Antwort, in seinem Porzellangesicht regte sich nichts. Erneut wartete Marcel und schaue Dylan sogar entschlossen an. Dazu war dieser noch nicht mal in der Lage; Er blickte an Marcels Gesicht vorbei. Die Augen funkelten wütend. „Sag einfach ja. Ich hör dann auch auf dich zu nerven“ Marcel merkte selbst das dieses Argument ziemlich schwach war, deshalb fügte er sanft hinzu; „Ich dachte wir sind Freunde. Du kannst mir alles erzählen. Alles. Und nichts was du sagst, wird unsere Freundschaft zerstören können. Ich mag dich wirklich sehr gerne, und finde das wir offen miteinander sein sollten, oder Dylan?“ Draußen begann es zu Regnen und das Unwetter spiegelte Dylan Emotionen wieder. Das Wasser und der Wind peitschten alle Hindernisse nieder, die sich es wagten ihnen in den Weg stellten. „Ich würde es dir ja gerne sagen“ meinte Dylan und sein Ton war hart, und sehr ernst. „Aber grade weil ich will das wir Freunde bleiben, muss ich es für mich behalten. Es ist so… erschütternd, das ich es oft selbst nicht wahr haben will. Doch ich muss mit meiner Schmach leben, und das will ich dir nicht antun. Eine zerrissene Seele ist mehr als genug! Du würdest zu Grunde gehen…“ Jetzt war Dylans Stimme ganz kalt, genau wie sein Blick. Er schien tief in Erinnerungen versunken zu sein, und würde sobald nicht mehr auftauchen. Glücklicherweise kam die Kellnerin zurück und stellte einen Teller vor Marcel ab. Jetzt brauchte er Dylan nicht mehr perplex anzuglotzen. Das Mädchen schaute noch einmal kurz zu Dylan, und ging dann. Erst jetzt bemerkte Marcel seinen leeren Margen, der leise grummelte, und er griff eilig nach dem Besteck. Die Pastete roch ganz gut. Vorsichtig schnitt er ein kleines Stückchen ab und schob sich die Gabel in Mund. Und es schmeckte auch noch toll! Langsam schluckte er den ersten Bissen runter und wagte es sich dann, die Augen zu heben; Dylan starrte mit leeren Augen vor sich her, der goldene Ton in ihnen war gefroren und Leblos. Allmählich begann Marcel sich sorgen zumachen. Er legte das Messer weg und streckte die Hand nach Dylans Arm aus. Ein zucken huschte über das Gesicht, blitzschnell zog er seinen Arm fort und legte ihn in den Schoß. Schuldbewusst senkte Dylan den Blick. „Tut mir leid“ sagte er mit sanfter, doch zugleich trauriger Stimme, „Aber ich bin so verwirrt, du musst mir noch ein wenig Zeit lassen. Ich hatte… noch nie einen richtigen Freund, Marcel. Alle Menschen finden mich abstoßend, weil ich so fremdartig bin. Sie machen einen großen Bogen um mich. Aber du bist ganz anders. Du bist freiwillig mit mir zusammen, und es scheint dir auch noch Spaß zu machen! Und grade das verwirrt mich; Warum empfindest du so, warum verhältst du dich nicht wie die anderen? Was ist dein Geheimnis?“ Er schaute Marcel so intensiv an, dass dieser beschämt weg schauen musste. Dylans Augen waren wieder normal, ihre Hypnostichen Kräfte ungebrochen. Er räusperte sich und dachte über die ungewöhnlichen Sätze nach, die Dylan ihm gesagt hatte. Nun ja, in einem Punkt hatte er ohne unumstritten recht: Er, Marcel, war Dylans einigster Freund. Was prinzipiell betrachtet ziemlich bedrückend war. Dylan war doch so klug und reif für sein Alter das man kaum glaubte, dass er erst in die achte Klasse ging. Warum hatte er also nicht mehr Freunde? Mieden seine Mitmenschen ihn wirklich so sehr? Urplötzlich sprang Dylan in die Luft, sein Zähne hatte er feste zusammen gebissen und schon rannte er nach draußen, in das Unwetter. Marcels Verstand brauchte ein paar Sekunden um die neue, unerwartete Situation zu verarbeiten. „Was ist denn los? Warte!“ Er sprang auf und stützte Dylan hinterher. Da Marcel so schnell war, bekam er vor dem Restaurant seinen Arm zufassen doch Dylan riss sich grollend los. „Geh einfach Nachhause und vergess mich!“ schrie Dylan ungehalten und funkelte Marcel zornig an, „Ich bin kein guter Umgang für dich – ich bin gefährlich! Kapier das endlich!“ „Ich kann nicht, Dylan! Ich kann es einfach nicht. Außerdem bist du mir eine Erklärung schuldig. Sag mir, was dich so Quält!“ „Tzz, du wirst es eh nicht verstehen, warum sollte ich mir also die Mühe machen und es dir lang und breit erklären?!“ zischte Dylan zurück, dann drehte er sich zu der Straße um und lief davon. Das gefiel Marcel nicht – er war 14 Jahre, er ging auf ein Gymnasium und er war beim besten Willen nicht vollkommen verblödet. Wieso wollte Dylan ihm nichts verraten? Es war ein dunkles Geheimnis, soviel stand fest. Eins von der Sorte, die manche Menschen in den Wahnsinn, oder in die Psychiatrie trieben. Vor lauter Panik begannen Marcels Hände unkontrolliert zu zittern. Jetzt – in diesen Moment – dürfte er Dylan auf keinen Fall alleine lassen, wer weiß, auf was für Ideen er sonst noch kommen würde. So lief er ihm schnell nach. Bestimmt saßen sie in der Dunkelheit aus wie zwei Vollidiotien die einander nach jagten, doch das war belanglos. Der Trip endete rückartig im Stadtpark; Auf einmal blieb Dylan stehen und drehte sich blitzschnell um, die goldenen Augen funkelten sogar in der Finsternis gespenstig. „Ich bitte dich ausdrücklich Marcel, halt dich von mir fern. Wir dürfen keine Freunde mehr sein, wir hätte nie welche werden sollen! Das war falsch, und Gehirnlos von mir so egoistische zu sein. Ich hätte dich nie solch einer Gefahr aussetzten dürfen. Geh jetzt zu deiner Familie heim, sie wartet sicher schon auf dich…“ „Jetzt ist es aber zu spät!“ rief Marcel aufgebracht. „Du bist nun ein Teil von meinem Leben, und das kann ich nicht so einfach wegwerfen“ Im Mondlicht saß es so aus, ob sein ganzer Körper zittern würde, „Dylan du bist inzwischen mein Freund geworden, und ich verstehe nicht was auf einmal mit dir los ist! Ich möchte dir helfen, verstehst du das denn nicht! Wo liegt das Problem, was verheimlichst du vor mir?“ Dylan stieß ein kaltes Lachen aus. „Du willst es also wirklich wissen!? Dann komm mit, und glaub deinen eigenen Augen!“ Er ging weiter und Marcel musste wieder rennen um mit Dylan Schritt zuhalten. Er trat wirklich energisch aus. Sie liefen bis zu dem alten Schrottplatz der unmittelbar hinter dem Park lag. Hier war Marcel noch nie gewesen. Jeremy hatte es ihm verboten, er sagte dazu nur, es wäre zu gefährlich für ihn da man im Vorhinein nie wusste, was sich hier für ein Gesindel rumtrieb. Obdachlose, Drogenabhängige, Diebe, Schläger, Alkoholiker, Vergewaltiger, Mörder… „Warte hier“ murmelte Dylan und kletterte flink über den Zaun, dann sprang er auf der anderen Seite runter um dort zwischen ein paar verschrotteten Autos zu verschwinden. Marcel verharrte auf der Stelle und stürzte nachdenklich die Lippen. Er hatte nicht die leiseste Ahnung wann nun passieren würde. Vielleicht hatte Dylan ihn aber auch nur belogen, und war schon längst auf den Weg Nachhause. Bei längerem Überlegen war der Einfall gar nicht so verkehrt; Dylan wollte ihn doch so dringend los werden… - in diesen Moment jedoch zerriss ein fürchterliches heulen die Nachtruhe und Marcel machte einen Satz auf die Bäume zu. D as war doch hoffentlich kein großer Hund der den Schrottplatz bewachte? Ihm lief es eiskalt den Rücken runter, als er sich vorstellte wie sich ein monströser, bösartiger Rottweiler vor Dylan aufbaute. Noch einmal ertönte das scharfe Geräusch, Marcel hielt sich die Ohren zu, doch die Augen hatte er gewaltsam aufgerissen. Hastig blinzelte er die kleinen Regentropfen weg die sich an seinen Wimpern verfangen hatten, um eine bessere Sicht zu haben. Es geschah urplötzlich, ein zischen zerschnitt die Luft und der weißhaarige Junge war zurück gekommen. Dylan stand in der Mitte des Schrottplatzes, ohne das ihn jemand zuvor gesehen hatte. Er hielt eine rostige Eisenstange in der Hand. „Na gut…“ flüsterte Dylan so leise, das Marcel sein Gehör enorm anstrengen musste um etwas zu verstehen. „Denk jetzt bitte nichts Falsches von mir. Ich möchte dich nicht verlieren, auch wenn es sich eben vielleicht anders angehört hat. Ich mag dich, und tue das hier nur, damit dein Gewissen endlich Ruhe hat“ Die Metallstange warf er über den Zaun, die dann klirrend vor Marcels Füßen landete. „Nur für den Fall, das etwas schief gehen sollte“ Dylan benutze sein altes, charmantes Lächeln während er sich zu einen verschrotteten Jeep drehte. Der Regen würde stärker, genau wie Marcels Unwohlsein. Inzwischen kniete Dylan neben dem Auto und umfasste mit beiden Händen jeweils ein Reifen auf der rechten Seite. Was dann geschah war so unmöglich, dass es eine Halluzination hätte sein können. Dieser schmächtige, hellhäutige Junge mit den suggerieren Augen hob den kompletten Jeep an. Ein Mensch – ein Kind! – stemmte ohne mit der Wimper zu zucken ein 1 Tonnen schweres Auto. Entsetzt wich Marcel zurück. Das ging weit über seine Vorstellungskraft hinaus! Er rutschte auf der schlammigen Erde aus und stürzte zu Boden. Dylan stand auf, wobei der den Jeep nur noch mit einer Hand über den Kopf balancierte. Seine gefühllose Mine sah wie eingemeißelt aus, mit ihr als Sahnehäubchen war das grauen beinahe komplett, aber nur fast, anscheinend hatte Dylan noch etwas vor. Es hatte noch nie einen Zeitpunkt gegeben an dem Marcel sich mehr gefürchtet hatte, noch nie hatte er so etwas Unfassbares und faszinierendes gesehen…! Kurz darauf warf Dylan das Auto in die Luft – und die Erdanziehungskraft zog es zugleich wieder runter. Die Welt um Marcel herum geriet bedrohlich ins Wanken, in seiner Kehle steckte ein Schrei, doch seine Stimme brach weg. Das Auto. Dylan. Es würde ihn zerquetschen! „Dylan…“ stieß Marcel heiseren hervor. „Lauf weg, der Jeep…“ Als es hätte krachen sollen, öffnete Marcel seine zusammen gepressten Augen, und sah dass der Wagen nur wenige Meter über Dylans unversehrten Kopf schwebte. DAS AUTO – FLOG! Das war zu viel des guten. Marcel begann hysterisch zuschreien, sein Überlebensinstinkt machte ihn Beine und er sprang in die Höhe. Das war nicht wirklich geschehen, das hast du dir nur eingebildet, protestierte sein gesunder Menschenverstand. Du träumst nur, du liegst zuhause in deinem Bett und schläfst! Das Alles hier war bloß ein verrückter Traum, Nebenwirkungen von dem beängstigen Horrorfilmen, die seine Zwillingsbrüder immerzu schauten. Ganz langsam verstummte Marcels Geschrei, in seinen Ohren halte es jedoch wieder. Er bekam keine Luft mehr, die Angst lähmte seinen gesamten Körper. Die Tränen in seinen Augen konnte er nun fast nicht mehr zurückhalten. Vor Schmerzen und vor Panik wimmerte er leise und bemühte sich, nicht aus zu flippen. Der Himmel klärte sich auf und der Mond schickte ein paar Strahlen auf die Erde. Obwohl es jetzt wärmer wurde zitterte Marcel so heftig, das seine Zähne schmerzhaft auf einander schlugen. Das war doch nur ein Traum, eine Sinnestäuschung, ohne Bedeutung! Warum zum Teufel wachte er denn nicht endlich auf? „Marcel…“ Dylan blinzelte und der Jeep setzte sanft auf den Boden auf. „Was ist mit dir los? Marcel!“ rief er diesmal deutlich lauter und bewegte sich vorsichtig auf den Zaun zu. Dylan hob beschwingend die Hände um zu symbolisieren das er unbewaffnet war. Doch Marcel wich trotzdem zurück; Wenn er wirklich nicht Träumte, musste er den Verstand verloren haben. Das Mondlicht und die Matsche an seinen Finger fühlten sich einfach zu Real an. Der arme Jeremy! Was würde er nur tun, wenn noch einer seiner Brüder durchdrehte? Denn Daimon sah gelegentlich auch solche Sachen, aber nur Samstagabends, um 23 Uhr und nach 2 Flaschen Doppelkorn. „Siehst du jetzt was ich meine?“ flüsterte Dylan traurig. „Du hast eine Heidenangst vor mir, ich sehe es in deinen Blick, ich rieche es an deinem schweiß und ich höre deinen schnellen Herzschlag“ seine Stimme wurde schwach vor Bitterkeit, „Jetzt habe ich genau das erreicht, vor dem ich dich die ganze Zeit schützen wollte. Ich bin wirklich ein abscheuliches Monster… wie überraschend“ Dylan machte noch zwei Schritte auf Marcel zu, wenn er die Hand ausgestreckt hätte könnte er den Zaun berühren, der sie voneinander trennte. Eine schwache Mauer, die eine Barriere zwischen seinen tödlichen Fähigkeiten und Marcels Schutzloser Haut errichtet. „Ich werde dir nicht weh tun, das verspreche ich dir“ sprach Dylan sanft und langsam weiter. Die Wut, die bis vor ein paar Minuten noch seinen Körper beherrscht hatte war wie verflogen. „Aber wenn es dich beruhigt, kannst die Eisenstange nehmen um dich zu verteidigen“ Marcel stockte und vergaß für den Moment das er eigentlich Angst hatte. „Bist du verrückt geworden!“ sagte er schroff, „Ich könnte dich damit ernsthaft verletzten!“ In Dylans Gesicht regte sich eine leise Emotion. Er öffnete die Lippen und begann leise und hinreißend zu lachen. „Ich lasse mit meiner bloßen Willenskraft ganze Autos schweben, und du befürchtest mich verletzten zu können? Ist das dein Ernst?“ Eine Weile blieb es still. Genau diese Zeit brauchte Marcel um sich klar zu machen, das Dylan tatsächlich dazu in der Lage war unglaublich schwere Dinge anzuheben, auch nur einen einzigen miesen Trick anzuwenden. Er stieg über die Stange hinweg und stellte sich vor den Zaun – Auge um Auge mit Dylan, dem weißen Ungeheuer. „Das war wirklich…. Unfassbar. Woher kannst du das?“ „Das erklär ich dir einander mal – wenn du dich immer noch mit mir abgeben willst - ich glaube nicht, das du einen weiteren Schock verkraftest. Ich bringe dich jetzt zurück nach Hause“ Stumm nickte Marcel, er hatte einen schweren Kloß im Hals stecken, also piepste er kümmerlich; „Bitte tu das…“ Erneut ändere dich Dylans Gesichtsausdruck. Er ging in die Hocke und Sprang geschwind über den Zaun. Eine tiefe Sorgenfalte zierte seine Stirn. „Geht es dir echt gut? Du siehst aus ob du jeden Augenblick umkippen könntest… soll ich dich tragen?“ „Nicht nötig, mir geht es gut!“, antworte Marcel rasch. Dylan schloss die goldenen Augen und atmete tief ein. Die Hoffnung die ihn durchströmte war so stark, dass man sie körperlich spürte. Seine Aura war angenehm warm und vertraut. Der wahre Dylan, den Marcel so mochte, war zu ihm zurückgekehrt. „Ich bin so froh dass du mich akzeptierst, auch wenn du noch schauderst. Aber du wirst nicht mehr lange Angst haben, den ich beweise dir das ich mich wie ein richtiger Mensch verhalten kann!“ Marcel versuchte zu lächeln, doch das gelang ihm nicht so ganz. Schweigend gingen sie nach Goathland zurück. Wie ein richtiger Mensch, was bedeutete dies? War Dylan, nicht einfach nur Dylan? Vor Jeremys Haus blieben sie stehen und Marcel schaute Dylan erwartungsvoll an. „Hast du noch ein wenig Zeit für mich? Bleib doch noch eine Weile hier, ja? Bitte, sonst weiß ich nicht, ob ich morgen früh meinen eigenen Augen traue…“ Die Vorstellung schien Dylan nicht ganz zugefallen, er schüttelte langsam denn Kopf. „Aber Marcel, das geht nicht! Wenn mich Jeremy findet, bin ich Hackfleisch… wirklich.“ „Bitte Dylan, Bitte…! Ich beschütze dich auch!“, bettelte der Kleine und klammerte sich verzweifelt an Dylans Handgelenk fest. Sein Herzschlag beschleunigte sich und die Panik machte sich wieder in Marcels Brust breit. „Du kannst mich nach so einer Darbietung nicht alleine zurücklassen! Sonst drehe ich durch – das Schwör ich dir! Bitte, bitte, bitte!“ „Ist ja schon gut! Ich warte oben in deinem Zimmer auf dich.“ Verwirrt zog Marcel seine Augenbrauen zusammen, „Du weißt wo mein Zimmer ist?“ Dylan grinste und entblößte eine Reihe Perlweißer Zähne. Dabei fielen einem sofort unangenehm die Eckzähne auf. Sie waren ein ganzen Stück länger und spitzer als die von andern Menschen. Marcel speicherte dieses Detail sorgfältig ab, um später noch mal darauf zurück zukommen. Er hatte sich schon halb umgedreht als Dylan ihm an Handgelenk festhielt und ihn an seine Brust riss. Ein schüchternes Lächeln huschte über sein Elfengesicht, dann beugte er sich über Marcel und drückte ihm sanft die Lippen auf die Stirn. Dieser schloss die Augen, ein Schwindelgefühl ließ seinen Schädel schwirren… „Bis gleich…“, die Worte wehten ihm Wind davon, genau wie Dylan. Marcel riss die Augen erschrocken auf; sein Freund war weit und breit nicht mehr zusehen. Obwohl er wusste das Dylan gleich in seinem Zimmer auf ihn warten würde, überkam Marcel eine Gänsehaut. Er zog die Weste enger um seinen Körper und lief schnell zur Haustüre. Sie öffnete sich, Jeremy hatte demnach schon auf ihn gewartet. Auf seinen vollen Lippen lag seltsamerweise ein herzliches lächeln… „Hallo Engelchen.“, sagte Jeremy ehe er Marcel zur Begrüßung auf den Mund küsste. Eigentlich hätte dieser nicht mit so einer Reaktion gerechnet. Er war verwirrt darüber, dass Jeremy sich so schnell wieder beruhigt hatte, wo er ihn doch die ganze letzte Woche wie Luft behandelte. Von der einen Stunde auf die andere war der Zorn über gewisse Dinge vergessen. Komisch - Normalerweise war sein Bruder sehr nachtragend. Marcel korrigierte sich in Gedanken. Jeremy war nicht nur nachtragend, sondern auch äußerst Rachsüchtig… So dachte Marcel zumindest. Er musterte Jeremy argwöhnisch. Doch wenn Jeremy eins in den letzten Jahren perfektioniert hatte, dann das verbergen seiner wahren Gefühle… Er legte einen Arm über Marcels Schulter und führte ihn ins Wohnzimmer. „Na, wie war dein Abend?“, fragte Jeremy freundlich, nachdem er sich auf das Sofa gesetzt hatte. Er sagte nichts zu Marcels durchweichten Kleidern. „Es war sehr Nett. Du musst Dylan unbedingt mal richtig kennenlernen. Er ist etwas ganz besonders.“ „Schön.“, sagte Jeremy. „Was habt ihr gemacht?“ Nun musste Marcel auf der Hut sein: Jeremy schaute ihn prüfend an. Gegen Marcels willen beschleunigte sich sein Puls und er kämpfte gegen die Furcht an, die seine Kehle empor kroch. Er konnte seinen Bruder nicht anlügen! Jeremy merkte so viel und deckte Geheimnisse auf, als hätte er einen eigebauten Röntgenblick um anderen bis auf die Seele zuschauen. Eine Art Sechster Sinn. „Erst waren wir im Kino und dann sind wir zu einem Restaurant gegangen. Unterwegs hat uns ein Regenschauer überrascht.“ „Ach Brüderchen…“, sagte Jeremy seufzend. „Komm her zu mir!“ Für Unbeteiligte wäre dies eine ganz normale Bitte gewesen. Aber Marcel wusste es besser. Immer wenn Jeremy nach einem Streit ungewöhnlich ruhig erscheint, stand er in Wirklichkeit kurz davor, seine Beherrschung zu verlieren. Eine unbedachte Antwort oder Bewegung, und Marcel konnte sich schon auf eine saftige Ohrfeige gefasst machen… Unsicher nähere er sich dem Sofa und sah wie Jeremy eine flauschige Decke von der Sofalehne nahm, und ihm damit ein wickelte, bis er aussah wie eine Frühlingsrolle. Dann hob er Marcel hoch und setzte ihn auf seinen Schoß ab. „Marcel…“, flüsterte Jeremy spitz. „Warum bist du so dreckig?“ „Ich bin gestolpert und hingefallen.“, flüsterte Marcel zurück und spürte eine Hand die seinen Rücken streichelte. Nur mit Mühe unterdrückte er den Reflex aus Furcht vor den Fingern, von Jeremys Schoss zu springen und blickte seinen Bruder stattdessen fragend an. „Du fällst in letzter Zeit öfters hin, hm?“ Verdammt, Jeremys Talent schlug wieder zu! Ganz automatisch verkrampfte sich Marcels Körper als er schaudernd nickte. „Ich lass dir ein Bad ein.“ Jeremy drehte Marcel zu sich herum und hielt sein Gesicht fest. „Okay?“ Er schaute seinen kleinen Bruder mit funkelnden Augen an. Ein neues Beben durchfuhr Marcel, lief über seinen Rücken und brachte seine Stimme zum Zittern. „Ja, das könnte ich gut gebrauchen.“ Da hatte Jeremy auch schon die Arme um seinen Körper geschoben und trug ihn in das untere Badezimmer. Nur dieses eine hatte eine Badewanne. Das andere Bad, auf der Etage von den Zwillingen und Marcel, hatte keine und war außerdem sehr viel kleiner. „Zieh dich schon mal aus, ich bin gleich wieder da.“ Jeremy öffnete im Bad eine zweite Türe um zu der Badewanne zu gelangen die Kreisrund im Boden verankert war. Ohne ihn fühlte Marcel sich furchtbar Hilflos, seine Beine zittern auf einmal so stark das er sich auf den Boden setzten musste. Ihm war sehr wohl bewusst, das Dylan sich irgendwo im Haus aufhielt. Warum ihn allerdings grade jetzt die Realität einholte, und eine unvorstellbare Angst seine Kehle abschnürte war ihn ein Rätsel. Marcel schlang die Arme um seine Brust als befürchtete er, er würde in tausend Stück zerfallen. Das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer… Kurz darauf kam Jeremy zurück, als er in Marcels Gesicht schaute sah er schockiert aus. Etwas altbekanntes verschreckte ihn. „Was hast du? Ist dir schlecht, Liebling?“ Zart streichelte er mit zwei Fingern über Marcels Wange. „Sag mir was los ist? Soll ich vielleicht einen Arzt rufen?“ Erst als Jeremy Marcel in den Arm nahm fühlte er sich geboren und war in der Lage den Kopf zu schütteln. Er musste sich jetzt endlich zusammen reißen! Dylan hatte ihm ein Geheimnis anvertraut, was er bewahren musste. „Kannst du mir beim Ausziehen helfen?“, murmelte Marcel mit brennenden Wangen. Trotz der Angst hatte er noch genügend Emotionen übrig, um Rot zu werden als Jeremy ihm Wortlos seine Bitte erfüllte. Anschließen half er Marcel in die Wanne z und setzte sich dann auf den Fliesenboden. Aus irgendeinem Grund sah er so fertig aus, wie Marcel sich fühlte. Marcel beobachte seinen Bruder eine ganze Weile; Jeremy hatte die Augenlieder geschlossen und nahm das bekümmerte Gesicht seines Bruders gar nicht wahr. „Du sieht erschöpft aus…“ bemerkte Marcel in die Stille hinein. Langsam öffnete Jeremy die Augen, ein Oranges leuchten flackerte in ihnen. „Du kannst froh sein, das du heute Abend weg warst“ brummte er rau. „Hier war die Hölle los und momentan ist nur Waffenstillstand. Die Zwillinge haben sich zerstritten, und ich musste sie andauernd davon abhalten sich gegenseitig an die Kehle zuspringen“ Marcel grummelte was Unverständliches. „Darum schläft Kim jetzt in meinem Bett und ich gehe naher hoch zu Daimon.“ Fast hätte Marcel hysterisch Nein geschrien, doch im letzten Augenblick konnte er sich noch auf die Zunge beißen. Das war so ziemlich das schlimmste, was passieren hätte können! So viel Pech konnte nur er haben. Dylan saß höchstwahrscheinlich schon in seinem Zimmer, verbotener weiße natürlich, und Jeremys Luxsohren klebten später auf der andern Seite der dünnen Trennwand. Marcels Zimmer und das Zimmer der Zwillingsbrüder wurde nur durch diese eine Wand voneinander getrennt, was nicht grade viel Spielraum für Unterhaltungen bot. Bei aller Panik und Hysterie hätte Marcel am liebsten los geheult. Aber er tat es nicht, weil er nicht wusste wie er Jeremy den Ausbruch erklären sollte. „Wenn dir Übel ist übergib dich bitte nicht ins Badewasser…“ flüsterte Jeremy trocken. Unvermittelt griff er plötzlich nach Marcels Handgelenk und drehte es so, dass die Handinnenfläche nach oben zeigte. Sein Blick ruhte jedoch auf das schweißnasse Gesicht seines Bruders, dann rutschten die Augen auf seine Hände. Unterhalb des Gelenkes war ein feiner Riss zuerkennen, aus dem regelmäßig ein schwaches Blutrinnsal tröpfelte. „Oh!“, machte Marcel vor Überraschung. „Das ist sicher passiert als ich hingefallen bin“ Jeremy zog missbillig einen Mundwinkel nach unten. „Kann ich dich kurz alleine lassen um Desinfektionsmittel zu holen, ohne dass du gleich absäufst?“ „Ich versuch es!“, versprach Marcel. „Danke.“ Jeremy grinste. Dann ließ er Marcels Hand los und ging aus dem Bad raus. Endlich alleine! Schoss es Marcel durch den Kopf. Sein Körper entspannte sich ein wenig und zog den Duft des Badeschaums tief ein. Solange Jeremy weg blieb, musste er ihm auch nichts vorspielen. Ein erlösender Gedanke. „Bist du noch am Leben, Süßer?“ Jeremy war zurück gekommen und schlenderte lässig auf die Wanne zu. Er setzte sich auf ihren Rand und untersuchte Marcels Arm aus neue. „Mmm-hmm, kein Dreck in der Wunde, das ist gut.“ Er hielt ein kleines Fläschchen in der Hand und träufelte ein winziges bisschen auf ein Wattepad, was er zuvor mit zwei Finger festgehalten hatte. Der Geruch von Alkohol stieg Marcel in die Nase und ihm wurde leicht schwindelig davon. „Hey, nicht Untergehen! Du bist ja schon wieder so blass.“ Erinnerte ihn Jeremy mit neckender Stimme. Dann strich er mit dem Pad gründlich über die Verletzung. Marcel zuckte zusammen und hätte Jeremy fast gewaltsam seinen Arm entrissen, aber sein Bruder hielt den Arm fest umschlungen. Ein entkommen war nicht möglich. „Aua!“, jammerte Marcel, „Das brennt total!“ „Das hat Alkohol, der auf wunde Haut trieft, so an sich.“ „Das weiß ich auch! Aber es tut trotzdem weh…“ Der Schmerz schüttelte ihn am ganzen Leib, doch Jeremy blieb hart und setzte seine Tätigkeit fort. „Das hast du toll gemacht.“ lobte Jeremy Marcel am Ende. „Okay, ich glaube das reicht jetzt. Für heute sind meine sadistischen Gelüste befriedigt.“ Unsicher zog Marcel die Hand zu sich zurück. Die Wunde blutete nicht mehr, im Großen und Ganzen hatte also doch Jeremy gute Arbeit geleistet. „Danke.“, sagte Marcel aufrichtig, und er spürte dass vor Glück ein warmes Licht sein Inneres durchflutete. Er konnte es nicht beschreiben, aber irgendwie gab es da eine tiefe Verbindung zwischen ihn und Jeremy. Einen Funken, den er vorher noch nie so intensiv wahrgenommen hatte… Es gab keine Person auf der Welt due er mehr brauchte als seinen Bruder Jeremy. Deshalb lehnte er den Kopf an seinen Hüftknochen – das einigste Stück was er im Sitzen erreichte – und schloss seufzend die Augen. Ein weiches Kichern drang in sein Gehör, Jeremy lachte in sich hinein. „Heute ist aber jemand Kuschelbedürftig.“ und kraulte Marcels Nacken. Dieser genoss die sanftmütige Liebkosung, und wünschte sich das Jeremy das öfters machen würde. Die Minuten vergingen ohne dass sich einer vom Fleck bewegte, oder gar die Lust dazu verspürte es zu ändern. Doch irgendwann wurde das Wasser so kalt, das Marcel unruhig wurde. „Jeremy…“, flüsterte er leise. „Ich weiß, ich weiß…“ Rasch holte Jeremy ein großes Handtuch hervor, ohne seinen Platz auf den Badewannenrand zu verlassen, und hielt es Marcel unter die Nase. Kaum hatte Marcel es sich um die Hüfte gewickelt, da überkam ihn auch schon eine riesen Portion Eile. Er hatte Dylan vergessen! Der arme Kerl saß da oben schon fast eine Stunde alleine rum und er hatte nichts Besseres zu tun, als mit seinen großen Bruder zu schmusen. Hektisch zog Marcel sich an und putzte wie ein Wilder seiner Zähne. Jeremy beobachtet ihn mit einem Hochamüsierten Blick. „Du hast es aber plötzlich eilig. Bist du so müde? Soll ich mit in dein Zimmer kommen, um sicher zugehen das du nicht ausversehen die Treppe runterfliegst?“ Als Marcel lachte, klang es eine Spur zu hoch. Das unheimliche Echo machte sogar ihm selber Angst. „Nicht nötig Jerry. Gute Nacht!“ rief er und umarmte Jeremy zum Abschied herzlich, dann lief er die Treppe hoch und riss die Türe zu seinem Zimmer auf. Doch der Raum war leer. Wie verwirrend. Wo war Dylan geblieben, oder war er vielleicht unsichtbar? Mittlerweile würde Marcel nichts mehr Überraschen… „Hallo?“, flüsterte er in die Dunkelheit hinein. „Hallo!“, antwortete eine sanfte Stimme. Etwas berührte Marcels Haar und er legte den Kopf in den Nacken. Wenige Zentimeter über ihn hockte Dylan auf seinem großen Kleiderschrank. Der Albino lächelte verlegen. „Ich fand es zu unhöflich, mich ohne Erlaubnis auf dein Bett zusetzten…“ Marcel prustet los. „Und dafür kletterst du auf den Schrank? Du bist echt verrückt.“ Er setzte sich auf den Teppich. „Komm da runter, sonst fühle ich mich noch kleiner, als ich in ohnehin schon bin.“ Dylan spannte die Muskeln vor den Sprung an, und landete so geschmeidig auf allen vieren wie eine Katze vor Marcels Beinen. „Ich finde nicht dass du zu Klein bist. Für dein Alter bist du perfekt.“, sagte Dylan treuherzig, und nun klang er schon viel fröhlicher. Marcel schwieg einen Moment. Noch einen Versuch musste er starten, die Bedingungen waren erste Klasse. „Können wir jetzt reden? Über dich… und deinen Kräften?“ Dylans Gesicht war ein Stück entfernt und er starrte Marcel verwundert an. Er verzog es ein kleines bisschen, bevor er antwortete. „Du lässt einfach nicht locker oder?“ „Nein.“, sagte Marcel feste. „Also gut…“ Dylan setzte sich neben ihn und legte einen Arm über Marcels Schulter. „Ich fange ganz am Anfang an; Das 16. Jahrhundert ist mein Geburtsjahr und ich wurde in einem sehr kleinen und Armen Viertel von Russland geboren. Mein Vater musste den ganzen Tag hart arbeiten, um meine Mutter und mich so halbwegs über die Runden zu bekommen. Auch wenn ich oft Hunger Lid, weil uns einfach das notwendige Geld fehlte, war ich ein glückliches Kind und unheimlich stolz auf meine Eltern. Sie waren so stark und verloren nie die Hoffnung, egal wie ausweglos die Situation auch erschien. Mutter und Vater sind die mutigsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Doch das alles begriff ich leider erst, als es schon zu Spät war… du musste wissen, dass meine Gesichte nicht sehr schön ist. Ist dir das trotzdem egal, Marcel?“ Marcel sah Dylan prüfend an, „Ich möchte dir zuhören. Bitte erzähl mir alles wie es geschehen ist, und kürze nicht, wovon du denkst dass es mich verstrecken könnte. Ich will dich endlich verstehen.“ Nun sah Dylan aus dem Fenster, sein Blick war verschwommen und ihn Hunderten Jahren alten Erinnerungen versunken. „Seit ich denken kann, waren wir Arm. Ich lebte damals in einem winzigen Dorf, in einer noch winzigeren Hütte, die noch nicht mal Wasserdicht war. Natürlich wollte ich wie alle Kind mit 6 Jahren in die Schule gehen, die in der nächsten Stadt war. Alle meine Freunde waren Tagsüber dort. Wenn sie erwachsen waren, wollten sie alle dasselbe; einen guten Beruf erlernen und irgendwann von zu Hause ausziehen. Doch meine Eltern konnten mir nicht das nötige Geld für die Aufnahme geben, geschweige für die ganzen Bücher, die ich dann noch kaufen musste. Meine Mutter vertröstete mich immer wieder mit denselben Worten: „Dein Vater ist ein kluger Mann, er kann dich auch von zuhause aus unterrichten. Dann muss man nicht erst viel Geld aus den Fenster schmeißen.“ Doch mir ging es in erster Linie nicht um den Unterricht, ich wollte einfach mit meinen Freunden zusammen sein und Spaß mit ihnen haben. Aber natürlich musste ich zuhause bleiben. Anfangs brachten mir meine Freunde noch Schulsachen vorbei und ich hatte wenigstens etwas Gesellschaft, doch das wurde von Woche zu Woche weniger. Es war ihnen einfach zu lästig, und außerdem musste sie selber Lernen, denn gute Noten fallen einem bekanntlich nicht in den Schoß. Ich begann mich zu langweilen und musste mich selber beschäftigen, da meine Freunde keine Zeit mehr für mich hatten. Anfangs fand ich das sehr schwer, ich konnte ja noch nicht mal ein Buch lesen! Mit der Zeit jedoch fiel es mir immer leichter. Ich ging in die Stadt, wenn die andern in die Schule mussten, und verbrachte fiel Zeit bei einer alten Dame, die mir oft Pfefferminzbonbons schenkte. Sie brachte mir auch das lesen bei und ich war überglücklich wenigstens eine Sache zu kennen, die man sonst nur in der Schule lernte. Ha, dachte ich mir, so toll ist die Schule auch wieder nicht. Jetzt kann ich lesen, ohne von einem hochnäsigen Lehrer eins auf die Finger zubekommen. Und die alte Dame war auch stolz auf mich, und froh darüber weil sie nicht mehr ständig alleine war. Ich las alles Mögliche, von Kunst bis zur Literatur, ich verschlang jedes Buch das mir in die Finger kam. Die alte Dame sorgte auch dafür dass mir nie der Stoff ausging. Sie hatte tausende Bücher in ihrer alten, schmutzigen Hütte rum stehen, deren Inhalt ich gebiert in mir aufnahm. Inzwischen wusste ich auch was ich werden wollte, ein gelehrter Mann der viel Macht hatte, mein Wünsch war es, irgendwann mal ein Richter zu sein. Als Richter könnte ich dafür sorgen, dass so arme Kinder wie ich in die Schule gehen konnten. Ich würde dafür sorgen, dass sie die Aufnahmegebühren niederließen. Jeden Tag und jede Nacht arbeitete ich für mein großes Ziel. Es gab für mich nichts Wichtigeres, als meinen Traum zu verwirklichen. Keiner konnte mich aufhalten, niemand konnte mich umstimmen, ich war wie eine eiserne Statue die selbst den gefährlichsten Stürmen trotze. Und außerdem stelle sich mir niemand in den Weg; Meine Eltern und die alte Dame bestärken mich nur noch in meinem vorhaben. Sie alle bewunderten meinen unerschöpflichen Ehrgeiz. Doch dann kam der verhängnisvolle Abend, der mein ganzes Leben über den Haufen schmiss. Selbst heute weiß ich noch, dass es an ein Donnerstagabend geschah. Es war wie immer eisig kalt draußen, und ich saß in einer flauschigen Decke gewickelt vor der hellen Feuerstelle und las ein neues Buch, was ich von der Alten bekommen hatte. Er war ein sehr merkwürdiges Buch, mit Wörtern und Sätzen die ich nicht richtig verstand. So eifrig wie ich jedoch war, lege ich es nicht zur Seite sondern studierte es mühsam weiter. Es handelte über Sagenumwogende Pflanzen, die eine starke, heilsame Wirkung hatten. Die meisten von ihnen wuchsen jedoch unter der Erde und das bedeutete, dass es Teufelsfrüchte waren. Die Früchte der Unterwelt waren strengstens verboten, denn jeder wusste, dass das Böse in ihnen wohnte. So ging ich zu der alten Dame zurück und fragte warum sie mir solch ein Hexenbuch gegeben hätte. Die Alte schaute mich nur an und lächelte geheimnisvoll. „Dylan, du bist ein ganz besonders Kind und ich spürte Kräfte in der Schlummern, die sonst niemand hat. Das Buch wird dir den rechten Weg weißen. Vertraue mir, und deinem Schicksal. Es wird dich nicht enttäuschen!“ Ich fuhr erschrocken zusammen. Ich sollte Kräfte besitzen, die die Alte mit diesem Hexenbuch in Verbindung brachte? Dann heiße das ja, dass ich ein Hexer war! Eine unheilbringe Person, die mit den Dämonen und dem Teufel einen Pakt schloss, dessen Seele für immer verloren war. Natürlich war ich bodenlos von der alten Dame enttäuscht und verließ auf der Stelle ihr Haus. Der alten Verrückten war doch nicht mehr zu helfen! Vielleicht war sie selber eine Hexe und versuchte nun eine neue Seele ins Verderben zu stürzten. Natürlich war das der Fall, sagte ich mir ärgerlich: denn ich war doch noch ein unschuldiges Kind, meine Seele war viel mehr Wert, als die Seelen von Erwachsen. Wütend stampfte ich nach Hause und schloss mich den ganzen Tag in meinem Zimmer ein. Ich grübelte hin und her, und überlegte ob ich es meinen Eltern erzählten sollte. Mein Vater würde schon dafür sorgen, dass die Alte ihre gerechte Strafe bekam! Doch wollte ich das wirklich? Hatte die alte Dame mir nicht viel beigebracht? Vielleicht habe ich einfach nur überreagiert, und das Buch war in Wirklichkeit ganz harmlos, und nur meine Unwissenheit stand mir im Wege. Nein, ich wollte auf keinen Fall das der alten Dame etwas passierte; ich möchte dieses närrische Weib, außerdem hatte man mir beigebracht dass ich älteren Leuten Respekt entgegen bringen musste. Ich war der Dame sehr dankbar und das wollte ich ihr auch beweisen. So machte ich mich am nächsten Morgen auf den Weg zu ihrem Haus, und klopfte an die morsche Türe. „Wer ist da?!“, krächzte eine altbekannte Stimme. Ich räusperte mich vornehmen. „Ich bin es, Dylan Smirnow. Kann ich mit Ihnen sprechen?“ Ich hörte wie die Alte schwer einatmete. „NEIN!“, kreischte sie plötzlich hysterisch. „Du willst mich doch nur auf den Scheiterhaufen bringen. Und was habe ich nicht alles für dich getan, Junge! Ich habe dir das lesen gelehrt und mein ganzes Wissen geschenkt, doch was ist der Dank dafür? Der Tod! Du willst mich töten lassen, jawohl, vom Schlachter und vom Pfarrer. Du hast ihnen von dem alten Buch erzählt oder? Ich habe es von meiner guten Mutter geerbt, der Kräutersammlerin, die mit ihren Wissen und ihren Säften vielen Menschen das Leben gerettet hat. Aber du undankbares Balg weiß ihr Lebenswerk nicht zu schätzen, schäm dich in Grund und Boden!! Pfui!“ Ihre frühere warme, geduldige Stimme klang grauenhaft Fremd. Ich habe noch nie einen Menschen so schrecklich Schreien gehört. Sofort überkam mich ein schlechtes Gewissen. Was habe ich nur getan? Die alte Dame hatte mir vertraut und ich habe sie als Hexe betitelt. Was für eine Schmach! Wenn das meine Eltern wüssten, würden sie mich blau und schwarz Prügeln…. Verzweifelt begann ich mit den Fäusten gegen die Türe zu trommeln. „Es tut mir leid.“ rief ich. „Bitte Else, verzeih mir! Ich war so dumm und verabscheue mein Verhalten gegenüber dir zutiefst! Gib mir noch eine Chance!“ Ich schlug so lange gegen das Holz bis meine Haut aufplatze und blutete, da öffnete sich plötzlich die Türe und Else erschien ihm Rahmen. Sie rückte ihre Haube zurecht, und verpasste mir eine schallende Ohrfeige. Mein Kopf flog nach rechts, mein Gesicht brannte wie glühende Kohlen. Ich biss die Zähne zusammen und blinzelte die Tränen fort. Else sollte mich jetzt auf keinen Fall weinen sehen, so viel Stolz war mir doch geblieben. Sie nahm mich zurück, wie einen verloren Sohn, und war bereit mir zu verziehen. Mein Unterricht bei ihr ging weiter, doch ich hatte mittlerweile andere Interesen entwickelt. Das Buch ihrer verstorben Mutter faszinierte mich. Es zog mich in eine mystische Welt voller Legenden und Sagen. Plötzlich lernte ich wie man seltene Blumen fand, anstand Gesetzesbücher zu lesen. Meinen Eltern gefiel dies ganz und gar nicht; Sie wollten, dass ich später im Gerichtsamt arbeitete, aber das war mir schnurzegal. Else war nicht nur eine erstklassige Lehrerin, sondern auch eine richtige Kräuterkundige Zauberin. Oh ja, ich bewunderte die alte Dame aus tiefsten Herzen. Und dann geschah etwas Unerwartetes, was aber zugleich ein wunderbares Geschenk war. Ich entdecke meine besonderen Fähigkeiten. Zwar hatte mir Else immer gesagt dass es irgendwann passieren würde (sie hatte es an meiner stärker werdenden Aura gespürt) doch er war unbeschreiblich. Ich stand eines Morgens in ihrer Küche und koche einen Saft gegen Keuchhusten. Nichts ahnen streckte ich meine Hand nach den Holzlöffel aus - ich war ganz in das Rezept versunken - und plötzlich hielt ich das Ding in den Händen. Ich hatte den Löffel noch nicht mal mit einem Finger berührt, und doch lag das Instrument fest in meiner Handfläche. Der Kochlöffel war von selbst in meine Hand gesprungen! Ich schrie erschrocken auf, und Else kam verwirrt in die Küche gehumpelt. „Was ist los, Junge?“, rief sie hektisch. Ich war unfähig zu antworten, gebahnt schaute ich auf den Holzlöffel. Else sah mich prüfend an, ihre alten Augen erkannten die Anzeichen sofort. „Öffne deine Handfläche und lass den Löffel fallen“ sagte sie streng. Ohne zu überlegen gehorchte ich ihr; ich drückte meine Finger auseinander und der Stiel rutschte weg, doch kaum hatte er den Kontakt zu meiner Haut verloren blieb er in der Luft hängen, als würden ihn unsichtbaren Fäden halten. Ich hörte ein zufriedenes schnauben hinter mir. Tränen funkelten in Elses blauen Augen. „Ich wusste es doch…“, flüsterte sie benommen. „Du bist kein normales Kind, du hast Telekinetische Fähigkeiten, und wahrscheinlich auch die Macht Energiefelder zu erschaffen. Oh Dylan, ich bin so stolz auf dich! Mit ein bisschen Übung lernst du, wie man sie richtig einsetzt“ Von an Trainierte ich jeden Tag meine Kräfte und Else behielt wieder einmal recht. Ich konnte immer schwere Sachen zum Schweben bringen, irgendwann konnte ich sie auch verformen, oder aus ziemlich weiter Entfernung zu mir rufen. Es war unglaublich. Das waren die besten Jahre meines Lebens… Aber dann machte ich einen verhängnisvollen Fehler. Wie ich es in letzter Zeit öfters tat, las ich in den Nächten die Aufzeichnungen von Elses Mutter im Kerzenschein. In der Mitte eines kleinen Notizheftes entdeckte ich ein loses, sehr altes Stück Papier. Es war ganz zerfledert und fleckig. Ich faltete es vorsichtig auseinander und strich es mit den Fingerspitzen glatt, aus Angst es könnte vor meinen Augen zu Staub verfallen. Auf dem Papier stand eine Formel, eine spezielle Beschwörung für einen Geist oder einem Dämon. Ich drehte das Papier um und sah, dass auf der Rückseite ein einziger Satz stand: >Achtung: Nur in lebensbedrohlichen Situationen anwenden!< Wie merkwürdig, dachte ich stirnrunzelt, normerweise hatte Else alle Zauberformeln und Bannsprüche weggeschlossen…. Ein grinsen zog sich über mein Gesicht, als ich den kleinen Zettel in meine Hosentasche wandern ließ. Wenn dieser Zauberspruch hier so einfach rumlag, war er sicher nicht sehr gefährlich. Im Gegenteil, er war sogar nützlich; Man sollte ihn nur bei Bedrohungen benutzen. Das hörte sich doch mal viel versprechend an. Als ich später zuhause war und mich in mein Bettlacken wickelte, holte ich den Zettel wieder hervor. Der Mond leuchtete grell und die Strahlen die in mein Zimmer fielen, ermöglichten es mir die verschiedenen Worte zu lesen. Die Formel war sehr einfach, man brauchte noch nicht mal Kerzen! Ich begann vor Freude zu zittern; Else hatte es mir noch nie erlaubt eine Zauberformel zu benutzen. Angeblich wäre ich noch zu unerfahren… Das einigste was ich dürfte, war stinkender Hustensaft herzustellen. Mir ging das langsam auf die Nerven; wenn ich schon ein Hexer war, wollte ich auch Zaubersprüche benutzen! Ich drehe mich auf den Rücken und hielt das Papier über den Kopf um besser sprechen zu können. Ganz leise murmelte ich die geheime Zauberformel, und es geschah – nichts! Okay, meine Vorhänge flatterten ein wenig im Wind, aber das war´s auch schon. Ich schnaubte, und machte einen zweiten Versuch. Wieder war nicht die kleinste Spur eines Zaubers zu erkennen. Was für eine dämliche Formel was das denn? Hatte sich die Alte der Else hier etwa einen kleinen Spaß erlaubt… und dann auch noch Warnungen hinten drauf kritzeln. Ich zerriss das Papier in kleine Fetzen und stopfte es wütend in mein Kopfkissen. Toller Zauberspruch, tolle Dämonen Beschwörung. Irgendwann fielen mir die Augen zu und ich glitt in einen Traumlosen Schlaf hinüber… „Dylan!“, rief meine Mutter am nächsten Morgen. „Aufstehen, gleich ist es Mittag!“ Ich blinzelte, aber ich musste die Augen wieder zusammen kneifen, weil die Sonne mich fies blendete. Das grelle Licht schien wie jeden Tag, ein weiter Beweis dafür dass manche Zauberformeln bloß Unsinn waren. „Mein liebes Kind, du kannst nicht die ganze Nacht aufbleiben und erwarten das du dann am nächsten Morgen ausgeruht bist!“ sagte meine Mutter streng und zog mir das Leinentuch weg. „Wir haben kein Brot mehr. Geh bitte auf den Wochenmarkt und kauf welches, sonst gibt es heute nichts zum essen“ Ich versuchte würdevoll aufzustehen, aber ich schaffte es nicht und flog prompt auf die Nase. Wenn das mal keine Lebensbedrohliche Situation war! HALLO ZAUBER! Träge zog ich mich an und wählte den kürzesten Weg zur Stadt, damit ich schnell wieder zuhause war. Gähnend trottete ich über Steine und Drecksbrocken hinweg während ich über Wiesen und Felder ging. Jetzt im Sommer war es vergleichsweise warm, und der Schnee schmolz zu kaltem Wasser zusammen. Ich lief über eine moderne Steinbrücke und dann entdeckte ich IHN zum ersten Mal. Regungslos wie eine Statue stand er am Flussufer, und fütterte ein paar riesige Raben mit Brotstücken. Ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte den Fremden an, ohne zu blinzeln. Was mir sofort ins Auge sprang waren seine Haare. Sie waren viel zu lang! Das dunkle Haar war glatt und verdeckte seinen Rücken zur Hälfte. Männer dürften nicht so lange Haare haben, das war verboten! Nur Frauen war es erlaubt, die Haare so zutragen. Der Fremde schaute urplötzlich auf, drehte den Kopf sofort in meine Richtung und schaute mich neugierig an. Seine Augen hatten eine seltsame Mischung aus Roter, Gelber und Oranger Farbe. Schnell senkte ich den Blick, das tat man aus Höflichkeit. Ich war mir ziemlich sicher, dass der Fremde ein Ausländer war, denn seine Haut war von der Sonne braun gebrannt. „Einen schönen guten Morgen.“, sagte eine hohe, weiche Stimme. Perplex blickte ich auf; der Fremde kam direkt auf mich zu und lächelte sanft. Dieses Lächeln, dieses Gesicht! Er sah aus wie ein Engel. Ich wurde so verlegen das ich gar nicht mehr sprechen konnte. Auf den ersten Blick schätze ich ihn zwischen 20 oder 25 Jahre. Sein Gesicht war schmal, mit noch sehr jugendlichen Zügen. Vielleicht war er auch erst 18 Jahre… ich konnte es nicht genau sagen. Plötzlich wurde mir schwindelig, ich schwankte ein wenig nach rechts und stütze mich rasch mit den Händen an der kleinen Mauer ab. Für einen Moment schloss ich die Augen und befahl mir zu ruhig zu atmen. Hoffentlich habe ich mir keine Grippe geholt, war mein erster Gedanke. Da berührte im nächsten Augenblick etwas sehr warmes meinen nackten Arm. Ich riss meine Augen wieder auf und der Fremde stand auf der Brücke neben mir. Er musterte mich mit Wachsamen blick. „Geht es dir nicht gut?“, fragte er langsam. Seine Finger hatten sich um meinen Arm geschlossen. Sie waren die Ursache für die plötzliche Wärme auf meiner Haut. Jetzt wo er mir so nah war, sah ich dass er nicht annähernd so zierlich war, wie er im ersten Moment gewirkt hatte. Er trug eine rote Bluse mit offenen Kragen, worunter sich harten Muskeln verbargen. Ich zwang mich etwas zu sagen. „Mir geht es gut, danke.“ Der Fremde grinste selbstbewusst und schaute mir tief in die Augen. Mein Herz hob ab und begann wild zu hämmern. „Dann ist ja alles in Ordnung.“, sagte er freundlich und ließ mich los. Ein kühler Luftzug setzte seine langen Haare in Bewegung und er drehte mir den Rücken zu. „Auf Wiedersehen, ich hoffe wir sehen uns demnächst öfters.“ Der Fremde sprang über die Mauer und landete lässig auf beiden Beinen. Ein paar der Raben folgten ihm, als er am Waldrand zwischen den ersten Bäumen verschwand. Erschrocken fuhr ich zusammen als mir ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. Es fühlte sich an, ob man mich von Kopf bis Fuß in einen Gletscherspalte gesteckt hätte. Die leichte Übelkeit, die ich verspürte, ignorierte ich auf dem Wochenmarkt. Ich musste doch einen guten Eindruck hinterlassen, damit ich später eine gute Ausbildung fand. Die Bauersfrau am Brotstand schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Du siehst ja schrecklich aus, Junge!“, rief sie poltern. „So blass und am ganzen Körper zitternd. Ich rate dir zuhause im Bett zubleiben, oder du liegst schneller unter der Erde als das du blinzeln kannst“ „Schon gut.“, sagte ich erschöpft. „Ich habe eine lange Nacht hinter mir. Ich nehme nur ein Brot, bitte.“ Die Bäuerin gab mir eine Tüte und verabschiede mich zerknirscht lächelnd. Eine nette Frau, die sich leider viel zu viele Sorgen machte. Es dauerte eine halbeewig bis ich zuhause ankam, genau wie die Bäuerin, betrachtete mich auch meine Mutter sorgenvoll. „Was ist denn mit dir geschehen?“,fragte sie nachdenklich. „Ist dir unterwegs ein Dämon begegnet? Du siehst furchtbar aus, mein Kind!“ „Ach, ich weiß auch nicht“ sagte ich seufzend. „ Ich glaube, ich werde Krank. Mir ist auch schon ganz Übel.“ In Wahrheit ging es mir alles andere als Schlecht; ich hatte das Gefühl, innerlich erfroren zu sein. Der Schwindel hatte immerhin nach gelassen, aber die Kälte war hunderttausendmal schlimmer. So etwas hatte ich bis jetzt noch nie erlebt. Ich wusste nicht was mit mir los war, als ich kurz darauf mein Zimmer betrat. Alles drehte sich, die Welt um mich herum schien sich aus der Verankerung gelöst zu haben. Kraftlos fiel ich auf das Bett, nahm dem ich einfach umgekippt war. Die kurze Schwindelattacke vorhin auf der Brücke war hiergegen ein Witz. Irgendwas stimmte nicht mit mir. Aber was? Ich versuchte mich wieder auf zusetzten. Diesmal klappte es schon besser. Ich wankte grade durch das Zimmer, als die eisige Kälte mit einem Schlag zurückkehrte. Mir wurde plötzlich richtig elendig, mein Atem ging schwer, und das Blut schien aus meinem Gesicht zu weichen. Ich wollte noch nach meinen Eltern rufen, doch ihm nächten Moment wurde mir schwarz vor Augen. Ich spürte, wie ich seitlich umfiel. So muss sich es wohl anfühlen, wenn man stirbt, schoss es mir unwillkürlich durch den Kopf. Kurz darauf fühlte ich gar nichts mehr; nur noch die Kälte, in der ich immer tiefer versank, und eine undurchdringbare Todesangst. „Dylan, Liebling! Sag doch was!“, rief eine Frau entsetzt. Es war die Stimme meiner Mutter. „Was ist los, kannst du mich hören Dylan?“ Das war mein Vater. Jemand schlug mir auf die Wange. Nicht zu feste, aber trotzdem unangenehm. Ich öffnete meine bleichschweren Augenlieder. Das erste was ich sah – war weiß. Alles um mich herum war Blütenweiß. Wieder hörte ich meine Eltern nach mir rufen. Ich kniff ein paar Mal die Augen feste zusammen, und öffnete sie wieder. Endlich war der Nebel verschwunden, nun erblickte ich die besorgten Gesichter meiner Eltern. „Oh Schatz, du bist wach!“ sagte meine Mutter. Der Frau war anzusehen, dass ihr ein Stein in der Größe eines Felsbrockens vom Herzen fiel. „Was ist denn passiert?“, krächzte ich. „Wir waren in der Küche als wir plötzlich einen Schlag von hier Oben gehört haben. Als dein Vater und ich in dein Zimmer kamen, lagst du bewusstlos am Boden.“ Vorsichtig richtete ich mich auf, der Schmerz der mich daraufhin durch zuckte war vom Allerfeinsten. Ich schrie laut auf und meine Mutter riss entsetzt die Augen auf. „DYLAN!“ „MEIN SOHN!“ Der Schmerz verkrampfte meinen ganzen Körper und lähmte die notdürftigen Atemwege. Mein Arm stand in Flammen! Ich spürte es klar und deutlich, warum half mir den niemand? Mein Vater drückte mich mit roher Gewalt auf den Boden, während ich nicht aufhören zu Brüllen und wie ein verwundest Tier um mich schlug. „Löscht das Feuer!“, schrie ich entsetzt. „Was für ein Feuer?“, fragte meine Mutter verwirrt. „Hier gibt es kein Feuer - “ „Doch!“, unterbrach ich sie. „Mein Arm ist am verbrennen – sieht ihr das denn nicht!?“ Meine Eltern schauten sich ratlos an, dann griff Vater nach meinen Arm. „Brandblasen!“, rief er aus. „Dein ganzer Arm ist von Blasen übersähet! Wo hast du dich nur so abscheulich verbrannt?“ „Nirgendwo.“, jammerte ich. „Ich schwöre es, ich bin noch nicht mal in der Nähe eines Streichholzes bekommen!“ Mein Vater schob die Arme unter mich und legte mich ins Bett. Dann drehte er sich zu seiner Frau um: „Hol frisches Wasser! Wir müssen die Wunde versorgen, bevor die Blasen aufplatzen und eitern.“ Meine Mutter nickte und rannte in die Küche zurück. Damals gab es noch kein fließendes Wasser, also tauchte sie eine Tonschale in einen Wassereimer um es zu transportierend. Damit kam sie in mein Zimmer zurück und schüttete ein bisschen auf meinen Arm. Ein erstickter schreie kam aus meiner Kehle empor geschossen, und ich warf mich mit ganzer Kraft gegen die Hände, die mich hielten. „Ruhig mein Kind“ flüsterte Vater mir sanft ins Ohr. „Gleich ist es vorbei.“ Von wegen gleich vorbei… gleich, würde ich wie eine Menschliche-Fackel aussehen. Ich blendete seine Stimme aus und schüttelte wild den Kopf hin und her. Diese entsetzlichen Schmerzen! Das konnte nie und nimmer eine normale Verbrennung sein! „Und, wie fühlt sich der Tod an?“ Ich erstarrte zur Salzsäule als ich die scharfe Stimme in meinem Kopf hörte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich an die Decke. „Das ist die Strafe für dein Naives verhalten, Dylan.“, zischte die Stimme rau. Es erhob sich ein Grauen erregendes Gelächter aus beißendem Spott. „Brenne!“ rief die Stimme höhnisch lachen. „Brenne – und dann zeig dich in Demut. Du hast mich ohne Grund gerufen, und nun wirst du dafür bezahlen.“ „NEIN, LASS MICH!“, kreischte ich unbeherrscht. „ICH HABE NIEMANDEN GERUFEN!“ „O doch, Dylan, das hast du! Mein Name ist Mephisto und du hast mich heute schon einmal gesehen. Ich Befehle dir, zu der Brücke von heute Morgen zu kommen. Dort werde ich auf dich warten, und gebührend empfangen!“ Die Stimme verstummte, aber ihr Echo hallte bedrohlich in meinen Ohren wieder. Mephisto? Was für ein eigenartiger Name. Ich glaubte, ihn irgendwo schon mal gehört zu haben, aber wo nur? Ich setzte mich auf und blickte meine Eltern mit leer gebrannten Augen an. „Ich muss mal an die frische Luft.“, krächzte ich leise. „Aber Darling! Du bist ohnmächtige geworden, das ist doch nicht normal.“ sagte Mutter energisch. „Bitte bleib hier!“ „Mach dir keine Sorgen, Mutter .Mir geht es gut. Ich will nur mal eben Luft schnappen. Hier drinnen ist es so stickig…“ Sehr wackelig stand auf und verließ das Haus meiner Eltern. Mein Kopf drehte sich zwar wie ein Karussell, und alles in mir schrie danach das Weite zu suchen, aber ich ging zur Steinbrücke von heute Morgen zurück. Schon von weitem konnte ich den Fremden erkennen. Er hatte sich locker an die Brücke gelehnt und die Arme vor der Brust gekreuzt. Seine Lippen kräuselten sich zu einem bösartigen Grinsen. Blutrote Augen blitzten bedrohlich und musterten mich von oben bis unten. „Ach, hallo Kleiner.“ zischte Mephisto spöttisch. „Schön dich zu sehen. Bist du bereit, deine eigentliche Bestrafung zu empfangen?“ Jetzt war es mit der verstellten Stimme vorbei, in Wirklichkeit war ihr Klang scharf und unterkühlt. Mephisto stieß sich von der Mauer ab und kam langsam auch mich zu, seine Augen glänzend unheilvoll. Zitternd wich ich zurück. In seiner Gegenwart ging es mir noch schlechter, die Brandblasen pochten wütend auf der Haut. Der Schwindel schlug mich fast zum zweiten Mal um und ich bemerkte Hilflos, wie die Verzweiflung langsam meinen Verstand umklammerte. „Hab keine Angst…“, flüsterte Mephisto sanft während er immer näher kam. „Bleib einfach ruhig stehen und widersetzt dich mir nicht. Dann werde ich schnell mein Werk vollbringen, du wirst nur ein leichtes ziehen spüren.“ Er streckte seine Hand nach meinen Hals aus und umklammerte ihn, dabei gruben sich seine entsetzlich langen Krallen in die dünne Haut ein. Mit erschrecken stellte ich fest, wie nah der Mann mir jetzt gekommen war. Ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinunter, als ich dessen Geruch wahrnahm. Er stank bestialisch nach Schwefel! Ich spürte wie warmes Blut, mein eigenes, über meinen Nacken rollte. Mir wurde schon Übel von dem bloßen Geruch der roten, salzigen Flüssigkeit. Ich keuchte entsetzt auf und riss mich aus Mephistos Hand. Wie es mir gelang, weiß ich bis heute nicht. Ich wartete nicht ab, um zu erfahren was man mit mir vorhatte. Ich wollte einfach nur weg von diesem Schrecklichen Ort, und rannte so schnell wie nie zuvor in meinem Leben. Meine Beine bewegten sich eigenständig und trugen mich scheinbar ohne Mühe immer weiter. Wohin war mir eigentlich egal. Hauptsache weg von der Brücke. Und weg von dem Kerl. In meiner überstürzten Flucht trieb es mich schließlich in den angrenzenden Wald. Zwischendurch blickte ich mich gehetzt um, schweißnasse Haarsträhnen klebten mir im Gesicht. Mein Atem ging unkontrolliert und stoßweise. Auch wenn ich Mephisto nicht sah, wusste ich dass er hinter mir war. Dumm wie kein zweiter, flüchtete ich mich immer tiefer in den dunklen Wald. Dornenranken und Zweige rissen unbarmherzig meine gerötete Haut auf. Aus zahlreichen Wunden rann bereits Blut, doch ich spürte es kaum. Ich hatte keine Zeit für solche Belanglosigkeiten, denn ich wusste wenn ich ihm in die Hände fiel, würde etwas Schreckliches passieren. Tränen strömten über mein Gesicht. Ich war doch noch so jung, jetzt wollte ich noch nicht sterben. Mit 10 Jahren lag mein ganzes Leben vor mir. Es war ein Fehler gewesen sich mit ihm zutreffen, ein verhängnisvoller, denn ich jetzt vielleicht mit meinen Leben bezahlen musste. „Dylan, wohin willst du denn? Ich krieg dich doch so oder so!“, rief Mephistos Stimme von allen Seiten. Ihr bloßer Klang vertrieb sogar die Vögel, die sich in den Baumkronen niedergelassen hatten. „Bitte! Lass mich in Ruhe!“, schlunzende ich. Doch instinktiv spürte ich dass mein Verfolger kein Erbarmen hatte. Er würde mich solange jagen, bis ich endlich in seinen Klauen lag. Und dann konnte mir niemand mehr helfen. Da sah ich auf einmal ein Schatten zu meiner linken. Schreiend warf ich mich zur Seite, denn eine Hand erschien aus der Dunkelheit und griff gierig nach der Stelle, wo ich eben noch gestanden hatte. Ächzend rappelte ich mich auf und lief weiter. Doch Mephisto war näher gekommen, viel näher. Und dann war der Zeitpunkt gekommen. Ein brutaler Ruck ging durch meinen Körper und ich stürzte. Ein hilfloses Schluchzen war in diesen Moment das Einzige Geräusch, sonst herrschte vollkomme Stille im Wald. War alles umsonst gewesen? Jetzt sollte das Ende doch kommen? Zwei Hände legten sich um mein Gesicht und drückten es mit Gewalt hoch. Mephistos Antlitz war genau vor mir, mit seinem Körper drückte er mich fest auf den Boden und ich spürte seinen warmen Atem auf meiner dampfenden Haut. Ein sadistisches Lächeln umspielte seine Züge. Dieses feine, braune Lächeln sah verzehrt, verdreht und verrückt aus. Seine Pupillen weiten sich, genau wie meine. Mit zitternden Fingern suchte ich den Waldboden nach einen Ast ab, denn ich diesem verrückten Kerl an den Kopf hauen konnte, in der Hoffnung, dass durch den Schlag sein Genick zerbrach. Aber wieder einmal bewies mir der liebe Gott, dass er mir nichts gönnte; Meine Hände ins Leere. „Hab ich dich endlich gefangen, mein kleiner Hexenmeister…“ Mir verschlägt es denn Atmen. Plötzlich wird mir bewusst dass Mephistos Stimme tief und verführerisch klingt. Ich schnappe nach Luft… Ohne ein weiteres Wort zu sagen beugte er sich herab und presste seine Lippen unerwartet auf meinen Mund. Es war ein seltsames Gefühl; es war natürlich grauenhaft, aber auch irgendwie schön. Mein ganzer Körper schien unter elektrischen Impulsen zustehen. Und dann wurde mir Kalt. Nein, es fühle sich so an als hätte man mir mit einem Schlag sämtliche Wärme aus den Körper gerissen. Ich erstarrte unter Mephistos Fangen, doch er küsste mich weiter. Mit einem ersticken Schrei krümmte ich mich zusammen, als plötzlich ein scharfer Stich durch meine Eingeweide fuhr. Es fühlte sich so an, ob jemand mir ein glühendheißes Messer in den Leib gerammt hatte und dann, und dann… war ich plötzlich Tod“ Eine einsame Träne rollte über Dylans Gesicht als er den letzten Satz beendet hatte. Regungslos saß er da und klammerte sich an Marcels Schulter. Marcel war mehr als nur geschockt, er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Dylan ist also einem brutalen Verbrechen zum Opfer gefallen? Er schluckte hart. „Oh mein Gott…Hat dich Mephisto erstickt?“, fragte Marcel leise während er Dylans Hand tätschelte. „Nein.“ „Wie hat er denn gemacht? Er dich doch nur geküsst…“ Jetzt wurde Dylans Körper ziemlich steif, er drehte den Kopf so dass er Marcel in die Augen schauen konnte. „Weißt du überhaupt wer Mephisto ist?“, fragte er entsetzt. „Ähm… ein Pädophiler-Mörder?“ Ein Knurren kam tief aus Dylans Brust, während er sprach, „Manchmal wünsche ich mir, das er das bloß gewesen wäre… Aber was lernt ihr heutzutage eigentlich noch in der Schule außer Mathe und Physik? Hast du vielleicht den Religionsunterricht geschwänzt, oder wie? Mephisto ist die Kurzform von Mephistopheles. Einer der vielen Namen Satans! Ich habe den Teufel beschworen, Marcel, und er hat mir dann die Seelen entrissen.“ Sie schauten sich wenige Sekunden an, dann schlug sich Marcel die Hand vor dem Mund, um ein entsetzten Schrei zu unterdrücken. Der Teufel existierte wirklich, und er hatte Dylans Seele? Das war das Verrückteste was er je gehört hatte…. Und was, wenn es Wahr war? Die Erkenntnis schlug bei ihm ein wie eine Meteorhagel. Alle Geschichten die er bis jetzt über Dämonen und den Teufel gelesen hatte waren echt? Ein schauder überkam ihn. Was für ein schreckliches Ende! „Und weiter, was ist dann passiert?“ Marcel war überrascht als ein Lächeln Dylans traurige Mine ablöste. „Ich lernte Mephistos wahres Ich kennen.“, sagte er ruhig und völlig gefasst. „Ich bin also gestorben, und meine Seele gehörte dem Höllenfürsten. Eine ausweglose Situation, sollte man meinen. Doch die Verdammnis war nicht ganz so Qualvoll, wie ich mir sie immer vorstellt hatte. Mephisto war zwar der Dämon wie es in der Bibel stand, doch er besaß auch gute Charakterzüge. Ich war schon immer feingefühlig gewesen und merkte schnell dass er mich anders behandelte wie die sonstigen Wesen. Die Lage entspannte sich und der Teufel holte mich immer öfters in sein Schloss. Auch wenn ich er mich hintergangen und getötet hatte, mochte ich ihn. Mephisto hörte sich meine Sorgen an und tröstete mich, wenn ich verzweifelt weinend in seinen Armen lag. Wir kamen uns in den nächsten 100 Jahren immer näher.“ Dylan machte eine kurze Pause und strahlte Marcel vielversprechend an, „Jetzt kommt der schöne Teil meiner Geschichte. Die Zeit in der Hölle verging wie im Flug, 10 Jahre hatten dort keine Bedeutung. Endlich war ich ein freier Mann der seine Träume verwirklichen konnte, und Mephisto half mir Tatkräftig. Natürlich durfte niemand etwas von unserer engen Beziehungen wissen, sonst behauptete man irgendwann, der Teufel hätte ich Grunde genommen immer noch das goldene Herz eines Engels. Diese Schande wollte ich ihm beim besten Willen ersparen, obwohl es stimmte. Wenn er dir erst einmal vertraute, gibt es keinen besseren Freund als Mephisto. Dann würde er Berge in Bewegung versetzen, um dich zu beschützen. Es gelang uns kein Misstrauen zu erwecken. Wir waren feste miteinander verbunden, ohne dass ein Dämon es bemerkte. Ich war sehr stolz auf mich. Es dauerte nicht mehr lange und ich sah in Mephisto mehr als nur einen Freund. Unser Umgang hatte auch gar nichts Kumpelhaftes mehr an sich. Für mich war der Teufel inzwischen zum Vater geworden. Ich liebte ihn bedingungslos, und er mich. Und ich war glücklich. So ging es sehr, sehr viele Jahre weiter. Es gab keine Menschenseele der uns trennen konnte, wir waren viel zu Stark. Meine Fähigkeiten hatte ich mit auf die andere Seite genommen, und nach den Tot war ihre Macht sogar gestiegen. Ich wurde gut ausgebildet, dafür hatte Mephisto natürlich gesorgt. „Ich mache aus dir einen unbesiegbaren Krieger.“, pflegte er oft zu sagen und drückte mich zärtlich an sich, „Du bist das Beste war mir je begegnet ist, Dylan. Wenn du irgendwas auf den Herzen hast, scheu dich davor es mir zusagen.“ In letzter Zeit gab es in der Tat etwas das mich beschäftigte. Obwohl ich mich bei Mephisto sicher und geboren fühlte, vermisste ich mein altes Leben und die Welt da Oben. Ich bat ihn, mir einen Körper zu erschaffen womit ich auf der Erde leben konnte. Anfangs war Mephisto ganz und gar nicht von der Idee begeistert, doch er brachte es nicht übers Herz mich ständig Leiden zusehen. Schließlich gab er nach und half mir. Wir, oder besser gesagt er, veranstalte eine Wettbewerb um die stärksten Dämonen der Unterwelt zu küren. Die Sieger der einzelnen Disziplinen verschleppte er in eine Ferne Höhle. Dort tötet er sie und formte mir aus ihren Leibern einen neuen Körper. Alles ging glatt, Mephisto ist nicht umsonst ein Organisationsgenie, keiner bemerkte das Verschwinden der vielen Dämonen. Und wann war es endlich zu weit. Es war fertig, das neue Gefäß für meine Seele. Doch kurz darauf kam der Abschied, und das das der schmerzlichste Moment seit langem. Mit meinem neuen Körper konnte ich nicht länger in der Unterwelt bleiben, und musste sie sofort verlassen. An dem besagten Tag hatten sich viele Dämonen, und Mephisto an der Spitze, am riesigen Höllentor versammelt um sich von mir zu verabschieden. Das waren sehr lange und Qualvoll Minuten, obwohl alles sehr förmlich ablief. Natürlich hatte ich mich schon längst Privat von Mephisto verabschiedet, doch man konnte ihm ansehen wie sehr die Sache ihm zu schaffen machte. Er hatte sich jedoch ziemlich gut Unterkontrolle, und vergoss keine einzige Träne. Im Gegensatz zu mir; Ich heulte jämmerlich als ich durch die Forte schritt“ hier machte Dylan halt und ließ eine ganze Menge von der Geschichte aus, „ Ein paar Tage später. Von nun an war ich auf mich alleine gestellt, und musste mit allen Problemen selber klarkommen. Die erste Zeit war es sehr schwer für mich. Sonst hatte es doch immer Personen gegeben die mir geholfen hatten. Auf Mephisto konnte ich diesmal nicht hoffen, er schaffte es nicht mehr auf die Erde zurück. Die Engel, seine Feinde, hatten die himmlischen Schutzsiegel verstärkt, um ihn den Gefährlichsten Dämon von den Menschen fern zu halten. Sie hatten wirklich gute Arbeit geleistet, sie hatten es tatsächlich geschafft unser Magisches band zu Zerreisen. Mir blieb also gar nichts anderes Übrig als alleine weiter zu leben, denn ich wusste nicht wie ich in die Unterwelt zurück kommen sollte. Das hatte mir niemand gezeigt. Zuallererst besuchte ich das Haus meiner Eltern, natürlich stand es leer, weil sie schon vor vielen Jahrzehnten gestorben waren. Ich ertrug es ziemlich tapfer, ich hatte es schon erwartet. Es wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn sie über 100 Jahre alt geworden wären. Der Tot hatte sich meine Familie geholt, während ich mich mit dem Teufel vergnügte. Das war so Unfair vom leben. Wie immer machte es mir einen Strich durch die Rechnung. Ich beschloss erst mal in Russland zu bleiben, weil dort immer noch mein Zuhause war. Außerdem gab es dort eine Menge für mich zutun: ich wollte wissen, was alles nach meinen Tod geschehen war. In der Hölle gab es doch keinen direkten Kontakt nach Oben. In der dritten Nacht brach ich ins Stadtarchiv ein, vollkommen vermummt in einer tief schwarzen Robe. Leise schlich ich zwischen Staubüberzogenen Regalen umher, und fand eine Weile ein paar Zeitungsartikel von dem 26. Mai 1624. Wie dir vielleicht aufgefallen ist, mein >Geburtstag<, der gleichzeitig mein Todestag ist. Dieses Datum ist die Geburtsstunde meines neuen Lebens. Ich las die Aufzeichnung aufmerksam durch: Hier drin stand das meine Eltern die alte Else wegen Mordes angeklagt hatten, sie vermuteten, das Else mich umbrachte mit ihren ganzen Salben und Gemischen. Meine Hände begannen zu zittern und steckte schnell den Artikel in das Regal zurück, eh ich es zerriss. Mit meiner neuen Kraft, wusste ich noch nicht genau wie weit ich gehen konnte. Eiligst verließ ich das Gebäude und flüchtete tief in die Berge. Der Aufstieg war nicht sehr schwer für mich, ich brauchte nicht länger als 10 Minuten um den höchsten Gipfel zu erreichen. Dort ließ ich mich in den frisch gefallenen Schnee sinken, und schaute hoch in den Himmel. Die Sterne über mir glitzerten wie Diamanten: ein Zeichen dafür, dass diese Nacht einen weiter Schnellfall einsetzte. Ich fror nicht, meinte Haut war hart und warm wie ein Vulkanstein. Die Dämonischen in meinem Inneren schützen mich vor allen Gefahren. Irgendwann fielen mir die Augen und rutschte im Traum versunken in einen düstern Spalt. Ich schlief ohne etwas zu wahrzunehmen, und schlief ohne Hunger zu leiden, und schlief ohne zu Sterben…. Es dauerte 207 Jahre bis ich wieder das Licht der Welt erblickte, denn meinen Geist und mein Körper waren im ewigen Eis eingeschlossen gewesen. Vor mir stand Mephisto. Ich blinzelte heftig, davon überzeugt Halluzinieren. Er streckte seine Hand aus, und strich mir mit glühendheißen Fingerspitzen über das Gesicht. „Schön dich wiederzusehen. Ich habe dich vermisst.“ murmelte er leise, ehe er mich in seine Arme zog und Emotionen zeigte, von denen er vorher überzeugt war sie nicht zu besitzen“ Dylan holte einen Moment Luft und schmiegte sich dann sanft an Marcels Haut. „Jetzt ist es aber Zeit zum Schlafen gehen.“, wisperte er und schaute zu dem Wecker der auf den Nachttisch stand. Es war schon 2 Uhr morgens. „Im welchen Jahr war das und was habt ihr dann gemacht?“ fragte Marcel neugierig. An Schlafen war nicht mal zu denken: Er hatte mindestens noch eine millionen Fragen auf der Zunge. „Das war vor 29 Jahren und 4 Monaten. Nachdem Mephisto mich befreit hatte, blieb er an meiner Seite und wir zogen zusammen nach Frankreich“ Marcel schaute Dylan nachdenklich an, „Aber jetzt bist du hier in Goathland, was ist weiter passiert?“ Dylan schmunzelte ein kleinwenig, als ob jemand einen Witz gemacht hatte. Die Antwort schien ganz plausibel zu sein. „Wir sind wieder umgezogen – nach North Yorkshire.“ „Dahin wo du jetzt wohnst?“ Dylan nickte wortlos – seine Augen glänzend im Mondschein. „Und Mephisto -“ „-ist immer noch bei mir, und kriegt Höchstwahrscheinleich einen Tobsuchtanfall wenn ich mich nicht bald melde. Er kann es nicht ertragen, wenn ich fort bin ohne etwas von mir hören zulassen. Das macht ihn richtig nervös.“ Er hatte Marcel dicht an sich gezogen und flüsterte die Worte langsam in sein Ohr. Ein angenehmes prickeln lag in der Luft. Ein leises Knurren drang plötzlich durch Dylans Reißzähne, und er richtete sich auf. „Okay – ich habe es nicht anders erwartet.“ zischte er, mittlerweile waren seine Augen dunkelrot „Mephisto ruft mich, ich muss zu ihm gehen – bevor er zu mir kommt. Bis morgen Marcel, ich ruf dich an, sobald ich eine Gelegenheit habe.“ Er sprang aus dem Fenster und schoss über den Rasen, das er direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite landete. Das war seine normale Art sich fortzubewegen. Benommen schaute Marcel ihm nach, bis der Schatten aus seinem Blickfeld verschwunden war. Ob Mephisto dort drüben, wo sie wohnten, auf Dylan wartete? Er wollte nicht allzu lange darüber nachdenken, für ihn war Mephisto immer noch das böse Ungeheuer, das die Menschen Teufel schimpften. Dylan dachte ganz anders über die Sache, und das war sein großes Glück. Ihm wurde Mephisto ganz sicher kein Haar krümmen, den Restlichen Lebewesen auf der Erde schon, er hasste die Menschen. Marcel krabbelte ins Bett und zog sich die Decke bis zum Kinn hoch. Was für ein anstrengender Tag heute doch gewesen war. Er gähnte verhalten und rieb sich Augen. Wirklich ermüdend. Ob Dylan inzwischen zuhause war? Im Halbschlaf drehte Marcel sich auf die Seite und atmete Laut aus. Diese Geschichte würde ihm niemand glauben. Die Hauptrollen waren ein Junge, der einen Leib aus tausenden Dämonen zusammen gebastelt hatte, und der Teufel höchstpersönlich. Ein guter Stoff für einen Fantasy-Thriller, aber ganz sicher nicht für das reale Leben. Der Schlaf trat unerwartet ein, und in Marcels Kopf wurde es angenehm leer und ruhig. Es war bereits Mittag als Jeremy leise die Zimmertüre öffnete und sich vor dem Bett auf den Boden kniete. Heute waren seine Augen besonders dunkel und schlangenhaft. „Marcel – es ist Zeit zum Aufstehen…“, flüsterte er und berührte kurz mit den Lippen Marcels Wange. Eine scheinbar harmlose Berührung, die für Seinesgleichen nahezu unmöglich war. Er biss die Zähne kräftig zusammen um nichts Unbeherrschtes zutun. Ah, wie es in seiner Kehle doch brannte! Es war schon vier Tage her, als er das letzte Mal was gegessen hatte. Der Grund dafür: die Vorräte waren erschöpft. Daimon und Kiley hatten gestern in ihrem Wütenden Rausch alles verspeist. Und jetzt hatten sie keinen Tropfen Blut mehr im Haus! Oder zu mindestens keins, was er bedenkenlos trinken konnte… Marcel schlief noch immer. Sein Blut roch warm und süß. Jeremy konnte das gleichmäßige Rauschen in seinen Adern hören. Entschlossen bis er sich auf die Unterlippe; das Blut seines kleinen Bruders roch vollkommen Sauber. Er nahm keine Drogen oder trank Alkohol, so viel war sicher. Jeremy erhob sich blitzschnell und trat einen Schritt vom Bett weg. Er spürte, dass seine Zähne keine normale Länge mehr hatten. Das war Gefährlich. Er musste schleunigst ein paar Liter Blut besorgen, bevor er vor Durst den Verstand verlor. „Aufwachen Marcel!“ zischte Jeremy unfreundlich. Der Schmerz veränderte seine Stimmung schlagartig ins Negative. Das brennen aus dem Hals erreichte seinen Mund. So langsam musste er aus dem Zimmer verschwinden… Eine kaum wahrnehmbare Bewegung huschte über Marcels Gesicht. Mechanisch öffnete er die Augen, und drehte den Kopf nach rechts. „Warum schimpfst du so?“, murmelte er träge und kniff einmal die Augen feste zusammen. Das Sonnenlicht blendete ihn ungemein. Er hörte ein frustriertes stöhnen und schaute in Jeremys Richtung. An diesen Morgen sah Jeremy noch schlechter aus, als gestern Abend. Seine Haut war leicht grau anlaufen, die Augen glasig und müde vor sich her blickend. „Jeremy?“, hauchte Marcel besorgt. Er richtete sich auf und ging mit ausgebreiteten Armen auf seinen Bruder zu. In genau derselben Haltung wich Jeremy vor ihm zurück. Sein schönes Gesicht vor Entsetzten ganz verzerrt und eigenartig Maskenhaft. „Komm bloß nicht näher!“, fauchte er Rasiermesser scharf. Eine kleine, unachtsame Bewegung würde schon genügen, um sein ganzes Leben ins Chaos zu stürzen. Halb verschreckt, halb entsetzt blieb Marcel wie angewurzelt stehen. Was war den geschehen, das Jeremy plötzlich so aggressiv war? Seine ganze Freundlichkeit, Liebe und Fürsorge verschwand vor Marcels Augen. Jetzt machte er sich wirklich ernsthafte Sorgen. Es war etwas, das er nicht verstand, ein Problem, von dem nur Jeremy wusste. Schon wieder einer, der ein Geheimnis hütete… „Was ist los? Warum bist du so schlecht drauf.“ fragte Marcel ruhig. „Ich bin nicht schlecht drauf! Weshalb fragst du!?“ schoss Jeremy sofort und giftig zurück. In diesem Moment sprang der nächste glühende Funken vom Hals aus, auf seinen Kopf über, wo es dann alle Nervenbahnen lähmte und einen Sturm der Gefühle entfesselte. Das Feuer in Jeremys Kehle loderte leuchteten hell auf, seine Augen erstrahlten Rubinrot und er konnte nur noch an das Blut denken. Jetzt war es zu spät um etwas zu ändern, oder um sich noch Unterkontrolle zu bringen. Der innere Dämon zerriss in Sekunden schnelle als Fesseln die ihn Zügelten und übernahm die Kontrolle über den Geist. Blitzartig sprang Jeremy nach vorne und packte Marcel grob an den Haaren, der gar nicht wusste wie ihm geschah. Er zerrte ihn zum Bett und stellte sich genau vor seine Beine, Kniescheibe an Kniescheibe, damit Marcel nicht fliehen konnte. Dann schalte sich Jeremys Gehirn komplett ab, denn er konnte die Hitze unter Marcels Haut spüren und das Pochen seines Pulsschlags hören. Ah, welche süße Verlockung! Dies war der Geruch, denn er verfolgte und verehrte wie ein besonders Schmackhafter Wein. Blut, wunderbares zuckersüßes Blut, warm und sanft auf seiner trockenen Zunge… Jeremy hatte seine Zähne schon an Marcels Hals gepresst, als eine andere Flüssigkeit seine Hand berührte. Automatisch blickte er nach unten, um den unbekannten Tropfen zu identifizieren. Es war eine glitzernde Träne. Nicht etwa Marcels Tränen, der war zu schockiert um zu weinen, sondern seine eigene! Sogleich ließ Jeremy von seinem Bruder ab und wischte über seine Augen. Die waren ganz nass, und nun merkte er auch, dass er leise schlunzte. „Oh Gott!“ stöhnte Jeremy verstört, „Was habe ich getan!?“ Er blickte Marcel ins Gesicht, die Panik die sich darin wiederspiegelte, gab seiner angegriffenen Seele den Rest. Kümmerlich sank er auf den Boden zusammen und drückte die Hand auf Nase und Mund. „E-E-Es t-tut mir s-s-s-so Lei- Leid!“ wimmerte Jeremy voller entsetzten, seine Stimme überschlug sich vor Aufregung, „Ich wollte das nicht tun, Marcel, Verzeih mir! Nur für einen Augenblick habe ich die Beherrschung verloren. Du kannst dir ja gar nicht Vorstellen, was grade eben Grauenhaftes passiert ist! Ich schäme mich so für meinen Durst, und kann es gut verstehen, wenn du mich nie mehr sehen willst – was erzähle ich hier eigentlich?! Du verstehst mich so oder so nicht! “ Von Jeremys unbegreiflichen Worten bekam Marcel einen dicken, fetten Kloß im Hals, seine Augen brannten unverständlicherweise, und er war froh darüber das Dylan inzwischen zuhause war. Wenn er sehen würde, dass er weinte, würde Dylan ihn vielleicht auslachen. Obwohl Marcel sich 100% sicher war, das Dylan dass niemals tun würde. Kapitel 7: Stone Face --------------------- Plötzlich flog Marcels Türe mit einen Donnergrollen auf und Daimon, gefolgt von seinem Zwilling Kiley, sprangen in geduckter Haltung in das Zimmer. Sie hatten die Kiefer feste zusammengepresst und schauten ein wenig gehetzt in die Runde. In einem solchen Moment wie diesen, war eine Streiterei etwas völlig Belangloses und unwichtiges. „Ganz ruhig, Jeremy…“, zischte Daimon leise während er zu Jeremy ging, und eine Hand um seinem Arm schloss. Behutsamen zog er seinen großen Bruder noch ein paar Meter mehr von dem Bett weg. Zwischenzeitlich trat Kim neben Marcel und hockte sich auf den Boden, um mit ihm auf derselben Höhe zu sein. „Hat er dich verletzt?“, fragte Kim vorsichtig. Für einen kurzen Momenten sah man ein besorgtes Funkeln in seinen Augen glitzern. Die Luft stand nahezu vor Aufregung. Marcel stockte kurz vor den sonderbaren Gesichtsausdruck seines Bruders, so, hatte er Kiley selten gesehen. Erst recht nicht, wen es um ihn, Marcel, ging. „Nein, mir geht es ausgezeichnet“, versicherte Marcel langsam. Er blickte an Kim vorbei, und schaute zu Jeremy und Daimon, die immer noch unbewegt wie zwei Statuen in der anderen Ecke seines Zimmers standen. Zu seiner Verwunderung sah Jeremy ziemlich verstört und zugleich ängstlich aus. Auf einmal zog Jeremy ganz leicht die Lippen zurück, starrte auf Kims Rücken und ein Knurren dröhnte in seiner Brust. Es war eine unmissverständliche Warnung, und Kim gehorchte dem Geräusch ohne zu blinzeln. Er legte Marcel einen Arm um die Taille – und im Bruchteil einer Sekunden wirbelte er durch das gesamte Haus und zog die Eingangstüre hinter sich zu. Der Trip hatte noch nicht mal eine halbe Sekunden beansprucht. Kim setzte Marcel vorsichtig auf die Beine zurück, sein Gesicht vor Kälte erstarrt. „Tut mir leid, dass du das erleben müsstest.“, sagte Kim sehr leise, ohne spöttisch zu klingen, „Es ist das passiert, womit keiner von uns gerechnet hätte. Wenn ich oder Daimon… aber das es ausgerecht Jeremy ist, der die kontrolliert verliert. Damit hätte ich nie und nimmer für möglich gehalten.“ Verwundert schaute Marcel Kim an. Nur noch an seinem leicht verzerrten Mund konnte, man dass Entsetzten von vor wenigen Minuten erkennen. „Wie meinst du das jetzt? Was hat Jeremy denn schlimmes getan? Ich bin total durcheinander…“ Er spürte, wie seine Knie weich wurden und die Angst wie Gift in seinen Adern brannte. Was - um Himmelswillen - war da Oben mit Jeremy passiert? Warum hatte er ihn so plötzlich angegriffen? Kim beugte sich über Marcel und nahm seinen Unterarm in die Hand, „Lass uns ein Stück spazieren gehen, ja?“ Ohne die Antwort abzuwarten zog er seinen kleinen Bruder auf den Bürgersteig, und ging nach links die Straße runter. Einen unendlich langen Augenblick später, presste er Marcel wieder an seine Seite und sprang – ungefähr Fünf Meter weit – über einen Fluss vor dem Waldrand. Er landete Locker auf den Füßen und sauste in den silbrigen Mittag. „Bleib ruhig!“, zischte er mehr zu sich selbst, als zu Marcel. Der Wind peitschte ihnen unbarmherzig ins Gesicht, während Kim wie gejagt und zum Tode verurteilt rannte. Er lief schneller als jedes Tier, oder als ein Höchstgeschwindigkeitszug. Dieses Tempo war für einen Menschen absolut unnatürlich… Panisch krallte sich Marcel an Kims Kleider, und presste die Augen zusammen. Er erinnerte sich wage an gestern Abend, als Dylan ihm seine Kräfte offenbart hatte. Dies hier war ähnlich. Nur mit den kleinen Unterschied, dass Kiley sein Bruder war und er ihn schon 14 Jahre lang kannte. Während sie durch den immer dunkler werdenden Wald liefen, verlangsamte sich das Tempo schubweise. Irgendwann blieb Kim stehen, drehte den Kopf nach allen Seiten, bevor er Marcel widerwillig absetzte. „Sorry, wenn ich dir weh getan habe.“, sagte Kim monoton als er Marcel betrachtete, der sich mit schmerzverzerrter Mine über die Stelle rieb, wo er ihn festgehalten hatte. Sie waren nun so tief im Wald versunken, das kaum noch Sonnenstrahlen durch das dichte Blätterdach brachen. In der Ferne hörten sie einen Bach plätschern. „Warum hast mich hier hingebracht?“, fragte Marcel und tippelte ungeduldig auf der Stelle. Er trug noch immer seinen Schlafanzug, der zwar sehr kuschelig war, aber ungeeignet für anstrengte Wandertouren. „Ich muss dir etwas erklären – oder eher zeigen.“, antworte Kim. Er blinzelte nicht, und seine Mine war vollkommen ausdruckslos. So Langsam bekam es Marcel mit der Angst zu tun, und kleine Schweißperlen sammelten sich in seinem Nacken. Dieser Gefühlskalte Ausdruck in Kims schönem Gesicht, stört ihn irgendwie ein wenig. Damit sah der älteste Zwilling aus als plane er grade einen Mord. Dann blickte sich Kim kurz um und Griff nach einen Stein am Boden. Er hielt ihn so, dass Marcel den Faustgroßen Brocken genau sehen konnte. „Hart oder?“, fragte Kim ruhig. Marcel nickte, „Natürlich, das ist ein Steinbrocken - “ Es gab ein leises Knacken, vorauf ein kurzes Mahlen folgte; Kim öffnete seine Hand, und der Staub, zu dem der Stein geworden war, rieselte gemächlich auf die Erde zurück. „Du hast recht. Das WAR ein Steinbrocken. Allerdings ist meine Haut Härter als seine.“, flüsterte Kim leise. Zögerlich hob er den Blick. Auf einmal brach die Sonne durch die Äste und Zweige der Bäume. Ihr glühendheißes, Orange-rotes Licht fiel auf Kims überirdisch hübsches Gesicht. Welches nun nicht mehr sehr vertraut aussah: Die Züge waren plötzlich härter und weniger Jugendhaft. Auch wenn er kleiner und zierlicher als Daimon war, spannten sich nun trainierte Muskeln unter der weißen und reinen Haut an. Die Schultern wirkten breiter, sein Körper stärker und er besaß feste Bauchmuskeln; alles Dinge die Marcels eigener Körper nicht vorwies. Und Kim war gewachsen. Nein, eher riesig oder Hünenhaft. Ungefähr doppelt so groß wie ein normaler Mensch. Doch Kiley war kein Mensch mehr. Nicht mal mehr im Entferntesten. Er war ein wahrer Alptraum. Ein Monster. Ein Dämon. Dasselbe Ungeheuer, was Marcel vor 7 Jahren in ihrer Küche gesehen hatte; Die gleiche Marmorfarbene Haut, dieselben gigantischen Krallenhände und ein Haargenau identisches Paar Fledermausflügel auf dem Rücken. Oh ja, es wäre absurd das Gegenteil zu behaupten. Genau dieses Wesen hatte ihn eines Nachts verschreckt. Und jetzt stand es hier, mitten im Wald, ganz alleine, und schaute mit trübseliger Mine auf ihn herab. Ganz langsam streckte das graue Wesen seine Krallenfinger nach Marcel aus, und berührte sein Gesicht. Der Kleine zitterte heftig und hielt die erschrocken die Luft an. Es fühlte sich so an, als hätte man ihn grade Kopfüber in einen schlechten Horrorfilm geschmissen. Der Schweiß in Marcels Nacken hatte sich mittlerweile in einen Bach verwandelt und lief in Strömen über seine Eiskalte Haut. „Ich bin ein Stone Face.“, sagte Kims Monsterform bedeutungsvoll. Seine Augen wiesen eine rötliche Goldgelbe Farbe auf, alle beide, doch sie waren vollkommen ruhig, „Wenn es so etwas wie Steinzeitvampire gibt, dann sind es mit Sicherheit die Stone Face. Wir sind Uralte Dämonenrasse, die sich Blut und rohem Fleisch ernähren. Darum zählt man uns leider zu den herkömmlichen Vampiren, obwohl unsers Körper nur zu 40 % aus Graf Draculas Blut besteht. Die Stone Face sind nämlich eine Mutation aus einem Dämon und einem Vampir. Ich glaube, dass es ein Drachendämon war; einmal weil unsere Haut so hart und rau wie ihre Schuppen sind, wir eine Feuerlunge haben und Flammen Speichen können und weil wir diese riesigen Klauen an Händen und Füßen besitzen, die sehr nützlich für die Jagd sind. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, da müsste ich mal Raymond, unseren Anführer, fragen. Er weiß es ganz genau.“ Ein Blick in die Augen seines kleinen Bruders genügte um Kim zu zeigen, dass er grade mit einer menschlichen Salzsäule redete. Vorsichtig bettete er Marcels Gesicht in seine Handflächen, und drückte es ein wenig hoch. Zwischen seinen riesigen Krallenfinger fühlte es sich ganz klein und zerbrechlich an. Es kostete Kim einiges an Mühe, um seine Kraft auf ein Minimum zu reduzieren. Eine einzige flüchtige Bewegung genügte, und schon würde das Genick dieses Jungens in tausend Teile zerbrechen. So leicht, und doch trotzdem undenkbar. „Bist du jetzt verwirrt, verängstig oder all beides?“, fragte Kim leise. Marcels Augen wirkte starr, ebenso seine gesamte dürre Gestalt. Als der Blonde auch Sekunden später immer noch keine Regung zeigte, runzelte Kiley die Stirn und sah ihn intensiver an. „Marcel…?“ „Ich weiß nicht. Ich bin eher ein bisschen enttäuscht.“, gestand Marcel endlich und schaute seinem Bruder in die Augen, „Sind Jeremy und Daimon auch welche von diesen Stone Face?“ Kim nickte schweigend. „Warum habt ihr mir das den nicht schon früher erzählt? Dann hätte ich gewusst, wie ich mich gegenüber euch verhalten soll…!“ Verletzt versuchte Marcel Kims Hände weg zu drücken, aber die Pranken bewegten sich keinen Millimeter. „Jeremy meint, dass die Realität ein Schock für dich wäre. Das du es nicht verkraftest, mit drei gefährlichen Dämonen unter einem Dach zu wohnen. Ehrlich gesagt, bin ich nicht derselben Meinung. Du hast einen starken Charakter und du bist sehr mutig, ich versteh nicht, weshalb Jeremy dich immer noch in Watte packt. Du bist kein kleiner, hilfloser Junge mehr, Marcel“ Mit einer sehr liebevollen Bewegung legte er einen Arm um Marcels Schultern und drückte ihn an sich. Sofort stellte diese seiner erbärmlichen Befreiungsversuche ein. „Danke für dieses Kompliment.“, bemerkte Marcel und legte seine Wange an Kims Brust. Die Haut war so hart und rau, wie er vorher gesagt hatte; Dann schloss er die verträumt die Augen. Sie verharrten eine gefühlte Ewigkeit. Ob Jeremy wieder bei Sinnen ist, fragte sich Marcel müde. Er würde das hier sicher gerne sehen, wo sie sich doch sonst bis aufs Blut bekriegten. Er seufzte leise. Auch wenn sie ihn Schlusslicht beschützen wollten, fühlte sich Marcel doch trotzdem von seiner Familie hintergangen. „Wir müssen wieder zurück.“, sagte Kim. Er griff nach Marcels Oberarmen und drückte ihn leicht weg, „Du kannst Daimon und Jerry alles erzählen, aber nicht… nicht das wir gekuschelt haben. Sie werden denn womöglich was Falsches von mir denken.“ „Ich verstehe schon. Mach dir keine Sorgen, ich kann schweigen wie ein Grab“ „Danke.“ Kim lächelte etwas verlegen. Dann schleuderte er Marcel durch die Luft, als er ihn auf seine Arme hob. Daraufhin stieß er sich mit seinen langen Beinen vom Boden ab, und schoss wie eine Rakete in die Luft. Wenn Marcel bis jetzt schon mal Todesangst gehabt hatte, war das hier kein Vergleich. Sie Flogen mit Halsbrecherischer Geschwindigkeit durch das dichte Gestrüpp des Waldes, ohne das kleinste Geräusch zu verursachen – oder gegen einen Baum zuknallen. Es sah so leicht aus, doch der Flugwind riss Marcels Kleider und Haare nach hinten. Stockend zog er die eiskalte Luft ein, die sich wie ein Messer in seine Eingeweide bohrte. Immer schneller wurden Kims Flügelschläge, die lautlos die Wolkendecke zerrissen. Es war phantastisch, wenn auch furchteinflößend, aber überwiegend phantastisch. Und dann war es plötzlich vorbei, wie es angefangen hatte. Kim hielt sich locker am nächstbesten Ast fest; Er vollführte einen Looping und landete auf den Spitzen seiner Krallenfüße. „Und wie war das?“, fragte er kichern. Nur am Rand nahm Marcel war, das er Kiley an diesem Tag zum ersten Mal lachen hörte. „Nie mehr im Leben!“, keuchte Marcel und drückte eine Hand auf seinen Mund. Nur noch einen Schritt, und sein leerer Margen würde eine riesen Portion Magensaft an die Oberfläche befördern. Kim lächelte, eine Augenbraue hochgezogen. Er war so schön, dass es fast weh tat ihn an zusehen. Selbst jetzt noch, in dieser Monstergestalt, sah er einfach Umwerfend aus. „Musst du dich übergeben? Ich hätte damit schon früher gerechnet.“ sagte das Stone Face belustigt. „Bring mich bitte nachhause, ich habe schwarze Punkte vor den Augen.“ „Alles was du willst. Ich denke mal, dass es zuhause im Moment sicher ist“ Kims Umrisse erstrahlen Scharlachrot, als er die Augen schloss, und sich in sein altes Ich zurück Verwandelte. Zügig liefen sie über die Hauptstraße, die nach einem kurzen Marsch zu ihrem zurück Haus führte. „Wie kommt es das ihr zu Dämonen wurdet?“, fragte Marcel und schaute Kim hoffnungsvoll an. Kim erwiderte seinen Blick angespannt. Bei diesem Gedanken stieg eine unangenehme Erregung in seinen Eingeweiden empor, dass es ihn schier zu erdrücken drohte. Es war ja klar, dass Marcel nun hunderte Fragen unter den Nägeln brannten. „Daimon und Ich wurden von Jeremy gebissen. Wer ihm die Unsterblichkeit schenkte, wissen wir bis heute nicht. Auf jedenfall hat sich dieses Dämon vor unseren Gesetz strafbar gemacht; Wenn ein Stone Face einen Menschen verwandelt muss er sich so lange um ihn kümmern, bis der Neugeborene sich selber ernähren kann, ohne als Dämon entlarvt zu werden.“ „Und was ist mit den ganzen Mythen? Das ihr angeblich in Särgen schläft, oder kein Knoblauch vertragen könnt?“ Da lachte Kim so laut auf, dass sich auf der anderen Straßenseite eine Frau mit ihrem Kind neugierig zu ihnen umdrehte. „Das sind alles nur Märchen! Wir zerfallen auch nicht im Sonnenlicht zu Staub oder so! Die meisten Mittel von Exorzisten gegen Vampire, sind frei erfunden. Uns macht weder Knoblauch, noch Silber, noch Licht etwas aus. Wir sind sozusagen Multiresistent gegen Schwachsinn.“ Eine Weile verging bis Marcel seine Gedanken auf die neue Situation eingestellt hatte, und er dazu in der Lage war eine weitere, Sinnvolle Frage zu stellen. „Das heißt also, dass ihr drei nicht die einigsten Stone Face seid?“ „Nein.“ sagte Kim grimmig lächelnd, „Der Rest der Stone Face Kolonie lebt weit weg in Rumänien. Und das ist wahrscheinlich auch gut so, denn Jeremy, Daimon und ich sind im Vergleich zu den anderen Stone Face noch sehr jung; Ich weiß nicht wie sie darauf reagieren würden, wenn sie wissen dass wir mit einem Menschenkind zusammen leben“ „Ist es den schlimm für euch, mit einem Menschen zusammen zu sein?“, fragte Marcel sichtlich verwundert. „Das Problem liegt nicht daran, mit dir unter einem Dach zu leben.“ sagte Kim mit einem merkwürdigen Unterton in der Stimme. Sein Lächeln war schon lange verschwunden „Es besteht viel eher die Gefahr, dich umzubringen und damit eine riesen Hysterie in der Stadt aus zu lösen. Wir sind nun mal halbe Vampire, und unseren ständigen Durst nach Blut unterworfen! Du hast ja mit eigenen Augen gesehen wie schnell es gehen kann. Und das schlimmste ist du hast noch nicht mal den Hauch einer Chance dich gegen uns zu wehren. Dämonen, insbesondere Stone Face, sind den Menschen Kräftemäßig weit überlegen! Wenn die Menschen erfahren das Dämonen existieren, dann brennt wirklich die Hütte. Das oberste Gebot für uns Stone Face ist die Geheimhaltung unserer Spezies. Die Anderen werden niemals unsere Geschwisterliche Bindung akzeptieren – und werden versuchen uns 4 mit allen Mitteln zu trennen.“ Kim sah wie Marcel um Fassung rang, wie er versuchte die ernsten Worte zu begreifen. Trotz der wärmer werdenden Sonnenstrahlen lief es ihm eiskalt den Rücken runter; jetzt war es raus. Nun wusste der Kleine was los war. Aber was, wenn er es zwar verstand, doch nicht verarbeiten konnte? Die Gefühle explodierten in Kims Innern, ließ ihn schreien und vor Panik zittern. Was, wenn Daimon mit seinen bedenken rechte hatte, und Marcel sich jetzt etwas antun würde? Das könnte Jeremy ihm niemals verzeihen, selbst wenn er noch hunderttausende Jahre lebte! Verstört packte Kim Marcel an den Schultern. „Du glaubst mir doch, oder? Ich verspreche dir, das ich auf dich Aufzupasse! Kein Dämon dieser Welt, wird dich jemals anfassen, noch nicht mal ein Stone Face. Bei uns bist du sicher, wir drei beschützen dich!“ Marcels Kopf war ein wenig abgewannt; natürlich wusste er das seine Brüder, oder vielmehr Jeremy, ihn niemals Verletzten würden. Sie waren doch noch immer eine Familie…. oder etwa nicht? Er biss sich auf die Unterlippe; wie gefährlich waren Daimon, Kiley und Jeremy wirklich? Können Vampire in einem Blutrausch alles vergessen, und selbst die Menschen töten die sie eigentlich liebten? Marcel wusste es nicht, doch er war froh dass Kim nicht merkte, wie weh er ihm mit diesen Worten getan hatte. Er liebte seine Familie doch – sogar ihn, und Daimon. Stumm flog der Wind an ihnen vorüber. „Ihr tut mir nichts!“ sagte Marcel feste, „Wir machen einfach so weiter wie bisher. Das heute Morgen war nur ein kleiner Ausrutscher, ein Missgeschick, ein - “ „Ein dummer Fehler, der dich umbringen hätte können!“ Heftig und unerwartet kamen die Wörter wie Giftpfeile aus Kims Mund geschossen, „Kapierst du eigentlich was los ist? Wir-sind-Monster! Blutrünstige Dämonen die nichts anders im Kopf haben außer Morden. Wenn Jeremy dich nicht so verdammt lieben würde und so viel Erfahrung hätte, wärst du jetzt schon längst Tot. Das du noch am Leben bist ist reine Glückssache. Vergiss das nie!“ „Nein das ist nicht wahr, ihr seid Stark. Ihr habt es bis jetzt geschafft um euch zu beherrschen, und das schafft ihr auch weiter hin…“ sagte Marcel. Mit Tränen in den Augenkämpfte er gegen den Schmerz an, der ihn zu überrollen drohte. Als Kim sich bewusst wurde was er Marcel da Vorgeworfen hatte, fühlte er sich schlecht und senkte Reuevoll den Kopf. „Ich wollte dir nicht weh tun, verzeih mir. Aber ich weiß auch nicht warum ich auf einmal so Wütend bin, und dir so einen Mist erzähle. Wahrscheinlich mache ich mir nur einfach sorgen um dich.“. Dann schwiegen beide. Marcel konzentrierte sich darauf nicht los zu heulen, und schaute in den Himmel. Jede einzelne Sekunde die verstrich, fühlte sich an wie ein Lichtjahr. Kims Worte ließen darauf schlichen, das sich bald etwas änderte. Vielleicht wollten sie ihn nicht mehr in der Familie haben, weil es so anstrengen war sich in seiner Gegenwart unter Kontrolle zu halten. Marcel war erfüllt von panischer angst – sie würden ihn verlassen! „Bitte nicht!“, keuchte er und bohrte seine Fingernägel unbewusst in Kims Haut, „Lasst mich nicht alleine zurück. Ich mache alles was ihr wollt; Ihr braucht euch nicht zu verstellen, lebt einfach eure Instinkte aus… Aber verlasst mich nicht.“ Sofort schaute Kim zu seinen kleinen Bruder runter, aufgeschreckt von dem veränderten Sinn seiner Gedanken. „Natürlich bleibst du bei uns, das habe ich dir doch eben grade erklärt. Wir sind doch immer noch Geschwister!“ Überwältigt von seinen Gefühlen schlang er die Arme um Marcel und presste ihn an seine Brust. Regungslos lauschte er nach seinem hämmern Herzschlag, dem unruhigen Atmen, den verzweifelten Schlunzen, das so abrupt gekommen war. „Bitte hör auf zu weinen.“ sagte Kim traurig, „Wir werden so lange bei der bleiben, wie es sein muss. Und wenn du irgendwann auf eigenen Beinen stehen willst, werden wir dir nicht im Weg stehen. Es liegt ganz in deiner Entscheidung, wie die Zukunft aussieht.“ „Und wenn ich will dass ihr bei mir bleibt?“ „Dann werden wir genau das tun!“ Wieder verharrte sie die Dauer eines unendlichen Augenblicks. Der ernste Blick von Kim ließ es nicht zu, dass irgendjemand an seinen Worten zweifeln konnte. Und endlich glaubt Marcel ihm. Ganz langsam nickte er. „Wir gehen jetzt nach Hause.“ sagte Kim dann bestimmend, „Ich halte dich mit meinem Gelabber nur vom Essen ab.“ „Ich habe aber keinen Hunger.“ rief Marcel. Doch zu seiner Beschämung knurrte in diesen Augenblick sein Magen. Kileys Erzählung hatte ihn so gefesselt, dass er gar nicht mehr ans Essen gedachte hatte. Es gab doch noch so viel zum grübeln und so viel, was er fragen wollte. Jetzt merkte er jedoch, dass er ein riesiges Loch im Bauch hatte. Als sie zu Hause waren flitze Marcel sofort ins obere Badezimmer und wusch sich den morgendlichen Schlaf aus den Augen. In dem großen Spiegel über den weißen Waschbecken betrachtete er sein Gesicht kritisch. Die Haut war blass und rein, wie die eines Gespenstes, keine Spur von Pickeln. Selbst mit den leichten zittern sahen die Lippen noch glatt und weich aus. Doch dafür wirkte seine Mähne wie ein Heuhaufen. Rasch nahm er sich eine Bürste und fuhr sich so lange damit durch die Haare bis auch die letzten Knoten verschwunden waren. Wie gerne er jetzt doch Jeremy sehen würde! Aber der war mit Daimon fort gegangen. Kim hatte gesagt, dass sie auf der Jagd waren. Ein wenig verträumt tapste Marcel in die Küche. Er hatte sich ein paar frische Klamotten aus seinem Zimmer geholt und angezogen. Dort stand Kim bereits an dem Stahlherd und brutzelte zwei Spiegeleier in einer Pfanne. Der Essensduft holte Marcels Gedanken in die Gegenwart zurück. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, während Kim nach einem Teller griff, der in den oberen Hängeschränken stand. Lächeln hob er die Eier auf den Teller und stelle ihn auf den Küchentisch. Marcel setzte auf einen Stuhl und begann gierig die Spiegeleier zu verschlingen. Sie verbrannten ihm zwar den Mund, aber das war egal. Der Hunger war einfach zu groß. „Schmeckt es dir?“, fragte Kim immer noch Lächeln und ließ sich auf den Stuhl gegenüber von Marcel nieder. „Zwar nicht so gut wie bei Jeremy, aber schon ganz lecker.“ Marcel setzte sich ein Glas mit Orangensaft an die Lippen um die glühendheißen Bissen runter zu spülen, „Wieso kochst du nicht öfters?“ „Warum denn? Wenn es doch Jeremys Arbeit ist?“ Er zögerte einen Moment, dann bekam seine Stimme einen eigenartigen Klang. „Ich kann es im Nachhinein eh nicht essen“ Marcel blinzelte heftig, „Was denn nicht?“ „Garnichts von dem Zeug.“ sagte Kim trocken, „Wir können uns nur von Blut und rohem Fleisch ernähren. Das Menschenessen macht uns Dämonen auf die Dauer sogar krank. Außerdem schmeckt es sowieso grässlich!“ Er warf Marcels Teller einen sehr angeekelten Blick zu. „Ich find’s ganz Okay!“, murmelte Marcel stur und schob die Gabel erneut in seinem Mund. Dafür dass Kim nichts aß, waren seine Kochkünste doch ganz beeindruckend. „Fürchtest du dich jetzt nicht vor uns, wo du weißt dass wir Blut trinken?“, fragte Kim auf einmal mit einen sarkastisch Grinsen auf den Lippen. Vor der Tatsche schreckte Marcel kaum zurück, „Nicht besonders. Nein. Für euch ist es doch natürlich, es ist unausweichbar.“ Grade machte Kim den Mund auf um etwas zu Erwidern, doch zeitgleich öffnete jemand die Wohnungstüren. Einen Moment lang herrschte vollkommen Still im Haus. „Kiley?“, rief Jeremy vom Flur aus. Marcel hörte wie er den Reisverschluss seiner Jacke öffnete und sie wahrlich in die Garderobe hing. „Hier! Wir sind in der Küche“, antworte Kim abrupt. Jeremy wirbelte so schnell in den Raum – etwa eine achtel Sekunde später - dass Marcel vor Schreck zusammen zuckte. Er warf seinem großen Bruder einen vorsichtigen Blick zu. Er sah aus wie immer – naja, nicht ganz wie heute Morgen. Doch es war immer noch Jeremy der da im Türrahmen stand, und kein Monster. „Liebling?“, fragte Jeremy sanft, aber etwas schüchtern. Er streckte mit besorgter Mine eine Hand nach Marcel aus. Als er grade überlegte, ob er sie wieder zurück ziehen sollte, stand Marcel auf und legte seine rechte Hand in sie. Seine Berührung schien durch Jeremys Hautoberfläche zu dringen. Es löste ein Kribbelendes, atemberaubendes Gefühl in ihm aus. Er roch keine Angst. Das war Wunderbar! Mehr als er verdient hatte. Viel mehr. Fast hätte er vor lauter Freude den Ernst der Lage vergessen und Marcel ganz feste umarmt. Doch er hielt seine Emotionen in Zaun. Stattdessen wanderte sein Blick zu Kim. Kim nickte ihm zuversichtlich zu. Dann schaute Jeremy mit Mühe in die Augen Marcels. „Marcel, hat Kiley dir unser Geheimnis erzählt?“ „Ja.“ „Es war sicher ein schwerer Schock für dich. Es tut mir furchtbar leid, dass ich es dir nicht schon viel eher erklärt habe. Das hätte uns eine Menge scherereien erspart. Aber wusste nicht, wie es ich es dir erklären hätte sollen.“ „Jetzt ist es aber endlich vorbei.“ sagte Marcel mit einem leicht gequälten Lächeln. „Ich weiß was mit euch los ist…. Und was ihr seid. Kiley hat gute Arbeit geleistet, als er mir das alles erklärt hat. Ich mache euch deshalb keine Vorwürfe, ihr wolltet nur das Beste für mich.“ Inzwischen stand auch Daimon in der Türe und schaute sich ungläubig die Szenerie an. Leicht nervös bis er sich auf die Zunge. Es war eine Sache Marcel in ihr Geheimnis einzuweihen, eine andere ob Marcel auch dicht halten würde. Sehr zielstrebig macht Daimon einen gewaltigen Schritt auf ihn zu. „Vorher sollen wir wissen ob er nicht zu dem nächsten Polizeirevier rennt, und uns verpfeift?“, knurrte Daimon, „Er ist ein Mensch! Er versteht uns Stone Face nicht, wir können ihm nicht vertrauen. Wenn wir nicht aufpassen macht er alles zunichte, was wir in den letzten Jahren aufgebaut haben. Dann hätten wir uns die ganze Zeit umsonst abgeschuftet. Ich will das - “ „Daimon!“, Jeremy unterbrach ihn zischen, „Ich kenne Marcel ein Leben lang und ich setzte mein größtes vertrauten in ihn. Wenn du damit nicht klar kommst, ist das nicht seine Schuld, sondern deine eigene. Begreif doch endlich mal, dass die Welt nicht nur aus gefahren besteht!“ Daraufhin schoss Daimon das Blut in den Kopf. Ein mächtiges Knurren erhob sich in seiner Brust, was so stark war das der gesamte Boden unter seinen Füßen bebte. Ehe irgendetwas anders passierten konnte umrundete Kim innerhalb einer viertel Sekunde den Tisch, und versteckte Marcel hinter seinen Rücken. Er nahm die lauernde, halb geduckte Haltung ein die Marcel schon von heute Morgen kannte. Auch in seiner Kehle dröhnte ein leichtes Fauchen. Es war ob ein Alptraum wahr geworden wäre. Jeremy spannte seine Muskulatur an, bereit sofort los zu Springen. Die Hände hatte er zu Klauen geformt, und er konzentrierte sich nur auf Daimons Rückseite. „Nein.“ sagte Jeremy mit zusammengepressten Kiefern. „Heute gibt es keine weiteren Angriffe mehr!“ Ganz wie von selbst zogen sich seine Lippen zu einem warnen Zähnefletschen zurück. Der wilde Laut der aus seinem Mund kam, ließen Daimon und Kim gleichermaßen innehalten. Marcel sprang einen Meter zurück. Er war auf der Hut, doch Jeremy wirkte nicht Aggressiv. Zu mindestens nicht gegenüber ihn. Der Ausdruck der sich in den Gesichtern der Zwillingsbrüder widerspiegelte, konnte er nur unter Respekt einordnen. Oder vielleicht Ehrfurcht. „Warum?!“, fauchte Daimon wütend ohne sich einen Millimeter zubewegen, „Wieso beschützt du ihn immer wieder!? Er ist doch bloß ein Wertloser Mensch.“ Jeremy schenkte ihm einen frostigen Blick, „Ich selbst entscheide was Wertlos ist, und was nicht.“ Ein neues Knurren ließ Daimons Körper erzittern, er öffnete den Mund so dass die langen Eckzähne zusehen waren; rückartig richtet er sich auf und verließ die Küche, mit der Absicht in die Stadt zugehen. Kiley wartete fünf Sekunden, bevor er fragte: „Soll ich ihm folgen?“ Jeremy nickte kurz, woraufhin ein Schatten an ihm vorbei flog und Kim durch die Wohnungstüren stürmte. Nun war Marcel mit Jeremy alleine. Er hielt dem ernsthaften, wachsamen Blick seines älteren Bruders stand. Jeremy reagierte schneller, als Marcel denken konnte, und das war verdammt schnell. Mit einer Bewegung, unvorhersehbar und heftig streckte er beide Arme aus und riss Marcel von den Füßen, während er ihn an seinen Körper quetschte. „Es tut mir so leid was heute alles passiert ist.“ sagte Jeremy reuevoll, „Und es tut mir leid, dass ich dir unser wahres Ich verschwiegen habe. Ich dachte, du würdest uns für Verrückt erklären, oder vor Angst durchdrehen. Beides ist nicht passiert. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich mich das macht.“ Marcel bewegte sich nicht. Es war so eine vertraute, liebevolle Berührung wie man es von Jeremy kannte. Von ihm ging keine Gefahr aus, das spürte Marcel deutlich. Er umarmte Jeremy und drückte das Gesicht an seine harte Brust. Seine Haut war erstaunlich warm für einen Untoten. Beinahe heiß… Marcels Kopf flog nach hinten. Jeremy glühte regelrecht. Ob auch Dämonen Fieber bekommen? „Warum bist du so warm?“, fragte Marcel verwirrt. „Ich dachte immer, Vampire hätten eine unerträglich kalte Haut“ Jeremy kicherte und wickelte eine dunkle Haarsträhne um seinen Finger, „Das zählst für uns Stone Face nicht: Unsere Körpertemperatur passt sich ganz dem Umfeld an. Sie ist so Flexibel wie ein Gummiband. Wenn ich zum Beispiel in Alaska wäre, wo es eiskalt ist, könntest du mich nicht anfassen ohne dich tierisch zu verbrennen.“ „Mmmm…,“ murmelte Marcel. Er hatte jedoch noch etwas anders auf den Herzen, was an ihm zerrte wie eine ausgehungerte Flamme. Eine Art Störung, die ihm schon die ganze Zeit belastete. „Hasst Daimon mich deshalb so? Weil ich ein Mensch bin?“ Jetzt sah Jeremy eher gequält aus, als Erleichert. Er fasste Marcel am Ellenbogen und führte ihn ins Wohnzimmer. „Sag bitte nie mehr, das Daimon dich hasst. Naja, es stimmt schon das er dich nicht grade vergöttert, aber von Hass ist es noch weit entfernt. Seine Abneigung ist nicht gezielt auf deine Person gerichtete, es ist vielmehr die Tatsache, dass er sich in deiner Gegenwart ständig kontrollieren muss. Für ihn es ist es noch ziemlich anstrengt seinen Durst nach Blut zu zügeln. Deshalb ist es schon ganz richtig, wenn du sagst, dass sich Daimons Wut auf deine Menschlicheseite bezieht. Aber wie gesagt – es hat nichts mit meinem Charakter zu tun. Das kannst du mir glauben.“ Sanft nahm er Marcels Hand und führte sie zu seinen Mund; zu seinen Lippen, mit den gefährlichen Reißzähnen darunter… Ganz automatisch verkrampfte sich Marcel. Eine natürliche Schutzreaktion die die Schauder auf seiner Haut auslösten. Zischend atmete er die Luft ein. Und dann war es plötzlich vorbei. Jeremy entfernte sich ein Stück von ihm und lächelte sein schönstes Engelslächeln. „Wie ich sehe hast du schon gegessen.“ sagte Jeremy schmunzelnd, „Und was hast du heute vor?“ Marcel kniff die Augen zusammen. Der Hausartest bestand nach wie vor. „Ich würde ja gerne weg gehen, aber ich darf nicht… Stubenarrest, weißt du noch?“ „Na schön.“ sagte Jeremy seufzend. „Junger Mann, du bist frei. Aber -“ Das Lächeln machte Marcel solch eine Hoffnung dass er Jeremy wild umarmte, ihm somit das Wort abschnitt und in den Flur rannte. Auf dem halben Weg blieb er stehen und schnappte sich das dicke Telefonbuch, das wie immer neben der Hörmuschel lag. Damit lief er die Treppe hoch und ließ sich in seinem Zimmer nieder. Die einigste Person, die er jetzt sprechen wollte hieß Dylan. Er suchte in der Namenliste Dylans Nachnamen, der ungefähr am Ende des >S< stand. Ein Finger hatte bereits die ersten 3 Ziffern gewählt, als ihm förmlich etwas ins Gesicht sprang. In der Namensliste stand nicht Dylan Smirnow, sondern Mephisto Smirnow. Das war …. wirklich beängstigend. Wäre er nicht so scharf darauf mit Dylan zu sprechen, hätte er sich wahrscheinlich nicht getraut anzurufen. Doch der Drang war stärker als das Gefühl, er überrollte es einfach wie eine Stahlkugel. Also tippte Marcel die letzten Zahlen ein und wartete, währenddessen trommelte er mit den Fingerspitzen ungeduldig auf den Fußboden. Schon beim zweiten klingeln würde der Hörer abgehoben und eine überraschend sanfte, und warmherzige Stimme sagte; „Hallo, hier bei Smirnow.“ „Hallo, ich heiße Marcel Sandjoé.“ Kurz hielt der Empfänger des Telefonates die Luft an, dass hörte Marcel an dem leichten Rasseln, als die Person schnell ausatmete. „Achso, der Marcel. Na, das ist aber eine angenehme Überraschung. Du möchtest sich mit meinen Dylan sprechen, stimmt´s? “ Es hörte sich jedoch gar nicht Überrascht an, eher auswendig gelernt und geprobt. „Ja bitte.“ sagte Marcel Erleichert. Diese Person am Telefon konnte unmöglich der berüchtigte Mephisto sein. Seine Stimme war viel zu freundlich und warm für einen kaltblütigen Dämon. Dieses angenehme Gefühl das sich bei dem Klang dieser Stimme in einem ausbreitete, wäre schwer zu künsteln. Marcel hatte sich in der letzten Nacht unheimliche Sorgen wegen Mephisto, dem Satan, gemacht und der lebte gar nicht mit Dylan zusammen in einem Haus? Oder vielleicht doch, und ein dritter, noch unbekannter Mann hatte den Hörer einfach nur abgenommen. „Dylan!“ rief die Person durch ihr Haus, oder ihre Wohnung. Es dauerte nur 5 Sekunden bis das Telefon weiter gereicht wurde, und Dylans Stimme zu hören war. „Hallo?“ es hörte sich eigenartig steif an, ob ihm etwas großes Haariges mit spitzen Zähnen im Nacken säße. „Hi, Dylan! Wie geht es dir?“ „Oh… Marcel. Hi, klar, mir geht es super. Was gibt’s?“ „Ich wollte heute nochmal in die Stadt gehen, kommst du mit?“ fragte Marcel munter. „Mmmm…“ murmelte Dylan tonlos, „Ich kann nicht, ich muss noch - “ „Erzähl doch nicht so einen Unsinn!“ zischte der Mann von eben ihn an, vermutlich stand er lauschend neben ihm. „Von wegen du hast keine Zeit; Du bist doch den ganzen Tag nur noch von ihm am quatschend. Jetzt zeig mal das du ein Mann bist!“ Dylan holte tief Luft, und sagte dann etwas in einer Sprache die Marcel nicht verstand. Nach einer Weile war ein lautes Lachen zuhören, dazwischen rief Dylan heftig >AUA< Ein erschrockener Ausdruck huschte über Marcels Gesicht, dann hatte sich wieder unter Kontrolle. „Dylan?“ fragte er verwirrt. „Ja, es ist alles in Ordnung.“ Dylan kicherte unsicher. „Also… wenn du nicht mit kommen möchtest, ist das kein Problem. Ich kann auch alleine - “ Dylans Freund schnitt ihm mit einem schnalzten der Zunge das Wort ab. „Natürlich geht Dylan mit dir nach Thirsk.“ sagte der Freund selbstbewusst in den Hörer. Er fauchte kurz, als Dylan etwas in der Fremdensprache erwiderte. „Auch wenn er jetzt noch wie wild tobt, er geht mit. Ich persönlich werde ihn bei euch zuhause abliefern. Bis gleich, Marcel Sandjoé.“ „Ja.“ flüsterte Marcel zurück, doch die Verbindung war schon unterbrochen. Er hielt das Handy in seiner Hand fest, und starrte ihn an, ohne den Apparat wahrzunehmen. Gleich würde Dylan also mit seinem komischen Kumpel bei ihm antanzen. Wie Jeremy wohl das wohl finden würde? Ganz sicher nicht super toll, um ehrlich zu sein wäre er nicht grade hoch erfreut darüber. Überraschungen waren nach seiner Meinung ziemlich lästig, oder sogar bedrohlich. Jeremy tickte so dass er immer wissen musste, was just in diesem Moment um ihn herum geschah. Wenn er es nicht wusste, machte es ihn nervös. Ohne viel Lärm zu machen schlich Marcel sich in die Diele und zog seine Jacke an, die wie immer an der Garderobe hing. Er lauschte angestrengt in den Flur hinein, ob es ihm etwas nütze war eine andere Frage. Nach einer gefühlten Ewigkeit nähere sich das Geräusch eines Autos, dessen Motor einen unheimlichen Sound prodozierte. Neugierig ging Marcel zum Fenster und schaute heraus. Vor ihrer Einfahrt stand ganz unauffällig ein schwarzer Lamborghini, mit dunkel getönten Scheiben. Eine Türe des Luxuswagens öffnete sich, und Dylans Silhouette hob sich langsam von der Dunkelheit des Innenraums ab. Er hatte den Kopf nach hinten gedrehte und seine Lippen bewegten sich so schnell, als ob er mit den Fahrer diskutieren würde. Marcel warf einen Blick über die Schulter; glücklicherweise hatte noch niemand die Gegenwart ihrer Besucher bemerkt. So schnell wie seine Beine ihn trugen hechtete er daraufhin zur Türe, packte mit beiden Händen den Knauf und wirbelte sich selbst nach draußen. „Bis später dann! Ich bin mit Dylan in der Stadt, Jeremy!“, rief er den Hausflur. Mit einem leisen Klicken fiel sie sanft in die Angel zurück. Für´s erste war das gar nicht mal so schlecht, dachte Marcel glücklich, und drehte sich zu dem Lamborghini um, diesem tollen Geschoß. Sein Blick wurde ziemlich mürrisch von Dylan erwidert und er kam mit großen Schritten auf ihn zu gepoltert. „Schön dich zu sehen.“ sagte Dylan förmlich. „Ähm…. Hi“ Marcel war sich nicht sicher ob er erleichternd sein sollte, oder erschrocken. Dylans Blick nach zu urteilen, wäre er lieber ganz wo anders, als hier vor dem Haus. Er strich sich sein langes weißes Haar nach hinten, das Dylan heute ausnahmsweise mal offen trug. Marcel musterte sein Freund; bis auf den Gesichtsausdruck sah er eigentlich ganz normal aus. Wie immer, wie er es gewohnt war. „Können wir den heute noch nach Thirsk gehen? Jeremy hat den Hausarrest aufgehoben. Ich bin endlich wieder frei, und ich brauche dringend ein paar neue Hosen. Meine Alten sind schon ganz verschließen und schmuddelig…“ Als Dylan das hörte verdrehte er theatralisch seine Katzenaugen. „Mein lieber Marcel.“ schnurrte er und fiel sofort in seine gewohnte Art zurück, „Du kannst dir anziehen was du willst, selbst eine Plastiktüte mit der Aufschrift: Chemiebombe, und du siehst immer noch toll aus. Was willst du also mit Hosen? Kauf dir lieber ein paar sexy Hotpants, die bringen deine Figur viel besser zur Geltung.“ Die Reaktion auf die Aussage war ein tiefes Fauchen, was sich aus Marcel die Kehle schlich. „Das würdest du gerne sehen, he?!“ „Ja was denkst du denn? So etwas Tolles bekommt man nicht alle Tage zusehen. Das ist ein wahrer Festschmaus für meinen Sehnerv! Auf so etwas Heißes wie dich, habe ich knapp 400 Jahre gewartet.“ Auf einmal wurde die Türe an der Fahrerseite geöffnet, und ein junger Mann Mitte zwanzig stieg aus dem Luxuswagen. Er war komplett in Schwarz gekleidet. Der Fremde hätte ein dünnes Top mit einem tiefen Ausschnitt an, eine kurze Lederjacke und eine sehr enge Hose aus Leder. Die silberne Schnalle seines Gürtels hatte die Form eines Menschlichen Totenkopfes. Außerdem hielt er seine Tintenschwarzen Haare Schulterlang, oder länger, das er ziemlich modern gestuft trug. Aber das seltsamste an ihm, war das Make-up. Offenbar hatte der Mann die Augen mit schwarzen Eyeliner umrandet, mindestens 10 schichten Mascara auf seinen langen Wimpern aufgetragen und grauen Lidschatten bis hin zu den Pechschwarzen Augenbrauen verteilt. Marcels Herz klopfte heftig, während er den skurrilen Mann betrachtete. Dylan räusperte vornehmend und der Mann schaute schmunzeln zu ihnen rüber. Seine Haut war leicht gebräunt und sehr rein. Aber das war nicht der Grund weshalb Marcel seinen Blick nicht abwenden konnte. Es war sein Gesicht, das so umwerfend schön und ebenmäßig aussah. So etwas sah man sonst nur auf den Titelblättern von populären Modezeitschriften, und nicht in einem verschlafenen Kaff Englands. Der Mann stand inzwischen vor ihnen und Dylan ergriff das initiative. „Das hier ist mein Freund Marcel.“ erklärte er ruhig, „Und Marcel, das ist - “ „Hey Dylan, ich kann mich ja wohl noch selber vorstellen!“ sagte der junge Mann rasch. Außergewöhnlich weich und melodisch klang seine Stimme. Es war dieselbe, mit der Marcel vor einer halben Stunde gesprochen hatte; So etwas ist nicht nachzuahmen. Blitzschnell schoss die Hand des Fremden nach vorne, und versenkte die Fingerspitzen in Dylans Taille. Dieser hüpfte quietschend zur Seite, und konnte sich damit noch so grade retten. Dann schauten sich beide einen unendlich langen Moment an, und brachen darauf in ein schallendes Gelächter aus. Marcel spürte wie ihm die Luft weg blieb, als der Mann sich drehte und IHN zielstrebig ansteuerte. Es half alles nichts, selbst kein Zittern, er musste seinen Mut zusammen nehmen und den Kerl begrüßen. Und dann schnell zu Dylan flüchten, dachte er nervös. Der Mann lächelte und blieb im sichern Abstand stehen, vermutlich wollte er Marcel nicht ängstigen. Obwohl das schon längst der Fall war. „Hi, schön das ich dich mal endlich kennenlerne, Marcel Nickita Sandjoé.“, sagte er und reichte Marcel die Hand. Sein fester, selbstsicherer Händedruck war wie erwartet. „Dylan hat mir tagtäglich die Ohren von dir voll gequatscht, was mir fürchterlich auf die Nerven ging. Ich wusste doch gar nicht, vom wem er die ganze Zeit sprach“ „Danke, ich freue mich auch.“ meinte Marcel aufrichtig. Irgendwie strahlte der Mann eine beschützende Aura aus, die es einem gar nicht erst ermöglichte sich unbehaglich zu fühlen. Er spürte wie auch Dylans Anspannung nachließ. „Hast du nicht etwas vergessen?“ fragte dieser zum den Fremden gewandt. „Natürlich nicht!“ gab der Mann unwirsch zurück. „Ich wollte ihn keine Angst einjagen. Er zittert ja schon ohnehin.“ Der Fremde verdrehte die Augen, als geschätzte 200.000 Gewitterwolken über Dylans Gesicht hin wegzogen. Fast 10 Minuten lang diskutierten sie über ein Thema, das Marcel nicht so richtig begriff. Als könnte der Mann Gedankenlesen, lenkte er seine Aufmerksamkeit auf Marcel zurück und presse ein gekünsteltes Lachen raus. „Entschuldigung, wir wollten dich verwirren. Übrigens…“ der Mann grinste noch breiter, wobei es immer noch freundlich wirkte „Ich bin Dylans Erziehungsberechtigter, du kannst mich Mephisto nennen.“ Nein, das dürfte nicht wahr sein, dieser Mensch konnte nicht böse sein! Dazu sahen seine schönen Augen, die die Farbe von glühender Kohle hatten, viel zu sanft aus. Marcel schmunzelte, die letzten Tage seines Lebens waren wirklich mehr als nur Verrückt. Aber jetzt war es an der Zeit, die Notbremse zu ziehen. Sein Lächeln gefror in Sekundenschnelle, als Mephisto es bemerkte ändere sich auch sein Gesichtsausdruck. Irritiert schaute dieser zu Dylan. „Haben wir einen Fehler gemacht? Ich mag diesen Blick nicht, der sieht aus als hätte der Kleine das Reich der Vernunft verlassen.“ „Oh… ich denke, das meint er auch von uns.“ Dylan streckte besorgt einen Arm nach Marcel aus. „Geht es dir gut?“ Marcel drehte seinen Kopf zum Haus zurück. Ein einziger Schrei müsste genügen, um Jeremy raus zu locken. „Das ist nicht nötig…“, meine Mephisto prompt, und eine leise Drohung schwappte in seiner Stimme mit. „Was?“, fragte Marcel verwirrt, ohne auf den gefährlichen Klang einzugehen. „Du bist nicht in Gefahr. Es ist alles in Ordnung, kein Grund zur Panik“ Marcel spielte immer noch der Ahnungslose, und zog seine Augenbrauen nach oben. „Das weiß ich, aber ich bin etwas…“ Mit einer einfachen Kopfbewegung warf Mephisto seine dunklen Haare, die seine Sieht beeinträchtigten, nach hinten. „Du brauchst nicht Lügen, das steht dir nicht“ Marcel schob seine Unterlippe nach vorne und schaue ihn mit großen Augen, von unten her an. Darauf ist noch jeder hereingefallen. Aber nicht Mephisto, nein, er nicht. Alle vielleicht, doch dieser Dämon verspürte seine eigene Art von Zauber. Er hörte mit seiner gekünstelten Freundlichkeit auf, und starrte Marcel ernst an. „Wirkungslos…“, murmelte er kühl. „Der Niedlichkeitsbonus zieht bei mir nicht im Geringsten.“ „Okay.“, rief Dylan laut während er zwischen Mephisto und Marcel sprang. „Wir wollten doch alle auf dem Teppich bleiben, oder? Es ist so langsam an der Zeit in die Stadt zugehen, sonst haben die Geschäfte eher zu, als das wir im Wagen sitzen. Komm…“ Er hackte sich bei Mephisto unter und zog ihn zum Lamborghini. Zwei Sekunden später lief er zu Marcel zurück. „Na super.“, keuchte er vor Anstrengung, „Sorry, ich hätte dich vorher warnen sollen. Mephisto kann Gedankenlesen. Wenn du ein sorgloses Leben haben willst, würde ich ihn nicht mehr belügen. Das mag er gar nicht. Sag ihm beim nächsten Mal wenn du dich fürchtest, auch wenn es peinlich ist! Aber die Wahrheit ist bei weitem Ungefährlicher.“ „Dieser Rat kommt wirklich ein winziges bisschen Spät, aber trotzdem danke.“, zischte Marcel zurück, „Und was soll ich denn jetzt machen? Hasst er mich nun?“ „Nein, natürlich nicht. Vergiss eure kleine auseinandersetzten einfach. Das ist das Beste, was du tun kannst. Endlose Entschuldigungen und Begründungen machen Mephisto auch noch Aggressiv. Lass uns hinten einsteigen… Und denk daran: Keine Märchen erfinden!“ Das war ja mal ein toller Anfang für eine innige Freundschaft mit einem Dämon, dachte sich Marcel sarkastisch. Er hörte wie der Motor angelassen würde, und stieg rasch mit Dylan ein. Marcels erster Gedanken war: Perfekt. So teuer wie der Wagen von außen aussah, war er auch von innen eingerichtet: Schwarzes Leder, Panzerglas, neumodische Stereoanlage, summender Bordcomputer, viele Knöpfchen die blinken, riesen Boxen… All das Zeug, das sich stinkreiche Mafiabosse leisten konnten. Währenddessen drückte Mephisto einen Knopf am Armaturenbrett und das Radio schallte sich ein. Augenblicklich später drang eine rauchige Männerstimme, und harter, dazu passender Gitarrenbass aus den Hightech boxen. „Und du gehst also mit Dylan in die selbe Klasse?“, fragte Mephisto plötzlich. Mittlerweile klang seine Stimme wieder so freundlich und warm wie am Anfang. Dieser Kerl war wirklich ein Meister der Augenwischerei. Er könnte es mit der Schauspielerischen bahn versuchen, in einem Uraltentheater. Bis jetzt hatte Marcel noch keinen Menschen, oder vielmehr Dämon, kennengelernt der es so schnell schaffte, jemanden ins Gefühlchaos zu schützen. „Ja.“, sagte Marcel schlicht. Er war sich immer noch nicht sicher, ob der Dylans Begleitung nett oder beängstigen finden sollte, deshalb lief er sich zu ein paar Worten mehr herab. „Wir haben uns direkt angefreundet. Dylan ist sehr zuvorkommend“ – schleim, schleim, schleim - „Danke, dass sie mich mitnehmen.“ „Ich dachte, wir wären inzwischen beim >du< angelangt. So alt wie ich bin, sehe ich doch beim besten Willen nicht aus.“ antworte Mephisto keck und blickte per Rückspiegel in Marcels Gesicht. Er überging eine Antwort, und redete einfach weiter. Es war ein seltsames, aber doch recht freundliches Gespräch. Marcel einzige Aufgabe bestand darin das er zuhören, denn Mephisto quatschte anscheinenden für sein Leben gern. Sie redeten – er redete - über dies und das, Belanglosigkeiten einfach. Doch in alldem fand Marcel nicht die Antwort auf seine Frage, ob Mephisto jetzt das grausame Ungeheuer war, wie ihm sein Ruf vorhersage, oder nicht. Dylan jedenfalls, möchte Mephisto sehr gerne und ihm war es großzügiger erlaubt, mal einen Satz zusagen. Eine viertel Stunden später hielt der Lamborghini am Bordstein der großen Einkaufsstraße. Natürlich zog er die Blicke aller Passenden an, die mit offenen Mündern stehen blieben um den Wagen zu bewundern. „Geht schon mal ohne mich vor.“ sagte Mephisto. „Ich suche nur schnell einen geeigneten Platz für mein Baby…“ „Warst du hier schon mal?“, fragte Dylan, Marcel anblickend während er die Türe öffnete und ausstieg. „Manchmal.“, gestand Marcel, „Jeremys Lieblings Läden sind in der Nähe. Aber ich finde die sind alle zu teuer… ich meine, ich gebe doch keine 60 Euro für eine stinknormale Jeans aus.“ „Oho.“, meinte Dylan etwas verlegen. „Dann wärst du besser mit jemand anders Shoppen gegangen. Mephisto und ich sind in Sachen Geld-Angelegenheiten eher großzügig… bei unseren Ausflügen sind 500 Euro weg, wie nichts“ „Naja… was meinte Mephisto eigentlich mit einen >geeigneten Platz< für den Wagen suchen?“ „Er ist zwar kein Mensch, aber immer noch ein Mann. Und er liebt sein Auto über alles. Wahrscheinlich trägt er es hoch auf einen Wolkenkratzer, oder zu mindestens dahin, wo kein normal Sterblicher ran kommt“ Ein Auto. Ein Mann. Ein Dämon. Ein Luxusschlitten. Sie schlenderte bereits gemütlich über den Bürgersteig und warfen ein paar interessierte in die Schaufenster, als Mephisto die Jungs einholte. Unbemerkt schlich er sich von hinten an die beiden ran, und schnappte sich jeweils an einen Arm wo er sich unterhacken konnte. „Und wo geht’s zuerst hin?“ fragte er lächelnd, „Gucci, Vuitton, Armani oder doch lieber Hermés?“ „Wir sind nicht in New York – solche Läden gibt es hier nicht.“ sagte Dylan und grinste unschuldig, woraufhin Mephisto ihn fassungslos anstarrte. „Kein Armani…?“ „Nein.“ Was auch immer Mephisto jetzt tun könnte – er würde es nicht schaffen, ein Armani oder Vuitton Laden aus dem Boden zu stampfen. Also fügte er sich Zähneknirschend seinem Schicksal, und gab sich seiner trüber werdenden Gedanken hin. Mit seiner Shopping-Laune war es nun vorbei. Das heißt: Vorübergehend. Nach einer Weile betraten sie das erste Geschäft, ein kleiner gemütlicher Shop er viele, verschiedene Modeevents anbot. So schnell wie Dylan einen Haufen Klamotten zusammen gesucht hatte, konnte Marcel nicht mal blinzeln. Ohne Diskusionen wurde er daraufhin in eine Umkleidekabine gesteckt, und mit Hosen und Hemden bestückt. „Diese Sachen müssten dir eigentlich passen.“ sagte Dylan lächeln. „Wenn nicht, kannst dir immer noch andere holen. Ich warte solange hier draußen.“ Damit setzte er sich in einen Sessel und langte nach einer Modezeitschrift, die in seiner Nähe lag. Grinsend zog Marcel den Vorhang zu, und nahm ein weiß-rotes T-Shirt vom dem Haufen, um es näher zu betrachten. Auf den ersten Blick sah es gar nicht so übel aus. Im Gegenteil! Es war sogar ziemlich hübsch. Auf was für Ideen so ein alter Dämon noch kommen konnte, und das auch noch Zeitendsprechend. Dylan hatte es echt drauf, was Sachen Styling und Mode anging. „Bist du fertig?“ „Gleich!“ Schnell zog sich Marcel das T-Shirt an, zupfte etwas daran rum und hüpfte aus der Kabine. „Und? Wie sehe ich aus?“ „Hmm…“ Dylan betrachtete ihn kritisch. „Zieh doch mal das Violette an… das da (Er zeige auf Marcels Brust) macht deinen Teint so blass. Das ist vielleicht Gruselig.“ „Spinnst du? Das würde den Jungen doch noch blasser machen! Das Rote ist schon richtig.“ Wie per Knopfdruck tauchte Mephisto plötzlich neben dem nahe liegensten Kleiderständer auf; er sah nicht mehr so zerknirscht aus wie am Anfang, und die Andeutungen eines Lächelns umspielte seine schön geschwungen Lippen. Er drückte Marcel mit der rechten Hand in die Umkleidekabine zurück, und drückte ihn mit der Linken ein weiteres T-Shirt in die Hand. „Zieh das doch bitte an.“ schnurrte er verschwörerisch, „Dieses kleine, schwarze Ding, wirft dich direkt in ein ganz anders Licht. Darauf können wir zwei Wetten.“ Doch Marcel hätte eher ein Loch in Daimons Lieblingsjacke geschnitten, als mit Mephisto irgendeinen Deal einzugehen. Deshalb setzte er ein künstliches Lächeln auf, und zog ihm den Vorhang vor die Nase. Das schwarze T-Shirt war ein ganzes Stück enger als die Klamotten die Dylan ihm gegeben hatte. Oh weh… Er betrachtete sich Stirnrunzelnd im Spiegel: Wenn das nicht Ober Tuntig aussah, wollte er von nun an nicht mehr Marcel heißen. Ob er sich SO raus trauen konnte, die Haut in seinem Gesicht glühte vor Scham, oder würden die Leute im Laden ihn anglotzen wie ein missglücktes Alien? Marcel atmete zweimal betont ruhig aus, und verließ dann mit klopfenden Herzen den Geschützen Raum. Das Licht blendete ihn just in diesen Moment so stark, dass er nicht sah wie Dylan verlegen die Augenlider niederschlug. Die beiden Dämonen zeigten nicht direkt eine Reaktion. Was Marcel so nervös machte, dass er anfing auf seiner Unterlippe herum zu kauen. Vielleicht sollte er sich still und heimlich in die Kabine zurück schleichen, wer ja blöd sich hier als Witzfigur zu präsentieren. Er hatte sich grade umgedreht als eine warme Hand ihn bestimmend zurückhielt. „Wo willst du denn hin?“ Mephisto blickte grinsend auf ihn herab. „Das steht dir doch super gut. Du bist perfekt für solche Klamotten. Schau dir doch nur mal Dylan an; der arme Kerl ist schon so beschämt das er sich gar nicht mehr Traut, dich anzugucken. Oder Dylan?!“ Als Dylan das Gesagt bewusst wurde, war es wie ein Schlag ins Gesicht. Er lief zuerst Knallrot an, und dann kalk Grau. Aber Dylan sagte kein einziges Wort, er starrte Mephisto nur sehr ernst an. Frustriert zog Marcel sich daraufhin zurück, und zog sich wieder seine alten Klamotten an. Dieser Mephisto! Er nahm kein Blatt vor dem Mund und sagte gradewegs das, was er dachte. Irgendwie schüchterne er Marcel immer mehr ein. Er war noch nie besonders Schlagfertig gewesen. Im Gegensatz zu seinen großen Brüdern, war ein eher harmloses Mauerblümchen. Gegen solch einen Aggressiven Gegner konnte er wirklich nur verlieren… Marcel machte sich bereits darauf gefasst, dass der folgende Mittag nicht ganz so lustig wurde wie bisher. Öffentlich hatten Mephistos `Nettigkeiten` grade erst angefangen. Das wurde ihm deutlich bewusst, als sie zwei weitere Salons hinter sich gelassen hatten. Ob es nun die stille Verkäuferinnen oder die gaffenden Passanten waren; Alle bekamen ihr Fett ab. Und wenn mal jemand so mutig war auf Mephistos Sticheleien einzugehen, dann zeigte der Dämon in ihm seine wahre Natur. Der eiskalte, arrogante Schönling der Marcel im vorbei gehen in den Hinter zwickte, bekam sogar eine von ihm geschmiert. Der Lüstling lag bestimmt grade mit einem Schädelbasisbruch in der Klink, während eine Schwester seinen Kopf verbannt. Dylan hatte unterdessen nicht mehr mit ihnen gesprochen. Stur starrte er auf seine Schuhspitzen und lief mit abwesendem Gesicht über die Straße. Dieser Zustand beruhigte Marcel enorm. Er hatte diese Maske vor nicht allzu langer Zeit schon mal gesehen. Aber darüber durfte er nicht grübeln; er lenkte sich damit ab indem Kaugummis auf den Boden zählte. Ein eher schwächlicher versucht, um sich vor Mephistos Kräfte und Fähigkeiten zu schützen. Schwach, doch wirksam. Anscheinen bemerkte Mephisto das Gefühlschaos in Marcels Herzen nicht. Der große, sportliche Mann mit der gebräunten Haut schaute viel lieber in die Schaufenster der Geschäfte. Eine Zeit lang beobachtet ihn Marcel aus dem Augenwinkel heraus. Wenn er es nicht besser wüsste, dann hätte er Mephisto für ein redegewandtes, attraktives und leicht verrücktes Model gehalten, das immer zu in seiner eigenen, chaotischen Welt lebte. Ein Paradiesvogel der sich zum Frühstück vier Päckchen Speed auf einmal reingezogen hatte. „Was ziehst du denn so ein besorgest Gesicht, Marcel? Stimmt etwas nicht?“ Mephisto suchte Marcels Blick. Die Fragezeichen konnte man sich fast wortwörtlich in seinen Augen vorstellen. Sag ihm, was Sache ist! Rief eine laute Stimme in Marcels Gedächtnis, die alles andere Überdröhnte. „Dylan…“, murmelte er mit unbeweglichen Lippen. „Was ist mit ihm?“, fragte Mephisto in seiner normalen Tonlage. „Ich glaube, du hast ihn vorhin verletzt. Hast du nicht gesehen, das er schon die ganze Zeit am schmollen ist? Er kann einen schon richtig leidtun.“ Ungläubig schüttelte Mephisto den Kopf das seine dunklen Haarsträhnen nur so umher flogen. Dann trat er so energisch aus, dass er Dylan rasch einholte, der inzwischen 4 oder 5 Meter von ihnen entfernt ging. „Was ist!?“, hörte Marcel Dylan giftig zischen. „Bist du etwa Angefressen?“ In Mephistos Stimme schwappte deutlich eine leise Spur Hohn mit. „Nein, und jetzt lass mich zufrieden – ich habe Kopfschmerzen!“ Von der einen auf die andere Sekunde veränderte sich die Lage, und Mephisto zeigte so etwas wie Reue. Er schaute mit einem Dackelblick auf seinen Schützling hinunter, und hob die Hand die er anschließend auf seinen Kopf legte. Mehr als einen herablassenden Seitenblick, gepaart mit dem skeptischen Hochziehen einer Augenbraue bekam er von Dylan jedoch nicht. „Ich kenn deine Tricks alle.“ sagte der Jüngere kühl. „Bei mir musst du schon zu anderen Maßnahmen greifen.“ „Was soll ich denn deiner Meinung nachtun? Auf der Knien vor der her rutschen, und um vergeben betteln?“ „Das wäre mal ein interessanter Vorschlag.“ „Jetzt bleib mal auf den Teppich Junge. Überleg mal, mit wem du hier grade sprichst.“ Plötzlich sah Mephisto Dylan finster und abweisend ins Gesicht. „Vergiss nie mit wem du es zutun hast…“ Verwirrt blickte Marcel zu den Streitenden hinüber. Oh-ho. Obwohl Mephisto völlig ruhig gesprochen hatte, könnte er trotzdem eine ernstgemeinte Warnung in seiner Stimme heraushören. Marcel trat einige Schritte näher heran, um nichts von dem Gespräch zu verpassen. „Bleib bitte eben stehen.“ In diesen Moment funkelte Dylan Marcel böse an, aber das sah dieser nicht. Oder er ignorierte es. Nichtsdestotrotz war Marcel sich sehr wohl bewusste, in ein Fettnäpfchen zu tappen. Doch der Drang, Dylan beschützen zu wollen, war um das Hundertfache stärker. Auch wenn er nicht die leiseste Ahnung hatte, WIE er ihn bestehen konnte. „Wie wäre es, wenn wir hier einen Schnitt machen und jeder alleine weiter geht?“, sagte Mephisto bestimmend, ehe er einen Blick zu den Geschäften auf der gegenüberlegenden Straßenseite machte. Dylan sagte grollend „Von mir aus…“ und lief vor Wut rot an. „Wir treffen uns denn in 3 Stunden an der Kirche, ist das ok?“ Der Albino musste sich anstrengen ruhig zu bleiben, und versteckte seine bebenden Hände in den Hosentaschen. Marcel nickte. Als Mephisto die Straßenseite wechselte und endlich außer Hörweite war, atmete Dylan Erleichert aus. „Tut mir leid.“ sagte er leiser als nötig, „Manchmal geht mir seine überhebliche Art so auf den Wecker, das ich eine unsichtbare Grenze überschreite. Dann zieht er andere Seiten auf, selbst gegenüber mir. Dagegen kann ich mich nicht mal wehren, und ich muss mich einfach fügen.“ „Das kann ich nur allzu gut verstehen.“ meinte Marcel leicht fröstelnd. „Ich bin sicher wenn Mephisto sauer ist, das dann alle Lebewesen im Umkreis von 100 Metern das Weite suchen.“ Alles im einem traf diese erklären so ziemlich ins Schwarz. Anscheinend war Dylan ein wenig aus der Bahn geworfen aufgrund der raschen und punktgenauen Feststellung. „Sollen wir uns eine Weile hinsetzten, Dylan?“ fragte Marcel seinen Freund vorsichtig, „Du bist jetzt sicher aufgewühlt. Schon den ganzen Tag wirkst du sehr angespannt. Was ist los mit dir?“ „Ach was, mir geht es gut. Ich bin schon schlimmeres gewohnt als solch eine Standpauke.“ Dylan verzog seine vollen, blassen Lippen zu einem nicht sehr überzeugenden Lächeln. „Jetzt sei doch mal vernünftig! Du hast mir zuhört, als ich Probleme zuhause hatte und dasselbe will ich nun für dich tun. Ich weiß ganz genau, dass du reden möchtest. Gib mir doch eine Chance.“ „Nein!“ zischte Dylan. Marcel war sichtlich irritiert als er in Dylans erstarrtes Gesicht sah. „Wa… Warum denn nicht?“, stammelte er fieberhaft und suchte nach den richtigen Worten. „Du hast mir doch auch dein Geheimnis anvertraut, warum willst du denn jetzt nicht mit mir sprechen?“ Noch nie zuvor hatte er ein solches Loch ins Herz gebrannt bekommen. Inzwischen konnte er Dylan wirklich gut leiden, und er hatte das Gefühl, das sein empfinden erwidert wurde. Oder vielleicht doch nicht, und Dylans Zuneigung existierte gar nicht? Nein ganz sicher nicht, dachte Marcel stur, Dylan hat schon so viel für mich getan; er mag mich auch. Er muss mich mögen. Wir sind Freunde! Verzweifelt versuchte er ruhig und gelassen zu bleiben. Hilfe – jetzt bloß nicht anfangen zu heulen! Das wäre megapeinlich. Schon die blanke Vorstellung daran färbte sein Gesicht rot. „Weil es halt nicht geht!“, stieß Dylan wütend hervor und starrte grimmig auf Marcel hinab. Der Abstand zwischen ihnen betrug in etwa 13 cm. „Okay, dann eben nicht. Ich wollte ja nur helfen.“ Das Leuchten in Marcels Augen verschwand, schmollend zog er den Mundwinkel unten. So etwas Dummes! Warum wollte Dylan sich nie helfen lassen? Was bezweckte denn diese elende Machogehabe? „Warte mal.“ rief Dylan hinter ihm her. Schlagartig sprang er nach vorne und packte Marcels Handgelenk. Dieser wollte allerdings nur noch weg, und begann sich gegen Dylan zu wehren. Doch er hatte nicht den Hauch einer Chance. „Was ist denn jetzt noch!?“ Rauchen vor Zorn wirbelte Marcel herum, und stutze augenblicklich. Auf einmal sah Dylan verändert aus; er wirkte gebrechlich und verletzlich. Vom dem Grimmige Ausdruck im seinem Gesicht war nichts mehr zu erkennen. „Es tut mir leid.“ sagte er reuevoll, „Ich bin etwas zerrüttet. Eigentlich sollte ich ja froh sein das du dir Zeit für mich nehmen möchtest, stattdessen fauche ich dich hier an…. Das ist sehr taktvoll von dir. Danke Marcel.“ Einen Moment schauten sie sich schweigend an. Dylan fühlte sich nicht wohl in seiner Haut; Auge um Auge standen sich beide gegenüber. Wie die Aufgehende Sonne einen dunklen Ort erhellte, ließ ein zucken der Mundwinkel Marcels Gesicht strahlen. „Okay, deine Entschuldigung nehm ich an“. „Danke Kleiner.“ Endlich kehrte der Schatten von Dylans altem Lächeln zurück. Liebevoll strich er mit der recht Hand durch Marcels Haar. „Wir sind ganz in der Nähe vom Stadtpark. Wollen wir uns nicht da auf eine Bank hinsitzen? Dort ist es viel schöner, als hier…“ Butterweich lösten sich alle Zweifel von Marcels Verstand. Wie Alban zu denken Dylan würde ihn nicht gern haben! Als Dylan dann auch noch einen Arm um seine Schulter legte, umschloss er wie selbstverständlich Dylans Hüfte. Wie groß er doch inzwischen geworden war… Bildete er das nur ein, oder war Dylan seit gestern Abend tatsächlich gewachsen? „Bist du größer geworden?“ fragte er prompt. „Wie bitte?“ „Du bist gewachsen! Gestern warst du nur einen Kopf größer als ich, und heute… heute bist du fast 2 Köpfe größer! Mmm, nicht ganz; Aber einen halben mindestens“ Dylan wirkte ein wenig durcheinander. So hatte Marcel ihn bis jetzt noch nie erlebt. „Wie…“ stotterte er. „Wie hast du das bemerkt? Das waren doch nur 4 Zentimeter… oder nicht? Aber Mephisto macht keine Fehler, er ist sicherer als ein Narkosearzt. Das dann doch nicht wahr sein!“ „Hey! Ganz ruhig! Ich habe zwar keine Ahnung wovon du sprichst, aber dreh nicht durch. Es ist alles in Ordnung. Jungs machen in der Pubertät nun mal einen Schuss in die Höhe. Bei manchen früher, bei andern später.“ Allmählich wurde Dylan stiller. Die Worte zeigten ihre Wirkung, er atme einmal tief ein und lange aus. Die goldenen Katzenaugen schlossen sich. Dabei zeichneten sich seine Bauchmuskeln deutlich unter dem Shirt ab. Auch wenn es durchgeht schwarz war, konnte Marcel die Waschbrettartigen kurven genauestens erkennen. Was für ein Körper! Diese Kraft, diese Dynamik.! Er musste schwer Schlucken. Warum hatte Gott ihm selbst nur so einen Weiberkörper geschenkt? Wie gerne würde er jetzt seine Hand ausstrecken und diesen Bauch berühren, er wollte prüfen, ob er genau so harten war wie er aussahen. Doch wie würde das auf einen Fremden wirken? Dylan war ein Junge - und er auch! Der würde das sicher nicht lustig finden, wenn Marcel ihn aus reiner neugierte an grabschte. Auch wenn sie Freunde waren, und gut mit einander auskamen erteilte das einem noch längst nicht Erlaubnis den andern zu befummeln. Ich habe doch einen Knall! Niedergeschlagen verlangsamte Marcel seine Schritte und schlich mit hängenden Kopf über den Asphalt. Was war denn in seinem Kopf kaputt? Weshalb wollte er Dylan unbedingt anfassen? Und warum raste sein Herz so verdammt schnell, nur weil sie Arm im Arm durch die Straße liefen? „Marcel?“ „…“ „Träumst du – Marcel?“ „Hä? Ich meine, was hast du gesagt?“ Unfähig Dylan in die Augen zuschauen, bemühte sich Marcel verzweifelt locker zu klingen. „Warum ziehst du so ein Deprimiertes Gesicht? Hast du wieder krach zuhause?“, fragte Dylan besorgt. Er griff nach Marcels Kinn, drehte es zu sich und zwang ihn so, ihm in die Augen zuschauen „Nein… das ist es nicht…“ „Mephisto? Macht er dir Angst?“ „…Nein… Ich…“ Es zerriss ihm beinah das Herz in Dylans Gesicht zu blicken. Noch immer umklammerte dessen Finger sein Gesicht und die Stelle wo sich ihre Haut berührte, loderte mittlerweile wie Feuer. Sie waren sich definitiv zu nah. Gefährlich Nah. „Ich Habs kapiert – Es liegt nicht an Mephisto, es liegt nicht an deinen Brüdern, es ist einfach das du…“ Marcel unterbrach ihn Kopfschüttelnd, das Blut gefror in seinen Adern zu Eis. „So ist es nicht, ich bin nicht schwu - “ „Das du doch Angst vor mir hast…“ beendete Dylan seinen Satz mit einem sehr melancholischen Tonfall. Aus Marcel Gesicht war sämtliche Farbe gewichen. Das, hatte er nicht erwartet. Die Tatsache das Dylan tatsächlich glaubte, dass er sich noch immer vor ihm fürchtete versetzte Marcels Herzen einen Stich. Wenn er wirklich so dachte, könnten Dylan sich irgendwann von ihm zurückziehen… Das würde er garantiert nicht verkraften. „Da liegst du falsch!“, rief Marcel und presste sich zum Beweis an Dylans Seite. „Ich habe dir doch gesagt dass ich dich so akzeptiere wie du bist, und daran hat sich derweilen nichts geändert! Du verschreckst mich ganz sicher nicht mit deinem Wesen. Schließlich kannst du nichts dafür, dass du ein Dämon bist.“ „Und warum bist dann so komisch zu mir?“ „Ich…“ „Ja?“ Wie sollte er es ihm nur sagen, ohne das Dylan die Falschen Schlüsse daraus zog? Er fand ihn einfach nur wahnsinnig nett, das war alles, mehr wollte er gar nicht sagen. „Schon gut“ sagte Marcel, „Es ist alles gut so, wie es ist. Schau mal, da vorne ist eine Bank. Wow, ich habe nicht einmal bemerkt das wir schon im Park sind. Das ging schnell.“ Bisher war er blind mit Dylan gegangen, jetzt aber nahm Marcel seine Umgebung deutlich wahr. Dies hier war zweifelsfrei derselbe Park von gestern Abend. Sie gingen zu der leicht verwitterten Bank und ließen sich auf ihr nieder. „Okay“ sagte Dylan schließlich. „Ich habe dir eh schon mein halbes Leben erzählt, also wird das dich auch nicht aus den Pantoffeln hauen. Im Gegensatz zu andern Dämonen und Menschen, kann ich über meinen Körper bestimmen. Wenn ich mich heute dazu entschließe zum Beispiel grüne Augen zu haben, werden sie morgen so aussehen. Dasselbe Schema betrifft den Rest von mir. Ich habe gestern beschlossen ein paar Zentimeter zuwachsen, da das jedoch ein weitaus mächtiger Zauber ist, hat Mephisto mir geholfen. Anscheinen ist dabei etwas schief gegangen, und ich bin größer geworden als beabsichtigt.“ „Du glücklicher“ murmelte Marcel Zähneknirschend. „Ich wäre gerne ein Stück größer. Guck mich doch mal an: ich ein Strich in der Landschaft, jeder Windstoß pustet mich um…“ Dylan seufzte schwer. „Ach Marcel, dieses Thema hatten wir schon mal. Du bist erst 14 Jahre, und noch im Wachstum. Außerdem hast du selbst erst eben gesagt, dass manche früher wachsen, andere später. Dann gehörst du halt den denen, die länger brauchen. Na und? Das ist doch kein Problem.“ „Da magst du recht haben, aber im Vergleich zu meinen Brüdern bin ich ein Winzling. Selbst Kim der eher zierlich und schmal ist, war mit 14 Jahren schon über 172 groß. Da wird sich bei mir nicht mehr viel tun! Ich bleibe eine Bohnenstange.“ Als Marcel sah wie skeptisch Dylan ihn anschaute, verstummte er prompt. „Ich mag es nicht, wenn du so schlecht über dich selber sprichst“ Tatsächlich meinte Dylan es so, wie er es grade gesagt hatte, sein erstens Gesicht ließ keinen Zweifel daran zu. Um kein Öl ins Feuer zu gießen, zog es Marcel vor nicht weiter über diese Sache zusprechen. Der Tag war schließlich noch lang, und Dylan deutlich im Vorteil. Es blieb eine Weile ruhig. So still, dass es Marcel bald unangenehm auf die Ohren drückte. „Sag doch bitte etwas!“, bat er kläglich. „Es gibt da etwas, was mich schon die ganze Zeit beschäftigt. Wenn du von deinen Brüdern sprichst, redest du ausschließlich von Jeremy. Von den andern Beiden habe ich so gut wie nie was gehört.“ „Das liegt daran, dass wir uns nicht grade mögen. Kim kann ja ganz nett sein, aber Daimon… Daimon ist einfach nur abartig. Er hat was gegen mich, und wenn ich nicht aufpasse macht er mich eines Tages einen Kopf kürzer. Was Stärke, Größe und Gewicht betrifft kann ich es nicht mit ihm aufnehmen. Ich mag ihn zwar auch nicht wirklich, aber ich verhalte mich nicht aggressiv gegenüber Daimon. Im Gegensatz zu ihm. Tagtäglich triezt er mich…“ Langsam streckte Dylan seine Finger aus und streichelte tröstend Marcels Hand. Er lächelte den Kleinen mitfühlend an. Dieser lächelte tapfer zurück; kaum hatten sich ihre Blicke getroffen entspannten sich seine Schultern automatisch. „Hast du schon mal versucht mit ihm zu reden?“, fragte Dylan ruhig. „Es muss doch irgendetwas geben das euch zusammen bringen. Etwas, das ihr beiden mögt. Ihr seid doch Brüder, du weißt was er gerne hat. Vielleicht sollst du einfach mal auf Daimon zu gehen, und schauen wie er reagiert. Es kann ja kann sein das ich doch nicht so unterschiedlich seid, wie du bisher dachtest.“ Marcel runzelte die Stirn und sah ihn missbillig an. „Dylan, ich habe dir grade gesagt das er mich Tod schlägt, wenn ich ihm nicht aus den Weg gehe. Und dann soll ich mich Freitagsabends mit ihm ins Wohnzimmer kuscheln, und einen Komödie schauen während wir gemütlich Kartoffelchips knabbern? Das könntest du mit jeden andern Bruder auf der Welt machen, aber ganz sicher nicht mit Daimon.“ „Na gut.“ murmelte Dylan. Er wollte Marcel besänftigen, damit er wieder fröhlich wurde. „Das legt sich bald von alleine. Du wirst schon sehen. Dein Bruder ist noch jung, und in machen Sachen stur wie ein Esel. Irgendwann geht diese Zeit vorbei.“ Marcel konnte sich nicht vorstellen dass dies jemals eintreffen würde. Jung hin, Jung her. Aggressivität war ein Charakterzug, und keine Phase die mit der Zeit verging. Der Mittag schien es plötzlich ziemlich eilig zuhaben und brach in Größen Stücken voneinander ab. Alles verging viel schneller. Irgendwann streckte Dylan seine schläfrig geworden Glieder und erhob sich von der Bank. Sie gingen zur Kirche wo Mephisto bereits auf sie wartete. Zwei große Tragetaschen hielt er in den Händen, und ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Er hatte den Lamborghini bereits in der Nähe geparkt, so dass sie gar nicht weit laufen mussten. Als Marcel gewohnheitsbedingt auf sein Handy schaute, fand er eine Kurzmittelung im Posteingang vor. Hi Brüderchen, wunder dich nicht wenn keiner zuhause ist; Ich bin Kim in die Stadt gefahren. Du brauchst nicht auf uns zu warten, wir kommen erst Spät zurück. (Er braucht neue Klamotten) Falls du nicht pünktlich im Bett liegst, rufe ich Daimon an. ♥ Jeremy Hilfe – war das nicht heftigste Ironie des Schicksals? Erst vor wenigen Minuten hatte er sich unschön über Daimon geäußert, und wenige Augenblicke später sollte er mehr als 4 Stunden mit ihm unter einem Dach verbringen? Das war reine Sabotage! Diese Bestrafung war schmerzhaft, aber Tatsache. Marcel begann sich unbehaglich zu fühlen. Er wollte nicht nach Hause zurück, und mit Daimon alleine in einem Haus sein. Er hatte in letzter Zeit ziemlich fies über seinen großen Bruder hergezogen. Aus unerklärlichen Gründen bekam der deswegen fast ein schlechtes Gewissen. Sicherlich war Daimon auch nicht grade ein Unschuldslamm aber er hatte wenigstens die Kraft, und die Technik sich in heiklen Situationen zu verteidigen. Wer dennoch so einfältig war und sich mit einem Karatemeister anlegte, der bemerkte spätestens beim ersten Faustschlag seinerseits dass etwas gehörig schief lief. So wie einer von diesen Typen wollte Marcel mit Sicherheit nicht enden. Die >harmlose< Kostprobe eines vergangen morgens im Bad reichte ihm voll und ganz. Während Marcel so vor sich her träumte lenkte Mephisto den Wagen in einen Wald hinein und wieder heraus, der dämmerte Horizont wirkte gruselig. Und beunruhigend. „Sollen wir dich Montagmorgen abholen, Marcel?“ Eine Sekunden war Marcel wie erstarrt, zögerlich drehte sein Gesicht in zu Dylans Richtung. Vor lauter deprimierenden Grübeleien hatte er vergessen wo er eigentlich war. „Das würdet ihr wirklich machen? Danke schön.“ Seine Stimme klang rauer als sonst. Etwas später kam der Lamborghini schnurrend zu stehen. Unschlüssig schaute Marcel zu ihrem Haus empor, das von beiden Seiten mit dichten, dunklen Nadelholz umwuchert wurde. Er hatte Panik. Aus diesem Auto wollte er nicht raus. In diesem Haus wartete das schlimmste auf ihm. Das aller schlimmste. „Gute Nacht, Kleiner. Ich bin Montag so gegen viertel vor Acht da.“ sagte Mephisto und lächelte Marcel per Rückspiegel gutmütig an. In Marcels Ohren klang das mehr nach seinem Todesurteil. Zitterend stieg er aus, und schon alleine vom eisigen Windhauch bekam er eine Gänsehaut am ganzen Körper. Jetzt reg dich nicht auf und bleib locker, befahl er widerwillig seinem krampfenden Magen. Der Adrenalinspiegel in seinem Blut stieg. Nur noch 8 Schritte bis zur Haustüre. Er redete sich ein, das er keine Angst haben zu brauchte. Das Schlimmste was passierte konnte, wäre sein Tod. Keinen Grund sich aufzuregen! Solange es Daimon schnell und schmerzlos machte, war es kein Problem… Doch so recht wollte sich Marcels Verstand mit diesen Gedanken nicht anfreunden. Als ob Daimon so etwas wie Mitleid besitzen würde! Zögerlich schloss Marcel die Türe auf und betrat den Hausflur. Auf den ersten Blick wirkte alles ganz freundlich, wenn auch Stockfinster. Keine Handgranate, keine Messer, keine Peitschen ja noch nicht mal einen Elektroschocker! Marcel ging in die Küche und genehmigte sich eine Kirschjogurt. Er wollte das zu Bett gehen solange wie möglich hinaus zögern, und schaute unterdessen im Wohnzimmer einen Actionfilm auf Fox. Um halb Zehn ging er die Treppe hoch um sich im Bad Nachtfertig zumachen. 15 min später schloss er seine Zimmertüre ab –der Film gehörte zu der heftigeren Sorte- nur für den Fall der Fälle. Sobald er seine Schultasche für den übernächsten Morgen gepackt hatte, durchwühlte er seine Hosentaschen, bis er einen metallicblauen MP3-player fand. Er drückte auf >Start< und ließ sich auf sein Bett fallen. Dazu schloss er die Augen und zog schon mal die Bettdecke hoch. Im stillem fragte er sich warum Dylan ihn Montag abholte – an der Wahrheit seines Versprechens zweifelte er nicht, aber wieso auf einmal all der Luxus? Sie kannten sich erst ein paar Tage, und doch hatte Marcel das Gefühl dass Dylan ihn unheimlich mochte… Alleine schon die Art und Weise wie er redete, dass er sich immer für ihn einsetzte, und dass er so fürsorglich mit ihm umging. Marcel atmete lange aus und vertiefte sich in den Gitarrenbass und Screameinlagen von Escape the Fate. Irgendwann – um zwei Uhr - rutschten seine Hand über die Bettkante und der MP3-player landete scheppernd auf den Laminatboden. Mit einen mal saß er Kerzengrade da. Die Lampe auf den Nachttisch brannte noch immer. Schlaftrunken langte Marcel nach dem Gerät auf den Boden und warf es etwas unsanft auf seine Schultasche. Seufzend schallte er noch die Lampe aus und drehte sich dann auf den Bauch um weiter zu schlafen. Aber irgendwie funktionierte das nicht mehr. Er war hellwach und so ausgeruht wie nie zuvor. Doch er hatte erst knappe 3 Stunden geschlafen, eigentlich müsste er sofort wieder ins Land der Träume hin abgleiten. Nach einer halben, schlaflosen stunden gab er es auf, und schwang seine langen Beine aus dem Bett. Wenn er schon nicht schlafen konnte, wollte er wenigstens etwas nützlich machen. So nahm er sein Schulbuch zur Hand, setzte sich an den Schreibtisch und begann von der Seite weiter zu lesen wo sie auf dem Gymnasium zuletzt aufgehört hatten. Doch so Ruhig blieb es nicht lange Zeit. Plötzlich drang mittellaute Musik in seinen Gehörkanal, und das letzte bisschen Schläfrigkeit verabschiedete sich. Es dauerte etwa schätzungsweise 8 Sekunden – und dann war es wieder so Leichenstill wie vor 10 Minuten. Verwirrte starrte Marcel hoch zur Decke. Die Musik kam zweifelsfrei von Oben, der dritten, eher unbewohnten Etage. Zuerst wollte er es einfach vergessen und weiter lesen – oder versuchen wieder einzuschlafen – aber die neugierte, die ihm Trieb nach oben zu gehen, war schließlich stärker. Leise verließ er sein Zimmer und späte von dort aus runter in den Hausflur: Am Hacken hing nur ein einzelner, funkelnder Schlüsselbund. Und das war sein eigener. Demnach zu Urteilen waren Jeremy und Kim noch immer unterwegs. Wie schwer konnte es denn sein ein neues Paar Klamotten zu kaufen? Das war ihm ein wirkliches Rätsel. Als er die Treppe zur dritten Etage hochstieg, verhielt er sich ungewöhnlich leise. Das lang daran, dass er es dort Oben ein wenig gruselig fand. Zwar gab es dort nichts wovor man sich fürchten musste, doch Marcel hatte immer ein ungutes Gefühl wenn er diese Treppe empor stieg. Sooft er sich auch einredete ruhig zu sein, blieb der Instinkt zur Flucht stark erhalten. In der dritten Etage gab es nur 6 Räume; eine Wäschekammer, einen Abstellraum, zwei Gästezimmer, ein provisorisches Wohnzimmer und den wirklich gut eingerichteten Fitnessraum von Jeremy und Daimon. Ganz langsam setzte Marcel einen Fuß vor den andern, und als er am Fitnessraum vorbei schlich hörte er wieder diese Musik. Es war erstaunlich ruhige, entspannte Musik. Hin und wieder setzte dynamisches Trommelgewirbel ein, aber nur für eine kurze Dauer, dann wurde es wieder leiser in der Klangwelle. Es dauerte nervenaufreibend lange bis Marcel es wagte die Türe zu öffnen. Oder vielmehr den Hebel runter zudrücken, und einen Blick in den Raum zu werfen. Zwischen den verschiedenen Fitnessgeräten, Gewichten und Matten erhob sich eine Kreisrunde und kahle Fläche. Und in der Mitte stand Daimon. Er trug eine weite, schwarze Hose und ein Chinesisch wirkendes Oberteil. Es besaß keine Ärmel, und war aus mattblauem Stoff mit einem Hauch von Lila gefertigt. Obwohl es weit geschnitten war, füllten Daimons kräftiger Rücken und seine breiten Schultern es komplett aus. Während Marcel ihn betrachtete führte er zahlreiche Aufwärmübungen aus. Seine Bewegungen waren schnell, stark doch leider Aggressiv. Da Daimon den Rücken zur Türe gedrehte hatte, bemerkte er seinen Nächtlichen Beobachter nicht. Er verlagerte seine Gewicht nach vorne und ging in den Kopfstand über, seine Beine hob er langsam an und streckte sie der Decke entgegen. Marcel starrte ihn wie gebannt an und beobachtete das Spiel der Muskulatur, während Daimon ruhig die Sekunden zählte. Der Kopfstand schien ihn überhaupt keine Mühe zubereiten! Es war wirklich beeindruckten was sein Bruder da trieb, und das alles so spät am Abend. Strecken, Bücken, Sit-ups, Kniebeugen, Liegestütze, Dehnen, das volle Programm. Er hat einen bemerkenswerter Körper, dachte Marcel. Seine Taille war schmal wie die eines Mädchens, dagegen sein Bauchdecke geriffelt und eisenhart. Wie Marmor. Kaum zu glauben das er noch vor wenigen Monaten den denselben, schlaksigen Körper besaß wie sein Zwilling. Dann begann Daimon mit seinen eigentlichen Übungen und ging in eine Kriegerfigur über. Schläge, so schnell und hart das man sie gar nicht sah, kraftvolle Sprünge und Tritte, die aus dem Nichts zukommen schienen. Von dieser Show war Marcel überwältig, er bewunderte Daimon aufgrund seines Märchenhaften Körpers, den er so gut kontrollierte. Dafür würde jeder Sportler seine Seele verkaufen. Als Daimon sich langsam auf den Boden gleiten ließ (nach einem Sprungkick) machte er sofort mit Liegestützen weiter. Er balancierte seine Körper nicht auf der flachen Hand, sondern auf den Fingerspitzen. N ach zehn weiteren Übungen ging sein Atem fast normal, als hätte er sich nicht sonderlich angestrengt, das war wohl das Ende seines Trainingsprogramms. Marcel wollte ihn nicht stören und sich in sein Zimmer zurück schleichen. Jemand wie Daimon nahm seinen Sport sehr ernst, vom Aufwärmen bis zur Abkühlphase. Er hatte fast die Treppe erreicht, doch plötzlich – „Wenn du mir schon 5 min Löcher in den Rücken starrst, kannst du auch rein kommen!“ Zu seiner Überraschung stand Daimon mit einem Handtuch im Türrahmen und trockene grade seine Rotemähne. Völlig verdutzt, wie gelähmt blieb Marcel stehen. In dieser Situation traute er sich nicht sich umzudrehen. Er befürchtete, das Daimon ihm ein paar gepfefferte Schellen verpasste. Allerdings sah Daimon ihn nur abschätzend an; „Solltest du nicht schon längst im Bett liegen? Es ist schon weit nach Mittnacht, morgen bist du Kaputt.“ „Ja eigentlich sollte ich das – aber da habe ich plötzliche deine Musik gehört und bin hoch gekommen.“ Da er sich an Dylans Worte erinnerte, lief er sich zu ein paar mehr Worten herab. „Entschuldige wenn ich dich gestört habe, aber das sah echt gut aus. So etwas könnte ich nie im Leben.“ „Danke für das Kompliment. Da steckt auch eine Menge, harte Arbeit hinter.“, bestätigte Daimon und ließ die Schulterblätter kreisen. Er fühlte sich bestens und wusste, wie sein Body auf andere wirke – unabhängig vom Geschlecht. „Also, was ist nun? Kommst du noch mit rein oder gehst du zurück ins Bett? Ach ja, ich habe vorhin eine SMS von Jeremy bekommen. Jetzt hat er den Jeep komplett geschrotet. Total Schaden. Sie verbringen diese Nacht in einem Hotel in Thirsk. Anscheinen, ist unser großer Bruder Fuchsteufelswild – sein geliebtes Auto wird in diesem Augenblick wahrscheinlich zur´ Sardinenbuge gepresst.“ Als Daimon den Mund zu einem schiefen lächeln verzog, sah er für Marcel im ersten Moment aus wie der besagte große Bruder. Dieselben Augen, die gleiche Mimik. Es war beängstigend wie ähnlich sie sich sahen. Nie im Leben hätte es Marcel für möglich gehalten ein normales Gespräch mit Daimon zuführen. Deshalb lehnte er seine Einladung auch nicht ab. Insgeheim hoffte er natürlich, noch mehr Sportlicheaktivität zu erblicken. Der Fitnessraum war in etwa so groß wie Marcels Zimmer. Sehr groß und sehr hell. Grade holte Daimon zwei Boxsäcke von der Deckenhalterung und legte sie auf den Boden. Sie dienten in diesem Fall als Sitzgelegenheit. „Ich denke das Kampfsport auch etwas für dich sein könnte.“ meinte Daimon ruhig und wies Marcel mit einer Handbewegung an sich zu setzten. „Du bist zwar schmächtig und klein, aber das macht den Überraschungseffekt noch größer. Was meinst du die Leute gucken würden, wenn du so einem Schläger oder Säufer eins aufs Fressbrett gibst? Denen würden garantiert die Augen aus den Kopf fallen!“. Er grinste in sich hinein. „Ich stell´s mir grade vor. Und am besten knüpfst du dir direkt Felix vor. Die Drecksmade hat´s eindeutig verdient. Wenn Dummheit klein wäre, könnte der unterm Teppich Fallschirmspringen.“ „Ich soll den Kerl aufs Kreuz legen?“ Jetzt schaute Marcel Daimon argwöhnisch an. War das hier ein Spiel? „Will soll ich das denn machen? Ich kann kein Karate, oder so einen Kram…“ „Dafür bin ich ja da. Wenn du möchtest, Unterrichte ich dich. Aber pass auf, du kriegst nicht den Kleinen-Bruder-Bonus! Du wirst genau so schuften müssen wie meine restlichen Jungs. Heut zu Tage Herrchen raue Sitten auf den Straßen der Zukunft. Hier passt die Redewendung; Fressen, oder gefressen werden, wie die Faust aus Auge. Entweder du kämpfst mit vollem Einsatz für deine Ziele, oder du gehst jämmerlich in der Masse unter, Marcel. “ Daimon sagte das so ernst und so selbstsicher, das man ihm einfach glauben musste. Die glasklare Sicherheit die in seiner Stimme mit schwappte, hätte jedes Menschliche Wesen überzeugt. Marcel nickte mit trocknen Hals. Unter Privatstunden verstand er was anders… „Wir fangen am besten direkt Morgen Nachmittag an. Da habe ich erst Zeit. Sagen wir so um 16 Uhr?“ „Ich weiß nicht… Ich kann zwar gut laufen und mich bewegen. Aber ich bin zu schwach für Karate.“ Neben dir wirke ich wie eine hochbeinige Elfe, dachte Marcel. Eine Weile betrachtete Daimon ihn mit hochgezogenen Augenbrauen; „ Manchmal frage ich mich echt von wem du dieses Selbstbewusstsein geerbt hast. Ähm HALLO!? Letztens in der Cafeteria, da hast du dich auch mit Felix angelegt, und nicht feige den Schwanz eingezogen. Was ist plötzlich los mit dir? Du bist doch nicht auf den Mund gefallen, oder bescheuert. Jetzt hast du endlich die Gelegenheit all die Penner von unserer Schule in den Boden zu rammen. Und ich kann dir bei bringen wie du das machst! Vertrau mir.“ Marcel war verwirrt. Warum verhielt sich Daimon auf einmal so freundlich? Vorwenigen Stunden hatte es so ausgesehen, ob er ihn am liebsten erschlagen wolle. Vielleicht hatten Kim oder Jeremy ihm mal gehörig den Marsch geblasen. Was auch immer geschehen war: Daimon war nicht mehr wieder erkennen. Unterdessen blickte Daimon auf seine Rolex die neben den Boxsäcken lag. „Marcel, du solltest jetzt wirklich ins Bett gehen, ansonsten macht mir Jeremy morgen die Hölle heiß.“ „Alles klar. Gute Nacht dann.“ Marcel erhob sich flink und umklammerte den Sack auf den er gesessen hatte mit den Armen. Er wollte ihn zurück an den Haken hängen. Aber der wollte das anscheinen nicht; er macht sich so schwer dass Marcel ihn nicht einmal anheben konnte. Vorhin bei Daimon hatte es so einfach gewirkt. Hinter sich vernahm er plötzlich ein leises Lachen. „Komm schon, geh schlafen. Ich erledigte das. Nachher hast du einen Leistenbruch.“ meinte Daimon glucksend. Er nahm den massiven Boxsack und hang ihn mühelos einen nach dem andern auf. Alles sah bei ihm so leicht aus. Der Dämon in seinem Lieb verlieh ihm anscheinend ungemeine Stärke. Das hatte Kim ihm selbst bestätigt; Dämonen sind viel kräftiger gebaut als Menschen. Marcel nickte. Ihm war das nur recht. In dieser Nacht schlief Marcel ruhig, traumlos und erschöpft vom langen Tag. Als er erwachte, horchte er in die Finsternis hinein; Unten in der Diele war es Mucksmäuschen Still. W ie lange Jeremy und Kim wohl noch in der Stadt blieben? Hatte Jeremy denn gar kein schlechtes Gewissen seine beiden Streithähne so lange unbeaufsichtigt zulassen? Anscheinend nicht, sonst hätte er Himmel und Hölle in Bewegungen gesetzte um nach Hause zu kommen. Helles, Goldfarbendes Licht blendete Marcel, als er sich schließlich dazu entschloss die Augen zu öffnen. Nanu, Sonne? So früh am Morgen schon? Freudig sprang Marcel zum Fenster und öffnete es schwungvoll; der Himmel über ihn lachte Märchenblau, nicht eine einzige Wolke drückte sich am Horizont entlang. Waren die letzten Tage auch noch kühl und Regnerisch gewesen, scheint die Sonne heute doppelt so glühend und prall aufs Haus herab. Ein herrlicher Tag stand ihm bevor, viel Wärme und faules Nichtstun. Vielleicht sollte er sogar die breite Liege und den roten Sonnenschirm aus der Garage holen und sie im Garten aufbauen. Seine Haut sah schrecklich weiß und ungesund aus, daran musste er schnell was ändern. Doch zuerst wollte er Frühstücken. Sein Magen knurrte in seinem Innern wie ein wildes Tier. Seit gestern Morgen hatte er kaum einen Bissen zwischen die Zähne bekommen, nur zwei Spiegeleier und einen kümmerlicher Kirchjogurt. Damit konnte man sicherlich ein paar Models zufrieden stellen, aber nicht einen Marcel! So zog er sich rasch eine rote Sleeveless Jacke an und eine Jeansshorts; natürlich passten zum Wetter. Hungrig wie Marcel nun mal war lief er ohne Umwege in die Küche, und zog sofort eine große Packung Cornflakes aus dem Schrank. Heute hatte er eindeutig Lust auf Kohlenhydrate. Noch einen Schuss Milch in die Schüssel und einen Klacks frischen Bienenhonig dazu – Fertig! Die erste Mahlzeit des Tages verlief ungewohnt still – Nach dem verlassenen Zimmer und Bett zu urteilen, hatte Daimon bereits am frühen Morgen das Haus verlassen. Umso besser. Marcel schob grade den letzten Löffel aufgeweichte Cornflakes in den Mund, als es im Hausflur Laut wurde. Er zuckte leicht zusammen, hielt jedoch sogleich inne. „Marcel?“ Eine Raue Stimme, Jeremys klang sehr viel sanfter. „Bis du jetzt erst wach? Wie lange hast du eigentlich gepennt? 12 Stunden?“ Kein Zweifel; Daimon Zunächst schwieg Marcel; der Tag war noch zu jung um, sich sofort in die Haare zubekommen. Immerhin stand hier seine Gesundheit auf dem Spiel. Auch wenn Daimon gestern Abend ungewöhnlich nett zu ihm gewesen war, bedeutet das nicht, dass er sich grundlegen geändert hatte. Marcel brachte die Schüssel zum Spülbecken und wusch sie mit klarem Wasser ab. Am besten gar nicht erst auf Daimons Worte eingehen. Alles andere, bescherte ihn nur Ärger. Eine lange Zeit lang blieb es Still im Haus; Marcel hörte nur das gleichmäßige Rauchen des Wassers, mit dem Daimon sich grade den Schweiß vom Körper wusch. Er beende seine Tätigkeit und ging in Garage, um die Liege und den Sonnenschirm zu suchen. Glücklicherweise war Jeremy so Ordentlich, dass Marcel nicht lange suchen brauchte. Hinter dem Haus erstreckte sich ihr riesiger Garten, eine grüne kreisrunde Fläche umzingelt von Turmhohen Tannen. Ihre mächtigen Schatten verdunkelte selbst die Sonne am Himmel. Marcel atmete tief die klare saubere Luft ein; Sie war angenehm warm und noch ein bisschen feucht vom Morgen. Er stellte die Liege ab und rammte den Stiel des Schirms in die Erde. Der würzige Geruch des frischen Bodens belebten Marcels Sinne, und hob seine Stimmung beträchtlich. Eigentlich war der Tag viel zu schön um die ganze Zeit auf der faulen Haut zu liegen. Das Handy lag gewärmt von Sonnenstrahlen in seiner Hand, und er wählte die Nummer seines ältesten Bruders. Nach dem dritten Klingeln wurde der Anruf entgegen genommen. „Hallo Marcel.“ Jeremy seufzte erleichtert als er die Stimme seines persönlichen Engels hörte. „Ich kann mit dir sprechen – das heißt, du lebst. Daimon hat dich nicht in Stücke gerissen. Schön.“ Marcel konnte sich ein grinsen kaum verkneifen. „Daimon und ich haben uns gestern Abend unterhalten. Und er hat mir angeboten, mich in Karate zu unterrichten. Ist das nicht toll?“ Für einen kurzen Moment war Jeremy sprachlos. Er wischte sich ein paar Haarsträhne mit blutigen Fingern aus den Augen; Sie aßen grade eine Kleinigkeit, als Marcel überraschend anrief. „Das hört sich ja Klasse an, aber seit bloß vorsichtig. Karate ist eine harte und anstrengende Kampfsportart. Da kann vieles schief gehen, vor allem wenn man noch Anfänger ist. Ich sag dir, ich sprech aus eigener Erfahrung. Daimon hat mich auch mal eine Zeit lang Trainiert. So viele Brüche wie ich da hatte, habe ich noch nicht mal auf dem Schlachtfeld erlitten.“ „Ich werde schon aufpassen.“ Marcel verdrehte die Augen. „Außerdem glaube ich nicht das Daimon direkt mit den extrem heftigen Sachen Anfang. Er weiß dass ich Neu bin, und deshalb wird er das Training so gestalten das ich gut mitkomme. Oder meinst du nicht?“ „Das ist mir schon klar, Marcel. Aber Daimon hat bis jetzt Jungen Trainiert die zwei Köpfe größer waren als du, und 20 Kilo schwerer. Er hat keine Ahnung von so… ich drücks Mal vorsichtig aus; von so zartbasierten Kerlchen. Wenn er dich so behandelt wie seine Mannschaft, wirst du nichts zu lachen haben.“ Jeremy schwieg, zufrieden mit seinen Argumenten. „Aber jetzt zu wichtigeren Themen des Tages; Der Jeep steht auf den Schrottplatz. Gestern Abend auf der Autobahn haben die plötzlich Bremsen versagt, und wir sind gegen einen Baum gekracht. Uns beiden ist nichts passiert, aber dem Auto… Erst vor einem Monat war er in der Werkstatt, die Mechaniker hätten da doch etwas bemerken müssen, oder? Naja, egal. Geschehen ist Geschehen. Ich kaufe mir einen neuen Wagen. Vielleicht einen Hammer… Ach Kim, jetzt sei doch still, wenn ich dir sage ich kaufe dir einen Chevrolet Corvette dann bekommst du auch einen! Aber erst mal musst du deinen Führerschein machen. Okay? Okay!“ Marcel drehte sich auf die Seite und dachte über die Konsequenz dessen nach, was Jeremy gerade gesagt hatte. Eine leichte Brise bewegte seine Haare. „Aber ich…. Mir geht es sich darum, mich in schwierigen Lebenssituationen verteidigen zu können. Ich sehe nun mal nicht wie eine Person aus, vor der man Respekt haben muss. Die Lachen mich doch eher aus. Das will ich ändern. Und Daimon kann mir den Weg zeigen, um meinen Traum zu verwirklichen. Ich möchte endlich akzeptiert werden!“ „Ich muss zugeben – in diesen Punkt hast du recht. Trotzdem werde ich später mit Daimon über diese Geschichte sprechen. Wir sind mittlerweile auf den Heimweg, aber das dauert noch eine Weile. Ich bin grade erst losgefahren. Bis Gleich, Marcel“ „Ja, Tschüss. Und grüß Kim von mir.“ „Mach ich.“ Jeremys Stimme war so weich wie Butter. Dann brach die Verbindung ab. Nach einem langen, ausgedehnten Sonnenbad im Garten fühlte sich Marcel Pudel wohl. Neugierig betrachtete er seine Arme, doch leider stellte er keinerlei verändern fest. Die Haut sah so blass aus wie immer. Er starrte verträumt zum Waldrand, seine Augenlieder wurden mit der Zeit immer schwerer… Plötzlich blitze dort ein Rotes Augenpaar auf. Marcel richtete sich abrupt auf. Gespannt hielt er die Luft an. Alle Müdigkeit war vergessen, stattdessen wuchs die Erregung an. Da war etwas! Ein Objekt, von dem er nichts wusste und ein etwas was ihn beobachte. Langsam stand er auf, die Hände schützend zu Fäusten geballt. Marcel betrachte den Wald mit einem beklommenen Gefühl im Magen. Die Minuten verstrichen. Im nächsten Moment hörte er ein wildes Knurren und bevor er einen Schritt gehen konnte, spürte er einen harten Schlag auf der Brust. Er warf ihn regelrecht um, und eine Klaue drückte ihn zusätzlich in den trockenen Boden. Marcel keuchte vor Schreck auf, und drehte sich ruckartig auf die Seite. Er versuchte sich zu befreien, doch der Angreifer war zu stark für ihn. „Ich habe dich gefangen Marcel, und was machst du jetzt?“, fragte eine unbekannte Stimme heiter. Marcel blinzelte in die Sonne und erblickte eine gebräunte Person mit Silberweißer Mähne, die sich grinsend über ihn beugte. „Was willst du, und wer bist du?“, fragte er zähneknirschend. Diesen weißhaarigen Kerl kannte er nicht! „Wer ich bin?“ Sein grinsen wurde breiter, perlweiße Zähne funkelten im Licht. „Ich bin dein Aufpasser, Marcel. Mag sein das du mich nicht kennst, aber ich kenne dich! Und wage zu behaupten, sogar besser als deine besten Freunde Connor und Fee.“ Marcel hob den Kopf, drückte die Krallenhand weg bis sie sich Auge um Auge gegenüber standen. „Woher kennst du meinen Namen, und den meiner Freunde?“, fragte er ruhig. Er starrte den fremden Jungen eindringlich an. Seine Augen waren wie aus Stein. „Sei doch nicht so Misstrauisch, ich zerfetzte dich schon nicht! Mein Name ist Kuroro, und ich bin ein Wolfsdämon.“ Der Fremde spürte Marcels Argwohn und versuchte ihn zu besänftigen. „Vor einigen Jahren hat dein Bruder Jeremy mir das Leben gerettet. Seitdem diene ich der Familie Sandjoé im Verborgenen. Da allerdings du nichts von ihrer Identität wusstest, musste ich mich all die Jahr vor dir verstecken.“ Marcel verzog das Gesicht. Es war offensichtlich dass er so schnell wie möglich zurück ins Haus wollte, und doch musterte er den Wolfsjungen aufmerksam. Kuroro hatte einen drahtigen, leicht muskulösen Körperbau und braungebrannte Haut. Seine Augen schimmerten rot leuchtend unter einem silbrigen Haarschopf hervor, der ziemlich verknotet aber füllig wirkte. Auf seinem Kopf standen die kurzen, unzähligen Haarsträhnen wild in alle Himmelsrichtungen ab. Als Marcel seinen Blick von den roten Seelenspiegeln seines Gegenübers abwenden konnte, springen ihm sofort die flauschig aussehen Wolfsohren zu je beiden Seiten des Kopfes ins Gesicht, die förmlich nach Aufmerksamkeit schrien. Unsicher machte Marcel einen Schritt nach Hinten; Neben Dylan und seiner Familie, vor der er ohnehin nicht viel zu befürchten hatte, war Kuroro der erste Dämon denn er in freier Wildbahn begegnete. Auch vom Alter her trennen die beiden sicher so 6 oder sogar 7 Jahre. Nachdem der Blonde merkte wie ihm Nacken vom ständigen nach oben schauen langsam schmerzte, fiel ihm auf das Kuroro um einiges größer war, als er, was Marcel nicht grade als Vorteil einschätze. Aber wie ein blutrünstiger Werwolf sah Kuroro jedenfalls nicht so aus. Dasselbe dachte sich Marcel. Er fand es unhöflich Kuroro die ganze Zeit so seltsam anzustarren, wo er doch seinen Brüdern so nahe stand, deshalb begann er zu sprechen; „Na gut, wenn du schon so lange Zeit zu uns gehörst, gibt es für mich keinen Grund länger zu zweifeln.“ Er lächelte den Wolfsjungen milde an. Dieser senkte sein Haupt und erwiderte es fröhlich. Die beiden Jungen saßen eine lange Zeit bewegungslos da, und erzählten über alles Mögliche. Kuroro war ein guter Zuhörer, aber ein noch begnadeter Redner. Er saß im Schneidersitz auf dem weichen Gras und erzählte über ein Wolfsrudel, in dem er in den vergangen Jahren gelebt hatte. Die Erinnerung daran schmerze ihn. „Und eines Tages.“ murmelte Kuroro beklommen. „Kehrte ich in unser Versteck zurück, und fand meine ganze Familie Tot vor. Ein wildes Dämonengespann hatte mehr als die Hälfte verschleppt, und zu ihren Höhlen gebracht um sie zu fressen. Bis heute bin auf der Suche nach diesen dreckigen Kreaturen. Ich will mein Rudel rächen, und alle andern Wölfe die dabei ihr Leben verloren haben!“ Marcel legte den Kopf in den Nacken und schaute in den Himmel; „An deiner Stelle würde das ich selbe tun!“, gab er wahrheitsgemäß zu. Der Tod seiner geliebten Familie würde ihm das Herzen zerreißen. Und der Schuldige, den würde er bis an sein Lebens ende Jagen. ________________________________________________________________________________ Eine extra langes Kapitel für 13 Favos und 13 Kommentare!! *___* Ich kanns noch garnicht fassen! *Alle Knuff* Ihr seit großartig, wirklich! Vielen, vielen DANK! Kapitel 8: Die Hitzeperiode --------------------------- Kuroro lag auf den Rücken im Gras und blinzelte mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne. Ihre warmen Strahlen fielen angenehm auf seinen ohnehin schon gebräunten Körper. Manchmal warf er Marcel einem verborgenen Blick zu. Der kleine, blonde Menschenjunge war für ihn wie ein Hilfloser Welpe, den er betüdeln musste. Ganz gleich was geschah, es lebte nun mal ein Wolf in seiner Brust – Und diese Wesen konnten gar nicht anders als einen Welpen zu beschützen. Vor vielen Jahren hatte Jeremy ihm aus der Patsche geholfen, und da er ein stolzer Kerl war, ließ er diese Schuld nicht belanglos auf sich sitzen. Die Röte in Marcels Gesicht gefiel Kuroro schon mal gar nicht. Das könnte böse enden, wenn man nicht rechtzeig eingriff. Der junge Wolf richtete sich auf. „Marcel… ich glaube du hast einen Sonnenbrand“ Ein wenig perplex sah dieser ihn an. Himmelblau traf auf Karminrot. Marcel berührte mit den Fingern sein Gesicht – die Haut fühlte sich verdammt warm an, und zum Zerreisen gespannt. „Ach verdammt“ murmelte er. „Ich liege hier noch nicht mal eine Stunde, und schon habe ich mich verbrannt!“ Kuroro lächelte ihn nachsichtig an, „Du bist ja auch voll die Milchflasche, das ist also nicht wirklich sonderbar, hm? Am besten gehst du jetzt ins Haus zurück und nimmst eine kalte Dusche – das wird die Haut erst mal kühlen“ Das gesagte klang in Marcels Ohren so ziemlich nach einem Befehl. Außerdem hatte Kuroro höchstwahrscheinlich recht – auch wenn er lieber noch ein wenig in der Sonne gelegen hätte. Er nahm sein Handy und steckte es zu einer leeren Kaugummi Packung in seine Hosentasche. Grade wollte er die Liege zusammen klappten, als Kuroro überraschender weise seine Hände fasste. „Lass sie nur stehen; ich wollte mich noch ein wenig sonnen. Naher räume ich die Liege auch weg“ Marcel nickte. Er hatte das Gefühl, das man dem jungen Werwolf man Vertrauen konnte. Auch wenn es sich in dem Fall nur ein Sonnenliege handelte. Vielleicht wiegte er sich in falscher Sicherheit, aber Daimon war ja noch in der Nähe… Im Haus war es angenehm kühl und still. Also waren Jeremy und Kiley immer noch auf dem Heimweg. Plötzlich hörte Marcel leise Schritte hinter sich. Zugleich drehte er sich um. Daimon. „Ach, du warst draußen…“ der ältere Bruder musterte sein Gesicht genau. Ein kurzes Jucken umspielte Daimons blasse Lippen, „…hast dich ja ordentlich verbrannt, wie?“ Marcel zuckte die Schultern, „Geht, es tut ein bisschen weh, aber…- “ „Kein aber! Einen Sonnenbrand sollte man ernst nehmen, Junge!“ Noch während Daimon zeterte zog er den Kleinen in die Küche und bereitete dort einen kühlenden Quarkwickel vor. „Manchmal bist du echt Strohdoof! Hast du dich vorhin überhaupt eingecremt?! Nein oder? Wusste ich es doch…. Das gibt naher nur wieder Stress mit Jerry; er denkt dann wieder ich wäre nicht dazu fähig um auf dich aufzupassen. Sagt grade der richtige!“ Wild vor sich her diskutierend drehte sich Daimon auf den Fersen um, und klatschte Marcel recht lieblos den Quarkwickel ins Gesicht. Dann setzte er seine Schimpfkanone fort. „Vor knapp 24 Stunden hätte er dich beinah auf Kreuz gelegt, und ausgesaugt. Mir ist das noch nie passiert, also bei dir meine ich, genau so wenig Kim. Wir beiden können uns immer beherrschen, und das ist nicht grade ein Zuckerschlecken wo du doch ständig da bist. Aber dieser Jeremy! Hat der nichts Besseres zu tun als dich anzugreifen! Ohne Kim und – “ „Schon gut Daimon!“ Plötzlich fühlte Marcel etwas das er noch nie in Daimon Gegenwart gespürt hatte; Der verhasste Bruder machte sich tatsächlich sorgen um IHN. Und er war sogar richtig wütend darüber dass Jeremy IHN fast ernsthaft verletzt hätte. Das änderte die gesamte Situation. Doch Daimon schien sich auf einmal unbehaglich zu fühlen, er kaute nervös auf seinem Lippenpiercing herum. Doch so gut er es auch verbergen wollte - Marcel war sich ziemlich sicher dass er den Grund dafür wusste; Noch nie hatte Daimon ihm gegenüber Gefühle gezeigt, das war dem Dämon fremd. Das war in seinen, in Daimons Augen, ein Zeichen für Schwäche. So dachte zu mindestens Marcel über die Sache. Als Marcel wenig später den Quark wegwarf und das Handtuch, wo drin dieser eingewickelt war, in die Waschküche brachte saß sein Bruder schon längst im Wohnzimmer. Recht gelangweilt schaute Daimon aus. Die Augen hatte er bereits halb geschlossen. Aus irgendeinem unbegreiflichen Grund wollte Marcel heute an seiner Seite bleiben. So setzte er sich neben Daimon, bedacht darauf ihn nicht all zu sehr auf die Pelle zu rücken. Er schaute den Rotschopf fragend an. Einen kurzen Moment nur. Doch das reichte schon um zu sehen, das sich nicht wirklich ähnelten. Marcel fühlte im Herzen einen Stich der Eifersucht; Daimon war schön, und er nicht. Vom weitem wirkte seine Haut weich und warm, und doch sie war die kalt und hart wie Stein! Oder nicht? Vielleicht nur wenn er in seiner anderen Gestalt war. Da konnte Marcel sich plötzlich nicht mehr zurück halten, so viele Fragen in seinem Kopf, so wenige, und unbefriedigende antworten! Er streckte die Hand aus und berührte vorsichtig Daimons Wange. Warm wie ein frisch gebackener Muffin, und weich wie ein Kissen? Fehlanzeige! Die Haut war Stahlhart und so undurchdringlich wie die von Kiley, als er sich im Wald in eine Stone Face verwandeltet hatte. Marcel war so sehr in Gedanken vertieft, das er Daimons Augen nicht bemerkte die sich vor Schreck um ein zehnfaches geweitet hatten. „Ganz vorsichtig Kleiner…“ warnte er monoton und zischte dabei wie eine Kobra. Der Ausdruck in Daimons Blick war erschreckend und fremdartig. Benommen betrachte Marcel das seltsame Bild vor sich. Nach etwas vergleichbaren zu suchen wäre unnötig gewesen. Um es mit einfachen Worten zu erklären; Daimon sah gefährlich aus. Er strahlte ein intensives Gefühl der Macht aus. Dann drückte er Marcels Hand weg, ganz bestimmend, und hielt sie mit seiner eigenen fest. Im selben Moment schreckte Marcel zurück, er wusste nicht warum er sich auf einmal nicht mehr bewegen konnte. Schnell begriff er dass der Schweiß auf seiner Stirn nur bedeuteten konnte, dass er Angst hatte. Angst vor dem sonderbar, verstörten Blick seines Bruders. „Es… ist nicht gut… wenn du jemanden einfach so anfasst… er könnte sich erschrecken… und dir weh tun“ brachte Daimon schließlich mühsam hervor. Langsam öffnete er seine Finger um Marcels Hand freizugeben. „Was war das?“ fragte Marcel. Seine Stimme zitterte ein wenig, „Ich hatte keine Kontrolle mehr über meinen Körper…“ Diese Aussage schien Daimon nicht ernsthaft zu wundern. „Das ist ganz normal. Wenn die Beute den Jäger erblickt, ist sie erstmals vor Schreck gelähmt. Danach kann sie erst ihre Kräfte mobilisieren und fliehen“ „Momentmal – bin ich hier etwa die Beute?“ Ein sarkastisches Lächeln zog sich über Daimons Gesicht. „Von dir mageres Würmchen wird doch noch nicht mal eine Stechmücke satt! Dich kann man wohl kaum als Beute ansehen!“ Das Verhältnis zwischen ihnen hatte sich offenbar doch nicht gebessert, es war schlecht wie eh und je. „Aber Jeremy konnte mir anscheinend nicht wiederstehen“ konterte Marcel stur. „Er konnte deinem Blut nicht wiederstehen, und deinem Geruch. Mit deiner selbst hat das nichts zu tun. Das sind zwei unterschiedliche Dinge“ erklärte Daimon seelenruhig. Jetzt fühlte sich Marcel plötzlich schlecht. Hatte sein Blut und sein Geruch wirklich so eine starke Wirkung auf seine Brüder, dass sie den Verstand verloren? „Geht es euch den nur um das Zeug was ich meinen Adern fließt? Kann es sein, dass ich für euch so etwas wie eine eiserne Reserve bin? “ „Was? Eiserne Reserve?“ Blitzschnell richte Daimon seinen Oberkörper auf, „Bist echt Strohdoof oder? Päh, ab wir an dir drei genug hätten! Es gibt andere, schrecklichere Dinge über die du dir Gedanken machen darfst!“ „Oh, noch schrecklichere? Was gibt es den schlimmeres? Dass ich zu mager für euch bin, weiß ich mittlerweile. Von mir werden ihr Fresssäcke nicht Satt!“ Im Raum wurde es auf einmal ganz still. Beide hielten gleichzeitig die Luft an um den anderen wütend zu taxieren. Eigentlich war es an der Zeit für Marcel das Weite zu suchen; Falls Daimon j auf die Idee käme, ihn eine reinzuhauen gäbe es kein Entkommen mehr. Aber in Daimons Mundwinkel lautere bloß ein schelmisches Grinsen. Nun, lag in seinen Augen etwas wie… wie Vorfreude. „Was passiert denn?“ fragte Marcel verunsichert. Grade spielte sich in Daimons Kopf offenbar etwas sehr interessantes ab. Er grinste hämisch. „Du kommst so langsam in die Pubertät. Das hat nicht nur Auswirkungen auf dich, sondern auch auf uns. Wenn deine Hormone verrücktspielen, riechen wir das, und bleiben nicht verschont. Sozusagen erleben wir drei selbst die Pubertät nochmal. Als Kim damals in diese Phase kam, war er noch kein Stone Face. Zudem Zeitpunkt hatte Jeremy ihn noch nicht gebissen. Das heißt, jetzt passiert dasselbe mit dir, wie damals bei Kim. Oh man, das wird ein Spaß. Ich weiß noch genau das Ich total durch geknallt bin; hab mich an jedes halbwegs niedliche Menschlein der gesamten Schule geschmissen. Und Jeremy wurde total überempfindlich. Er hat Kim keine Sekunde aus den Augen gelassen. Wahrscheinlich hatte er Angst, jemand könnte ihn auf offener Straße Vergewaltigen. Wobei diesbezüglich von Jeremy selbst die größte Gefahr ausging. Manchmal hat er aber auch komische Sachen mit Kim angestellt. Bis heute frage ich mich, ob da etwas zwischen ihnen passiert ist…“ So entschlossen wie Daimon jetzt dreinblicke würde er Kim heute Abend wirklich fragen. Marcel beobachte ihn zwar genau, und er hatte auch aufmerksam zugehört, aber er wusste das Daimon maßlos übertrieb. Jeremy würde sich niemals an einem Kind vergreifen, schon gar nicht an seinem kleinen Bruder. „Das bezweifel ich stark“ meinte Marcel entschlossen, und diesmal wirklich. „Kim war zwar in der Pubertät und ihr standet gewissermaßen unter dessen Einfluss, aber ich glaube nicht dass Jeremy ihn jemals angefasst hat! Er liebt Kim nur als Bruder. Sein Körper reizt ihn nicht“ Zum ersten Mal lächelte Daimon sanft, er betrachte seinen kleinen Bruder mit einen halb mitleidigen und einem halbwissenden Augenaufschlag. „Wenn du wüsstest wie sehr wir uns verändern, würdest du auf der Stelle weglaufen. Es hat schon begonnen, und du hast es noch nicht mal bemerkt!“ Irgendwas an Daimons Tonlage gab Marcel das Gefühl, dass er misstrauisch werden musste, wobei ihm der Grund verborgen blieb. „Wie meinst du das?“ fragte er äußerst Skeptisch. Merkte Daimon den gar nicht wie sehr er in auf die Folter spannte? Reine Schikane? „Zum Beispiel, das Kim und ich uns dir gegenüber verändert haben. Okay. Besonders Kim, ich eher weniger…“ Daimons kam immer näher, und als Marcel schließlich den Rot-Orangen Ton in seinen Augen funkeln sah, erstarrte er. Sein Herzschlag setzte aus. Wie war das nochmal mit der Beute und dem Jäger? „Soll ich dir zeigen was passen kann, wenn du willst?“ Es klang wie eine normale Frage, doch da hinter versteckte sich mehr. Viel mehr. Marcel war so verängstig das es ein paar Minuten dauerte, bevor er die Hand an seiner Jacke registrierte welche langsam den Reißverschluss öffnete, ihn immer weiter nach unten zog. „Daimon…“ stammelte Marcel verwirrt. „Daimon, was machst du?“ Im selben Moment beugte sich Daimon noch ein Stück nach vorne, er saß seinem Bruder nun Angesicht zu Angesicht gegenüber. Er lächelte, wahrhaftig, und zwei spitze, lange Eckzähne lauerten hinter seinen Lippen – wie eine Katze die eine Maus in die Enge getrieben hatte. Welches der beiden Tier Marcel spielte, erklärte sich von selbst. Abrupt löste er seinen Körper aus der unbeweglichen Starre und stieß Daimon energisch von sich, dummerweise verlor er dabei das Gleichgewicht und fiel rücklings vom Sofa. Völlig Regungslos und emotionskalt starrte Daimon zu den Kleinen hinunter. Das Grinsen was sich dann auf seinem schönen Gesicht ausbreitete gehörte zu der Bösartigen Sorte. „Hättest du etwa Angst?“ fragte er spöttisch. „Dachtest du, ich wolle dich beißen? Und das nachdem ich dir eben lang und breit erklärt habe das von mir keine Gefahr ausgeht“ Daimon lachte kurz, und kam mit einer einzigen Bewegung auf die Beine. Die roten Augen hatten sich derweilen in ein paar Grüne zurück verwandelt. „Da fährt jemand die Einfahrt hoch. Moment, das ist… Oh, das sind ja schon Jerry und Kim!“ Wenige Sekunden später verschwand er auch schon im Hausflur um die Heimkehrenden willkommen zu heißen – auf seine Art natürlich. Was zu folgen hatte das er eine kurze Rangelei an der Wohnungstüre gab; Daimon war nämlich so neugierig das er Kim einfach die einkaufstüte aus den Händen riss, ehe Jeremy ihn dafür einen kurzen Schlag auf den Hinterkopf verpasste. „Du bist einfach unmöglich!“ meinte Jeremy recht trocken. „Wieso? Im Gegensatz zu mir hat Kim etwas Neues bekommen, dann will ich wenigstens als erster sehen was er hat. Ist doch wohl klar“ Gereizt atmete Jeremy aus. „Daimon… Liebling… Sollen wir beide vor die Türe gehen?“ Dieses Mal ließ Daimon sich nicht sonderlich einschüchtern. Sein Grinsen verrutschte kein bisschen. „Wenn es damit endet das wir in einem Bett landen und wie die Wölfe übereinander herfallen, ist es mir recht!“ Die Temperatur im Flur erreichte augenblicklich seinen Gefrierpunkt. „Oje, das tat weh…“ Marcel verlieh seinem Gesicht eine Unschuldsmine und trat an Jeremys Seite. Seine Brüder bemerkten ihn kaum. Er wiederum nahm die frostige Atmosphäre sofort wahr. Es war keine Aggressive Stimmung - viel mehr die Ruhe vor dem Sturm. Kim schüttelte lachend den Kopf, Daimon feixte Spitzbübisch und seltsam nachdenklich schaute Jeremy. Hatte Daimon seinen großen Bruder tatsächlich Mundtot gemacht? Doch dann kam unerwartet der Gegenschlag. „Wenn du möchtest, können wir sofort gehen… ohne Prügeleinheiten vorher“ ein Leuchten erschien in Jeremys Augen. Er lächelte sanft. „Aber ich muss erst die Einkäufe wegräumen. Wenn du Sex haben willst, komm heute Abend in mein Zimmer“ Mit den Worten drehte er sich um und verließ den Flur – aber nicht ohne Marcel vorher nochmal über die Wange zu streicheln. Unwillkürlich schauten sich die Zwillinge an; der Argwohn stand ihnen ins Gesicht geschrieben. „Ging die Runde nun an dich?“ fragte Kim. Daimon zuckte lässig mit den Schultern; „Das zeigt sich später. Ich werde ihn heute Abend auf jedenfalls besuchen. Gucken, was er darauf sagt, oder macht“ „Stopp! Warte!“ rief Marcel plötzlich und riss die Hände in die Höhe – er würde er versuchen einen Schlag abzuwehren. „Du willst es doch nicht drauf ankommen lassen? Das ist Krank, und verrückt – aber überwiegend Krank!“ Daran war etwas Wahres. Das gleiche dachten sich Daimon und Kim. Sie schwiegen einen kurzen Moment. „Ach was!“ Kim brach als erster die Stille. „Hund die Bellen beißen nicht. Er trägt mal wieder Dick auf. Also nichts worüber man sich sorgen machen muss. „Was heißt das ich ohne Gleitgel und Kondome zu Jeremy gehen kann?“ „Jop“ sagte Kim schlicht. „Aber wenn es doch passieren sollte, mach dich schon mal auf Schmerzen gefasst; ER ist riesig“ fügte er lächelnd für seinen Zwilling hinzu. „Kinder!? Kommt ihr mir freiwillig helfen die Einkäufe weg zu packen, oder muss ich euch vorher weh tun?“ rief Jeremy auf einmal von der Küche aus. Seine Stimme klang verärgert und belustigt zugleich. Es war offensichtlich, dass er das Gespräch belauscht hatte. Nachmittags saß Marcel in seinem Zimmer und lernte für die Schule. Doch das Konzentrieren fiel ihm an diesem Tag ausgesprochen schwer; Immer wieder kamen ihm Daimons Worte in den Sinn, und ließen seine Gedanken abschweifen. Tödlich für jeden Aufmerksamkeit. Es dauerte noch eine Zeit lang bis jemand an die Zimmertüre klopfte, und hinein wollte. „Ja?“ rief Marcel vom Tisch aus. Die Türe öffnete sich einen winzigen Spalt, und Jeremy erschien im Rahmen. „Ich hab die was leckeres mitgebracht“ verkündete er fröhlich während er in die Mitte des Raumes ging, einen schneeweißen Porzellan Teller mit einem Stück Schokoladenkuchen auf den Schreibtisch setzte. „Den habe ich frisch gebacken – das hier ist jetzt die Feuerprobe; Schmeckt er, oder schmeckt er nicht?“ Zugleich lachte Marcel auf. „Du Schauspieler! Alles was du kochst schmeckt gut – Nein, das ist untertrieben. Alles was du kochst schmeckst phantastisch – das würde das Herz jeden Chefkochs brechen“ Dieses Kompliment ging Jeremy die Kehle runter wie heißes Öl. „Schleimer, aber danke Schatz“ Er hatte sich über Marcels Rücken gebeugt. Zur Belohnung küsste er seine Haare. „Was lernst du grade?“ neugierig warf Jeremy einen Blick auf Marcels Unterladen und überflog rasch das erste Blatt. „Verstehe, Französisch; Ils parlent français si bien?“ „Seit der Sieben klasse…- Was?!“ „Sprechen Sie auch Französisch…?“ „Das meine ich nicht! Warum spricht du überhaupt Französisch?“ „Hauptsächlich deshalb, weil ich mit Kiley für das Abitur gelernt habe. Und Französisch sein Leistungskurs war -neben Biologie und Chemie natürlich – der ihm am meisten Spaß machte. Darum lenkten wir unsere größte Aufmerksamkeit auf dieses Fach“ Wow. Eine ganz alltägliche Aussage. „Und wie klappt es bei dir?“ Jeremys glühender Blick versenkte Marcels Nacken. Der Kleine lief Knallrot an - Französisch war sein bestes Fach. Aber wenn er jetzt die Wahrheit sagte, würde sein Bruder große Erwartungen in ihn setzten. Dem fühlte er sich nicht gewachsen. „Normal“ murmelte Marcel leise. „Oh Okay… Jetzt esse aber erstmals den Kuchen. Er ist nicht vergiftet“ Marcel befolgte die Anweisung und Jeremy setzte sich auf sein Bett. Er ließ seinen Blick zum Fenster schweifen, und blickte nach draußen. „Wie ich hörte hast du mit Kuroro Bekanntschaft gemacht“ Verunsichert schaute Marcel ihn an. „Ja, er hat sich vorhin bei mir Vorgestellt. Er ist wirklich nett“ „Ist er auch, und zuversichtlicher als jeder andere Typ in seinem Alter. Ob man es glaubt oder nicht, aber Kuroro ist Psychisch gesehen erst 21 Jahre“ „Und wenn man es Biologisch betrachtet?“ „Dann wird er um die 200 sein. Noch recht Jung für einen Werwolf. Mit anderen Worten, der Junge steckt grade in der Pubertät“ Pubertät – noch einer?! So langsam wurde Marcel unruhig; Ob er Jeremy mal fragen könnte, wegen der Sache mit der Veränderung bei ihnen? „Was guckst du so?“ Jeremys Art Geheimnisse und Lügen aufzuspüren zeigte sich vom neuem, „Stimmt was nicht?“ Marcel seufzte. Es jetzt zu leugnen wäre feige. „Daimon und ich haben uns unterhalten… über euch, also über dich, Kim und ihm. Und wie ich auf euch wirkte“ seine Wangen fingen Feuer. „Er sagte, dass seine und Kims plötzliche Veränderung mit der Pubertät zusammenhängt. Zuerst dachte ich ja, sie sind jetzt so freundlich zu mir weil ich nun endlich weiß, dass ihr Dämonen seid. Dass sie sich nicht mehr verstellen müssen. Aber es hat nur mit den Hormonumschwung meinerseits zutun… - “ „Mach mal Pause!“ Unterbrach Jeremy ihn rau. „ Bevor du jetzt voreilige Schlüssel ziehst, hör mir zu; Es stimmt nicht das sie sich nur alleine wegen deiner Pubertät und den Hormonen verändert haben, natürlich spielt das auch eine Rolle aber das ist eher nebensächlich. Lass dich nicht so sehr von unseren Eigenarten kontrollieren, und konzentriert dich auf wichtigere Dinge. Wir kommen schon damit klar“ Nachdem Jeremy geendet hatte presste er seine Lippen zu einer strengen Line. Die Augen waren leicht zusammen gekniffen und wirkten leicht Schlangenhaft auf Marcel. „Jetzt bist du wütend. Ist in Ordnung; Ich bin ja schon still…“ Die plötzliche Traurigkeit in Marcels Stimme verleitete Jeremy dazu aufzustehen und ihn feste in den Arm zunehmen. „Ich bin nicht deinetwegen sauer“ flüsterte er sanft in sein Ohr. „Ich habe dich doch lieb, und versuche dir nur zu helfen“ Langsam zog Jeremy den Kleinen aus dem Stuhl, und ließ sich mit ihm zurück auf das Bett sinken. „Komm schon, du weißt dass ich nicht Lüge!“ „Aber du hast mich doch so böse angeguckt! Was soll ich den anderes denken?“ „Ich bin auf Daimon sauer nicht auf dich, weil er dir unnötigen Mist erzählt hat“ „Das ist nicht unnötig! Ich möchte nicht, dass ihr meinetwegen noch mehr Probleme habt wie bisher. Daimon sagt, das ihr euch durch die Pubertät verändert und komische Sachen anstellt!“ Während Marcel verzweifelt argumentierte kamen auf einmal alle Schuldgefühle gegenüber seinen Brüdern gleichzeitig hoch. Es fühlte sich an, als müsse sein Herz vor Reue in tausend Stück zerspringe. Sein Blut, sein Geruch und jetzt auch noch die Pubertät – seine bloße Anwesenheit reichte aus um die 3 Menschen - Vampire eher - die er am meisten liebte, sinnlos zu foltern. „Ich möchte das nicht mehr…“ wisperte er so leise, dass es grade mal Jeremy verstand. „Ihr müsst immer wegen mir leiden. Das tut mir so weh… ich fühle mich einfach schuldig. Ohne mich … Wenn ich nicht bei euch wäre, könntet ihr ein normales Leben führen. Ihr bräuchtet euren Instinkt nicht ständig zügeln, weil ich nicht mehr da bin. Für euch bin ich doch sowieso Nutzlos…“ In der nächsten Sekunde hielt Jeremy ihm auch schon den Mund zu. Seine Hand zitterte leicht. „Das reicht!“ zischte er tonlos. „Du redest Unsinn. Ohne dich verliere unsere Lebensqualität an Bedeutung! Tag und Nacht richten wir uns nach dir – du bestimmst inzwischen unseren gesamten Tagesablauf. Wir müssen auf dich aufpassen, uns um dich kümmern, dir Liebe und Geborgenheit schenken… Das gibt uns die Gewissheit immer noch Mensch zu sein, und keine blutrünstigen Monster die wir ohne dich mit Sicherheit währen. Du bist der Lichtstrahl, der unsere Seele vor der ewigen Finsternis bewahrt!“ „Jeremy…“ Marcel sah ihn an, und spürte Tränen in seinen Augen aufsteigen. Nicht vor Kummer – vor Liebe. In diesen Moment fühlte er nichts anderes als bindungslose, und unwiderrufliche Liebe im Herzen. Da umfasste Jeremy seine Hüfte und zog ihn Wortlos auf seinen Schoß. Mit der anderen Hand drückte er Marcels Kopf leicht an seine Brust. „Ssscht. Ganz ruhig“ sagte er flüsternd. „Nicht weinen. Alles ist gut. Du brauchst dir keinen sorgen um uns machen, wir sind Stark. Denkt mal lieber mehr an dich selbst, an deine eigene Sicherheit“ „Aber…“ „Marcel…Bitte, vertrau mir. Ich weiß es – ich bin schon ein ganzes Stück älter als du“ Verlegen senkte Marcel die Augenlieder; „Bei euch bin ich in Sicherheit“ Die Stille hielt weniger als eine Sekunde an. „Bei uns bist du nur in Sicherheit wenn wir einen Vorrat Blut im Keller haben!“ „Wenn das so ist, warum verwandelst du mich den nicht auch in ein Stone Face? Bei Daimon und Kiley hast du es schließlich auch getan!“ Erschrocken zuckte Jeremy zurück, so als ob man ihm einen elektrischen Schlag verpasst hätte. Seine Hand rutschte geräuschlos von Marcels Kopf. Ungläubig waren seine Augen auf einen Unsichtbaren Punkt im Zimmer geheftet. „Das geht nicht“ sagte er fast wütend. „Ich werde dir das niemals antun! Nicht in Morgen, nicht in tausend Jahren – Nie!“ „Warum denn nicht?!“ rief Marcel zurück. Die Tränen waren derweilen komplett verschwunden. Langsam würde auch er zornig. „Weil ich es nicht kann!“ Abrupt setzte er Marcel auf die Matratze zurück, und erhob sich ohne das das Bett auch nur Quietschte. Dann stürmte Jeremy aus dem Raum, ohne seinem Bruder einen weiteren Blickes zu würdigen. Kaum war es verschwunden breitete sich eine innere Unruhe in Marcels Magen aus. Ihm war leicht elend zumute. Ob seine Bitte Jeremy verletze hatte, dass er direkt so ausfallend wurde? Marcel schloss seufzend die Augen. Irgendwann würde er Jeremy nochmal fragen. Aber eins war so sicher wie das Amen in der Kirche – die verstörte Reaktion seines Bruders würde er sich genauestens einprägen. Die Zeit bis zur Abenddämmerung verging rasend schnell. Ehe man sich versah zogen lila, blaue Wolkendecken am Horizont auf, und verdeckten großflächig die untergehende Sonne. Aber es war noch immer recht warm draußen, das Thermometer auf der Schattigen Veranda zeigte nach wie vor 25 Grad an. „Ach… jetzt eine kühle Limo!“ schnaubte Marcel, und wischte sich mit zwei Fingern ein paar schweißnasse Haarsträhnen aus den Augen. Die letzten Stunden hatte er damit verbracht die kniffligen Aufgaben aus dem Mathebuch zu lösen. Am liebsten hätte er Jeremy gefragt ob er ihn dabei helfen könnte. Doch er traute sich nicht, ihm jetzt ins Gesicht zu blicken. Hin und wieder warf einen sehnsüchtigen Blick durch das Fenster, und hoffte irgendwo den Wolfsjungen zu entdecken. Doch Kuroro war nicht zusehen, wahrscheinlich hatte er sich schon längst in den kühlen Wald hinterm Haus zurückgezogen, und döste vor sich hin. Nach einer weiteren Stunde gesellte sich zum Durst, langsam Hunger. Und bald darauf hatte Marcel keine Kraft mehr um sich weiter im Zimmer zu verstecken. Früher oder Später musste er Jeremy sowieso unter die Augen treten – ob nun wollte oder nicht. Mit der Mine eines Märtyrers ging Marcel provozierend ruhig die Treppe runter und schlurfte gemächlich in die Küche, wo er glücklicherweise sah dass er alleine war. Er aß eine Scheibe Brot ohne etwas zu schmecken, und erledigte danach eiligst den Abwasch. Noch hatte er Glück – bis hatte Jeremy sich nicht blicken lassen. Doch dann öffnete sich irgendwo im Haus eine Türe. Marcel zuckte zusammen; er hörte ein leises Fluchen, und dann einen Knall wie der einer Gewehrkugel. „Du hättest mich auch sanfter aus deinem Zimmer schmeißen können, Idiot!“ Zur Überraschung tauchte auf einmal Daimon vor Marcels Nase auf, noch deprimierter ausschauend als er selbst „Oh…“ machte Daimon leise, und versuchte ein Grinsen was jedoch schrecklich unnatürlich aussah, „Was machst du denn hier?“ „Ich habe gegessen“ antworte Marcel ruhig. Heimlich musterte der Daimons niedergeschlagenes Gesicht. „Natürlich… Hab vergessen das du ja im Gegensatz zu uns in regelmäßigen Abständen Nahrung zu dir nehmen musst“ Marcel tat so, als hätte er Daimon nicht gehört. „Was ist los mit dir? Du bist total komisch drauf! So habe ich dich noch nie erlebt“ Bevor Daimon auch nur den Mund aufmachen konnte, nahm ihm jemand das Wort ab. „Er hat einen Korb bekommen...“ Am Rand der Küche stand Kim locker an die Wand gelehnt, und kam jetzt mit raschen schritten auf die beiden zu. Im vorbei gehen klopfte er Daimon sachte auf die Schulter. „Reiß dich zusammen Junge!“ sagte er zu seinem Zwilling. „Und heul bloß nicht rum - du kannst froh sein, das dein Kopf noch da sitzt, wo er hingehört!“ Daimon murmelte nur leise vor sich hin. Zuerst sah es so aus ob er jeden Moment zusammenbrechen würde, doch dann konnte sich Daimon nicht länger zurückhalten. Lautstark begann er zu Motzen. „Er… er hat mich einfach abblitzen lassen und mir 2 Schellen verpasst, so schnell konnte ich noch nicht mal gucken! Ich verstand die Welt nicht mehr als mir Jeremy plötzlich eine klatschte. Dabei hat er doch selbst gesagt dass ich gegen Abend zu ihm gehen soll, oder nicht? Ich versteh den Kerl einfach nicht. Erst redet er so, dann wieder so“ Kim nickte, sagte aber nichts weiter. „Ihr müsst euch das ungefähr so Vorstellen: Kurz nach Sonnenuntergang bin ich in sein Schlafzimmer gegangen, und habe mich zu ihm auf die Bettkante gesetzt. Die Beine locker übereinander geschlagen, in den Augen einen aufreizenden Schlafzimmerblick. Alles lief wie geplant, dank den Proben vorm Spiegel. Zuerst habe ich ihn einfach nur angeschaut, sogar ein wenig gelächelt, doch er hielt wiederrum ein Buch in der Hand und ignorierte mich vollends. Wir saßen ungefähr 5 Minuten so, ohne uns zubewegen. Wie zwei Statuen aus Marmor im Stadtpark. Ich spürte, wie ich langsam ungeduldig wurde. Von Sekunde zu Sekunde wuchs die Wut in meinem Bauch an. Und Jeremy lag noch immer ruhig da, und las stillschweigend seinen verdammten Thriller ohne auch nur die geringste Notiz von mir zu nehmen. Wisst ihr eigentlich, wie entwürdigend so etwas ist? Ich hätte ihn Umbringen können - Auf der Stelle. Aber ich hielt mich unter Kontrolle und anstatt auf ihn ein zu prügeln, beugte ich meinen Körper dem seinem entgegen. Langsam ließ Jeremy das Buch sinken – er unterdrückte ein zischen - und schaute mich halb neugierig, halb verärgert an. „Was willst du? Müsstest du nicht schon längst im Bett liegen und schlafen?“ „Ich bin doch im Bett, und gestehe dass es mir außerordentlich gut gefällt. Hier ist es viel gemütlicher, und riecht auch noch toll. Irgendwie nach…. Weißen Rosen. Du hast ein viel besseres Zimmer als wir! Das ist doch unfair. Was hältst du davon, wenn ich heute Nacht bei dir bleibe? Nur du und ich… in einem Bett, ganz alleine und ungestö…“ „Denk bloß nicht weiter!“ zischte Jeremy tonlos. Der Groschen war gefallen. „Sonst wird’s peinlich für dich!“ Dann lächelte er mich mit seinem typischen, sanften lächeln an und seine Zähnen funkelten dabei im Licht wie Sterne. Sarkastische Züge umspielten seine leicht hochgezogenen Lippen. Ich holte tief Luft. Er verstand mich immer noch nicht, auch wenn er es vielleicht glaubte. „Egal was du glaubst, du liegst falsch!“ Als ob mich eine unsichtbare Energie ihrer Kontrolle unterwarf krabbelte ich auf allen Vieren über Jeremys Beine, und berührte mit den Fingerspitzen sein Gesicht. Ich saß, wie sein Lächelt augenblicklich verblasste. „Schon besser…“ flüstere ich leise. Mir gefiel Jeremys verdutztes Gesicht. Damit sah er in vielerleich Hinsieht ganz anders aus, viel weicher und verletzlicher wirkte er nun auf mich. Doch ich hatte nicht mehr viel Zeit zum nachdenken, wenn ich den Sieg haben wollte musste ich Handeln. Sofort! Da Jeremy mir ohnehin schon nah war, brauchte ich mich nur noch ein kleines Stück nach vorne zu beugen um meine Lippen mit seinem zu verschließen. Doch er reagierte schneller als ich es konnte. Und das war verdammt schnell. Ich sah den Schlag noch nicht mal kommen, sondern spürte nur den brennenden Schmerz der Ohrfeige auf meiner Wange. Eh ich mich versaß flog mein Gesicht erneut zur Seite als mich mit voller Wucht die zweite Schelle im Gesicht traf. Mir schwirrte bereits der Schädel. Schmerzen. Zu viele Schmerzen am Kopf, dröhnte es wie ein Echo in mir. Ich konnte an nichts anderes mehr denken als an den Schmerz. Das war nicht gut. Gar nicht gut! Und im nächsten Moment lag ich auch schon neben dem Bett am Boden und starrte irritiert an die Decke. Krass ne?“ Daimon schüttelte sich. Die Augen weit aufgerissen und starr. „Ja und dann hat Jeremy mich einfach aus dem Zimmer geworfen. Kommentarlos“ Innerhalb von einer Sekunde stand Kim bei ihm und drückte ihn sanft auf den Küchentisch. Er umarmte Daimon vorsichtig, und redete leise auf ihn ein. Seine Stimme klang dabei so angenehm und beruhigend wie die rhythmischen Schläge auf einem malaiischen Gong. „Daimon, hast du seine Worte etwa ernst genommen? Das er mit dir… na du weißt schon“ Doch Daimon schüttelte mechanisch den Kopf. „Mir ging es sich nicht um Sex, Kiley. Ich wollte einfach einen Grund haben mal wieder mit ihm zu reden und ihm nahe zu sein. Er hat sich so verändert. In den letzten Jahren hat sich Jeremy immer mehr von uns distanziert“ er warf einen flüchtigen Blick in Marcels richtig. „Von uns beiden, meine ich“ „Ich weiß… aber da kann man halt nichts machen“ sagte Kim und seufzte abgrundtief. Mehrere Minuten des Schweigens folgten. Diese kurze Zeit war für Marcel ein echter Horrortrip - Einmal durch die Hölle und wieder zurück. Jetzt wusste er das Jeremy ihn anderes behandelte, doch den Grund dafür nicht. Warum bevorzuge sein Bruder ihn? Und nur ihn alleine? Noch während Marcel mit Feuereifer nach einer Antwort suchte, grinste Kim plötzlich über das ganze Gesicht. Er hatte eine Idee, einen Geistesblitz. Beinahe Ruckartig griff er nach Daimons Handgelenk. „Komm mit“ flüsterte er verschwörerisch. „Wir besorgen uns woanders Liebe!“ Sein Zwilling starrte ihn verständnislos an. Er begriff nicht, worauf Kim hinaus wollte. „Die Mädels. Heute Abend. Wir machen eine riesen Party bei Rick, der hat nämlich Sturmfrei. Seine Eltern machen die kommenden 2 Wochen Urlaub in Spanien. Sowas muss man ausnutzen!“ Und dann grinste auch Daimon. Der Name Rick hörte sich schon mal viel versprechend an. Das war, soweit er wusste, ein guter Freund von Kim. Ein reicher Schnösel, aber ein wahnsinnig guter Kumpel und zugleich der angesagteste Weiberheld der Unterstufe. Vielleicht ein bisschen arrogant und voreingenommen, aber solche Kerle waren besser wie diese Freaks die den ganzen Tag am Computer hockten, und irgendwelche realitätsfremden Online-Games im Internet zockten. Aber eigentlich möchte Daimon diese kranken Freaks ganz gerne; irgendwann laufen die Amok (weil sie ständig gemobbt und verprügelt wurden) und er konnte denen dabei so richtig die Visage polieren. Das war reine Notwehr, sagte er hinterher dem Schulleiter der ihm eh alles glaubte und abkaufte, weil er Jeremy an einem schlechten Tag kennengelernt hatte. Immer wenn Daimon in seinem Büro saß, was des Öfteren der Fall war, zitterten dem Schulleiter die Knie und sein Herz überschlug sich fast vor Angst. Unter keinen Umständen wollte er Jeremy Sandjoé wieder in seiner Schule sehen. Der Junge, Rick, genoss andere Vorteile; Er war zum Beispiel unglaublich beliebt, vor allem bei den Mädchen der Zehnten, elften und zwölften Klasse. und darüber hinaus noch äußerst spendabel. Fehlte einem aus der Clique mal das Geld um sich was beim Kiosk zukaufen, was aber eher selten vorkam, drückte er demjenigen so einfach einen 10 Euroschein in die Hand und lächelte freundlich. Ja, Rick war ein guter Junge und nicht umsonst in Kims Gruppe. Die Zwillinge tauschten einen glühenden Blick. In ihren Gesichtern spiegelte sich nun deutlich die Freude auf die kommende Party. „Wollt ihr jetzt noch gehen?“ fragte Marcel plötzlich leise. „Es ist doch schon viel zu spät…“ Daimon kicherte bösartig. „Du bist einfach viel zu brav für diese Welt! Du kannst nicht ewig an Jeremy hängen. Mach doch mal was aus deinem langweiligen Leben! Sei ein Rebell, Kleiner!“ Kleiner… Noch einer, der ihn so nannte. Der ungeliebte Kosename würde Marcel wohl bis zum bitteren Ende begleitet. Anreget griff Kim nach Daimons Arm und lächelte auf dieselbe Art und Weise wie der Zwillingsbruder. Nur hinterlistiger. „Lass uns ihn doch einfach mitnehmen! Wenn wir 2 bei Marcel sind, sagen die anderen nichts. Sie würden sich noch nicht mal wagen ihn auch nur schief anzugucken, denn sie haben Angst vor uns, und vor unseren Jungs! Bitte Daimon, das wird bestimmt ein riesen Spaß“ Dann führte er seine Lippen an Daimons Ohr, und flüsterte leise. „Die Weiber stehen übrigens eh total auf niedliche Milchbubis…“ „Ich weiß nicht“ knurrte Daimon abwehrend, „Wenn Jeremy dass spitz kriegt sind wir geliefert! Dann bringt der uns um. Garantiert!“ „Wahrscheinlich…“ enttäuscht ließ Kim den Kopf hängen, die großen Augen halb geschlossen. „Aber irgendwann mal nehmen wir Marcel mit. Egal was Jerry sagt! Er ist alt genug um selbst zu entscheiden, was er will“ Er hob eine Hand und gewuschelte fast liebevoll Marcels Haarschopf. Ein kleines Lächeln umspielte seinen schön geschwungenen Mund. „Du gehst jetzt am besten Schlafen. Morgen früh ist Schule… zu mindestens für dich. Ach, und erzähl bitte nichts von unseren nächtlichen Ausflug. Sonst gibt’s wieder Hausarrest von Jeremy“ Seufzend wendete Marcel den Blick ab. Er war nun neugierig auf die Party, allzu gerne wäre er dabei gewesen. Doch Daimon hatte recht; Jeremy würden erst den beiden den Kopf abreißen, und dann ihm. Der Frust nagte an seinen Körper, und ließ Marcel müde werden. „O… Okay“ gähnte er leicht säuerlich. „Dann ein andermal. Es gibt ja bestimmt noch einige Feiern in Zukunft. Viel Spaß euch beiden“ Seine Brüder schenkten ihm ein entschuldigendes Lächeln. „Nacht Kleiner“ „Schlaf schön, und träum nicht von wilden Partys!“ Als Marcel am nächsten Morgen aufwachte, hatte er das Gefühl letzte Nacht gar nicht geschlafen zu haben – seine Augenlider waren so schwer wie die Boxsäcke im Fitnessraum. Ihm schwirrte der Kopf vor Müdigkeit. Der einfachste Weg dieses Problem zu lösen bestand daran sich umzudrehen, und für die nächsten drei Stunden die Augen zumachen. Da berührte etwas Warmes seine Wange. Er kniff die Augen fester zusammen. Er wollte Schlafen. Einfach nur Schlafen. Der warme Druck kam zurück, diesmal etwas bestimmender. „Bist du Wach?“ fragte jemand leise. Es klang sanft und unheimlich vertraut. Mit einem Seufzer schlug Marcel die Augen auf. Ein Weißer schatten verdeckte ihm die sieht auf sein Zimmer. Da war etwas, ganz nah bei ihm. Er spürte einen warmen Luftzug auf seiner Haut. Dylan saß hockend neben seinem Bett, das Gesicht nur wenige Zentimeter von Marcels entfernt. „Guten Morgen, entschuldige dass ich einfach durch dein Fenster gestiegen bin“ Er lächelt geheimnisvoll. Marcel blinzelte zweimal ehe er sich aufrichtete. „Was machst du denn hier?“ „Dich abholen. Das habe ich dir doch versprochen“ Abholen? Was zum Geier ging hier vor? So langsam wurden Marcels Gedanken klarer. Die Erinnerungen vom gestrigen Abend kehrten zähflüssig zurück. Für einen Moment löste er den Blick von Dylan und sah zum Wecker. 7. 51 Uhr. Marcel stöhnte vor entsetzten. Er sprang so schnell auf, das Dylan erschrocken nach hinten kippte. „Gib mir 5 Minuten!“ zischte er während er Blindlinks nach einer Hose und einem Hemd im Kleiderschrank suchte. „Wartet Mephisto auf uns? Oh man, das tut mir echt leid… Mein Wecker… ich habe ihn noch nie überhört. Ehrlich!“ „Kein Problem. Du hast noch ein paar Minuten Zeit. Notfalls überfährt Mephisto eine rote Ampel“ Dylan kicherte. Marcel war die Lust am Lachen vergangen. Als die Klamotten saßen rannte er ins Bad und wusch in eilig sein Gesicht, putze die Zähne und bürstete seine Haare. Für alles andere fehlte ihm die Notwenige Zeit. Er warf ein letztes Mal einen Blick in den Spiegel. Die Katzenwäsche hätte er sich auch sparen können; er so Kaputt aus, wie er sich fühlte. Lautlos ging er in sein Zimmer zurück und hang sich gähnend die Schultasche um. Wenn Dylan nicht wäre, hätte er eiskalt die Schule geschwänzt. Er schaute fragend in seine Richtung. Dylan verstand Wortlos; er stand auf und öffnete das Fenster. Ein Lächeln lag auf seinen vollen, makellosen Lippen. „Wir sehen uns unter“ Und schon sprang er Kraftvoll nach draußen, wo er sicher auf den Füßen im taufrischem Gras landete. Marcel beeilte sich um so schnell wie möglich die Treppe runter zu kommen, seinetwegen wartete Mephisto schon fast eine Viertelstunde. 8. Minuten später packte der dunkelfarbige Lamborghini vor den Toren des Städtischen Gymnasiums in Goathland. Unglücklicherweise hatten sie noch genau eine Minuten Zeit, um in die Klasse zukommen, ehe es zum letzten Mal läutete. Der erste Gong. Sie rannten, entgegen der Schulordnung, durch den Flur. Der zweite Gong. Dylan riss die Klassenzimmertüre explosionsartig auf. Der dritte, und letzte Gong erstarb schließlich. Grade noch Rechtzeit ließ Marcel sich am Fensterplatz neben seinen besten Freund Connor nieder. Dieser schaute anerkennend auf seine Armbanduhr. „So grade noch geschafft, Morsi“ sagte er und grinste verwegen. „Tut mir leid“ keuchte Marcel und schaute kurz über die Schulter; Dylan lächelte ihm von der andern Seite des Zimmers milde an. „Ich habe verschlafen. Dylans… Ähm, Vater… hat mich mitgenommen, sonst hätte ich es echt nicht mehr geschafft“ Anstatt eine nette Bemerkung über Dylans >Vater< zumachen, verfinsterte sich Connor Mine. Der dunkelte Ausdruck in seinen hellen Augen beunruhigte Marcel. „Soso, Dylan“ auch Connor sah zu flüchtig zu Dylans Ecke hinüber, doch diese Geste hatte nichts Freundliches an sich. „Ich mag den Kerl nicht. Echt nicht. Hast du bemerkt wie sehr er sich verändert hat? Anfangs sah er wirklich aus wie ein normaler, 14 Jähriger Junge doch jetzt… ich schätze ihn mittlerweile auf Anfang 16. Er ist unheimlich. Fast die ganze Stufe redet über ihn. Sie fürchten sich, Marcel. Sie denken, er wäre ein… ein… Ach keine Ahnung. Irgendeine Art von Monster halt, auf jeden Fall nichts Normales. Schon alleine wie er aussieht; Seine Haare, seine Haut alles Schneeweiß. Das ist doch nicht gewöhnlich, das ist abnormal. Und an deiner Stelle würde ich nichts mit ihm zu tun haben wollen. Nachher bringt der Kerl dich in Schwierigkeiten“ Abschätzend sah Marcel seinen besten Freund an, anscheinend zu verwirrt um eine Entscheidung zu treffen. Er verzog das Gesicht vor Schmerz als er begriff, dann holte Marcel tief Luft. „Ich mag Dylan“ sagte er ohne Umwege und mit dem sicheren Wissen das dieser ihn hörte. „Er ist für mich kein bisschen komisch, und schon gar nicht ein Monster, oder was auch immer die anderen behaupten!“ „Das heißt, du kennst ihn Persönlich?“ Connor wirkte schockiert. Marcel nickte beinahe trotzig. „Dylan ist einfach nur ein guter Freund für mich. Bevor man ein Urteil über jemanden fällt, sollte man die Person erst kennenlernen. Als ich wegen der Höllenberg-Geschichte Streit hatte mit Jerry, hat Dylan mir kompromisslos zugehört, und sogar versucht mich zu trösten“ Die Türe schwang geräuschlos auf, und die Erdkundelehrerin berat schnellen Schrittes den Unterrichtsraum. Alle Gespräche verstummten augenblicklich; Doch Connors Blick nach zu urteilen war das Thema noch längst nicht ausdiskutiert. Das prophezeite einen harten Tag… Immer wieder stieß er Marcel mit der Fußspitze an, um flüsternd an mehr Informationen zu kommen. „Warte bis zur Pause!“ zischte Marcel die ganze Zeit, doch Connor ließ einfach nicht locker. Nach den Klingen gingen die beiden sofort in die Cafeteria wo Fee bereits sehnsüchtig auf sie wartete. „Na, wie war´s?“ fragte sie lächelnd und eine rote Locke fiel ihr frech ins Gesicht. Die Freunde ließen sich Wortlos gegenüber am Tisch nieder; dabei schauten sie sich noch nicht mal an. „Hey – was ist los? Habt ihr euch gestritten?“ Da sprudelten Marcel und Connor gleichzeitig los. „Marcel ist mit diesen verrückten Dylan aus unserer Klasse befreundet! Das geht mir nicht in den Kopf rein!“ „Dylan ist nicht verrückt!“ verteidige Marcel sich wütend. „Und mit wem ich rumhänge, entscheide ich ja wohl immer noch selber. Anfangs habe ich mich auch unwohl gefühlt, aber jetzt bin ich gerne mit ihm zusammen! An Dylan ist nichts ausgewöhnlich Böses dran. Er ist ein ganz normaler Junge“ „Schon gut, Morsi“ sagte Fee ruhig, derweil sie Marcels Handrücken leicht streichelte. „Mir ist egal was die anderen sagen. Wenn du dich geborgen und verstanden bei einem Menschen fühlst, ist das wichtigste für eine gute Freundschaft. Ich bin deine Freundin“ sie warf Connor einen funkelnden Blick zu. „Und respektier deine Entscheidung voll und ganz“ Doch Connor wollte sich nicht einlullen lassen. Grimmig beugte er sich über den Tisch, um die Zuhörer-zahl so gering wie nur möglich zu halten. „Ich finde diesen Albino trotzdem zum Kotzen!“ „Du musst ihn doch nicht direkt Heiraten! Versuch einfach, mit ihn aus zu kommen“ sagte Fee und schob sich ruhig ein Gabel mit Salat in den Mund. Marcel sagte dazu nichts mehr; tief in der Magengrube versteckte sich seine aufgestockte Wut hervorragend. Das Thema schlug ihn gewaltig gegen die Stirn, außerdem wusste er, das Connor nicht nach geben würde. Genau so wenig wie er selbst. Und deshalb blieb ihm keine Wahl mehr; Er musste jetzt sofort aufstehen, und aus der Cafeteria flüchten ehe der Zorn und die Enttäuschung über Connors Denkweise aus seinem Leib heraus brachen. Der darauf folgende Streit wollte Marcel seinen Freunden nicht zumuten. Ohne zu zögern packte er seine Schultasche und rannte nach draußen auf den Pausenhof. Hier konnte Marcel erstmals durchatmen und entspannen. Langsam regte er den Kopf Richtung Himmel, öffnete den Mund weit und zog die frische Luft bis in die letzen Winkel seiner Lunge ein. Endlich Ruhe. Er wollte nur alleine sein, und nachdenken ohne das ihm ein duzten Augenpaare auf Schritt und Tritt folgten. Für ihn stellte Dylan keinerlei Problem da, im Gegenteil, aber wenn sein bester Freund den Dämon hasste, könnte das ganze unangenehm werden. Beide möchte Marcel, beide wollte er nicht verlieren. Aber das war so schwer die zwei unterschiedlichen Jungen zusammen zubringen, wenn eine Partei so verbohrt war! „Hey schaut mal, ist das nicht das Kleinkind aus der achten Klasse? Unser kleines Lieblings Opfer?!“ „Was? Achte Klasse sagst du? Das glaube ich nicht. Niemals! Die Puppe könnte doch grad mal für 12 Jahre durchgehen, wenn überhaupt…“ „Ihhh! - aber diese Klamotten sind ja grauenvoll! Einfach nur schrecklich. Arbeitet die nebenbei auf den Kinderstrich, Felix? Frag mal, wie viel das Baby die Stunde kostet“ „Seid ihr alle blind? Das ist ein Junge! Um genau zu sein, ist dass das Sandjoé-Balg…“ Rasch für Marcel herum. Nicht weit von ihm entfernt standen Felix, und sein anhängliches Klüngel im Schatten des großen Schulgebäudes. Die Clique bestand aus vier stämmige, überheblich wirkende Jungen, und drei aufgebrezelte Mädels; Zentimeterdicke Make-up-Schichten verwandelten ihre Gesichter in starre Masken. Sie alle grinsen Marcel ziemlich provokant an, dem Anschein nach waren sie auf Ärger aus… In geschlossener Formation, und stark an Löwen erinnernder Gangart kamen die Sieben Schüler auf die Mitte des Pausenhofenes. Einige jüngere Gymnasiasten sprangen ihnen erschrocken aus dem Weg, als sie sie näher kommen sahen. Neben Daimons Gruppe verursachten diese Jungen und Mädchen den meisten Ärger innerhalb der kleinen Stadt. Unzählige Diebstähle und Schlägereien vor angesagten Diskotheken gingen auf ihr Konto, womit sie sich den Ruhm einer harten Bande erarbeitet hatten. Marcel ging einen halben Meter nach hinten. Die Sechs Schläger und Felix an der Front jagten ihm ungemein Angst ein; Gegen Felix alleine und einer Überzahl an Schülern im Rücken, traute er sich weitaus mehr zu. Doch jetzt… so ganz alleine… zitterten Marcel die Knie. Grinsend trat der größte der Truppe auf ihn zu. Der große Junge trug eine normale Bluejeans, ein brauner, leichter Pullover mit V-Ausschnitt und dazu moderne Sneakers. Sein Name lautete Gregor. „Ei ei, was haben wir denn da? Eine frische Lieferung vom Kinderpuff! Grüß dich Marcel“ Seine Freunde lachten höhnisch auf während Marcel rot anlief, aber nichts auf den Angriff erwiderte. Wenn er still blieb verloren die Schläger vielleicht das Interesse an ihm, und zogen ab ohne blutige Zwischenfälle im Vorfeld. „Was ist denn los Blondie?“ fragte plötzlich eines der Mädchen an Felix´ Seite. Mit ihren rot lackieren Krallenfingern strich sie sich ein lockige, braune Haarsträhne hinters rechte Ohr. „Hat es dir die Sprache verschlagen, oder bist du einfach nur Mega Schüchtern?“ Kapitel 9: Die Hitzeperiode 2 - Eine böse Überraschung ------------------------------------------------------ Marcel spürte, wie langsam Zorn in ihm hochkochte. Wütend kniff er die Lippen zusammen damit er nichts Freches sagte, was ihn hinterher in Schwierigkeiten bringen würde. So hilflos fühlte er sich nicht grade wohl in seiner Haut. Blöde Truppe, noch blöderer Zufall; jetzt hätte Marcel ein paar coole Karatetricks bitter nötig gehabt. „Ah!“ rief das zweite Mädchen aus der Clique schrill – eine schlanke Blondine mit endlos langen Beinen - und zerrte heftig an den Ärmel ihrer Freundin. „Guck mal, Guck mal! Ich glaube, das Baby rastet gleich aus. Er kriegt schon einen ganz roten Kopf. Jetzt wird’s lustig!“ Das Mädchen neben ihr kicherte gespenstig. Im Gegensatz zu den anderen beiden umgarnte sie eine Mysteriöse, geheimnisvolle Aura. Von den drei weiblichen Personen saß sie noch am natürlichsten aus. „Der Kleine ist also der Jüngste von den Sandjoés? Mmm, er sieht seinen Brüdern ja nicht wirklich ähnlich… Viel zu Mager und zu Schmächtig, wenn ihr mich fragt. Die Zwillinge sind da schon ein anderes Kaliber, mit ihnen würde ich mich nicht anlegen!“ Die Wut in Marcels Bauch erreichte ihren Siedepunkt und loderte heiß in seiner Kehle auf. „Warum kommt ihr den immer zu mir!?“ rief er. Und dann lauter als zuvor. „Ihr seid wohl zu feige um stärkere Schüler wie Daimon oder Kim in die Quere zu komme. Denn sie würden euch mit Leichtigkeit in Stück reißen! Aber ich – ich bin ja ein leichtes Opfer; ich kann mich mit 14 Jahren nicht gegen einen Haufen Siebzehnjähriger Idioten wehren!“ Gregor brüllte vor Zorn auf. Die Menge von Schülern wich Blitzschnell zurück. „Feiglinge?! Wir? Ich glaube es hackt – Schau mal in den Spiegel, dann siehst du einen Feigling, du kleiner Bastard!“ Mit einem Hechtsprung landete Marcel vor Gregor und funkelte ihn mordlustig an, das Gesicht Magnetrot glühend. „Ach ja!!“ schrie er schrill zurück. Marcel konnte sich nicht erklären woher er auf einmal all den Mut nahm, aber es fühlte sich wahnsinnig gut an. „Wenn ihr wirklich drauf so Kess seid, warum vergreift ihr euch den immer an deutlich jüngere? An kleine und schmächtige Schüler die euch bei weitem unterlegen sind. Nur solche verprügelt ihr, oder klaut ihnen das Geld fürs Mittagessen. Das sind alles feige und unfairere Kämpfe – wo euch der Sieg sicher ist. Das nennst du mutig? Ich nenne das Erbärmlich!“ Marcel spürte sofort, dass er etwas ganz schrecklich gesagt haben musste, den Gregor kugelten fast die Augen aus dem Kopf. Seine Hand schoss nach vorne wie eine Gewehrkugel, doch Marcel hatte bereits mit so etwas in der Art gerechnet, und sprang Katzenhaft in Sicherheit. Die Zuschauer hielten stockend den Atem an; fast die ganze Schule hatte sich hier und jetzt zusammen gefunden. „Lauf weg! Die bringen dich um!“ kreischte eine winzige Fünftklässlerin, die Finger entsetzt vor den Mund geschlagen. Ein dumpfer Schlag ließ die Luft erzittern; ein paar Schüler schrien gleichzeitig während Gregor wie wild aus trat, und seinen Schuh in Marcels Margen rammte. Der unerwartete Schlag schleuderte den Kleinen durch die Luft ehe er hart im Gras aufprallte. Vor seinen Augen verschwamm alles… Der Schulhof, Felix, die Erde unter seinen Händen, die kreischende Meute an Gymnasiasten sowieso. Marcel blinzelte kurz; Durch einen langen Tunnel sah er noch eine in Flammen gehüllte Gestalt auf sich zukommen, dann überfiel ihn die Dunkelheit mit aller Macht und jedes Geräusch verstummte. Der Schmerz im Magen ließ glücklicherweise nach. Langsam tauschte er in die Kälte ein… „Marcel! Marcel! Oh nein. Bitte - Mach die Augen auf“ „Fee, beruhig dich, alles wird gut…“ sagte Connor, und drehte sich auf den Absätzen zu den Schaulustigen um. „Warum stehen hier alle so Blöd rum – Wenn uns schon keiner hilft möchte, muss wenigstens jemand den Krankenwagen rufen! Sofort!“ Im Hintergrund ertönten die Geräusche von hektischen Fußgetrampel. Die Schüler wuselten in alle Richtung davon; einige rannten zum Lehrerzimmer, die anderen in die Klassenräumen wo ihre Handys lagen. Einen Wimpernschlag später war der gesamte Pausenhof wie leer gefegt, nur eine zerbeulte Coladose rollte klappernd über den Asphaltboden. Dies war das einigste Geräusch weit und breit, ansonsten drückte sich eine gespenstige Stille auf jedes Trommelfeld in der Umgebung. Leise hockte sich Connor neben Fee und streckte eine Hand nach ihrer Schulter aus, die Finger streichelten leicht über die sanfte Haut. Als Antwort schniefte sie leise. Behutsam hatte sie Marcels Kopf in ihren Schoß gebettet um sich notfalls wie ein Schutzschild über ihn werfen zu können. „Er blutet“ flüsterte Fee. „Am Kopf ist eine mittelgroße Wunde, die er sich sicher beim Sturz geholt hat. Die Erde ist schließlich kein Sofakissen, und der Rasen hat den Aufprall nicht sonderlich gedämpft – ah!“ Sie hielt kurz die Luft an, und schloss in stiller Verzweiflung die Augen. Ihre Nasenflügel bebten leicht im Wind. „Ich spüre sein Blut auf meinen Oberschenkeln laufen, ganz warm und nass ist es. Wenigstens liegt er nicht mehr auf dem Boden, wenn sich die offene Stelle an seinem Kopf entzündet, ist er arm dran. Und das ist mein Ernst. Das tut nämlich höllisch weh; auf Hawaii habe ich mir neulich einen Splitter in den Daumen geschlagen, der sich dann wenig später entzündete. Die reinste Tortur war das! Dachte, der Arzt schneidet mir den Daumen ab…“ – Plötzlich geriet Fee ins schwanken, eine jähe Übelkeit überkam sie - “Connor, langsam wird mir schlecht – ich kann kein fremdes Blut sehen!“ Als Connor die Arme grade um ihre Hüfte schloss kam eine Person auf sie zu, die allesandere als glücklich dreinblickte. Dylan schaute die beiden mit derselben besorgten Mine an, wie sie ihn. In diesem Moment verstanden sie sich Wortlos. „Ich habe gehört was passiert ist…“ sagte Dylan ziemlich monoton. „Und die Schuldigen haben sich natürlich unbemerkt aus dem Staub gemacht. Feiges Dreckspack, wenn ich die in die Finger bekomme sind die erledigt!“ Trotz der harten Worte zeichnete sich eine Spur von Bitterkeit in seinen Augen ab. Aber Dylan behielt in der Tat recht; Von Felix und seiner skurrilen Clique war auf einmal nichts mehr zusehen. Irgendwie musste sie bei der ganzen Panik untergetaucht sein. Er beugte sich über Marcels Gesicht. Seine Stimme klang ganz fachmännisch. „Ich denke, Marcel hat eine leichte Gehirnerschütterung erlitten wenn man die dicke Beule am Hinterkopf in betrachtet zieht. War er bis jetzt schon mal bei Bewusstsein?“ Connor und Fee schüttelten beklommen den Kopf. „Marcel..? Marcel?! Bist du wach? Kannst du mich hören?“ Aber natürlich bekam Dylan keine Reaktion. Ein paar Mal berührt er Marcels Wangen, die so Weiß waren, wie die Uniform der Schulschwester. Dann seufzte er kurz. Allmählich beschlich Dylan das sichere Gefühl einen persönlichen Schützling gefunden zu haben. Und das meinte er wirklich ernst. Am liebsten wäre er Tag und Nacht an Marcels Seite geblieben, aus Angst ihn stieße etwas zu. Die heutige Welt war einfach viel zu gefährlich und brutal für einen zartbasierten Jungen wie Marcel! „Am besten bringen wir ihn sofort hoch ins Krankenzimmer. Soweit wie ich mit bekommen habe, ist der Krankenwagen schon alarmiert“ sagte Dylan. Da verschwand auf einmal der Boden unter Marcel, seine Beine flogen wie bei einer Schlenkerpuppe umher, bis sein ganzes Gewicht schließlich auf Dylans Armen lastete. Haltlos kullerte sein Kopf hin und her, schlug sachte an die Schulter seines Freundes. „Hey, Warte!“ rief Connor. „Wenn er eine wirklich eine Gehirnerschütterung hat, dürfen wir ihn nicht bewegen!“ Doch Dylan ignorierte ihn, und war bereits an der Eingangstüre der Schule angelangt. Grelles Strahlen blendete Marcel als er die Augen aufschlug; vom Fenster her fiel helles Sonnenlicht auf ihn herab. Mit schwächelnder Kraft hob er die Hand und schützte sein Gesicht. Bei der Bewegung streifte sein Arm etwas Weiches und Warmes, vorauf er sich befand, es fühlte sich wie eine Decke an. So langsam erwachte neben seinen Geist, auch sein Gedächtnis. Die letzten Momente seiner Erinnerungen kehrten Zähflüssig wie Haferschleim zurück. Felix, und seine Freunde die ihn gehänselt hatten, die ganzen Schüler auf den Pausenhof, der Fußtritt in den Margen von Gregor… Das hier müsste entweder das Krankenhaus sein, oder das Krankenzimmer des Gymnasiums. Marcels Hand erlahmte und blieb nicht länger in die Luft hängen, doch kurz vorm Zusammenprall mit der Matratze fing sie jemand auf. Er drehte seinen Kopf zur Seite, aber nur ganz leicht und langsam, weil es weh tat. Neben dem Bett saß Dylan. Seine Finger hatten sich um Marcels Hand geschlossen. „Hey…“ er neigte seinen Körper leicht über die Bettkante „Wie schön das du endlich wach bist. Alle haben sich schon sorgen um dich gemacht“ „Was meinst du mit alle?“ fragte Marcel träge. Das Reden fiel ihm noch sehr schwer; ein betäubendes Gewicht drückte seine Zunge platt. „Fee Ledoux und Connor Lowery…“ „Das sind >AlleGhost Busters< beginnen. Keiner der Familienangehörigen von ihren geheimen Plan Notiz. Marcels Abwesenheit war den Zwillingen sowie nur Willkommen – das dachte zu mindestens er. Nach Sonnenuntergang klopfte es zaghaft an Marcels Zimmertüre und sein Kopf flog schmerzhaft aus allen Gedankenwolken. „Ja?“ rief er halblaut zurück, und schaffte es grade noch den Rucksack mit den Taschenlampen und dem Ersten-Hilfekasten unter seinem Bett zu verstecken. Als sich die Türe geräuschlos geöffnet hatte, erschien Kims Kopf ihm Spalt. Er lächelte ein kleinwenig und seine Augen funkelten schalkhaft. „Hi Blondie!“ rief er, schlenderte gelassen ins Zimmer und ließ sich neben Marcel auf den Fußboden nieder. „Wie geht es dir?“ Verwundert zog der Kleine die Stirn kraus. Woher kam dieser plötzliche Sinneswandel? Die ganzen 3 Wochen in denen Jeremy schon weg war, hatten sie kein einziges Mal nach seinem Befinden gefragt. „Gut. Wieso fragst du?“ „Nur der Notwendigkeit halber. Wir – das heißt Daimon, Kuroro und ich wollten nachher ein bisschen um die Häuser ziehen. Möchtest du nicht mitkommen?“ Kim zwinkerte mit dem goldenen Auge. „Jetzt wo wir Sturmfrei haben, wollten wir dich gerne auf eine Tour mitnehmen. Das bleibt natürlich unter uns. Na was sagst du?“ Dazu sagte Marcel gar nichts. Seine Zähne schienen wie auf einander festgeklebt; Das war das erste Mal das die Zwillinge ihn – ihn Marcel – dabei haben wollten, und er ging auf Geisterjagd. Enttäuscht senkte er den Blick auf seine Knie. „Ich kann leider nicht“ murmelte er traurig. „Heute Abend bin ich schon mit Fee und Connor verabredet“ „Oh…“ das klang aufrichtig überrascht. „Dann sag ihnen doch einfach ab. Ich kann nicht garantieren das ich Daimon noch einmal dazu überredet bekomme, dich mit zunehmen“ Doch Marcel schüttelte den Kopf. Am liebsten hätte er sich selbst geschlagen. Hätte er heute Morgen doch einfach die Klappe gehalten. „Tut mir leid… es geht nicht. Ich will die beiden nicht versetzten“ „Na gut, wie du willst“ sagte Kim dessen Stimme sich sofort wieder kühl und unnahbar anhörte. „Es ist deine Entscheidung, mit wem du deine Zeit verbringst“ – er stand geschwind auf und taxierte Marcel mit einen frostigen Blick – „Aber sieh zu das eher zu Hause bist als wir 3, ansonsten darfst du in der Garage schlafen“ Damit war Kim verschwunden und die Türe flog laut in die Angel zurück. Zornig und enttäuscht zugleich schaute Marcel seinen Bruder hinterher. Wenn es an ihm legen hätte, wäre es sofort dabei gewesen, aber es ging einfach nicht. Er wollte seine Freunde nicht alleine lassen. Rasch tauschte Marcel seine Klamotten gegen einen dunkeln Pullover und schwarzer Jeans ein, ehe er sich beklommen an den Schreibtisch setzte, und darauf wartete dass die Zeit schneller verging. Doch fiel seit zum grübeln blieb ihn nicht mehr. Sein Wecker zeigte schon zwanzig vor Neun an. Wenn er pünktlich am Treffpunkt sein wollte, musste er so langsam mal los gehen. 10 Minuten später holte er sein Fahrrad aus der Garage und fuhr mit klapperden Zähnen zum Höllenberg. Der eisige und feuchte Wind trieb ihm die Röte ins Gesicht, und die Tränen in die Augen. Noch nicht mal einen Hund setzte man bei diesem Wetter vor die Türe, aber Hauptsache die Zwillinge und Kuroro machten sich unter diesen Umständen einen netten Abend. Nur äußerst widerwillig konnte Marcel sein Unmut verbergen, wie gerne er doch dabei gewesen wäre! Auf der Straße war es Leichenstill, nicht ein einziger Fußgänger begegnete ihm auf dem Weg. Sein Inneres zog sich leicht zusammen, als er hoch in den Himmel schaute. Dicke Gewitterwolken verweigerten ihm die Sicht auf Sterne und Mond. Mit einem Gefühl im Magen, als würde die jeden Moment Welt untergehen, fuhr Marcel schneller. Bloßes Frieren war die eine Sache, dabei jedoch von Regen bis auf die Knochen durchgeweicht zu sein, eine andere. Kurz nach 21 Uhr erreichte Marcel die Jansonstreet, und stellte sein Rad am Bürgersteig ab; Von Connor und Fee weit und breit noch nichts zusehen. Er seufzte. Sie hatten sich wohl verspätet. Während Marcel auf seine Freunde wartete, braute sich über seinen Kopf ein richtiges Unwetter zusammen. Die Wolkendecke wurde immer dunkler, und bald fielen die ersten Tropfen vom Himmel. Nach mehr als 15 Minuten knirschte Marcel wütend mit den Zähnen, immer wieder schaute er auf sein Handy, aber Fee und Connor ließen nichts von sich hören. Mit seiner Laune, sank auch die Temperatur merklich. Im Stillen schoss er ein Gebet in den Himmel; wenn seine Freunde ihn schon warten ließen, so sollte wenigstens das Wetter mitspielen! „Noch so später unterwegs?“ fragte plötzlich eine Samtweiche Stimme hinter Marcels Rücken. Verwundert, dass ihn jemand in dem Viertel der Superreichen ansprach, drehte Marcel sich voller Misstrauen um. Da im Regen stand eine schmächtig wirkte Person mit einem riesigen Schirm in der Hand, diese ihn mit großen, rot glühenden Augen musterte. Eine Welle an schönen, und weniger schönen Erinnerungen stürze auf ihn ein. Dieses engelsgleiche, perfekte Gesicht mit den großen, runden Augen hätte er selbst aus 100 Metern erkannt. Ein leichter Windstoß setzte Mephistos schwarz-glänzendes Haar in Bewegung, so das einzelne Strähnen seinen Makellosen Körper streiften. Der Dämon machte einen Schritt nach vorne, sodass der Schirm Marcel auch Schutz vor dem Regen bot. „Du wartet also auf deine Freunde?“ Mephisto lächelte eine Spur zu verschmitzt. Seine Fangzähne funkelten bedrohlich „Sie werden bei dem Unwetter garantiert nicht kommen. Möchtest du nicht eine Weile rein kommen, und dich aufwärmen?“ Ohne die Antwort abzuwarten, griff er nach Marcels Hand und zog ihn auf die andere Seite der Straße. „Ich spüre dein Gefühlschaos“ sagte Mephisto nüchtern. „Und du bist nur zu recht verwirrt“ – er blieb stehen und schaute mit glänzenden, unergründlichen Augen auf ihn herab – „Dylan und ich wohnen in der alten Villa“ Normalerweise wäre Marcel vom Glauben abgefallen, aber eigenartigerweise konnte er sich nicht konzentrieren. Die bloße Tatsache dass der Teufel ihn so einfach, so automatisch berührte versetzte seine Gedanken in Trance. Wo ihre Finger aufeinander trafen, brannte die Haut wie Feuer. Der zusätzliche Schmerz vernebelte Marcels ohnehin schon abgestumpften Sinne noch mehr. Obwohl Mephisto sein geistiger Nervenzustand wahrnahm, ging nicht auf Marcel ein und ließ das Thema fallen. Behutsam zog er den Kleinen zur Villa und öffnete die Wohnungstüren. Sobald das Licht brannte drückte Mephisto sein Findelkind ins Wohnzimmer. „Du tropfst… Bei deinem schlechten Immunsystem bist morgen du krank“ bemerkte er kühl, und redete solange auf Marcel ein bis er ausgezogen, in einem Bademantel gewickelt auf der Couch saß, und einen Kakao schlürfte. „Danke“ sagte Marcel ein wenig verlegen als sich Mephisto mit einer zweiten Tasse Kakao neben ihn setzte. „Nur weil du es bist. Jeden anderen, hätte ich da draußen stehen gelassen“ antworte der Dämon brutal ehrlich, und trank einen Schluck mit gestürzten Lippen. „Ich nehme an, ihr Kinder wolltet ein bisschen rum schnüffeln? Wissen wer hier wohnt? Oh nein Marcel, du brauchst mir nichts erklären - Ich kann ja deine Gedanken lesen. Aber ich finde es nicht schlimm, dass ihr sowas macht. In euerem Alter ist man halt neugierig. Ist dir immer noch kalt, du Biberist ja?“ Zitternd blickte Marcel hoch. Er wusste nicht, ob Mephisto tatsächlich die Wahrheit sagte, wenn er behauptete es störte ihn nicht. Was, wenn er log hatte und in Wirklichkeit vor Zorn kochte? Als Marcel trotzdem nichts sagte, ergriff Mephisto die Initiative und legte den Arm über seine Schulter. „Besser so?“ „Ähm… ja… Danke. Sie - ich meine, Du bist echt nicht böse das meine Freunde und ich hier geglotzt haben“ „Nein, wenn ich was sage kannst du mir in der Regel glauben“ „Okay“ Immer wieder fielen ihm beim Sprechen die Augen zu. Er hatte in den letzten Nächten sehr schlecht und vor allem sehr wenig geschlafen. Aber das half ihm nicht. Gar nicht. In Mephistos Obhut wollte er kein Nickerchen machen, obwohl er es gut gebrauchen konnte. Er war Hundemüde. Und die Hand in seinem Nacken fühlte sich so warm, vertraut und auch irgendwie tröstlich an. Endlich mal jemand, der sich um ihn kümmerte. Eigentlich fühlte sich Marcel bei Mephisto gar nicht so unwohl; Die leichte Berührung tat ihn unheimlich gut. „Marcel…? Schläfst du?“ Mephisto beugte sich leicht über ihn und kniff ihn kräftig in die Wange. Mit einem Schlag saß Marcel wieder kerzengrade. Einen kurzen Moment fragte er sich, ob der Teufel noch alle Tassen im Schrank hatte. „Aua! Was soll das denn?“ motzte Marcel, und schaute seinen Nachbarn vorwurfsvoll an. Dieser zuckte jedoch ungerührt mit den Schultern. „Ich wollte nur verhindern dass du wegknickst. Und beschwer dich bloß nicht, normalerweise verteil ich mittelharte, quer durch die Fresse gezogene Ohrfeigen“ Selbst Marcels Lippen wurden weiß. Er sprang vom Sofa, und stolperte im nächsten Augenblick über einen Fußhocker; danach knutschte ihn erst mal der Boden. Sich schüttelnd vor Lachen stand Mephisto auf, und zog mit eleganten Schritten in die Küche ein. „Du Dummerchen“ kicherte er höhnisch. „Ich sagte normalerweise. Dir krümme ich nicht mal ein Haar, wo mein Dylan dir doch so nahe steht!“ Es hörte sich so verdammt ehrlich an, dass sich Marcels bereits heißen Wangen nur noch dunkler färbten. Scheu schlug er die Augen nieder, und brummelte für sich: „Alle Dämonen in meiner Umgebung drehen durch…“ „Was hast du gesagt, Kleiner?“ rief Mephisto von der Küche aus. Er hatte ein spitzenmäßiges Gehör, mit dem er sogar die Flöhe husten hörte. „Alle Dämonen um mich herum, benehmen sich in der letzen Zeit komisch“ Nun, da es interessant wurde, kam Mephisto wieder ins Wohnzimmer und stellte eine randvolle Kanne mit Kakao und einen Tellerkekse in die Mitte des Tisches. „Wie meinst du das?“ fragte er ruhig, doch mit unüberhörbarer Neugierde. Das Antworten fiel Marcel sichtlich schwer, da er nicht wusste, wie viel er von seiner Privatsphäre preis geben konnte. „Daimon – einer meiner großen Brüder, mit denen ich zusammen lebe, und der ebenfalls ein Dämon ist – hat mir neulich erklärt das sie sich während Meiner Pubertät verändern. Dass ihre Hormone verrücktspielen, und dass sie eigenartige Dinge tun“ Zugleich prustete Mephisto in seinen Kakao, hüstelnd stellte er die Tasse ab und betrachtete Marcel belustigt. „Ach, das hat Daimon wahrhaftig gesagt?“ sein gut gemeinter Sarkasmus trat deutlich hervor. „Dann muss ich seine Aussage aber mal schleunigst korrigieren; Das einzige Hormon das bei ihnen zurzeit heiß läuft, ist das männliche Geschlechtshormon Testosteron. Bei Frauen wären das natürlich die Östrogene, aber das tut jetzt wenig zur Sache. Um es kurz und knapp für dich zusagen; Deine Geschwister sind dauergeil! Sie wittern die Veränderung deines Körpers während der Pubertät. Für die Reifung benötigt der menschliche Organismus eine Vielzahl an verschiedenen Hormonen. Insbesondere erhöht sich die Produktion der Sexualhormone, die du non Stopp unabsichtlich in die Luft schleuderst. Die feinen Sinne deiner Brüder reagieren genau so unbewusst darauf, und das Verlangen überkommt sie. Diese Zeit nennen wir auch Hitzeperiode. Da vergessen Dämonen einfach alles; Hunger, Durst, Schmerz, gute Manieren und sogar Verwandtschaft. Du kannst froh sein, das sie dich noch nicht angefasst haben…“ Auf der einen Seite war es beschämend die ungeschönte Wahrheit aus Mephistos Mund zuhören, dem Verführer der Menschheit. Doch anderseits war Marcel sehr froh darüber dass ihn endlich jemand befriedigend aufklärte. Fürchteten, oder Schämten sich seine Brüder dafür? Hatte sie Angst, die Kontrolle über ihren Verstand zu verlieren, dass sie ihm wichtige Details verschwiegen? Marcel konnte sich keine Antwort geben. Und dann kam ihm urplötzlich eine Situation in den Kopf geschossen, die er auf einmal in einem ganz anderen Licht sah; er erinnerte sich an dem Tag zurück mit Daimon alleine zuhause, wo sie gemeinsam auf der Couch saßen. Als Daimons Hand langsam den Reißverschluss seines Oberteils öffnete, hatte er ihn vorher was gesagt, oder vielmehr gefragt. „Soll ich dir zeigen was passen kann, wenn du willst?“ Die Zweideutigkeit dieser scheinpaar harmlosen Frage trieb Marcel den Schweiß auf die Stirn; Damit hatte sein Bruder nicht auf seinen Blutdurst angespielt, sondern…- Nein, denk nicht weiter, mahnte sich Marcel in Gedanken, das ist doch Schwachsinn. Daimon hasst mich wie die Pest. Da gab es keinen Platz, für andere Gefühle… „Bist du dir da sicher?“ antworte Mephisto flüsternd auf seine lautlose Frage. Seine roten Augen schienen noch größer zu sein als vorher. Ihr inneres pulsierte wie eine unruhige Flamme. Innerhalb von einer Minute erlebte Marcel dann seinen zweiten Geistesblitz; Mephisto war auch ein Dämon und stand unter dem Einfluss der Hitzeperiode! Mittlerweile schien jeder Tropfen Blut aus seinem Gesicht gewichen. Krächzend richtete er sich auf, und ging ein paar Schritte Rückwerts. Die Falle hatte soeben zugeschlagen, jetzt saß Marcel ganz tief in der Grube. „Was auch immer du mit mir vorhast“ sagte er betont langsam. „Jeremy würde dir dafür die Zunge rausreißen“ „Ich sehe deinen Jeremy hier aber nirgendwo“ erwiderte Mephisto genauso langsam. Ein wahrhaftig unmenschlicher Zug huschte über sein sonst so schönes Gesicht. „Und hast du auch schon mal an Dylan gedacht? Was würde er sagen, wenn du dich an einem Kind vergreifst?“ „Garnichts, denn er wird es nie erfahren“ Noch immer unsicher auf den Beinen wankte Marcel zur Türe, doch schon im nächsten Moment knickten sie seitlich unter seinem Gewicht weg. Der Kopf tat ihm entsetzlich weh – was nach dem Aufprall mit dem Boden auch nicht wirklich sonderbar war - auch das Gedenken fiel ihm zunehmend schwerer. „Bitte…“ wimmerte Marcel verzweifelt. Seine kraftlose Zunge hatte arge Probleme die Wörter zu formen „Tu es nicht! Tu es nicht…“ Doch tief in seinem inneren wusste Marcel schon, das Bitten und Betteln keinen Sinn hatte. Man würde ihn nicht verschonen. Dieses Monster war es gewohnt seinen Willen mit allen Mitteln, und Wegen durch zusetzten. Als Mephisto auf Marcel zukam verzogen sich seine Lippen zu einer angsteinflößenden Grimasse. „Ich habe kein Mitleid, Kleiner“ sagte er und versuchte es mit einem entschuldigenden Lächeln. „Aber ich werde dir nicht weh tun… oder es zu mindestens versuchen“ Sich zu Boden hockend schob er seine Arme unter Marcels bewegungsunfähigen Körper, und zog ihn den Bademantel von den Schultern. „Entspann dich einfach. Umso leichter ich es habe, umso eher bist du von deinem Leid erlöst“ Ein heiseres Stöhnen verließ Mephistos Mund; wie sehr dieses Spiel sein Blut doch in Wallung brachte! Es war etwas, das er kannte, das er verstand weil es ihm gut tat. Seine ganze Persönlichkeit verschwand indem sich sein Gehirn ausschaltete, und der Dämon in seiner Brust die Oberhand gewann. Es kostete ihn alle Willenskraft ruhig zu bleiben, und nicht wie ein unzivilisierter Kleinstadtdämon über sein Opfer herzufallen. „Ich bitte dich, hör auf bevor es zu spät ist!“ rief Marcel nun etwas kräftiger und klammerte sich mit beiden Händen am Teppich fest. Er war zwar nur ein Mensch, aber einer in Panik und hatte Angst vergewaltigt zu werden. Nachdem er sich zweimal gegen Mephistos Brust geworfen hatte, ließ er ihn los, und Marcel gelang es in den Flur zustürzen. Wie in Trance setzte sich ein Bein vor das andere, immer weiter und weiter. Als er endlich die Türe erreicht hatte, und den Knauf in der Hand hielt, traf ihn aus heitern Himmel ein Schlag. Nur ein Schlag? Ein Schwinger, schleuderte seinen Kopf nach vorne gegen das Massivholz der Türe und veranlasste Marcel dazu, benommen zu Boden zustürzen. Er merkte, wie Blut durch sein Haar lief, über sein Gesicht floss und ihn die Sicht raubte. Doch er war zu betäubt um den dazugehörigen Schmerz wahrzunehmen. Im Bruchteiler einer Sekunde stand Mephisto über ihn; Sofort hob er den Fuß, und trat dann mit voller Kraft auf Marcels Bein. Zuerst spürte er nur das abscheuliche krachen der brechenden Knochen, und dann drang endlich der Schmerz durch sein vernebeltes Bewusstsein. Damit prallen alle Einflüsse gleichzeitig auf Marcels Gehirn, und er konnte nicht mehr anders als laut zu schreien. Dabei platze ihm fast die Lunge aus der Brust, aber er konnte gar nicht mehr aufhören mit dem Kreischen. Alles drehte sich, und Marcel konnte nicht mehr richtig Atmen. Schon seit Jahren Lid er unter Asthma und es war nur eine Frage der Zeit, wann er der erste Anfall bekam. Mittlerweile war ihm Kotzübel. Kleine, schwarze Punkte tanzen vor seinem geistigen Auge. Bald würde er das Bewusstsein verlieren… „Hast du geglaubt, ich lasse dich abhauen bevor ich meine Lust an dir gestillt habe?“ Ein wütendes Fauchen drang aus Mephistos Mund. „Ich bin nicht der Gute in dieser Geschichte!“ Und dann stürzte er sich mit einem Schrei der einen das Blut in den Adern gefrieren ließ, auf Marcel. Weinend erwachte Marcel aus einem tiefen, unruhigen Schlaf. Irgendetwas hatte ihn geweckt; vielleicht die salzigen Tränen auf seinem Gesicht, oder aber das unkontrollierte Pochen seines Herzens. Eins von beiden. Kalter Schweiß ran aus allen Poren und benetzte Marcels gesamten Körper; Jeder einzelne Zentimeter Haut brannte, jeder Knochen schmerzte und jeder noch so kleine Muskel war verkrampft. Aber er wagte es nicht die Augen zu öffnen, aus Angst er sähe die Person die ihm die Nacht lang gequält hatte. Sein ganzes Leben zerbrach vor seinem geistigen Auge, wie ein zersplitternder Spiegel: Missbrauch von einem Dämon! Er wusste nicht mehr genau, wann er das Bewusstsein verloren hatte, doch im Nachhinein kam es ihm wie die langersehnte Erlösung vor, denn Mephisto verletzte ihn entgegen seinem Versprechen. Immer wieder, und ohne Reue tat er Marcel Gewalt an. Seine Augen füllten sich von neuem mit Tränen. Er schlunzte leise, und schluckte hart doch da war nichts in seinem Mund, das er hatte runter würgen können. Das Schamgefühl verschnürte ihn die Kehle, drohte ihn zu ersticken. Schließlich ein Klopfen holte Marcel in die Realität zurück. Verwirrt riss er die Augen auf, und starrte an eine weiß, gestrichene Decke. An seine Zimmerecke. Wie konnte das sein? Was war hier los?! Wie in drei Teufelsnamen kam er in sein Zimmer zurück? Es gab tausende Möglichkeiten, doch eine noch absurder als die andere. „Darf ich reinkommen, Marcel?“ Augenblicklich lief es ihm kalt den Rücken runter, und ein kühler Hauch ließ die Haut an den Unterarmen kribbeln. Das war nicht Mephistos Samtstimme, sondern Kileys. Marcel spürte wie sich seine Haut unangenehm zusammen zog. Das beklemmende Gefühl machte erst in seiner Brust halt, einen Moment lang konnte er nicht richtig atmen. Kim öffnete die Türe und warf Marcel einen verwunderten Blick zu. Eine kleine Falte erschien auf seiner makellosen Stirn. „Was liegst du auf den Boden rum? Du hast doch ein Bett, wo drin du schlafen kannst“ Ein monotones Stummen halte im Raum wieder, wurde immer lauter. So langsam begriff Kim dass etwas nicht in Ordnung war; Die Luft roch nach Angst und das grauenerfüllte Gesicht seines Bruders, ließen Kims Sinne rotieren. Er atmete schneller, flacher. Das Keuchen drang bis in den letzten Winkel seines Gehirns. Etwas war passiert, jemand hatte Marcel trotz ihrer Anwesenheit verletzt! Mit einem Satz war Kim an seiner Seite. Das Denken erlahmte, seine Instinkte rückten in den Vordergrund und übernahmen die Führung. „Hey Marcel… was ist los? Warum antwortest du mir nicht?“ „Sag´s du mir…“ antwortete Marcel schwach. Behutsam drehte er den Kopf in die Richtung seines Bruders. „Ich weiß nicht genau, aber du bist die ganze Zeit lang hier gewesen. Vor einer halben Stunde haben wir doch mit einander gesprochen, weißt du das nicht mehr?“ „Nein“ sagte Marcel beharrlich. Das Denken wurde leichter, die Erinnerungen klarer. Sein Verstand regenerierte sich von dem Schock. „Ich bin doch mit dem Fahrrad weggefahren, weil ich mich um kurz vor 21 Uhr mit Fee und Connor treffen wollte“ „Es ist grade mal 19.50 Uhr“ Kims Augen weiteten sich. Die Falte in seiner Stirn grub sich tiefer in die Haut. „Seit ich hier oben war, hast du dein Zimmer nicht mehr verlassen. Sicherlich bist du eingeschlafen, und hattest einen Alptraum. Einen Besucher können wir auch ausschließen, in unser Haus kommt keiner rein ohne dass wir – Daimon oder ich - es merken“ Kapitel 10: Geheimnisse ----------------------- Eine scheinpaar endlose Minute verging im Schneckentempo. Marcel starrte mit ausdruckloser Miene Löcher in die Luft. Nichts regte sich in seinem Kopf; Jede einzelne Gehirnzelle erstarrt. Dann war das alles – das vom dem Unwetter an bis hin zur Vergewaltig- ein Traum? Nur ein absurder Traum, ein Streich seiner Fantasy und keine Realität?! In seine Arme gewickelt riss sich Marcel aus seiner Gedankenwelt, und fixierte Kim. „Dann bin ich bis jetzt gar nicht weggewesen, um mich mit Connor und Fee zutreffen?“ Kim schüttelte langsam den Kopf. Die Verwirrung stand ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Eine Decke des Schweigens legte sich um sie. „Marcel, ich sag es dir jetzt noch einmal“ sagte Kim schließlich betont ruhig und langsam. „Du hat heute Abend das Haus nicht verlassen. Ich weiß nicht was mit dir los ist, aber du benimmst dich, als hätte dir jemand eine Gehirnwäsche verpasst“ Marcel warf ihm einen erschrockenen Blick zu. Vielleicht war das des Rätsels Lösung; Mephisto hatte die Erinnerung seiner Brüder Manipuliert! Wenn jemand diese Kunst beherrschte, dann er. Von dem Teufel, der Reinkarnation des Bösen, würde man so etwas auf jeden Fall erwarten. Beklommen holte er tief Luft um seine flatternden Nerven zu beruhigen. In der seiner Lunge kribbelte der Sauerstoff. „Wenn du so überzeugt davon bist heute Abend draußen gewesen zu sein, dann hattest du einen Traum“ Kim setzte sich auf die Bettkante und streckte die langen Beine. „Willst du mir nicht davon berichten? Vielleicht kann ich dir helfen, ihn zu deuten“ Draußen über den Haus brach die Wolkendecke auf, und der Vollmond grinste hämisch ins Zimmer. Sein kaltes, lebloses Licht wirkte an diesen Abend absolut unnatürlich. Marcel schluckte und rutschte unruhig auf den Laminat-Boden hin und her. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Natürlich hätte er sich Kim gerne anvertraut, aber er wusste nicht, wie es erzählen sollte. Außerdem war es beschämend, das er von Sex – in seiner verbotensten Form - geträumt hatte. Das kam beinahe notgeil rüber. Nicht das es Marcel persönliche störte, ganz im Gegenteil, er hatte ja schon mal davon geträumt. Aber damals war es anders; es hatte ihn gefallen, und niemand fügte ihm währenddessen Leid zu. „Schon gut…“ murmelte er kleinlaut. „Er war nicht besonders… aufregend“ „Aha…“ Scheinbar desinteressiert an dem Gespräch, lenkte Kim die Aufmerksamkeit auf seine Fingernägel. „Vor 5 Minuten hätte es dich noch fast umgehauen. Du warst – ich korrigierte- Du bist total käsig, und zitterst wie Espenlaub. Komm bloß nicht auf die Idee mich anzulügen, ansonsten schieß ich dich ohne Rückfahrkarte auf den Mond! Also, was hast du nun geträumt?“ Leicht säuerlich presste Marcel die Lippen auf einander. Warum musste Kim weiter in der Wunde bohren? Warum begnügte er sich nicht einfach mit seiner Antwort? Und warum brachte ihn der Ausdruck seiner Unterschiedlichfarbenden Augen ins Wanken? „Ich… ich hatte einer dieser fiesen, sehr realistischen Albträume“ Langsam hob Marcel den Blick vom Fußboden, den Kim gleichdarauf gefangen nahm. „Jemand hat mir weh getan. Reicht dir diese Aussage? Ich möchte nicht weiter ins Detail gehen, wenn du verstehst“ Kim sah ihn verständnislos an, und zog die Augenbrauen hoch. „Oh…“ sagte er langsam ohne den Blick abzuwenden, aber mit todernster Miene. Also lag Kim mit seiner Vorahnung doch nicht ganz falsch – jemand hatte Marcel verletzt! Zwar nicht in der Realität, aber im Traum. Und das war fast genauso schlimm wie das eine, denn solche Visionen brachten meist irgendwelche verstecken Gefühle, oder Ängste ans Tageslicht. Kim dachte scharf nach. Er wusste, dass Marcel über solche Sachen nicht mit ihm redete. Dazu fehlte einfach das notwendige Vertrauen untereinander. Wenn doch nur Jeremy da wäre… Fast lautlos ließ er sich neben seinen kleinen Bruder auf den Fußboden sinken, und tätschelte relativ unsicher seine Schulter. „Es war nur ein Traum“ sagte er mit ruhiger Stimme, „Wie ich schon sagte, du warst nirgendwo, wo dich jemand verletzten hätte können. Und bevor sich ein Fremder ins Haus schleicht, hätte Daimon ihn schon dreimal verprügelt“ Marcel schien einen Moment zu überlegen; so gesehen gab es nichts was gegen Kims Worte sprach. Sicherlich hatte der Ältere recht. Anscheinend war er wirklich eingeschlafen, und sein Gehirn spielte währenddessen seine Spielchen mit ihm. Er warf Kim einen schüchternen Blick zu, und dann löste ein kleines Lächeln die Trauermine ab. „Na siehst du“ jetzt grinste Kim ebenfalls. „Alles halb so wild. Hmm - Sag mal, um wie viel Uhr wolltest du dich nochmal mit deinen Freunden treffen. Es ist gleich 20. 30 Uhr“ Marcel hielt erschrocken den Atem an, seine Augen schrumpften auf Erbsengroße „Oh mein Gott die habe ich ja ganz vergessen!“ Mit einem Mal verfiel er in bodenlose Hektik, sprang auf, und kollabierte im Lauf fast mit dem Kleiderschrank. „Oje, jetzt geht du wieder ab!“ sagte Kim und schüttelte den Kopf. „Das hast du davon, wenn du deine Zeit lieber verpennt“ Er streckte Marcel die Zunge raus. Dieser erstarrte erschrocken, kam schlitternd zum Stehen. „Seit wann hast du ein Zungenpiercing?“ WÄHM. Und Kim bekam ein, dickes, fettes imaginäres Holzbrett vor den Kopf geknallt. Er blinzelte zweimal, ehe er sich lautstark räusperte. „Seit 8 Tagen. Aber kein Wort zu Jeremy, hörst du? Er rastend aus, wenn er wüsste, das ich jetzt auch mit solchen Sachen anfange“ Sein grinsen wurde breiter, als er Marcels unverständlichen Blick sah. „Neuerdings schminke ich mich auch ein wenig. Aber nur mit Kajal und… wie heißt der Stift nochmal? Ähm- Ähm… Eye-Dings“ „Eyeliner?“ „Ja genau, Der!“ „Wie kommst du so plötzlich auf den Schminktrip? Das ist doch sonst nicht dein Ding“ „Hikari hat mich drauf gebracht!“ antwortete Kim sofort. Wieder diese Wirre Blick. „Na Hikari“ – er fuchtele theatralisch mit den Händen- „das Mädel das Daimon letztes Jahr bei der Meisterschaft kennengelernt hat. Das Kung fu-Weib, bist du schwer von Begriff… Roxane Anderson!!“ „Achso“ Jetzt war der Groschen auch bei Marcel gefallen. „Die, die ihre Haare Bonbonrosa färbt, und lila Kontaktlinsen trägt?“ „Jap! Sie arbeitet in ihrer Freizeit als Model und Visagistin. Und letztens bei einer Homeparty – wir waren alle Hacke dicht – packt die auch einmal ihr Köfferchen aus, und schminkt einen nach den andern. Das war super. Als wir uns am nächsten Tag die Videos anschauen, gab es keinen der sich vor Lachen nicht kringelte. Nachher gestand mir Hikari, also Roxane, das sie mich gerne noch einmal richtig schminken würde“ Kim zuckte mit den Achseln. „Seit dem bin ich voll auf den Emotrip – die Frisur dafür hab´ ich ja schon – und die Klamotten finde ich auch voll Geil! Aber denk bloß dran, halt den Mund gegenüber Jerry! Der würde mir doch glatt ´ne Briefbombe schicken, oder auf Facebook zu Tode stupsen“ „…Oder nach Hause kommen und der Piercing mit der Grillzange raus reißen!“ Mit einem Grauenerfüllten Augenzucken fuhr sich Kim nervös durch sein kurzes, schwarzes Haar. „Ja, oder das… Man, du hast vielleicht Ideen! Naja, wenigstens hast du deinen Humor wieder gefunden“ bemerkte er trocken. Auf einmal wurde das Gespräch der beiden unterbrochen als jemand polternd die Türe aufriss. „Ich soll fragen, ob du eine Kompass brauchst um zurück in den Küche zu finden, Kiley?!“ Kuroro betrat grinsend den Raum, sein rotglühendes Augenpaar wirkte wie ein Lagerfeuer. Und was für eins…! Über Nacht hatte sich Kuroro einer sonderbaren Verwandlung unterzogen; Er trug ein weinrotes Achselshirt was nur bis zur Mitte geknüpft war, und deshalb viel von seiner muskulösen Brust entblößte. Dazu trug er eine relativ moderne Jeans, hier und da ein paar dekorative Löcher und Risse im Stoff. Aber das I-Tüpfelchen bescherte ihm erst seine neue Frisur. Anscheinet hatte er die langen Haaren Platinblond gefärbt, und einmal wild Stufen lassen. Es stand jetzt in wilder Pracht voluminös von seinem Haupt ab. Der Werwolf entging Marcels fragenden Blick keinesfalls. „Sieht toll aus, ne?“ Kuroro blinzelte ihm verschwörerisch zu. „Kim hat mich beraten. Ich muss schon sagen; In Sachen Mode hat dein Bruder echt was drauf!“ Kim kicherte mit vorgehaltender Hand. „Ach hör bloß auf. Du bist ja ein richtiger Schleimer!“ „Aber nur für dich!“ Kuroro schnappte sich währenddessen Kims Arm und küsste flüchtig seinen Handrücken. Dieser knurrte bloß, und zog die Hand rasch zurück. „Lass diesen Homo-scheiß! Ansonsten sorg ich dafür das Daimon dir zu Ehren des Tages die Fresse einschlägt!“ Auf diese Drohung hin verzog Kuroro noch nicht mal eine Wimper. Selbstbewusst fuhren seine Mundwinkel zu einem Grinsen geformt in die Höhe. „Im Vergleich ist zu dir ist Daimon aber wesentlich reifen. Er geht bei dieser >Homo-scheiße< nicht so ab wie du! Er verträgt Spaß, du kleiner Spießer… und jetzt komm runter in die Küche, wir wollen in 10 Minuten los“ Genervt verdrehte Kim die Augen und schnalzte mit der Zunge; „Du passt einfach super in Daimons Schlägerclub… ich hoffe nur, dass du dich gegenüber ihn zügelst ansonsten gib´s wirklich was auf Maul!“ Er drehte den Kopf langsam zu Marcel. „Du kommst heute Abend alleine klar?“ „Natürlich“ Völlig überrascht Marcel lächelte ein bisschen. Er vernahm trotz des kühlen Blicks eine deutliche Portion Fürsorge in Kims Stimme. Das baute ihn innerlich auf, und seine persönliche Sympathie für den älteren Zwilling wuchs. „Mach keinen Mist, Kleiner. Bis später dann!“ „Tschüss, und viel Spaß euch dreien“ „Danke!“ riefen Kim und Kuroro gleichzeitig, während die beiden aus dem Zimmer verschwanden und die Türe zu zogen. Und nun war Marcel wieder alleine. Alleine mit seinen Ängsten und Kummer. Traurig gab er sich seinen düsteren Erinnerungen hin; Er hätte sich eigentlich denken können dass Kim nicht auf die Idee gekommen wäre, diesen Abend bei ihm zu bleiben. Dafür wusste der Dämon einfach zu wenig über Marcels Alptraum. Ansonsten wäre er sicher dageblieben… Sichtlich niedergeschlagen zog Marcel seinen versteckten Rucksack unter dem Bett hervor, als just in diesen Moment sein Handy mit All the Rage! von Blood on the Dancefloor als Klingelton los heulte. Ohne einen Blick auf den Display zu werfen nahm er den Anruf entgegen. „Fee?“ „Auch Hallo“ „Was gibt’s? Soll ich früher kommen?“ Am anderen Ende der Leitung hörte Marcel wie seine Freundinn enttäuscht seufzte. „Vergiss den Höllenberg für heute. Da gab es vor knapp 20 Minuten einen schweren Unfall mit einem Motorradfahrer an der Hauptkreuzung. Die Polizei hat alles im Umkreis von 100 Meter abgesperrte. Wir kommen nicht an den ganzen Leuten vorbei, das können wir abhacken. Außerdem möchte ich unterwegs nicht über einen abgetrennten Arm, oder Fuß stolpern“ „Hmm…Schade drum“ So richtig konnte Marcel seine Erleichterung nicht verbergen, denn wenigstens muss er sich nicht in die Nähe der Villa aufhalten. Erst fing der Abend scheiße an, und nun sollte sich doch noch alles zum Guten wenden? „… Marcel? Bist du noch dran? Du sagst ja Garnichts mehr. Hallo?!“ rief Fee gereizt. Im Gegensatz zu ihm hatte sie sich riesig auf den Abend gefreut, da sie schon beim ersten Mal am Höllenberg nicht dabei sein konnte. „Ja klar, sorry ich war grade abgelenkt. Was sagtest du?“ Fee knirschte lautstark mit den Zähnen, als sie zischten die Luft durch die Nasenlöcher zog. Sie würde es zwar nie offen zugeben, aber insgeheim sorgte sich sie um das Wohlergehen ihrer Freunde sehr. „Ob es okay ist wenn Connor und ich heute bei dir übernachten? Wir wollten dir ein bisschen Gesellschaft leisten, damit du nicht mehr so einsam bist“ „Ich… COOL! Das wäre toll!!“enthusiastisch hupfte er von einem Bein auf das andere. „Habt ihr zwei denn schon gegessen? Wenn ihr wollt, kann ich die Reibekuchen von heute Mittag warm machen“ Fee überlegte kurz. „Hast du die gebacken?“ „Natürlich. Daimon rührt noch nicht mal die Suppenkelle an!“ sagte Marcel leicht kichernd, der Fees angedeutet Frage sofort verstand, insgeheim froh darüber, das sie nicht recht hatte. Dann seufzte Marcel wohlig. „Wann seid ihr da?“ „Hmm… in, ich schätzmal, in 25 Minuten. Selbst von Connors Haus aus, ist es noch ein gutes Stückchen mit dem Fahrrad. Ihr wohnt ja auch echt am Arsch der Welt… Aber wir beeilen uns. Versprochen. Schieb die Reibekuchen schon mal in die Mikrowelle“ „Alles klar. Bis gleich“ „Ciao“ Wie Marcel offen gestehen musste, hatte sich Fee mit ihrer Zeitangabe gänzlich vertan; denn seine besten Freunde kamen aus irgendeinen unerdenklichen Grund erst eine Stunde später bei ihm an. Was Unterwegs alles so geschehen war, sollte (und im Nachhinein wollte) Marcel auch nicht erfahren, da ihm Fee als Entschuldigung ein paar neue Lila gestreifte Armestülpen schenkte. Nach weniger als 10 Minuten hatten sie die Reibkuchen verschlungen, und sich in Marcels Zimmer einquartiert. Fee, auf den Boden vor ihrer Tasche hockend, packte grade ihren Nigel-Nagel-Neuen Laptop aus. „Wow!“ rief Connor überrascht, mit weit aufgerissenen Augen. „Erst die Stülpen, dann dieser Laptop – hast du etwa in Lotto gewonnen, ohne uns was zu sagen?!“ „Natürlich nicht!“ sagte Fee eine Spur zu schnell und leicht genervt. „Ich… ähm… meine Eltern haben das Taschengeld erhört. So einfach ist das“ Was wohl so viel wie: >Fragt nicht weiter!< heißen sollte. Marcel und Connor tauschten einen verborgenen Blick; Fee verhielt sich seltsam. Tatsächlich erzählte Connor eine halbe Stunde später, das sie in den letzten Wochen kaum noch Zeit für ihn oder ihre Freundinnen übrig hatte, während Fee selbst gemütlich unter der Dusche stand. „Was sie uns wohl verheimlicht…?“ murmelte Marcel und biss in einen Rotbackigen Apfel. Sein gegenüber zuckte mit den Achseln, wirkte aber bedrückt. „Keine Ahnung, aber früher oder später finden wir es schon heraus“ „Da hast du recht. Auch ein Apfel?“ „Nein danke“ sagte Connor und rückte seine Brille zurecht. „Sag mal, hast du eigentlich Stress mit dem Albino? Ich sehe euch zwei kaum noch zusammen“ Marcel wollte widersprechen doch, seine Worte gingen in einem lauten krächzen der Türe unter. „So Jungs, jetzt seid ihr dran!“ verkünde Fee mehr als gut gelaunt, und setzte sich mit ihren Laptop auf den Beinen neben Connor. Schnaubend stand Marcel auf, schnappte sich sein Nachthemd und stürmte so schnell wie ihn seine Beine trugen ins Badezimmer. Das hatte ihm grade noch gefehlt! Rasch schlüpfte er aus den Klamotten und stellte sich unter die Dusche; Fee war nicht die einzige die sich seltsam verhielt, auch Dylan benahm sich gegenüber Marcel eigenartig, und er wusste noch nicht mal, warum. Vor zwei Tagen hatte Marcel ihn eine SMS geschrieben, und bis heute noch keine Antwort erhalten, was den Blonden sehr wunderte. Sonst meldete sich Dylan doch wenige Minuten später sofort. Und auch in der Schule sprachen sie kaum noch miteinander, Marcel hatte außerdem den Eindruck, als würde Dylan von Mal zu Mal dünner und blasser werden, falls das überhaupt noch möglich war. Ganz allmählich beschlich ihn das Gefühl, das sein Freund eine eigenartige verändern durchlebte. Am Montag kam Dylan doch tatsächlich mit kurzen Haaren in die Schule. Seine langen, und wunderschönen Haare waren ab – Ab! - der Schere zum Opfer gefallen. Als Marcel das sah traf ihn fast der Schlag. Hinten trug Dylan es jetzt kurz und stachelig, an den Seiten dagegen Schulterlang und glatt- eine Art Bob für Jungen – gestufte Ponyfransen umspielten sein Gesicht, und hingen wirr in den goldenen Katzenauge, die er mit schwarzen Kajal und mit viel Mühe dünn umrandet hatte. In der Tat sah Dylan noch unnormaler aus als überhaupt vorstellbar. Natürlich bemerkten dies auch die anderen Schüler, und unglaublicherweise interessiert sie sich plötzlich für den Albino. Mit einem Mal klebten in jeder Pause eine Hand von 8- aber auch 10-klässlern an seinen Fersen. Sogar die beliebte Roxane, für alle jedoch Hikari, gesellte sich noch am gleichen Tag zu Dylan. Und mochte dass alles auch so unglaublich erscheinen – das erklärte noch lange nicht Dylans seltsamer Wandel. Was kümmerte es ihn schon, wenn Marcel ihn fast so sehr vermisste wie Jeremy? Jetzt hatte er neue, viel bessere Freunde gefunden… Marcels Hände zitterten leicht als er nach dem Handtuch griff, und sich langsam abtrocknete. Was betraf es Dylan, das es Marcel vorkam, als umklammerte eine eiserne Faust sein Herz sobald er ihn auch nur auf dem Gang sah? Die meisten Schüler wussten nicht mal mehr, dass Marcel und Dylan anfangs oft zusammen waren, viel eher wollten sie ihn ganz für sich alleine haben. Mindestens 5 Mädchen der Schule schwärmten für Dylan, 3 Sportvereine (Schwimmen, Theater und Volleyball) rissen sich um ihn, und die restlichen 300 fragten sich, weshalb ein Albino goldene Augen vorwies. In diesen Moment fiel Marcels Blick in den Spiegel: Sein Spiegelbild betrachtete ihn mit einer Mischung Mitleid und Verachtung. „Dachtest du, ein Dämon würde dich Zwerg auch nur ansatzweiße lieben, wenn du noch nicht mal einen richtigen Menschen findest?“ fragte der Marcel im Spiegel kühl. Der echte Marcel biss zornig auf seine Lippe. „Musst du den gleich immer alles schlecht machen? Woher weißt du überhaupt, das Dylan mich nicht gerne hat?“ „Weil er dich jetzt stehen lässt, wie ein fauler Sack Kartoffeln! Du bist immer so gutgläubig, dass ich fast Kotzen könnte, so Übel wird mir. Sehs doch ein; Der Zug ist endgültig abgefahren! Der Junge will nichts mehr von dir Wissen! Such dir nen neuen Macker - Heulsuse“ Jählings drehte Marcel sich um, und verließ Poldereden Schrittes den Raum. Auf eine zynische Innerestimme konnte er gut verzichten. Am nächsten Morgen standen die drei recht spät auf (sie hatten die ganze Nacht lang gequatscht), und Marcel brach sich fast den Hals als er mit Connor auf der Treppe zusammen stieß. Daimon und Kim bekamen von der ganzen Aufruhe nicht das Geringste mit, denn sie schliefen seelenruhig in ihren Betten, während Marcel Speck und Spiegeleier in der Pfanne brutzelte. Ohne Jeremy im Nacken machte Daimon gerne Blau, vor allen, wenn ein kritischer Schultag bevor stand. Selbst Kim ließ sich diesmal von ihm einlullen, wobei er sonst immer zur Schule ging, obwohl er das inzwischen nicht mehr nötig hatte. Letztes Jahr, Ende Dezember, hatte er nämlich sein Abitur mit der Note 1, 14 bestanden, und könnte endlich das heißersehnte Medizin Studium antreten. Doch er fühlte sich noch nicht bereits dazu. Glücklicherweise erklärte sich Anfang des Jahres eine Pensionierte Lehrerin dazu bereit, solche Leute wie ihn (es gab noch mehr Schüler, die sich für das Studium nicht bereit fühlten, oder einfach keinen Semester Platz ergattert hatten) extra Spezifischen Unterricht zugeben. Im Allgemeinen brauchten die Freunde ziemlich lange um in die Gänge zukommen, und verpassten um Haaresbreite ihren Schulbus. „Ich Übernachte nie wieder innerhalb der Woche bei Freunden…“ murmelte Connor noch ganz verschlafen, und kuschelte sich in das dunkelrote Polster seines Sitzes. Ihm schmerzen die Augen, und immer wieder nickte er während der Fahrt weg. „Stell dich nicht so an!“ knurrte Fee, eben so müde wie er doch sichtlich gefaster. „Immerhin haben wir das für Marcel getan!“ Währenddessen schaute dieser gelangweilt aus dem Fenster und zählte die Straßenlaternen, an die der Bus vorbei kam. Er kannte Connors und Fees alltägliche Streitereien genauestens, und doch bekamen sie sich nie ernsthaft in die Wolle. Die große Leuchttafel neben der Bank verkündete einen kühlen Mittwochmorgen, um 7.23 Uhr. Nach weiteren 10 Minuten hielt der Bus ächzend und klappernd vor der Schule, und die Insassen stiegen mehr schlecht als recht aus. Wie immer, wären alle viel lieber im warmen Bett liegen geblieben. Doch der Wecker, oder aber die Mutter vergönnten ihnen dies Schicksal nicht. „Lass und sofort in die Klasse gehen“ sagte Connor besonders Übellaunig zu Marcel. „Ich habe keine Lust, noch länger in dieser Affenkälte zu stehen. Morgen werde ich sicher Krank; ich merke schon, wie meine Nasennebenhöhlen anschwellen… - “ „Ist gut!“ Marcel hob blitzartig die Hand. „Du brauchst mir nichts erklären. Danke!“ Schon Connors detailliertes Vokabular reichte vollkommen und Marcels Meinung zu ändern, und in den Klassenraum zu gehen. Fröstelnd schob sich der sonst so schüchterne Connor durch den Schülerstrom, rempelte andere um, und trat auf ein halbes Dutzend Füße. „Hey…!“ „AUA!“ „Mmpf – Was soll das denn; kannst du nicht aufpa-!“ „Schubs doch nicht so!“ „Diese Kinder heutzutage werden auch immer frecher!“ Mit eingezogenen Schultern klammerte sich Marcel an den Kastanienbraunen Pullover seines besten Freundes, und ließ sich durch die Masse ziehen. Unten den wütenden Blicken seiner Mitschüler schien er noch kleiner zu werden, als er ohnehin schon war – Connor gehörte normalerweise zu den stillen, und tiefen Gewässern, aber heute reagierte er sehr gereizt auf alles und jenen. Tatsächlich wurde seine Haltung noch starrer, und Raubtierartiger als er plötzlich unvorbereitet stehen blieb. Marcel hörte deutlich wie Connor die Zähne auf einander biss, und leise knurrte. Der Grund dafür sprang ihm auch weniger Sekunden später selber ins Auge. Ungefähr 5 Meter von ihnen entfernt stand Dylan lässig an einem Spint gelehnt, munter quatschend mit Hikari, dem Superstar in Spe, und Gunnar Di Lauro (Kapitän der Basketballmannschaft, in der Abschlussklasse, 19 Jahre, Gutaussehend – einer der Populären, äußerst beliebten Schüler und deshalb in Kims Gruppe Mitglied). Im Vergleich zu Hikari gab Dylan jedoch ein echter Winzling ab, der Abstand zwischen ihnen betrug mehr als 10 cm. Und als ob das noch nicht genug wäre; Gunnar war nochmal ein Kopf größer als Hikari – Dylan reichte ihm grade mal bis zum untersten Rippensatz. „Sehr schön – dann kommst du nächste Woche also auch zu meiner Party?“ hörten Marcel und Connor Hikari sagen. Das Mädchen mit der Rosawolkenmähne klimperte erwartungsvoll mit den großen Kulleraugen - auch wenn ihre Gesten und Gesichtszüge eine gigantische Feminität andeuteten, sah der Rest ihres Körpers verdammt sportlich, oder eher unmädchenhaft aus; Traumhafte geschwundene Schultern, (wirkten sehr einladend zum Kopf abstützen) lange Beine, in einer grauen Röhre steckend, eine flache, trainierte Bauchdecke, verdeckt unter einem schwarzen Shirt, und kleine, perfekte Brüste. Dylan biss sich leicht auf die Unterlippe, und senkten enttäuscht den Blick. Eine unsichtbare Wolke verdunkelte seine Augen, die leicht rötlich aufglühten, was nur Marcel sah; er kannte schließlich dieses sonderbare Phänomen. Panik durchzuckte ihn. Doch dann rettete Dylan die Situation mit einem schrecklich gekünstelten lächeln, beidem sogar Mephisto vor Neid erblasst wäre. „Sorry, ich kann nicht. Mein Vater erlaubt mir keine Partys“ Deprimiert schaute Hikari zu Gunnar der nur mit den Schultern zuckte. „Tja, da kann man nichts machen. Meine Eltern erlaubten mir in deinem Alter Partys auch nur, wenn ich sonntags den Garten machte und das Auto putze. Glücklicherweise lebe ich jetzt getrennt von ihnen. “ Der Basketballtrainer warf sich schwungvoll die Tasche um, und grinste wobei eine perlweiße Reihe Zähne blitze. Seine dunklen, zu stacheln gestylten Haaren verrutschten nicht um einen Millimeter. „So Leute, ich geh dann mal in den Klassenraum. Hab jetzt Englisch – bis gleich“ Er winkte noch ein letztes Mal und verschwand dann hinter der Türe zu seiner Linken. Laute Willkommensrufe, und hysterisches Mädchengekreische übertönen für einen kurzen Moment den allmorgendlichen Lärm des Unterrichtsraums. Angewidert zog Connor die Nase kraus, der Neid sprang in fast aus der Kehle. „Wie ich solche Beachboys hasse! Schnell weg, sonst übergebe ich mich auch noch!“ „Jetzt renn mal nicht so. Wir liegen hier gleich auf den Boden!“ zischte Marcel, hielt sich jedoch an das vorgeschriebene Tempo bis er endlich auf seinem Stuhl saß. „Hast du das gesehen?“ fuhr ihn Connor wenige Sekunden später von der Seite an. „Dein Albino-Freund grüßt dich des Morgens noch nicht mal! Kaum hat er andere Leute gefunden, schon lässt er dich eiskalt stehen. Das ist so ein komischer Vogel, ich hab´s dir ja von Anfang an gesagt. Der bringt dir nur Pech und Kummer - “ Plötzlich stockte er mitten im Satz, und sah beunruhigt an Marcel vorbei. Die Röte schoss ihm augenblicklich ins Gesicht bevor er den Blick senkte. „Sorry wenn ich eure Gespräch unterbreche Jungs, aber kann ich mal mit dir reden, Marcel?“ – seine Stimme hätte er aus hunderten erkannt. „Felix, was gibt’s?“ „Kommst du mal mit, wir müssen was klären“ sagte Felix in einem unterkühlten Ton der nichts Gutes bedeutete. Verschüchtert stand Marcel auf, warf einen verwirrten Blick zurück und folgte ihn aus dem Klassenraum. Sie liefen eiligst durch die Korridore der Schule und kamen an der Cafeteria vorbei. Am Musikzimmer blieben sie schließlich stehen und Felix zog ohne Umwege die Türe auf. Er machte eine kurze Handbewegung in der Luft. „Hier komme ich immer her wenn ich schwänze“ sagte Felix recht locker, und sich keiner Schuld bewusst. „Bis jetzt hat mich noch keiner Lehrer gefunden, und - “ er fixierte Marcel mit seinen kleinen, funkelnden Augen. „-hoffe das das auch so bleibt. Was heißt, das du den Rand hältst, klar?!“ Inzwischen hatte Marcel sich von den ersten Schock erholt, und erwiderte Felix stechenden Blick ohne große Schwierigkeiten. „War´s das, oder willst du von mir noch anders sagen? Ich habe nämlich echt keine Zeit. In 3 Minuten beginnt meine erste Stunde, und Physik ist echt kein Zuckerschlecken - “ „Ja ja, mach dir mal nicht in die Hose…“ Würde ich auch sagten, wenn man die Begabung eines Dackels hat, dachte Marcel verächtlich, sprach seine Gedanken jedoch nicht laut aus. Felix lehnte sich gegen eine gelbliche Wand und kreuzte Arme sowie Beine. Er holte kurz Luft, und auf einmal zierte eine leichte Gänsehaut seinen Körper. So, als ob er plötzlich frieren würde, oder Angst hätte. „Ich wollte mich wegen der Sache neulich bei dir entschuldigen“ sagte Felix und schaute stur auf einen Punkt über Marcels Kopf. „Es war nicht geplant, das Gregor dir ein paar knallt und du im Krankenhaus landest. So… da wir das nun geklärt haben, kannst du bitte Daimon mitteilen, das er aufhören kann, mir Prügel anzudrohen. Das ist echt nicht mehr witzig – ich habe zwar keinen Schiss vor den, aber der Kerl kommt mir manchmal wie ein Unmensch vor. Hast du dir mal seine Arme angeguckt? Die sind so dick wie Baumstämme! Ich wette, der wohnt im Fitnesscenter und lebt nur von Eiweiß-Präparaten. Und schluckt Nägel am Stück“ Ja, da blieb Marcel aber zum ersten Mal die Spucke weg. Wie ein verstörtes Kaninchen starrte er auf Felix ‘Gesicht, unfähig etwas Vernünftiges zusagen oder zu denken. Das war jetzt nur ein schlechter Scherz, oder?! Felix wollte ihn doch nur ärgern… Daimon setzte sich für IHN ein, wobei er Marcel das Leben doch zur Hölle machte? Ihn regelrecht folterte, und sich jeden Tag neue Gräueltaten ausdachte. Das alles sprach nicht grade für eine innige Geschwisterliebe. „Was hast du gesagt? Daimon hat dich bedroht? Warum? Das versteh ich nicht - Er hasst mich!“ „Naja“ wiedersprach Felix mit hochgezogenen Augenbrauen. „Man kann den Mensch auch nur vor den Kopf, und nicht in den Kopf gucken. Jedenfalls will er dich vor weiteren Schaden Schützen, soviel ist sicher. Aber jetzt genug von diesen Psycho-Quatscht! Ich rede da schon wie meine Alten! Das ist gruselig“ Felix stieß sich lässig von der Wand ab, und schlug Marcel seine wuchtige Hand auf die Schulter. „So Zwerg, ich geh dann mal wieder. Tut mir den gefallen, und sag keinem, bis auf Daimon, das ich mich bei dir entschuldigt habe. Schließlich habe ich eine Ruf zu verlieren“ „Okay“ antworte Marcel ehrlich, da ihm die Story sowie niemand glauben würde. Wie jeder an der Schule wusste, war Felix ja auch so zahm wie Dracula persönlich. Als Marcel auf sein Handydisplay schaute während er das Schulgebäude nach der letzten Erdkundestunde verließ, wurde er Aschefahl im Gesicht. So ein Mist! Jetzt hatte er doch glatt seinen Bruder Daimon verpasst, und das nur, weil ihn sein Lehrer in letzter Minuten den Tafeldienst auf Auge drückte. Er wollte sich doch noch vor den Karate-Training bei Daimon bedanken, welches er 3-Mal die Woche (montags, mittwochs und freitags) in der Sporthalle für 2 Stunden gab – auch dann, wenn Daimon vom Hausarzt vorläufig >Krank< geschrieben war, und theoretisch im Bett liegen sollte. Rasch ordnete Marcel seine Haare die der Wind zerzaust hatte, und schlich sich auf leisen Sohlen in die Halle. Er wollte es vermeiden von den Kohai (Schüler, in dem Sinne Karateschüler) gesehen zu werden, da Marcel sich ein wenig vor ihnen fürchte. Das waren alles Jungen in dem Alter, die ihn gerne Mobbten oder sonst wie ärgerten. Außerdem wussten selbst alle in der Schule, dass sich Marcel und Daimon eigentlich hassten. Die Sporthalle bestand aus 2 Umkleidekabinen und 3 voneinander getrennten Bereichen, in denen man Trainieren konnte. Schon seit Jahren benutze Daimon die zweite für sein Dojo. Allmählich drang eine laute Stimme in Marcel Ohr. Er blieb stehen und lauschte ihr. „So, und nun ist Schluss mit Lustig, in 3 Wochen machen die Grüngurte Prüfung. Jetzt müssen wir echt Gas geben. Ihr dreht jetzt erst mal 12 Runden an der Wand entlang - Macht schöne große Kreise. Aber zackig! Auf mein Kommando rennt ihr Rückwerts – wer sich hinlegt, bleibt direkt am Boden und mach zur Strafe 25 Liegeschütze. Dasselbe zählt für´s Anhalten, nur mit den winzigen unterschied, dass ich denjenigen persönlich auf Laminat klatsche! Alles klar? Was steht ihr den noch blöd zum? Habe ich euch keine Anweisung geben?! Los jetzt“ Dies war eindeutig Daimons Stimme, der wie immer wie ein wildgewordener Stier in der Kampfarena klang. Irgendwie hatte er sich gedacht dass das Training so, oder so ähnlich Abläufen würde. Und dann wollte ihn Daimon unter diesen Umständen ebenfalls Unterrichten?! Das würde er nie im Leben überstehn! Nie! Nicht mal in 100 Jahren. Marcel ging bis zur Türe der zweiten Halle und lugte neugierig herein. Der Boden wurde von einem Grün-roten Mattenfeld bedeckt, die die Form eines riesigen Quadrats bildeten. Daimon stand in der Mitte des Mattenfeldes und motze seine Schüler an, gefälligst schneller zu laufen. Seine Augen verdunkeln sich und Marcel musste nicht ganz neidlos zugeben, dass das Eckelpacket namens Daimon, verdammt scharf aussah. Selbst der weit geschnittene Karate-Gi, bestehend aus einer schlichten weißen Baumwollhose und einer weißen Jacke aus demselben Stoff , schien seinen Körper mehr zu betonen, als den jedes anderen Jungen. Vielleicht sollte Marcel sich doch Nachhilfe geben lassen. Natürlich nur, um ebenfalls solche Muckis zu kriegen, und nicht, weil er Daimon ungestört begaffen wollte. Stopp, Marcel. Das Reicht! Nachher fängst du an zu sabbern. Der Kerl mit den geilen Sixpack ist dein Bruder, der ist Tabu für dich! Hallo, ich meins Ernst! Hörst du schon nicht die Sirenen der Polizei? „Hey Kleiner, pass doch auf wo du stehst!“ Unsanft wurden Marcels Gedanken in die Realität zurück befördert als ein Braunhaariger Junge ihn an rempelte. Ohne es zu bemerken, hatte die Mannschaft die erste Runde geschafft, und war Schlusslicht an der Türe angelangt, wo Marcel dann halb im Weg stand. Natürlich drehte sich Daimon um, doch der interessierte Ausdruck verschwand sofort aus seinem Gesicht, als er erkannte, wer genau gemeint war. Seine Smaragdgrünen Augen bohrten sich trotz der wohl Lebensrettenden Entfernung, furchteinflößend in Marcel eigenes Paar. Er machte genau sechs Schritte, und stand dann an der Stelle wo die grünen Matten von einem Rand aus Roten abgelöst wurden. „Was machst du denn hier? Hast du wegen Kind- bedingten Alzheimer den Haustürschlüssel vergessen, oder was?“ Marcel öffnete den Mund, wollte grade ein nicht minder freches Kommentar abgeben, als er sich an den Grund seines Kommens erinnert. Normalerweise hätte er sonst direkt zurück geschossen. Marcel hielt es jedoch für Klüger, zu diesem Zeitpunkt den Mund zu halten. Wenn Daimon ihn schon täglich runter macht, wollt er ihm keinen triftigen Grund geben, dies vor der versammelten Karate-Mannschaft fort zusetzten. Im nächsten Moment weiten sich Marcels blauen Augen doch schon; Unerwartet zauberte Daimon ein sanftes Lächeln auf seine Lippen – sanft, aus seinem Blickwinkel– für andere ähnelte es eher einer Mordlustige Grimasse. „Jetzt weiß ich es wieder…“ säuselte Daimon im passenden Ton zu seinem Psycho-Grinsen. „…du bist wegen deiner ersten Karatestunde hier!“ „Was!“ rief Marcel entgeistert und wich bis zur Wand zurück. „I-Ich… ähm… Ich, ich kann nicht, weil – AH! LASS MICH LOS!!“ Mit einem Mal stand Daimon vor ihm, und umklammerte seinen dünnen Oberarm so feste, das sich Aufgrund dieser gnadenlosen Behandlung bestimmt ein Bluterguss bilden würde. Er zerrte ihn mit sich auf die Matte zurück. „Jetzt bleib mal locker, Brüderchen, wir haben doch noch gar nicht angefangen!“ Daimon funkelte Marcel bösartig an, seine Pupillen hatten inzwischen die Form von Schlitzen angenommen. Panisch wand sich der Kleine nach allen Seiten. „Wie soll das denn gehen? Ich habe doch keine Sportsachen dabei. Lass mich los…. Bitte! Du machst mir echt Angst“ Bei diesen Worten lachte Daimon freudlos auf. Das bitten und betteln seines kleinen Bruders ließ in vollkommen kalt. Nicht ein einziges Fünkchen Liebe erweichte sein Herz. „Ich habe noch einen Karateanzug der Größe S im Spinnt liegen. Zufällig habe ich den bei einer Lieferung, im letzten Monat dabei gehabt. Der passt dir sicher perfekt. Findest du das nicht toll?!!“ „Ich will das nicht, Daimon“ zischelte Marcel so leise wie er konnte. Sein Brenndenes Gesicht leuchtete Magnetrot „Oder soll ich mich etwa vor deinen ganzen Leuten blamieren?“ Schnell zog Daimon ihn näher an sich, dessen Arm Mittlerweile wohl abgestorben war. Fauchend erwiderte er genau so leise: „Worauf du Gift nehmen kannst. Du kleiner Masochist brauchst doch deine tägliche Portion Mobbing!“ Kurz darauf stieß er Marcel ein Stück weg, und verließ galoppierenden Schrittes die Halle um den Karate-Gi zu holen. Der selbstgefällige Ausdruck in seinem Gesicht schien nur die Spitze des Eisberges zu sein- Gleichzeitig durchströmte eine fröhliche, stark Sadistische Erregung seinen Körper bis zu den Zehnspitzen. Die Schüler tauschten stumm fragende Blicke, liefen aber unbeirrt weiter ihre Runden. Marcels Beine zitterten, er glaubte jeden Moment den Halt zu verlieren. Alles drehte sich in seinem Kopf. Das würde das peinlichste Erlebnis seines gesamten Lebens werden, und dabei wollte er sich doch nur bei Daimon bedanken! Nach den heutigen Tag brächte er keinen Fuß mehr über die Schwelle dieser Schule zusetzten. Er musste sich unbedingt beruhigen, oder zu mindestens etwas gegen diesen verdammten Wunsch tun, augenblicklich los zu flehenden. Die Gedanken überschlugen sich. Schnappend zog er die Luft ein. „Hey Kleiner, was ist denn los? Du siehst auf einmal so bleich aus. Ist dir schlecht?“ Marcel spürte eine Hand im Rücken, die ihn leicht streichelte. Er drehte sich stockend um. Hinter ihm stand ein außergewöhnlich hübscher Junge mit großen Lila farbenden Augen. Moment mal! Lila Augen sind biologisch betrachtet ein Ding der Unmöglichkeit, das können nur Kontaktlinsen sein…! Das letzte bisschen Selbstbeherrschung verließ Marcel, und er sprangt mit einem lauten „Uaah!“ zur Seite. Da stand wahrhaftig Roxane Anderson, und streichelte immer noch seinen Rücken. Im ersten Moment hatte er das großgewachsene Mädchen (geschätzte 182 cm) für einen Jungen gehalten, da der Karateanzug all ihre Kurven verdeckte. Vom nahen sah ihr Gesicht noch 10-mal attraktiver aus. Ein butterweiches lächeln zierte ihre rosigen Lippen. Als Marcel bewusst wurde, wer ihn da so freundlich betrachtete, lief er schlagartig Knallrot an. „Du bist Daimons kleiner Bruder Markus, stimmst?“ fragte Roxanne, alias Hikari, heiter. „Marcel…“ verbesserte er kaum hörbar. Auf einmal war die Luft zu dick zum atmen; sein Puls raste wie verrückt. Das populäre Model war nicht nur beliebt und gutaussend zugleich, sondern auch freundlich und warmherzig. Dieses angenehme Verhalten ihm gegenüber verstörte ihn immer wieder auf neue, wo ihn doch alle anderen Schüler wie Dreck behandelten. „Hey Hikari, auch wenn du ein Schwarzgurt bist kriegst du keine extra Wurst! Renn gefälligst weiter, und zur Strafe hängst du noch 3 Runden ran“ Daimon kam mit polternden Schritten auf die beiden zu, die Ecken seines Mundes hatten sich zu zynischen lächeln nach oben gezogen, während an seinem Arm lässig die Miniaturausgabe eines Karateanzugs baumelte. Mit einem Hechtsprung kehrte Hikari an die Spitze der Mannschaft zurück, die grade ihre 4 Runden drehte, und streckte Daimon frech die Zunge raus. Ihre Lila Augen glitzerten im Licht wie geschliffene Diamantensplitter. Marcel konnte gar nicht anders, als ihr verwundert hinterher zu schauen. Niemand, bis auf Kim, sprang so mit Daimon um. Dazu gehörte eine Portion Mut, oder ein erheblicher Dachschaden, oder aber, ein Hang zu Masochismus. Marcel schüttelte seinen Kopf, so dass seine blonden Haarsträhnen in alle Himmelsrichtung flogen. Dann wandte er ihn Daimon zu, der bereits hinter ihm stand und immer noch gemein dreinblickte. „Bereit Zwerg? Du warst die längste Zeit deines Lebens gesund! Da!“ zischte er spitz, und schlug Marcel unwirsch den Karate-Gi auf die Brust. Dieser zuckte schmerzerfüllt zusammen; erst brach Daimon ihn fast den man Arm, und jetzt presste man seine Lunge zu einen Pfannkuchen zusammen. Egal, jammern würde eh nichts bringen. Keiner der Anwesenden würde ihm helfen. Marcel biss die Zähne auf einander; Mist, obwohl er dagegen an kämpfte, spürte er bereits die ersten Tränen in den Augenwinkeln lauern. Ein hastiger Blick zu Daimon genügte, um zu wissen, wie sehr dieser Sadist Marcels Verzweiflung genoss. Er leckte sich unbewusst über die trockenen Lippen, und berührte kurz mit der Zungenspitze sein Piercing. Hmm, der salzige Geschmack des Metalls erinnerte ihn leicht an Blut… „Ich geh mich dann umziehen“ murmelte Marcel und überlegte schon, ob er nicht aus der Sporthalle fliehen sollte, sobald er sich aus Daimon Sichtfeld befand. Er verwarf gleichzeitig diesen Gedanken. Würde er das wirklich bringen, hätte er seinem Bruder Stoff zum Ärgern gegeben, oder vielmehr geschenkt. In Zukunft würde er ihn nur noch Eierlose-feige-Heulsuse nennen. Das wollte Marcel sich nun wirklich nicht geben lassen. Er drückte den Karate-Gi feste an sich, trotzdem fühlte sich etwas in seinem Inneren eiskalt an. Vor wenigen Wochen hatte er doch einen so guten Kontakt zu Daimon hergestellt, und jetzt ging alle der Terror wieder von vorne los? Marcel öffnete die Türe zur Umkleidekabine und betrat widerwillig den unterkühlen Raum. Er stank nach Schweiß, alten Tennissocken und abgestanden Wasser in den Waschbecken, und Duschen. Diese Umkleidekabine wurden sonst nur von den 10- 12- Klässlern benutzt, daher hatte Marcel bis jetzt auch noch keinen Fuß in diese Grotte gesetzt. Glücklicherweise, der Suff erstickte ihn fast. Keine Ahnung wie das die anderen Schüler überlebten, wahrscheinlich liefen sie alle mit Klammern auf den Nasen rum. Er kicherte leise. Mit dem Bild der Nasenklammern vor Augen zog er sich rasch um, und ging in die Halle zurück. Der weiße Anzug schmiege sich wie eine zweite Haut an Marcels Körper, und fühlte sich gar nicht mal so schlecht an. „Danke Leute, das wars dann. Ihr habt heute Abend super mitgearbeitet, das muss ich schon ganz offen sagen. Ich bin stolz auf euch!“ rief Daimon, und warf einen allgemeinen Blick in die Runde, der von allen erwidert wurde. „Hmm? Was Glotzt ihr mich denn noch so dämlich an? Wollt ihr ein Extrastunde anhängen, oder was? He! Vergisst es; nachher kriege ich Beschwerdebriefe von euren Mamis. Dann dürft ihr jetzt in den Feierabend abhauen. Wir sehen uns dann am Freitag wieder, und oweh, ich höre einen einzigen über Blaueflecken jammern!“ Nachdem Daimon das Training beendet hatte, schwirrten die Karate-Jungs wie die Fliegen in die Umkleidekabine, und veranstalteten eine riesen Schlacht mit dem Wasser der Duschen. Auch wenn Daimon recht barsch mit ihnen umging, mochten sie ihn alle. Daimon war doch ihr großes, sportliches Vorbild! Nein, es gab keinen in der Mannschaft der schlecht über ihn sprach, oder gar seine manchmal recht fragwürdigen Trainingsmetoden anzweifelte. Keinen, bis auf Marcel der wie ein Häufchen elend vor der Kabinentüre hockte. Natürlich tat ihm jeder Knochen weh, und jeder noch so kleine Muskel brannte wie die Hölle selbst. Die Jungs behandelten ihn jedoch höfflich, was wohl an Daimons Anwesenheit lag, und halfen ihm bei den schwierigen Tricks. Darüber Freude er sich insgemein; wenigstens eine Hand voll Schülern verspottet ihn nicht. Zur Abwechslung mal. Dennoch wollte er sich nicht gemeinsam mit ihnen umziehen. Er schämte sich wahnsinnig für seinen mädchenhaften Körper. Keine Spur von Muskeln, oder Schamhaaren wies er auf. Vielleicht würde er sein Leben lang an Geschlechtloses Etwas rumlaufen, oder sich früher oder später die Kugel geben… Nach 20 weiteren Minuten verabschiedenden sich die letzten beiden Jungen bei Daimon per Handschlag, und gingen aus der Halle. Dieser kam grade um die Ecke, und warf einen flüchtigen Blick in die Umkleidekabine. „Man…! Wie lange brauchst du noch Marcel?! Beeil dich mal ein bisschen; Ich will nachhause!!“ Ein ungeduldiges schnauben als Antwort. „Ist ja schon gut, bleib ruhig! Eine Röhre ist nun mal keine Jogginghose, die man Schwupps! Angezogen hat. Vor allem nicht, wenn einem überall Schweiß klebt!“ rief Marcel zurück. „Das interessiert mich einen scheiß! Wenn du nicht in 5 Minuten fertig bist, schließe ich dich bis Morgen hier ein!“ „Mach doch! Dann rufe ich die Polizei an“ „Halt´ die Fresse du Pisser!“ „Danke für den Kosenamen, Schatz…“ Kaum hatte Marcel die Hose über die Hüfte gezogen, als Daimon auch schon laut die Türe aufriss, und wie eine wildgewordene Furie los keifte. „Wenn du kleines Rotzblag mich weiterhin provozierst, schlag ich dich zu Brei! Ich schwör´s dir; diesmal mein ich es ernst! Ich beherrsche alle Möglichkeiten dich mittels Folter in geistige Nirwana zu verbannen!“ Mehr als die Hälfte vergaß Marcel sofort, und rollte entnervt mit den Augen. So langsam verlor er die Angst vor Daimons ewigen Drohungen. Erst wenn sich Körperlichegewalt ins Spiel mischte, erwachten seine momentan arg strapazierten Überlebenssinne. „Anstatt hier rum zu motzen kannst du mir auch mein T-Shirt geben, das ist irgendwo dahinten zwischen Bank, und Wand gerutsch -“ Etwas Warmes streifte Marcels Handgelenk, und dann schoss ein scharfer Luftzug an seinem Gesicht vorbei worauf er donnert gegen Kabinenwand krachte. So ein Mist! Gott verdammtes Arschloch!! Marcel schrie auf während der Schmerz seine Wirbelsäule empor kletterte, und sich allmählich in seinen gesamten Körper ausbreitet. „SCHEISSE!!! Was soll das!? Wolltest du mich killen, oder zum Krüppel machen!?“ Leider war Daimons Gesicht vollkommen emotionslos, so dass es unmöglich war die Richtung zu bestimmen, die seinen Gedanken einschlugen. Nicht mal mehr der Schatten eines Grinsens lag auf seinen blassen Lippen. „Wenn du was von mir willst, musst du mich schon höfflich darum bitten“ Triumphieren brannte sich das giftige Grün von Daimons Augen, wie ein Feuer in Marcels Körper. Das Herz schlug diesen fast bis zum Hals. Jetzt war der Zeitpunkt des Schweigens gekommen, wenn er sich nicht eine Ohrfeige oder schlimmeres, fangen wollte. In diesen Moment ließ Daimon den Kopf nach vorne fallen, und näherte sich langsam Marcels Gesicht. „Hast du jetzt schon schiss?! Ich wusste doch, dass du nur heiße Luft von dir gibst; Du bist ein echter Versager! Komm schon, wehr dich wenigstens!!“ An den Haaren riss er Marcel nach vorne, und blies ihm seinem vom Training heißen Atmen gegen die Lippen. Ein kurzer Blitz durchzuckte seinen Körper. Wie immer fühlte es sich richtig gut an, wenn er schwächere bis auf Blut Quälte. Und Marcel eignete sich nun mal am besten für solche > harmlosen Scherze<. Der schlug doch nie zurück! Daimon ahnte von der Panik die Marcels Körper durchströmte und grinste ihn Hämisch ins Gesicht. Nur noch ein wenig, und schon würde der Kleine los flennen wie eine Sirene und den Geräuschpegel eines Startendes Kampfjets erreichen. Doch plötzlich richtete sich Marcel unter Daimons Gewicht auf. Auch dem Ruhigsten platze irgendwann mal der Kragen. Seine blauen Augen glänzten Mordlustig, und schon im nächsten Moment versenkte er seine kleinen Zähne in Daimons Lippe. Die scharfen Beißer verschmolzen mit dessen Piercing, und ein geschätzter Liter Blut ergoss sich zischend über den Steinboden. Marcel ruckte den Kopf heftig zurück, ohne dass er die Wand im Rücken berührte, worauf ein scharfes reißen ertönte. Auch Daimon zischte wie eine Kobra als er jaulend nach hinten sprang, und sich die Hand auf den Mund schlug. „DU KLEINER WICHSER!“ schrie er so schrill dass sich seine Stimme vor Aufregung überschlug. „BIST DU JETZT VOLLKOMMEN ÜBERGESCHNAPPT, EY!!?“ Vor Schmerzen wimmerte betastete Daimon die Verletzung in seinem Gesicht; anscheinend hatte sich der Metallring nach Marcels Attacke halb durch seine Lippen gebohrt, und sie fast in zwei Hälften gerissen. Immer noch lief in Strömen dunkles Blut aus seinem Mund, und landete auf Daimons weißes Hemd. Rein aus Reflex stieß er einen Fluch aus. Das war sein bestes, und einziges Hemd! Nachdem seine Augen immer dunkler wurden, und die Wut in ihn hoch kochte, fing er Marcels Blick auf. Der Dämon in seiner Brust stieß einen röhrenden Schrei aus. Am liebsten hätte er sofort los geschlagen. Sein Gegenüber erwiderte den Blick erst frostig, dann sichtlich verwirrt, und schließlich total verängstigt. Marcel schluckte hart. Auf einmal zitterten seine Hände wie verrückt. Das war nicht beabsichtigt gewesen. Eigentlich wollte er Daimon gar nicht verletzen! Das seine Zähne ausgerechnet das Piercing erwischten, war bloß reiner Zufall, und nichts Geplantes. Aus reiner Angst hatte er schließlich zugebissen. Der Schock trieb ihm den Schweiß auf die Stirn, und das Herz schlug ihm bist zu Hals. Oh weh, jetzt saß Marcel echt tief in der Tinte. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete er, wie Daimon immer wütender wurde. Bald würde er Amoklaufen und einen Mord begehen. Und Marcel sah sich selbst schon in der Opferrolle. Sein zittern verwandelte sich in unkontrolliertes Zucken und er musste sich arg zusammenreißen. Am liebsten hätte er sich heulend hingeworfen, aber bevor es dazu kam, sprang plötzlich die Kabinentüre zur Seite. „Hey Daimon, hast du vielleicht noch 5 Minuten Zeit, ansonsten gehe ich jet– Was ist denn hier los…?“ Wie aus dem Nichts herauf beschworen stand Hikari plötzlich im Rahmen. Ihre Augen hatte sie nun mit dunklen Kajal nachgezogen, und ein wenig getuscht, obwohl ihre Wimpern auch ohne wie dichte Staubwedel aussahen. „OH MEIN GOTT, ist das Blut?!“ Sie stieß einen kurzen Schrei aus, und deutete mit ausgestreckter Hand auf Daimons Mund. Die Chancen standen gut, das sie aus den Latschten, beziehungsweiße, High Heels, kippte. Sie sah Daimon mit weit aufgerissen Augen an. „Das ist Blut!!“ Die Haut unter ihrer fluffigen Mähne färbte sich schlagartig Weiß. Sie wimmerte ängstlich. „Was hast du bloß angestellt?! Das sieht ja grauenhaft aus, du musst sofort zum Arzt. Komm, ich fahr dich hin!“ Daimon wirkte wie vor den Kopf gestoßen, und doch schrumpfte der Rachedurst in seinem Magen auf einen winzigen Punkt zusammen. „Hey hey, immer ruhig mit den jungen Pferden. Das sieht schlimmer aus, als es in Wirklichkeit ist“ Er log, und das wussten sie beide. Natürlich war es schlimm, denn er hätte fast seine Unterlippe verloren. Aber Daimon wollte nicht den Waschlappen spielen, sondern kehrte lieber den Macho nach außen. Er machte eine kurze, abwertende Handbewegung und grinste leicht, wobei sich sein Gesicht jedoch vor unterdrückten Schmerz verzog. Unwillkürlich machte Hikari einen Schritt nach Vorne und packte Daimon mit einer sanften aber entschlossen Bewegung am Handgelenk. Mit einem Mal wirkte sie gar nicht mehr panisch, oder ängstlich. „Jetzt markier hier nicht den Starken“ sagte sie ruhig. Ihre Augen verengten sich bei diesen Worten leicht. „Ich kenne dich gut genug, um hinter deine Fassade zu blicken“ „Aber Roxane…!“ „Kein aber!“ Sie warf einen kurzen Blick in Marcels Richtung. „Kannst DU mir wenigstens helfen?“ „I-ich…?!“ stammelte Marcel verwundert. „Ja klar“ Zu Zweit bugsierten sie Daimon bis nach draußen auf den Parkplatz, wo Hikaris freie Hand auch schon in ihrem Sportrucksack verschwand, und einen Schlüsselbund hervor zog. Sie hielt eine kleine, schwarze Fernbedienung in der Luft und drückte einen ebenso kleinen, roten Knopf. Irgendwo auf dem Parkplatz, surrte leise ein Auto und zwei Scheinwerfen blinzelten in der Dämmerung. Marcel blickte sich fragend um; Die Lichter gehörten zu einem roten Cabriolet, den normale Schüler sich eigentlich nicht leisten konnten. Aber war heutzutage schon normal? Ohne große Umwege schlief Hikari ihren widerspenstigen Kumpel zum Wagen und drängte ihn unter vollem Körpereinsatz auf den Beifahrersitz. „Jetzt-Mach-Dich-Nicht-So-Schwer. Verdammt!“ keuchte sie. „Mein Gott! Du tust ja fast so, als ginge es zum Schlachthof!“ „Du raffst ja nicht dass ich keinen Arzt brauche!“ spie Daimon ihr angriffslustig entgegen „Das ist nur ein kleiner Riss den ich morgen schon wieder vergessen habe!“ Obwohl er größer und stärker war als Hikari, rührte Daimon keinen Finger um sich aus ihren Klauen zu befreien. Im Gegenteil. Es schien, als hätte er sogar Angst das Mädchen anzufassen. Marcel stand Unschlüssig neben dem Cabriolet, und betrachtete mit bangem Blicken die Situation. Das schlechte Gewissen plagte ihn so sehr, dass er ganz in Gedanken versunken war, und kaum was anders mitbekam, als das ständige Hämmern in seinem Kopf. An diesen Tag ging es viel Verrückte zu, als sonst. Es war ein Tag, an dem faste ALLES schief ging. „Buh! Geschafft“ Die Autotür knallte zu und Hikari umrundete erleichtert den Wagen. Im vorbeigehen schnappte sie sich Marcels Ärmel und legte mütterlich einen Arm, um seine schmale Schulter. „Dein Bruder ist ja echt Schlimm! Wetten, dass er nur Schiss vor dem Nähen hat? Uijiujiujiu~ Hat unser Daimon etwa Angst vor Nadeln!?“ Der Tag neigte sich langsam dem Ende zu und die untergehende Sonne tauchte Goathland in ein leuchtendes Rot. Es sah aus, als stünden die einzelnen Wolken am Horizont in Flammen. Im Fernsehen lief grade irgendeine eine Telenovela vom Nachmittag, als Marcel die Haustüre aufschloss und ins Wohnzimmer spähte. Kim saß im Schneidersitz auf der Couch und hatte seine Augen verschlafen an die Matchscheibe geklebt. Heute trug er einen Weiss-schwarz gestreiften Pullover, mit einem tiefen V-Ausschnitt am Hals. Dazu passend eine dunkelgraue, enge Röhrenjenas und dicke Baumwollsocken an den Füßen. „Hi…“ murmelte Marcel im Vorbeigehen und warf seinem Bruder ein kleines Lächeln zu. Gemächlich drehte dieser den Kopf vom Fernsehen weg, und sah Marcel mit einen intensiven Blick an. „Hi“ erwiderte er tonlos, ohne dass sich die Hautpartie an seinem Mund bewegte. „Wo warst du den ganzen Tag? Ich habe dreimal auf dein Handy angerufen, und dreimal bist du nicht dran gegangen…“ Marcel verdrehte leicht Augen, und doch schmunzelte er ein wenig dabei. Wieder solch ein geheimer Moment, in dem er Kims Fürsorge deutlich spürte, und sie in seinem an Heterochromie leidenden Augen lodern sah. „Ich war noch beim Karatetraining und hatte mein Handy deshalb ausgeschaltet. ´tschuldigung, wenn du dir Sorgen um mich gemacht hast“ „Tzz~!“ erwiderte Kim kühl. „Kein Bisschen. Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte?!“ „Ist schon okay“ sagte Marcel achselzuckend und ging in die Küche. Dabei warf einen kurzen Blick nach draußen. Er sah Hikari, die mit dem Rücken zum Haus stand, und Daimon verwirrt zu ihr hoch Blickend, immer noch im Auto sitzend. Daimon war Kreidebleich angelaufen und seine Augen weiteten sich wie ein aufblähender Kugelfisch. Dann nickte er plötzlich, lächelte schälmisch und berührte kurz seine genähte Lippe…- „Huch, wenn haben wir denn da? Wenn das mal nicht Prinzessin Hikari ist“ ertönte plötzlich eine Stimme dicht neben Marcels Ohr. Dieser zuckte leicht zusammen, als er bei Starren erwischt wurde. Das Gesicht zu einem grinsen verzogen legte Kim seine Hand auf Marcels Kopf und verwuschelte leicht seine blonden Haare. „Zeit zum essen!“ meinte er dann und Kims Stimme klang auf einmal viel freundlicher und auch wärmer als zuvor. „Heute hat Kuroro für dich gekocht, also gehen Beschwerden an ihn, okay?“ Marcel nickte und fand sogar auf Anhieb eine kleine Schüssel mit Sahne-Champion Tortellini in der Mikrowelle. Doch dann entdeckte er den Hagen an der Sache; Der Tortellini klebten auch ohne Geburtsfehler an einander wie Siamesische-Zwillinge. Nur schwerlich konnte er den Nudelklumpen mit einer Gabel zerkleinern, da Kuroro anscheinend so viel Ahnung von Kochen hatte, wie ein Fisch vom Fahrradfahren. Selbst nach 5 Minuten gnadenlosen hacken und fluchen schaffte es Marcel einfach nicht gegen die Sturheit des Abendessens anzukommen, und musste den Klumpen wohl oder übel in den Abfall befördern. „Kiley…“knurrte er unwirsch. „Tue mir einen gefallen, und halt Kuroro die nächste Zeit von der Küche fern! Schau dir das doch nur mal an! Das ist jetzt vielleicht etwas niveaulos ausgedrückt, aber da kann selbst Daimon besser Kochen, sprich die Tiefkühlpizza in den Backofen schieben“ Noch in der derselben Sekunde stellte sich Kim hinter Marcel und pustete ihm kräftig ins Ohr. „Weißt du was? Koch demnächst selber! Wir sind nicht mehr Hotel Jeremy; ab jetzt lebst du wie ein normaler Mensch mit zwei gesunden Armen, und machst dir dein Essen gefälligst alleine“ „Wie bitte?“ Marcel drehte sich mit weit ausgerissenen Augen zu Kim um. Sein Blick bohrte sich wie tausend Messer in die Augen seines Bruders. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Ich bin den ganzen Tag in der Schule, wie soll ich das den mach - “ „Hey, was ist los ihr Zwei? Warum Zickt ihr euch an!?“ Daimon betrat mit hochgezogenen Augenbrauen die Küche. „Schon gut“ meinte Kim achselzuckend und wischte das Thema mit einer lässigen Handbewegung vom Tisch. „Jetzt sag mir mal was Roxanne hier wollte“ Als Antwort leckte sich Daimon vorsichtig über die gerötete Unterlippe. „Der Giftzwerg hat mich eben fast zu einem Mord animiert“ sagte er spitz, und sah Marcel dabei misstrauisch an. Mit gekreuzten Armen vor der Brust und versiegelten Lippen behielt Kim seine Haltung bei, und starrte seinem Zwillingsbruder direkt in die Augen. „Wie bitte?“ Für Daimon war ein richtiger Genuss noch einmal die Situation zu schildern, und zu sehn wie Kim ungläubig den Mund aufriss. Zum Schlussnahmen sie Marcel provozierend langsam unter die Lupe, und setzten sich dann ohne zu lächeln an den Küchentisch. Wollten sie dramatisch sein? Erstens sahen sie sehr grimmig aus; außerdem verbreiteten sie mit ihren ernsten Gesichtern eine schlechte Atmosphäre. „Das hätte ich nicht erwartet“ prustete Kim keine 5 Sekunden später wobei er tadeln den Finger hob. „Ich auch nicht… der Kleine ist doch ein echter Sandjoé. Du musst dir nichts gefallen lassen, auch von mir nicht“ Der Sarkasmus in Daimons Stimme war nicht zu überhören. Feste packte er Marcel am Handgelenk und zog ihn an sich. „Schau dir gut an, was du getan hast!“ Seine Mimik war wie aus Stein. Vollkommen Gefühlskalt. Marcel betrachtete Wortlos seine Schandtat. Und schon wieder bildete sich bei diesem Anblick ein dicker Kloss in seinem Hals, der ihn beim Schlucken leicht würgte. „…e -esttutuutmiiirleid…“ stotterte er. Die Pure Verlegenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Was hast du gesagt Marcel? Ich habe dich nicht verstanden“ Dieser hatte sich zwischenzeitlich notdürftig aus Daimons Stahlgriff befreit und seine Augen zu kleinen Schlitzen verengt. Sein Blick sah ziemlich furchteinflößend aus. Als Marcel endlich den Mund aufmachte, klang seine Stimme so kalt, als würde er mit einem Stein am Straßenrand sprechen. „Bist du taub? Das habe ich dir doch grade - “ „Na na, bist jetzt warst du auf den richtigen Weg!“ Vor Wut schoss Marcel das Blut in den Kopf; Warum musste Daimon immer, IMMER Salz in die Wunde streuen? „Hättest du mich nicht gegen die scheiß Wand gestoßen, hätte ich dich auch nicht gebissen – also bist du an deinem Unglück selber schuld!“ Daimon hörte noch nicht einmal zu. Er schnalzte bloß ungeduldig mit der Zunge. „Na und? Soll ich mich dafür etwa entschuldigen? Wenn du so blöd labberst kriegst du eben ein paar aus Maul!“ Marcel, so energiegeladen, dass er mit den Fuß laut auf den Boden stampfte, lachte eisigkalt. „Was für ein Geistreichereinfall! Kannst du deine Probleme nur lösen, indem du anderen auf Maul haust?!“ „Immerhin kann ich die alleine lösen, und bin nicht auf meinen älteren Bruder angewiesen!“ „Jetzt roll´ doch keine alten Geschichten auf, das ist doch lächerlich. Hast du keine anderen Argumente auf Lager?“ „Oh doch!“ Daimon krempelte sich grinsend die Ärmel hoch. „Ich habe sogar zwei auf einmal!“ Trotz der lautstarken Auseinandersetzung behielt Kim die Ruhe, und legte seinen Brüdern jeweils eine Hand auf die Schulter. „Jetzt bleibt aber mal sachte Jungs“ meinte er, während er seine Eckzähne fletschte und ein kehliges Knurren hören ließ, bei dem Marcel und Daimon gleichermaßen zusammenzuckten. „In diesen Ton verträgt ihr euch doch nie im Leben! Und ganz nebenbei; langsam kann ich eure ewigen Streitereien nicht mehr hören. Versetzt euch doch mal in meine Lage! Das ist echt mega lässig. Ich bin schon darauf und dran einen Maulkorb für euch zu kaufen!“ Mit einem Kopfschütteln ließ er die beiden los und funkelte sie erwartungsvoll an. Und, was macht ihr nun? Schien der kühle Ausdruck in seinen Augen zu sagen. „Na gut…“ knurrte Daimon, dem das Alles gar nicht passte, sich aber als älterer Bruder dazu berufen fühlte den Streit zu beenden. Missmutig streckte er Marcel als Zeichen seiner Reue die linke Hand entgegen. „Entschuldigung, das ich dich wie eine Schmeißfliege gegen die Wand geklatscht habe“ Okay, Daimon winkte wie üblich mit dem Zaunpfahl. Zeit die Rankenwerfen in die richtige Position zu rücken. „Dann entschuldige ich mich dafür, dass ich mit dir Wonne in die Lippen gebissen habe, und sehr bedauere dass dein Piercing sie nicht gezweiteilt hat!“ „Marcel…. Daimon! Was zum Hänger fällt euch ein? Verdammte Scheisse; JETZT VERTRAGT EUCH ENDLICH, ODER IHR FLIEGT HIER RAUS!! DAS IST MEIN VOLLER ERNST. ICH HABE KEINEN BOCK MEHR AUF DIESEN MIST!!“ Allesklar; nach diesem Tag würde Kim ein paar Therapiestunden bei einem guten Psychologen bitter nötig haben. Im Allgemeinen sah er aus sehr, sehr gefährlich aus. Wie ein richtiges Ungeheuer. Schon die ganze Zeit pochte eine wütende Ader an seiner linken Schläfe, die nur darauf wartete zu explodieren. Natürlich lag es an den Genen in ihrem Blut, das Daimon ebenfalls wütend, noch wütender als zuvor, wurde und die Pupillen zu kleinen Schlitzen verengte. „Ach, wer hat dich eigentlich zum Familienoberhaupt erkoren? Ich erinnere mich nicht an eine rechtmäßige Abstimmung!“ zischelte er böse. „Labbere keine Scheisse Daimon. Das ist ja wohl klar, dass ich jetzt wo Jeremy weg ist, die Verantwortung übernehme. Immerhin bin ich nach ihm der Älteste!“ „Die 2 Minuten verschaffen dir sicher keinen geistigen und moralischen Vorsprung, mein Lieber!“ „Und du hast deine verbliebenden geistigen Fähigkeiten bei kiffen in die Luft geblasen!“ „Huch, der hat mich jetzt aber getroffen. Wenigstens habe ich sinnvolleres zu tun, als mich mit einem extra Schuljahr zu langweiligen, weil ich schieß vors Studium habe“ „Wenigstens habe ich mein Abi schon mal, und bin nicht kleben geblieben!“ „Ist das alles was du zu sagen hast, Mister Schlaumeier?“ „Ja!“ fauchte Kim und senkte bedrohlich die Stimme. „Du hast Hausarrest!“ Daraufhin begann Daimon auch ohne Drogen total bekifft zu Gackern. „Ich glaube, bei dir Piepst wohl!?“ rief er nachdem er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Doch dies war nur die berühmte Ruhe vor dem Sturm. So wie jetzt; Sofort erlangte die Wut die Kontrolle über Daimon zurück „Du hast weder zu bestimmen was wir machen, noch kannst du mir irgendwelche Verbote erteilen!“ Ein Seufzen verließ Kims trockene Lippen und er befeuchtete sie gedankenverloren mit seiner Zunge. Dann schüttelte er sich mit einer Kopfbewegung die Haare aus dem Gesicht. „Daimon“ sprach er sanft und machte einen Schritt auf seinen Zwilling zu, der ihn versöhnlich stimmen sollte. „Bitte lass uns mit diesen Vorwürfen aufhören, ich möchte mich nicht auch noch mit dir streiten. In so einer Zeit müssen wir alle, Marcel eingeschlossen, zusammen halten. An dem Tag bevor Jeremy abgereist ist, hat er mir aufgetragen, in seine Rolle zu schlüpften. Das ist für mich auch nicht einfach, und mit deinem gereizten Verhalten, machst du es mir nicht grade leichter“ Mit einem weiteren Seufzten seinerseits überbrückte Daimon die Entfernung zu seinem Bruder, legte einen Finger unter Kims Kinn und schloss bestimmend seinen Mund. „Hab schon verstanden“ sagte er so freundlich und sanft wie nie zuvor. „Kein Streiten mehr, kein Brüllen, keine Vorwürfe und keine Verbote. Du bist der Boss, Kimi-Maus!“ „Kimi-Maus!?“ rief >Kimi-Maus< rot anlaufend, und boxte Daimon leicht vor die Brust. „So hast du mich das letzte Mal mit 8 Jahren genannt, in der Grundschule!“ „Und du fandest es total cool und abgefahren. Ich durfte dich gar nicht mehr Kim nennen, ganz geschweige von Kiley. Du wolltest immer nur >Kimi-Maus< gerufen werden“ „Gott! Was war ich damals bloß für ein Hohltier“ „Sag doch sowas nicht, ich fand und finde deinen Kosenamen sogar jetzt noch sehr süß“ „Spinner…. Du willst dich doch nur bei mir einschleimen“ „Na und?! Es scheint ja gut zu wirken“ Da lachte Daimon auch schon und fuhr sich mit einer Hand durch sein rotes Haar, ehe er eine Zigarettenpackung aus seiner Hosentasche zog, und sich den Glimpfstängel zwischen die Lippen klemmte. Wohltuend zog er den Rauch in seine Lunge und vergas vor einen Moment die Außenwelt, und deren negativen Eigenschaften. „Übrigens…“ sagte Daimon nach einigen Sekunden, und reichte die Zigarette an Kim weiter. „Hikari hat mir eben was Interessantes erzählt. Heute in der großen Pause hat sie irgendeinen vermummter Spastie beobachtet, der anscheinend meinem Spinnt aufbrechen wollte. Aber als sie ihn ansprach, ist der Wichser natürlich abgehauen. Morgen lasse ich einen meiner Jungs im Flur wachen schieben. So etwas lasse ich nicht zu. Wer weiß was der Irre wollte; nachher habe ich eine Briefbombe oder sowas krankes wie eine Schweinehaut ihm Schrank liegen. Wenn ich diesen Kerl in die Finger kriege und mit ihm fertig bin, kann der seine Nahrung nur noch aus der Schnabeltasche trinken“ Ah ja, das war der Daimon den sie alle so sehr lieben. Immer aggressiv und total motiviert das Leben seiner Mitmenschen oder aber Mitschüler in die Hölle zu verbannen, und selbst wenn es sich nur um einen harmlosen Scherz handelte. Doch für Daimon gab es solch eine Art Scherz nicht. Und vor allem nicht in diesem Bereich. Die eben noch sanften Augen Kims gewannen an Ärger und Mordslust. Die Samtstimm, die so viel Ähnlichkeit mit Jeremys hatte, klang wie scharf wie ein Rasiermesser „Nein Daimon, falsch. WIR schnappen uns den Kerl, und nicht du alleine. Wer meinen kleinen Bruder belästigt, kriegt die Fresse auf Hochglanz poliert!“ Demonstrativ ballte Kim seine Hand zur Faust und schlug sie in seine andere Handfläche. Bei dem Chaos, das morgen in der Schule ausbrechen würde, wäre Marcel liebend gerne daheim geblieben. So gern er es auch getan hätte, aber er war einfach zu ehrgeizig dazu. Was bedeutete, dass er jetzt schlafen musste, wenn er morgen in Deutsch die Tischplatte nicht voll sabbern wollte. Mit der Mine eines Mannes, der allem bereit ist, ging der jüngste des Hauses in sein Zimmer und schloss sich ein. In Gedanken spulte Kim den Tag vor Jeremys Abreise nochmal vor seinem Geistigenauge ab, als er stunden später geduscht und umgezogen im Bett lag; „Ich werde morgen früh um 5 Uhr von einem Rekruten abgeholt“ sagte Jeremy ruhig zu seinen Brüdern. Die Vier saßen in der Küche am Esstisch, und drei von ihnen zogen leidvolle Mienen. Als Jeremy keine Reaktion von ihnen bekam klopfte er mit der Faust kurz auf die Platte. Der erste der den Blick hob war Kiley. Müde und verzweifelte das er aus. Dicke Schatten lagen unter seinen Augen. „Was sollen wir den darauf sagen außer viel Glück? Deinen letzten Auftrag hattest du vor 13 Jahren, mal davon abgesehen, das die bei der Army anschneidet Überfluss an Personal haben, da die dich erst jetzt wieder in den Dienst einziehen“ Daimon fluchte leise und blickte stur aus dem Seitenfenster während er seinen Senf dazugab. „Es ist echt wunderbar das die ausgerechnet Dich haben wollen. Ich meine damit, du bist doch nicht der einigste Offizier der ein paar ferngesteuerte und willenlose Marionetten in den Krieg führen kann. Du hast denselben wichtigen Status wie ein alleinerziehender Vater! Sind deinen Leuten etwa schon so Kaputt, das ihnen das Familienleben ihrer >Mitarbeiter< total egal ist?! Wenn das wirklich der Fall ist, dann sind diese Affen sind doch echt allesamt Krank!“ „Es ist für mich nun mal ein anderes Leben. Und lebe es gerne“ antwortete Jeremy mit einem hauchzarten Lächeln im Gesicht, das dem Dämon in seiner Brust alle Ehre machte. „Im Kampf kann ich aufhören zu denken, und einfach das tun, was ich am besten kann. Ich habe euch schon mal erklären das ich besondere Aufgaben erledige und das die Spezialeinheit, die Navy SEALs, meinem Kommando unterliegt. Die Jungs setzten ihr größtes Vertrauen in mir; für die meisten bin ich Lebensretter und Letzte Hoffnung zugleich. Ja, es ist ein anderes Ich, ein dazu anderes Leben. Ein glücklicheres? Natürlich nicht. Ein Grausameres? Aufjedenfall. Trotzdem werde ich diesen Job nie aufgeben. Denn solange es da draußen diese Typen gibt, die Terroranschläge vorbereiten, Bürgerkriege anzetteln oder kleine Kinder zur Prostitution zwingen, bin ich da und vernichte sie“ Erschrocken sahen ihn Daimon an. Jeremy lächelte, zufrieden mit seinem Vortrag. Wenn er einmal von seinen >Aufträgen< erzählte, wurde der Rotschopf plötzlichen ganz Zahm. Doch es ging sich nicht darum, seine Brüder fürs Leben zu schocken, er wollte einfach erreichen, dass sie seine ernste Arbeit verstanden und akzeptieren. Im gegenüber saß Marcel, dessen Unterlippe so stark zitterte das Jeremy ahnte, er würde sofort los heulen wenn er nicht mit den Geschichten vom Dienst aufhörte. Er fühlte sich deswegen schon wie ein gefühlsarmer Kühlschrank und tätschelte liebevoll Marcel Handrücken. „Macht euch bitte keine Sorgen um mich, sondern lieber um die, die es mit mir aufnehmen wollen. Ich werde euch so oft wie nur möglich schreiben – ihr wisst ja – Telefonate werden vom Sicherheitsdienst überwacht. Dämliche Sache finde ich. Wenn ich Informationen weitergeben möchte, dann mache ich das ganz sicher nicht mit meinem Diensttelefon. Idioten!“ Mit seiner angeborenen Lässigkeit entlockte Jeremy dem Kleinen ein Lächeln, ja sogar ein kleines kichern. Er legte Marcel die Arme um die Hüfte und hob ihn über den Tisch drüber, um ihn anschließend sanft in seinen Schoss nieder zu lassen. „Ich werde euch doch auch vermissen…“ murmelte Jeremy leise und drückte Marcel feste an sich. „Fang bloß nicht vor mir an zu heulen, dann ist es aus!“ sagte Marcel. Seine blauen Augen die so schön funkeln konnten waren stumpf und wässrig zu gleich. Langsam brach der nächste Tag an. Die ersten Sonnenstrahlen fielen ins Haus und malten goldene Muster auf den Laminatboden; die Wanduhr aus dunkeln Eichenholz im Wohnzimmer zeigte 4. 34 Uhr an. Schon seit 2 Stunden war Jeremy auf den Beinen, und traf die letzten Vorbereitungen für seine nähende Abreise. Er versuchte bewusst so leise zu sein, wie er konnte da er niemanden aus den Schlaf reißen wollte. Eine seltsame, emotionslose Ruhe hatte von ihm Besitz ergriffen; in diesen Zustand hätte er genauso gut eine zerstückelte Kinderleiche im Garten vergraben können, und danach Marcel eine Kakao ins Zimmer hochbringen. Doch es war gut so. Genau dieser Zustand ermöglichte es ihm erst, die sonderbaren Aufgaben und Aufträge zu erfüllen, bei dem manch Andere schon längst durchgedreht wäre. Seit den Tod seiner Eltern hatte Jeremy die skrupellose Fähigkeit erlangt, sein Herz und Gehirn in schweren Situationen vollkommen >einzufrieren<. Dieses Wort benutzte er gerne für die Beschreibung seiner Fähigkeit. Für Eis gibt es kein Schmerz, Eis konnte man nicht zerstören, solange es nur hart genug war und vor allem kannte Eis kein Erbarmen mit den Lebewesen, denen es den Tot brachte. Nachdem der Kampf vorbei war, konnte sich Jeremy das Blut von den Händen waschen und so weiter machen, als ob er nicht grade ein Dutzend Menschen, oder gar noch mehr, ermordet hatte. Diese Fähigkeit betrachtete Jeremy als zuverlässiger Selbstschutz seines rein menschlich denkenden Herzens. Würde er ohne Selbstschutz oder als Stone Face all die Taten vollbringen die SIE von ihm verlangtem, würde er eines Tages als lebender Zombie zurückkehren, und die vernichten, die er am meisten brauchte. Aus Selbstschutz natürlich… „Wie lange bist du schon Wach? Machst du dir etwa solche Sorgen um uns?“ Jeremy drehte sich langsam und kontrolliert um seine eigene Achse. „Kim… Natürlich… Selbst wenn ich alle in diesem Haus mit Schlafmittel betäubt hätte, würdest du jetzt trotzdem hinter mir stehen, und diese Frage stellen“ „Wenn nicht ich, wer dann?“ Langsam und Katzenhaft schlenderte Kim die Treppe runter und schmiege sich mit der Wange an die Brust seines Bruders. Seine Haare standen in alle Richtungen ab weil er sich nachts immer und immer wieder umher gewalzt hatte. Mit großen, hellwachen Augen sah er zu Jeremy hoch. „Versprich mir bitte dass du nicht schon wieder Kranke Ideen hast, und irgendwelche fremde Leute mit ins Haus bringst. Einen Bruder mehr, verkrafte ich einfach nicht…“ „Kiley…“ zischelte Jeremy und seine Augen funkelten wie Neonleuchten, die plötzlich in einem dunklen Raum angeschaltet wurde. „Ist ja schon gut. Reg dich nicht deswegen auf. Ich wollte nur, dass du meine Ängste kennst, und weißt, das wir uns keine weiteren, wie nennst du es nochmal? >Ausrutscher< erlauben dürfen. Wir haben uns ohnehin schon mehr erlaubt, als jedes andere Stone Face. Und das wurde auch nur geduldet, weil du mit Violetta und Ray zu den Mächtigsten unserer Rasse gehörst“ Zuerst wollte Jeremy ihm wiedersprechen, doch dann fiel sein Blick auf das Familienfoto auf dem Wohnzimmerschrank und sein Herz machte einen Satz Richtung Magen. Er nahm Kim Kopf zwischen seine Handflächen und küsste ihn auf beide Augenlider. „Ich schwöre dir bei meinem Leben, das ich keine weiteren Dummheiten begehe“ „Und auch keine Frauen-Geschichten, hörst du?“ „Nein Kim, keine Frauen- Geschichten, das verspreche ich dir!“ Vorsichtig streckte Kim seine Hand aus und fuhr zart mit den Fingern über Jeremys glatte Wangen bis sie auf den Lippen hängen blieben. „Ich möchte nicht, das du auch nur einen einzigen Menschen dort Küsst! Schwör es mir!“ „Jetzt wird bitte nicht melodramatisch.“ In dem gedämpften Licht funkelten Kims Augen vor Eifersucht. „Schwör es!“ Ohne Vorwarnung gefror das Lächeln in Jeremys Gesicht und er drückte fast aggressiv Kims Genick nachhinten, als sich seine Finger um dessen Kinn schlossen. „Ich denke, du bist nicht in der Position mir irgendwelche Befehle zu erteilen, oder sehe ich das falsch Kiley?“ Kim zuckte zusammen als er den schneidenden Unterton in seiner Stimme bemerkte. Angst? Nein, er hatte keine Angst vor Jeremy, nur mächtig viel Respekt. Er wusste genau, dass er ihm in allen Lebenslagen oder Gemütszuständen vertrauen konnte. „Natürlich nicht. Aber was kann ich anderes tun, um meine Eifersucht in den Griff zu kriegen, als dich um das mindeste bitten?“ „Zum Beispiel mir Vertrauen“ Praktisch sofort spiegelte sich dasselbe Schauspiel von vor 27 Sekunden in Kims Gesicht wieder; seine Mine erstarrte. „Das tue ich. Sogar wenn du mich während eines Tobsuchtanfalls blind und taub geschlagen hättest. Was bleibt mir anders übrig als dem Wesen zu vertrauen, dass mein Bruder ist und gleichzeitig mein Herr und Meister?“ Jeremy seufzte und küsste Kim noch einmal sanft. „Du solltest vor den Schlafen gehen die Psycho-Thriller weglassen. So langsam bestärkt sich das Gefühl ein Bordell zu leiten. Daimon ist ja schon Krass drauf, aber du bist wahrhaftig die Krönung! Ich tippe ernsthaft auf einen Sado Maso-sklave…“ Vor Wut und Scham schoss Kim die Röte ins Gesicht während sein Atem flacher wurde und er schließlich fast hyperventilierte. D „Danke Jeremy, dass du mich auf meinen momentanen Geisteszustand hinweist!!“ „Seid ihr jetzt fertig mit flirten und darf ich auch mal etwas sagen?“ Dieser kurze Kommentar reichte aus um den Puls der beiden in makrokosmische Höhen zu katapultieren. Einen Moment lang dachten sie schon ihr Herz würde aussetzen, so intim und vertraut war der Moment eben gewesen. Zischten drehten die beiden sich zu Daimon um, der sie missbillig und genervt beobachtete. „Wie lange lauschst du schon?“ rief Kim gereizt und war noch ein bisschen röter geworden. „Lang genug um zu wissen, dass du einen ganz schönen Bruderkomplex hast!“ erwiderte der Rotschopf kühl am Fuße der ersten Stufe, genau an der Stelle, wo Kim selbst gestanden hatte. Kurz bevor diesen einen Herzkasper bekam und die passende Gelegenheit nutzte, um Daimon einen hasserfüllten Sturzbach an Beleidigungen an den Kopf zu werfen, drückte Jeremy seine langen, dünnen Finger auf seinen Mund. „ARRRRG~ Jermiiii!!! Da is s ei Argshc!!“ „Bist du nur runtergekommen um Kim zu ärgern?“ Jeremy sagte das nicht unfreundlich, doch man hörte deutlich raus dass er schon leicht gereizt war. „Natürlich nicht“ prustete Daimon empört und strich sich eitel eine Haarsträhne hinter sein Ohr. „Ich bin gekommen um mich bei dir zu verabschieden“ „Und nicht nur er…“ Langsam erschien ein blonder Lichtfleck neben Daimon in der Dunkelheit. Wie aus dem Boden gewachsen stand Marcel plötzlich da warf einen scheuen Blick ins Wohnzimmer, wo Jeremy und Kim nun wie versteinert aussahen. „Und ich habe mir solche Mühe gegeben euch nicht auf zu wecken…“ murmelte Jeremy angefressen, und konnte doch nicht die Freude verdrängen, die ihm bei den Anblick seiner drei Brüder durchströmte wie ein warmer Lufthauch. Kapitel 11: Der Angriff des Humaniod Demons ------------------------------------------- Das Haus lag in vollkommener Stille. Träge tanzten winzige Staubteilchen im glitzernden Sonnenlicht durch die Luft. Die goldenen, aber kühlen Strahlen fielen durch das halbgeöffnete Fenster in Marcels Zimmer. Im seinem Schlafzimmer regte sich nichts. Die Türe war verschlossen. Die Rollanden nur zur Hälfte hochgezogen und alles wirkte ruhig im Hause Sandjoé. Nicht das leiseste Raschel drangt aus seinem Innern hervor. Schmale Lichtstrahlen kitzelten seine Nase als Marcel die Augen einen Spaltbreit öffnete und verschlafen auf den Wecker schaute, der auf dem Nachttisch stand. Es war 9. 26 Uhr. Ich hab es tatsächlich getan! Schoss es ihm unwillkürlich durch den Kopf. Gegen alle Vernunft, und mit dem sichern Wissen, das Jeremy ihn dafür bis aufs Blut bestraft hätte. Er, Marcel Sandjoé, machte das erste Mal in seinem Leben Blau. Für diese Jahreszeit war es ein recht kühler Donnerstagmorgen. Die Anwohner rechneten jeden Augenblick mit einem kräftigen Regenschauer, wenn sie hoch in den Himmel blickten. Mit solch düsteren Aussichten auf den beginnenden Tag zog Marcel eine enge, rote Jeans aus dem Kleiderschrank, und dazu einen schwarze Kapuzenweste im Gothiclook. Als er gestern Nacht den Entschluss gefasst hatte, hätte nicht damit gerechnet dass die Sachen mit den schwänzen so einfach ablaufen würde. Aber egal, Marcel konnte nicht ewig hier rum stehen. Er wollte den versäumten Schultag wenigstens sinnvoll nutzen und etwas Wichtiges erledigen. Zum Bespiel anständen Einkäufe, denn seit Jeremys spontaner Abreise waren die längst notdürftigen Vorräten im Kühlschrank erschöpfst. Wenn nicht bald Nachschub ins Haus kam, dürfte Marcel in Zukunft nur noch auf schimmeligen Käse und vergammelten Brot übersät mit Haaren Kauen… Ehe Marcel sein Zimmer verließ nahm er sein Handy zur Hand und entriegelte die Tastensperre. Nanu, auf dem Display blinkte das digitale Briefchen einer Kurzmittlung. Schnell öffnete er sie, um die SMS zu lesen. Morgen Morsi, bist du Krank geworden? Schade, keiner da der mit mir über Felix und seine Idiotenfreunde lästert. Ich hoffe du fühlst dich morgen wieder so fit, das du zur Schule kommen kannst. Gute Besserung und liebe Grüße auch von Fee. Connor Seine guten, alten Freunde. Marcel seufzte tief in sich hinein. Jetzt bekam er fast schon ein schlechtes Gewissen, das er die beiden ohne Erklärung alleine gelassen hatte. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie einzuweihen und direkt mit in den Spontan-Urlaub zunehmen. In der Küche zwischen Cornflakes und Bienenhonig verborgen fand Marcel noch einen alten Müsliriegel, den er sich recht appetitlos in den Mund steckte während er eher gelangweilig nach draußen in die Garten guckte. Vom Wald her huschten dunkle Schatten über den taufrischen Rasen, die die mächtigen Tannen am Waldrand prodozierten. Langsam aber sicher drückte sich die Schuld auf Marcels Brust nieder. Die Stille im Haus klang nahezu anklagend, unangenehm halte sie in seinen Ohren wider. Bald musste er hier raus. Gehetzt steckte er ein paar Geldscheine aus der Haushaltskasse in sein Portmonee, und machte sich danach zu Fuß auf den Weg nach Thirsk. Sobald Marcel jedoch die Innenstadt erreichte hatte, musste er feststellen dass seine Arme sich nicht mit den Gedanken anfreunden wollten, mehr als 30 min vollgepackt mit Lebensmittel durch die Stadt zu laufen. Also schlenderte er zunächst Geistesabwesenden durch die leblos wirkende Einkaufsstraße, betrachtete die wenigen Menschen die ihm Unterwegs entgegenkamen und landete schließlich vor den riesigen Türen der Stadt Bibliothek. Was allerdings sehr seltsam war; mal abgesehen von den wenigen E-Books auf seinem Laptop war Marcel nicht grade der leidenschaftliche Leser, der abends stundenlang im hellen Kerzenschein über einen Buch hocken konnte. Wenn er auch nur an die ganzen Lektüren im 10-Schuljahre dachte, wurde ihm augenblicklich schlecht und sein Magen zog sich krampfhaft zusammen. Marcel zappelte nervös auf der Stelle. Grade eben war ihm der Gedanke durch den Kopf gegangen, dass einige seiner Mitschüler in der Stadt sein könnten und vielleicht sogar in der Bibliothek ihre Hausaufgaben erledigten… „Hey Marcel!“ Erschrocken fuhr der Kleine zusammen, als er aus der Nähe ein tiefes Kichern hörte. Allein der bloße Klang dieser Stimme ließ ihn wie Paralysiert erstarren. Einen Herzschlag später, spürte er auch die dazugehörige Hand auf seiner Schulter ruhen. Sie strahlte solch eine intensive Wärme aus, dass man die Hitze selbst durch den dicken Stoff der Kapuzenweste spüren konnte. „Na, machst du blau!?“ Marcels Ohren liefen rot an, als ihm bewusst wurde dass man ihn tatsächlich erwischt hatte, und dazu noch sofort entlarvte. Widerstrebig drehte er den Kopf nachhinten und schenkte Mephisto ein künstliches Lächeln, als sich ihre Blicke schließlich trafen. „Hast du keine Angst erwischt zu werden?“ fragte der Fürst der Unterwelt grinsend. Schüchtern nickte Marcel. „Doch schon, aber ich dachte, ich treffe keinen der mich kennt“ „Dann hast du wohl PP. Persönliches Pech“ Bei diesen Worten schlug Mephisto ihm schelmisch den Ellenbogen in die Rippen. „Verpfeifst du mich?“ fragte Marcel kleinlaut. Daraufhin stieß Mephisto ein sehr bösartiges Lachen aus. „Meinst du, es interessiert mich dass du den Unterricht schwänzt? Ich bin nicht wie Jeremy, der dich rund um die Uhr bemuttert. Von mir aus kannst du machen was du willst! Aber du selbst musst auch die Konsequenten dafür tragen. Zum Beispiel schlechte Noten, durch versäumten Unterrichtsstoff“ Einen Moment herrschte Stille zwischen denn zweien, dann packte Mephisto Marcel plötzlich am Handgelenk und seine roten Augen leuchteten vor Begeisterung. „Wenn du schon einmal hier bist, und nichts zu tun hast, kannst du mir auch bei den Einkäufen helf-!“ Mitten im Satz hielt der Dämon dann plötzliche inne und fixierte Marcel eindringlich. Zwei oder drei Sekunden verstrichen ehe Mephisto die Verbindung unterbrach und schmunzelte. „Ach so… du bist selber hier um ein zukaufen. Das ist ja ein lustiger Zufall, aber so können wir uns wenigstens gegenseitig unterstützen“ „Okay….“ sagte Marcel und rieb sich nervös den Nacken. Schon wieder las Mephisto ohne Erlaubnis seine Gedanken….Vor Aufregung kaute er auf seiner Unterlippe herum. In der Nähe seines Gegenübers, sollte er ständigen Blickkontakt unbedingt vermeiden… Unwillkürlich schoss ihm dann auch noch sein letzter Traum durch den Kopf. Das Herz in seiner Brust begann wie wild zu rasen und pochte schmerzhaft gegen seine Rippen. Oh Oh! Dachte Marcel mehr als nur verlegen und starrte fest entschlossen auf den Asphaltboden. Jetzt bloß nicht nach oben gucken…Wenn er jetzt in den Kopf hob und Mephisto in die Augen schaute, würde er an Ort und Stelle vor Scham ohnmächtig zusammen brechen. Garantiert. „Hey Blondie, was ist denn los? Warum bist du plötzlich so verlegen?! Schau mich doch bitte wieder an!“ Mephisto lachte, und stemmte dabei eine Hand in seine schlanke Hüfte. „Nur wenn du mir NICHT in die Kopf guckst. Das ist Privatsphäre!“ schnaubte Marcel und pustete sich eine Ponysträhne aus dem Gesicht. Es freute ihn, als Mephisto nickte und sich sogar aufrichtig für den Gedankenraub bei ihm entschuldigte. Doch es dauerte nicht lange, bis ihn die negativen Gedanken an Traum wieder einholten... Die beiden tänzelten eine Weile durch die verschiedenen Supermarktketten und Mephisto kaufte sich bei dem erst besten Laden eine Schalte mit Zigaretten. Er wühlte mit seiner freien Hand (die andere ächzte unter der Last von hundert Einkaufstüten) in seiner Jackentasche, bevor er ein silbernes Feuerzeug herausholte das in der Sonne glitzerte. „Hach!“ seufzte der Dämon mit der Zigarette zwischen den Lippen, schloss kurz die Augen und schieß dann eine Rauchwolke in die Himmel. Wohlig seufzte er noch einmal. „Das… ich habe gebraucht! Wenn mein Söhnchen mich Rauchen sieht, schimpft er immer mit mir! So ein Spielverderber. Wegen ihm, muss ich es heimlich machen!“ Unwirsch strich sich Mephisto eine pechschwarze Strähne aus den Augen. „So manches Mal sind die Rollen in unseren Leben vertauscht… oh man, dieses verfickte Haarspray!“ Immer noch unzufrieden mit seiner Frisur schüttelte er seinen Kopf, sodass die langen Ponyfransen in alle Richtungen flogen. „Ich habe mir so viel Mühe gegeben!“ jammerte Mephisto und betrachtete sein Spiegelbild kritisch in dem Fenster eines Modegeschäftes. „Da stecken 10 Tonnen Haarspray drin, und 25 Minuten toupieren und föhnen! Ich könnte Kotzen!“ Sanft zupfte er den Pony nach vorne und strich ihn Glatt. Den Rest seiner fransigen Mähne, verwuschelte er kurz mit den schwarzlackierten Fingernägeln, bevor er wieder in den notgedrungenen Spiegel schaute. Ein glückliches Schnurren verließ Mephistos Kehle. „Schon besser“ meinte er Achselzuckend und lächelte Marcel milde an. Sein heutiges, persönliches Best-Outfit bestand aus einer schwarzen College Jacke mit weißen Ärmeln, die seine schlanke Taille betonte und einer lilafarbenen, hautengen Röhrenjeans, welche seine langen Modelbeine gut zur Geltung brachte. Zu Zweit setzten sie ihren Einkaufsbummel fort und kauften die letzten Lebensmittel in einem kleinen Bioladen, fast am Ende der Stadt. Die Verkäuferin schenkte Mephisto ein strahlendes Lächeln, als sie ihm einen 5 Euroschein als Wechselgeld über den Tresen reichte. Dieses Lächeln erwiderte Mephisto nur Allzugerne; Die junge Dame schuldete ihm eigentlich nur 3 Euro… „Auf wiedersehn“ sagte er höflich, bevor ein kleines grinsen seinen karamellbraunen Lippen entfloh. „Also Wirklich! Das war nicht die feine, englisch Art!“ Marcel kreuzte grimmig seine Arme und funkelte Mephisto wütend an. „Bringst du andere Leute gerne aus der Fassung?!“ „Ach Marcel, komm schon, jetzt mach dich nicht lächerlich. Wenn die dumme Nudel nicht rechnen kann, ist sie selber schuld“ Ohne ein schlechtes Gewissen zuckte Mephisto mit den Schultern. „Was möchtest du eigentlich essen?“ Er konnte es sich nicht nehmen lassen und warf Marcel ein kleines zwinkern zu. „Als wieder Gutmachung, lade ich dich auch auf einen Burger ein“ Marcel runzelte die Stirn und wirkte mit einem Mal unsicher. „Ist das ein Bestechungsversuch?“ Da er immer noch nichts Richtiges gefrühstückt hatte, hebt sich seine Laune bei dem Gedanken an einem reichhaltigen Frühstück doch ein wenig…. Just in diesen Moment schmunzelte Mephisto. „Natürlich nicht, aber dein Margen gibt verdächtige Laute von sich“ Es bildete sich ein Kloß in Marcels Hals. Er versuchte ihn runter zu schlucken, doch es ging irgendwie nicht. Beschämt legte er eine Hand auf seinen Bauch. Verräterisches Organ! Es herrschte einen Augenblick Stille und sie starrten sich an. Marcel wurde rot und Mephisto fing an zu lachen. „Ja okay, du hast recht. Lass uns was essen gehen…“ Sie waren mittlerweile in der Fußgängerzone an gekommen und viele Leute drehten sich irritiert nach ihnen um. Mephisto bekam sich vor lauter Lachen gar nicht mehr ein und schnappte sich wie selbstverständlich Marcels Arm, den er mit seinen eigenen kunstvoll verknotete. Nach einigen Minuten landeten sie schließlich in einem belebter McDonalds-Filiale, und der fettige Fastfood Geruch vom frittierten Pommes und Bolletten verschlugen ihnen für einen kurzen Augenblick den Atem. „Oha“ bemerkte Mephisto trocken und blickte sich um. „Ich sollte mir mal das Betriebsgeheimnis dieser Filiale anschauen. Der Laden Bummt ja!“ An alle Theken standen gelangweilte Verkäuferinnen die die Bestellungen von Teenagern und entnervten Müttern mit quengelnden Kleinkindern aufnahmen. Grade steuerte Marcel die kürzeste Menschenschlange an, als Mephisto ihn auch schon am Handgelenk fest hielt. Mit der anderen Hand hielt er bereits ein reichverziertes Portmonee. „Hast du vergessen, das ich dich Einlade?“ fragte Mephisto bittersüß. „Da… Danke für das Angebot, aber du musst mich nicht Einladen…!“ „Stimmt. Aber ich möchte es“ Er hob warnend den Finger und in Mephistos Augen glühte Feuer. „Ende der Diskussion. Geh schon mal einen Platz suchen und setzt dich hin. Ich bin in 5 Minuten zurück“ Zu guter Letzt verpasste er Marcel nach einen leichten Hieb auf die Schulter, drückte ihn seine Einkäufe in die leeren Hände und entschwand dann zu den Theken. Leichtes Magenziehen begleitete ihn, als Marcel dass obere Stockwert passierte und sich an einem Tisch, nahe der Hauseigenen Fensterfront setzte. Er konnte Mephistos plötzliche Offenherzigkeit nicht ganz nach voll ziehen. Irgendwie fühlte es sich falsch an. Normalerweise schlug doch schon seine böse Aura jeden Menschen in die Flucht. Wollte Mephisto ihn etwa hintergehen, so wie in Marcels Alptraum? Wer weiß, vielleicht wäre es doch nicht so schlimm gewesen in die Schule zu gehen und sich Daimons Paranoiden Einbildungen zustellen. Aber bestimmt hatte Daimon seinen Kumpels aufgetragen, jeden Schüler der seinem Spinnt auch nur einen Millimeter zu nahe kam, in die Mangel zunehmen. Während Marcel in Gedanken die Vor- und Nachteile des Schwänzens ab wogen, zog er sein Handy aus der Hosentasche und Antworte Connor mit einer Kurzmitteilung. Macht euch bitte keine Sorgen. Ich bin nicht Krank; ich schwänze bloß. Ja ihr habt richtig gelesen; MARCEL SCHWÄNZT. Gestern in der großen Pause soll so ein Idiot versucht haben, Daimons Schulspint auf zu brechen. (Suizidgefährdet?!) Die Agrosau hatte dann abends angekündigt, dass heute seine Muskelfreunde die Gänge bewachen. Und ihr wisst ja, dass sie mich wahnsinnig gern haben… ich habe aber keine Lust auf Knochenbrüche und Blaueflecken XD Morgen komme ich wieder in die Schule. Versprochen. Kussi, von Morsi Und abschicken. Diese Entschuldigung sollte Genügen. Vorerst zu mindestens. Aber wie er Connor und Fee kannte, würden sie ihn heute Mittag nach Schulschluss sicher anrufen und mit fragen Löchern. Marcel seufzte in sich hinein und steckte sein Handy wieder in die Hosentasche zurück. Grade in diesem Moment sah er wie Mephisto die steile Treppen hoch balancierte; dass der arme Kerl sich nicht am Geländer festhalten konnte lad daran, das seine Hände ein XXL-Tablett in Richtung Tisch trugen. „Whao~“ bemerkte Marcel tief beeindruck als er mit großen Augen auf geschätzte 5 Cheeseburger, 4 Hamburger, 3 mittlere Pommes tüten, 3 Stacheln Chicken-mcnuggets, 2 Waffeln Schokoladen Softeis und 2 große Coca Cola Becher schaute. Mephisto grinste total selbstbewusst und sagte: „Am liebsten hätte ich mir von Allen etwas genommen. Aber das hier sollte für den ersten Hunger genügen, meinst du nicht auch?“ „Und für 3 Wochen danach…“ fügte Marcel hinzu, ohne die Augen auch nur eine Sekunden von den Fastfood-Haufen abwenden. Doch Mephisto überging diese Bemerkung, kicherte bloß und setzte sich zu dem Kleinen auf die Sitzbank. Er ließ seinen Blick einmal durch den Raum gleiten. „Schönes Plätzchen hast du dir hier oben ausgesucht“ meinte er ruhig. „Das scheint mir ein ganz nettes Familien Restaurant zu sein. Bei Gelegenheit sollte ich auch mal mit meinem Sohn hierher kommen…-“ Irgendetwas Ungewohntes in Mephisto Stimme veranlasse Marcel dazu auf zuschauen und dem Dämon in die Augen zu blicken. Plötzlich verspannte sich Marcel Körper. Nein, er hatte sich nicht geirrt; So schmerzerfüllt wie Mephisto grade von Dylan gesprochen hatte, schien es ernsthafte Probleme zwischen den beiden zugeben. Die Traurigkeit in Mephistos Augen bestätigte Marcels Verdacht. Es sah so aus, als ob Mephisto sich am liebsten in eine dunkle Ecke verkriechen würde, um sich von der Außenwelt ab zu schotten. Mit einem Mal überkam Marcel das schlechte Gewissen und diesmal hatte es nichts mit dem geschwänzten Schultag auf sich. Er verspürte den inneren Zwang, Mephisto etwas Nettes zusagen. „Ich bin sicher das sich Dylan wahnsinnig freuen würde, wenn du mit ihm hierher kommst“ Mephisto hob den Kopf und sah Marcel mit roten Kulleraugen an und fragte ungläublich: „Meinst du wirklich?“ „Natürlich. Er ist dein Sohn, er liebt dich doch! Ich habe zwar keinen Vater mehr, aber dafür Jeremy. Und ich bin ihm jedes Mal dankbar, wenn wir beide etwas unternehmen. Dylan wird es sicher nicht anderes ergehen!“ Erst es sah so aus als dachte Mephisto über diese Worte nach und er griff nach einer Pommes, die wenigen Sekunden später in seinem Mund verschwand. Aber dann bröckelte die ohnehin schon rissige Fassade - der Glanz in Mephistos roten Augen wirkte dabei matt, gefühlslos und irgendwie… zerbrechlich. „Ich bin mir nicht sicher, ob mein Kleiner mich wirklich noch so liebt wie früher. Er hat… Dylan hat sich verändert; er zieht sicher immer mehr zurück. Früher konnten wir über jeden Mist reden, über jedes einzelne Problem diskutieren und uns stundenlang über dumme Witze kaputtlachen. Wir haben uns einfach ALLES erzählt. Es gab keine Geheimnisse zwischen uns. Aber heute sieht die Geschichte anders aus, heute muss ich seine Gedanken lesen um überhaupt noch eine winzige Verbindung zu haben. Doch leider Gottes ist Dylan nicht grade mit Dummheit geschlagen, er weiß wie er sich gegen mich wehren kann. Er verweigert mir den Zugriff auf seine wahren Gefühle. Er verheimlich mir etwas…“ An dieser Stelle musste Mephisto inne halten und trocken schlucken. „…ich muss tatenlos zusehen wie ich MEIN Kind verliere!“ Bei dieser Aussage entgleisten Marcel beinahe die Gesichtszüge. Er versuchte ein tröstliches Schulterklopfen, während er unbeholfen um die richtigen Worte rang. „Das ist sicher nur so eine pubertäre Phase“ meinte Marcel leise und genau so unbeholfen. „Dylan hätte doch keinen Grund sich von dir zu trennen“ - Hölle nochmal, was Blöderes fällt dir wohl nicht ein – rügte ihn augenblicklich sein Innere, sarkastisch Stimme. Peinlich berührte ließ Marcel seine Hand von Mephistos schulter gleiten und rieb sich Nervös den Oberarm. Herr Gott! Was für eine dumme Situation. Doch irgendwie komisch, dachte sich ein kleiner Teil seines Gehirns; zuerst wahnt Dylan sich ganz plötzlich von ihm ab, und dann auch noch von seinem Vertrauten, Mephisto…!? Auf einmal zog sich selbstvergessendes, müdes Lächeln über Mephistos Gesicht. In seinem Blick war die Sehnsucht nach seinem Jungen deutlich zu sehen. „Kampflos werde ich Dylan sicher nicht gehen lassen. Zumindest nicht ohne anmessende Erklärung – das kann er sich abschminken“ So unvorhersehbar wie ein Blitzschlag flackerte plötzlich Wut in Mephistos roten Augen auf, aber auch wilde Entschlossenheit.“Die letzten Jahrhunderte habe ich ihn wie mein Eigenfleischundblut behandelt, ich habe ihn sogar einen neuen und besseren Körper geschenkt. Das KANN er nicht so einfach über Bord werfen! Egal, ob Dylan sich wirklich von mir trennen möchte, er kann dass, was ich für ihn getan habe nicht ungesehenen machen. Er wird immer eine gewisse Verbindung zu mir haben, ob er nun will oder nicht…!“ Noch als Mephisto die letzten Worte fauchte Platze ihm das erste Mal so richtig der Kragen. Sauer schlug er mit der Faust auf die arme Tischplatte; Pommes und Cola flogen ziellos über das Tablett. Während Marcel schon die ersten Engelchen singen hört, gab er ein erschrockenes Quicken von sich und rutscht ein ganzes Stück von dem wutentbrannten Dämon weg. „Me- Me- Mephisto!“ zischt er mit zitternder Stimme. „Bleib ruhig – die Leute gucken uns schon an…“ „Lass sie doch gaffen!“ erwidert Mephisto angefressen und warf der neugierigen Meute einen bitterbösen Blick zu. Marcels Blick verdüstert sich augenblicklich und er faucht in der zickigsten Tonlage, die er in diesem Moment, zustande bringt: „Du tust es schon wieder; du bringt die Leute aus der Fassung!“ Mit starrer Miene schauten sich die beiden für wenige Sekunden stumm an. „Du hast ja recht“ murmelte Mephisto und sammelte mit flinken Fingern die einzelnen Pommes vom Tisch auf. „Das ist nicht der richtige Moment um auszurasten… Sag mal, da fällt mir grade so ein; Warum bist du heute nicht in der Schule? Du bist doch niemand der ohne Grund Blau machen würde, oder schätze ich dich da falsch ein?“ „Ich… ich…“ stammelte Marcel unsicher und ein bisschen Überfordert mit dem rasanten Themenwechsel. Zuerst wollte er eine kleine Notlüge erfinden, aber dann erinnerte er sich an Dylans beherzten Rat, Mephisto am besten immer die Wahrheit zu sagen. „Ich will heute nicht in die Schule weil Daimons Schlägertruppe die Gänge bewachen und sie mich bei jeder Gelegenheit Ärgern. Mein Bruder ist an diesem Morgen auf Rache aus; angeblich wollte gestern jemand seinen Schulspinnt aufbrechen… und heute will er ihn auf frischer Tat ertappen und in die Mangel nehmen. So ist Daimon eben…“ „So so“ meinte Mephisto und schaute Marcel dabei eindringlich an. „Ich dachte, dass Daimon an eurer Schule respektiert und ebenso gefürchtet wird. Komisch…Vor einer Woche hatte ich in Dylans Gedanken etwas Ähnliches gelesen. Da war auch ein Fremder an seinen Spinnt gegangen und hatte ihn sogar aufgebrochen. Aber ich habe mir nichts dabei gedacht… Denn wenn es etwas Ernstes gewesen wäre, hätte ich mir doch trotz Abkapslung Bescheid gesagt oder? Außerdem denke ich das Dylan inzwischen alt genug ist um solche Angelegenheiten selbst zu klären. Er ist kein hilfloses Kind mehr. Und dazu ist er auch noch Stark“ „Aha, Dylan ist also auch betroffen!“ Marcel rieb sich nachdenklich sein Kinn. Auf einmal lag eine prickelnde Atmosphäre in der Luft. Er und Mephisto rückten etwas näher zusammen. „Dann leidet Daimon vielleicht doch nicht an Verfolgungswahn… Aber kann es Zufall sein, das mein Bruder Daimon und sowohl als auch Dylan betroffen sind? Ich meine, wer ist den so scharf darauf sich mit ein paar sehr beliebten und zum Teil auch brutalen Schülern anzulegen und bestenfalls noch die halbe Schule gegen sich aufzulehnen? Das grenzt doch an Größenwahn…“ „Das, oder jemand hat es spezifisch auf solche beliebten Schüler abgesehen… Ich spreche von einer Rache- Neidaktion, Marcel. Du hast doch erzählt, dass Daimon nicht grade Zaghaft ist und auch eine große Klappe hat. Sicher gibt es viele Schüler, die ihn ins geheim dafür Hassen… Aber ich versteh nicht, wie Dylan dann in das Beuteschema der Täter passt. Er ist zwar auch gern gesehen, aber Dylan ist in Gegensatz zu deinem Bruder nicht Gewalttätig“ „Das ist in der Tat Komisch…“ Seufzend ließ sich Marcel gegen das Polster der Sitzbank fallen und schloss erschöpft die Augen. In seinem Kopf hämmerte es wie wild. Er hasste dieses Gefühl, und noch mehr hasste er die wage Vermutung, die langsam in ihm aufkeimte: Hier waren finstere Mächte am Werk und in ihrer schönen Stadt braute sich etwas Unheimliches zusammen… „Brrrrr!“ Erschrocken fuhr Marcel zusammen, als sein Handy plötzlich ein lautloses summen von sich gab, aber trotzdem mit der vollen Leistungsstärke in seiner Hosentasche vibrierte. Verwirrt tastete er nach dem gewünschten Gerät und zog es mit hektischen Fingern hervor. Lass es bitte nicht Jeremy sein! dachte Marcel panisch. Jeremy wusste doch ganz genau dass er zu dieser Tageszeit noch mitten im Unterricht sitzen müsste –zu mindestens sollte er theoretisch da sitzen…! Marcel war so nervös und obendrein so Grottenschlecht in Lügen, das sein Bruder ihn bestimmt sofort durchschauen würde. „Ha-Hallo?!“ fiepte er kläglich in den Hörer. „Marcel!“ schieß jemand am anderen Ende der Leitung äußerst gereizt hervor. Oh oh, die Stimme klang so vertraut Aggressiv und unheilbringend… „Marcel, wo steckst du!? Hier ist die Hölle los! Du kommst jetzt sofort nachhause, hast du mich verstanden?! Sag deiner Lehrerin einfach dass du tierische Bauchschmerzen hast, und es nicht mehr länger aushältst. Heute Morgen als wir in der Schule waren, hat jemand Fremdes Kuroro im Wald schwer Verle- “ Kurz stoppte der Anrufer seinen Redeschwall. „Marcel… bist du noch dran?“ „Daimon…!“ rief Marcel überrascht aus. Dann wurde sein Blick allerdings sehr Kritisch. Um Marcel und Mephisto wurde es langsam düster; draußen am Himmel zogen sich ein paar dicke, graue Regenwolken zusammen die keinen einzigen Sonnenstrahl mehr durch ihre Mitte ließen – „Was hast du gesagt? Was ist mit Kuroro passiert?“ Daimon schwieg und man hörte deutlich, wie er mit den Zähnen knirschte. „Komm einfach nach Hause. Ich weiß nicht, ob die Verbindung unserer Handys Sicher ist…“ presste er schließlich nach 2 Sekunden heraus. „Ich kann nicht ganz folgen, was meinst d-!“ „Verdammt Marcel – ich kann dir das hier und jetzt nicht sagen! KOMM EINFACH SO SCHNELL WIE MÖGLICH NACHHAUSE! Tschüss!“ Damit wurde die Unterhaltung beendet und Marcel starrte mit Offenen Mund ins Leere. „Was geht denn da ab?“ fragte er sich geistesabwesend und stopfte umständlich sein Handy ein. Er sah Mephisto kurz an, und schluckte all seine Ängste und Vorurteile gegenüber dem Dämonenkönig hinunter. In diesem Moment gab es wichtigeres, als solche lächerlichen Gefühle! „Kannst du mich bitte nachhause fahren, Mephisto? Ich glaube ernsthaft, dass etwas Schlimmes bei uns passiert ist…“ Ebenfalls aufgebracht und erschrocken willige Mephisto sofort und ohne groß Nachzufragen ein. Das beruhigte Marcel wiederum etwas; mit seiner schnellen und positiven Reaktion machte ihn Mephisto ein bisschen Mut. Wie die Berserker rannten die beiden zu Mephistos Lamborghini und der Dämon sprang zugleich hinter das Lenkrad. „Jetzt muss ich wohl ein wenig von meiner Magie benutzen. Aber das behälts für dich, ja?!“ sagte Mephisto hektisch und startete flink denn Motor. „Magie?“ fragte Marcel verwirrt und nahm rasch auf der Beifahrerseite Platz, während der schon mit der anderen Hand den Sicherheitsgurt umlegte. Er schluckte leicht…. Das Wort Magie klang aus Mephistos Mund nicht grade nach so einladend und begeisternd, wie die gute Erinnerungen an die Magie aus Harry Potters doch recht harmlosen Schulalltagen. Doch während der Fahrt entpuppte sich Mephistos Magie als echter Segen für den sorgevollen Marcel; Alle Ampeln sprangen von Rot auf Grün sobald sich der Lamborghini ihnen auch nur um 30 Meter näherte, die Kreuzungen waren wie leer gefegt und kein einziger LKW ließ sich auf der sonst so vollen Landstraße blicken. Innerhalb der nächsten7 Minuten rollte das Auto auch schon in die Einfahrt der Sandjoés und Mephisto trat hart auf das Bremspedal. Der Lamborghini machte einen kleinen Satz nach vorne, und stand dann plötzlich so still als wäre am Erdboden festgeklebt. „Egal was bei euch zuhause passiert auch ist; denk immer daran das sich irgendwann wieder alles zum Guten wendet. Aber versprech mir trotzdem vorsichtig zu sein… Ich warte 5 Minuten bevor ich wieder fahre, okay?“ sagte Mephisto ohne genau durchblicken zulassen ob er Marcel nur ermutigen wollte, oder ob das, was er sagte auch ernst meinte. Schweigend beobachtete Marcel das Gesicht des Dämons. Ernsthaft; es fühlte sich so an, als ob Mephitso sich tatsächlich um ihn sorgte „Klar bin ich vorsichtig“ sagte Marcel aufrichtig und ein wenig Gerührt von dem unerwarteten Mitgefühl seines Gegenübers. „ Danke für die Fahrt… und danke auch für alles andere, was du heute für mich getan hast!“ „Ich habe dir doch nur ein essen ausgegeben…“ antwortete Mephisto ein wenig schmunzelnd. „Das ist nicht der Rede wert. Und jetzt sie zu das du endlich raus kommst!“ Leicht rot im Gesicht stieß Marcel die Autotür auf und warf dem Haus in dem er wohnte, einen Misstrauischen Blick zu. Von außen wirkte alles ganz normal. Nichts deutete auf eine schlimme Katerstrophe hin. Ohne sich noch einmal zum Auto umzudrehen rannte Marcel zur Haustüre, diese nach wenige Sekunden auch schon von selbst aufsprang. Daimons Kopf erschien im Türspalt und seine roten Haare leuchtenden im scharfen Kontrast zu der kühlen Finsternis, in seinem Rücken. Eigenartig, sein wann setzten sich seine Brüder denn gegen die Allgemeine Energieverschwendung ein…? „Da bist du da… Ist alles gut gelaufen? Hast du jemand verdächtiges auf den Weg nachhause gesehen oder hat dich jemand verfolgt? Naja egal, komm erst mal rein. Ich erklär dir dann alles“ Marcel am Arm packend zog Daimon ihn unsanft ins Haus und schloss unwirsch die Eingangstüre hinter ihren Leibern. „Was ist eigentlich los!? Warum ist alles so Dunkel?“ wollte Marcel aufgebracht wissen. Sein Atem wurde stockend, Panik erfasste ihn und ließ ihn fast hyperventilieren. Was hatte er den nur verpasst?! „Und was hast du mir da eben am Handy erzählt? Du klangst total überfordert! Was ist denn heute Morgen mit Kuroro passiert, und wo ist er überhaupt!?“ „Nicht so laut!“ fuhr Daimon ihn in seinem üblichen harten Ton an, und presste seine flache Hand gegen Marcels Mund und Nase. Unsicher drehte er den Kopf nachhinten und blickte mitleidig zur Küche, dessen Türe allerdings verschlossen war und nur ein kleiner Schlitz unter der Türe, die einigste Lichtquelle im ganzen Haus ergab. Angestrengt lauschte Marcel in die Stille hinein. Er hätte schwören können, dass da Laute von Schritten und Stimmen aus der Küche drangen, doch jetzt war wieder alles so ruhig wie vorher. Verwirrt sah Marcel seinen Bruder an und seine Augen weiteten sich ein Stück vor entsetzten, dennoch zwang er sein Inneres zur Ruhe, und schluckte einmal Hart. Zugleich nahm Daimon die Hand wieder von seinem Gesicht. „Hör mir gut zu“ sagte er leise und seine Augen verdunkelten sich. Entschlossen trat Daimon ein paar Schritte nach vorn, und führte seinen Mund ganz Nah an Marcels linkes Ohr. Dabei streiften seine rauen Lippen ganz leicht Marcels Haut. Der Kleine spürte den kalten Atem seines Bruders und ein schwaches Zittern fuhr durch seinen Körper. Er biss sich leicht auf die Unterlippe, und um Haaresbreite hätte er einen peinlichen und ängstlichen Laut von sich gegeben. „Kuroro wurde heute Morgen im Wald von jemanden angegriffen und schwer verletzt“ flüsterte Daimon mit träger Stimme und emotionskalter Miene. In seine Augen spiegelte sich jedoch Besorgnis, aber auch Wut wieder „Kim kümmert sich grade um seine Verletzungen und versucht, den Schaden so gering wie nur möglich zu halten. Der Angreifer hat ihn wohl total überrumpelt und aus dem Hinterhalt agiert, daher weiß Kuroro auch leider nichts von seiner Identität. Anscheinend hat der Mistkerl seine Aura und seinen Geruch gelöscht, denn so ohne weiteres kann man keinen Werwolf Überraschen; Ihre Nasen und Ohren sind hoch empfindlich und viel weiter entwickelt als die, von anderen Dämonen“ Marcel fröstelte es als er an die Schmerzen dachte, die Kuroro in diesem Moment wohl haben mochte. „Darf ich ihn sehen?“ fragte Marcel leise. Doch Daimon schüttelte den Kopf und sah seinen kleinen Bruder ernst in die Augen. „Tut mir leid Marcel, aber das geht nicht. Kuroro hat schwerste Verbrennungen am ganzen Körper erlitten, ein Großteil seiner Haut ist komplett und unheilbar zerstört! Als Kim ihn vorhin am Waldrand fand, war er mehr Tod als lebendig… Ich weiß das es Hart klingt, aber wir können von Glück sprechen, wenn Kuroro diese Nacht überlebt“ Jetzt verlor Marcel endgültig die Kontrolle über seinen Körper und er begann wie wild zu zittern; Furcht breitete sich in ihm aus und vernebelte seinen Verstand. Hätte er das grade richtig gehört? Wenn die Sterne schlecht standen könnte Kuroro an diesem Tag… Sterben?! „Hab ihr Jeremy schon angerufen?“ hörte Marcel sich selbst mit erstickter Stimme fragen. „Nein. Kim und ich haben beschlossen den Überfall vorerst für uns zu behalten. Jeremy würde mit Ach und Krach sofort nachhause kommen, und die ganze Stadt auf den Kopf stellt“ Daimon schloss die Augen als würde er ein stilles Gebet in den Himmel schießen, „du kennst Jeremy nur von seiner Guten Seite Marcel, aber der kann auch anderes. Wenn man ihm einen Grund gibt, kann Jeremy ganz schnell und ganz ohne Reue zum Amokläufer werden und in wenigen Stunden eine ganze Armee von Menschen vernichten. Er ist nicht umsonst die rechte Hand von Ray, dem Anführer der Stone Face in Rumänien. Hat man sich Jeremy erst einmal zum Feind gemacht, ist das dein sicheres Todesurteil. Deshalb… wollen wir Jeremy vorerst nicht einweihen. Wenn wir den Täter alleine schnappen, ist das wesentlich Sicherer für uns alle. Nagut, ich muss sagen das werden auch keine sonderlich erfreulichen Aussichten, für den Taten haben “ Mit weit aufgerissenen Augen lauschte Marcel den gesprochenen Worten und schluckte kaum merklich. Sicher wusste er das Jeremy in gewissen Augenblicken mal ganz gerne an die Decke ging, aber das war doch was völlig normales und selbstverständliches. Selbst dem ruhigsten unter Innen dürfte doch mal irgendwann der Kragen platzen. Aber so brutal wie Daimon grade von ihm Sprach, hatte das nicht mehr viel mit Jeremys allgemeiner Disziplinierten Art und Weise zu tun. Verwirrt und Ängstlich sah Marcel nach oben, zu seinem Bruder. Schon im nächsten Moment ballte Daimon bedrohlich seine Hand zur Faust und funkelte wütend durch das Fenster, in die Richtung des Waldes. „Ich persönlich werde diesen Mistkerl fangen und zur Strecke bringen. Niemand vergreift sich an meine Familie und kommt ungeschoren davon!!“ Hastig nickte Marcel. Der Rotschopf machte ihn mit seiner Wut angst. „Ich lobe deinen Mut, aber wie willst du das schaffen, Daimon? Der Kerl wird dich doch genau so einäschern wie Kuroro!“ Daimons Lippen kräuselten sich zu einem Selbstgefälligen Lächeln ehe er auf Marcels Frage Antwortete. „Scheiße man, machst du dir etwa Sorgen um deinen großen Bruder?“ Jetzt grinst Daimon sogar. „Als Stone Face bin ich ein halber Drache und absolut Immun gegen Feuer und Hitze. Der Täter könnte mich glatt in einen aktiven Vulkan schmeißen, und mir würde es nicht im Geringsten schaden…“ Beharrlich tickte der große Zeiger der Kirchenuhr, als um Mitternacht plötzlich ein schlaksiger Junge im weißen Licht einer entfernten Straßenlaterne erschien. Die Gegen hier sah schäbig und herunter gekommen aus. Die einzelnen Häuser waren wohl noch zur Zeit des zweiten Weltkriegs erbauten wurden; sie alle waren in einem kalten Grauton gehalten und bestanden zum größtenteils aus solidem Stahl und Beton. Früher einmal waren die Häuser sicher sehr stabil gewesen, aber heute wiesen die kalten Mauern einige größere und kleinere Risse auf, die meisten Fenster waren eingeschlagen und zersplittert und auch die Dächer der Wohnungen wirkten undicht. Der Rest der Gasse gab ein ähnliches, trauriges Bild ab; alles um den Jungen herum war Aschegrau und Staubig. Überall in den Ecken lag Müll verstreut und Scherben von zersplitterten Glasflaschen bedeckten den schmutzigen Boden, hier und da standen leere Kartons rum und hin und wieder hörte man mal eine Ratte zwischen alten Zeitungen rascheln. Doch es war, als nahm der Junge von als dies keine Notiz. Oder, es schien ihm schlichtweg einfach nicht zu interessieren. Er setzte sich in Bewegung und verschwand ohne einen Blick über die Schulter zu werfen, in die tiefen Schatten einer unheimlichen Straßengasse. Der Junge trug eine schwarze Baseballkappe die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte und welche seine Haare komplett verdeckte. Dazu ein schlichtes T-Shirt und eine kurze Jeanshose, da sich das Wetter gegen Mittag nochmal ein bisschen gebessert hatte und die Luft nun schwul warm war. Grob geschätzt zwei Kilometer später blieb der Junge plötzlich stehen und hob den Blick. Als er eine weiter Person am Ende der Gasse ausfindig machte, glitzerten ein goldenes Augenpaar Angriffslustig unter dem Schirm der Kappe hervor. Doch die zweite Person sah nur gelassen in den Nachthimmel und atmete die warme Abendluft ein. Ein kleines Lächeln erschien in ihrem Mundwinkel. Da nur das milchige Licht von ein paar heruntergekommenen Laternen die Straße erhellte, konnte der Junge die Präsenz der weiteren Person nur schwach erkennen. Allem Anschein nach, handelte es sich um ein junges Mädchen mit hellblauer, Kinnlanger Bobfrisur und Blutroten Augen. Einen Teil ihre Haare hatte sie zu einem hohen Pferdeschwand im Nacken zusammen gebunden. Sie war zwar klein, besaß jedoch einen durchaus Athletischen Körperbau denn sie sicher von einem gewissen Ausdauersport gewonnen hatte. Als sich ihre Lippen eben zu einem Lächeln zurückgezogen hatten, funkelten zwei kleine Fangzähne in Dämmerlicht und die sahen nicht grade gefälscht aus, sondern eher spitz und gefährlich. „Schön, das du meiner Einladung gefolgt bist und dich heute Abend mit mir getroffen hast…“ das kleine Mädchen kicherte Diabolisch. „…. Das ist ja so richtig Romantisch; ein Date zur Geisterstunde, mitten in einer abgelegenen Gasse und im süßen, unschuldigen Mondschein“ Der Junge gab einen abfälligen Laut von sich und seine goldenen Augen flackerten vor Wut wie die eines Teufels. „Ich bin nicht hier um ein nettes Plauschen mit dir zuhalten; ich bin hier her gekommen um dich Kalt zumachen!“ Und dann trat Dylan aus dem Schutz der Dunkelheit hervor und warf dem Mädchen einen Fetzen Papier vor die Füße. Auf den kleinen Zettel klebten ausgeschnittene Buchstaben die das heute Datum ergaben, und die Gasse in der sie sich grade befanden. „Das ist ganz schön mutig von dir, einem Dämon wie mir zu drohen! Immerhin bist du nur ein einfaches Menschenmädchen! Also… bevor ich dich Kille und nicht mehr zum Fragen komme, kannst du mir sagen warum du mich heute her bestellt hast?“ „Hu~ du bist aber ein ungeduldiger Junge!“ rief das Mädchen hellauf begeistert und klatschte vor Freude in die Hände. „Mit dir werde ich sicher mehr Spaß haben, als wie mit diesem langweiligen Wolf der schon nach ein paar Minuten aufgegeben hat! Der war schon Tod bevor ich überhaupt richtig loslegen konnte!“ Und bevor Dylan wusste wie ihm geschah schleuderte das Mädchen auch schon einen geballten Flammenstrahl auf sein Gesicht ab und es gelang ihm so grade noch, sich unter der mächtigen Feuerbrunst hinweg zu ducken. Der glühende Strahl schoss wie eine Rakete gradewegs über ihn hinweg und explodierte Geräuschvoll an einer Hauswand. Einige Flammen züngelten noch aggressiv am blanken Stein, als sich Dylan erhob und den beträchtlichen Krater in der Hauswand beäugte. Das… war nicht geplant… „Du bist ja gar kein Mensch!“ rief Dylan empört und machte einen Satz auf das Mädchen zu, diese schrie gekünstelt und sprang einen Meter nach hinten. „Du bist ein Feuerdämon, hab ich recht? Aber warum kann ich dich dann nicht als solchen erkennen? Du riechst wie ein normaler Menschen und eine Dämonische Aura umgibt dich auch nicht!“ „Ich habe keine Dämonische Aura, weil ich ein Mensch bin du Blödmann!“ erwiderte das Mädchen leicht gekränkt. Nahe an ihrem Kopf vibrierte die Luft und eine kleine Flamme erschien. „Verarschen kann ich mich selber!“ schrie Dylan ihr sauer entgegen und prodozierte mit seiner Telekinetischen Fähigkeit eine Druckwelle die das Mädchen erfasste und einige Meter weit durch die Luft schleuderte. Keuchend prallte diese gegen eine Wand und federte den Aufprall mit ihren Füßen ab. Dann rieb sie sich die Augen und schüttelte benommen den Kopf. „Wow~ das ist nicht grade die feine englische Art mit einem Mädchen umzugehen!“ beschwerte sie sich und stieß sich von der Wand ab, um auch schon im nächsten Moment sicher auf den Erdboden zu landen. „Habe ich dich Sauer gemacht?“ fragte sie spöttisch und ihre roten Augen funkelten vor Schalk. Jedes Mal wenn der Wind ihre Kinnlangen Haare bewegte flogen knisternden Funken von ihm. „Hör auf zu spielen“ zischte Dylan, dem die kühle Gelassenheit des Mädchens gar nicht gefiel. „Du hast mir Wochen lang diese beschissenen Briefe geschickt in denen du mir ständig gedroht hast, meine Familie und meine Freunde um zubringen! Glaubst du, da komme ich hier Munter an und biete dich um ein harmloses Tänzchen? Nur wegen dir musste ich mich die letzte Zeit von Mephisto und meinen Freunden fernhalten! Das werde ich dir nie und nimmer verzeihen! Dafür wirst du Büßen müssen!!“ „Oi, du langweilst mich langsam mit deinem Geschwafel. Ich dachte du wärst ein richtiger Kerl, und nicht so eine Lusche wie die Dämonen, gegen die ich vorher gekämpft habe. Aber ich muss schon sagen, dein Angriff grade eben war nicht von schlechten Eltern… Hihi, aber das ich auch nicht weiter wunderlichen wenn Mephisto dein Lehrmeister ist“ Und plötzlich war der ganze Spott in ihrer Stimme wie weggeblassen und Zorn flammte stattdessen in ihren Augen auf. „Ich wette dass der Bastard dir alle seine miesen Tricks und Kniffe beigebracht hat! Ihr Dämonen seid doch echt ein mieses Dreckspack. Aber Gott sei Dank gib es ja noch so aufrichtige Leute wie Uns, die euch Missgeburten Jagen können!“ Furchteinflößend plusterte sich das Mädchen vor Dylans Antlitz auf und funkelte denn jungen Dämon wütend an. Ihre rechte Hand, zur Faust geballt, leuchtete bedrohlich und gab ein knisterndes Geräusch von sich. „Ich werde dich Grillen…!“ zischte sie. Fast augenblicklich und ohne Geräusche schoss sie einen roten Lichtspeer horizontal dicht neben Dylans Kopf vorbei; den jähen Lichtspeer einen Laser zu nennen, wäre allerdings die korrektere Bezeichnung für dieses Geschoss.. Eine schwache Schockwelle riss durch die Atmosphäre und raubte Dylan kurz seinen Gleichgewichtssinn. Der schwankende Junge schaute sich mit aufgerissenen Mund um; Der Laserstrahl hatte den gesamten Boden verkohlt und selbst den Asphalt zur Seite gesprengt. Eine 60 Meter lange Schneise der Verwüstung war innerhalb von wenigen Sekunden entstanden. Schon wieder so ein Hammerangriff aus nächster Nähe! Dachte Dylan leicht panisch. Und dieses Mädchen sollte tatsächlich ein Mensch sein? Das war absolut Unmöglich! Selbst erfahrene Dämonen konnten erst nach Jahre langen, harten Training solch einen effektiven Angriff mit dieser enormen Zerstörungskraft vollbringen! Dylan lief es eiskalt den Rücken runter. „Wie heißt du?“ fragte er das Mädchen betont Ruhig. Jetzt, wo er ihre verheerende Kraft kannte, wollte er sie nicht leichtsinnig provozieren. Vielleicht konnte er doch noch gewinnen, wenn er einen Geheimangriff auf sie aufführte… „Hai, erst jetzt fragst du mich erst nach meinen Namen?“ fragte sie, und klimperte erwartungsvoll mit ihren langen Wimpern. Mit Dylans Fragte wirkte sie sichtlich zufrieden, besonders als sie diesen Ausdruck der Angst in den Augen seines Opfers sah. „Ich heiße Lucy Etoile und ich bin ein Humanoid Demon“ „Ein… WAS?!“ Dylan hatte noch nie einem in seinem Leben auch nur von einem solchen Wort wie Humanoid Demon gehört, ganz zu schweigen von dem, was das überhaupt für ein merkwürdiges Ding darstellen sollte. „Bist du schwer von Begriff? Ein Humanoid Demon!“ wiederholte nochmal das Blauhaarige Mädchen, namens Lucy leicht gereizt. Der lässige Ton in dem sie das sagte, klang so, als würde die Tatsache, dass sie ein Humanoid Demon sei, bereits alles andere erklären. Doch dem war nicht so; Dylan verstand im wahrsten Sinne des Wortes einfach nur Bahnhof. „Keine Ahnung was du damit meinst, aber….“ Dylan konzentrierte seine Macht und in seinen Kopf begann es sanft zu Kribbeln. Der Blick seiner Augen schärfte sich und er nahm seine Umgebung sehr viel deutlicher wahr. Jetzt sah er sogar das leichte Flackern der Atmosphäre welches Lucy wie einen Bannkreis umgab; ihr Körper strahlte solch eine enorme Hitze ab, dass die Luft um ihm herum vibrierte. „…das wird dir trotzdem nicht weiter helfen!!“ Der Boden unter ihren Füßen begann wie auf Stichwort unheilvoll zu zittern; Die Häuser aus Eisen und Beton schwangen hin und her wie auf einer unzuverlässigen Hängebrücke und das mahlende Geräusch von auf einander reibenden Steinen, hallte. „Was-Was ist das denn?“ hörte man Lucy entsetzt und überrascht schreien. Sie sah grade noch rechtzeitig hoch in den dunklen Abendhimmel um die schweren Straßenlaternen zu entdecken die plötzlich über ihren Kopf schwebten, als wären sie von einem unsichtbaren aber starken magnetischen Feld in der Luft gehalten. Ihr kleines Herz setzte kurz aus und schlug dann mit der doppelten Geschwindigkeit weiter. „Ahhh!“ kreischte sie und sprang zur Seite als die erste Straßenlaterne gen Boden schoss und nur um wenige Millimeter ihr Ziel verfehlte. Doch die nächste Attacke nicht ließ lange warten und folgte zugleich. Das Mädchen machte einen hektischen Satz zu der anderen Seite; Allerdings hatte sie dieses Mal nicht so viel Glück wie beim ersten Mal; Eine scharfe Kante des Stahlträgers rammte ihr rechtes Bein und Lucy fiel stöhnend zu Boden. „Aua…“ wimmerte Lucy mit brüchiger Stimme, die plötzlich nicht mehr nach der kalten Stimme eines Dämons klang, sondern nach der Stimme eines einfachen Mädchens, das in der Dunkelheit einfach nicht mehr aufhören konnte zu zittern. Die schwere Straßenlaterne hatte einen tiefen Rieß in ihre Haut gebohrt, aus dem nicht grade eine geringe Menge an Blut schloss. „Du hast telekinetische Kräfte! Das ist unfair! Du Cheatest doch“ Auf Dylans Gesicht erschien ein wissendes Lächeln. Er hatte die Geschichte umgedreht; der Jäger wurde plötzlich zum Opfer, und gejagte zum Täter. „Ich habe dir doch geraten, dass du dich besser nicht mit mir anlegst…“ Die Distanz von Dylan zu Lucy betrug in etwa 15 Meter, und trotzdem gelang es ihm diesen Abstand mit zwei nur Schritten auf 0 zu bringen. Er warf dem Mädchen lediglich einen kühlen Blick zu und lächelte noch breiter. Im nächsten Moment explodierte förmlich der Kies vor Dylans Füßen und die kleinen, spitzen Steine schossen mit tödlicher Geschwindigkeit nach vorne. Lucy versuchte noch ihr Gesicht zu schützen, als die Steine auch schon wie ein Raketenhagel auf sie einschlugen und noch mehr Löcher in ihren Körper rissen. Sie versuchte, sofort auf zustehen und zu fliehen aber Dylan war schneller und schlug seine flache Hand auf den Boden. Zugleich setzten sich die vom Himmel gefallenen Straßenlaterne wieder in Bewegung und stellten dem schwer verletzten Mädchen nach. Lucy warf einen Blick über die Schulter und ihr Herz rutschte ihr in die Hose; jetzt auch noch DAS! Wie eine Spinne sprang Lucy mitten im Lauf an eine naheliegende Hauswand und japste wie ein hechelnder Hund nach Luft. Sie hörte, wie der Stahlträger aus einer sicheren Entfernung an ihr vorbei schoss, in eine andere Hauswand einschlug und dort im Gestein hängen blieb. Als sich Lucy grade mental auf die Schulter klopften wollte, da sie der Laterne noch so grade entkommen war, ertönte plötzlich ein lautes Geräusch wie der Gong einer Kirchenglocke in der gesamten Region. Sie schluckte und wagte es kaum den Kopf zudrehen. Es war so, als hätte man bei einem Haufen Bausteine den unterstehen Block herausgezogen. Der Klang von brechenden Metallstangen peitschte wie ein Donnerschlag durchs Lucys Ohrkanäle und das Haus stürzte unter lauten Krachen in sich zusammen. Eine große Menge an Staub flog hoch in die Luft und eine dicke Wolke aus Sand behindert Lucys Sicht. Aus unerklärenlichen Gründen fühlte sie sich in ihrer Lager auf einmal vollkommen sicher. Der weiße Vorhang würde sie vor weiteren Angriffen schützen, denn wenn sie ihren Widersacher nicht sah, konnte dieser sie ebenfalls nicht sehen und verletzten… Und grade als sie zum zweiten Mal aufatmen wollte, schlug auch schon im nächsten Augenblick eine Schrotflinte bestehend aus kleinen Steinen gegen Lucy und wirbelte ihren Körper einige Meter weiter. Für Lucy fühlte es sich allerdings so an, als hätte man sie soeben mit der Schockwelle einer Handgranate von der Hausmauer weg gesprengt. Mühsam rappelte sie sich auf. Ihr Kopf fühlte sich ungewöhnlich leicht und schwerelos an… Das Mädchen knurrte aufgebracht, fletschte die spitzen Zähne und spannte die Muskeln an. Aber Lucy konnte sich nicht mehr rühren. Sie war unfähig, aufzustehen denn ihre Verletzung schwächte sie sehr und der Blutverlust machte sich ebenfalls bemerkbar. „Hast du genug?“ fragte plötzlich eine kalte Stimme die durch die Staubwolke in ihr Gehör drang. Mit ruhigen Schritten kam Dylan durch den Sandsturm gelaufen und suchte den Blickkontakt mit Lucy. „Ich gebe dir nun eine letzte Chance: Wenn du leben möchtest, dann verschwinde dahin wo du herkommst bist und lass dich nie mehr blicken. Ansonsten werde ich es ganz schnell beenden und dich vielleicht mit einem ganzen Gebäude erschlagen! Wegen solch wahnsinnigen Leuten wie dir, will ich nicht zum Mörder werden. Also bewegt deinen Arsch und… verpiss dich von hier!“ Und das tat Lucy. Eilig sprang sie vom Boden auf, oder zu mindestens so schnell wie man mit einem verstümmelten Bein eben Springen konnte und stürmte davon, aber nicht ohne vorher noch einen zornigen Blick zurück zuwerfen. Tränen aus Schmerz und gebrochenen Stolz rannten über ihren geröteten Wangen. „Das ist nicht das letzte Mal das wir uns gesehen haben, Dylan! Ich werde wiederkommen und meine Freunde mitbringen! Dann ist der Spaß für dich vorbei. Wir werden dich und deine gesamte Sippe Töten!!“ Dann schloss Lucy die nassen Augen und löste sich in hunderte und tausende kleine Lichtpartikel auf, bis nichts mehr als ein leichtes lodern ihrer einstigen Silhouette übrig war. Dann warte ich auf euch, wollte Dylan noch sagen aber das Mädchen war bereits verschwunden. Er war sich ziemlich sicher, dass sie ihre Drohung ernst meinte… Und aus diesem Grund, durfte er Mephisto und Marcel, sowie seine Familie nicht Infomieren und sie eventuell in die Schussbahn locken. Beharrlich tickte die Kirchenuhr als sie stumm auf 1 Uhr sprang und einen einsamen Gong in die Welt schickte. Er hob den Kopf und stolperte ein paar Schritte Rückwerts als Dylan vor lauter Nachdenken und Grübeln fast mit seiner Haustüre kollabiert wäre. Er grummelte ärgerlich und schloss mit seinem Schlüssel die Eingangstüre auf. Seltsam, Mephisto hatte die Türe von Innen gar nicht abgeschlossen… „Dylan…?“ kam es krächzend aus dem Wohnzimmer und Dylan verdrehte genervt die Augen. Mephisto wartete auf ihn. Natürlich. Was denn sonst? „Ja?“ rief er schnippisch ins Wohnzimmer zurück. Ein leises stöhnen schlich sich augenblicklich über seine weißen Lippen: er hatte schreckliche Kopfschmerzen. Dies war der natürliche Preis den er zahlen musste, wenn er seine Fähigkeiten so wie in heutigen Nacht verwenden wollte. Der Schmerz machte ihn lahm und müde. Aber es hatte sich gelohnt… auch wenn Lucy entkommen war, hatte er sie letzten Endes doch geschlagen. Ergeben schloss er die Augen und betrat den Raum. Im Wohnzimmer war es deutlich wärmer als draußen und so öffnete er widerwillig die Augen. „Nabend Mephisto. Warum bist du nicht ins Bett gegangen und liegst hier auf der Couch rum? Da kannst du doch besser oben schlafen, als hier unten…“ „Halt `die Klappe“ unterbrach in Mephisto barsch. „Natürlich bin ich nur ihr unten, um dich abzufangen“ – er schaute flüchtig auf die Wanduhr – „Junge, es ist weit nach Mitternacht und du kommst hier so locker rein, als ob dir die Nase blutet? Was fällt dir eigentlich ein?!“ Sich umdrehend blendete Dylan die Schimpfkanone aus und ging ohne ein weites Wort zu sagen die Treppe hoch, zu seinem Zimmer im Obergeschoss. Ihm war immer noch elend zumute und Mephistos Wutausbruch besserte seinen Zustand nicht grade. Diese Nacht musste er erst mal verdauen. Eigentlich hatte er sich ein paar Antworten erhofft, aber stattdessen hatte er jetzt noch mehr Fragen bekommen. Was wollte diese Lucy von ihm und warum konnte sie diese schrecklichen Fähigkeiten einsetzten, wenn sie doch von sich selbst behauptete, ein Mensch zu sein? Und was meinte sich damit, als sie sagte, sie würde das nächste Mal ihre Freunde mitbringen? Schlimmer noch, was zum Kuckuck waren schon wieder diese Humanoid Demons, wovon Lucy die ganze Zeit schwafelte? Etwas betölpelt starrte Dylan auf die Treppenstufe vor seiner Nase. Die ganzen Ereignisse zogen ihn den sicheren Boden unter den Füßen weg. Doch leider gab es niemanden, den er sich anvertrauen konnte. Jeder den er leichtsinnig einweihte, könnte als potenziales Druckmittel gegen ihn verwendet werden. Die einigste Person, die sich vielleicht gleichzeitig gegen Lucy und ihre Schergen wehrten könnte, wäre Mephisto. Aber selbst der würde sich kampflos geschlagen geben, sobald man ihm mit den Tod seines Sohnes drohte. ARG! Es war doch zum Haare raufen! Egal für welchen Weg sich Dylan auch entschied, jeder einzelne von ihnen würde seinen eigenen Tribut fordern! Müde und mit hämmerndem Schädel kroch Dylan in sein Bett und zog sich die flauschige Decke über den Kopf. Geschlagen schloss Dylan die Augen und hoffte, das er bald in der Reich der Träume hinab gleiten würde. Sauer starrte Dylan die weiße Wand vor sich an. Schon seit mehreren Stunden lag er nun schon so da und konnte einfach nicht einschlafen - Ihm schwirrten einfach zu viele Gedanken in seinem Kopf herum. Zu allem Überfluss hörte er, wie sich dann irgendwann seine Türe öffnete und Mephisto auf leisen Sohlen in das Schlafzimmer schlich. Er gab sich wirklich Mühe und versuchte Dylan beim besten Willen nicht zu stören. Natürlich ahnte er nicht, dass der Kleine ohnehin nicht pennen konnte… Doch Dylan hielt die Augen geschlossen und gab weiterhin vor, tief und feste zu schlafen. Er spürte wie sich das Bett sanft bewegte, als Mephisto seinen Körper auf die Bettkante niederließ und seine Decke zu sich rüber zog. Es klang zwar Skurril, aber keiner der beiden Dämonen hatte es in den letzten Jahren geschafft in ein eigenes Schlafzimmer zu ziehen. Irgendwann gab sich Mephisto mit dieser Tatsache ab und kannte es liebevoll >Platz sparen<. Dylan fand diese Aussage aber Schwachsinnig und vermutete eher, das Mephisto keine einzige Nacht alleine in einem Bett überleben würde. Ein verbissener Zug huschte um Dylans Mund herum, scheinbar hatte er keine Lust mehr, noch länger die lebende Leiche zu spielen. Abrupt richtete er sich auf, packte sich sein Kopfkissen und schleuderte es Mephisto ins Gesicht. „So, jetzt sind wir Quitt!“ knurrte er gereizt. „Und wenn du mich noch einmal so anmeckerst wenn ich nachhause komme, dann sind die Kissen demnächst nicht mehr mit Federn gefühlt, sondern mit Steinen!“ Unter dem Kopfkissen begann es wie wild zu fauchen. Und zu rappeln. Ein nicht minder gereizter Mephisto schlug Dylans Kissen vom Bett und starrte den Kleinen Mordlustig an. „Wir sind Quitt? Nein, das sind wir noch lange! Du hast mir immer noch nicht gesagt, wo du dich die halbe Nacht rum getrieben hast! Wolltest du mir einen Streich spielen, oder was?! Und wo wir grade bei Spielen sind; was ist in den letzten Wochen in dich gefahren? Du ziehst dich immer mehr von mir zurück, dann kommst du heute Nacht zu spät nachhause und jetzt verprügelst du mich zu guter Letzt. Tickst du eigentlich noch sauber? Du kannst froh sein, das ich dir noch keine rein gehauen habe!“ fauchte Mephisto am Ende total überfordert und grollte so finster, wie es Dylan noch nie von ihm gehört hatte. Doch Dylans Augenbrauen wanderten nur mittelmäßig beeindruckt nach oben. So viel Aufmerksamkeit hätte von seinem Ziehvater jetzt nicht erwartet. „Kommt da etwa die innere Yandere in dir zum Vorscheinen, Mephisto…?“ meinte er spöttisch. Das Schweigen, das folgte, klang erdrückend. Grade als Dylan dachte, er hätte gewonnen begannen Mephistos Augen zu glühen „Yandere? Du bezeichnest mich als Yandere?“ fragte er kalt in die Stille hinein. „Ich kann dir ja gerne mal eine Yandere machen, aber immerhin stehe ich zu meinem Gefühlen und verstecke sie nicht so wie du…. Du… du kleine Tsundere!!“ Kapitel 12: Nemesis – The Voice of Dissent ------------------------------------------ „…mon!“ Langsam öffnete Marcel die Augen und blinzelte. Er lag im Wohnzimmer auf der Couch und musste wohl eingeschlafen sein. Inzwischen war es so dunkel im Raum, das er die Uhr an der Wand nicht mehr lesen konnte. „Daimon?!“ rief eine Stimme aus der Nähe. Marcel horchte auf. Ah- das war also Kileys Stimme gewesen, die ihn aus seinem Schlaf gerissen hatte. Einige Sekunden blieb er reglos sitzen und lauschte in die Dunkelheit hinein. Wieso rief Kim so aufgeregt nach seinen jüngeren Zwillingen? Und wieso lag er eigentlich im Wohnzimmer und nicht in seinem Bett…? Nach Luft schnappend fiel es Marcel siedend heiß wieder ein; Der Anschlag! Daimons Wut! Kuroro. Kuroro… jemand hatte den jungen Werwolf am Morgen angegriffen und schwer verletzt. Leicht fröstelte es Marcel als er aufstand und kurz seine steifen Gelenke bewegte. Er fühlte sich noch immer müde. Und erschöpft. Am liebsten hätte er sich zurück auf die Couch gelegt um weiter geschlafen. Aber tief in seinem Inneren wusste er, das dass alles nur Taktik war um sich nicht der grausamen Realität zustellen. Wenn Kim so verzweifelt um Hilfe rief, dann musste das einen bestimmten Grund haben. Und hoffentlich war dieser bestimmte Grund in dieser düsteren Mitternachtsstunde, nicht Kuroros plötzlicher Tod. Ein roter Schatten flog dicht an Marcel vorbei und er sprang quietschend zur Seite. „Was ist passiert?“ fragte Daimon der noch auf den Fersen schlitternd in der Küche zum stehen kam. Kim warf seinen Bruder ein Verständnisloser Blick zu. In seinen Kopf schien es quälend zu Ratern. „Ich habe etwas wichtiges entdeckt“ flüstere Kim mit gesenkter Stimme. „Was denn?“ fragte sofort Daimon und klang dabei nicht grade freundlich. „Hat es was mit den Kerl zutun, der Kuroro angegriffen hat? Dann rate ich dir, schnellstmöglich mit der Sprache raus zu rücken!“ Kims Augen funkelten angriffslustig; er ließ sich von seinen Gegenüber nicht einschüchtern. „Jetzt mal Langsam mit den jungen Pferden“ Er zog ein Stück Papier aus seiner Hosentasche und strich es vorsichtig mit zwei Fingern Glatt. Die Ecken des seltsamen Blattes waren verbrannt und bröckelten bei unbedachter Bewegung ab. „Das habe ich in Kuroros Klamotten gefunden. Er scheint eine Nachricht von den Täter zu sein…Und sie ist für UNS!“ Marcel wusste nicht genau, wieso er Kims leise Stimme so deutlich hören konnte aber in seiner Seele krampfte sich alles zusammen. Anscheinend war der Angriff auch Kuroro nicht zufällig passiert, sondern eine geplante Tat wenn der Täter einen Brief an die Hinterbliebenen seines Opfers zurücklässt. „Was steht den drin?“ fragte Daimon nach einer gefühlten Ewigkeit. Sarkasmus verlieh seiner Stimme einen leicht Verrückten Ton. „Weitere Anschläge auf unsere Familie? Oder noch besser; hoffentlich ist es eine Einladung zum Eins-zu-Eins-Duell …“ Aber Kim ließ sich immer noch nicht von Daimon beeindrucken. Müde zog er seine Stirn in Falten. „Freu dich nicht zu früh, die Lust am Kämpfen wird dir noch vergehen!“ Er drehte die Augen zum Brief zurück und begann die von Hand geschriebenen Worte zu lesen. „Seit Gewarnt Kinder der Stone Face; ohne euren Anführer Raymond seid ihr nur halb so stark wie vorher. Von eurer Familie in Rumänien getrennt und ohne Meister auf euch alleine gestellt, seit ihr beide ein leichtes Ziel für Nemesis. Wir wissen WER ihr seid, wir wissen WAS ihr könnt und wir wissen wozu WIR, in der Lage sind!“ „Nett“ meinte Daimon mit hochgezogenen Augenbrauen. „Kannst du mir erklären wer oder was Nemesis ist? Ich will wissen, mit welchen Irren ich es zu tun habe, und außerdem was soll der Scheiß?! Ich brauche weder Ray noch Jeremy um denen auf ihr blödes Maul zu hauchen!“ Allerdings schien selbst der sonst so Kluge Kim ausnahmeweise mal, an seine Grenzen zu stoßen. Nachdenklich presste er die weißen Lippen zusammen und fasste sich an sein Kinn. Es dauerte einen Moment, bis er Daimon antwortete. „Also, wenn ich der griechischen Mythologie Glauben schenken darf dann ist Nemesis die Göttin des Gerechten Zorns. Aber es gibt heutzutage keine Götter mehr, und auch niemanden der so Blöd ist und sie wieder zu belebenden. Es handelt sich hierbei wohl eine Gruppe, die unter den Namen der Göttin agiert und irgendetwas Großes vorhat. Aber viel schlimmer und wichtiger ist, das die Täter uns wohl schon länger im Visier hatten wenn sie wissen, dass Jerry im Moment nicht da ist und wir nun verwundbar sind“ „Papperlapapp!“ widersprach ihm Daimon scharf. „Was soll Jeremy den schon bewerkstelligen, was wir zwei mit vereinten Kräften nicht schaffen? Die paar Jahre die er uns als Stone Face voraus hat, machen ihn auch nicht zum Supermann!“ „Das stimmt schon Daimon“ meinte Kim und sein Blick wurde plötzlich Hart. „Aber Jeremy ist im Vergleich zu uns unberechenbar. Und er ist Gefährlich. Er hat Talent, und zwar für Viele verschiedene Dinge. Jeremy hat das Talent andere zu blenden und zu manipulieren. Er hat das Talent, Jahrelang auf sich alleingestellt nach einer schrecklichen Verwandlung zum Dämon zu überleben und noch drei kleine Kinder mit durchs Leben zu boxen. Er hat das Talent von der einen auf die andere Sekunde alles auszublenden, und einfach nur noch zu Funktionieren. Und Jeremy kann ohne mit der Wimper zu zucken Töten. Egal wer, egal wo, egal warum…! Wer auch immer Nemesis sein will: sie wussten ganz genau, dass sie gegen Jeremy nicht die leisesten hauch einer Chance hatten und deshalb haben sie im Verborgenen nur darauf gewartet das er uns Allein zurück lässt um uns endlich an zu greifen!“ Jetzt war Daimon sprachlos; Mit offenem Mund starrte er seinen älteren Zwilling verblüfft an. „Das hört sich total abgefahren an! Entweder bist du ein Genie oder du bist hoffnungslos Verrückt. Aber jetzt mal im Klartext; wir wissen beide wie Jerry drauf ist, sobald er Gefahr wittert. Aber soll dieser Berserker-Akt reichen, um eine Gruppe von Monstern aufzuhalten die mal so eben einfach einen Werwolf halb tot Prügeln? Ich muss dich ja wohl hoffentlich nicht daran erinnern, das Werwölfe zu ältesten und wohl auch zu den mächtigsten Dämonenstämmen überhaupt zählen! Diese Nemesis müssen anscheinend ganz schön taff sein, wenn sie sich solch eine Tat zutrauen. Aber ich glaube eher, dass sie keine Ahnung haben mit WEM sie sich überhaupt angelegt haben…!“ Inzwischen rauchte Marcel gewaltig der Schädel. All diese Informationen die er nicht so recht verstand und anscheinend so richtig Wichtig waren. Er setzte sich auf die Coach zurück und bemühte sich, keinen Ton von sich zugeben. „Kuroro ist auch noch jung!“ rief Kim und machte einen Schritt nach vorne. Seine Haare knisterten und kleine Funken flogen in alle Richtungen. „200 Jahre sind kein Alter für einen Dämon und vor allem nicht für einen Werwolf. Im Vergleich zu uns Stone Face sind Werwölfe, wie Tag und Nacht. Sie entwickeln sich nur sehr langsam und reifen erst an den Erfahren die sie in ihren Leben sammeln. Wir Stone Face haben dagegen echt Glück. Wir wachsen zwar auch nicht so schnell, aber wir sind von Natur aus Robust und genießen außerdem einen gewissen Status unter den Dämonen. Wir stammen von den mächtigen Magischen Wesen überhaupt ab; Den Drachen! Selbst wenn wir noch Kinder sind, greift uns keiner an der noch beim normalen Verstand ist. Aber ein Werwolf ist anderes, in seinen jungen Jahren ist nicht sehr mächtig und auf besondere Weise sogar Hilflos… Für diese Nemesis war es ein Leichtes einen Werwolf seines Kalibers auszuschalten. Aber unser Bruder Jeremy hat einen anderen Stellenwert wie Kuroro. Er ist ein Stone Face und hat dazu noch einen hohen Rang“ „Dann verstehe ich ja gar nicht warum du dir solche Sorgen machst, Kim! So wie du dich eben aufgeführt hast, dachte ich schon wir wären den sicheren Untergang geweiht. Aber wenn wir Stone Face wirklich so mächtig sind wie du sagst, dann gibt es doch keine Probleme, oder? Wir schnappen uns diese Nemesis und machen kurzen Prozess mit denen. Schluss aus!“ Unsanft packte Kim seinen Bruder an den Schultern und schüttel ihn so, als wollte er ihn zur Besinnung bringen. „Aber Daimon, das ist doch genau der Punkt der mir Sorgen bereitet! Wir SIND eben Stone Face und keine Werwölfe. Wir haben einen Status als Urväter der Vampire und sind inzwischen auch keine kleinen Kinder mehr. Du und ich, wir sind so gut wie ausgewachsen und fast in besitzt unserer vollen, dämonischen Kräfte. Warum um alles in der Welt greift uns dann solch eine Gruppe an und sucht stattdessen nicht das weite, wo sie doch wissen, dass wir Stone Face sind?! Verstehst du meine Ängste denn nicht?! Nemesis muss wirklich, wirklich stark sein wenn sie den Mut haben unsere Familie an zu greifen!“ Danach ließ Kim müde die Hände sinken und ein bekümmerter Ausdruck schlich sich auf seine schöne Miene. „Ich habe Angst das falsche gemacht zu haben“ gestand er kleinlaut. „Wir hätten Jeremy doch über den Anschlag Infomieren sollen…“ Augenblicklich schüttelte Daimon den Kopf, und erklärte in einem mahnenden Tonfall; „Nein, wir haben richtig gehandelt. Willst du ihm noch mehr Kümmer bereiten? Du weißt doch, das Jeremy sich sofort das schlimmste Ausdenkst. Er wird alles stehen und liegen lassen, um sofort nach Thirsk zurück zukommen. Willst du verantworten dass er seinen Job verliert denn er überalles Liebt, wenn er zu uns kommt und seine Arbeit dafür vergisst? Die Armee wird nicht darüber hinwegsehen können, Kiley. Sie werden ihn sofort Kündigen“ Bei diesen Augmenten musste Kim erst mal laut schluckt und sich dann räuspern. „Du hast ja recht“ sagte er. „Wir können das auch alleine schaffen; Was nützt es uns denn, wenn Jeremy mit Ach und Krach nachhause stürmt und dann die zerschlagenen Trümmer von Nemesis vorfindet? Große Aufregung für Nichts. Wir können es versuchen… und wenn wir merken, dass wir zu schwach sind, können wir Jeremy immer noch anrufen…“ Seufzend schob Daimon die Arme unter Kims Arme hindurch und zog den Kleineren an seine Brust. Mit einem engelgleichen Lächeln und einem stillen Danke legte Daimon sein Kinn auf den schwarzen Wuschelkopf ab, und zog den süßen Apfelduft der glänzenden Haare tief in seine Nase ein. „Warum denn nicht gleich so? Wir machen diese Gruppe platt - und wenn nicht, machen wir es so, wie du es gesagt hast. Aber erst mal müssen wir es selber versuchen. Irgendwann müssen wir schließlich auch auf eigenen Beinen stehen, und können nicht für jeden Scheiß zu unseren großen Bruder rennen“ Im anderen Teil des Hauses bekam Marcel ein ungutes Gefühl und biss sich unbewusst auf die Unterlippe. Auf der einen Seite wollte er seinen Geschwistern im Kampf gegen die Nemesis beistehen, aber wie sollte er das so ganz ohne besondere Kräfte schaffen? Auf der anderen Seite… würden Daimon und Kiley ihm diesen Kampf überhaupt erlauben? Vielleicht Daimon, aber ganz sicher nicht Kim. Er würde es niemals erlauben, dass sein kleiner Bruder sich solch einer schrecklichen Gefahr aussetzte. Marcel stand wieder von der Couch auf und schlenderte zur Küche. Im Türrahmen blieb er jedoch stehen und klopfte mit zwei Fingern höfflich an die bereits geöffnete Eingangstüre. In diesen Moment lösten die Zwillinge ihre Umarmung und warfen Marcel einen erschrockenen, peinlich berührten Blick zu. Allem Anschein nach, hatten sie die Anwesenheit ihres Bruder in dieser allgemeinen Aufruhe ganz vergessen… „Ah, Marcel. Du bist wieder wach“ sagte Kim und lächelte schwach. „Bist du hier um nach Kuroro zusehen?“ Der angesprochene Nicke. Da wurde Kims Blick auch schon wieder ernst, und das Lächeln in seinem Gesicht verschwand. „Du bist dir bewusst das Kuroro schwer verletzt und dazu auch noch entstellt ist. Sein Anblick wird womöglich ein ziemlicher Schock für dich sein!“ „Ich weiß“ entgegneten Marcel entschlossen und starrte seinen Bruder mit derselben Ernsthaftigkeit in die Augen. „Aber Kuroro ist mein Freund und ich will in dieser schweren Stunde an seiner Seite sein. Mir ist egal wie er jetzt aussieht. Er ist immer noch Kuroro und ich mag ihm wegen seinen Charakter, und nicht wegen seines Erscheinungsbilds!“ Hinter Kims Rücken stand Daimon und der Lächelte bei diesen Worten sanft. Er legte seine Hand auf Kims Schulter, der grade schon zum Gegenargument ausholen wollte und schüttelte gnädig den Kopf. Daimon und Gnädig? Normalerweie würde niemand diese beiden Wörter in einem Satz bringen, aber das hier war eine andere Situation, so zu sagen, eine Ausnahme. „Lass ihn nur, wenn er möchte. Der Kleine hat schon recht. Wir sollten Gott lieben auf Knien Danken, das Kuroro überhaupt noch am Lebt! Wenn wir ihn wegen seiner schweren Verbrennungen jetzt anderes behandeln würden als sonst, würde er sich wie aus Ausgestoßener vorkom -“ Weiter kam Daimon nicht, denn Kim brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Ich habe schon verstanden“ meinte er etwas kühl und vielleicht sogar eine Spur beleidigt. „So ein Herzloser klotz bin ich nicht! Komm nur rein, Marcel. Aber sag gleich bloß nicht, ich hätte dich nicht gewarnt…!“ Die Zwillingsbrüder machen einen Ausfallschritt zur Seite und der Küchentisch kam hinter ihren Leibern zum Vorscheinen. Binnen einiger Sekunden wusste Marcel, das Kim mit seinen bedenken wahrscheinlich recht hatte; Er war ein Schock Kuroro, oder vielmehr der wunde, rotglänzende Fleischklumpen der von ihm übrig war, zu sehen. Kuroro sah aus, als hätte man ihm die Haut abgerissen und verkehrtherum wieder aufgenäht. Überall quoll Blut aus tiefen Wunden hervor und zerrissenes Fleisch hing in zahllosen Fetzten von seinem geschunden Körper herab. Glücklicherweise war der Werwolf bewusstlos und spürte seine schlimmen Verletzungen somit nicht. Die Knöchel unter Marcel Hand zeichneten sich bereits weiß unter der Haut ab, so fest drückte er sie zusammen. Von den vergangen Sekunden war nichts mehr in seinen Gesicht zu erkennen; keine Entschlossenheit, kein Mut; Jetzt waren seine Züge verzerrt, erinnerten an den panischen Blick von Menschen, die dem Tod unmittelbar ins Auge sahen. Marcel schlunzte leise auf und suchte eine Stelle an Kuroro, die er bedenkenlos berühren konnte um sein Mitgefühl aus zudrücken. Nur leider, fand er keine passende… „Kuroro…“ wimmerte er leise und spürte plötzlich eine warme Hand, die sanft seine Schulter berührte. Ehe Marcel sich versah trat Kim an seine Seite und schlang vertrauensvoll einen Arm um seinen Nacken. „Ich hab es dir doch gesagt…“ meinte der Ältere leise, so ganz ohne Spott und drückte den Blondschopf mit dem Arm an sich. Wie erstarrt blieben die beiden eine Weile da stehen und spendeten sich gegenseitig Halt. Marcel vergoss ein paar stille Tränen, und Kim blickte seltsam teilnahmslos in die Ferne; in seinem Kopf schmiedete der grade Rachepläne für seinen verletzten Freund. Den Gedanken Kuroros Peiniger ohne Gnade auseinander zu reißen, ließ sich nicht mehr so einfach aus seinem Gedächtnis drängen… Er würde alle Stone Face-mögliche daran setzten, um diese Nemesis ordentlich leiden zulassen! Eine halbe Stunde später stampfte Marcel die Treppe hoch in die zweite Etage. In der einen Hand hielt er einen dampfenden Becher mit Salbeitee, den er von Kim bekommen hatte. In der anderen ein paar Beruhigungstabletten, die Kim ihm ebenfalls zusteckte. Doch so richtig müde fühlte sich Marcel gar nicht. In Wahrheit fühlte er Nichts, nur eine gespenstische Leere ihn seinem Inneren. Die Bilder von Kuroros verstümmeltem Körper hatten sich tief in Erinnerungen gebrannt und Marcel traute sich nicht die Augen zuschließen, aus Angst sie könnten in der Dunkelheit plötzlich hervor blitzen. Er ging in sein Zimmer und trank einen großen Schluck aus der Tasse, als Belohnung verbrannte der kochendheiße Tee ihm sofort die Zunge. Aber Marcel nahm den Schmerz kaum war, er steckte die zwei Tabletten in seinen Mund und stürzte sich geistesabwesend auch noch den Rest des Tees in den Rachen. Unendlich langsam schälte er sich dann aus seinen Klamotten und warf sie unachtsam auf den Boden. Der Weg zum Bett erschien Marcel so lang und anstrengend wie ein Marathonlauf in der Schule. Der Tag heute war einfach viel zu anstrengend gewesen, kein Wunder, dass er Dinge wahrnahm die es gar nicht gab und andere ausblendete, die ihn eigentlich schützen sollen. Schmerz zum Beispiel. Ein Blick auf seinen Wecker verriet ihm dass es schon 2 Uhr morgens war. Er stellte die Teetasse etwas unsanft auf sein Nachtschränkchen ab, und zog die Bettdecke hoch. Kaum berührte sein Kopf das Kissen, schon erlahmte sein wirres Gedankenkarussell merklich. Doch kurz bevor er einschlief durchzuckte ihn ein eigenartiges Gefühl. Ja ein echtes Gefühl! Dieses leichte Gefühl war durchzogen von einer starken, reinen und warmen Kraft…. Er konnte nichts Böses an ihm feststellen, hoffte er zu mindestens, denn er driftete immer weiter in sein Inneres ab und hatte den Ursprung dieser unschuldigen doch mächtigen Kraft schon fast erkannt, doch kurz bevor er sie zu fassen bekam, riss der hauchdünne Faden und Marcels Augenlieder klappten unter schweren Ballast zusammen. Der nächste Morgen kam früh und er riss Marcel brutal mit allem was er hatte, aus dem Schlaf. Grelles Sonnenlicht fiel durch das geöffnete Zimmerfenster, die Singvögel in den Tannen rund um dem Haus veranstalten ein wahres Höllenspektakel und der Wecker musste seinen Senf auch noch dazu gaben. Nur noch 5 Minuten, dachte Marcel träge und verpasste dem klingelten Etwas einen unsanften Schlag auf den Kopf, so dass der Übertäter verstummte. Er drehte sich auf die andere Seite und vergrub das Gesicht in sein weiches und warmes Kopfkissen… Nur noch 5 winzige Minütchen… „MARCEL!“ donnerte eine Stimme gereizt durch das Treppenhaus und gleichzeitig durch den Wohnflur. Eine Blitzsekunde später saß der Angesprochene Kerzengrade im Bett und riss panisch die Augen auf. Sein Blick suchte hektisch das Zifferblatt des Weckers. Verzweiflung griff wie eine kalte, unbarmherzige Kralle nach seinem müden Verstand. Halb Acht! Von wegen 5 Minuten, er hatte ganze 50 Minuten länger geschlafen! Marcel stieß keuchend die Decke von seinen Körper und sprang so flink wie ein Wiesel auf dem Bett. Mit schlingernden Füßen rutschte er durch das Schlafzimmer und sammelte die Ausgezogenen Klamotten von gestrigen Abend wieder auf. Schließlich lief er ins Badezimmer und schraubte grade den Deckel der Zahnpasta ab, als etwas Unbekanntes im Spiegel sein Interesse erweckte. Marcel hob die Hand und berührte vorsichtig einen kleinen, blass Lilafarbenden Bluterguss auf seiner linken brusthälfte. Nanu, wo kam der den so plötzlich her? Marcel überlegte, aber er konnte sich nicht erklären wo er sich diese jähe Verletzung zugezogen hatte. Aber gestern Morgen war sie definitiv noch nicht dagewesen… Noch einmal schallte Kims wütende Stimme durch das Haus und Marcel stopfte sich schnell die Zahnbrüste in den Mund und schrubbte kräftig die Zähne. Kim war zwar geduldiger als Daimon, aber wenn ihn mal die Wut packte, dann sollte man es nicht drauf ankommen lassen! Die Nacht hatte ihre Spuren auf seinem Gesicht hinterlassen und die Fragen in seinem Kopf schwirrten immer noch herum. Der Kleine spritze sich etwas Wasser ins Gesicht um die Müdigkeit zu vertreiben. Danach ging es ihm wirklich etwas besser und schlüpfe Rasch in seine Klamotten. Leise schlich er sich die Treppe runter und war darauf bedacht Daimon nicht zu auf wecken; als Marcel eben an seinem Zimmer vorbei kam, sah er den Rotschopf noch tief und feste schlafen. Sicher hatte Daimon eine Grausame Nacht hinter sich… In der Küche angekommen sah Marcel wie Kiley am Herd stand und grade eine Pfanne mit Rührei von der Platte nahm. „Guten Morgen, Kim…“ sagte Marcel leise, vorsichtig. Aber sein Bruder erwiderte denn Gruß nicht; er stellte die Pfanne auf eine Feuerfeste Arbeitsplatte ab und kippte etwas Salz hinzu. Wie erstarrt blieb Marcel auf der Stelle stehen und versuchte den Gedanken, der durch seinen noch nicht ganz leistungsfähigen Kopf schoss, zu verdrängen… Kim musste die ganze Nacht aufgeblieben sein, um sich um Kuroro zu kümmern und daher nicht geschlafen haben. Langsam ging Marcel zum Küchentisch und ein Bild von blutenden Wunden und verkohlten Fleisch blitzte vor seinem inneren Auge auf. Er schluckte leise und ein zäher Kloß bildete sich in seinem Hals. Mit zögerlichen Bewegungen setzte sich Marcel auf seinem Platz und suchte die Platte unbewusst nach Blutspritzern ab. Doch diese war vollkommen sauber und roch auch leicht nach Desinfektionsmittel. „Warum bist du so spät aufgestanden?“ riss Kims Stimme Marcel augenblicklich aus seinen Gedankengängen. Der Dämon trat mit ruhigen Schritten an den Tisch und servierte das Frühstück. Normalerweise rauchte Kim im Haus nicht, aber jetzt hing eine Zigarette in seinem Mundwinkel. Eine Sekundenlang war Marcel verunsichert. Er konnte an den zischelnden Klang der Stimme deutlich erkennen, dass Kim heute Morgen nicht zum spaßen aufgelegt war. „Ich habe meinen Wecker ausgemacht und bin danach wieder eingeschlafen…“ murmelte Marcel schließlich und musterte Kim währenddessen heimlich von der Seite. Die mit Kajal umranden Augen sahen Müde aus und lagen in tiefen Schatten eingebettet. Es war beunruhigend Kim so angespannt und erschöpft zu sehen. Bei diesem labilen Anblick bekam Marcel Mitleid mit seinem großen Bruder. Zögerlich streckte er seine Hand nach Kim aus und berührte sanft seinen warmen Unterarm. „Du warst die ganze Nacht wach, oder?“ fragte Marcel. „Du musst dich nicht um mich kümmern. Du kannst dich ruhig hinlegen gehen, ich brauche deine Hilfe hier unten nicht“ „Schon gut“ Kim fühlte sich irgendwie ertappt. „Mir geht es gut. Wenn du in der Schule bist, gehe ich schlafen“ Dann zauberte sich plötzlich ein Lächeln auf seinen Mund. „Aber ich finde es süß das du dir sorgen um mich machst, kleiner Bruder“ Sowas konnte auch nur Kim raushauen, und er meinte es auch noch ernst! Marcel musste schlucken. Verlegen strich er sich eine blonde Haarsträhne zurück und wand den Blick ab. „Jetzt übertreib mal nicht!“ meinte er und presste seine Lippen zusammen um deren zittern zu verhindern. Blöder Kim… Warum musste er ihn, Marcel, auch schon am Morgen so aus der Fassung bringen?! Am liebsten hätte sich Marcel für sein peinliches Verhalten selber in den Arsch getreten, aber peinliches Verhalten hin oder her; er war nun mal nicht immun gegen die Verführungskünste eines Vampires und brauchte sich dafür auch nicht zu schämen. Er hörte ein leichtes Kichern und hob den Kopf, wenn auch widerwillig, wieder hoch. Kim grinste selbstbewusst und sah damit noch attraktiver aus. Er nahm sich die Zigarette aus dem Mund und warf sie ins Spülbecken. „Weißt du was? Du bist richtig niedlich, wenn du dir sorgen machst“ „Hör auf damit! Warum finden mich immer alle niedlich?! Bin ich vielleicht ein Tierbaby oder ein kleines Mädchen?“ Marcel zog einen Schmollmund und starrte das grinsende, schwarzighaarige Etwas vor seiner Nase, feindselig an. Lachend schüttelte Kim den Kopf. Sein neues Zungenpiercing und die langen, scharfen Eckzähne funkelten dabei im Licht. „Danke für die Lache Kleiner. Das habe ich nach dieser Nacht echt gebraucht! Aber das ist doch die Wahrheit; du siehst eben zu süß aus wenn du so Rot wirst, da kann ich nicht anderes!“ Er strich sich durch sein dunkles Haar und sah Marcel provozierend und direkt an. Wie machte der Kerl das nur? Wie immer wurde Kim kein bisschen verlegen! Marcel aber schon, ihm war die ganze Situation total peinlich. Am liebsten wäre er im Erdboden verschwunden. Er merke gar nicht wie Kim den Tisch umrundete und die Arme um seinen schmalen Oberkörper schlang. Erst als Marcel seinen heißen Atem im Nacken spürte, registrierte er was Kim tat, doch er war gefesselt von Nervosität und konnte sich nicht wehren. „Lass das…“ wimmerte Marcel nicht ganz überzeugend, und drückte sich gegen die fremden Arme. Doch Kim gab keinen Millimeter nach und zog den Kleinen sogar noch enger an sich. „Süßer, jetzt stell dich mal nicht so an…“ raunte er Marcel ins Ohr. „Bei Jeremy machst du auch nicht so ein Theater“ „Das ist aber was anderes!“ „Ach ja, und warum ist es bei ihm anders?“ Als er nichts sagte, spürte Marcel wie sich Kims Lippen erneut zu einem Grinsen formten; Sie waren ihm inzwischen so nah, dass Kims Mundwinkel seine Haut beim Hochzeihen streifte. Marcel drehte den Kopf weg um sein Unbehagen zu verbergen. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Vielleicht weil es bei Jeremy normal war und sie immer so vertraut mit einander umgingen. „Hey! Warum sagst du nichts mehr?“ Marcels Blick klebte festentschlossen am Fußboden. Er weigerte sich, auch nur noch einen Zentimeter nach Oben zu gehen. Oh man! In ihm fing alles an zu kribbeln. Allein die leichte Berührung von Kims Lippen genügte schon um ihn durcheinander zu bringen. Mittlerweile sah er sicher so aus wie eine Überreife Tomate. Kim atmete scharf aus und sein Mund legte sich wie zufällig in Marcels Nacken. Die scharfen Eckzähne des Dämons spürte Marcel selbst durch die schützenden Lippen des Anderen hindurch. Das Kribbeln würde heftiger, Marcel schieß einen gequälten Laut aus. „Kim…!“ rief er heiseren. Seine ganze Wahrnehmung konzertierte sich nur noch auf ihren Hautkontakt. Ob dieser nun von gefährlicher Natur war oder nicht, aber Marcel musste sich eingestehen dass er sich ganz gut anfühlte. Sogar verdammt gut. Verboten gut! Marcel starrte weiter wie gebannt auf den Boden. Langsam stieg Wärme in seinem Körper auf. „Ich weiß nicht… was mit dir los ist, aber das ist nicht Normal für dich Kiley…“ „Das weiß ich auch…“ antworte dieser sofort, dachte aber nicht eine Sekunde daran den Kontakt ihrer Haut abzubrechen. „Aber ich weiß nicht wie ich es Stoppen soll…! Es ist kein Hunger, es ist was anderes…!“ „Scheiße nochmall!“ rief Marcel und stieß ein stilles Gebet in den Himmel. Grade eben erinnerte sich sein gelähmter Verstand an seinen Alptraum von Mephisto. Und vor allem an ihr Gespräch. Obwohl es nur ein Traum war, so zweifelte Marcel doch nicht an seiner Wahrheit. Die Hitzeperiode… sie vernebelte den Dämonen in seiner Umgebung den Verstand und trieb sie schließlich zu solch einer Verzweiflungstat. Der Kleine biss die Zähne zusammen und versuchte sich mit aller Kraft aus der Umarmung zu befreien. Jedoch hielt er nach wenigen Sekunden inne, als Kims Gesicht plötzlich von der Seite auftauchte und ihn Böse anfunkelte. Schon wieder umspielte dieses freche Grinsen seine Züge und diesmal sah Marcel sogar die perlweisen, und scharfkantigen Eckzähne wie sie lasziv über seine Lippen ragten. „Du kleiner Zappelphillipp!“ rückte Kim seinen kleinen Bruder. Dann beugt sich vor und legt seine Lippen auf Marcels Wange. Sie fühlte sich so schön weich und warm an…. Am liebsten hätte er vorsichtig hinein gebissen um sie zu kosten, aber Kim wollte kein Risiko eingehen! Er hörte, wie das Blut des Kleinen in Wallung geriet und dann mit Hochdruck in die geküsste Stelle schoss. Sanft, als könnte er ihn verletzt, leckt er kurz über Marcels glühende Haut. „Hab keine Angst…“ hauchte Kim und löst seinen klammernden Griff etwas. Sicher taten Marcel inzwischen schon die Rippen weh. Und er wollte den Kleinen nicht verletzten „Ich werde dir nichts tun… nur lass mich… dich ein wenig berühren“ Ohne auf seinen brüllenden Verstand zuhören dreht Kim Marcel langsam zu sich um und küsste ihn auf den Mund. Erst sah er, wie dieser die Augen aufriss dann als nächstes die Panik ihn innen aufflammen Ein erstickter Laut steckte in Marcels Hals, aber er war nicht in der Lage, ihn hinaus zu schreien. Er war ja nicht mal in der Lage sich auf den Fängen seines Bruders zu befreien. Er schloss die Augen und unterdrückte ein leises Keuchen. Was war nur los? Warum fühlte er sich plötzlich so zu Kim hingezogen? Sie waren Geschwister! HALLO GEHIRN!? Selbst wenn er sich befreien hätte könnte, so wusste Marcel doch, dass er sich seinem Bruder jederzeit Freiwillig hin geben würde. Und noch etwas wurde Marcel Klar; ihr Kuss hatte rein nichts Brüderliches an sich! Noch schlimmer, seinem Körper schien dieser Gedanke zugefallen. Das Kribbeln von eben erreichte einen neuen Höhepunkt und ließ Marcels Puls in den dreistelligen Bereich schießen. Stöhnend riss er sich los und starrte in Kims glühende Augen. Na toll, sein Bruder dachte wohl an das Gleichen wie er! Wieso waren sie sich ausgerechnet in DIESER Sache mal einig?! „Das ist nicht richtig, was wir hier machen!“ knurrte Marcel. Kim nickte zustimmend. Doch kaum hatte Marcel diesen Satz ausgesprochen, schon hang wieder diese komische, angespannte Stimmung zwischen ihnen. Man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören können, so leise war es im Raum. Dieser Moment weilte allerdings nur kurz, dann vereinten sich ihre Lippen auch schon wieder zu einem neuen Kuss. Marcel riss leicht die Augen auf, küsste aber zurück. Sie taten es schon wieder! Und seine Gefühle spielten erneut verrückt. Oh man und diese Aura, dachte er l leicht eifersüchtig. Sie war so wahnsinnig anziehend und zugleich total erotisch! Was gefiel ihm eigentlich nicht am Kim? Alles an ihm war Toll! Er war zwar sein Bruder und trotzdem… trotzdem fühlte sich Marcel unglaublich wohl in seinen starken Armen. Ohne nach zu denken erwiderte Marcel also den Kuss und Kim legte die Hand in seinen Nacken und zog ihn noch näher an sich heran. „Wo soll das Ganze hier enden?“ sprach Kim gegen Marcels Lippen. Seine Stimme klang rau und abgehackt, der Blick seiner verschiedenfarbenden Augen tanze vor Aufregung hin und her. Doch… er musste hier und JETZT einen Schlussstrich ziehen. Aber kaum stellte sich sein Blick wieder auf Marcel ein schon kamen ihn dieser rote, unheimlich Süße Mund schon wieder nah… Augenblicklich entwich Kim ein abgrundtiefes Seufzten. Wo er doch selbst die Impulse gegeben hatte wollte er eigentlich keine Gewalt verwenden, um diese eigenartige Situation zu beenden. Jedoch ließ ihn Marcel gar keine andere Wahl… Schweren Herzens ruckt Kims Kopf nach vorne und er biss Marcel kurz aber kräftig mit den Vorderzähnen in die Lippen. „Aua!“ jammerte Marcel sofort los und drückte sich von seinem Bruder weg. „Was soll der scheiß!?“ „Schön das ich wieder deine Aufmerksamkeit habe!“ bemerkte Kim trocken. „Meine Aufmerksamkeit?! Spinnst du!? ich… ich weiß nicht… Du... ich… wir… Kim?!WAS HABEN WIR GETAN?!“ Kim hob bloß abwehrend die Hände. „Bleib mal auf den Boden, Kleiner! Es besteht kein Grund gleich auszuflippen“ Das war seine ironische Antwort und er schenkte Marcel einen bösen Blick. Das war ja echt die reinste Achterbahn der Gefühle! Es war unheimlich, wie schnell sich Kim und vor allem seinen Körper wieder unter Kontrolle hatte. „Ich bin genauso verwirrt wie du“ gestand der Ältere schließlich und fuhr sich mit den langen, grazilen Fingern durch seine Haare. „Aber wir müssen das jetzt ganz schnell vergessen. Wir schieben die Schuld einfach auf meinen Schlafentzug und auf deine Hitzeperiode, ja? Vielleicht steht uns ein schwerer Kampf mit dieser Gruppe Nemesis bevor, da können wir uns über solche Kleinigkeiten keinen Kopf machen!“ Überzeugt willigte Marcel ein. Was hatte er auch für eine andere Wahl? „Okay… das bleibt aber unsere Geheimnis ja Kiley?“ „Natürlich“ antworte Kim rasch. „Wenn Jeremy und Daimon von unserem Kuss wüssten… oh weh, die würden uns Umbringen“ Er reichte Marcel seine Hand zum Schwur und Kleine schlug ohne zu zögern ein. „Aber…“ sprach Kim leise und Marcel sah zum ersten Mal wie die coole Fassade seines Bruders bröckelte. Beim genaueren Hinsehen hatten seine Wangen sogar einen leichten Rotton angenommen „Halt mich jetzt bitte nicht für Gestör, aber mir hat es gefallen. Ich weiß das ich dich damit nur noch mehr verwirre, aber warum sollte ich dich belügen? Ich fand unseren Kuss schön. Und es ist schade das wir Geschwister sind…!“ Er grinste Marcel verlegen an und dieser wurde knallrot. Dann hob er seine Hand, führte sie zu seinen Mund und küsste liebevoll Marcels Finger. Dann schüttelte Kim den Kopf und ließ langsam die fremde Hand los. „So, jetzt haben wir aber genug Zeit vertrödelt. Guck das du endlich in die Schule kommst! Na los, Hopp! Ich will nicht dafür verantwortlich sein, das du zu spät kommst!“ „Ist ja schon gut“ rief Marcel und machte einen erschrockenen Satz zur Türe. „Bis heute Mittag dann!“ Er war immer noch völlig neben der Spur. Auf den Weg zur Bushaltstelle versuchte er seine wirren Gedanken zu ordnen. Er hatte wahrhaftig mit seinem Bruder rum geknutscht, und es hatte ihm auch noch gefallen! Kim meinte sogar, das schade war das sie mit einander Verwand waren! Die Wangen des Kleinen fingen bei dieser Erinnerung wieder an zu glühen. Du lieber Himmel, was hatten die beiden da nur verbrochen? Er würde Kim nie mehr so sehen können, wie früher... Ohne hoch zu schauen blieb er seufzend an der Haltestelle stehen und strich sich mit der Hand durch seine langen, blonden Haare. Sie waren in den letzten Monaten ein ganzes Stück gewachsen und reichten im mittlerweile bis über die Schultern. „Hey Marcel! Marcel! Hier drüben!“ Sein Kopf flog nach oben und sein Blick fiel auf ein rothaariges Mädchen, das wie ein Gummiball auf ihn zusprang und dann die Arme um einen Hals schlug. „Schön dich zusehen!“ rief Fee enthusiastisch und schmiege sein Gesicht vertrauensvoll an Marcels „Wo warst du Gestern? Connor meinte zu mir, du machtest Blau wegen Daimons Schlägertypen, die die Schulgänge bewachten!“ Verlegen kratze sich Marcel an der Nasenspitze. „Ähm… ja Fee, das ich richtig. Tut mir leid, das ich euch nichts von meinem Plan erzählt habe“ Fee funkelte ihn mit ihren dunkelblauen Augen ärgerlich an. Sie waren wirklich blau. Elektrisierend Blau. „Das sollte dir auch Leidtun, mein Lieber; Connor und ich hätten uns auch gerne einen freien Tag gemacht. Das nächste Mal sagst du uns Bescheid, oder wir werden in Zukunft der Grund sein, warum du nicht zur Schule kommst!“ „Hilfe! Bloß nicht. Dann habe ich keine Chance mehr!“ Marcel grinst seine beste Freundin viel versprechend an. Diese erwiderte das Lächeln und verstrubelte Marcel liebevoll den Pony. „Wie geht es dir eigentlich? Gibt es noch was Neues bei euch zuhause und sind die Zwillingen auch nett zu dir?“ Fast hätte Marcel sich an seiner Spucke verschluckt. Er guckte Fee eine Sekunden lang stumm und senkte dann den Blick. Natürlich blieb Fee diese kleine Geste nicht verborgen. Sie trat einen Schritt näher an ihn heran und berührte besorgt seine Hand. „Hey Marcel, sag was. Läuft es nicht gut mit ihnen? Schikanieren sie dich, jetzt wo Jeremy nicht da ist?“ „Nein das ist es nicht, aber es passieren in letzter Zeit komische Sachen Zuhause“ Jetzt sah Fee wirklich besorgt aus. Alarmiert bauchte sich ihre rote Löwenmähne unter lautes knistern auf und ein kleines Fauchen verließ schlagartig ihre Kehle. „Komische Sachen?! Aber Marcel, warum hast du mir das denn nicht schon eher erzählt?“ Fee griff seine Hand und drückte sie leicht mit den Fingern. „Weißt du was? Mein Angebot steht immer noch; Du kannst die nächste Zeit gerne bei mir einziehen! Meine Eltern hätten nichts dagegen, ich habe schon mit ihnen gesprochen. Ich mag dich doch, du bist mein bester Freund und ich will nicht, das dir jemand weh tut!“ Das Mädchen wandte ihren Blick ab und Marcel sah, wie sie leicht Rot um die Nase wurde. Wie immer viel es der temperamentvollen Fee unheimlich schwer, über ihre wahren Gefühle zu reden. „Das ist lieb von dir, Fee“ Marcel streichelte ihr mit den Daumen über die Hand „Aber das meine ich nicht mit komische Sachen. Sie verprügeln mich nicht oder so, wie du jetzt vielleicht denkst“ „Was denn?“ „Hmm, können wir nach der Schule darüber reden? Unter 4 Augen meine ich“ Fee nickte und sah Marcel mit großen Augen, fragend an. „Aber du musst mir versprechen es geheim zu halten, ja? Du darfst mit niemanden darüber reden und du musst mir darauf dein Wort als beste Freundin geben“ Sofort verengten sich Fees Augen zu kleinen Schlitzen. Grimmig zog sie ihren roten Mund nach unten. „Die haben aber keinen Umgebracht, oder?“ „Um Gotteswillen – Nein! Deine Fantasie kennt mal wieder keine Grenzen, was?!“ „Ich meinte ja nur!“ bewerte sich Fee und verschränkte schmollend die Arme. „Bei den Zwillingen kann man schließlich nie wissen!“ Sie ruckte ihren Kopf zur Seite und ihre Haare wehten dabei prachtvoll im Wind. Scheiße, nun sah sie wirklich angepisst aus. „Ah!“ rief sie plötzlich und Marcel zuckte leicht zusammen. „Da kommt ja schon der Schulbus!“ Wie auf Schlagwort brummte der Motor und hielt dann zischend an der Bushaltestelle. Marcel und Fee schnappten sich ihre Taschen und stiegen rasch ein. „Sag mal“ meinte Marcel und sah zur Seite. Sie hatten grade in der letzten Sitzbank Platzgenohmen und die Taschen zu den Füßen abgesetzt. „Wo ist eigentlich Connor? Müsste er nicht schon längst im Bus sitzen?“ Bei diesen Worten kramte Fee auch schon nach ihrem Handy und blickte auf den Bildschirm. „Hmm, eigentlich schon. Vielleicht ist er über Nacht kranken geworden. Aber warum hat er mir den nicht geschrieben?“ sie zog die Augenbrauen zusammen. „Das sieht Connor aber gar nicht ähnlich!“ „Vielleicht schläft er noch und kann dir deshalb nicht schreiben“ „Schon möglich. Ich werde ihm nachher in der großen Pause mal eine SMS schreiben. Mal sehen, was er hat…“ „Hallo Kinder“ Trotz allem war der Schultag schnell vorbei gegangen und Marcel betrat mit Fee am Nachmittag ihr Zuhause. Ihre Mutter stand schon in der Küchentüre und winkte den beiden grinsend zu. „Na wie geht es euch? War die Schule schön?“ fragte sie und der Französische Akzent in ihrer Stimme dominierte hörbar. Fees Mutter sah ihrer Tochter wirklich sehr ähnlich. Sie war ebenfalls Rothaarig und mit schönem Antlitz gesegnet. Marcel wusste, dass die junge Frau viele heimliche Verehrer in der Stadt hatte und doch war sie ihrem Mann stets treu und besaß ein großes Herz. „Gut Mama, danke. Du hast doch nichts dagegen, wenn Marcel heute Nachmittag hier bleibt, oder?“ fragte Fee und zog sich die Schuhe aus. Fees Mutter, Isabell Ledoux lachte nur. „Nein mein Schatz, der Kleine ist ein gern gesehener Gast in diesem Haus!“ Sie zwinkerte Marcel zu. „Ich muss aber nun weiter machen. Ich rufe euch später dann, wenn das Essen fertig ist“ Und damit war Isabell auch schon wieder hinter ihren Kochtöpfen verschwunden. „Komm“ sagte Fee und führte Marcel in ihr großes Zimmer. In der Mitte des Raumes stand ein riesiges Himmelbett und durch eine kleine Türe in der hinteren Ecke, gelangte man in Fees Ankleidezimmer. Auf der anderen Seite befand sich eine zweite Türe, wohinter sich dann ihr eigenes Badezimmer befand. Viele wollten mit Fee, der Tochter des reichen Unternehmerpaars Ledoux aus Frankreich befreundet sein, doch sie war wählerisch und wollte niemanden haben, der sie nur aufgrund ihrer Schweizer Bankkonten mochte. Fee setzte sich auf ihr Bett und klopfte einladend auf die Matratze. Sie lächelte mit funkelnden Augen und Marcel erfüllte ihr ihren Wunsch nur allzu gerne. „Nun erzähl mal, Marcel! Ich zerbreche mir schon den ganzen Tag den Kopf über dein Geheimnis“ „Ähm…“ machte Marcel. Unsicher knete er seine Finger und suchte nach den richtigen Wörtern. Mehrere Minuten verstrichen und Fee rutschte ungeduldig vor und zurück. „Na? Bist du noch anwesend?“ fragte sie nach drei sprachlosen Minuten ein wenig böse. „Lass mich nachdenken“ fordere Marcel und wünschte sich schon fast, er hätte Fee heute Morgen doch nichts erzählt. Aber nun war es zu spät…! „Glaubst du an das Übernatürliche?“ fragte er schließlich und sah Fee dabei ernst in die Augen. Das Mädchen erwiderte seinen Blick verwirrt. „Ist das jetzt dein Ernst?“ Marcel nickte fest entschlossen. „Das ist mein voller ernst. Ja oder Nein?“ „Ich weiß nicht so genau… Es gibt Momente an denen ich glaube das es da noch etwas Anderes gibt, aber ich kann an nichts Glauben, dass ich nicht mit eigenen Augen gesehen habe“ „Gut, das kann ich nachvollziehen. Mir ging es genau so - “ „Ging!?“ unterbrach ihn Fee stürmisch und ruckte Marcel auf die Pelle. Zitternd schnappen sie sich ein Kissen und drückte es gegen ihren Mund. Dieses Mädchen war der Hammer! Manchmal wirkte sie kühl und überheblich, aber jetzt zum Beispiel, sah sie total verunsichert und ängstlich aus. Irgendwie… so normal und unschuldig. „Willst du etwas behaupten, das… das… das…!“ „Jetzt lass mich doch erst mal ausreden, Fee!“ Marcels Ton klang tadelnd, aber er musste sich doch ein kleines Grinsen verkneifen; mit so einer Reaktion hätte von seiner besten Freundinn nicht gerechnet. „Du erinnerst dich doch sicher daran, als ich dir und Connor erzählt habe, wie ich vor sieben Jahren in unserem Haus ein Monster gesehen habe, oder? Tja… das war keine Einbildung wie mir zuerst Alle einreden wollten. Das war Real. Dieses Monster gibt es wirklich“ Nun lag Fee fast auf den Rücken. Ihr Gesicht war bis zu den Augen hinter dem Kissen verschwunden. Erwartungsvoll schaute sie Marcel an. „Das ist jetzt nicht wahr“ hauchte sie leise und fast flüstern Doch Marcel bestätigten ihr mit einem kurzen Nicken die Wahrheit. „Meine Brüder – Jeremy, Kiley und Daimon – sind Dämonen“ Nun war es endlich raus! Marcel hatte das Gefühl, als würde ihm jemand eine große Last von den Schultern nehmen. Gleichzeitig begann sein Herz wie Wild zuschlagen. Er nahm an, das Fees ihres ein ähnliches Theater veranstaltete. Aber hatte er auch das Richtige getan? Hatte er seinen Geschwistern denn nicht versprochen, ihr Geheimnis für sich zu behalten? Dieser Gedanke schob Marcel jedoch in die hinterste Ecke seines Gedächtnisses und konzentrierte sich wieder auf das Geschehen. Fee lag nur regungslos in ihrem Bett und kleine Schweißtropfen traten auf ihre Stirn. Nur mühsam gelang es ihr, ein erschrockenes Keuchen zu unterdrücken. „Fee?“ fragte Marcel vorsichtig. Mit großen Augen sah er das Mädchen an, dessen Brustkorb sich schnell hob und senkte. Würde sie gleich ausflippen und rum schreien? Doch dann schob Fee das Kissen zur Seite und Marcel stellte fest, dass der Ausdruck ihres Gesichtes ihm für einen Moment dem Atem raubte; Es war entschlossen und gefasst. „Marcel“ sagte sie mit einer eigenartigen, hölzernen Stimme. Unwirsch strich sie sich eine feuerrote Haarsträhne aus den Augen „Ich weiß ja du fest an die Existenz von Geistern glaubst, aber deine eigenen Geschwister als Dämonen zu bezeichnen, ist schon irgendwie ziemlich fies“ Natürlich. Fee glaubte ihm kein Wort! Das wäre ja auch zu schön gewesen nach dem ganzen Ärger der letzten Wochen…! „Ist es die Wahrheit! Ich würde dich doch nicht belügen und riskieren, mich lächerlich zu machen“ „Ach komm, du verarschst mich doch!“ „NEIN!“ rief Marcel so laut dass Fee zusammen zuckte. Dann sprang er auf die Beine und war schon im Begriff seine Schultasche zu schnappen, als ein Klingeln an der Haustüre ihn kurz aus dem Rhythmus brachte. Erstaunt schaute er zu Fee zurück; doch sie sah ebenfalls Ahnungslos aus und zuckte mit den Schultern. Vielleicht war es der Postbote oder eine Verkäufer…. „Fee, Marcel!? Kommt ihr bitte mal runter?“ Das war eindeutig Isabell Ledoux. Die beiden sahen sich ein letztes Mal fragend an und gingen dann in den Hausflur, gradewegs auf die Mutter zu. „Was ist?“ fragte Fee. „Da ist jemand für dich, Marcel“ Er sah der jungen Frau die Verzweiflung sofort an; förmlich war ihr diese ins Gesicht gemeißelt. Marcel nickte kurz und schaute vorsichtig an ihr und seiner besten Freundinn vorbei. Mit den Händen tief in der schwarzen Lederjacke vergraben, glimmerden Zigarette zwischen den weißen Lippen und vor Zorn lodernden Augen stand Daimon auf der Fußmatte der Ledoux und schaute Marcel wütend an - eine Wut, welche er bereits vorausgesehen hatte. „Nett von dir, dass du deine Freundinn besuchst ohne mir oder Kim vorher Bescheid zu sagen. Machst du das bei Jeremy eigentlich auch so?“ „Tut mir leid, Daimon. Das habe ich heute Morgen ganz vergessen“ sagte Marcel mit leiser, angsterfüllter Stimme und blieb jedoch hinter Fees Mutter stehen, denn er kannte Daimons Temperament allzu gut. Um ehrlich zu sein, würde er dort am liebsten bis morgen Früh stehen bleiben… Unbeeindruckt zog sein Bruder eine Augenbrauche hoch. Er sah nicht sehr besänftig aus. Im Gegenteil, mit jedem neuen Wort schien die Wut in Daimon nur noch größer zu werden. Er machte den Mund auf, und wollte Marcel schon zur Sau machen als Isabell plötzlich eine schnelle Bewegung machte und ihre Hand auf Marcels Schulter legte. Zufrieden sah der Rothaarige, dass diese Hand leicht zitterte. Daimons grüne Augen funkelten schelmisch; er hatte mit seinem Auftritt mal wieder genau ins Schwarze getroffen! Isabelle sah betreten zu Boden, sodass die anderen nicht sehen konnten, dass ihr Gesicht sich kalkweiß gefärbt hatte. „Keine Sorge, dein kleiner Bruder war hier in besten Händen“ Ihre Stimme klang dünn und so Ängstlich wie Marcels seine vorhin. Ja, sie mussten nicht ganz Neidlos zugeben dass dieser junge Mann vor der Haustüre eine ganz besondere Ausstrahlung hatte, und ihr eine Heidenangst einjagte. Der Kerl, der so unbeschwert und sorglos vor ihr stand, war wie ein Wesen aus einer anderen, düsteren Zwischenwelt. So nahm Daimon seine Zigarette aus dem Mund, löschte mit bloßen Fingern die Glut und steckte den halben Stängel wie in die Zigarettenpackung zurück. Dann zuckte er ungerührt mit den Schultern und sah Marcel mit einer stillen Aufforderung an. „Soll ich hier draußen ein Zelt aufschlagen oder kommst du mal endlich in die Gänge? Bevor wir nachhause gehen, muss ich nochmal in die Stadt, also beeil dich einbisschen!“ Marcel war noch immer ganz verstört, er konnte nicht Antworten „Warte, ich muss noch meine Schultasche holen!“ sagte er nur und rannte in Fees Zimmer zurück. Ehe er wieder aus der Türe stürmte konnte, fühlte er sich von zwei schlanken Händen festgehalten. „Bitte Marcel! Mit dem Kerl willst du mitgehen? Dein Bruder sah echt total furchteinflößend aus!“ hörte er Fee Stimme an seinem linken Ohr flehen. „Ich habe Angst dass ich dich nie wieder sehe, wenn ich dich mit Daimon weggehen lasse!“ „Schon gut, Fee“ Marcel löste mit sanfter Gewalt ihre Finger und lächelte das aufgebrachte Mädchen leicht verzweifelt an. „Ich glaube nicht das er mir was tut, solange Jeremy am Leben ist“ „Aber…!“ protestierte Fee laut. Doch Marcel ging schon weiter und entfernte sich aus ihrem Sichtfeld. „Ich glaube dir! Hörst du!? Ich glaube die Sache, die du erzählt hast!“ Sie schluckte und kleine Tränen glitzerten in ihren Meerblauen Augen. Marcel stutze. Doch der plötzliche Sinneswandel kam ein bisschen Spät um ihn jetzt noch aufzuhalten. Er drehte sich zu seiner Freundinn um und lächelte sie ein letztes Mal an. An der Türe angekommen sah Marcel, dass Isabell wie ein Torwächter auf der Schwelle stand und Daimon leicht genervt am Rahmen lehnte und die zweite Hälfte seine Zigarette Rauchte. „Marcel kann auch gerne hierbleiben solange du in die Stadt gehst. Wenn du zurück bist, kannst du ihn mitnehmen“ versuchte Isabell noch einmal abzulenken, doch Daimon schüttelte mit eiskalten Blick den Kopf. „Ich will ihn nicht gleich, sondern SOFORT Mitnehmen. Danke, dass Sie solange auf ihn aufgepasst haben, Frau Ledoux “ Daimon verbeugte sich, was man allerdings nur als Verhöhnung auffassen konnte, quetschen sich an Isabell vorbei und beförderte Marcel mit einem scharfen Ruck am Handgelenk aus der Wohnung. Daimon grinste seinen Bruder schief an und Marcel spürte, dass sein Herz einen Sprung macht und nicht mehr richtig in seinen normalen Rhythmus zurückfand. Er schluckte, obwohl seine Kehle staubtrocken war und es eigentlich nichts runter zu schlucken in seinem Mund gab. Er drehte den Kopf langsam und bemerkte die entgeisterten Blicke von Isabell und Fee. Sein Körper verkrampfte sich merklich; die beiden machten den Eindruck als würden sie am liebsten die Polizei rufen. Ein bisschen mutiger schaute Marcel zu Daimon hoch und riss sich ruppig aus seinem Griff. „Man ey, Daimon! Was sollte denn das für ein Auftritt sein? Willst du mich eigentlich zum Gespött des ganzen Dorfs machen?!“ „Zick nicht rum du Bohnenstange! An deinem Unglück bist du wiedermal selber schuld!“ Daimon drehte sich auf seinem Absatz um und lief auf den Bürgersteig zurück; weg von dem Haus der Ledouxs und weg von 2 paar neugierigen Ohren, die gierig alles Gesagte aufsogen. Der Trotz in seiner Stimme eben, nicht zu überhören gewesen. „Was meinst du damit?“ fragte Marcel und lief Daimon hinterher, behielt aber einen sicheren Abstand zu ihm. „Was ich damit meine? Bist du echt so blöd, oder tust du nur so? Gestern Morgen wurde Kuroro hinter unserm Haus angegriffen und heute kommst du nach der Schule nicht Nachhause! Was glaubst du, welche schönen Gedanken mir und Kim so alles in den Kopf schossen?! Alter, wie gerne würde ich dir jetzt eine Scheuern…“ Seine Augen funkelten als Daimon sich umdrehte und wohl grade Überlegte, ob es irgendwelche Konsequenzen für ihn hätte, wenn er seinem Bruder auf Öffentlicher Straße eine saftige Ohrfeige verpasste. Instinktiv wich Marcel nach hinten und hob die Hände zu Fäusten geballt in die Luft. Seit der letzten Auseinandersetzung in der Sporthalle, wusste er genau wie sich Daimon verhielt kurz bevor er zuschlug. Damit stand Marcels Entscheidung fest: er würde Kämpfen… „Du verhältst dich wie ein Kleinkind!“ knurrte Daimon und kickte eine leere Coladose auf die andere Straßenseite. „Oder denkst du, dass solch ein Angriff Spurenlos an Kim und mir vorbei geht!? Wir wissen nicht genau wie es weiter geht, und ob noch mehr Attacken auf uns oder unsere Freunde kommen. Kim ist jetzt schon total am Ende; er würde sich am liebsten Zuhause einsperren und im Keller eine kleine Atomwaffe basteln. Wie immer wird der Kerl in solchen Stresssituation sehr Extrem. Naja, dieses Verhalten hat er wohl zweifellos von Jeremy übernommen“ Marcel legte den Kopf schief und versuchte seinen rasenden Gedanken zu folgen. Womöglich waren seine Brüder - die Zwillinge doch nicht so Taff, wie sie immer behaupteten und mussten sich nun eingehen, dass sie Angst hatten. Angst, vor die Unbekannten Nemesis und ihrer mysteriösen Fähigkeiten. „Wie hast du mich überhaupt Gefunden?“ fragte Marcel und versuchte das Thema in eine andere Richtung zu lenken. „Ich bin deinem Geruch von der Schule aus gefolgt, was sonst?!“ „Okay… und warum willst du noch in die Stadt gehen? Sollten wir nicht erst Zuhause vorbei gehen und Kim sagen, das du mich gefunden hast?“ „Ach was, Kiley vertraut mir. Er weiß, dass ich dich finde und lebten zurück bringe. Wir gehen jetzt in die Stadt, weil ich noch ein Medikament holen muss. Kuroro ist in den frühen Morgenstunden aufgewacht und hat das ganze Haus zusammengebrüllt. Er muss unwahrscheinliche Schmerzen haben… Und nichts was wir Zuhause an Schmerzmittel da haben, reicht aus um ihn ruhig zustellen“ Daimon erschauerte kurz, aber doch heftig bei den Gedanken daran. „Gute Idee“ meinte Marcel vorsichtig. „Aber du weißt doch das Freitag ist, und die Apotheken heute nur bis um 13 Uhr auf haben. Und wir haben mittlerweile Nachmittag. Also werden die Geschäfte in Thirsk jetzt schon lange geschlossen sein“ „Wer hat denn sagte, dass wir in die Apotheke gehen?“ erwiderte Daimon feixend. „Nicht in die Apotheke?! Wo willst du denn sonst so ein Zeug herkriegen? Warte mal… jetzt sag mir nicht, das du irgendwelche Krummen Sachen am laufen hast?!“ „Und was, wenn es so wäre? Marcel runzelte die Stirn. Musste das sein? Als Bauchmensch handelt Daimon immer impulsiv uns ohne große darüber nach zu denken… Das könnte eng für die beiden Brüder werden. „ Daimon, ich mache mir nur Sorgen. Du hast doch jetzt schon genügend Anzeigen wegen Sachbeschädigung und Körperverletzt bei der Polizei. Willst du jetzt auch noch eine bekommen, weil du Drogen kaufst?“ Ein Schulterzucken war die Antwort. „Wenn du einen besten Vorschlag hast, dann hau `raus! Ich bin dir ganz Ohr!“ „Habe ich nicht…“ knurrte Marcel. Aber auch wenn er keine bessere Idee als Daimon hatte, so wollte er sich doch nicht mit den Gedanken anfreunden, Kuroros schmerzen mit Drogen zu bekämpfen. Das nagende Angstgefühl Gefühl in seinem Bauch ließ Marcel innerlich zusammenzucken. Wenn doch nur Jeremy da wäre! Er hätte sie alle Retten können und Nemesis würde Reißaus nehmen. „Hättest du Kuroro heute Morgen erlebt, würdest du das Gleiche machen wie ich, Marcel. Ich kann es einfach nicht ertragen wenn ein Freund wie er so leiden muss.“ Hastig riss sie Marcel aus seinen Tagträume reihen und sahen leicht irritiert zu Daimon hoch. „Entschuldigung, was hast du grade gesagt?“ „Schon gut! Entweder hörst du mir sofort zu, oder du vergisst das Ganze!“ „Toll, du legst mal wieder eine super Laune an den Tag! Warum musst du mich auch immer so fertig machen?! Wäre ich mal bei Fee geblieben, so wie es ihre Mutter wollte…“ „Halt deine Klappe oder du knutscht gleich den Asphaltboden!“ Sie stritten sich noch weiter und erreichten bald die Stadt. Ein Blick gen Himmel verriet ihnen dass es jeden Moment Regnen könnte. Dicke, schwarze Wolken verdeckten die Sonne und ohne ihre wärmenden Strahlen, war es an diesem Freitagmittag recht frisch. Man könnte es fast schon Kalt nennen. Irgendwo krächzend ein paar Krähen in den Kronen der Bäume und der Wind scheuchte lose Blätter auf dem Boden vor sich her. Die Geschwister liefen mit schnellen Schritten durch ein eher abgelegenes Stadtviertel; überall lag Unrat, Müll überzog den Boden wie ein bunter Teppich und betrunkene Obdachlose lehnten schlafend gegen Graffiti beschmierte Hausmauern. Marcel bekam eine Gänsehaut – diese Gegend hatte er bis jetzt noch nie betreten. Unbewusst rückte er näher an Daimon heran und schnappte sich mit zwei Fingern den Saum seiner Lederjacke. „Na, wo ist denn dein großes Maul hin? Hast du etwa Angst?“ Marcel fröstelte es leicht. „Ich war hier noch nie – und ich kann dir jetzt schon sagen, dass das nicht mein neuer Lieblingsplatz wird. Hier ist es irgendwie Unheimlich…“ „Das hier ist nur ein stinkendes Ghetto“ verbesserte ihn Daimon barsch und beschleunigte sein Tempo etwas. „Nicht mehr, und nicht wenig“ Er steuerte ein altes Mehrfamilien Haus an und führte Marcel in die sechste Etage des Hochhauses; Hier sah es genauso schlimm aus, wie draußen auf der Straße. Nur mit dem kleinen, aber entscheidenden Unterschied, das hier irgendwie tatsächlich Menschen lebten. Daimon schlug mit der Faust gegen eine Wohnungstüre und das morschte Holz gab ein alarmierten Knacken von sich. Er wartete ein paar Sekunden und wiederholte dann seine Handlung. Marcel hörte wie Leben in die Wohnung kam und jemand fluchten die Türe auf riss. „Alter, geht’s noch!? Was soll der schei-!!“ Dem Kerl in der Haustüre blieb das Wort regelrecht im Halse stecken als er Daimon erblickte. Prompt wurde er Blass. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seinem Gesicht und sein rechter Mundwinkel zuckte gefährlich. „Da- Dai - Daimon!!“ stotterte der junge Mann hysterisch. „Lang` nicht gesehen, Mann! Was führt dich zu den guten, alten Tony?!“ „Schwing hier keine Reden, du Flasche. Ich bin nicht hier um mit dir ein Plauschen zuhalten. Hast du Stoff?“ Daimon funkelten den Kerl namens Tony Böse an. „Stoff?“ fragte Tony zitterten. Der Schweiß lief ihn inzwischen als allen erdenklichen Poren und benetzte sein weißes Hemd großflächig. Er war irritiert, einen Mann seines Kalibers so verstört zusehen. „Ja Stoff! Stell dich nicht blöd! Ich weiß genau, das du welchen hast!“ fauchte Daimon aggressiv. „Tut mir echt leid für dich, Daimon, aber ich habe grade keinen da. Wirklich nicht“ versuchte Tony hilflos abzuwehren, doch es war eine lahme Abwehr. Unter Daimons zornigen Blick strupfte er auf Fingerhut Größe Zusammen. Dann Kapitulierte er zähneknirschend. „Ok ich hab schon verstanden; komm rein!“ Erst jetzt nahm der Mann Notiz von Marcel, dieser sich lautlos an das Treppengeländer gelehnt hatte und bitzelte Heftig. Tony warf Daimon einen verständnislosen Blick zu. „Die kleine Rotznase gehört zu dir?“ „Blitzmerker! Aber nennst du ihn noch einmal Rotznase, dann breche ich dir deine. Und gleich dazu den Kiefer!“ Der Mann wisch schauderten zurück und winkte die beiden Brüder in seine Wohnung. „Ich habe nicht gelogen“ murmelte er, als Tony die Türe hinter sich schloss „Ich habe echt nichts mehr hier, Daimon; ich habe alles was ich an Morphemen hatte, an ein junges Mädchen im Matrosenkleid verkauft“ „Ist mir doch egal!“ erwiderte Daimon im gereizten Ton. „Dann schwingst du deinen Arsch eben aus der Bude und besorgst mir neues Zeug!“ „Aber… das geht nicht. Für heute habe ich schon andere Pläne… Kann das nicht bis morgen warten?“ „Wäre ich jetzt hier, wenn DAS nicht bis morgen warten könnte?! Nein, du Spatzenhirn! Ich warne dich Tony, ich bin heute extrem schlecht drauf! Wenn du nicht gleich in Richtung Markt verschwunden bist, dann schmeiße ich dich eigenhändig aus dem Fenster!“ „Schon gut!“ brüllte der Mann vor entsetzten und schnappte sich im Vorbeigehen seine Lederjacke. Er warf einen ängstlichen Blick zu Daimon und Marcel zurück. Dann flackerte für einen sehr kurzen Moment Hohn in seinen wässrig, braunen Augen auf. „Versaut mir bloß nicht das Sofa während ich weg bin, das ist neu!“ Und schon knallte Tony die Türe hinter sich zu. Grade rechtzeitig, denn Daimon warf dem Mann eine Blumenvase hinterher, die unter lauten scheppern an der Wand zerbrach und in tausend teile zersprang. „So ein frecher Wixxer!“ fauchte der Rothaarige und in seinen Augen tobte ein wütender Sturm. „Hätte ich ihm doch mal die Nase gebrochen!!“ Als Tony endlich weg war entspannten sich Marcels verkrampfte Schultern ein wenig. Er hatte sie die ganze Zeit angespannt, aus Angst gleich eingreifen müssen, wenn Daimon auf die Idee käme diesem skurrilen Tony ein paar zu Klatschen. Er legte die Hand in seinen Nacken und drehte den Kopf vorsichtig nach links und rechts. Währenddessen musterte er seinen Bruder heimlich von der Seite. „Woher kennst du diesen Typen, Bruderherz?“ Daimon schnaubte verächtlich auf diese Frage. „Der Kerl war früher mein Dealer. Er hat seinen Teil dazu beigetragen, dass ich vor 3 Jahren in die Drogensucht gerutscht bin. Tony hat mich bestens versorgt und damit immer tiefer in den Abgrund geschürzt. Irgendwann sind mir wie du weißt, Kiley und Jeremy auf die Schliche gekommen und haben mich dann auch sofort in eine Entzugsklink verfrachtet. Noch am selben Abend sind sie hierher zu Tony geflitzt und haben ihn so richtig aus einander genommen. Seitdem habe ich diese Gegend hier und auch ihn nie wieder gesehen. Bis heute… Aber so wie ich Tony eben erlebt habe, haben Kim und Jerry richtig gute Arbeit geleistet. Tony ist nur noch ein Schatten seiner Selbst. Über die Jahre hinweg ist er körperlich und geistig immer mehr verfallen. Als ich ihn damals kennenlernte, war es das gemeinste und brutalste Arschloch das Thirsk je gesehen hatte “ Aus Daimons Kehle schlich sich ein abgrundtief Böses Gelächter und er schaute sich derweilen in der Behausung seines Ex-Dealers um. Typisch Daimon. Er nahm wirklich nie ein Blatt vor den Mund und war in allem was er tat und sagte, immer direkt und schonungslos. Zu der gleichen Zeit in der Villa am Höllen… Schon geschlagene 3 Stunden hockte Dylan nun vor dem Computer und quälte sich durch die Anzeigen der verschiedenen Suchmaschinen im Internet. Inzwischen hatte er Türme aus Büchern, leeren Getränkedosen und Knabbereien um sich aufgebaut. Dem Albino entwich ein ärgerliches seufzten und er klickte grade einen nervigen Werbungbanner weg. Bis jetzt habe ich noch keinen einzigen Anhaltspunkt über diese seltsamen Humanoid Demons gefunden, dachte Dylan schlecht gelaunt. Könnte er doch nur Mephisto um Rat fragen! Das würde die ganze Sache tausendmal erleichtern. Aber das war leider absolut unmöglich; er durfte Mephisto und all seine anderen Freunde nicht in Gefahr bringen. Das Mädchen mit dem er letzte Nacht gekämpft hätte, diese Lucy Etoile, erschien ihm unberechenbar und gefährlich. Nein – er würde NIEMANDEN von seinem Kampf erzählen. Außerdem war sein Ziehvater seit dem gestrigen Streit sowieso schlecht auf ihn zusprechen und ging Dylan möglichst aus dem Weg. Wäre Dylan jetzt ein Mädchen und in der Pubertärenphase würde es sich erst mal den Tisch schnappen, und ihm samt Computer umwerfen. Aber da er schon über 400 Jahre alt war und dazu ein männlicher Dämon, begnügte er sich damit eine Cola Dose mit dem Handrücken vom Tisch zu fegen. So ein Mist! Dylan fischte lustlos in einer Chipstüte und stopfte sich eine Handvoll Kartoffelchips in den Mund, als ihm plötzlich eine Überschrift ins Auge sprang. Bericht aus Amerika; Humanoid Demon-Experiment nach 300 gelungen Exemplaren eingestellt. Hustend schlang Dylan seinen Bissen hinunter und klickte mit tränenden Augen die Anzeige an. Doch der Server verwies ihn sofort auf eine andere Seite, die Dylan nur als Sicherheitssperre identifizieren konnte, und nichts mehr mit dem eigentlichen Bericht zu tun hatte. „Eine Firewall!“ rief er begeistert. „Das heißt, dass ich auf etwas Wichtiges gestoßen bin. Dann bin ich richtig!“ Er leckte sich mit der Zunge über die spitzen Eckzähne und schon flogen seine weißen Finger in atemberaubender Geschwindigkeit über die Tastatur. Für solche Fälle hatte Mephisto haufenweise Hacker-Software auf seinem Rechner installiert. Es dauerte nochmal 45 min bis sich Dylan durch das Labyrinth aus Daten des Sicherungssystems gekämpft hatte. Doch dann öffnete sich ein harmlos erscheinendes Fenster auf seinem Bildschirm. Es handelte sich hierbei um eine Ausführliche Erklärung rum um Humanoid Demon-Experiment. Was auch immer diese Humanoid Demons nun für Viecher waren… Dylan beugte sich nach vorne und begann mit zusammengezogenen Augenbrauen die Verlaufsberichte eines Professors zu lesen, der als Direktor an dem Experiment beteiligt war. „Nach 10 Jahren Forschung ist es uns endlich gelungen eine kontrollierbare und biologische Waffe gegen die bestehenden Kriege zu erzeugen. Es ist ein Projekt um die internationale Verteidigung gegen den Terrorismus in der Welt zu erhöhten. Wir nennen unsere Exemplare liebevoll HD, die Humanoid Demon. Die HD sind künstliche, von Menschenhand erschaffenden Dämonen die ohne mit der Wimperzucken jeden erteilten Befehl ausführen. Wir entfernten uns bewusst von der bisher Forschung, die nur auf die Erzeugung von Atomwaffen aufbaut war. Wir wollten etwas Biologisches erschaffen, etwas natürlich, etwas Menschliches… Mein Team und ich beschloss denen Menschen selbst zur Waffen zu machen. Für das Experiment benutzen wir nur sorgfältig ausgewählte Kandidaten, denen wir tierische DNA injizierten und ihre Gene veränderten. Als Resultat erhöhte sich die Körperliche Stärke der Testobjekte enorm und ihre unterschiedlichen Sinne schärfen sich. Jeder Humanoid Demon besitzt einen Inneren Kristall der ihnen eine gewisse Fähigkeit verleiht. Diesen Kristall nennen wir Merkaba und setzten ihn den Teilnehmern nach 2 Jahren Training ein. Der Merkaba ist ein natürliches Licht-Energie-Feld, das um alle Lebewesen herum existiert. Er hat die Form einer Doppel-Pyramide, bestehend aus 2 Tetraedern. Dieser Stern aktiviert Teile im menschlichen Gehirn, die normalerweise nicht benutzt und unterdruckt werden….“ Angewidert drehte Dylan den Kopf zur Seite und musste sich erstmals Sammeln. Die Humanoid Demons waren also das Endprodukt eines grausigen Experimentes, indem Wissenschaftler versuchen einen künstlichen Dämon zu erzeugen. Eine Welle aus Mitleid erfasste ihn, jetzt wurde ihm so einiges Klar; Er konnte Lucy nicht als Dämon erkennen, weil sie tief in ihrem inneren ein Mensch war. Ein Mensch – um genauer zu sein, ein Kind – das ein krankes Experiment mit menschlichen Versuchskaninchen überlebt hatte. Vor Abscheu geschüttelt öffnete Dylan die Galerie und eine Auflistung von allen HD-Teilnehmern folgte. Die jungen Gesichter von 300 Kindern bedeckten die Seite, und jedes einzelne sah schlimmer aus, als das nächste. Auf dem 189. Platz erschien das Bild von Lucy Etoile, im Alter von 5 Jahren. Sie sah mitgenommen aus und kränklich. Die Augen des Kindes waren blutunterlaufen und seine Mundwinkel vor Angst verzerrt. Dylan bewegte den Mauszeiger auf ihren Namen und öffnete das Protokoll; Bezeichnung: 047I-85Ä#-3GZI64H Name: Lucy Etoile Geschlecht: Weiblich Experiment-dauer: 845 Tage Innerer Kristall: Feuer-Merkaba Nach den Allgemeinen Informationen zu ihrer Person kamen weiter Protokolle, Berichte, Laborergebnisse und Fähigkeiten-Einschätzungen über Lucy hinzu. Bei dem letzteren musste Dylan unweigerlich Inne halte; Den Berichten über ihre Fähigkeiten zufolge, war Lucy als sehr viel mächtiger beschrieben, als er sie im gestrigen Kampf erlebt hatte. Mit ihrer Feuerkraft konnte sie sogar Diamanten zum Schmelzen bringen, welche je nach Härte einen Schmelzpunkt von über 3550°C hatten. Dylan schluckte. Warum hatte das Mädchen die fliegenden Straßenlaternen mit denen er sie attackierte, denn nicht zu Brei geschmolzen, anstatt ihnen auszuweichen? Die Straßenlaternen waren immerhin aus Eisen und hatten damit einen sehr viel niedrigeren Schmelzpunkt, als Diamanten. Vielleicht war es ein Test, fiel es Dylan wie Schuppen von den Augen. Vielleicht wollte sie nur meine Stärke testen, und ich Idiot habe ich ihr sofort bereitwillig meine ganzen Fähigkeiten gezeigt! Er rügte sich selber für seine Dummheit und das hob seine Laune nicht grade. „Marcel!“ rief Daimon aufgebracht und packte den Jungen am Arm um ihn zu sich zu ziehen. „Was denn?“ fragte Marcel und verzog den Mund etwas. Der Griff um sein Handgelenk gehört nicht zu der sanften Sorte. „Ich wollte mich doch nur auf die Couch setzten!“ „Ja eben! Du weißt doch gar nicht welche Spasties hier schon rum gelungert haben! Stell dir vor, du setzt dich in die Spritze eines Heroin-süchtigen und kriegst als Dankeschön HIV“ „Jetzt werd mal nicht Paranoid! Dein Dealer hat gesagt, dass die Couch Neu ist und dann wird sich hier doch wohl niemand seine Heroin spritzen!“ Die Pupillen seiner wie vom Teufel besessen Grünen Augen nahmen Marcels ins Visier; doch kurz vor dem Ausbruch schloss Daimon die Augen und zählte im Stillen bis 10. „9…10… So, Marcel. Ich bin nicht Paranoid, ja? Ich kenne diese Scene nur w so gut wie meine Westtasche. Und glaub mir; abhängige Junkies können sich ÜBERALL ihren Stoff spritzen; Selbst auf der niegelnagelneuen Couch ihres Dealers“ „Wie recht du hast, Daimon. Es ist echt ekelig die abgebrochenen Nadeln meiner Kunden aus dem Stoff zuziehen…“ Daimon drehte sich mit einer Raschen Bewegung um. Tony war wieder da, und stand grinsend hinter ihm. „Erschrocken?“ fragte der Dealer und sein grinsen entpuppte sich als ein unkontrolliertes Mundwinkelzucken. Ein eiskalter Schatten verdunkelte Daimons Blick; selbstgefällig stemmte er die Hände in die Hüften und er richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Wenn du mich erschrocken hättest, würdest du nun mit einem Loch mehr im Gesicht auf dem Boden liegen“ sagte Daimon und seine Stimme klang schärfer als eine Rasierklinge. „Hast du nun mein Zeug?“ Wenn Daimon jemanden so ansah, wie grade Tony, hätte sich selbst ein junger Arnold Schwarzenegger vor Angst in die Hose gemacht. Der Dealer langte in seine Tasche und warf Daimon eine kleine Flasche in die Hand. „Da hast du den Scheiß…“ zischte Tony kühl. „Und jetzt schnapp dir deinen Kleinen und verpiss dich aus meiner Wohnung…“ „Besten Dank“ sagte Daimon und aus seinen Augen leuchtete der Wahnsinn. Die Atmosphäre im Raum knisterte. „Heute kommst du mir nochmal davon… aber das ist nur ein kleiner Aufschub, weil du mir heute Abend so brav gedient hast. Nächstes Mal, bist du dran“ Kichernd griff Daimon nach Marcels Hand und zog ihn aus dem Haus des Dealers. Marcel aber hatte einen schweren Schock erlitten. Mit kaltem Schweiß auf der Stirn stolperte er die Treppe hinunter und murmelte vor sich hin. Es hörte sich an, wie eine Ferse aus der Bibel. „Wir haben es geschafft!“ sagte Daimon erfreut als sie auf die Straße traten. Inzwischen war es dunkel geworden und die untergehe Sonne tauchte die Hausmauern in ein unheimliches, rotes Licht. „Ja… aber WIE?!“ schlotterte Marcel mit klapperden Zähnen. „Ach komm schon´! Jetzt freu dich doch mal für mich. Immerhin können wir jetzt Kuroro helfen!“ Marcel stutze kurz. Nach wie vielen Jahren hatte er seinen Bruder so glücklich gesehen? Für Daimon schien Kuroros Hilfe wirklich wichtig zu sein. Na, wenn jemand so mit Herzblut bei einer Sache war… Lächeln drückte Marcel Daimons Finger und strahlte den Rotschopf liebevoll an. „Das hast du Gut gemacht, Daimon! Ich bin stolz auf dich!“ Mit Schwung warf Daimon ihre beiden Hände in die Luft und erwiderte Marcels Lächeln. „Danke!“ rief er und sie verschwanden als gemeinsamer Schatten im Sonnenuntergang. Nach dem Marsch zurück durch das Dorf wurde Marcel plötzlich ruckartig nach hinten gerissen. Ein stechender Schmerz breitete sich von seiner Schulter bis hin in seinen Arm aus. Er verlor kurz das Gleichgewicht und wankte beim gehen. Sein Schulterblatt fühlte sich so an, als hätte es einen elektrischen Schlag von einem Schocker bekommen. „Autsch… Daimon?“ Marcel drehte sich um und sah, dass sein Bruder wie festgewurzelt auf der Stelle stand. Ihre Hände waren noch immer in einander verschränkt und daher wurde Marcel auch zum Halt gezwungen. Angesicht Daimons emotionsloser Miene und den weit aufgerissenen Augen, glitt Marcels Blick Resigniert seinem nach. Er musste den Kopf drehen und sah mit Schrecken hinüber zu dem letzten Haus der Beck Hole Rd. Zu ihrem Zuhause… Ihre Eingangstüre stand sperrangel weit offen und der robust Eichenrahmen der Türe war zu einem Häufchen Kohle verbrannt wurden. Im inneren des Hausflures klaffte ein riesiges Loch aus bloßer Finsternis und sah aus, als würde es das Tor zur Hölle ergeben. Die Brüder zogen erschrocken die Luft ein und klammerten sich an die Finger des anderen. Es verging eine Atemlosesekunde ehe Marcel sich von Daimons Hand los riss und einen Schritt nach vorne machte. „Die Türe! Überall Asche. Das kann nur ein Feuer gewesen sein… Ki-“ „KIM!“ dröhnte Daimon auch schon panisch. Sein muskulöser Körper glänzte bereits vor Schweiß, der in kleinen Rinnsalen über seine helle Haut rann und auf den Boden tropfte. „KILEY!!“ noch einmal rief Daimon nach seinem Zwilling und stürmte im nächsten Augenblick, mit der Geschwindigkeit einer Kanonenkugel auf den Eingang zu. Er holte aus, und versetzte ein paar abgebrochenden Holzlatten von der Haustüre einen tödlichen Schlag mit seiner Pranke, worauf hin sie knirschend und splitternd aus seinem Weg sprangen. „KIM! KIM, WO BIST DU!?!“ Daimon kniff die Augen etwas zusammen, um sie schneller an die vollkommene Dunkelheit im Flur zu gewöhnen. In kürzester Zeit konnte er die Garderobe und die Schränke im Haus erkennen; Sie waren zerstört und lagen verstreut auf dem Boden herum. Ein Geräusch aus der naheliegenden Küche ließ Daimon vom Chaos aufblicken. Sein Geruchsinn konnte nicht ausmachen, ob dieses Geräusch nun von seinem Bruder Kim kam, oder von jemand anderen. Die Luft stank viel zu sehr nach Schwefel und flirrte wie die Luft am Horizont, wenn es im Sommer zu heiß war. Daimon schluckte mit trockener Kehle; seine Pupille zog sich Schlangenhaft zusammen und die Regenbogenhaut seiner Augen färbte sich vor Zorn Rot-Gelb. Da hatte jemand ihr Haus beschädigt und hockte vielleicht nun blöd in der Küche rum… Auch wenn Daimon inzwischen gelernt hatte sich zu beherrschen gab es gewisse Situationen indem er sein mühevoll, gezügeltes Temperament nicht mehr unter Kontrolle hatte und die Wut schlagartig aus ihm raus Brach. Dies war solch ein gewisser Moment. Sein Rückte bebte vor Krämpfen geschüttelt und Daimon stieß einen Markerschütternden Schrei aus. Wieder rannte Daimon los und wirbelte die Asche vom Boden auf. Er peitsche alles was in die Sicht versperrte gnadenlos zur Seite, und die einzelnen Splitter zerbarsten an seiner Steinharten Haut wie brüchige Eierschalen. Er spuckte zähen Staub aus, der sich in seinem Mund gesammelt hatte und kam keuchend mit einer Hand am Türrahmen festhaltend zum Stehen und stierte mit wirrem Blick hinein. Leer. Nichts… Kein Kim, kein Fremder. Einfach Nichts! Niemand. „D… Daimon…“ krächzte es plötzlich aus der Dunkelheit. „Kim?!“ Daimon wirbelte herum und teilte mit einem letzten Schlag eine hartnäckige Asche-Staubwolke, die wie eine alles abschirmende Mauer den Körper seines Bruders verdeckte. Kim lag auf dem Ende der Treppe und reckte sich schwach im hereinfallenden Sonnenlicht. Eine rote Blutlasche hatte ihn von allen Seiten umzingelte und in Kims Brust klaffte eine tiefe Fleischwunde. Kein Laut drang über Daimons Lippen, während er auf seinem Zwilling zuging; er fiel auf die Knie und streckte die Arme nach den verwundeten Körper seines Liebsten aus. Nein! Nein! NEIN!! Alle, nur Kim nicht! hallte es wie eine Endlosschleife durch seinen vernebelten Kopf. Daimons Augen füllten sich mit Tränen als er Kims Leblos erscheinendes Gesicht feste an seine zitternde Brust drückte. Dann riss er seinen Kopf in den Nacken und schrie alles Entsetzen, welches ihn in diesem Moment zu zerreißen drohte, in die klare Finsternis des Hauses. Kapitel 13: Wie Spuren im Sand; Die Jagt beginnt! ------------------------------------------------- Es war, als wäre eine Alptraum zur Realität geworden. Daimon hatte das Gefühl in schwarzes, eiskaltes Wasser zu fallen und er versuchte verzweifelt nach Luft zu schnappen. Aber nur die eisige Flüssigkeit füllte seinen Mund, und nicht der lebensrettender Sauerstoff. Er bekam keine Luft; In Daimons Kehle steckte ein kaltes Schwert aus Schmerz. Winzige Nadeln wühlen sich durch sein Inneres und scheinen jedes einzelne Lungenbläschen zu zerstechen. Luft! Seine Zellen verlangen wütend nach Sauerstoff. Doch die bekamen sie nicht. Daimon Schrie einfach weiter… „Verdammt! Daimon…?“ Die kraftlose Stimme von Kim brachte Daimon schließlich zum Schweigen, und er senkte den Kopf nach seinem verzweifelten Schrei wieder zu seinem Bruder zurück. Ein dicker Kloß breitete sich in seinem Hals aus und drohte für einen Moment ihn zu ersticken. „J-Ja…?“ „Brüll nicht so rum, ich bin noch nicht Tod! Außerdem zerquetschst du mich!“, sagte Kim und ein sanftes, aber warnendes Fauchen entwich seinen Blutgetränken Lippen. „Nein…? Du Lebst?“, fragte Daimon krächzend, mit großen Augen. „Nein, ich bin nicht Tod und Ja, ich lebe! Und jetzt helf mir mal hoch, ich lieg hier schon seit Stunden rum und kann mich nicht bewegen. Mein Rücken! Der bringt mich noch um!“ Unter Daimons starren Blick richtete Kim seinen Oberkörper ein stückweit auf und hustete erstmals ein paar Bröckchen geronnenes Blut auf den Teppich. Angewidert putze er sich kurz über seinen Mund und sah dann zu Daimon rüber. „Geht’s dir nicht gut?“, fragte Kim scheinheilig. Daimons Gesichtszüge verhärten sich und er ballte seine Finger um Kims Schulter zur Faust. Zornig riss er die Hand dort weg und schlug sie Kraftvoll auf den Boden. „KIM!“, knurrte er. „Was ist passiert?! Warum siehst es hier drin aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte und warum liegst du Arschloch, wie ein sterbender in der Gegend rum?! Scheiße, ich dachte du wärst TOD!“ „Ja ja, jetzt komm mal runter!“, sagte Kim nüchtern. „Ich hatte Besuch von einer jungen Dame im blauen Matrosenkleid. Die Kleine hat dieses Chaos angerichtet und mich verletzt…“ Vorsichtig berührte er die rote Wunde auf seiner Brust; allerdings war dies gar keine Wunde mehr, sondern sie sah durch die blutverschmierten Wollfetzen seines Pullovers einfach nur wie eine aus. Kims Dämonenblut hätte die Wunde nämlich schon längst geheilt und verschlossen. „Ich vermute stark, dass die Kleine mit den blauen Haaren ein Mitglied von Nemesis war. Ansonsten kann ich mir nicht erklären, warum sie mich angegriffen hat. Ich habe sie noch nie zuvor gesehen. Allerdings war das Mädchen noch sehr jung, ich schätze sie sogar noch jünger ein, als Marcel. Und sie roh auch gar nicht wie ein Dämon. Sie sah wirklich total menschlich aus… Jedenfalls stand sie gegen Mittag plötzlich vor der Türe und klingelte wie eine Irre. Ich riss die Türe auf und blaffte sie an, aber die kleine Göre lachte mich einfach nur aus. Jedoch klang es nicht wie ein gewöhnliches Kinderlachen; es war wie das höhnische Gelächter aus einer anderen Welt. Ehe ich mich versah stand die ganze Türe in Flammen und die Garderobe dazu. Das blauhaarige Mädchen hob die Hand und formte mit ihren Fingern eine Pistole. Sie starrte mir Ausdrucklos in die Augen und richtete ihre kleinen, Fingerchen dann auf mich. Das Mädchen war mit einer emotionslosen Ruhe erfüllt, die ich sonst nur von Profikiller aus dem Fernsehen kenne. Kleine Flammen züngelten an ihren Haaren auf, ohne dass sie diese verbrannten. „Ich werde dich jetzt töten!“, sagte sie heiter, mit heller Stimme und lächelte breit. Die kleinen Funken um ihr herum schwollen rasch an und verdreifachten ihr Volumen. Instinktiv wusste ich dass die Kleine Ernst machte. Vor Schreck biss ich meine Zähne so hart zusammen, dass ich dachte, mir eigenhändig den Kiefer zu brechen. Ich sah, dass der Körper des zierlichen Mädchens den rot-weißen Flammen nicht länger Einhalt gebieten konnte, und die Funken nur so aus ihrer Haut sprühten. „STIRB STONE FACE!“, brüllte sie, bevor sich die lodernden Flammen wie ein Ring um ihre Ausgestreckten Finger winkelten. Dann bündelte sich dieser Feuerring zu einem kleinen Punkt und im nächsten Moment schoss ein glühender Lichtstrahl mit mehr als 1000 km/h unter meinen Arm hindurch und traf mich mitten in die Brust. Das war vielleicht ein Rumms, Daimon!“ Kim riss seine Augen weit auf, und formte Lippen zu seinem >O< „Ich dachte schon, dass wäre mein Ende aber hey, Laserstrahl hin und her; er bestand nun mal aus Feuer und ich bin als Stone Face immun gegen dieses Element. Das Loch in der Brust tat zwar schon höllisch weh, aber ich bin immerhin nicht abgekratzt. Aber zum Glück habe ich mich nicht Kampflos geschlagen gegeben. Bevor ich ohnmächtig wurde, ließ ich der Kleinen nochmal so richtig meine Krallen Spüren; Eigentlich wollte ich ihr ja die verfickte Kehle aufschlitzen, aber die verfehlte ich leider und so zerfetzte ich ihr nur den Brustkorb. Naja, wenn wir Glück haben kratzt sie an der Verletzung ab, und wenn nicht, wird sie zu mindestens tierische Schmerzen ertragen müssen.“ Während sich Kim endgültig aufsetzte, klappte Daimon vor Schreck die Kinnlade runter. „Du… Du hast um Haaresbreite ins Gras gebissen und reißt jetzt noch sadistische Witze? Gestern Abend hast du noch ganz anderes über diese Truppe gedacht.“ „Ja soll ich den heulen?“, fragte Kim höhnisch und zog die schön geformten Augenbrauen hoch. „Immerhin haben wir jetzt eine leise Ahnung mit wem wir es zu tun haben. Auch wenn das Mädchen die Macht hat Feuer heraufzubeschwören, ändert das nichts an der Tatsache, dass sie NUR ein Kind ist. Ein Menschenkind. Sie sind so instabil und Manipulierbar, wie weiß sonst was. Und wer ein kleines Menschenmädchen in der Gruppe auf nimmt, kann unmöglich bei klarem Verstand sein. Wo wir grade über Kinder reden; Hast du übrigens Marcel gefunden?“, Daimon nickte kurz. „Ja… ähm…“ „Nichts Ähm, wo ist er?“ „Draußen…? Irgendwie habe ich ihn total vergessen…“ „Bist du ein Idiot?! Du kannst ihn doch nicht draußen vor der Türe stehen lassen! Da könnte irgendwo immer noch dieses verrückte Flammenmädchen rum springen! Geh ihn sofort reinholen!!“ Kim lief zur alten Hochform auf und plärrte wie ein Waschweib. Zickig schlug er Daimons Hand beiseite, die ihn immer noch fest umklammert hielt. „Ist ja schon okay, jetzt reg dich mal ab du Zicke! Au, schlag mich nicht…!“, rief Daimon und hob abwehrend die Arme um Kims scharfen Krallen einhalt zugebieten. „Erst halb Tod, und dann wieder wild wie eine Tarantel!“ „Halt dein freches Maul!“, rief Kim erst, sah seinen Bruder dann aber aus geröteten Augen an. Er merkte, wie trocken seine Kehle war. Langsam hob er die Hand und legte sie auf seinen Hals ab. „Bevor du Marcel rein holst sag mir, ob wir noch was zu Essen im Keller haben“ „Du hast Hunger nachdem du so viel Blutverloren hast, hmm?“ Kim nickte und spürte jetzt wie sein Mund in Flammen aufging. Seine Augen wurden glasig und er musste den Blick aus Scham von Daimons Gesicht abwenden. „Und das nicht grade wenig…“, flüstere Kim mit rauer, schlangenhafter Stimme. „Okay, warte hier oben auf mich. Es wäre besser, wenn du dich in deinem Zustand nicht allzu viel bewegst.“ Noch einmal nickte Kim. Für einen winzigen Moment riss die Wolkendecke am Himmel auf und die letzten Strahlen der Sonnen fielen auf seine animalisch glänzenden Augen. „Ist Gut Daimon…“ „Marcel? Noch alles klar da draußen?“, rief Daimon und ging auf den Blondschopf zu. Zuvor hatte er Kim die Blutkonserve in die zittrigen Hände gedrückt und sich versichert, dass dieser seine Triebe unter Kontrolle hatte. Marcel sah mit großen Augen zu ihm hoch. Sie glänzten, und die Kälte die sie ausstrahlten, übertrafen in diesem Augenblick selbst die wütenden Flammen die vor wenigen Stunden an ihrem Haus naschten. „Was hast du?“, fragte Daimon besorgt. Sein Atem stockte. Aber Marcel schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht genau. Ich habe dich schreien gehört und dann…“, sein Körper zitterte leicht im Wind. Ein erstickendes Gefühl der Hilflosigkeit bereitet sich in seinem inneren aus. Nur sein Herz war warm, erschreckend warm. Beinahe Heiß. „…spürte ich einen entsetzlichen Schmerz in der Brust. Es fühlte sich an, als ob mein Herz zerspringen würde. Was ist mit Kuroro… und was ist mit Kim?“ „Ihnen geht es soweit Gut. Aber Kim wurde jetzt auch von einem Nemesis-Mitglied angegriffen. Glücklicherweise hat es ihn nicht so krass erwischt, wie Kuroro gestern“ „Was?“, rief Marcel erschrocken. Die kühlerwerdende Abendluft schlug ihm kalt ins Gesicht. „Sie waren hier, in unserem Haus!?“ „Jetzt bleib mal locker.“, murmelte Daimon. Mit einem tiefen, besorgten Seufzen berichtete er von Kims Erlebnis und führte Marcel dann in die Küche. „… ein Kind sagst du, und sie schien jünger als ich?“ „Ja… aber das muss nichts heißen, auch wenn Kim das vielleicht anders sieht. Ich kann nicht glauben, dass das Kind nur ein einfacher Mensch gewesen sein soll. Diese Fähigkeiten, und vor allem dieser Laserstrahl kann nicht das Werk eines Menschenmädchens sein! Ich vermute eher, dass sie eine Dämonin ist. Und dann ist das Aussehen sowieso nicht mehr von Bedeutung.“ Er spürte Marcels fragenden Blick im Nacken und erklärte weiter. „Bei uns Dämonen entwickelt sich der Körper individuell anders als bei euch Menschen. Wir sind zwar um einiges Stärker und schneller als ihr, dafür wachsen wir aber auch erheblich langsamer. Die Entwickelung bei uns Stone Face ist sogar noch viel langsamer; unsere Haut ist so hart und unflexibel das sie sich nur sehr schwer dehnt. Im Alter von 10 Jahren sah Kim noch aus wie ein 6-Jähriges Kind. Demnach ist das Aussehen und Alter des Mädchens egal. Wenn sie wirklich ein Dämonenkind ist, dann kann sie jetzt schon über enorme Kräfte verfügen.“ „Wie ein 6-Jähriges Kind …?! Jetzt Spuck hier mal nicht so große Töne; vor wenigen Monaten sah du auch noch aus, wie ein normaler Teenager!“, giftete Kim der alles mit angehört hatte und verärgert die leer getrunkene Blutkonserve auf den Tisch knallte. „Ja und? Dafür bin ich jetzt größer und stärker als du. Tzz, und du willst der Ältere von uns beiden sein?!“ Aus dem Küchenschrank holte Daimon eine Flasche und goss eine klare Flüssigkeit in ein kleines Glas. Er kippte den Inhalt die Kehle runter und goss nochmal nach. „Bekämpfst du deinen Frust jetzt schon mit Alkohol?“, zischte Kim kühl und abwerten in seine Richtung. „Nur blöd, das dass unsere Probleme kein bisschen löst…!“ „Wasser hilft uns aber auch nicht… Und dazu schmeckt es noch beschissen“ „Aber musst du das ausgerechnet vor Marcels Augen machen?! Wenn er sich das von dir abguckt, bist du schuld!“ Kim schaute zu Marcel und seine Augen verengten sich zu schlitzen. „Das Zeug rührst du nicht an! Das ist Schnaps und nicht für dich Blondie!“ „Das brauchst du mir nicht erst zu sagen, danke; aber weiß ich selber…!“, murmelte Marcel und erntete prompt einen zweiten, tödlichen Blick. „Sollen wir Kuroro jetzt mal langsam seine >Medizin< geben?“ „Ach ja!“, rief Daimon eiskalt erwischt, schlug seine Hand vor die Stirn und stellte die Schnapsflasche und das Glas weg. „Kim und ich haben ihn gestern Abend nach Oben in die dritte Etage getragen. Es ist ja besser für ihn wenn er einen ruhigen Ort zum erholen hat. Gibt’s denn was Neues von ihm, Kimi-Maus?“ Dieser runzelte kurz die Stirn, bevor ein kleines Lächeln seine düsterte Miene erhellte. „Kimi-Maus sagt, Nein! Aber seine Verletzungen heilen bereits ab. Das ist ein gutes Zeichen.“ „Na hoffentlich guckst du gleich nicht genau so verstört, wie gestern.“, flüsterte Daimon mit spitzen Lippen nachdem er und Marcel in die dritte Wohnetage hochgestiegen war. Er klopfte sanft gegen das Holz. In seiner anderen Hand ruhte eine Spritze, in deren inneren sich eine Ladung des Schmerzmittels befand. Grrr-Grrr…! Kam es grollend aus dem Zimmer. Es begann hoch und wurde immer tiefer, ging durch Marcels Körper und jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Wie versteinert verharrte er und hielt die Luft an. „Wa-Warum… macht Kuroro solche… Geräusche?!“ „Hmm. Keine Ahnung… Gehen wir einfach mal rein, und fragen nach.“ Langsam öffnete Daimon die Türe und steckte seinen Kopf durch den schmalen Spalt. „Hey Kuroro… wir sind es nur!“ Das Knurren verstummte und ein rotes, dämonisches Auge glitzerte stattdessen Angriffslustig in der Dunkelheit. „Du bist wieder da. Gut. Vorhin habe ich Schreie aus der Diele gehört, und ich habe Feuer und Blut gerochen… Ist mit Kim alles in Ordnung?“, Kuroros krächzende Stimme klang dünn und geschwächt. „Kim ist okay.“ antwortete Daimon und öffnete die Türe soweit, dass Marcel hindurch passte. „Hallo Kuroro.“ sagte der Kleine etwas schüchtern und wagte es kaum, einen Blick auf den Werwolf zuwerfen. „Hey Puppe…“ Nachdem hohen klang der Stimme zu urteilen, vermutete Marcel, dass Kuroro lächelte. Sich in Sicherheit wiegend hob er den Kopf und schaute zu dem alten Bett rüber und schon im nächsten Augenblick, gefror sein Lächeln zu einer steinernen Maske. In dem Bett lag eine Mumie! Eine echte Werwolf-Mumie! Dicke Schweißperlen rannten von Marcels Stirn herab und hinterließen ein brennendes Gefühl auf der Haut. Das Ding das da im Bett lag, erinnerte nicht mal mehr im Entferntesten an ein menschliches Wesen…! Geplatzte Adern quollen durch die weiße Netzhaut von Kuroros sichtbarem Auge, bildeten rote Flüsse und münden in der spitz zulaufenden Pupille. Der Rest des Körpers war in weißen Mullbinden gewickelte und sah unter dem dicken Verband absolut unnatürlich aus. Marcel wandte schaudernd den Blick ab. Er wollte nicht Taktlos sein; er wollte nicht, das Kuroro das blanke entsetzten von seinem Gesicht ablas. „Wie geht es dir? Hast du starke Schmerzen?“, fragte er leise und knetete nervös seine Finger. „Ach, was soll ich sagen? Ich fühle mich wie ein Brathähnchen in der Rohre…“ Der Witz prallte wirkungslos von Marcel ab, und der Werwolf seufzte leise. Na gut, das war ein blöder, makaberer Witz gewesen… Aber immerhin, ein Aufmunterungsversuch! Die Luft war schwer. Dickflüssig waberte sie im Raum umher. Marcel schlucke, versuche seine Gedanken nicht auf die entsetzlichen Bilder in seinem Kopf zu konzentrieren. Oder etwa auf dem Geruch von verbrannten Menschenfleisch im Zimmer. Marcel spürte den Herzschlag in jeder Zelle seines Körpers, der Schlag hallt immer lauter und unregelmäßiger in seinem Gedanken wieder. Alles drehte sich… Blut, Wunden, verbranntes Fleisch, Löcher in Brustkörben, Feuer. Das Karussell des Entsetzens drehte sich immer schneller. Plötzlich spürte Marcel wieder wie diese sonderbare und reine Kraft in seinem Innen auf steig. Sie umschlang sein aus dem Takt geratenes Herz und spornte es nur noch mehr an. Daimon bemerkte die Angst seines Bruders und tätschelte Hilflos seine Schulter. „Das ist ein bisschen viel für dich, oder?“, fragte er sanft. Der kleine Körper unter seiner Hand wankte bedenklich. Irgendwas stimmt nicht. Oho, was war kein gutes Zeichen… Marcel taumelte und versuchte sein Gleichgewicht wieder zu finden. In der Hoffnung sie würde ihn festhallten, stemmte Marcel sein Gewicht gegen Daimons Hand. „Hey Hey Marcel! Du bist nicht der Verletzte, also mach keinen Scheiß!“ Rasch ging Daimon ein Stück in die Knie und stütze Marcel nun mit seinem ganzen Arm. „Alter, jetzt reiß dich mal ein bisschen zusammen! Mensch!“ „Ich weiß, aber mir ist so verdammt schlecht… ich glaube, ich muss gleich -“ „Nicht Kotzen!“, mahnte Daimon. „Bitte nicht vor meinen Augen…“, jammerte Kuroro leise im Hintergrund. „Ich versuch es… “ Marcel drückte sich kraftlos an Daimons Körper, suchte seine beschützende Wärme und Stärke. Er war benommen und fühlte sich seltsam leer. Marcel spürte weder Boden noch Zeit; er Flog… BAM!! An der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit war Marcels Körper in sanfte Wärme gehüllt. Aber seine Rippen schmerzten und jeder tiefe Atemzug fühlte sich an, wie ein brutaler Messerstich. Seine Augenlider waren verklebt und schwer. Nur mit Mühe konnte er die beiden öffnen, und erblickte rote Fäden, die augenblicklich in sein Sichtfeld fielen. „Guck mal, unser kleiner Held wird wach!“ „Sei Still, Daimon…“ Schwarze Fäden verdrängten die Roten und langsam erschien Kims engelgleiches Antlitz aus der Dunkelheit. Seine Stirn war vor Anstrengung leicht gefurcht. Die Augen sahen müde und besorgt aus. „Hallo…“, krächzte Marcel mit trockener Kehle und versuchte ein kleines Lächeln auf seinen Mund zu zaubern. Sein Kopf lag in Kims Schoss und eine Hand streichelte sanft über sein blondes Haar. Vorsichtig drehte Marcel den Kopf, um festzustellen, wo er sich befand. Doch diese Bewegung verursachte nur einen scheußlichen Scherz. Marcel seufzte kurz, verfluchte die Kopfschmerzen und genoss die ungewohnte Liebkosung. „Seit ihr bald fertig?“, kommentierte Daimon genervt und zwirbelte eine rote Haarsträhne zwischen seinen Fingerspitzen. „Erzähl ihm mal, von unserer - ich meine- von DEINER Idee…“ Zurzeit befanden sich die drei Brüder in Jeremys Schlafzimmer. Denn demolierten Eingangsbereich hatten sie mit einem schweren Eichenschrank verschlossen, und gleich morgen würden die Zwillinge in den Baumarkt fahren und eine neue Haustüre kaufen. Aber bis dahin, musste der Eichenschrank genügen… Daimon saß mit angezogenen Beinen auf dem Boden und lehnte gegen die geschlossene Zimmertüre. Sein Atem roch unangenehm nach Alkohol und Nikotin. Neben ihm stand die Schnapsflasche von vorhin; Mittlerweile war sie bis zur Hälfte geleert worden, und der Rest würde die kommende Nacht auch nicht überleben. Kim dagegen saß auf dem großen Bett und streichelt liebevoll Marcels Kopf, der nach wie vor auf seinen Oberschenkeln ruhte. Daimon stöhnte nochmal entnervt, als er auf seinen Vorschlag hin keine Reaktion bekam und wollte schon einen weiteren Schluck des alkoholhaltigen Getränks zu sich nehmen, als er bemerkte, dass das kleine Glas wieder leer war… Er kaute leicht nervös auf seinem Lippenpiecring herum und schüttete mit zitternden Fingern noch mehr Schnaps nach. „Wie viel willst du eigentlich noch trinken?“ Kam es plötzlich vom Bett aus, und Kims kalter Blick streifte Daimon kurz. „Brüderchen, entwickelst du langsam wieder ein Sucht-Problem?“ Es war keine Frage, sondern mehr eine rhetorische Feststellung. Doch Daimon schwieg sich aus und zog seine Beine noch mehr an, eine Schutzhaltung entstand. „Ach, lass mich doch zufrieden.“ Ungerührt zuckte Kim mit den Schultern. „Wie du willst. Aber wenn du eingeschlafen bist, schnappe ich mir die Flasche und schütte den gesamten Inhalt sofort ins Spülbecken“ Diese Drohung war nicht so daher gesagt, sondern ernst gemeint. Geschockt riss Daimon die Augen auf und klammerte sich wie ein kleines Kind an die Schnapsflasche. „Rühr sie nicht an…!“ „Ist ja bloß deine Leber…“ „Eben! Außerdem bin ich ein Dämon und mein Körper verträgt viel mehr, als der schwächliche Körper von normalen Menschen!“ „Richtig, aber nur für den Moment. Auf die Dauer ist das was du tust, auch nicht grade Gesundheitsfördernd… Wusstest du schon, dass ein 1 Liter Bier pro Tag das Risiko für Krebs der Mundschleimhaut, des Kehlkopfes und der Speiseröhre um ein vielfaches steigern kann? Insbesondere wenn man so stark Raucht, wie du es tust. Selbst eine geringe Menge an Alkohol steigert den allgemeinen Blutdruck. Und ein erhöhter Blutdruck ist wiederrum ein Risikofaktor für Schlaganfälle. Außerdem schießen deine Blutfette durch das süße Gift in die Höhe und führt wegen des hohen Kaloriengehalts, zu Übergewicht. Damit sind Herz- und Kreislaufkomplikation geradezu vorprogrammiert. Arteriosklerose, Herzinsuffizienz, Netzhautschäden, Koronare Herzkrankheit, arterielle Durchblutungsstörung, Herzinfarkt oder Niereninsuffizienz …! Such dir was aus! Die Welt der Krankheiten steht dir damit offen!“ Kim schnalzte kurz mit der Zunge und hob abwerten seine Augenbrauen an. Hier sprach der Mediziner deutlich aus ihm heraus. Das hatte gesessen. Ein tiefes Grollen entwich seinem Mund und Daimon schob entschlossen die Schnapsflasche zur Seite. Seine Sportliche Karriere war ihm wichtig, und er wollte seinen Körper nicht an den Alkohol verkaufen. Kims Erläuterung langte ihm. Das Gesicht zu einem triumphierenden Grinsen verzogen lenkte Kim seine Aufmerksamkeit wieder auf das jüngste Familienmitglied im Raum. Mit schief gelegtem Kopf schaute er Marcel an und streichelte dessen Haar unbeirrt weiter. „Als du vorhin bewusstlos warst, haben Daimon und ich mir Gedanken gemacht. Gedanken um unsere Zukunft… und Gedanken um deine Sicherheit.“, sagte Kim ernst. „Ich will gar nicht wissen was passiert, wenn dieses irre Mädchen nochmal zurück kommt und dich im Haus findet. Sie wird dich ganz klar verletzten. Und dieses Risiko können wir nicht eingehen, Marcel. Du bist das schwächste Glied in der Kette, und du kannst dich nicht gegen dieses Wesen verteidigen. Daimon und ich sind nicht immer da; wir können dich nicht rum um die Uhr bewachen und beschützen. Wir… Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass wir von hier weg gehen. Es ist das sicherste wenn wir in die Stadt ziehen, wo viele Menschen leben und die kleine Blauhaarige-Lasertussi uns nicht aus heitern Himmel angreifen kann.“ Er nahm Marcels Finger in die Hand und drückte diese sanft. „Ich lasse es nicht zu, dass jemand Größenwahnsinnes unsere Familie terrorisiert. Wir zwei, Du und Ich, wir suchen uns vorübergehend eine Wohnung in Thirsk und Daimon bleibt hier und bewacht das Haus. Außerdem muss sich jemand um Kuroro und um seine Verbrennungen kümmern. Schließlich können wir ihn nicht einfach in die Stadt mitnehmen. Seine Verletzungen sind so schwer, dass jede noch so kleine Lebensumgestaltung seinen Gesundheitszustand rapide verschlechtern kann. Deshalb muss Kuroro hier bleiben, und als Werwolf fühlt er sich in seinem eigenen Revier sowieso am wohlsten.“ Marcel sah Kim nur verständnislos an, und richtete seinen Oberkörper ruckartig auf. Ein Blitz schoss durch seinen Kopf und Marcel ließ sich mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder nach hinten fallen. Er stöhnte leise und presste seine Hand flach gegen die Schädeldecke. „War das eine Halluzination oder hast du grade wirklich gesagt, dass wir in die Stadt umziehen werden?“ Mit ernster Miene nickt Kim und drückte Marcels Hand fester. „Es ist das Beste… Ich weiß, dass dir der Umzug nicht gefällt, aber ab hier muss ich die Verantwortung für uns 3 -plus Kuroro - übernehmen. Tut mir leid, Marcel.“ Am nächsten Tag ging es Rund. Schon in den frühen Morgenstunden klemmte sich Kim hinter das Internet und beschlagnahmte für volle 4 Stunden das Telefon. Er rief mehrere Vermieter in Thirsk an und ließ seinen unwiderstehlichen Charme spielen. Er schleimte, feilschte, meckerte, diskutierte, prüfte und verglich… Kim schien der geborene Geschäftsmann zu sein: Er ging in seiner Arbeit auf, wie ein fetter Hefekloß. In der Zwischenzeit saß Marcel in der 3 Etage und leistete dem verletzten Werwolf Gesellschaft. Er holte tief Luft und schnaufte verzweifelt. Er wusste gar nicht, was er nun tun sollte. Bis jetzt war er noch nie Umgezogen und er fühlte sich wohl in seiner vertrauten Umgebung. Nein, der Umzug ging Marcel entscheidend gegen den Strich. Die Nemesis raubten ihm wirklich den letzten Nerv! „Warum bist du so Niedergeschlagen?“, wollte Kuroro wissen nachdem er Marcel eine Zeitlang beobachtet hatte. Mit jedem neuen Tag ging es ihm besser und die Verbrennungen saßen heute nur noch halb so schlimm aus. Da Kuroro ein Dämon war und kein Mensch verlief der Wundheilungsprozess bei ihm sehr viel schneller. Und trotzdem hatte Kim ihm strikte Bettruhe verordnet. Kuroro lehnte sich in seinem Bett ein Stück nach vorne, dankbar für die kleine Abwechslung. Das ständige Liegen strapazierte seinen Rücken, und die weiche Matratze unter seinem Hintern war ihm sowieso nicht geheuer… „Ach ich weiß nicht, Kuroro. Ich will hier nicht weg! Das ist mein Zuhause.“ Kuroro hörte einige keuchende Laute, dann herrschte wieder Stille. Marcel knibbelte an seinem Sitzpolster und starrte grimmig Löcher in den Boden. „Ich weiß dass ich mich wie ein Kleinkind aufführe, und ich weiß auch dass ein Umzug in die Stadt die sicherste Option wäre, aber… Verdammt! Kim und Daimon können doch nicht immer über meinen Kopf hinweg entscheiden! Das Ärgert mich. Warum fragen sie mich nie nach meiner Meinung? Bin ich denen etwa zu Blöd? Oder zu Jung?!“ Kuroro legte den Arm um Marcels Schulter, so sanft das dieser dies gar nicht bemerkte. „Jetzt sei doch mal vernünftig, Puppe! Denn Zwillinge qualmt der Schädel; sie sind doch selber total überfordert mit der Situation und handeln so, wie sie es für Richtig halten. Nimm es dir nicht so zu Herzen das sie dich ein bisschen ausschließen. Es muss jetzt eben schnell gehen. Und da können sie keine oder kaum Rücksicht auf deine Gefühle nehmen. Außerdem meine ich mich daran zu erinnern, das du und Kim nicht für immer Auszieht, sondern nur für so solange bis wir diese Nemesis-Typen gefangen haben. Das kannst du doch aushalten, oder?“ „Und was ist mit Daimon?“, fragte Marcel kleinlaut. „Ich habe ein ungutes Gefühl wenn wir ihn alleine zurücklassen. Das Mädchen wird ihm sicher genau so überwältigen, wie dich und Kim! Sie ist stark und sie kann Laserstrahlen abschießen! Ich will nicht, dass noch jemand verletzt wird! Beim nächsten Angriff wird sie energischer durchgreifen, da sie nun weiß, wie wiederstandfähig die Stone Face sind.“ Auf die Frage hin wusste Kuroro auch keine Antwort und ihm blieb nichts anderes übrig, als Marcel mit traurigem Gesichtsausdruck in seinem Arm zu wiegen. Nach einigen Minuten des Schweigens, brach Kuroro diese Stille dann und sagte entschlossen: „Wir schaffen das, Marcel… Du musste nur an uns Glauben!“ Marcel biss sich auf die Unterlippe und schwieg. Auf seiner Stirn wölbte sich eine kleine Sorgenfalte und in seinem zierlichen Gesicht, sah das übertrieben melodramatisch aus. Er wollte Kuroro ja glauben. Wirklich! Aber Marcel musste sich nur wieder die Bilder von dem zerstörten Wohnflur oder von Kuroros zerrissenen, fleischig roten Körper ins Gedächtnis rufen, und schon zersplitterte sein Glaube in tausend Scherben. Er zitterte und fuhr sich mit den Fingerspitzen durch die Haare. „Ich gehe nur mit Kim mit, wenn du mir versprichst, dass du sofort jemand bestimmtes anrufst wenn dieses Mädchen wieder kommt“ Kuroro nickte hastig, schaute Marcel aber verwirrt an. „Wenn denn?“, gelangt es ihm dann endlich zu fragen. Schnell zog Marcel ein Taschentuch aus seiner Hosentaschen und kritzelte mit einem schwarzen Kajalstift eine Handynummer auf das Tuch. Er reiche dem Werwolf das kleine Papier und schaute ihm dabei feste in die rot glühenden Augen. In der Stunde der Not kamen einem die seltsamsten Sachen in den Sinn…. „Das ist die Handynummer von… Dylans Vater. Er hat mich Vorgestern Nachhause gefahren und mir seine Nummer zugesteckt. Wenn etwas Schlimmes passiert, soll ich ihm sofort anrufen. Naja, und da du mein Freund bist, und Daimon mein Bruder wird er sicher auch euch helfen kommen. Er ist…!“ Marcel stockte für einen Moment und schüttelte dann den Kopf. Schließlich wusste er nicht, ob Kuroro und die Zwillinge schon von Mephistos wahrer Identität wussten und wie sie darauf reagieren würden, wenn sie erfuhren dass Marcel mit dem Herrscher der Unterwelt befreundet war. „Er ist manchmal sehr Schräk und anstrengend, aber ihm Ernstfall kann man sich Blind auf ihn verlassen.“ Eine Weile schaute ihn Kuroro stumm an. Marcel könnte beinahe sehen, wie sehr es in seinem Oberstübchen qualmte; Er wusste genau wie Stolz der Werwolf war, und wie schwer es ihm fiel fremde Hilfe anzunehmen. Ein wütendes Rasseln ertönte aus Kuroros halb geöffneten Mund. Er bemerkte kaum, wie Marcel angstvoll zurück Schreckte. Einen Moment lang wollte er sich weigern. Doch dann… wenn er Marcel sein Wort gab, würde Kuroro den Zwillingen einen großen Gefallen tun und dafür sorgen, dass sich wenigstes der jüngste der Geschwister in Sicherheit befand. „Na gut…“, seufzte Kuroro und steckte das beschriftete Taschentuch sorgsam unter sein Kopfkissen. „Wenn sich diese kleine Göre nochmal blicken lässt, rufe ich Dylans Vater an. Der Albino-Junge ist ein Dämon, dann ist sein Dad auch einer?“ „Ja.“, bestätigte Marcel im ernsten Tonfall, sagte aber sonst kein weiteres Wort dazu und blickte aus dem Fenster. Die Sonne stand hoch am Himmel und kleine Schäfchenwolken zogen am Horizont vorbei. Der herbe Duft der Tannen wehte sanft vom Wald her, in das Zimmer. Das friedliche Bild beruhigte Marcel irgendwie. Er schloss die Augen. Er hörte auf das Schlagen seinen Herzens, dem Rauschen des Windes der an den Vorhängen zog und auf seinem leisen Atem. Einige Minuten er einfach nur so da und bewegte sich keinen Millimeter. Ja, das war die richtige Entscheidung gewesen; Anstatt ihn würde Mephisto, Kuroro und Daimon mit seinen Kräften beschützen… oder? Ein eigenartiges Kratzen bereitete sich in seinem Hals aus. Schnell ging Marcel zu dem geöffneten Fenster und zog die Vorhänge nur Seite. Helles, warmes Sonnenlicht ergoss sich augenblicklich in das abgedunkelte Schlafzimmer. Die Wiese hinter dem Haus lag verlassen da und der Wind spielte mit den welken Blättern im Garten. Er drehte den Kopf nach hinten und grinste Kuroro etwas verlegen an. Das grinsten wirkte Maskenhaft und emotionslos. „… damit du mir hier drinnen nicht eingehst!“ Plötzlich machte Marcel eine schnelle Bewegung und zog Kuroros Hand zu sich. Er presste die gebräunten Finger an seine Lippen und küsste sie sanft. Ein heiserer Laut kroch aus seinem Mund. „Ich weiß dass wir uns noch nicht solange kennen, Kuroro. Aber ich danke dir für Alles! Bitte pass auf Daimon auf, während wir weg; manchmal lässt er sich zu den Verrücktesten Sachen verleiten!“ Marcel spürte wie seine Gesichtszüge entgleisten und sah Kuroro aufmerksam werden. Der Werwolf sagte ruhig; „Danke, Marcel. Ich werde mein bestes geben.“ Mit einem Anflug von Tränen in den Augen ließ Marcel Kuroros Hand zurück auf die Matratze sinken, und rannte aus dem Raum. Er trocknete mit der linken Hand seine Tränen und öffnete mit der Rechten die Türe zu seinem Schlafzimmer. Immer wieder schlichen sich leise Klagelaute aus seinem Mund, und ließen ihm am ganzen Körper erbeben. Marcel setzte sich auf sein Bett und wischte die letzten Tropfen aus seinem Gesicht. Jetzt zitterte er nur noch, und das war schlimmer als diese ganze, elende Heulerei. Also schnappte er sich sein Kissen, drückte es vor seinen Mund und schrie, wie noch nie in seinem Leben. Im inneren seines Körpers brach heiß eine Lichtquelle auf und der Fußboden kam ihm mit atemberaubender Geschwindigkeit entgegen. Von irgendwo her, aus weiter Ferne, kam ein regelmäßiges Piepen. Es drang in Marcels Bewusstsein ein und wurde immer lauter. Der Boden unter Marcels Bauch fühlte sich irgendwie fremd an. Er war furchtbar hart und unbequem, ganz anderes als sein weiches Bett… Langsam öffnete er die Augen und wartete auf das warme Energiegefühl, dass sich noch vor wenigen Sekunden über seinem Herzen ausgebreitet hatte. Als sich nach einer Minute nichts in seinem Inneren regte, drückte Marcel seinen Rücken durch und stemmte sein Gewicht auf die Unterarme. Er schnaubte leise, und blendete das nervtötende Klingeln in seinen Ohren aus. Schon wieder hatte ihn die diese lähmende Gefühl überrannt, und so langsam glaubte Marcel dass seine Fantasie ihm einen bösen Streich spielte. Etwas war nicht in Ordnung mit seinem Körper, aber zu diesem Zeitpunkt konnte Marcel dieses sonderbare Gefühl noch nicht deuten. Langsam nahm seine Umgebung Konturen an. Er lag auf dem Boden in seinem Zimmer. Die Staubwuseln in seinem Mund verrieten ihm, das wohl kurz nach dem Sturz das Laminat geknutscht hatte. Das leise Piepen ließ Marcel wieder aufhorchen. Mittlerweile kamen immer kürzere Pfeiftöne und sie waren in der Tonlage immer schärfer und durchdringender geworden. Es klang wie der Hilfeschrei eines verwundeten Tieres. So gut er konnte, richtete Marcel sich auf und suchte die Quelle des störenden Piepens. Ihm gegenüber stand der Schreibtisch. Und auf der Platte lag sein wild blinkendes Handy. Dieses blöde Ding! Ich rechnete schon mit etwas Ernstes, dachte Marcel und lachte in einer Mischung aus Zweifel und Selbstsicherheit in sich hinein. Auf allen vieren krabbelte er zu dem Tisch und nahm das Handy in die Hand. Plötzlich blieb ihm das Lachen im Halse stecken. 3 Kurzmitteilungen, und 6 Anrufe in Abwesenheit. 1 SMS und 4 Anrufe waren von Lolita Fee, und der Rest von Streber Connor. Marcel entschied sich für Connor und öffnete zuerst seine Mitteilungen. Hallo ihr beide, Ruft mich bitte SOFORT an. Mir ist etwas echt Krasses passiert! Wir müssen uns heute Mittag treffen. P.S Nimmt euch ein paar warme Sachen und ein gute Taschenlampe mit! Es wird Dunkel und Kalt… Connor Die zweite Mittelung lautete wie folgt; Marcel, wo bist du? Ich warte auf deinen Anruft! Kannst du um 15.30 Uhr bei mir vorbei kommen? Fee hat schon zugesagt, jetzt brauche ich nur noch deine Antwort. Du kannst mir auch schnell eine SMS schreiben. Aber bitte sag ja! Es ist WIRKLICH dringend!! Und Denk bitte an die Sachen. Connor Marcel schaute kurz auf den Nachtischwecker und überlegte gar nicht lange, sondern schrieb sofort ein: „Alles klar Connor, ich mach mich jetzt auf den Weg.“, zurück. Was auch immer seinem besten Freund zugestoßen sein mag; es klang dringend. Und Gefährlich. Seine panischen Worte durchbohrte Marcel wie feine Nadelstiche. Obwohl es im Schlafzimmer recht warm war, fröstelte er und eine Gänsehaut breitete sich in seiner Halsbeuge aus. Ein unbehagliches Gefühl kroch seinen Rücken hinauf und griff mit dürren, unsichtbaren Fingern nach ihm. Die feinen Haare auf seinen Armen und im Genick stellten sich auf. Connor brauchte DRINGEND Hilfe! Er dachte gar nicht mehr an Fees Nachricht und ihre Anrufe, sondern konzentrierte sich voll und ganz auf seinen besten Freund. Marcel fuhr sich mit den Fingern nochmal über die warme Stelle auf seiner Brust, dann er rannte von Panik und Erstaunen ergriffen zum Kleiderschrank und kehrte mit einem Rucksack zurück, um die gewünschten Sachen einzupacken. Keine halbe Stunde später öffnete Marcel das Garagentor und schob sein Fahrrad aus den muffigen Schuppen. Die Sonne stand heiß und hoch am nun wolkenlosen Himmel und versenkte seinen Nacken. Es war nicht ganz einfach gewesen Kim und Daimon von dem Ausflug zu überzeugen, aber letzten Endes ließen sie Marcel ziehen. Natürlich nur, weil die beiden in aller Ruhe ihre Verbreitungen für den Umzug treffen wollten, und kein lästiges Knäuel am Bein gebrauchen konnten. Marcel Schwung sich auf sein Rad und trat kräftig in die Pedalen. Jedoch war er keine 5 Meter weit gekommen, als ihn ein lautes; „WARTE MARCEL!“ Stoppen ließ und er über die Schulter spähte. Ein roter Feuerball kam gradewegs auf ihn zugeschossen! „Hmm?!“ „Marcel… Hast du meine SMS nicht gelesen?!“, keuchte Fee und blieb mit ihren eigenen Fahrrad neben dem verblüften Jungen stehen. Ihre Wangen waren vor Anstrengung rot gefärbt und ihre Augen sendeten leuchtende Blitze aus. Sie sah wütend aus… „Ich habe dir geschrieben, dass ich gerne mit dir zusammen nach Connor fahren würde. Besten Dank für die Antwort, du Hohltier!“ Das Gesicht des jungen Mädchens erschien jetzt noch Röter als zuvor, während das ihres besten Freundes kalkweiß anlief und versteinerte. „Sorry Fee, aber ich war von Connors SMS so schockiert, das ich deine Total übersehen habe… Naja, Glücklicherweise hast du mich noch eingeholt.“ „Ach, schon gut. Mach dir nichts draus…“, meinte Fee besänftigt und strich seine eine rote Locke hinter ihr Ohr. Sie setzte sich aufrecht auf ihren Sattel hin und strich gedankenverloren den schwarzen, teuer aussehenden Lolitarock glatt. „An deiner Stelle hätte ich wohl das gleiche getan! Hat dir Connor eigentlich etwas Genaueres verraten?“ Wahrheitsgemäß schüttelte Marcel den Kopf. „Nur das ihm etwas >echt Krasses< passiert sei.“, sagte er und bemühte sich um einen ruhigen und besonnenen Ton. „Aha, dann sind wir zwei auf denselben stand. Ich bin mal gespannt, was Connor uns zu berichten hat.“ Die zwei Freunde setzten ihre Fahrräder wieder in Bewegungen und fuhren die Straße hinauf. „Und wie geht es dir?“, fragte Fee plötzlich in die Stille hinein und betrachtete Marcels Seitenprofil argwöhnisch. „Hat Daimon dir auch kein Haar gekrümmt?“ „Nein, mir geht’s es gut. Danke Fee.“ „Was heißt hier, Danke Fee?! Ich habe mich gestern wie eine hysterische Furie aufgeführt. Tut mir leid deswegen. Aber immer wenn ich Daimons Antlitz sehe, muss ich unweigerlich an Krankenhaus und Intensivstation denken… Da habe ich überreagiert. Ich dachte, er würde dich Todschlagen, sobald ich dich aus den Augen lasse!“ „Mach dir bitte keine Vorwürfe! Du hast es doch nur gut gemeint.“ Marcel fuhr dicht neben Fee her und berührte kurz ihren Arm. Seine Freundin so bekümmert zusehen, tat ihm in der Seele weh. „Wirklich?“ Das warme Licht der Sonne fiel auf Fees Rücken und erhellte ihr Gesicht. Die Blätter leuchteten saftig an den Bäumen oder lagen zu kleinen, raschelnden Haufen zusammengekehrt auf dem Gehsteig. Die Menschen liefen gelassen über die Straße und begrüßten in Gedanken den Sommer. Fee lächelte erleichtert und knuffte Marcel wie zum Beweis in die Seite. „Okay, dann kann ich endlich ein ruhiges Gewissen haben!“ Die Freunde grinsten sich an und legten dann einen Zahn zu, da sie sich nicht verspäten und somit Connors Zorn auf sich ziehen wollten. Aus der Richtung der Obstbäume wehte ihnen ein süßer Duft entgegen. Er musste von den blühenden Kirschblütenblättern auf der anderen Straßenseite kommen. Marcel und Fee schoben ihre Fahrräder auf das Grundstück der Lowerys und stellten sie unter dem Vordach des Hauses ab. Ihr Herzschlag erhöhte sich plötzlich und pumpte das Adrenalin durch ihre Körper; das letzte Mal dass die Frau Lowery gesehen hatten war in der Nacht, als sich Connor und Marcel ohne Erlaubnis zum alten Höllenberg geschlichen hatten. Ob die Dame ihnen das immer noch Übernahm? Marcel fasste allen seinen Mut zusammen und betätigte die Klingel an der Türe. Einen Moment blieb es still im Haus, der Ton schien unwirklich durch die Luft zu schweben. Doch dann sprang die Türe auf und Connor erschien im Spalt. Dunkle, in Schatten getauchten Augen starrten Marcel uns Fee an. Der Ausdruck von Connors Blick war so verstörend, das es die beiden mit der Angst zutun bekamen. Etwas war aus den Fugen geraten. Tief in Marcels Magen breites sich ein flaues Gefühl aus und schnürte ihm die Luft ab. Er kannte diesen Blick! Es war der panische Ausdruck den kleinen Kindern die Sicht vernebelte, wenn sie unter ihren Betten das schwarze Monster gefunden hatten. Ein Schaudern ergriff Marcel und seine böse Vorahnung verwandelte sich in sichere Gewissheit; Connor musste diesem schwarzen Monster begegnet sein! „Hi Connor.“, sagte Fee vorsichtig um die bedrückende Stille zu lösen. „Na ihr beiden.“, antworte Connor und seine Stimme klang eigenartig hohl. „Kommt rein. Ich hoffe mal, dass ihr eure Taschenlampen dabei habt. Ich habe einen Entschluss gefasst; Heute Abend werden wir es tun!“ Unbemerkt tauschen Marcel und Fee einen Blick aus und kamen stillschweigend zu dem Schluss, erst mal abzuwarten und gar nichts zu fragen. Etwas sträubte sich in ihnen und sie versuchten, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Aber es führte kein Weg daran vorbei. Als sie das Haus und Connors Zimmer betraten, wussten sie, warum sie nicht fragen wollten; Es war die Angst vor dem Ungewissen. Connor setzte sich auf die Bettkante und das Holz knackte unter dem Gewicht. Sein Herz schlug so wild, dass das Blut in seinem Kopf rauschte. Er wagte nicht, sich zu bewegen. In der Zwischenzeit nahmen Marcel und Fee auf dem Boden Platz und sahen erwartungsvoll zu ihren Freund hinauf. „Warum wolltest du uns sehen? Was ist dir passiert, Connor?“, fragte Fee. Sie blieb regungslos sitzen und wartete geduldig. Der dunkle, polierte Holzrahmen des Bettes schien alles Licht zu absorbieren. Connor fühlte wieder das Unbehagen seinen Rücken hinaufkriechen, als er das Gewicht verlagerte und die rostigen Federn erneut quietschen. „Ich habe vorgestern ein Gespenst gesehen.“, sagte Connor leise. „Ich weiß, dass sich das grade aus meinem Mund total absurd anhört, aber es ist die Wahrheit! Ich war in Thirsk unterwegs und über dem Museum sah ich ES plötzlich…“. Er war wie gelähmt und fixierte einen unsichtbaren Punkt an der Wand. Die Brille rutschte ihm ein Stück von der Nase. „…Zuerst dachte ich an eine harmlose Lichtspieglung und schlich mich um das Gebäude herum. Aber auf der anderen Seite sah ich die Erscheinung nur noch deutlicher; Es war ein bleiches Mädchen, und sie schwebte lautlos über die Glaskuppel des Dachs. Ich war schon im Begriff mein Handy zu zücken und ein Foto von ihr zuschießen, aber das Mädchen bemerkte meine Anwesenheit. Eine leuchtende Stichflamme umschloss sie und weg war das die Erscheinung wieder!“ Die Angst packte ihn jetzt heftig und schüttelte Connor richtig durch. Ebenfalls zitternd stand Marcel auf und setzte sich zu ihm auf die Bettkante. Er spürte die elementare Furcht seines besten Freundes sofort. „Schhht.“, machte Marcel, legte den Arm um Connors Schulter und schmiegte ihn an seinen warmen Körper. Das waren keine normalen Kinderängste, die Connor da bis ins Mark erschütterten. Diese namenlose Furcht saß viel tiefer und wurde von etwas durch, und durch Bösen hervorgerufen. „Darüber wolltest du mit uns reden?“, fragte Marcel dennoch. „Ja, aber ich hätte Angst dass ihr mich für Verrückt erklärt. An so etwas wie Gespenster und Dämonen habe ich doch noch nie geglaubt, und jetzt das…! Aber das schlimmste ist, das ich mich selbst langsam für Verrückt halte! Ich wollte unbedingt mit jemanden über diese Sachen reden. Sonst wäre ich vollkommen durchgedreht. Ihr glaubst mir doch… oder?“ Marcels Hand glitt über Conners Rücken und spendete ihm Trost. Der Rest seines Körpers saß da und konnte nicht atmen. Es war, als wäre aller Sauerstoff aus Marcels Lungen gepresst worden. Seine Kehle war wie zugeschnürt, und nur mit winzig kleinen Atemschnappern kehrte die Luft in ihm zurück. Armer Connor! Und wieder stiegen in Marcel vergessene Erinnerungen auf. Eine Erinnerung an genau dieselbe, selbst empfundene Angst die er damals verspürte, als er das erste Mal mit dem Übernatürlichen Bekanntschaft machte. „Ich glaube dir…“ keuchte Marcel so erschöpft, das Connor für einen Moment seine eigenen Ängste vergaß und Marcel irritiert anstarrte. „Was hast du? Kriegst du einen Asthmaanfall?!“ „Ach Nein, ich habe mich nur an etwas Dummes erinnert. Aber jetzt mal zur Sache; du hast uns doch nicht zusammen getrommelt, um uns nur von diesem Gespenst zu erzählen. Wir sollten dicke Klamotten und Taschenlampen mitnehmen. Was hast du vor?“ „Ah~“, machte Connor ertappt und wurde Rot. „Ich wollte euch fragen, ob ihr mich heute Nacht zum Museum begleitet? Ich will der Sachen auf dem Grund gehen, und wissen was das Geistermädchen dort wollte…“ „Du willst, WAS…?!“, fragte Fee und das sonst so neugierige Mädchen schien irgendwie verärgert. „Habe ich das richtig verstanden; du willst zum Museum fahren, und dort falls Nötig einbrechen? Das ist Kriminell, Connor, und das weißt du auch! Die Polizei könnte uns dafür verhaften und einsperren!“ „Wer hat denn gesagt, das wir rein gehen!?“ protestierte Connor heftig. „Es reicht mir schon, wenn ich das Mädchen nochmal zu Gesicht kriege!“ Vor Spannung blieb Fee der Mund offen stehen. Sie starrte Connor wütend an, presste ihre Lippen aber wieder feste aufeinander. „Macht doch was ihr wollt!“, zischte sie und drehte beleidigt denn Kopf weg. Auf ihrer Stirn pulsierte eine kleine Ader und Connor sah ein, das jede weitere Diskussion mit ihr Zwecklos war. So drehte er sich zu Marcel um, und sagte: „Ich bin total gerädert und konnte die letzten beiden Nächte kaum schlafen. Immer wieder spukten mir die Bilder von diesem Mädchen durch den Kopf, und hielten mich bis in die frühen Morgenstunden gefangen. Am besten legen wir uns noch etwas hin und versuchen zu schlafen. Es kann nicht von schaden sein, wenn wir bei vollen Kräften und topfit sind. Das wird sicher eine lange Nacht für uns…“ Die Stunden schlichen dahin. An Schlafen war aber kaum zu denken. Unruhig tigerten Marcel und Connor im Zimmer auf und ab. Nur alleine Fee schien nichts aus der Fassung zu bringen: das Mädchen saß mit verschränken Armen und Beinen auf den Boden, und betrachtete mit einem höhnischen Blick das wilde Getue ihrer männlichen Kumpanen. Um 22.30 Uhr verließen die drei Freunde das Haus und begaben sich zur der Bushaltestelle. Wenn sie den letzten Bus der in die Stadt fuhr nicht verpassen wollten, mussten sie sich beeilen. In den vergangenen Stunden hatte die Dämmerung eingesetzt und hungrige Schatten glitten zwischen den Stämmen der Bäume umher. Sie verstärkten das Gefühl von nahendem Unheil, das sich durch ein unbehagliches Kribbeln im Nacken bemerkbar machte. Beklommen drehte Marcel sein Gesicht zum aschegrauen Himmel und ein Schauer lief ihm Eiskalt über den Rücken. Hinter den düsteren Baumkronen fristete der aufgehende Mond sein einsames Dasein. Das blasse Licht das er auf die Erde sendete wurde aufgesaugt und von der Schwärze der Nacht verschlungen. Es war ganz gewiss keine schöne Nacht, aber das sollte sie auch niemals werden... „Ich habe keine Lust auf diese Tour… Mir schwand Übels.“, murmelte Fee die ganze Zeit über, und nervte Marcel und Connor damit ungemein. „Lass dich doch einfach überraschen…Sonst bist du doch auch für jeden Spaß zu haben!“, sagte Marcel und verdrehte leicht die Augen. Er hatte keine Ahnung, wie oft er das heute Abend schon zu ihr gesagt hatte, aber Fee wollte einfach nicht aufgeben. Sie hegte noch immer die Hoffnung, ihre Freunde umzustimmen, wenn sie nur lang genug nörgeln und klagen würde. „Das sagt grade der Richtige!“, erwiderte sie darauf hin und funkelte Marcel böse an. „Als wir damals zum Höllenberg wollten, hast du dir vor Angst fast in die Hose gemacht und jetzt…! Ich habe nun mal auch meine Gründe, warum ich nicht zu diesem bescheuerten Museum will!“ „Achja? Welche denn?“ Ein scharfer Blick in Marcels Richtig ersparte ihr eine Antwort. „Das geht dich einen feuchten Dreck an, Sandojé!“ Hastig ging Connor zwischen die beiden Streiteten. „Hey ihr zwei, jetzt bleibt mal Locker und spart euch eure Puste lieber auf! Wir haben keine Zeit für Diskusionen, immerhin müssen wir noch einen Bus kriegen.“ Marcel versuchte zu schmollen, aber es sah nicht mal annähernd so niedlich und unschuldig aus, wenn jemand so Engelsgleiches wie Fee neben ihm stand, und dasselbe machte. Ha! Es stand 1:0 für Fee! Das Mädchen mit den roten Locken warf ihm einen triumphieren Seitenblick zu und streckte frech die Zunge raus. Ein Rumpeln und Knattern ertönte aus der Ferne. Zwei Scheinwerfer leuchteten durch die Dunkelheit und der Geruch von Benzin verstärkte sich. Der Linienbus nach Thirsk rollte ächzend um die Ecke. „DER BUS!“, rief Marcel entsetzt und die drei warfen gleichzeitig den Kopf in den Nacken. So ein Mist! Ausgerechnet heute kam das verfluchte Teil zwei Minuten früher… „Oh Nein!!“, stöhnte Connor. Er packte Fee am Handgelenk und sie mussten einen kurzen Sprint zu der Anfahrtstelle machen, ehe der Bus ohne sie abfuhr. Allerdings war Marcel der schnellste von ihnen und erreichte das Gefährt auch als Erstes. Das Jahrelange, harte Training als Langstreckenläufer, hatte sich also doch ausgezahlt! Mit einem gewaltigen Satz sprang er durch die geöffnete Eingangstüre und landete fast geräuschlos auf den Zehenspitzen, in der Eintrittskabine. „Wah!“, rief der Busfahrer überrascht, als er die jähe Erscheinung von Marcel erblickte und ließ vor Schreck, sein Thunfischbrötchen in den Fußraum fallen. „T´schuldigung!“, murmelte Marcel rasch und schaute sich kurz nach seinen Freunden um. Connor und Fee erreichten die Türe grade auch, und Connor musste erstmals beide Hände in die seine Seiten Stämmen. „Das kapier ich nicht…“, japste er zwischen zwei Atemzügen. „Du hast Asthma und bist trotzdem der schnellste von uns! Mensch, das ist sowas von Unfair…!“ In Thirsk angekommen, ging die Reise dort auch sofort weiter. Eine Verschnaufpause wurde denn Freunden nicht gegönnt; Connor machte Marcel und Fee richtig Feuer und Trieb sie wie eine Schar Hühner vor sich her, in die Stadt. „Beeilt euch!“, drängte Connor. „Bis zum Museum ist es noch weit, und je mehr Zeit wir hier vertrödeln, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit dass wir dem Gespenst begegnen!“ „Mensch Connor…!“, knurrte Marcel. „Jetzt entspann dich doch mal! Wenn wir da total abgehetzt ankommen, ist das kein bühnenreifer Auftritt mehr. Dein Geist wird sich noch über uns lustig machen!“ „Du bist es doch, der sich grade über mich Lustig macht!"zischte Connor und wirkte schmerzlich gekränkt. „Und ich dachte, du Glaubst mir!“ „Das tue ich doch!“, wiederholte der Angesprochene knapp. „Aber du übertreibst. Ich weiß ja das du neugierig bist, aber du steigerst dich da viel zu sehr rein!“ „Ach ja, und wie würde es dir in meiner Situation ergehen?“ Tja, darauf wusste Marcel keine Antwort. Nachdenklich legte er seine Stirn in Falten. Na gut, er musste gestehen, dass er an seiner Stelle ähnlich handeln würde… Mitleidig verzog er das Gesicht, bevor er sich von Connor abwandte und schneller weiter ging. Er hatte ein komisches Gefühl im Magen und auf der Straße war es ungewohnt still. So schnell wie möglich wollte Marcel nun das Stadtmuseum erreichen und nach dem Rechten Sehen. Und dann auf den direkten Weg nach Hause, zu den Zwillingen zurückkehren! Plötzlich schien ihn sein eigenes Benehmen peinlich zu werden und er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ähm… tut mir leid. Ich wollte nicht so grob zu dir sein. Wir beeilen uns ja schon“ Connor lächelte Marcel dankbar an. Aber hauptsächlich weil er damit seine eigene Furcht überspielen wollte. „Entschuldigung angenommen!“ Die bislang vorherrschende Finsternis wurde schwächer, weil aus der Richtung, in der sie gingen, die ersten Straßenlaternen ihr Licht spendeten. Bald darauf endete der Trieb, und sie drangen in die mächtigen Schatten der alten Buchen ein, die das düstere Museum ringsum wie eine schützende Mauer umgaben. „Das ist es“, hörte man Connor leise murmeln und er duckte sich hinter einen Brombeerstrauch. „Genau an dieser Stelle ist mir das Mädchen erschienen.“ Marcel trat aus der Finsternis hervor und der Boden unter seinen Füßen war dunkler als seine Vorahnung. Würde ihm jemand eine Liste der zehn Unheimlichen Orte der Welt zeigen, dann wäre das Museum sein Vorschlag für die Nummer 2. Auf seiner persönlichen Nummer 1 hielt sich ungeschlagen die alte Villa am Höllenberg… Das Naturkundemuseum war zwar nicht Alt oder Verwittert, strahlte aber trotzdem eine Gespenstische Aura aus. Im Hellen sah sicher alles ganz toll aus, aber in der Nacht wirkten die Schatten der Bäume riesig und die Scheiben des Gebäudes waren Blind und beschlagen. Marcel riss sich zusammen und mache wieder ein paar Schritte nach vorne. Interessiert starrte er nach oben und las das Schild über den Eingang, welches verkündete: »Naturkundemuseum von Thirsk – lassen Sie sich von der Schönheit Ihrer Erde verzauber« Natürlich, und gleich danach wird man von Dämonen gefressen, dachte Marcel zynisch und machte sich ein Bild von dem Rest des Gebäudes. Nach 6 Minuten war er fertig mit seinen Beobachtungen und schlich sich wieder in die Büsche zurück, wo Fee und Connor lautlos auf ihn warteten. „Und, was spannendes Gesehen?“, platze es neugierig aus Fee heraus. Sie wischte sich den Schweiß von den Wangen und hoffte, dass Marcel und Connor ihr Unbehagen nicht bemerken. „Nein.“ antwortete ihr Marcel ein wenig enttäuscht. „Es sieht alles normal aus…“ Nun hieß es warten, warten und nochmal warten. Die Freunde hatten sich inzwischen ihre warmen Pullover und Jacken angezogen und spähten von Zeit zu Zeit über den Rand der Sträucher. Obwohl sie so dick eingepackt waren, zitterten sie trotzdem vor Kälte. Würde hier wirklich ein Gespenst auftauchen, oder hatten Connors Augen ihm nur einen Streich gespielt...? Fee warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und verdrehte die Augen. Noch fast 45 Minuten bis Mitternacht… Die Zeit verging langsam und der Wind begann immer heftiger und kälter zu blasen. Marcel, Fee und Connor rückten näher zusammen und bibberten leise vor sich her. Zu Enttäuschung der Kinder rührte sich jedoch nichts am Museum. „Das war eine saublöde Idee von dir Connor…“, zischte Fee mit heiserer Stimme und klapperte vor Kälte mit den Zähnen. „Von wegen Gespenst – bah! Du solltest dir echt eine neue Brille kaufen!“ „Fängst du schon wieder an!?“, fauchte Marcel zurück und starrte das Mädchen mit funkelnden Augen an. „Was ist nur los mit dir?“ 23.50 Uhr. Aber es war immer noch nichts zusehen. Im Zeitlupentempo griff Marcel nach seinem Handy und wollte grade auf den Display schauen als Connor neben ihm laut aufschrie. „Was gibt’s…?“, knurrte der blondhaarige Junge ärgerlich, doch als er den Blick hob hätte er am liebsten selbst laut los geschrienen. Da! Oben, am Himmel schwebten mehrere rote Stichflammen über dem Dach des Gebäudes. Völlig geistesabwesend drückte Marcel seine Hand auf Connors Mund und zog ihn und Fee tiefer in den Brombeerstrauch hinein. „Gibt keinen Mucks von euch!“, befahl er mit kalter Stimmte, und spürte wie sich Fee hilflos an seinen Arm klammerte. Das konnte er ihr nicht verübelten. Er selbst hätte ja gerne jemanden gehabt, an dem er sich festhalten konnte. Zwischen den Ästen des Strauchs hindurch konnte sie die Geisterflammen noch immer erkennen, welche Geräuschlos ihre Kreise um das Museum zogen. Immer weiter und weiter bewegten sie sich auf dem Brombeerbusch zu, indem sich die Freunde versteckt hielten… „Das reicht für erste… Es scheint niemand hier zu sein.“, rief plötzlich eine Stimme aus der Dunkelheit und das Feuer erlosch augenblicklich. Dann ertönte aus der Ferne ein glockenheller Schuss und für einen Moment war Alles im Umkreis von 10 Metern in grelles Licht getaucht. Mit einem Knall zerbarsten die dicken Glasfenster der Museumskuppel und Scherben folgen in alle Richtungen durch die Luft davon. Entsetzt und am ganzen Körper zitternd drückte sich Marcel tiefer auf den Boden und suchte mit den Augen nach den Ursprung des Schusses. Als er jedoch nichts ungewöhnliches entdeckte, hob er vorsichtig den Kopf nach oben um an den Brombeeren vorbei zu gucken. Nun war wieder Stille eingekehrt. Eine leichte Brise erhob sich, und die Blätter der Bäume rauschen gespenstisch im Wind. Selbst die Zikaden hatten ihre Rufe eingestellt und blieben stumm. „H… Habt ihr das… grade auch gesehen? Die Flammen, und dann dieser Knall!“, fragte Connor flüsternd, doch seine Stimme klang sehr unsicher. Zögerlich knipste er seine Taschenlampe an und leuchtete die Umgebung ab. Er wollte keine Gefahr in diesen Schatten übersehen, und hinterrücks überfallen werden. Auf den Erdboden fand er nur die Glassplitter der Fensterscheiben und sonst nichts. Inzwischen war ihm die Lust an dem Abend vergangen, allerdings wollte er das nicht zugeben. „Ich habe die Flamme auch gesehen…“, sagte Marcel leise. Fee nickte nur. „Und was machen wir jetzt?“, keuchte Connor. „Na was wohl; wir gehen in das Museum!“ „Bist du Irre!?“, riefen Connor und Fee gleichzeitig. „In dieses Gebäude setzten wir keinen Zeh!“ „Wie ihr meint. Dann gehe ich eben alleine rein! Ich für meinen Teil, bin sehr neugierig was das Gespenst vor hat.“ Leise drehte Marcel sich um und lief geduckt durch das hohe Gras, das entlang des Weges wuchs. Seine Taschenlappe hielt er dabei fest umklammert, und wenn nötig würde er ihren langen, schweren Griff als Schlagstock benutzen. Bei der Eingangstüre angekommen versteckte sich Marcel im Torbogen und sah sich nach einer Leiter um, welche die Fensterputzer sonst für ihre Arbeit gebrauchten. „Du bist doch total übergeschnappt, Marcel!“, fauchte Fee leise nachdem sie und Connor ebenfalls durch das zerbrochene Fenster an der Glaskuppe geklettert waren. „Warum las ich mich immer wieder von euren verrückten Ideen einlullen? Connor, du hast doch jetzt das Gespenst gesehen, dann können wir gehen!“ Connor drehte sich zu ihr um und legte stumm den Zeigefinger auf seine Lippen. „Wir müssen uns ruhig verhalten“ flüstere er. „Wenn du nach Hause willst, geh! Aber Marcel und ich bleiben hier. Ich möchte auch wissen, was das Gespenst hier im Museum sucht.“ „Idioten!“, kommentierte Fee bitte und zog ihre kalten Finger zurück in die flauschigen Ärmel ihrer Jacke. Der Gang durch denn sie grade liefen war Stockfinster und voll gestopft mit unechten Tieren und merkwürdigen Skeletten. Kurz blickte Marcel zur hohen Decke. Er hatte ein komisches Gefühl im Magen und im Museum war es Mucksmäuschen still. Natürlich. Das war nichts Ungewöhnliches, für diese späte Zeit. Außer uns ist hier niemand, vertrieb er seine Besorgnis und zog kaum merkbar seine Mundwinkel nach unten. Falsch. Hier irgendwo trieb sich noch ein Feuermachendes Gespenst rum… Vor zwei Jahren hatte Marcels Klasse schon mal einen Ausflug in dieses Museum gemacht und daher kannte er sich noch ein bisschen in den einzelnen Ausstellungshallen aus. Das Museum war ein kleines Gebäude, in dem es eigentlich nichts Außergewöhnliches zusehen gab. Schwerpunkte der Sammlung bildeten Exponate aus den Bereichen der Biologie, der Geologie und der Paläontologie. Tiere und Pflanzen, Fossilien und Gesteine vermittelten die Entstehung, Entwicklung und Vielfalt der Natur. Das Grundgerüst der momentanen zoologischen Ausstellung konzentrierte sich auf das Leben der Säugetiere. Marcel schlich durch den Raum der geowissenschaftlichen Sammlungen und ein warmer Luftzug wehte ihm plötzlich entgegen. Er drehte den Kopf und auf Anhieb verwandelte sich in Erstaunen in Furcht um. Wie vom Donner gerührt blieb Marcel in der Dunkelheit stehen, als er auf der anderen Seite des Raumes ein Jungens Mädchen erblickte, welches ihnen den Rücken zugekehrt hatte. „Halt!“, flüstere er scharf und Connor konnte grade noch seine Füße zum stehen bringen, ehe er mit Marcel zusammen gestoßen wäre. „Da vorne, schaut nur! Ein Mädchen!“ Erwartungsvoll und zugleich skeptisch blickten sich seine Freunde in der großen Ausstellungshalle um. Und es dauerte auch nicht lange, bis ihre Augen etwas Untypisches entdeckt hatten, etwas was nicht in das vertraute Bild hineinpasste. Erschüttert von diesem Anblick erstarrte Connor nur, der sich das darbietende Szenario still anschaute. „Sie ist es!“ flüsterte er nach einer gefühlten Ewigkeit. Immer wieder wanderte Connors Blick nervös zu der Gestalt rüber, als wollten seine Augen nicht glauben, was sie dort sahen. „Ich bin mir ganz sicher, das ist das Geistermädchen welches ich am Donnertag gesehen habe!“ Marcel schluckte und nahm all seinen Mut zusammen. „Hey!“, rief er laut und der kleine Körper des Mädchens zuckte zusammen. Sie drehte sich zu der fremden Stimme herum und ihre weit aufgerissenen Augen verrieten, dass sie nicht mit einer Störung gerechnet hatte. Eine Weile verharrte sie regungslos in ihrer Position, bis es dem Geistermädchen mit Gewalt gelang, ihre verloren gegangene Fassung wiederzufinden. Nun drehte sie sich vollends zu Marcel und seinen Freunden herum. Genauso schnell, wie die Verwunderung gekommen war, verschwand sie auch wieder von den Gesichtszügen des Mädchens. „Himmel~ habt ihr mich vielleicht erschreckt!“, sagte sie und klatschte leicht in ihre Hände. „Ich dachte schon, ihr seid Nachtwächter die mich entdeckt haben. Buh~ Glück gehabt“ Marcels Gedanken überschlugen sich. Er wusste, dass Gespenster und Geister gerne mit ihren Opfer spielten, bevor sie sie umbrachten. Er musste etwas sagen, um sich Zeit zu verschaffen. Hektisch versuchte er, eine Lösung aus diesem Dilemma zu finden. „Warum bist du in das Museum eingebrochen?“, fragte Marcel bemüht ruhig. „Weil ich etwas Klauen möchte…“, sagte das Mädchen in einem Ton, als sei es die Normalste Sache der Welt. „Und jetzt lass mich in Ruhe, oder ich verwandele dich in ein Häufchen Ache!“ Nach ihrer Ansprache drehte sie sich wieder um und betrachtete mit wachsendem Interesse einen Stern-ähnlichen Kristall, der in einen kleinen Glaskäfig auf einem roten Kissen lag. Das Mädchen streckte ihre langen, krallenartige blau lackierten Fingernägel nach den Gläsernen Kasten aus und hob diesen vorsichtig hoch. „Das darfst du nicht!“, rief nun auch Connor und machte eine ratlose Bewegung nach vorne. „Der Stein ist Eigentum der Stadt! Wenn du ihn klaust, werden wir dich bei der Polizei wegen Diebstall und Unbefugtes Betreten eines Privatgeländes Anzeigen.“ „Ist das so?“, fragte das Geistermädchen wenig beeindruckt und konzentrierte sich voll und ganz auf den Kristall, welcher nun funkelnd in ihrer Hand lag. Sie hob den Stein hoch, und betrachtete ihn im hereinfallenden Mondlicht, wie Goldsucher es mit einen schimmernden Stein taten. „Ich denke, dass das der Richtige ist.“, murmelte sie gedankenversunken und ließ den sonderbaren Kristall grinsend in eine blaue Rocktasche wandern. Marcel stand jetzt schon eine ganze Weile regungslos auf der Stelle und war mit der Situation total überfordert. Er wusste nicht, wie er sich jetzt verhalten sollte. Er war sichtlich besorgt, über das Verhalten des Gespenstes. Das war nicht das typische benehmen, was Marcel von einem Geist erwartet hätte… Das Mädchen war fiel zu locker und selbstsicher. Mit ihrem Auftreten erinnerte sie ihn viel mehr an einem…. Dämon. Demnach müsste hier gleich die Hölle ausbrechen, schlussfolgerte Marcel, bis ihn Fee aus den Gedanken riss, da sie im vorbei gehen gegen seine Schulter stieß. „Jetzt spuck hier mal nicht so Größe Töne!“, sagte Fee hochnäsig. Sie bemerkte, dass das Mädchen sie nicht ernstnahm, und das gefiel der temperamentvollen Rothaarigen gar nicht. „Du ruckst jetzt sofort den Stein raus, oder du lernst fliegen. Wir sind zu dritt- und du bist alleine. Schlechte Chancen für dich, würde ich sagen!“ Das schien das Mädchen endlich zu erreichen. Verärgert verzog sie das Gesicht und bleckte ihre kleinen, spitzen Zähne. „Was bist du denn für ein freches Balg? Hat man dir zuhause keine Manieren beigebracht oder bist auf einem Bauernhof groß geworden!?“ „Und wenn schon! Wenigstens hat man mir beigebracht, dass ich nicht stehlen darf!“ Das Geistermädchen seufzte leise und Fee bekam keine Antwort. Nur drohendes Schweigen. Sie konnte nicht ahnten, in welcher Gefahr sie grade schwebte… „Ach verdammt!“, rief das Geistermädchen auf einmal und schüttelt langsam den Kopf. „Ich habe Scarlet doch versprochen, das ich bei meiner Mission keine Menschen verletzten werde. Und nun dieses Unglück! Nun ja, aber will man machen? Verzweifelte Situationen, verlangen verzweifelte taten!“ Sich an die Schläfe fassen, stellte sich das Mädchen vor Fee und durchbohrte sie mit einen eiskalten Blick. „Das tut mir jetzt leid, Kleine…“, sagte das Geistermädchen. Sie hob die schlanke Hand und bildete mit ihren Mittelfinger und ihren Ringfinger eine Pistole, welche sie auf Fees Gesicht richtete. „… Normalerweise töte ich nur Dämonen, und keine Menschen. Aber ihr Kinder wart leider zu der falschen Zeit, am falschen Ort…“ „Nein…“ flüstere Marcel angsterfüllt. Als er sich an die sonderbaren Flammen zurück erinnerte und jetzt diese eigenartige Geste sah, sickerte die Erkenntnis wie Gift durch seine Adern. Das war gar kein Geistermädchen, sondern…! „Verschwinde Fee!“, brüllte Marcel so laut er konnte und stürzte Blindlinks auf die beiden Mädchen zu. Er musste Fee so schnell wie möglich in Sicherheit bringen…! Ein Schuss peitschte durch das Museum, und die dünnen Scheiben der Glaskästen vibrierten unten den Enormen Druck der Energiewelle. Marcel hatte es so grade noch geschafft Fee am Arm zupacken und sich mit ihr Bäuchlings auf den Boden zu werfen. Ein roter Lichtspeer schlug nur wenige Meter hinter ihnen ein und riss ein riesiges Loch in eins der Ausstellungsstücke - es war ein solide aussehender Felsen mit rauchen Steinkanten. Dort wo der Laserstrahl ihn berührt hatte, war das schwarze Gestein geschmolzen und weg gesprengt. Es roch stark nach Schwefel und der Gestank raubte Marcel und Fee für einen Augenblick den Atem. Sie mussten heftig husten und pressten sich die Ärmel ihrer Jacken vor den Mund. „Die meint es ernst!“, flüstere Marcel zu Fee Gewand. „Das Mädchen killt uns, wenn wir hier nicht schnell wegkommen! Sie hat auch Kiley angegriffen und ihn schwer verletzt.“ Es jetzt wurde ihm bewusst ihn welcher Lebensgefahr er steckte, und Marcel begann am ganzen Körper wie wild zu zittern. Er blickte kurz zu dem missgelaunten Nemesis-Mitglied und senkte daraufhin reumütig seinen Blick zu Boden. Wäre er doch nie hergekommen…! Er rappelte sich auf und zog Fee auch auf die Beine. In diesem Moment kaum Connor herbei gelaufen und das entsetzten konnte man von seinem Gesicht ablesen. „Geht es euch gut? Seit ihr verletzt!?“, fragte er aufgebracht und blass vor Schreck. „Uns ist nicht passiert!“, beeilte sich Marcel zu sagen und griff nach Connors Handgelenk. „Aber wir müssen hier raus!“ „IHR GEHT NIERGENDWO HIN!“, schrie das Mädchen plötzlich und der laute Tonfall ließ die Schüler zusammenschrecken. Verärgert kam die Dämonin mit schnellen Schritten auf die Band zu gestürmt und rote Flammen schossen knisternd aus ihrer Haut. „Ihr vermasselt mir nicht meine Mission! Ich werde euch zum Schweigen bringen und wenn ihr Glück habt, tue ich das, ohne euch vorher windelweich zu prügeln!“ Als Marcel und seine Freunde in Reichweite waren stieß sie einen schrillen Schrei aus und die kleinen Flammen verwandelten sich in ein wütendes Inferno. Die 3 tauchten mit eigezogenen Köpfen unter der gefährlichen Feuerbrust ab, die im nächsten Augenblick auch schon unter lautem Getöse über ihnen hinweg rollte. Marcel nutze den kurzen Moment der Ablenkung und rannte schnell mit Fee und Connor aus der Ausstellungshalle. Leider waren sie zu dritt nicht allzu schnell unterwegs und sie schafften einen kleinen Vorsprung, der das Mädchen aber mit ihren langen, trainierten Beinen wieder wettmachte. Immer näher kam das rasselte Geräusch der aufgehenden Flammen… „Bleibt stehen!“, brüllte das Mädchen hinter ihnen, aber Marcel dachte gar nicht erst daran. Er war erfüllt von Angst, und konzentrierte sich nur noch auf die Flucht. Alleine wäre er sicher schneller gewesen, doch er wollte Connor und Fee unter keinen Umständen diesem Monster überlassen! Das Mädchen schreckte ihre langen, scharfen Krallen aus um die Kinder zu packen und sie dem Erdboden gleich zumachen. Gehetzt sah sich Marcel nach den Krallen um, die immer näher kamen und zerrte heftig an den Armen seiner Freunde. Marcel war restlos davon überzeugt, dass es kein entkommen gab und dass, das Mädchen sie in wenigen Minuten umbringen würde. Die Panik in seiner Brust wuchs und während er von Frucht und dem Gefühl der vollkommenen Ausweglosigkeit fast aufgefressen wurde, explodierte ein Schrei in seiner Lunge. „NEEEEIIIIIN!!“ Marcel konnte sich nicht mehr zurückhalten. Er brüllte so laut, wie er konnte. Er hielt die Anspannung nicht mehr aus, und musste sich Luft verschaffen. Sein Schrei hallte durch das ganze Museum und klang schallten zwischen den Räumen. Der Schrei war sogar so laut, dass er das panische Stöhnen des Mädchens überdröhnte, welche sich grade aus voller Lunge die Seele aus dem Hals schrie. Die Kinder schreckten zurück und Marcel begann den Fehler sich um zudrehen. Von dem Flammenmädchen war nichts mehr zusehen… Marcel bremste ab und warf die Beine nach vorne um den Schwung abzufangen. Das Tempo war zum Glück so niedrig, dass ihm das auch ohne Sturz gelang. Links von ihm, befand sich eine Türe mit dem englischen Wort Exit, was zu Deutsch Ausgang bedeutete. „Wo ist sie hin?!“, rief Fee keuchend. Sie war zwar gut in Sport, aber mit Marcels Geschwindigkeit konnte sie nicht mithalten. Hinter ihnen ertönte ein dumpfer Schlag und die 3 Freunde drehten sich erschrocken um. Eine weiße Gestalt war plötzlich im Flur erschienen und beobachtete die Gruppe schweigend. Der schmale Junge kniff die Augen gefährlich zusammen und kam soweit auf die 3 Freunde zu, bis sie nur noch eine winzige Distanz voneinander trennte. Allerdings galt der zornige Blick nur Marcel, was Connor und Fee eigentlich ganz gelegen kam. Obwohl der weiße Junge nun genau vor ihm stand, schaffte es Marcel nicht den Blick von seinen hypnotisieren Augen abwenden. „…!“, presste der Kleine hervor. Seine Kehle fühlte staubtrocken an und wie abgeschnürt. Der Junge überwand den letzten Schritt und legte seine Hand sanft auf Marcels Wange. Die plötzliche Nähe dafür sorgte, dass diesen das Herz bis zum Hals schlug und zu seiner Verwunderung schaute ihn der Junge nicht mehr verärgert an, sondern fast lächelnd. Sein linker Mundwinkel wanderte immer weiter nach oben, während hellen Augen Marcel dunkel musterten. „Gerettet?“, fragte Dylan flüsterten. „Ja, Gerettet.“ Marcel mühte sich, keine Emotionen zu zeigen. Erst als zwei schlanke Arme seinen Brustkorb umfassten und ihm umarmten, entglitt seiner Kehle ein gequälter Seufzer und Wasser sammelte sich in seinen Augenwinkeln. Schlunzend klammerte er sich an Dylan und vergrub das Gesicht in seiner Halsbeugte. Es dauerte eine ganze Weile bis sie sich von den Schrecken der Angriffe erholt hatten, und ihre Sprach wieder fanden. „Wie machst du denn hier?“, fragte Marcel als sich der Ältere von ihm entfernte, und drehte den Kopf beschämt zur Seite. Eine Gänsehaut hatte sich auf seinen ganzen Körper gebildet und ließ ihn erzittern. „Ich habe die Spur des Mädchens verfolgt bis ich plötzlich deinen Schrei gehört habe… Was zum Teufel habt ihr euch eigentlich gedacht, in dieses Museum zusteigen?!“, fragte Dylan mit kalter Wut in der Stimme. Mit seiner Sprache, schien er auch seine schlechte Laune wieder gefunden zu haben. „Ihr könnt von Glück reden, das ich zufällig hier war und euch gefunden habe! Dieses Mädchen ist EXTREM gefährlich! Sie hätte euch ohne Reue umgebracht.“ Marcel, Fee und Connor ließen die Köpfe hängen. Dylan drehte sich halb um und warf einen Blick in den finsteren Gang zurück. Er blinzelte ein paar Mal um sich zu vergewissern, dass er sich die vermeintliche Ruhe nicht nur einbildete. „Ich habe sie nur K.O. geschlagen. Bald wird das Mädchen aufwachen und das solltet ihr Kinder besser nicht erleben. Geht! Verlasst das Museum. Ich komme nach, sobald ich hier fertig bin.“ Keinen Augenblicken später eilte Dylan den Weg in die Halle der geowissenschaftlichen Sammlungen zurück, und seltsamerweise bewegte er sich viel schneller und geschmeidiger als sonst. „Kneif mich bitte mal.“, sagte Fee zu Connor, und quickte gleich darauf als dieser ihre Bitte stumm erfüllte. „Aua! Das war doch nicht ernst gemeint! Ich glaube ich träume, war dieses sonderbare weiße Männchen, der Dylan von unserer Schulstufe?“ Verbittert betrachtete Marcel eine Weile den fragenden Gesichtsausdruck seiner Freunde und runzelte die Stirn über das wirklich sonderbare Verhalten des Teufelssohns. Dylan hatte sich doch die letzten paar Wochen so bemüht ihm aus dem Weg zu gehen, und jetzt umarmte er Marcel so liebevoll?! Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als seine Gedanken diese untypische Reaktion bewerteten. War es Dylan egal, was sie alles zusammen erlebt hatten? War er, Marcel, etwas nur ein Spielobjekt für Dylan? Ein geeigneter Zeitvertreib und nicht mehr…? Marcel bemühte sich, dass Gefühl der Enttäuschung, das in diesem Moment sein Innerstes beherrschte, nicht vor Connor und Fee zu offenbaren. Ein dunkles Kichern aus seiner Seele drang in seinen Ohren und ließen ihn erschauern. „Na, was habe ich dir gesagt?“, meldete sich Marcels, Inne, sarkastische Stimme zu Wort. „Du bist Dylan scheißegal. Er benutzt dich nur, und geberaucht dich wie ein altes Spielzeug! Wenn ihm danach ist, holt er dich raus und sonst liegt du Mutterseelen alleine in der Ecke rum, während Dylan sich um die interessanten Objekte kümmert! Vergiss das Arschloch doch endlich! Er tut dir nicht gut!“ Marcel verzog seinen Mund, und versank langsam in einem Sog aus Enttäuschung, Frust und Selbsthass. Selbst das eigene Gewissen verhöhnte den Jungen jetzt schon! "Was ziehst du denn für ein Gesicht? Sollen wir nicht mal langsam abhauen?", durchschnitt Fees helle Stimme die Stille. Marcel fühlte sich in seinen Gedanken ertappt und zuckte zusammen. „Ähm ja, du hast recht. Wenn Dylan zurück kommt und uns hier immer noch sieht, reißt er uns den Kopf ab. Ich habe ihn noch nie so wütend wie eben gesehen…“ Beinahe Parallel dazu betrat Dylan die Ausstellungshalle und suchte in Sekundenschnelle den Raum nach dem Mädchen ab. Er ballte seine Hand zu einer Faust und rote Augen loderten vor Zorn, als er sie wie eine Marionette in der Luft schwebend sah. „Na Lucy, bist du noch am Leben?!“, fragte Dylan wütend. Das blauhaarige Mädchen hatte sich im Vergleich zu ihren ersten Treffen, grundliegend verändert. Lucy trug jetzt ein dunkelblaues Lolitakleid im Matrosen-Stil, verziert mit reichlich Rüschen und Schleifen. Es war kurz und ein weiser, mehrlagiger rüschenbenetzter Unterrock reichte ihr bis zur der schmalen Hüfte. Ebenfalls weiße Halbstrümpfe verdeckten einen Teil der langen Beine, und die kleinen Füße steckten in hochhackigen Lackschühchen. Mit diesem Outfit damit sah das schmale Mädchen aus, wie eine elegante Prinzessin. Eine elegante, MORDLUSTIGE Prinzessin, um genau zu sein… Beim genaueren Hinsehen erkannte man auch, dass unterhalb ihrer Schulterblätter, zwei kleine Fledermausflügel in dunkelblauer Farbe wuchsen, und ein schwarzes paar Hörner Lucys Haupt schmückten. Der Einzige Schönheitsfehler war der helle Wundverband an ihrem Bein und die weißen Mullwickel, die sich um Hals und Brustkorb schnürten. „Ja, Dylan, tut mir leid für dich. Aber muntert es dich auf, wenn ich sagte du hättest es fast geschafft!? Was machst du hier eigentlich? Hast du mich vermisst, Schnuckelchen?" Natürlich war Lucy der mittlerweile mehr als nur gereizte Unterton nicht entgangen, und sie zog schelmisch die Mundwinkel in die Höhe. Obwohl das Mädchen ein ganzes Stück kleiner war wie Dylan, stellte er fest, dass ihn das Herz bei ihrem ab sonderbaren Anblick bis zum Hals schlug. Lucy gehörte zweifelsohne zu den Wesen, die Andere allein mit ihrem bloßen Auftreten einschüchtern konnten. Aber das Gefühl das ihn er erschauern ließ war nicht Hass, sondern Mitleid. Lucy betrachtet den jungen Mann und zog arrogant eine Augenbraue nach oben. Sie ließ sich ihre Verwunderung über dessen plötzliche Erscheinung nicht anmerken und lächelte überlegen. Hinter ihrem Rücken zog sie eine Hand hervor, in der eine blutrote Feuerkugel leuchtete, die im ersten Moment stark an einen Basketball erinnerte. „Aber was will ich mich beschweren? Wenn du doch einmal hier bist, kann ich auch meine Revenue kriegen!“ „Ich will nicht Kämpfen!“, gestand Dylan leise und wich Lucys stechenden Blick nicht aus. „Schwör mir, dass du niemals mehr, jemanden verletzt und ich lass dich laufen!“ Mit offenem Mund starrte Lucy den Albino an. Dann bekam sie ihre gewohnte Gelassenheit zurück und strich sich die Haare nach hinten. Sie lachte übertrieben auf und stemmte arrogant die freie Hand in die schmale Hüfte. Rötlich- weiße Funken knisterten in der Luft um sie herum. „Wie Bitte? Du willst nicht mit mir Kämpfen?! Warum das denn?!“ „Weil ich weiß, das ihr Humanoid Demons zum Kampf gezwungen werdet. Ich habe einen Bericht über das Experiment gelesen, und vermute, dass du tief in deinem Innern wie ein normaler Mensch leben möchtest.“ Ein widerliches, breites Lächeln breitete sich im Gesicht des blauhaarigen Mädchens aus. „Ach ja, das denkst du? Was bist du doch für ein feierlicher Dummkopf!“. Lucy verlor an Höhe und flog bedrohlich Nah über Dylans Kopf. „Ich werde von niemand gezwungen! Die Dämonen sind doch der Grund, warum wir Humanoid Demons überhaupt prodoziert wurden. Wenn ihr die Wissenschaftler mit euren Kräften und Fähigkeiten nicht so verängstig hättet, wäre ich jetzt noch ein normales Mädchen und keine tickende Zeitbombe. Ich kann denn Wissenschaftlern ihr Handeln aber noch nicht mal verübeln. Sie sahen euch als Bedrohung, und suchten nur einen Weg um ihren Platz an der Spitze Nahrungskette zu sichern. Und wir sind das Resultat dieser Forschung! Darum ist es die ehrenhafte Aufgabe von Nemesis, euch Alle zu beseitigen! Wir werden alle Dämonen und alle die sich uns in den Weg stellen, vernichten!!“ Plötzlich richtete Lucy ihre flache Hand auf Dylans Gesicht und der Zorn brannte lodert in ihren roten Augen. Die Feuerkugel in ihrer Hand hatte um ein vielfaches an Größe und Energie gewonnen. „Kämpf mit mir.“, knurrte sie dunkel. „Dieses Mal, kenne ich keine Gnade!“ Doch auch wenn sie zeterte wie eine wütende Gans, so können sie ihren Rivalen nicht aus der Reserve locken. Dylans Arme hingen schlaff neben seinem Körper, während er mit Ausdrucksloser Miene die gewaltige Feuerkugel in Lucys Hand musterte. Der kleine Körper des Mädchens war nun vollkommen von einem erschreckenden, Rotglühenden Ring umgeben, aber für sie war er nichts weiter als ein harmloser Lichtreif. Lucy erkannte in Dylans emotionslosen Blick etwas Altbekanntes, und das brachte sie fast zur Weißglut. Es dauerte einen Moment, bis sich der Schleier vor ihren Gedanken lichtete und sie in eiskalter Dunkelheit versank. Wieder kamen die Erinnerungen an das Humanoid Demon-Experiment Hoch, die ihr für mehrere Minuten, der Sicht beraubten. Lucy konnte diese eine Nacht nicht vergessen, in der sie das erste Mal in der Lage war, ihre Macht zu nutzen. Damals kroch sie in aller Heimlichkeit unter ihre zerrissene Bettdecke und prodozierte die ganze Nacht lang kleine Flammen. Die hellen Funken zwischen ihren mageren Fingern betrachtete sie als tröstende Licht – und Wärmequelle in der frostig Zelle, die die Wissenschaftler als >Schlafzimmer< bezeichneten. Aber der Raum war weniger als das. Er war winzig klein, nicht beheizt und zudem Stockfinster, da er noch nicht mal ein Fenster besaß. An sich machte das Gemach einen verwahrlosten Eindruck. Der raue Steinboden war mit Schmutz und Kleintier überzogen, zwischen den Fugen kleben Essensreste von den letzten Mahlzeiten und das Bett hatte auch schon bessere Tage gesehen. Inmitten dieser ganzen Trostlosigkeit musste Lucy mehr als 5 Jahre ihres Daseins fristen. Wie oft Lucy damals am liebsten vor lauter Angst und Schmerz gestorben wäre? Die letzten Experimente und Misshandlungen gerne vergessen würde? Sich von diesem elenden Leben befreien, und nie wieder leiden müssen? Viel zu oft! Ihre keuchenden, verzweifelten Atemzüge waren nicht seltend das einzige Geräusch, was die stille der Nacht durchbrach und in einem gurgelnden Aufschrei endeten. Von Krämpfen geschüttelt versuchte sie die Szenen der unzähligen Vergewaltigungen und Prügelstrafen, zu verdrängen, die sie jede Nacht aufs Neue heimsuchten. Aber da gab es noch Kamila, ihre kleine Schwester, die das Mädchen so dringend brauchte! „Irgendwann werde ich diese ganze Forschungsanstalt in Flammen aufgehen lassen, und mit dir in eine schöne Zukunft fliehen“ sagte Lucy in dieser Zeit oft zu Kamila mit einem so kalten Ausdruck in den Augen, dass es der Schwester beinahe die Sprache verschlug. So sah der Traum einer misshandelten 8-Jährigen aus. Lucy schloss die feucht gewordenen Augen und öffnete sie dann wieder. Verschwommen sah sie die Feuerkugel auf ihrer Handfläche, die einzelnen Ausstellungsstücke des Naturkundemuseums und diesen weißen Jungen, der ALLES hatte, was sie sich nicht mal zu erträumen wagte. Sie wunderte sich ein wenig über sich selbst, denn merkwürdigerweise fühlte sie gerade nichts. Keine Trauer, keine Wut, keine Angst. Kein bisschen der Emotionen die sie noch an ein Menschlichen Dasein erinnert hätten. Nur diese endlose Leere, die sie regelrecht betäubte, jegliche Gefühle lähmte und alle Tränen versiegelte. In Lucys Kopf herrschte nur ein Wunsch: Diesen Junge, der eine Zukunft UND einen Vater besaß, würde sie eigenhändig umbringen…! Ohne seine Hände zu rühren machte Dylan einen kleinen Schritt auf Lucy zu. Schon die ganze Zeit lang beruhigte ihn das Gefühl, das die Seele und der Verstand des Flammenmädchens weit weg waren. Der trübe, wässrige Ausdruck in ihren purpurfarbenden Augen verstärkte diesen Verdacht nur noch mehr. Je bewusster ihm wurde, dass sich diese gebrochene Person noch vor wenigen Jahren in der Gewalt eines grausigen Experiments befand, allein und machtlos, je schneller fing sein Herz an zu schlagen. Auch wenn sie ihn, Marcel, Connor und Fee bedroht hatte, so verspürte er doch den stärker werdenden Wunsch, diesem armen Geschöpf zu helfen. Was musste Lucy nicht alles erlebt haben, um so verbittert so werden? Dieser Gedanke bescherte ihm eine so stechende Migräne, dass er sein Gesicht vor Schmerz verzog. „Ich kann dir helfen, Lucy! Ich möchte dich nicht noch mehr Verletzten!“, rief Dylan plötzlich und seine Stimme klang dabei so selbstsicher und voller Zuversicht, das er Lucys Trance löste. Lucy blinzelte ein paar Mal verwirrt. Erschrocken riss sie Augen auf. Für einen kurzen Augenblick wusste sie nicht, ob sie ihren Ohren trauen konnte. Es dauerte einen Augenblick, bis ihr Gehirn die gesagten Worte verarbeitet, und verstanden hatte. „Was sagst du?“, sammelte Lucy so leise und unschuldig, dass es sich schon fast wieder dümmlich anhörte. Ohne sich einen Zentimeter zu rühren, blickte sie Dylan vorsichtig an, suchte in seinen Augen die List und Tücke. „Wenn du möchtest, helfe ich dir. Ich glaube dir nicht, wenn du sagst, dass du den Forschern ihre Taten verzeihst. Das Experiment war Gewissenlos und Menschenunwürdig! Du hast es doch erlebt. Schau in deine Seele, und erinnere dich zurück!“ „WAS MEINST DU, WAS ICH DIE GANZE ZEIT MACHE!!“, schrie Lucy nun aus Leibeskräften und weiße Sterne explodierten vor ihren Augen. „ICH KANN AN GARNICHTS ANDERES MEHR DENKEN, ALS AN DIESES SCHRECKLICHE EXPERIMENT! UND DAMIT DIE MENSCHEN NIE MEHR SO EINEN FEHLER MACHEN, WERDE ICH ALLE DÄMONEN – UND IHREN ALBTRAUM DER ANGST – ZERSTÖREN!!“ Dylan machte vorsichtshalber einen Schritt nach hinten und für den Bruchteil einer Sekunde, betrachtete er fassungslos sein Werk. Er merkte, dass er bei Lucy eine unsichtbare Line überschritten hatte. Als Dylan sie so sah, dachte er ehrlich, ihm würde gleich die Seele in millionen Stücke zerfetzten werden. Lucy sah so erschöpft aus, so schwach, so ängstlich, so hilflos, als könnte sie jeden Moment vor seinen Augen zerbrechen Es war noch schmerzhafter, weil Lucy in der Regel so lebendig und leidenschaftlich erschien… Das Mädchen plusterte sich in der Luft auf und stieß einen grellen Schrei aus. Die pulsierende Feuerkugel hatte sich in zwischen in ein Schlangenartiges Wesen verwandelt, was einen nicht minder beängstigenden Laut von sich gab. Dieser Anblick brachte Dylans Gehirn schleunigst dazu seinen Dienst wieder auf zu nehmen, und sich an seine eigenen Fähigkeiten zu erinnern. Langsam realisierte er, was er mit seinen gut gemeinten Vorschlag überhaupt angerichtet hatte. Er hatte Lucy mit seinen Worten bis ins Mark getroffen und verletzt! Schnell konzentrierte er sich auf die großen Steinbrocken in der Ausstellungshalle und ließ sie, mit dem wink seiner telekentischen Kräfte, wie eine schützende Mauer vor sich zu Boden gleiten. "... Hör auf.", sagte Dylan ruhig Lucys wütender Gesichtsausdruck verschwand für einen Augenblick, aber im nächsten Moment war er wieder da. "Hör auf, womit? Mit dem Töten? Oder mit dem Versuch, es zu tun?! Sag mir nicht, du bist wirklich so dumm und versucht immer noch, mich mit deinen idiotischen Vorstellungen zu besänftigen? Du willst mir helfen, ja? Und was passiert, wenn du es geschafft hast? Werden wir beide dicken Freunde, ziehen zusammen und leben gemeinsam ein glückliches Leben…? Hat dir jemand ins Gehirn geschissen oder was?!“ „Spiel hier nicht die Unnahbare! Ich weiß genau, dass ich dir helfen könnte. Und genau so weiß ich, dass du diese Hilfe gerne annehmen würdest. Aber dafür musst du erstmals über deinen Schatten springen!“ In diesem Augenblick wurde die >normale< Lucy Etoile in Stücke zerschlagen. Sie hatte keine Ahnung, wie sich die Muskeln in ihrem Gesicht vor Wut zerrehrten, aber Dylan fühlte einen Anflug von Schmerz in seiner Brust, als er ihre Schreckliche Grimasse sah. Wahrscheinlich hatte er grade etwas in Lucy zerstört, was er um jeden Preis bewahren wollte - nämlich ihr Herz. „Ich hasse dich!!“ Dieser Satz kam wie ein Reflex aus ihren Mund geschossen. Ihre Lippen zitterten vor Zorn und Lucys Körper verkrampfte sich, ganz so, als ob sie einen Brechreiz unterdrücken würde. „ICH HASSE DICH WIRKLICH!“ Die wild gewordene Feuerschlange schoss nach vorne und riss ihr entsetzliches Maul auf. Lange Fangzähne visierten Dylans Gesicht an, und die Bestie durchstieße in dieser Sekunde die Steinmauer, die dieser mit Mühe und Not errichtet hatte. Das Ungetüm prallte hart gegen den perplexen Jungen und schleuderte ihn 5 Meter weit über den Boden. Aufmerksam beobachtete Lucy, wie sich der zierliche Körper des Jungen dem gnadenlosen Griff beugte und auf den Rücken gedreht wurde. Dylan schloss die Augen und neben seinen Kopf schlug das Maul der Schlange ein. Er spürte die prasselnde Hitze auf seiner Wange und über sein Gesicht tanzte das flackern der Flammen. Völlig neben der Spur, schaute er auf die nahe Einschlagstelle und schluckte erschauernd. Einen Treffer von dieser Attacke hätte er mit sicherer Wahrscheinlichkeit nicht überlebt. Unter großen Lärm setzte sich das Schlangenmonster wieder in Bewegung und wickelte ihren langen Leib um ihr Opfer. „Nun wehr dich endlich!“, schrie Lucy. Sie wusste, dass ihre Flammen eine Höchsttemperatur von 9000 Grad erreichten, und sie den jungen Dämon ohne weiteres Grillen könnten. „Ich möchte dich… immer noch nicht… Verletzten…!“, krächzte Dylan heiseren, während sich die Schlange immer enger um seinen Hals wickelte. Für einen Augenblick, aber nur einen Augenblick erschien ein überraschter Ausdruck auf Lucys kleinem Gesicht. Dieser Blick wurde jedoch schnell durch Wut ersetzt. „So…? Das reicht also nicht, um die zu killen?“, knurrte Lucy mit gespielter Entrüstung. Sie verzog entmutigt ihre Mundwinkel. Wollte dieser Junge wirklich nicht mit ihr Kämpfen? Er wollte ihr sogar helfen! Oder war es ihm einfach schlicht ergreifend egal, wenn er starb? Nein! Kein Zweifel! Selbst ein solch niedriges Wesen, wie ein Dämon hang an seinem Leben! Aus einer Rocktasche holte sie eine kleine Glasflasche hervor, die mit einem braunen Pulver gefühlt war, und schwenkte sie in der Luft. „Weißt du was dass hier ist, Dylan? Das ist reiner Sprengstoff - TNT genannt. Wenn ich auch nur ein Körnchen davon entzünde, fliegt dieses ganze Gebäude in die Luft. Willst du das?“ „Nein…“. Dylan schüttelte leicht den Kopf. „Dann Kampf mit mir, verdammt nochmal!“ „… Nein! Dann Jag doch das Museum in die Luft und zerfetzt mich! Deinen Kampf kriegst du trotzdem nicht!“ Lucy musterte ihn einen Moment lang ungläubig und flog dann näher heran. Obwohl ihre dunkelblauen Flügel so klein waren, und so aussahen ob sie das Gewicht des Mädchens kaum tragen konnten, bewegte sich Lucy mit der Geschwindigkeit eines Kampfjets durch die Lüfte. „Du Idiot…“, knurrte sie Dylan ins Ohr und ließ die Feuerschlange mit einem Fingerschnipsen in Rauch aufgehen. Dylan fiel unsanft zu Boden, landete doch wohlbehütet auf seinen Füßen. Ohne sich zu rühren, drehte er den Kopf in Lucys Richtung und wartete, bis sich sein verschwommener Blick schärfte. Sein Rücken schmerzte und alle anderen Glieder auch. Vorsichtig bewegte er seine kalten Füße. Taub von Blutmangel geworden, fühlten sie sich an, als gehörten sie nicht zu seinem Körper. „Hast du es endlich kapiert?“, fragte Dylan monoton und massierte seine brennenden Oberarme. „Ja.“, nickte Lucy. „Du bist ein unverbesserlicher Idiot! Mit dir kann man doch nicht Kämpfen! Das macht überhaupt keinen Spaß. Ich kriege ja schon fast ein schlechtes Gewissen, weil ich dich angegriffen habe.“ Sie hang mit verschränkten Armen in der Luft und nur das Glimmen der kleinen Flammen, die sie durchgehend absonderte, durchdrang die Dunkelheit. „Ich werde nun nach Nemesis zurückkehren, und allen berichten was der Sohn des Teufels für eine jämmerliche Lusche ist!“ Es war offensichtlich das Lucy ihn wieder provozieren wollte. Vielleicht bekam sie unter diesen Voraussetzungen, doch noch ihren Kampf. „Nur zu!“, erwiderte Dylan kühl, ohne zu wissen wer oder was Nemesis war. Lucy biss die Zähne zusammen und zischte wütend. Dylans Verhalten traf sie wie einen Faustschlag in den Magen. Natürlich war ihr Stolz sofort noch angeknackster. „Tschüss, du Vollpfosten“ „Tschüss… Fireflies!“ Ein rot-weißer Funken löste sich von ihrer rechten Hand und schlug sofort neben Dylans Füßen ein. „WAS! Nenn mich nicht so! Ich habe einen Namen – ich heiße Lucy Etoile! Oder bist du zu blöd, um ihn dir zu merken!?“, lenkte Lucy ab und umklammerte ihren dünnen Brustkorb. In diesem Augenblick war sie froh, dass es im Museum so dunkel war und keiner sehen konnte, wie ihre Wangen eine rote Farbe annahmen. Und diese Färbung hatte ausnahmsweise mal nichts mit Wut zu tun. Verlegen rieb sie sich die Arme, bevor sie fort fuhr: „Dennoch, danke dass du mir Helfen wolltest…“ Es kostete ihr eine Menge Überwindung um das vor Dylan auszusprechen. Erleichterung und Hoffnung keimten in ihrer Seele auf, aber das drückende Gefühl in ihrem Bauch und der bittere Nachgeschmack auf der Zunge blieben. "…verdammter Narr!", fügte sie noch halb verärgert, halb amüsiert über Dylans Sturheit hinzu und ließ das Fläschchen mit dem Sprengstoff in ihre Tasche zurück wandern. Etwas klirrte leise darin. Ihr Herz zog sich leicht zusammen. DAS hatte sie fast vergessen! Lucy holte ein paar Mal tief Luft und griff nochmal in die Rocktasche und der Sternenkristall, den sie vorhin eingesteckt hatte, glühte vor Hitze. Langsam zog sie denn Stein hervor und zeigte ihn Dylan. „Dieser Kristall hier, wird die Welt verändern“, erklärte Lucy mit einem seligen Lächeln im zarten Gesicht. „Dieser Merkaba gehört dem mächtigsten Exemplar der vergangen Forschung. Sobald wir ihn >Hybrid X I-Two< übergeben können, hat euer letztes Stündlein geschlagen! Sie ist die Krone der Schöpfung und wird die verlassenen Kinder der Humanoid Demons und Prototyp Angels ins Licht führen. Mit ihr in unseren Reihen, kann uns niemand mehr aufhalten. Noch nicht mal der Herr persönlich oder gar Satan.“ Und noch bevor Dylan ihre Worte hinterfragen konnte, war Lucy Etoile in Flammen aufgegangen und von der Bildfläche verschwunden. Kapitel 14: Verletzte Gefühle ----------------------------- Ein leises Rascheln direkt im Gebüsch hinter ihnen ließ drei einsame Kinder in der Dunkelheit erschrocken nach Luft schnappen und herumfahren. Marcel hielt vor Spannung seinen Atem an und schaute mit zusammengekniffenen Augen in die schwärze der Nacht. Je länger er starrte, desto sicherer würde er sich, eine Bewegung zwischen den Blättern wahrzunehmen. „Da ist was“ zischte plötzlich Fee die neben ihm auf dem Boden saß, und ihre Finger reflexartig um Marcels Arm schloss. „Da ist WAS…. Echt jetzt!“ „Vielleicht eine Katze…“ erwiderte Marcel, als ihm im nächsten Moment auch schon die Kälte durch Mark und Bein fuhr. Ja, da war nichts weiter, als nur eine streunende Katze - Eine Säbelzahn-feuerspeiende-Dämonenkatze! Langsam stand er auf und ging mit zitterten Beinen auf die Dunkelheit zu. Scharf zog Marcel die Luft ein, als er bemerkte, wie sich wieder etwas in dem Strauch regte. „Myaaa!“ Entsetzt Schrie Marcel laut auf und verfluchte innerlich seine Zunge, die mal wieder schneller gewesen war, als sein Gehirn. Das mit der Dämonenkatze war doch nur ein SCHERZ gewesen! Sein Herz pumpte wie wild Adrenalin durch seine Adern. Er wirbelte panisch herum und verlor auf dem rutschigen, bemoosten Boden den Halt. Keine zwei Sekunden später landete mit dem Gesicht nach unten auf der Erde und spürte mit Schaudern, wie die Kälte langsam unter seine Klamotten kroch, wo sie sich dann genüsslich auf seine dampfende Haut legte. Die Blätter teilten sich, und ein Schatten erschien im schwachen Licht der Straßenlaternen. Dieses Ungetüm kam wie aus dem Nichts, erschien wenige Meter von Marcel entfernt auf dem schmalen, grasüberzogenen Weg. Einen Augenblick verharrte es reglos und starrte nur stumm auf die erschrockenen 3 Kinder. „Komm da weg!“ rief Connor hinter Marcels Rücken und seine braunen Haare wurden in diesem Augenblick, vom aufziehenden Wind zerzaust. „Uuuuu…!“ Auch Fee müsse ihre beiden Hände energisch in den Schoss drücken, damit die jähe Briese ihren Rock nicht hoch riss. Unglaublich fasziniert von der düsteren Gestalt beobachtete Marcel das Wesen, das sich allmählich zu ihm runter beugte. Plötzlich blitzen weiße Zähne in den düsteren Schatten hervor; Das Wesen grinste ihn verschlagen an. „Hi!“ Marcel biss heftig die Zähne zusammen. In diesem Moment, hätte er sich für seinen vermeidlichen Edelmut ohrfeigen können. Dennoch blickte er wieder verstohlen zu dem Schatten und musste sich zwingen, nicht vor Angst los zu brüllen. Er blieb einfach kerzengerade und schweißüberströmt auf der matschigen Erde sitzen, und atmete schwer ein und aus. „Hi?“, erwiderte Marcel tonlos. Das Wesen lachte Dunkel auf und seine Karminroten Augen sprachen Bände. Zuerst schien es, als wollte es etwas sagen, aber als es Marcels verstörtes Gesicht sah, ging das Wesen stattdessen in die Hocke. Marcel erkannte, dass die Augen rasch ihre Farbe wechselten. Aus Rot wurde Blau, und aus schwarzen Schatten formte sich allmählich ein schmaler Körper. Er versuchte die tiefe Panik, die sein Herz immer fester umklammerte, zu ignorieren. Das Wesen neigte sein Haupt zum Boden; nun saß es komplett auf den Knien im Gras. Glatte, schwarze Haare teilten sich wie ein Vorhang und zum Vorschein, kam das Gesicht eines jungen Mädchens. Nein, ihr Haar war nicht wirklich tiefschwarz, sondern funkelte im Licht der Straßenlaternen eher wie dunkles Lila. Auch das Gesicht des Mädchens war relativ attraktiv. Ihre weiße Haut und die großen, mandelförmigen Augen waren eine neue Erfahrung, für jemanden mit Null Übersee Erfahrung wie Marcel. Für ihn sah das Mädchen aus, wie eine kleine, zierliche Puppe im japanischen Alt Stil. Die weißen, trockenen Lippen bewegten sich langsam. „Marcel… Sandoje…?“, fragte dieses sondere Mädchen mit leiser Stimme. Sie neigte den Kopf wie ein Kätzchen zur Seite, das sich selbst zum ersten Mal im Spiegel betrachtete. Marcel kniff einmal kurz seine Augen zusammen und ballte seine Hände zu Fäusten. Wenn er das hier überstehen wollte, musste er sich zusammenreißen und über seinen Schatten bringen! „Der bin Ich, und wer bist Du!?“ fragte Marcel mit bebender Stimme und versuchte Selbstbewusst zu klingen. Doch das Mädchen schien nicht sehr beeindruckt. Misstrauisch musterte sie ihren Gegenüber Man konnte deutlich erkennen, dass das Mädchen ihm keine Antwort auf seine Frage geben würde. Was angesichts Marcels derzeitiger Verfassung auch kein sonderliches Unding wäre… Das lilahaarige Mädchen streckte ihre Hand aus, und berührte mit den weißen Fingern leicht Marcels Arm. Sofort überzog eine Gänsehaut seinen Körper und er blickte mit aufgerissenen Augen in die Leere. Doch dann antwortete sie flüsterten: „Mein Name ist Yu-“ Plötzlich sprangen Connor und Fee gleichzeitig in die Höhe und fuhren mit einem Ruck herum. Lodernder Zorn brannte in ihren Augen und sie durchbohrten das fremde Wesen. „Finger weg von Marcel!“, rief Connor wütend. „Und verzieh dich, du hässlicher The Ring- Verschnitt!“, schrie Fee entsetzt. Beide stürmten mit vollem Tempo auf Marcel zu und rissen ihn unbarmherzig von den schaurigen Mädchen weg. Mit roher Gewalt zerrten sie ihn zu ihrem Versteck hinter dem Brombeerbusch zurück und Fee glitt geräuschlos neben Marcel zu Boden. Connor stellte sich währenddessen schützend vor seine beiden Freunde und breitete seine dünnen Arme aus. Verunsichert sah das blasse Mädchen die drei Kinder an. Sie war verwirrt. Von solchen Kindern hatte Scarlet ihr nichts erzählt. Es dauerte einen Moment, bis sie ihre Fassung wieder gefunden hatte und sie in Connors vor Wut verzogenes Gesicht blickte. „Wer seid ihr beiden?“ fragte sie. „Ich kann sehen, dass ihr ganz normale Sterbliche seid. Warum beschützt ihr diesen Jungen? Er hat seine Seele doch sowieso schon an die Dämonen verloren. Für ihn kommt jede Hilfe zu spät! Tretet zur Seite…“ „Spar dir die Mühe! Ich weiß zwar nicht wovon du kranke Psychotusse da redest, aber Marcel hat ganz sicher an niemanden seine Seele verkauft!“, schrie Connor ihr aus vollem Hals entgegen, „Und selbst wenn es so wäre, wäre mir es egal. Er ist und bleibt mein bester Freund und ich würde ihn jederzeit beschützen! Verkriech dich doch in deinen Brunnen, und komm` nie wieder in diese Welt zurück!“ Wie ihr befohlen drehte sich die Angesprochene herum und für einen kurzen Moment blitzte die kalte Wut in ihren blauen Augen auf. Eine dunkle, rauchartige Aura umgab ihre Silhouette. Wenn sie einen Wünsch hätte, würde sie diese Kindern gerne Verletzten. Ja, ihnen so richtig weh tun… Aber sie hatte von Scarlet ihre Strikten Befehle erhalten. >Verletzte während deiner Einsätze niemals absichtlich einen Menschen – führe einfach deinen Auftrag aus, und kehrte dann Heim< So lautete ihr Oberstes Gebot. Scarlet Nemesis hatte diese Regel vor langer Zeit ins Leben gerufen. Sie war während der früheren Experimente ihre einzige Hoffnung gewesen. Und auch ihre Rettung. Scarlet hatte sogar die verwahrlosten Humanoid Demon-Schwestern von der Straße aufgelesen und ihren Dasein einen Sinn gegeben. Genau so hatte Scarlet sie selbst an die Hand genommen und ihr eine lebenswerte Zukunft geschenkt… Wie im Traum drehte sich das Mädchen zu Connor zurück, blickte an ihn vorbei und schaute Marcel in die Augen. „Ich weiß wer du bist… und ich weiß auch, -wer- deine Brüder sind. Was auch immer ihr versucht; ihr könnt Nemesis nicht aufhalten. Wir werden erst ruhen, wenn jedes Nicht-menschliche Wesen diesen Planten verlassen hat! Und deine Geschwister gehören nun mal auch dazu…“ Dann zog das blasse Mädchen einen kurzen Holzstock aus ihrer Manteltasche und schwang ihn einmal durch die Luft. Es gab einen leichten Knall und eine silberne Rauchwolke schoss aus der Spitze des Stocks empor. Keine 5 Sekunden später waren Connor, Marcel und Fee komplett von Nebel umgeben und sie sahen noch nicht mal mehr ihre eigene Hand vor Augen. „Komm zu uns rüber Connor! Das sieht gefährlich aus!“ rief Fee unter lautem Husten. Vergeblich. Connor war starr vor Schreck. Er bewegte sich keinen Zentimeter vom Fleck. Allmählich ging ihm auch noch die Puste aus. Die dicke Rauchwolke versuchte ihn zu ersticken! Innerlich schlug sich Connor die Hand vor die Stirn, aber sein Körper wollte ihm einfach nicht mehr gehorchten! So, hatte er sich seine Edle Rettung nicht vorgestellt. Nun musste er sich eingestehen, dass es irrsinnig gewesen war, so zu denken. Stattdessen stand Connor jetzt wie gelähmt hier, und ein dicker Kloss im Hals erschwerte ihm noch zusätzlich das Atmen. Sein Herz machte einen erschrockenen Sprung, als Connor plötzlich einen Schatten sah, der wenige Meter neben vor ihm stand. Er war verschwommen und kaum wahrzunehmen, aber trotzdem deutlich zu erkennen. Connor konnte das Wesen nicht direkt sehen, aber er konnte seine Anwesenheit deutlich spürte. Es sah aus wie menschlicher Umriss, der einfach regungslos da stand und ihn anstarrte. Der weiße Nebel, der alles verschlang was er berührte, enthüllte nur ein funkelndes Augenpaar… Beide Hände in Fees Klamotten vergraben drückte Marcel seine Freundin tiefer in das Gebüsch rein. Auch ihm saß die Angst im Nacken und kalter Schweiß lief über seinen Rücken. „Bleib hier!“ zischte er zu ihr und schaute sie eindringlich an. „Ich hole Connor, Mensch!“ Um seiner Wut über das leichtsinnige Verhalten von Connor Luft zu machen, schlug er mit der Faust auf den Boden und sprang dann hoch. Warum musste sich sein bester Freund unbedingt heute als Held aufspielen?! Bei dieser gefährlichen Situation spannte er sofort unbewusst seinen Körper an. In Marcels Brust begann es plötzlich zu kribbeln; augenblicklich wurde dem Jungen Schwindelich und er taumelte ein Stück zurück. Das Fühlte sich gar nicht gut an… Auch sein Kopf schien von dem eigenartigen Gefühl nicht viel zu halten und er reagierte mit wütenden Pochen und Stichen in der Schläfe. Marcel hoffte inständig dass er hier vor seinen Freunden nicht so einen komischen Schwächeanfall bekam, die ihn schon die ganzen letzten Tage immer wieder heimsuchten. Seine Hände begannen nervös zu zittern. Marcel versuchte sich davon abzuhalten seine Emotionen freien Lauf zu lassen und stürzte Blindlinks durch die Nebelwolke, anstatt ohnmächtig in sich zusammen zu brechen. „Connor!“ brüllte Marcel der Dunkelheit entgegen. Trotz der vielen Angst verspürte er plötzlich einen gewaltigen Adrenalin-kick und ein Energieschub lief seine Muskeln vibrieren. „Connor, wo bist du!?“ Von links nach rechts schweifte sein Blick, um möglicherweise irgendwo einen Anhaltspunkt von Connor ausfindig zumachen. Das fürchterliche, stechende Gefühl, das nun nicht nur in seiner Schläfe, sondern zusätzlich auch noch in seiner Brust saß, lief das Denken erlahmt. Wenn er nicht bald eine Schmerztablette bekam, würde sich Marcel hier und jetzt auf den Boden legen und nie mehr aufstehen. „Wenn ich diesen Connor gefunden habe, drehe ich ihm persönlich einen Knoten in den Hals!“ beteuerte Marcel, der die Nase gestrichen voll hatte. Dabei streckte er in die Hand aus, sodass er sich langsam im Nebel voran Tasten konnte. Eben stand Connor doch genau vor dem Gebüsch. Er konnte also gar nicht weit gegangen sein! Stille kehrte ein. „Marcel!? Hast du Connor schon gefunden!“ meldete sich Fee aus der Ferne zu Wort. „Nein noch nicht!“ rief Marcel verblüfft laut zurück, hielt sich jedoch sofort die Hand vor den Mund. Nichts regte sich jedoch im dicken Nebel; von dem Mädchen und mit ihrem Stock fehlte jede Spur. Mit wild schlagendem Herzen versuchte er, die Umgebung mit zusammengekniffenen Augen zu durchschauen - „Marcel! Marcel!! MARCEL!“ schrie Fee auf einmal voller Angst. Marcel keuchte vor Schreck auf und sein Kopf flog zurück. Sein Gesicht wurde heiß und wütend. Eine elektrisierende Spannung durchflutete jeden Teil seines Körpers. Hatte dieses verrückte Mädchen ihr Versteckt erreicht?! „FEE!“ Panisch bahnte sich Marcel seinen Weg zum Brombeerstrauch zurück und stolperte in seiner wilden hasst über ein paar Steine auf dem Boden. Er kämpfe feste und verbissen um Halt und konnte sich schließlich jedes Mal auffangen. Der Schmerz in seiner Brust war mittlerweile so heftig geworden, dass er dachte, sein Herz müsse jeden Moment platzen. Es gab einen Knall und einen lauten Schrei hinter Marcel. Aber für ihn hatte dieser Lärm keine Bedeutung mehr; der Schmerzensschrei hinter der unüberwindbaren Nebelwand spielte auch keine weitere Rolle. Rutschend lief er in Fees Richtung, sprang über weitere Steine hinweg und ein roter Haarschopf tauchte aus dem Nebel auf. „Marcel, da bist du ja!“, sagte Fee sanft und viel erschöpfter als sonst. Marcel saß, dass sich zu aller Verwirrung ein kleines Lächeln auf ihren Lippen gebildet hatte. Jedoch verstand er nicht, warum. Hinter ihrem Rücken regte sich plötzlich eine helle Gestalt. Marcels Herz machte einen Satz Richtung Magen, und er blickte ohne zu zögern in die Goldgelben Augen hinauf. Über seinen Rücken liefen ein paar Kälteschauer. Erst jetzt erkannte Marcel, dass es sich bei der weißen Gestalt um Dylan handelte, der Fee seine Hand auf ihre schmale Schulter gelegt hatte. Neben ihm saß Connor auf der Erde und atmete schwer ein und aus. Mit einer Mischung aus unendlicher Erleichterung und Erschöpfung seufzte Marcel laut auf. „Bist du okay?“ fragte Dylan und war mit zwei großen Schritten bei den blonden Jungen. Innerlich war Dylan der Verzweiflung nahe, doch nach außen hin bewahrte er seine kühle Fassade. „Wer war dieses Mädchen denn jetzt schon wieder und warum hat sie euch angegriffen? Mittlerweile kriege ich gar nichts mehr mit…! Könnt ihr mir sagen, warum ihr immer noch hier seid? Habe ich euch nicht gesagt, das ihr vom Museum verschwinden sollt?“ Erst ertönte nur ein seufzten. „Du hast nicht gesagt, dass wir Nachhause gehen sollen.“, kam es schließlich aus Marcels Mund. „Und du hast gesagt, dass du nach kommst, sobald du mit diesem Feuermädchen fertig bist. Wir haben hier die ganze Zeit auf dich gewartet, aber du hast dich nicht blicken lassen! Ich dachte schon, sie hätte dich zu Kohle verbrannt.“ Ungefähr eine Nanosekunde später nachdem Marcel seine Meinung kund getan hatte, fiel er kraftlos auf die Knie und krümmte sich auf dem Boden. Kaum lag er, schon zogen sich die Muskeln in seiner Brust unangenehm zusammen und verkrampften. Marcel umfasste seinen Bauch mit den Armen und kugelte sich zusammen. „Mir ist so schwindelig…“, verkündete Marcel und schaute mit schreckensweiten Augen zu seinen Freunden hoch. Und dabei war in den letzten Minuten kaum was Interessantes passiert; seine Umgebung fing an, sich um ihn zu drehen. Langsam glaubte er, sich einen Virus eingefangen zu haben. Dieses Energiegefühl in seinem Inneren kannte er bereits, aber mit dieser Übelkeit kämpfte er erst seit wenigen Momenten. Er wusste nur eines, sie würde ihn irgendwann in den Wahnsinn treiben! Marcel fühlte sich benommen und schwer. Er konnte mich nicht konzentrieren und bekam pochende Kopfschmerzen. Er fühlte sich fiebrig und als er seinen Kopf ein Stückchen bewegte wurde Marcel augenblicklich wieder schwindelig und kleine schwarze Punkt flimmerten vor seinen Augen auf… Nach gefühlten 10 Minuten öffnete Marcel seine Augen einen Spaltbreit und blickte in den düsteren Himmel. Es war kalt geworden, und seine Hände und Füße kribbelten unangenehm. Er musste sich unbedingt bewegen, damit er nicht fror und sich vielleicht eine Erkältung holte. Vorsichtig zog Marcel die Beine näher zum Körper und ein leichter Schmerz zuckte durch seine Brust. Langsam fuhr er sich durch sein langes, blondes Haar welches von dem vielen hin und her walzten der letzten Minuten, völlig zerzaust war. Seine Finger berührten plötzlich einen warmen widerstanden. Marcel zuckte heftig, schrie vor Angst laut auf und rollte sich blitzschnell zusammen. Sein Herz schlug mit Höchstleistungen schmerzhaft gegen seine Brust. Seine Augen tränten vor Schmerz und eine traurig wirkende Linie, verzerrte seinen vollen Mund. „Keine Angst.“, drang plötzlich eine sanfte, wohlklingende Stimme zu seinen Ohren hervor. „Du bist in Sicherheit.“ Ehe er sich versaß, drehte sich Marcels Kopf von Alleine zu der Stimme, wo ihn auch schon ein vertrautes, goldenes Augenpaar erwartet. Ein leises Seufzen entwich Marcel, als er sich bewusst wurde, wer ihn da so liebevoll anschaute. Dylan. Wer sonst. Niemand anderes konnte Marcel mit einem bloßen Blick so verzaubern, wie der Albino es grade tat. Er lag mit dem Rücken auf der Erde, und Dylan kniete neben Marcels Kopf. Marcels Blick wanderte wieder nach unten. Dylans Oberteil war von dem Kampf mit Lucy zerrissen, und offenbarte einen Teil seiner hellen Haut. Bei diesem Anblick zog sich sein Margen unweigerlich zusammen. Schmerzlich wurde ihm ins Gedächtnis gerufen, um was es sich bei seiner Entdeckung handelte. Verbrennungen. Fast schon mitleidig betrachtete Marcel die handgroßen Brandwunden, die Dylans Körper von den Schultern an, bis zu den schmalen Beckenknochen zeichneten. Die einzelnen Rippenknochen, die er erkennen könnte, stachen hervor und bohrten sich deutlich durch das helle Fleisch des Jungen. Marcel wurde sich bewusst, in was für einen elenden Zustand sich Dylan befand. Ihm war ja schon früher in der Schule aufgefallen, das Dylan von Mal zu Mal immer Mager wurde und jeden Tag schlechter aussah. Doch so zerbrechlich wie heute, hatte Marcel Dylan noch nie gesehen…! Connor und Fee saßen im Halbkreis um Marcel ebenfalls auf ihren Füßen und waren sichtlich geplättet, von so viel Vertrautheit zwischen den beiden Jungen. Ihre stillen Fragen blieben unerhört und sie warfen sich des Öfteren verstohlene Blicke zu. Ein seltener Anblick, wie Marcel fand. Sonst würde sich Connor doch niemals freiwillig in Dylans Gegenwart aufhalten. Ein selbstbewusstes Grinsen erschien für einen kurzen Moment auf Dylans Elfenhaften Gesicht, aber er schüttelte langsam, beinahe reuevoll ab. „Du starrst mich schon wieder mit diesen sonderbaren Blick an.“, kicherte er verhalten und seine Finger streichelten über Marcels Stirn. Als Dylan in seine blauen Augen blickte, begann auch Marcels Lächeln größer und kräftiger zu werden. „Sorry, aber ich kann nichts anderes. Ich bin einfach wahnsinnig froh, dich zu sehen…“ Sichtlich überrascht über seine eigene, und wohlgemerkt ehrliche Aussage, blieb Marcel für einen kurzen Augenblick das Herz stehen. „Wenn ich unmoralische Scheiße rede, kommt das nur vom Schock okay? Nimm dir das also nicht so zu Herzen.“ „Schon klar. Wie geht es dir denn? Du bist auf einmal ohnmächtig geworden und hast wie wild gezittert?“ erkundigte sich Dylan mit sanfter Stimme und prüfenden Blick. Sein Gesichtsausdruck signalisierte Marcel sofort, dass sich sein weißhaariger Freund Sorgen machte. „ Ich glaube, ich habe mir einen Virus oder so was eingefangen. Die ganzen letzten Tage ging es mir schon so schlecht. Aber es ist alles in Ordnung, wirklich. Ich werde schon wieder Gesund. Wenn ich nachher zuhause bin, lasse ich mir von Kiley ein paar Tabletten geben und dann bin ich am Montag wieder auf den Beinen!“ versuchte Marcel die Situation zu entschärfen, als er sich aufrichtete und Dylan verlegen anschaute. Doch er wusste genau, dass dies eine Lüge war, mit der er Dylan die Sorgen nicht nehmen konnte. Dafür kannten sich die beiden mittlerweile zu gut. Nein. Diese Lüge würde Dylan ihn sogar Übel nehmen; seine goldenen Katzenaugen funkelten ärgerlich und färbten sich ein wenig Orange. Ein ungewohnter Schauer durchzog Marcel, als er schließlich denn Gemütszustand des Albinos bemerkte. „Ähm… Dylan?“ „Ja? Okay Marcel… Das heute Abend war ein bisschen viel für euch, hmm? Ihr habt sicher viele Fragen auf den Herzen. Doch leider kann ich euch keine Antworten geben: ich weiß auch nichts Genaues und will auch keine Lügengeschichten in die Welt setzten.“ Dylan richtete sich auf und blickte in die kleine Runde. „Ich werde euch nach nachhause begleiten. Man kann ja nie wissen, was sich noch so Alles in der Dunkelheit verbirgt.“ Nach circa einer Stunde erreichten Marcel und Dylan schließlich das letzte Haus auf ihrer Route. Das Anwesen der Sandjoés. Die Stimmung war gut, das Verhalten der beiden Freunde entspannt. Selbst Marcel lachte und machte Späßchen über den gemeinsamen Abend. Ein verblüfftes Geräusch entwich Dylan als er auf der ersten Treppenstufe stand und grade an die Haustüre klopfen wollte. „Nanu?“, meinte er überrascht. „Ihr habt ja eine neue Eingangstüre bekommen. Die sieht ja echt ungewöhnlich aus… Ist das etwa eine Feuerfeste-Schutztüre?“ Marcel blickte betreten zu Boden. Während seiner Abwesenheit mussten Daimon eine neue Türe eingebaut haben, und er wusste nicht, wie er das erklären sollte. Nun lastete Dylans ganze Aufmerksamkeit auf ihn. Im Mittelpunkt zu stehen lag ihm noch nie, und jetzt, in dieser verzwickten Situation schon mal gar nicht. „Es gab… ein paar Zwischenfälle, Dylan. Jemand fremdes, hat sich auf unser Grundstück geschlichen und einen guten Freund von mir, und meinen Geschwister schwer verletzt. Vorgestern kam der Täter dann zurück und wollte Kiley auch an die Gurgel gehen. Glücklicherweise ist mein Bruder mit einem blauen Auge davon gekommen. Aber während des Überfalls hat der Täter die Türe und einen Großteil der Diele zerstört. Ich bin mir nicht zu 100 % sicher, aber ich könnte fast das schwören, das es dieses Feuer-Mädchen aus dem Museum war.“ „Du meinst Lucy!?“ fragte Dylan mit einer geradezu emotionslosen Miene. „Du kennst sie?“ hakte Marcel erschrocken nach. „Nein… ja… Nicht wirklich. Also Marcel. Ich weiß nicht genau wie ich es erklären soll, aber du bist nicht der einzige bei dem es in letzter Zeit, mehrere Zwischenfälle gab. Mir sind auch allerhand Sachen passiert. Diese Lucy ist kein normaler Mensch, und sie ist auch kein herkömmlicher Dämon…“ Vorsichtig und noch sehr unsicher erzählte Dylan von seinen Erlebnisse der letzten Wochen. Marcel traute seinen Ohren nicht. Er öffnete den Mund und hörte mit größtem Interesse und einer gehörigen Portion Fassungslosigkeit zu. „Und da ich grade hier bin… wollte ich fragen… ob es okay wäre… wenn ich diese Nacht bei euch bleiben könnte?“ Dylan rieb sich verlegen den Arm. „Wegen der Sache die ich dir grade erzählt habe, gab es zwischen mir und Mephisto einen Streit der heftigeren Sorte. Seitdem gehen wir uns gekonnt aus dem Weg. Aus Angst dass er sich einmischen könnte und ihm womöglich etwas zustößt, habe ich Mephisto nichts von den Drohbriefen und von dem Kampf mit Lucy erzählt. Ich habe ihn nicht nur angelogen, sondern mich vorsichtshalber von Mephisto zurück gezogen. Aber seit zwei Tagen ist er besonders schlecht drauf, und wenn ich mir auch nur einen weiteren Patzer erlaube, sieht es für mich echt schlecht aus…“ Doch Marcel war feinfühlig genug um den unsicheren Blick seines Freundes richtig zu deuten und begann verständnisvoll zu lächeln. „Natürlich Dylan, schon gut… Du kannst gerne bei uns übernachten. Aber vorher muss ich die Zwillinge um Erlaubnis fragen. Schließlich haben sie im Moment das Sagen in diesem Haus.“ Plötzlich bildete sich jedoch ein ernster Ausdruck auf Marcels Gesicht. Er richtete sich zu voller Größe auf, und blickte streng zu Dylan hoch, der Augen so groß wie Untertassen machte. „Dennoch kann ich Mephistos Reaktion nach voll ziehen. Ich habe ihn vor ein paar Tagen in der Stadt getroffen und er hat mir sein Herz ausgeschüttet. Er macht sich doch nur sorgen um dich, Dylan, und er hat bemerkt dass du ihm etwas verheimlichst. Wenn ich einen Sohn hätte, und er würde mir seine Probleme nicht anvertrauen, wäre ich ihm genauso Böse. Ich weiß, dass sich das sehr nach einer moralpredig anhört, aber ich habe für Mephisto - und jetzt sage ich mal bewusst, deinen Vater - Verständnis. “ Marcels Worte schienen sich in Dylans Gedächtnis einzubrennen, denn ausnahmsweise widersprach er nicht, und die Bestürzung war ihm an zusehen. „Ich… wollte ihn doch nur beschützen.“, versuchte sich Dylan zu erklären, doch er hatte Schwierigkeiten die passenden Argumente zu finden, um seine Reaktion zu rechtfertigen. „Das Mephisto sich Sorgen macht, war wirklich das letzte was ich mit meiner Aktion erreichen wollte.“ „Möchtest du trotzdem hier bleiben?“ erkundigte Marcel sachte. „Unbedingt! Auch wenn ich mich bei ihm entschuldige, ist es purer Wahnsinn ihn aus seinen Träumen zu reißen! Ich werde Morgen mit Mephisto reden.“ Marcel, welcher seine Gedanken zuerst geordnet hatte, hob die Hand und klopfte laut gegen die neue Stahltüre. Es dauerte einen Moment, bist sich etwas im Haus regte. Für einen kurzen Moment, überlegte Marcel noch einmal zu klopfen, doch dann ging in der zweiten Etage plötzlich das Licht an und jemand kam trampelt die Treppe runter. Ein leisen Klicken ertönte von drinnen und ein Stahlriegel wich quietschend zur Seite. Letztlich öffnete sich die Türe rückartig und ein prüfender aber zugleich auch misstrauischer Blick, traf die beiden Jungen im Eingangsbereich. „Na Hallo, wenn haben wir denn da? So spät noch unterwegs, Jungs?“ fragte Daimon relativ kaltschnäuzig in ihre Richtung. Ein eisiger Ausdruck machte sich auf seinem hübschen Gesicht breit. „Marcel, ich dachte du wolltest bei Connor pennen. Warum schleppst du jetzt diesen unterbelichteten Albino bei uns an?“ Marcel ballte die Hände zu Fäusten, als er Daimons gehässige Worte vernahm. Zugleich stieg Hitze in ihm auf, und beschämt richtete er die Augen auf den Boden. Das hatte Dylan nicht verdient! „Kann er heute bei uns übernachten, es ist dringend- “ „Das kommt gar nicht in Frage!“ unterbrach ihn Daimon unfreundlich. Völlig perplex von solch einer gereizten Reaktion, hielt Marcel kurzzeitig die Luft an. „Das ist mir doch egal wo der Bengel pennt!“ fuhr der Rotschopf in seiner wütenden Tonlage fort. „Wir sind doch kein Kinderheim, das jeden Landstreicher aufnimmt. Soll er sich doch eine Brücken suchen, oder einen Zeitungskarton wenn er ein Dach über den Kopf haben will. Hauptsache er verpisst sich von hier. Mir kommt dein Freundchen jedenfalls nichts ins Haus! Nein Marcel. Da stelle ich mich Quer!“ „Aber Daimon…!“ rief Marcel erschrocken. Er verzog schmerzhaft sein Gesicht. So verdammt ignorant, konnte doch nicht mal ein Dämon sein…! „Nichts, aber Daimon! Ich habe mich klar und deutlich ausgedrückt. Die Antwortet lautet, NEIN!“ „Wir können ihn doch nicht einfach hier draußen stehen lassen! Er erfriert doch noch…“ „Damit hast du vielleicht Recht – aber das interessiert mich nicht! In unserer Stadt gibt es genug Auffangmöglichkeiten für Ausreißer. Darum müssen wir uns nicht auch noch kümmern! Wo sind wir denn hier?!“ Ein kalter Luftzug streichelte über Marcels Rücken und die kleinen Härchen auf seinem Arm stellten sich auf. Um ihn herum wurde es still. Die Stimme seinen Bruders schien von Sekunde zu Sekunde leiser zu werden. „Schon gut, Marcel. Ich werde mir für diese Nacht eine andere Unterkunft suchen.“, sagte Dylan plötzlich und lächelte ihn unsicher an. Doch Marcel schüttelte eilig den Kopf und versuchte dabei überzeugend zu wirken. „Wenn du gehst, gehe ich mit!“ Ungläubig über das Gehörte starrte ihn Dylan an. Für einen Moment war der Albino erschreckend blass geworden. „Nein Marcel, du bleibst hier! Ich komme schon alleine klar!“ „Ich bleibe nicht hier! Ich lass dich nicht alleine auf der Straße. Du bist mein Freunde und ich werde dir nicht in den Rücken fallen.“ Schließlich konnte und wollte Daimon sich nicht mehr zurückhalten, machte einen Schritt nach vorne und packte Marcel am Kragen seines Pullovers. Dieser sah ihn allerdings völlig unbeeindruckt an als er den Kopf hob, und seinem Bruder direkt in die Augen sah. Daimon kochte regelrecht vor Wut, doch das konnte Marcel auch nicht von seinem Vorhaben abbringen. „Du hast sie ja wohl nicht mehr alle! Ist dir eigentlich bewusst, was dir dieser Kerl antun könnte!?“ fauchte Daimon ihn an und verstärkte den Griff am Hals des Blonden. „Einen scheiß werde ich dir erlauben. Was soll diese lächerliche Aktion eigentlich? Du kannst doch nicht mit diesen wildfremden Affen abhauen. Du bleibst hier bei mir, und dein Kumpel zieht leine! Ansonsten lernt er mich kennen!“ Weiter kam Daimon nicht: er spürte einen stechenden Schmerz an der Innenseite seiner Beine und wie er das Gleichgewicht verlor. Schnell machte Dylan einen Satz nach vorne, wischte Daimons Hand beiseite und packte Marcel energisch an den Armen. Mit einem schnellen Ruck zog er ihn mindestens einen Meter von Daimon weg. „Mit mir kannst du machen was du willst, aber an Marcel vergreifst du dich nicht!“ zischte Dylan leise und wütend, als sein Blick denn, des Älteren kreuzte. „Was erlaubst du dir eigentlich!?“, entgegnete Daimon zornig. „Er ist mein Bruder und ich kann machen was ich will! Du kleines Miststück hast dich da nicht einzumischen!“ Angestachelt von Dylans überraschender Aktion stürmte Daimon auf den geschwächten Albino zu, und beförderte ihn mit einem gezielten Karateschlag zu Boden. Innerhalb von einer Viertelsekunde packte er seinen Arm und drehte diesen Geschickt in die richtige Position, um den Kleinen zu fixieren. Dylan keuchte vor Schmerz auf und biss zischten die Zähne zusammen. Daimon nutzte den kurzen Moment der Ablenkung und verstärkte den Druck auf seinen Hebelgriff nur noch mehr. „Auf hören!“, schrie Marcel seinen Bruder schließlich an. „Du brichst ihm den Arm, Daimon! Lass ihn sofort los! Sofort!“ Daimon zögere kurz, und drehte sich dann zu Marcel um. Ein fataler Fehler. Hinter ihm rumpelte es plötzlich, und das Geräusch vom zerbrechenden Metall durch brach die stille Nacht. Aus dem Augenwinkel heraus, sah er gerade noch einen Gegenstand in atemberaubender Geschwindigkeit auf sich zu fliegen. Instinktiv drückte Daimon seinen Rücken durch und duckte sich. Und das keinen Moment zu früh. Das Geschoss saust nur knapp an seinem Kopf vorbei, er konnte sogar den scharfen Luftzug an der Wange spüren. Der Gegenstand schlug unter Lauten scheppern hinter Daimon ein, und bohrte sich mit beängstigender Kraft in den Boden. Erst als er ausatmete, begriff Daimon, was er dabei für ein Glück gehabt hatte. Bei dem Wurfgeschoß handelte es sich um eine zirka, einen Meter lange Stange, aus puren Eisen. Sie sah aus, wie ein Teil aus ihren Gartenzaun, der an sich dick genug war, um jemanden mühelos den Schädel ein zuschlagen. Erschrocken blickte Daimon nach unten und Dylan gab ein wütendes knurren von sich. „Ich wünschte, ich hätte dich getroffen!“ flüsterte der Albino leise während sich ein herausforderndes Grinsen auf seinem Gesicht bildete. Ächzend stemmte er sich gegen den Griff. „Das hast du getan?!“ fragte Daimon und seine Hände verkrampfen leicht. Der nächste Angriff überraschte ihn. Schnell stieß er Dylan von sich und drehte sich um die eigene Achse. Aber zu spät! Die Metallstange war bereits in die Luft hoch geflogen und sauste auf ihn zu. Daimon versuchte das Geschoss von sich wegzustoßen, verlor aber sein Gleichwicht und fiel taumelten auf den Boden. Noch während er fiel, war Dylan bei ihm. Er zuckte zusammen und gab einen schrillen Laut von sich. Dylans Gesicht war verzerrte vor Wut; weiße Reißzähne blitzen im Mondlicht und erwischten Daimons ausgestreckten Arm. Das sind keine menschlichen Zähne, dachte Daimon geistesgegenwärtig und der Schmerz ließ seinen Atem stocken, Sie sind furchtbar spitz und messerscharf. Wie Zähne eines Raubtieres! Mühsam schnappte Dylan nach Luft. Blut lief aus seinem Mund und fiel tropfend auf die Erde, wo es rote Kreise ins Glas malte. Seine roten Augen waren starr und hasserfüllt auf Daimons Gesicht gerichtet. „Dylan…?“ Es war Marcel, der die Stille durchbrach. Es klang ängstlich, verunsichert und fragend. Der angesprochene hielt inne. Der Biss lockerte sich ein wenig. Das war Daimons Chance. Eine andere würde er diese Nacht nicht bekommen, und er war entschlossen, sie zu nutzen! Er ließ seine langen, schwarzen Krallen aufblitzen und schlug mit aller Kraft zu. Dylans Gesicht flog zur Seite. Seine weiße Haut riss unter dem scharfen Hieb auf, und ein roter Blutstrahl schoss empor. Daimon hatte nicht nur seine Haut zerfetzt, sondern auch seinen Kopf einen brutalen Schlag verpasst! Es gab ein hässliches, knirschendes Geräusch. Der schmale Albino wimmerte leise und wich stöhnend zurück. Eingeschüchtert krampfte sich sein Körper zusammen. Die Augen seines Peinigers verengten sich Bedrohlich. Jeder Wimpernschlag tat weh, aber der Schmerz machte ihm glücklich, weil er Dylan zeigte, dass er noch lebte. Einem normalen Menschen hätte die Wucht dieser Ohrfeige, zweifelsohne das Genick gebrochen. „Gibst du auf…?“ fragte Daimon mit eisiger Stimme. Aufmerksam beobachtete er wie Dylan zögerlicher den Blick hob und in seine Augen sah. Dylan antworte nicht sofort. Er versuchte, mit aller Kraft nicht seine Fassung zu verlieren. Noch bevor er sich von dem letzten Treffer erholt hatte, packte Daimon seine Haare und zwang seinen Kopf erbarmungslos in die Nacken. „Einen Scheiß werde ich tun…!“ schrie der Albino ihm entgegen. „Gegen einen Schläger wie dich, werde ich ganz sicher nicht verlieren!“ Abermals brüllte Dylan auf. Seine Tränen konnte er vor Schmerz und Wut kaum noch zurück halten. Ohne auf Daimons weiteres Handeln zu achten, rammte Dylan seine Fuß in die Erde und die Steine im Boden explodierten unter seinem Gewicht, wie eine Landmiene. Eine große Menge an Kies wirbelte in alle Himmelrichtungen davon, aber beim genaueren Hinsehen entpuppte sich der harmlos erscheinende Steinwirbel, als gefährliche Waffe. Daimon reagierte schnell und verdeckte sein Gesicht mit den Armen. Die Reaktion kam keine Sekunde zu spät. An seinen Ohren hörte er das heulen des Windes und im nächsten Moment erfasste ihn der Wirbelsturm. Sogleich schlugen ein dutzend Steine, in allen erdenklichen Größen und Formen auf seinen Körper ein. Der Sturm hielt ihn eine Zeitlang gefangen und zwang denn muskulösen Rotschopf beinahe in die Knie. Nur mit Mühe konnte er sich auf den Beinen halten. Daimon kannte seinen Körper und er wusste, wie viel dieser aushalten konnte, wenn es von ihm verlangt wurde… Langsam legte sich der Wind wieder. Die spitzen Geschosse fielen so sanft zu Boden, als ob nichts geschehen wäre. Man konnte das Blut in Daimons Adern vor Aufregung pulsieren sehen, doch sonst, war ihm nichts geschehen. Von der Attacke hatte er keine Verletzungen davon getragen. Die spitzen Steine hatten noch nicht mal einen einzigen Schnitt, auf seiner Haut hinterlassen. Daimon grinste Siegessicher. „Wäre ich nicht ein Stone Face, sehe ich nun aus wie ein Schweizerkäse.“ Daimon richtete sich zu voller große auf, und klopfte sich lässig den Staub von den Klamotten. „So, und jetzt bin ich dran …!“ Die Dunkelheit legte sich wie ein schützender Schleier über Daimons Augen. Das dreckige Grinsen war bereits seit einigen Sekunden wieder von seinen Lippen verschwunden. Ein seltsames brennen breitete sich auf seine Haut aus und seine Muskeln zuckten vor Adrenalin. Langsam, begann sich der rothaarige Junge in seine Wahre Gestalt zu verwandeln… Schweißperlen brannten in Dylans Augen und er machte einen vorsichtigen Schritt nachhinten. Wie alle anderen Wesen, die jemals ein Stone Face gesehen hatten, konnte er ihr skurriles Außensehen kaum in Worte fassen. Das rötliche flackern das Daimon Umgab klang wie das Wispern einer weit entfernten Menschenmenge; ein aufgeregtes Flüstern, Zischeln und Raunen, das einem eine Gänsehaut bescherte. Dylan rieb über seine schmerzende, angeschwollene Wange und stellte mit Schrecken fest, das sich seine Haut dort, wo Daimons Ohrfeige ihn getroffen hatte, warm und uneben anfühlte. Die Panik, die ihn erfasste, als er die offene, nasse Stelle berührte, ließ ihn aufstöhnen. Das urplötzlich auftretende Gefühl von völliger Hilflosigkeit war für ihn kaum auszuhalten. Es war das erste Mal seit langem, das er sich einem Gegner so ausgeliefert fühlte. Keine Angriffe. Keine Bewegungen. Nicht einmal atmen. Mit dem Boden verschmelzen und am besten gar nicht hier sein. Dylan wünschte sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher, als Letzteres. Der Dämon, denn er nicht beschreiben vermochte, war näher zu ihm heran getreten. Dylan konnte dank seiner guten Augen, die mächtige Gestalt des Wesens allmählich erkennen. Sie hatte in ihrer Anatomie eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den Gliedern eines Menschen, jedoch war sie mit einer steingrauen, von schwarzen Flecken übersäter Haut, bedeckt. Das Gebiss trug Zähne, die eines Tyrannosaurus Rex ebenbürtig waren. Anstatt einer Nase klafften in dem Schädel an dieser Stelle lediglich zwei sichelförmige Löcher. So wie die Beine, war auch der Rest des Körpers dem eines Menschen ähnlich, wenn auch fast doppelt so groß und wohl zweihundert Kilo schwerer. Die Arme waren genauso kräftig und endeten in riesigen, säbelartigen Klauenhänden, vor denen Dylan schon jetzt beim bloßen betrachten, Panik bekam. Die Flügel der Urzeitbestie waren um ein vielfaches länger als der Rumpf und mit einer schwarzen Lederhaut überzogen, an deren Ende sich lange, Fingerartige Krallenvorsätze zu einer rasiermesserscharfen Klingenmauer an einander reihten. Der riesige Drachendämon schüttelte seinen Leib und kleine rote Funken spürten aus seinem Maul hervor. „Was hast du denn, Kleiner?“ fragte das Stone Face mit harter Stimme, die Daimons seiner kaum noch ähnelte. „Hast du noch nie einen unser Art gegenüber gestanden?“ Dylan fühlte, wie ihm der kalte Angstschweiß ausbrach. „Ehrlich gesagt, nein. Und ich bin überrascht, wie hässlich ihr doch seid. Keiner Wunder, das ihr Stone Face euch in Felsvorsprüngen und Berghöhlen verstecken müsste! Mit solch einem Aussehen, könnte ihr euch doch nicht auf die Straße wagen.“ Mephisto hatte ihm nur wenig über die Stone Face erzählt. Dylan wusste nur, dass jene dämonenischen Wesen der Legende nach, vor Jahrhunderten in den rumänischen Gebirgen und Wäldern lebten. Zu dieser Zeit, standen noch keine Menschen auf ihren Speiseplan, und sie ernährten sich von den Tieren in ihrer Umgebung. An Menschfleisch fanden sie erst später gefallen. Zu Beginn hatten die Völker in den Stone Face lediglich eine Gruppe wilder Wölfe vermutet, und manchen mutigen Soldaten angeheuert, um das vermeintliche Rudel zu stellen, das regelmäßig ihre Kühe und Ziegen verschleppte. Doch die Männer kehrten nie in die Städte zurück. Stattdessen fanden die Jäger und Bauern immer wieder Tode Tiere, auf ihrer Suche nach den Verschollenen. Zwei Monate ging es so weiter. Nichts änderte sich an der Situation. Und der Frust der Menschen stieg. Ein bis zwei Mal die Woche wurden verschiedene Tierkadaver auf den Feldern gefunden, und weiter nichts. Darunter diesmal auch Füchse, Rehe, Wildschweine, Hasen, Eulen, Katzen, Hunde und… Wölfe. Zuerst dachte das Volk, dass die Söldner sich das Geld bloß eingesteckt hatten, und über die Grenze im Norden geflohen waren. So sahen sich die Menschen gezwungen, immer mehr Jäger in die Wälder zu schicken. Langsam machte sich Unmut unter den Menschen breit. Sie wussten, dass ohne ihre Nutztiere nicht genügend Nahrung zu Verfügung stand. Denn kommenden Winter würden sie, so, nicht überleben… Erst wochenspäter, eher zufällig, wurden sie zermahlten Knochen der Soldaten von einem Wander in den Felsvorsprüngen der Berge gefunden. Eine unheimliche Decke des Schreckens legte sich über die Menschen und langsam begriffen sie, dass sie zur Jagdbeute eines unbekannten Gegners geworden war… „Wer sagt denn, dass wir auf die Straße wollen.“ knurrte Daimon und berührte den Boden sanft mit seinen Krallen. Dort, wo sein Blut vorhin eine kleine Pütze gebildet hatte, erschienen das Gras jetzt grüner und die Blumen schöner. „Wenn wir Jagen, tun wir das nur im Dunkeln. Aber im Moment ist das unwichtig. Lenkst du mich ab, weil du Angst hast?“ Das Stone Face legte sachte seinen Kopf zur Seite. „Wird das Verlangen zu schreien nicht fast übermächtig? Ich sehe, dass die Angst deinen Körper bis in die letzte Faser lähmt. Selbst wenn du wolltest, würdest du in diesem Zustand keinen Schritt weit fliehen können. Gib auf Kleiner, das hier hat keinen Sinn für dich… Ich werde dich umbringen, bevor du überhaupt auch nur an Gegenangriff denken kannst.“ Daimon grinste Dylan selbstbewusste an. Mit diesem Grinsen hätte er ihn davon überzeugen können, dass es das Beste wäre, kopfüber von einem Hochhausdach zu springen. Aber nicht davon, auf zugeben. „Du Großkotz! Ich werde dir schon zeigen, was ich…- “ Aber bevor Dylan den Satz zu Ende bringen konnte, schoss ihm die Faust des Stone Faces ins Gesicht. Sein Blickfeld zog sich zusammen, Dylans Augenlicht begann bedrohlich zu flackern. Er stand kurz davor, die Besinnung zu verlieren. Daimon machte erneut einen Schritt auf ihn zu, packte ihn am Kopf und zog ihn näher an sich ran. „Ich will dich nie mehr auf diesem Grundstück sehen, du Pisser! Wenn die Engelchen aufhören zu singen, kannst du dich davon schleppen!“ Dann rammte Daimon ihm das Knie in die Magengrube und als er sich vor Schmerz krümmte, auch nochmal ins Gesicht. Die Klauenhand öffnete sich wieder, gab Dylans Haar frei; Wie ein nasser Sandsack klappte der Albino schließlich zusammen und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem harten Boden. „NEIN!“ meldete sich Marcel aus dem Hintergrund zu Wort. Die Realität vor seinen Augen wurde durch heiße Tränen verwischt, und er schlunzte mit trockener Kehle. Daimon drehte sich um und kam langsam auf ihn zu. Kurz sah Marcel in seine glühenden Augen, und verlor sich in ihren Innern. Dann spürte er, wie der übermächtige Dämon die Hand auf seinen Kopf presste. Daimon sagte kühl: „Keine Sorge. Ich habe ihn nicht umgebracht. Er ist nur Bewusstlos. In ein paar Stunden wird dein Freund aufwachen, und das Weite suchen.“ Klick. Damit schaltete sich Marcels Verstand wieder ein. Und mit ihm, seinen Zorn. Ihre Blicke trafen sich, und das innere Feuer erreichte einen neuen Siedepunkt. „Warum hast du ihn so verletzt?!“ fuhr Marcel seinen Bruder wutentbrannt an. „Er ist doch noch ein Kind! Und er ist mein Freund. Außerdem hat er mich heute Abend schon zweimal gerettet. Das ist nicht Fair, Daimon. Du kannst ihn nicht SO hier draußen liegen lassen. Wir müssen ihn verarzten…!“ Unsanft befreite er sich aus Daimons Griff und drückte sich an ihm vorbei. Er warf einen Blick auf Dylan und seine Beine verselbständigen sich. „Du bist echt das Letzte…! Ich hätte nie gedacht, dass du so tief sinken kannst, Daimon!“ Der Angesprochene zuckte zusammen. Die Haustüre ging zum zweiten Mal auf und traf ihn mit voller Wucht ins Kreuz. Nun ähnelte Daimon unweigerlich einem kleinen Kind welches sich vor dem Monster in seinem Schrank verstecken wollte. Eine kalte Brise, strich über seine graue Haut, worauf sich zeitgleich eine deutlich sichtbare Gänsehaut bildete. Leise Schritte, kaum hörbar, ließen ihm das Blut in den Adern gefrieren… „Geh mir aus dem Weg, du Spatzenhirn!“ brüllte Kiley sauer, und schubste Daimon ohne Vorwarnung von der Treppenstufe, runter in den Dreck. „Kaum habe ich mich für 15 Minuten hingelegt, schon prügelst du ein Kind halb Tod!“ Zügig ging Kim zu Marcel rüber und schob den Blonden unwirsch zur Seite. „Und du nervst mich an besten auch nicht!“ fauchte er ihn warnend an. Langsam beugte er sich über Dylan und drehte den schwer verwundeten Jungen auf den Rücken, um sich ein Bild von den Verletzungen zumachen. Zuerst fiel Kim die große Platzwunde in seinem Gesicht auf, dann die unzähligen Verbrennungen am ganzen Körper. Auf Dylans blasser Haut konnte man jede noch so kleine Unebenheit aufs Genauste erkennen. Ein Seufzen entfloh Kiley. Er wendete enttäuscht seinen Blick ab, und richtete diesen stattdessen auf Marcel, welcher zitternd neben ihm kauerte. „Hat Daimon das getan?“ erkundigte sich Kim leise. Verdutzt stellte er fest, dass Marcel sanft seinen Kopf schüttelte. „Nicht alleine. Dylan hat mich, Fee und Connor vor einem Nemesis-Mitglied gerettet. Wir sind in Thirsks Naturkundemuseum eingebrochen. Vor wenigen Tagen hatte Connor dort ein sonderbares Geistermädchen gesehen.“ Marcel zuckte kurz zusammen, als er sah, wie sich Kileys Augen zu schlangenhaften schlitzen verengten. “Tut mir leid gewesen… Aber dabei haben wir das Mädchen auf frischer Tat ertappt! Sie wollte einen Zauberstein Klauen, erfuhr ich später. Sie griff uns an, und hätte uns wahrscheinlich auch zu Kohle verbrannt, wenn Dylan nicht eingegriffen hätte. Er hat uns Beschützt, Kiley! Nemesis ist auch hinter ihm her. Wir Alle sitzen im selben Boot. Bitte Helf ihm!“ „Kuroro hat mir von einem jungen Dämon erzählt, mit dem du seit geraumer Zeit zusammen bist. Er ist das, oder? Seine weiße Haut und Haare lassen nicht grade auf eine menschliche Herkunft schließen.“ Immer noch erschöpft von den letzten Tagen schob Kim seine Arme unter Dylans mageren Körper, und trug ihn die Treppe rauf. An der Haustüre blieb er jedoch stehen und drehte sich halb zu Daimon um, der wie festgewachsen auf seinen Hintern saß. Kims engelsgleiches Gesicht hatte sich vor lauter Zorn zu einer Grimasse verzogen und wirkte irgendwie animalisch. „Ich bin enttäuscht von dir. Wenn du dich heute Abend in dieses Haus trauen solltest, schnappe ich mir einen Baseballschläger und haue deinen Fitnessraum zu Schrott!“ Schweigend und den Moment auskosten sprang Marcel auf die Beine, und huschte durch die Eingangstüre. Wenn er etwas für Dylan tun konnte, dann musste er Kiley beim verarzten seiner Wunden helfen. Er lief in die Küche und räumte eiligst die Tischplatte frei. In eine Porzellanschüssel füllte Marcel lauwarmes Wasser, aus dem Erste-Hilfe-Kasten im Wohnzimmer holte er saubere Verbände und eine Schere. Kein einziger Laut war zu hören als Kim die Küche betrat und seine Stirn runzelte, als er die bereitgestellten Materialen erblickte. Neben denn abgeräumten Küchentisch stand Marcel und breite eine saubere Tischdecke auf der Platte aus „Was machst du denn da, Blondie?“ fragte Kim verwundert. „Na rat mal.“ sagte Marcel. Er atmete schwer. Für einen kurzen Moment schloss er seine Augen und nahm seinen ganzen Mut zusammen. „Ich möchte dir helfen. Sag mir, was ich tun muss.“ Erneut seufzte Kim auf. „Heute ist was los… Aber kannst du überhaupt Blut sehen?“ Marcel verzog minimal das Gesicht. Nein, hatte er keine Probleme mit Blut. „Klar kann ich das sehen. Ich bin doch an Vampire gewöhnt.“ Kim grinste ein wenig. Ohne weitere Zeit mit Fragen oder Festvorstellungen zu vergeuden legte er Dylan auf die Tischplatte und sah sich die Wunden genauer an. Die Brandwunden waren verhältnismäßig leicht, aber Daimon hatte dem Jungen sicher innere Verletzungen zugefügt. Er kannte die Brutale Art seines jüngeren Zwillings doch. Als Diagnose schnaubte Kim nur abfällig, entspannte seine Körperhaltung aber etwas. Das alles waren zwar ernstzunehme Verletzungen, aber keine von ihnen, sah Lebensbedrohlich aus. „Gib mir mal das Wasser, Marcel. Und ein sauberes Tuch“ Beinahe zärtlich strich Kim die weißen Haare zur Seite und säuberte vorsichtig die Platzwunde auf der Wange des Albinos. Jedes Vorurteil vergessen, betrachtete er die sanften Gesichtszüge und die roten Lippen. Schade um den Kerl, dachte Kim kurz, für einen Jungen ist er wirklich Hübsch. Völlig in seine Arbeit vertieft, bemerkte er nicht, dass Marcel ihn mit großen Augen beobachtete. In Dylans Brust erwachte plötzlich ein kehliges Knurren. „Hmmm….!“ Jammerte er mit dunkler Stimme und kniff seine Augen feste zusammen. Völlig unbeeindruckt setzte Kim seine Behandlung fort. Ein weites Mal betupfte er die Wunde mit Wasser und legte dann eine Müllbinde obendrauf. Er spürte regelrecht, wie in Dylans blinden Körper die Anspannung wuchs. „Keine Panik, Krümmel.“ Schnurrte Kim mit sanfter und beruhigender Stimme. „Ich will dir nur helfen…“ „Verarsch mich nicht!“ Wie von der Tarantel gestochen, riss Dylan seine Augen auf. In Anbetracht der Tatsache dass sich ein fremder Kerl bedrohlich über seinen geschwächten Körper beugte, erwachten in Dylan ungeahnte Kräfte, wodurch sein Adrenalin spiegel unaufhörlich anstieg. Flink rutschte der Albino ein Stück zur Seite, winkelte sein linkes Bein an, holte Schwung und schlug diesen mit dem Fußrücken voraus, in die Richtung seines Gegner, welcher die Attacke jedoch mit dem Unterarm abblockte. Angespannt hielt Dylan die Luft an. Gleich kam sicher der überraschende Gegenschlag. Aber Kim reagierte gelassen. Er schmunzelte leicht und legte Dylans Fuß sanft auf den Tisch zurück. Das Gesicht des Jungen Albinos sah noch immer verzerrt aus, doch das sollte sich bald ändern. „Ich bin Kiley Sandjoé, und wie dir der Name schon verrät, Marcels ältere Bruder. Du kannst mich aber Kim nennen. Ich bin angehender Medizinstudent und du kannst mir vertrauen, wenn ich dir helfen möchte.“ Der Blick von Dylan, welcher vor einigen Sekunden noch zum Töten bereit war, verschwand beinahe im selben Moment. Fassungslos starrte er in die Augen seines Gegenübers. Wenn das hier ein schlechter Traum war, was das kein schlechter Moment um auf zu wachen. Völlig verwirrt und halb schockiert richtete sich Dylan ein kleines Stück auf. „Kim also? Dann bist du sicher Daimons Zwillingsbruder. Marcel hat mir schon ein wenig von dir erzählt.“ „Hoffentlich nur Gutes.“ Beinahe unbemerkt griff Dylan nach der Tischdecke und zog sie an sich. Grade eben, hatte sein Verstand bemerkt, dass man ihn bis auf Unterhemd und Unterhose entkleidet hatte. Wie auf Stichwort lief er Rot an. Stille herrschte zwischen den beiden Dämonen, sie schienen sich innerhalb von wenigen Sekunden bis auf die Knochen zu Röntgen. „Und wie heißt du?“ fragte Kim und lächelte aufmunternd, auch wenn er Dylans Namen schon längst von Marcel wusste. „Dylan. Dylan Smirnow.“ Beruhigend legte Kim seine Hand auf Dylans Kopf, strich sanft über dessen weißes Haar und versuchte ihn weiterhin mit seinen Worten zu beruhigen. Es dauerte einige Momente bis Dylan seine zitterten Finger von der Tischdecke löste und sich ein klein wenig fasste. Nervös drehte der Albino seinen Kopf ein Stück in Marcels Richtung, und sah ihn fragend an. „Was ist passiert? Warum muss mich dein Bruder verarzten? Habe ich was Dummes gemacht?“ „Nein, nicht du. Aber Daimon. Ihr habt euch im Vorgarten geprügelt, und nun ja, du hast halt denn Kürzen gezogen. Daimon hat dich bewusstlos geschlagen, bevor ich irgendeine Hilfe holen konnte.“ Schnell stand Marcel von seinem Stuhl auf, setzte sich neben Dylan und schloss ihn fest in seine Arme. „Tut mir leid, Dylan! Aber alles wird gut. Kim ist wirklich fähig, und macht seine Arbeit gut. Möchtest du vielleicht etwas Trinken? Ich kann dir einen Tee machen.“ Es dauerte lange bis Dylan auf seine Frage reagierte und sie dann zögerlich mit einem Kopfnicken beantwortete. „Ich will nicht um den heißen Brei herum reden, Dylan. Die Platzwunde in deinem Gesicht ist so tief, das sie genäht werden muss. Möchtest du ins Krankenhaus zu einem richtigen Arzt, oder soll ich dich hier behandeln?“, erkundigte sich Kim freundlich und zog einen Stuhl heran. Dylan sah ihn abschätzend an. Sein Kiefer war angespannt und die Katzenaugen brannten unruhig. Der Schmerz war so schlimm, dass er Angst hatte, sich zu bewegen. Vorsichtig wagte Dylan einen Blick nach oben. „Mach du es Bitte. Wenn ihr mich ins Krankenhaus bringst, werden sie meinen Vater anrufen und das will ich nicht. Er würde sich nur unnütze Sorgen machen.“ „Verstehe.“, murmelte Kim und zog die Müllbinde vorsichtig von Dylans Wange. Die Platzwunde sah nach wie vor schlimm aus. Dylan hatte wieder seine Augen geschlossen. Er musste wirklich sehr geschwächt sein. Nachdem Kim noch mal eine grobe Reinigung beendet hatte, nahm er ein sauberes Tuch aus dem Verbandskasten und tränkte es mit einer klaren Flüssigkeit. „Das ist nur ein normales Hautdesinfektionsmittel. Es kann aber sein, das es brennt. Zieh bitte nicht deinen Arm weg, sonst könnte es passieren, das ich dich ausversehen Kratze.“ Beunruhigt zuckte Dylan zusammen. Vom Geruch des Octenidins wurde ihm schlecht und in seinen Ohren konnte er das Blut rauschen hören. Er merkte, dass seine Miene vor Schreck erstarrt war, und versuchte seine Züge zu entspannen. Als Antwort nickte Dylan lediglich. „Braver Junge.“ lobte Kim lächelnd und begann behutsam die Wunde abzutupfen. Einige Sekunde vergangenen, dann entfuhr Dylan ein tiefes, warnendes Knurren. Immer wieder bildeten sich neue Brusttropfen und quollen heraus. Plötzlich versteinerte sein so eben entspanntes Gesicht aufs Neue. Er zuckte zusammen, als Kim irgendetwas in seinen Arm bohrte und er einen stechenden Schmerz spürte. Aber wollte sich auf keinen Fall zimperlich anstellen. Im Grunde genommen hat es gar nicht weh, er merkte nur ein leichtes Ziehen im Gesicht und versuchte das Gefühl der aufkommenden Übelkeit zu ignorieren. Ein dumpfes Gefühl breitete sich in seinen Körper aus, welcher Augenblick den stechenden Schmerz ablöschte. „Wie schaffst du das eigentlich?“ murmelte Dylan und hefte seinen Blick konzentriert auf die Tapete. Wenn er mit Kim redete, konnte er sich wenigstens von der Situation ablenken. „Du bist doch zur Hälfte ein Vampir. Mir kommt es unmöglich vor, wie viele Jahre Kampf und Schmerz es dich gekostet haben muss, bis du diesen Drang so mühelos beherrschten konntest! Macht der Geruch des Blutes nicht wahnsinnig vor Durst?“ „Ach, nicht sehr.“ Teilte Kim ihm wahrheitsgemäß mit. Er zuckte die Schultern, aber seine Hände blieben ruhig. „Ich war so oft bei Daimons Prügeleien dabei, dass mich der Geruch schon gar nicht mehr stört. Und wenn ich dieses Verlangen so gut unter kontrolliere habe, warum soll ich meine geschärften Sinne denn nicht benutzen, um den Menschen zu helfen? Aber ich habe auch mal eine Frage an dich, Dylan; du bist einer von -Uns- warum heilt deine Verletzung so langsam?“ Erschrocken sah Dylan auf, als er Kim ernste Stimme und seinen stechenden Blick im Nacken bemerkte. Ihm stockte der Atem und Dylan biss sich sachte auf seine Unterlippe. Er hasste es, wenn ihn jemand Fremdes auf diese Tatsache ansprach. Okay, er musste zugeben dass seine Wunden im Vergleich zu anderen Dämonen wirklich langsamer heilen, aber dafür brauchte sich ein Stone Face, wie Kim es war, nicht zu interessieren. „Ich bin eben nicht wie andere Dämonen…“ knurrte Dylan Marcels älteren Bruder schließlich an, bevor er seinen Blick von ihm abwendete. „Ich nicht als solcher Geboren, und verfüge nicht alle Fähigkeiten.“ Auf sein Geständnis folgte keinerlei Reaktion. Kim zog die nächste Naht und konzentrierte sich auf seine Hände. Für einen Dämon war er ein sensibler Beobachter, und er las in den meisten Menschen wie in einem offenen Buch. Doch Dylans Reaktion beunruhigte ihn dann doch ein wenig. Denn er nahm mehr wahr, als nur den bloßen Schock. Die Augen eines Lebewesens gereichten ihm als Fenster zur Seele, und durch diese sah er, wie die innere Blüte des Albinos mit jeden Moment an Kraft verlor. „Meinst du… ob eine Narbe zurück bleibt?“ fragte Dylan leise. All die neuen Eindrücke überforderten seinen geschwächten Verstand und Körper. Die Art, wie geschickt und schnell Kim seine Finger bewegte, hypnotisierte ihn ein wenig. „Ich glaube nicht. Dafür ist die Wunde zu Oberflächlich. Würde es dich denn ernsthaft stören?“ „Hmm, nein eigentlich nicht. Aber dann müsste ich meinem Vater erzählen, was in der letzten Zeit geschehen ist. Er weiß noch nichts von den Kämpfen mit Lucy und ihren Drohbriefen. Ahhh, wenn ich daran denke, dreht sich mir sofort der Margen um. Ich würde für die nächsten 50 Jahre Hausarrest kriegen.“ Als Dylan einen besonders fiesen Nadelstich spürte, rückte er unbewusst ein Stück von Kiley weg. „Entschuldige, wenn ich dich so Blöde von der Seite zu Quatsche. Aber wenn ich rede, kann ich mich leichter von der Nadel ablenken…“ Kim zog eine Augenbraue fragend nach oben. „Sag doch sowas nicht! Für meine Freunde spiele ich andauernd den Kummerkasten. Ist dein Vater denn so streng, dass er dir diesen ganzen Kummer bereitet?“, fragte er mit ruhiger Stimme und zog Dylan wieder zurück. Dylan wusste nicht so recht was er darauf antworten sollte. Der Ältere hatte Recht, sein kühles Verhalten gegenüber Mephisto lies wirklich nicht darauf schließen das in letzter Zeit, alles in Ordnung war. Bestimmend schüttelte er seinen Kopf. „Nein, an sich ist er ganz locker. Aber er macht sich immer, und sofort sorgen um mich, wenn irgendetwas schief geht. Manchmal glaube ich, er hat einen kleinen Kontrollzwang.“ „Hmm…“, murmelte Kim, und dachte dabei im Stillen an Jeremy. Seufzend schloss er langsam seine Augen und ein leicht betrübtes Lächeln erschien auf Kims hübschem Gesicht. Es hat weh, an ihn zu denken. Langsam taste er mit seinen Finger die frische Naht ab. Er vermisste Jeremy. Sehr sogar… „So. Fertig.“, merkte Kim an und klopfte Dylan freundschaftlich auf die Schulter. „Gut gemacht. Du warst sehr Tapfer. Ich wünsche mir, dass meine Zukünftigen Patienten auch so mutig sind.“ „Ich bin auch fertig!“, rief Marcel vom Herd aus und stellte eine Tasse mit dampfenden Tee auf den Küchentisch. Dankend nahm Dylan die Tasse in die Hand und zog den Duft der frisch gebrühten Kräuter ein. „Sehr gut…“ lobte er lächelnd, bevor er sich einen großen Schluck Tee genehmigte. Währenddessen kramte Kim wieder in dem Erste-Hilfe-Koffer nach weiteren Materialien. Er holte weitere Verbände hervor und schnitt sie mit der Küchenschere zurecht. „Dylan? Du kannst schon mal dein Oberteil ausziehen. Jetzt möchte ich mich um deine anderen Verletzungen kümmern. Die Verbrennungen befinden sich im 1. Grad, maximal im 2. Grad. Aber ich will kein Risiko eingehen, und dir trotzdem einen Desinfizierenden Verband anlegen. In diesem Grad ist die Wunde sehr Infektanfällig, und muss unbedingt vor Krankheitserregern Geschütz werden.“ Dann drehte er sich zu Marcel um. „Würdest du mir einen Gefallen tun? Könntest du draußen mal nach Daimon schauen? So langsam mache ich mir sorgen. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er tatsächlich draußen bleibt, und finde es für seine Verhältnisse ungewöhnlich ruhig… Aber bleib im der Nähe vom Haus, verstanden?“ „Ja klar, mach ich!“, versicherte Marcel seinem Bruder schnell. Unweigerlich entfloh ihm ein leises Seufzen. Nicht nur sein Körper, sondern auch sein Verstand, schien sich über diese Bitte nicht sonderlich zu freuen, und bereitete ihm eine unangenehme Gänsehaut. Einen wütenden Daimon von Angesicht zu Angesicht gegenüber zustehen, war nicht grade die Klügste Aktion seines Herren. Für ihn war dies das schlimmste Omen überhaupt! Gestresst ließ Marcel seinen Kopf nach vorne fallen, vertuschte seinen Unmut mit einem grinsen, und verschwand aus der Küche, ehe ihn jemand auf die Schielche kam. Eilig lief er nach draußen und schaute sich von der Treppe aus, im finsteren Vorgarten um. Vergebens. Von Daimon war weit und breit nichts zuzusehen. „Wo ist dieser Starrkopf…“, murmelte Marcel leise und drehte den Kopf in alle Richtungen. Immer wieder tasteten seine Augen über die einzelnen Grasflächen, als erhofften sie sich, etwas zu finden, was sie zuvor übersehen hatten. Doch so Oft und so genau Marcel auch schaute; die Rasenfläche war und blieb wie leer gefegt. „Daimon!?“ rief er verzweifelt der Dunkelheit entgegen. Langsam ging er die Treppe runter und machte eine kleine Runde im Garten, wobei er sich bemühte die unterschiedlich großen Blutflecken am Boden nicht so genau anzuschauen… Wo könnten Daimon nur hingegangen sein? War er vielleicht in die Stadt gegangen um sich bei seinen Freunden aus zu heulen? Oder würde er dort nur einen armen Teufel suchen, an dem er seine angestauten Aggressionen auslassen konnte? Daran wollte Marcel lieber nicht denken… In seinen Gedanken versunken suchte Marcel noch einmal das gesamte Grundstück ab, als ihm plötzlich eine ungewöhnliche Delle im Boden auffiel. Zögerlich ging er mit kleinen Schritten näher. Es war keine Delle; Er war ein Fußabdruck. Aber kein normaler Schuh könnte so einen außergewöhnlichen Abdruck hinterlassen. Der Fuß so groß wie ein Mülleimerdenkel und besaß 3 lange, dünnen Zehenglieder. Das Tier, das diesen Abdruck verursacht hatte, war für ein Wesen aus ihrem Wald definitiv zu schwer. Kein Jäger, der so viel Masse am Leib trug, konnte an diesen Ort Leben ohne zu verhungern, da ihm seine Beute sofort bemerken würde. Dinofüße, schoss es Marcel unweigerlich durch den blonden Kopf, oder eher… Drachenklauen. Er hob den Blick und saß das die Spur in den abgelegenen Wald hinter dem Haus führte. Von Jeremy wusste er, das dort drüben zwischen den Bäumen irgendwo Kuroros Zuhause versteckt lag. Wie ein Werwolf wohl so lebte? Als Marcel so daran dachte, schämte er sich plötzlich dafür, dass er Kuroro noch nie danach gefragt hatte. Sachte wehte der Wind, der Mond strahlte und brachte eine unheimliche Kälte über das Land. Marcel fröstelte. Er zog seinen Pullover über die klammen Finger mit dem Wunsch dass diese bald wärmer wurden. Kims Mahnung nicht vom Haus weg zugehen spukte noch in seinem Gedächtnis umher, aber Kim sagte auch, er solle nach Daimon schauen. Und wenn Daimon im Wald war, so musste Marcel dort rein um ihn zu finden… Wirr fielen ihm die Haare ins verschwitze Gesicht; die feinen Spitzen seiner Stirnfransen nahmen Marcel die Sicht, oder stachen ihm heimtückisch in die blauen Augen, als er mit seinen Füßen über den glitschigen Waldboden rutschte. Er hatte große Schwierigkeit voran zukommen und verhedderte sich nicht nur einmal im Gebüsch, wo er dann mehrere Minuten stehen bleiben musste, um sich aus den knorrigen Ästen seiner Wiedersachen zu befreien. Ein leichter Schweißfilm hatte sich über seinen ganzen Körper gezogen, die Tropfen liefen klar über seine helle Haut, bevor sie in der Wolle des Pullovers verschwanden und sich zu ihren Brüdern gesellten. Marcel putze sich den Schweiß von der Wange und wünschte sich mittlerweile eine 5 Liter Wasserflasche. Ausnahmsweise war sein Gesicht mal nicht Kreidebleich, sondern stark gerötet. Punkt 1. Das der kleine Trip durch den Wald so angesprengten wurde, hätte er sich nicht träumen lassen. Punkt 2. Wie, zum Teufel, konnte Kuroro in dieser trostlosen Einöde nur wohnen? Ein langes seufzten schlich sich über Marcels Lippen, bevor er sich den lästigen Schweiß aus dem Augen wischte. Wenn er Daimon in diesen Urwald gefunden hatte, würde er ihn erstmals zur Schnecke machen… Grade als er die Hoffnung aufgeben wollte, lichteten sich die einzelnen Bäume. Nach weiteren 100 Metern trat Marcel schließlich aus dem trüben Dickicht hervor, und fand sind auf einer märchenhaften Lichtung wieder. Mit einem Mal waren die ganzen Anstrengungen der Reise vergessen. Der Anblick verschlug den schmalen Jungen die Luft und mit einen andächtigen Staunen, blieb er stumm stehen. Obwohl es stockfinster war, strahlten die einzelnen Bäumen, die Kreisrund am Fuße der grünen Wiese Wuchsen, wie Taghell. Überall duftete es nach Blumen und eine angenehme Brise strich Marcel die nassen Haare aus dem Gesicht. Dass es so etwas Schönes hinter ihrem Haus gab, wusste Marcel bis zu diesen Zeitpunkt noch nicht. Langsam, fast ehrfürchtig ging er durch das weiche Gras, durch die bunten Blütenbänke und blieb vor einen schwindelerregend hohen Baum stehen, dessen gewaltige Krone einen fast alles umschließenden Schatten auf die Rasenfläche warf. Der Stamm des Riesen war so enorm, dass Marcel nicht mal die Hälfte mit einer Umarmung hätte erfassen können. Sein Blick wanderte kurz über ungewöhnliche die Umgebung und blieb an etwas unnatürlichen hängen… In dem feuchten Boden entdeckte Marcel weitere Fußabdrücke die gradewegs zu einen Erdloch unten den dicken Wurzeln des Baumes führte. Marcel schluckte kurz. In dieses Loch würde grade mal ein Kind mit seiner Statue reinpassen, aber kein 3 Meter hoher Urzeitdrache… Unter seinen Fingern bröckelte die feuchte Erde ab und auch seine Knie rutschten ständig weg. In einer seichten Neigung ging es steil Bergab. Langsam aber sicher wurde der Gang so schmal, dass Marcel noch nicht mal einen Katzenbuckel formen konnte, ohne an die Decke zustoßen. Ständig bildete er sich ein, dass die Erde unter seinen Fußen weg brechen und er in die Tiefe stürzen würde. Marcel gab alle Kraft die er noch zu Verfügung hatte. Trotz der Angst vor den Regenwürmern und der Dunkelheit robbte er sich weiter nach vorne. „Wenn sich Daimon hier versteckt, fresse ich einen Besen. “, murmelte Marcel wieder und wieder vor sich hin. Irgendwann gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und seine Griffe in das lockere Erdreich wurden sicherer. Da war jetzt Gras, an dem er sich entlang ziehen konnte, nur fühlte es sich nicht an wie Gras, sondern wie… borstige Haare. Er erreichte den Scheitelpunkt der Höhlenparabel, danach ging es aufwärts. Ein schmaler Streifen natürliches Licht traf Marcel Gesicht, unwillkürlich verengten sich seine Pupillen wieder. Er konnte seine pechschwarzen Hände sehen und musste kurz an Jeremy denken und wie er ihn anschreien würde, wenn er Marcel so dreckig sehe. Doch selbst nach diesem Gedanken sehnte er sich nach seinen großen Bruder. Wahrscheinlich mehr denn je. Es wurde heller und heller, bis er das Ende des seltsamen Gangs erreichte. Das weiße Licht einer runden Kugel, die an einer dünnen Schnur befestigt von der Decke baumelte, empfing Marcel als er das nach 15 Minuten muffiger Grabluft ins Freie trat. Unter seinen Füßen spürte er, dass sich die Erde weicher anfühlte und jeden seiner langsamen Schritte dämpfte. Verblüfft stellte Marcel fest, dass er sich in einer Unterirdischen Wohnung befand, die ihm im ersten Moment leicht an eine Steinzeithölle im Neu Stil erinnerte. Sollte er rein gehen? Zaghaft setzte Marcel einen Fuß vor den anderen, und die lockere Erde sorgte dafür, dass er lautlos wie ein Tiger war. „Daimon…?“, wisperte Marcel leise gegen die Dunkelheit. Eine angenehm warme Brise wehte ihm gegen die linke Wange und brachte die Erinnerung an ein Lagerfeuer im Freien mit sich. Rechts von Marcel standen ein paar Steinstühle und ein schwer Tisch in einer losen Gruppe zusammen. Marcel drehte den Kopf in Richtung der Brise, wobei seine Sicht etwas verschwamm. Keine 5 Meter von ihm entfernt befand sich ein Mannshohes Loch in der Wand, die den Jungen in einen weiteren Raum führte. Sogleich wurde es wärmer und Marcel vernahm ein brodelndes, rasselndes Geräusch aus der Finsternis. „Bist du das Daimon?“ fragte Marcel zum wiederholten Mal. Auf sein Rufen erfolgte jedoch keine Reaktion. Auch nach weiteren Versuchen, blieb es Mucksmäuschen still im Raum. Entweder wurde Marcel von niemanden gehört, oder aber gekonnt Ignoriert. „Wenn du mich erschrecken willst.“, knurrte Marcel zähneklappernd vor Angst. „Brülle ich denn ganzen Wald zusammen…“ „Versuch´s doch mal…“, flüsterte eine tiefe Bassstimme aus der Finsternis und Marcel sah, wie ein rotes Augenpaar unheimlich aufleuchtete. Den grauen, unförmige Steinklumpen denn Marcel bis vor wenigen Augenblicken, noch für einen deplatzierten Felsen gehalten hatte, erwachte plötzlich zum Leben und streckte sich genüsslich. Nach einem brüllenden gähnen, schüttelte das riesige Ungetüm seine schwarzen Flügel, um sie so der rieselnden Schmutz zu befreien und sah mit trüben Augen zu Marcel rüber. Selbst unter den Alphadämonen war Daimons wuchtige Gestalt einzigartig. Als Stone Face war sein Körper ein einziger Berg aus Muskeln und mit den dolchartigen Zähnen konnte er leicht größere Felsen zerbeißen. „Was willst du hier?“, zischte Daimon nicht grade freundlich von seinen Schlafplatz aus, und ließ seinen gezackten Schweif gefährlich nah neben Marcels Füße einschlagen. „Geh nach Hause. Ich will dich hier nicht sehen!“ Marcels Blick glitt einen Moment lang ziellos durch den Raum. Trotz der Erleichterung Daimon endlich gefunden zu haben, machte sich ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend breit. „Wo sind wir hier, Daimon?“ „Das ist Kuroros Unterschlupf. Und jetzt zieh Leine!“ antwortete Daimon streng und die Kälte in seiner Stimme, durchschnitt die Luft wie eine Rasierklinge. Obwohl Marcel seinen Blick Stur auf die Umgebung gerichtet hielt, bemerkte er wie das Stone Face ihn mit seinen glühenden Augen anstarrte. Er spürte, wie Zorn in ihm hoch stieg, gab sich aber alle Mühe seine Emotionen im Zaun zu halten. „Ich bin nur hier weil mich Kiley geschickt hat. Er fand es sonderbar das du dich an seine Bitte gehalten hast.“ „Bitte?“, spottete Daimon verächtlich und spannte kurz seine ledrigen Flügel an, bevor er sie wieder über seinen Rücken zusammenschlug. „Das war keine Bitte, sondern eine Drohung. Aber da du nun deine Aufgabe erfüllt hast, kannst du wieder abhauen. Sag Kiley das ich erst nach Hause komme, wenn er denn Albino raus geschmissen hat.“ „Was hast du eigentlich gegen Dylan?!“, wollte Marcel entzürnt wissen und musste sogleich einen weiteren Routenschlag ausweichen. „Nur weil dir mal jemand gesagt hat, dass du dich nicht immer wie das letzte Arschloch aufführen darfst!“ Vor der plötzlichen Wut in Marcels Stimme zuckte Daimon innerlich zurück. Er sah ihn eine Zeitlang schweigend an und presste dann ein gekünsteltes Lachen raus. „Als ob mich die Worte von solch einen kleinen Pisser irgendwie berühren würden. Ich kann es einfach nur nicht ertragen, wenn sich solch ein voreingenommener Bengel in meiner Bude breit macht. Ich habe doch mit eigenen Augen gesehen wie sich die Hälfte der Schüler vor seine Füße geschmissen hat, als wären sie bloß dumme Bauern.“ Verärgert ballte Daimon seine Krallenhand und ließ seinen Kopf schwer, mit einem erschöpften Ächzen auf die Unterarme sinken. „Wenn du weiterhin mit ihm abhängst, darfst du dir bald auch eine neue Bleibe suchen. Zu wenn hältst du eigentlich? Zu diesem Typen, oder zu deiner Familie?“ Marcel tat dies mit einem Brummen ab. „Höre ich da etwa Eifersucht aus deiner Stimme heraus?“ „Tzz~ Als ob!“, versicherte Daimon und schnaubte angeberisch vorauf sich eine kleine Stichflamme vor seinen geblähten Nüstern entfachte. Wie konnte Marcel nur so dumm sein, und Gefallen an diesen heuchlerischen Albino finden? Es war Daimon wirklich ein Rätsel. Er schüttelte leicht die rote Mähne. Wenigsten war ihm die Frisur nach seiner Verwandlung geblieben, und das freute den Drachendämon. Immerhin musste er schon auf sein heißgeliebtes Lippenpiecring verzichten. „Ich find es trotzdem scheiße das du ihn so fertig gemacht hast. Er ist immerhin noch ein Kind und dazu mein Freund. Die ganze Zeit hat er uns 3 vor Nemesis beschützt und als Dankeschön schlägst du ihn zusammen!“ Daimon lief sich keine Emotion anmerken und zückte gelangweilt seine Schultern. „Na und? Bild dir darauf mal nichts ein. Er wollte dir sicher nur imponieren und sich in einem guten Licht darstellen.“ „Mag ja sein.“ Marcel schob sich seinen Pullover über die Ellenbogen. In Daimons Nähe herrschte eine Backofenähnliche Hitze und Schweiß trat aus all seinen Poren. „Nichtsdestotrotz hat er sich für uns eingesetzt. Ich kenne niemanden, außer vielleicht Kuroro, der das für unsere Familie tun würde.“ Langsam näherte Marcel sich dem Platz seines Bruders, schob dessen Schwingen ein kleines Stück zur Seite und legte sich still schweigend neben ihn, so wie sie es damals auch zu dritt oder zu viert taten, als sie alle noch jünger waren und sich um Jeremys Nähe zankten. Daimon schnaubte resigniert, als er den plötzlichen Druck an seiner Seite spürte und knurrte mit zusammen gebissenen Zähnen. „Was soll das werden, he?! Hab ich nicht gesagt, das du nach Hause sollst!“ „Doch, aber ist es mitten in der Nacht und ich traue mich nicht alleine zurück.“ „Ach was! Alles faule Ausreden! Du bist auch her gekommen als es Dunkel war! Jetzt tue doch nicht so scheinheilig. Auf den Weg zurück wirst du schon nicht von Bären gefressen.“ Marcel ignorierte den Stich der Kränkung in seiner Brust und drehte Daimon Kopfschüttelnd den Rücken zu. Immer wieder hallten die gemeinen Beleidigungen seinen Bruders durch seine Gedanken und dröhnte so laut in seinen Ohren, dass es ihn Mühe kostete, nicht das Gesicht zu verziehen. „Du bist echt ein Ekelpaket…“ wisperte er kleinlaut gegen seine Finger. Das Gehörte ließ dass Stone Face aufhorchen. In Zeitlupentempo zog Daimon seine Augenbraue nach oben und musterte Marcels zitterten Rücken kritisch, ehe er ihn sanft mit den Krallenspitzen berührte. Auch wenn der Kleiner ihn mit seinem Verhalten grade den letzten Nerv raubte, zwang er sich zur Ruhe um das folgende Laut auszusprechen. „Hab ich dich… hab ich dich zum Weinen gebracht?“ Seine Vorahnung bestätigte sich, als ihm der Geruch von Salz in die empfindliche Nase stieg. „Nein!“, schlunze Marcel wenig überzeugend und biss sich auf die zitternde Unterlippe. „Ich bin nur Müde. Halt deine Klappe und lass mich schlafen!“ Daimon kicherte grollend und leicht amüsiert. Dennoch legte er die Arme um seinen kleinen Bruder und drückten diesen sachte an sich heran. Ein leicht erschrockener Ausdruck legte sich im selben Moment auf Marcels Miene. Eine warme Hand strich vorsichtig über seine Stirn und sein Körper begann zu vibrieren. Marcel konnte es sich nicht genau erklären, aber es bereitete ihm Unbehagen Daimon so nahe zu sein, andererseits schaffte er es auch nicht, sich aus der Umarmung zu befreien. „Wie kannst du nur Lachen während ich hier weinend neben dir liege?!“ Marcel hätte am liebsten geschrien, Daimon seine tief verletzten Gefühle Offenbart, aber seine Stimme zitterte so stark das sich seine Tonlage zu einen erbärmlichen wimmern verzog. Sein schmächtiger Körper krümmte sich unter gewaltigen Tränenschüben zusammen. „Ich bin dir doch scheiß sowieso egal! Also nimm deine dreckigen Pfoten von mir weg und… und…“ Mitten im Satz brach Marcel plötzlich ab und senkte den Kopf, sodass seine Haare schützend über seine verweinten Augen fielen. Dieser Tat folgte ein verzweifeltes seufzten, welches er nicht länger Unterdrücken konnte. Verstand Daimon den wirklich gar nichts von seinen Gefühlen, oder besaß er einfach nur eine stark eingeschränkte Empathie? Marcel verzog den Mund noch mehr, und fühlte sich trotz des lebendigen Vulkansteins im Rücken kalt und allein gelassen. Das Lachen war Daimon schon längst vergangen. Mit zusammen gepressten Lippen schaute er auf Marcels Hinterkopf und hörte schweigend zu, was dieser ihm alles Vorwarf. „Weißt du eigentlich wie sehr ich mir wünsche, dass du mich endlich akzeptierst? Fast täglich überlege ich, was ich tun kann damit wir uns besser verstehen, aber ich finde einfach keine Antworte darauf und das macht mich sehr Traurig. Aber natürlich siehst du das alles nicht, und behandelst mich weiterhin wie das letzte Stückchen Dreck auf der Erde. Du beleidigst mich, stellst mich vor meinen Freunden bloß, schlägst mich und drohst mir Prügel an, wenn ich mich gegen deine ganzen Gemeinheiten wehre!“ Es zerriss ihn beinahe das Herz, als Marcel seinen lang angestauten Kummer endlich Luft machen konnte, und er stumm in der Dunkelheit auf Daimons Reaktion wartete… Kapitel 15: Die Macht der kleinen Worte --------------------------------------- Mit schnellen Schritten und einem glühendheißen Gesicht machte sich Lucy auf den Weg zur der stillgelegten Schokoladenfabrik, in der seit kurzen ihre neue Familie und gleichzeitig Anführerin Scarlet Nemesis wohnte. Das vertraute Gefühl von Angst machte sich in ihrer Magengrube breit, als sie wenige Minuten später über das abgelegene Gelände der Fabrik lief. Lucy wusste ganz genau, dass es hier nur so von wilden Hunden wimmelte. In der Nähe war nämlich eine große Müllhalde von der manch einer der Tiere ausbüxte, und sich hier ein schönes Leben machte. Dumm nur, dass niemand von ihnen wusste dass sie ein paar neue Nachbarn bekommen hatten, die ihnen nicht nur regelmäßig die Beute weg fraßen, sondern auch mal gerne einer von ihren Rudelmitgliedern. In der Tat war die kleine Kamila nicht grade wählerisch, was Fleisch anging. Wie und woher sie es bekam interessierte das junge Mädchen nicht im Geringsten. Hauptsache es war Fettig und eiweißhaltig. Dicke Schweißperlen tropften von ihrem Gesicht als Lucy das Eingangstor der Fabrik hinter sich ließ und einen Fuß über die magische Grenzline setzte, die Scarlet rum um ihr Versteck gezogen hatte, um andere Lebewesen auf Abstand zuhalten. Der Geruch von Verwitterung und toten Tieren verschlug ihr für einen Moment den Atem und sie wünschte sich, umkehren zu können. Aber das war ein Ding der Unmöglichkeit: Ohne ihre Familie war Lucy aufgeschmissen. Die Dämonen würde sie verfolgen und ohne mit der Wimper zu zucken, zu Hackfleisch verarbeitet. Also, bloß schnell weg von hier ehe sich Lucys Mittagessen auf den Weg Nachdraußen machte. Nicht darüber nachdenken und einfach weiter gehen, mahnte sie sich und öffnete eine unscheinbare Türe, die in einer schwarzen, kahlen Wand eingelassen war und an diesen Ort sehr desplatziert wirkte. Mit einer Hand fuhr sich Lucy flüchtig durch ihre halblangen Haare und hoffe so, ein wenig Ordnung in ihre struppige Mähne zubekommen, bevor Yukiko ihr deswegen wieder einen bissigen Kommentar reinwürgte. Mit der anderen zupfte sie noch ihre rote Schleife zu Recht, und zog den weißen Faltenrock grade. Das monotone Summen der eingebauten Klimaeinlage begrüßte Lucy als sie die Wohnung betrat, ansonsten blieb alles Still. Außergewöhnlich still. Sie sah nach rechts und links; Weder in der Küche, noch im angrenzenden Wohnzimmer war jemand zusehen. „Hallo…?“ rief sie unsicher, leise. „Scarlet? Yukiko? Seit ihr da?“ Nichts. Keine Antwort. Entweder wurden ihre Rufe ignoriert, oder wirklich nicht gehört. Das Apartment schien wie ausgestorben. Ein kleines seufzen der Erleichterung kam über die Lippen des 13-jährigen Mädchens. Allem Anschein nach, war sie heute alleine zu Gast in der Schokoladenfabrik. Sie lächelte ein wenig, als sich Lucy auf das dunkle Ledersofa im Wohnzimmer niederließ und den Schwarzen Plasmafernsehen einschaltete. Man konnte es glauben oder nicht, aber für eine Killer-gruppe die nichts gegen einen Kampf auf Leben-und Tod einwenden hatte, herrschte absolute Ordnung und fast peinliche Sauberkeit in der gesamten Wohnung; Kein bisschen Staub, alles Tipp top gepflegt, moderne Ausstattung und sogar geschmackvolle Dekorationen auf Schränke und Tische verteilt. All diese vielen kleinen Details zeigten dass ihre Anführerin großen Wert auf Disziplin und Hygiene legte. Grade wechselte Lucy das Programm zu einer dieser Telenovela Sendungen am Nachmittag, als sie ein leises Atmen ganz in ihrer Nähe vernahm. Ihre Nackenhaare sträubten sich, als sie den Kopf nach hinten drehte. Sofort zog sie die schmalen Schultern hoch, als erwartete sie einen Schlag aus dem Nichts, der sie Treffen und zufalle bringen würde. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen sah sie dass die Türe am Ende des Raumes, einen spaltbreit offen stand, während Dunkelheit aus ihren Inneren sickerte. Wie frisches Blut aus einer geöffneten Wunde, schoss es Lucy ein wenig sarkastisch durch den Kopf. Tatsächlich rechnete sie mit so etwas oder dergleichen, denn dies war das *Esszimmer* der Nemesis. Jetzt erst recht nervös stand sie auf und ging mit wackeligen Beinen zu der Türe und drückte sie Millimeter für Millimeter weiterer auf. Bei den ersten Lichtstrahlen die in den abgedunkelten Raum drangen, sah Lucy eine schmale Gestalt auf der zweiten Couch, diesmal in Sandfarben, liegen. Eingerollt wie ein kleines Baby im Mutterleib. Diese Pose würde vielleicht bei jedem anderen Wesen einen schutzbedürftig und niedlich Eindruck erwecken, doch leider hatte sie bei dieser Person nichts von der ungetrübten Reinheit eines ungeborenen Kindes an sich. Nein. Ganz im Gegenteil: Yukiko wirkte eher wie ein schlafender, bösartiger Drache in seiner Höhle. Auf den ersten Blick hätte sie die verschollene Schwester des kleinen, verfluchten Mädchens aus >The Ring< sein können, denn genau wie das unheimliche Wesen aus dem Film, waren ihre langen Haare dunkel, und grade geschnitten. Wenn Yukiko dann auch noch die Augen öffnen würde und sich dieses hochmütige und gemeine grinsen auf ihre schmalen Lippen schliche, stände sie seiner Zwillingsschwester Samara Morganin in nichts mehr nach. Langsam gewöhnten sich Lucys Augen an die unnatürliche Dunkelheit und sie ging leise zu der Couch um Yukiko vorsichtig an den Schultern zu rütteln. „Hey…“ wisperte sie. Aber ihr Gegenüber schlief ohne Reaktion weiter. Je länger sie da stand umso nervöser wurde Lucy. Aber eigentlich war sie immer nervös wenn Yukiko sich irgendwie unnatürlich verhielt. Im Allgemeinen verhieß das nichts Gutes. Hatte ihr Gehirn mal wieder einen kranken Plan ausgehegt, um sie oder einen anderen Mitbewohner an die Wäsche zugehen? Es war kein Geheimnis mehr, das Yukiko sich eher für Mädchen interessierte, anstatt für gewöhnliche Jungen. Lucy wusste nicht was grade in Yukiko vorging, war sich aber im Klaren, dass sie es jeden Moment erfahren könnte. Ihr Blick ruhte also wachsam auf das schmale, aber Attraktive Gesicht des schlanken Mädchens in der Embryostellung. Ihre Haut war Cremefarbend und zwei schmale Streifen unter je einem Auge liefen in einer waagerechten Line über ihr Gesicht. Nichts an Yukikos äußerem Erscheinungsbild (und vor allem ihren Essgewohnheiten) verleugnete ihre Nichtmenschliche Abstammung. Erst recht nicht die zwei weißen Engelsflügel auf ihren Rücken, noch der hellstrahlende Heiligenschein über ihren Kopf. Der Fakt, dass Yukiko kein normaler Mensch war sondern ein waschechter Prototyp Angel, lag demnach klar auf der Hand. Sie machte sich aber auch nicht die Mühe um ihr wahres Ich vor den Menschen zu verstecken, sondern nutze jede Gelegenheit, ihnen ihre Macht unter die Nase zu reiben. Fast schüchtern setzte sich Lucy neben Yukiko und bettete das Kinn nachdenklich in ihren Handflächen. Sie starrte sie immer noch ohne zu blinzeln an. Lucy schluckte schwer; bis jetzt war sie ihr noch nie so nahe gekommen... Ihre Mundwinkel zuckten leicht, und für einen kurzen Moment verspürte Lucy das heftigen verlangen Yukio eine verirrte, lila Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Erschrocken von ihren eigenen Gedanken keuchte Lucy auf. Sie wusste ganz genau, dass wenn Yukiko von der Berührung aufwachte, diese Tat direkt als Liebesbotschaft ansehen würde. Doch jetzt grade im Schlaf sah sie viel freundlicher aus, immer noch furchteinflößend, aber nicht mehr so bösartig wie vorher. Eigentlich war Yukiko sogar sehr hübsch, aber der lodernde Zorn gegenüber den Dämonen und den Menschen machte sie so kalt, wie schwarzes Eis. Ein tiefes Knurren ertönte plötzlich in der Kehle des Prototyp Angels und Lucy sprang mit einem gewaltigen Satz auf die Beine. Ein Schauer durchfuhr Yukiko wie ein Blitz: Die einzelnen Hautschuppen ihres Körpers richteten sich der Reihe nach auf. Scharf und Angriffslustig schossen sie in die Waagerechte, wie bei einer Schlange. Im Allgemeinen besaß Yukiko sowieso viele Eigenschaften von diesem schaurigen Tier; Listig, Klug und zweifellos tödlich. Dann natürlich die rauche Schuppenhaut und die langen Reißzähne die bei Kontakt einen lähmenden Mix auf Schlaf – und Betäubungsmittel absonderten. Unentschlossen tänzelte Lucy vor dem Sofa rum, während sie darauf wartete, das Yukiko vollständig erwachte. Und lange ließ sie das Blauhaarige Mädchen auch nicht mehr zappeln. Mit einem Ruck riss sie die Augen auf, und linste ein wenig benommen zu Lucy rauf. „Hi Süße, wie Spät ist es?“ fragte sie mit noch schlaftrunkender Stimme. Eine Fahne von getrockneten Blut und alten Fleisch wehte Lucy entgegen. Sie sah das Yukiko einen weißen Verband um den Kopf trug. „Gleich 16.30 Uhr…“, antwortete Lucy und unterdrückte das flaue Gefühl in ihrem Magen. Nicht mehr viel und sie würde Yukiko ohne Reue auf den Teppich Kotzen. „Mann Yukiko, was hast du eigentlich gegessen? Du stinkst ja schien wie ein Metzger!“ „Sorry Lucy, aber nach der letzten Nacht war ich besonders Hungrig... Heute Morgen habe ich mir ein ganzes Pfund Hackfleisch in die Hals geschoben.“ „Ist ja besser als Hundekeule.“, bemerkte Lucy trocken und verschränkte leicht die Arme vor der Brust. „Wie geht es Kamila heute?“ Die 16-Jährige Yukiko rollte sich auf den Rücken und atmete lange aus um den Rest des Schlafes abzuschütteln. Ein paar Sekunden blieb sie noch regungslos auf der Couch liegen und hielt die Augen geschlossen. Dann, mit einer einzigen fließenden Bewegung saß sie Kerzengrade und schaute Lucy herausfordern an. Ihr hübsches Gesicht verwandelte sich von der einen, auf die andere Sekunde in Stein. Etwas Seltsames lag in ihrem Blick. Etwas Gefährlich Seltsames. „Wo warst du eigentlich den ganzen Tag?!“, fauchte sie Lucy an. „Deine Schwester hat die ganze Zeit nach dir gefragt! In ihrer Trauer hat sie ganze 3 Scheiben Panzerglas zerstört. Wenn das so weiter geht, sind wir bald Pleite.“ Lucy schluckte geräuschvoll. Sie wusste, dass ihre Schwester Kamila seit langem an physischen Problemen litt, und sie ihre Fähigkeiten bei heftigen Emotionen nicht mehr Kontrollieren konnte. Aus eben diesem Grund mussten sie Kamila auch von der Öffentlichkeit isolieren, und sie in einer Zelle unterhalb der Schokoladenfabrik sperren. Unter anderen Umständen konnte man ihren zerstörerischen Fähigkeiten keinen Einhalt gebieten. „Entschuldige. Das Treffen mit diesen Jungen hat mich sehr mit genommen. Er hat sich geweigert zu Kämpfen, und wollte mir sogar zu einem normalen Leben verhelfen.“, gestand Lucy leise brachte aber wenigstens den Mut auf, Yukiko in die Augen zuschauen. Eisblaue Seelenspiegel und eine rote Bindehaut, bohrten sich wie Messer in ihre Eigenen. „Für wenn hält dieser Typ sich eigentlich?! Nur weil sein Papi eine große Nummer in der Unterwelt ist, heißt das nicht, dass er sich als Held aufspielen darf. Was weiß dieser kleine Bengel schon von den Grausamkeiten dieser Welt?“ Lucy nickte und lief knallrot an. Das erste Mal in ihren Leben spürte sie so richtig, wie die ihr die ungebremste Wut ins Gesicht schoss. „Natürlich kann er uns nicht verstehen!“ zischte sie zustimmend. „ Sonst würde er nicht so einen Hirnlosen Bockmist erzählen. Ich könnte Kotzen wenn ich daran denke, dass ich ihm fast geglaubt hätte. Der will uns doch nur alle Verarschen, und beweisen was er für ein toller Kerl ist!“ „Das ist Richtig!“, pflichtete Yukiko ihr bei und stieß ihre Faust in die Luft. „Beim nächsten Mal schlagen wir ihn Tod! Ihn, und die anderen Dämonen von denen Scarlet erzählt hat.“ „Du meinst Mephisto und die Stone Face? Den Werwolf hab ich schon erledigt. Eine Sorge weniger. Der kann uns nicht mehr gefährlich werden. Aber…“ „Aber…?“, hackte Yukiko interessiert nach, als Lucy nicht Anstalt machte weiter zureden. „Ach nichts… ich frage mich nur, wie es weiter geht und ob Alles wirklich so läuft wie Scarlet sagt, wenn wir erst mal Remira erweckt haben.“ Wie von Geisterhand, und ohne sich ihre Reaktion selbst erklären zu können, setzte sich Lucy neben Yukiko und lehnte den Kopf gegen ihre Schulter. „Außerdem habe ich Angst das Kamila für immer in dieser verdammten Zelle bleiben muss. Sie ist doch noch so klein, und hat es nicht verdient in Gefangenschaft zu leben!“ „Ich weiß. Das fände ich auch schrecklich.“ Yukiko ließ ihren Kopf vorsichtig auf Lucys sinken. „Aber ich bin mir sicher das Remira als Krönung unsere Species eine Lösung für dieses Problem findet. Sie besitzt Kräfte, von denen wir alle nur träumen können.“ „Woher wissen wir eigentlich, dass dieser Hybrid uns wirklich hilft? Gibt es dafür irgendeine eine Garantie? Wenn Remira erfährt das Avalon Tod ist, wird sie sich vielleicht von allen Abwenden und ihr eigenes Ding durchziehen. Dann wären auch wir Humanoid Demon und ihr Prototyp Angel Geschichte!“ „Wir sprechen hier aber von Remira! DER REMIRA?! Sie ist niemand der ihre Leute hintergeht. Du erinnerst dich wohl garnicht mehr an Sie, hmm?“ Kommentarlos stimmte Lucy zu, mit einem leicht betrübten Ausdruck im Gesicht, bevor sie doch den Mund aufmachte. „Das ist jetzt schon mehrere Jahre her! Damals war ich noch ein kleines Kind, und zudem mit Kamila beschäftigt. Ich erinnere mich nur noch daran, das Remira hell blonde Haare hatte und ein rotes Kleid trug, das ihr das Aussehen einer Prinzessin verlieh. Und ich glaube, sie hätte Flügel… aber meine Erinnerung ist verschwommen.“ „Genau. Und orange Augen, die grell Leuchten.“ Die beiden Mädchen sahen sich an und nickten leicht. Zusammen fiel es ihnen leichter ein Bild von Remira herauf zu beschwören. Vor mehreren Jahren, bevor Mephisto dem Mädchen ihren Makaber entriss und ihre Seele in ein Gefäß sperrte, lebte sie bei den Nemesis. Aber eines Tages fand der Teufel sie, und wollte ihr als letztes, lebendes Exemplar der mächtigen Hybrid-Reihe ein Ende setzten. Der Plan ging auf; Remira verlor alles was sie besaß; ihren Makaber, die Quelle ihrer Kraft und ihre Seele. Der Körper verbrannte Mephisto zu Asche, aber diesen konnten ihre Freunde Notfalls ersetzten, sobald sie die anderen beiden Teile zusammen hatten. Und genau das war Scarlets großer Traum; sie wollte Remira, ihre beste Freundin und heimlicher Star, wieder um sich haben und mit ihr die überflüssigen Dämonen von der Bildfläche putzen. Erst dann konnten sie in Frieden leben, und nie mehr befürchten das ihren welche Kranken Wissenschaftler ein Experiment mit Menschlichen Versuchskaninchen machte. „Ich werde mal nach Kamila sehen.“, raunte Lucy und stand von der Couch auf. Sie betrachtete Yukiko noch einmal aus dem Augenwinkel, und lächelte sie an. „Ruh dich aus. Unser nächstes Zusammentreffen mit den Dämonen wird sicher heftig. Nachdem ich eins der Stone Face fast gekillt hätte, werden sie sicher vorsichtiger sein.“ Langsam stieg Lucy die morsche Treppe zum Kellner hinunter, und rammte ihre spitzen Fingernägel in die feuchten Wände um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. In dieser Enge konnte sie unmöglich Fliegen und würde sich nur Verletzten, weil sie sich in Scarlets Energiefelder verfing, die diese zum Schutz errichtete hatte. Die Feuchtigkeit fand den Weg durch ihre Kleidung und Lucy fröstelte es. Sie verfluchte diesen verdammten Keller! Sie verfluchte auch diese beschissene Fähigkeit die ihre kleine Schwester unterwarf, und sie zu einer tickenden Zeitbombe machte. Wie gerne würde sie mit Kamila tauchen, ihr ihre Macht schenken und sich diesen sturen Makaber in die Brust rammten. Mit ihr würde es der Stein nicht so ein leichtes Spiel haben, und er müsste sich Lucys Willen irgendwann beugen. Da war sich die blauhaarige Feuerbändigerin sicher. Bei ihr würde es anders aussehen. Aber Kamila schaffte es nicht; sie war schwächer, und der Makaber machte mit ihr was er wollte. Allerdings war es nicht immer so gewesen. Kurz nachdem Lucy und Kamila nach langen Jahren der Gefangenschaft aus der Forschungseinrichtung flohen, konnte die Kleine ihren Fähigkeiten ohne Probleme einsetzten. Sie erwies sich sogar als sehr mächtiger Humanoid Demon, und beschützte die große Schwester oft vor Feinden. Abrupt hielt Lucy in ihrer Bewegung inne. Nach kurzen zögern ging sie weiter und ließ ihre Gedanken schweifen. Mit 9 Jahren floh sie mit Kamila und lebte mehr als 2 Jahre als Obdachlose Kinder auf der Straße einer großen Stadt, an dessen Name sie heute nicht mal mehr wusste. Flammen schossen aus Lucys Haut und knallen zischend gegen die feuchten Wände, als sie ihre Wut runter schluckte; sie musste sich beherrschen, durfte nicht wieder wie letztes Mal im Kampf mit diesen Albino in ihrer Gedankenwelt versinken. Sie schloss die roten Augen, versuchte ihre Atmung zu kontrollieren und sich über diese chaotischen Empfindungen klar zu werden, die diese längst vergangenen Erinnerungen in ihr auslösen. Sie wollte diese Zeit endlich vergessen, und nach vorne blicken. Einen halben Tag zuvor… Frustriert betrachtete Marcel sein Gesicht im Spiegel des neuen Garderobenschranks, als er leise die Eingangstüre hinter seinen Rücken schloss und die Diele betrat. Verdammte Tränen. An den rot geschwollenen Augen würden Kiley sofort erkennen, das er wieder mal geheult hatte. Und Verdammter Daimon, der ihn mit seinen Gemeinheiten mal wieder Quälen musste, weswegen er auch so traurig wurde. Eigentlich wollte Marcel nur etwas Gutes tun, als er sich vor ein paar Stunden auf die Suche nach seinen älteren Bruder machte, aber dieses Vorhaben scheiterte dann gründlich an Daimons ungezügeltem Temperament. Aus der Küche vernahm Marcel ein leises Geräusch. Er horchte gespannt auf. Dass Kim zu dieser späten Zeit noch wach war, wunderte ihn sehr, da sein zweiter Bruder in den vergangen Tage nur wenig Schlafen konnte, da er ständig unter Stress stand. Erst musste er Kuroro versorgen der eines Mittags im Wald angegriffen wurde, dann befand sich Kim überrachenderweise selbst in der Opferrolle und heute, beziehungsweise gestern Nacht, behandelte er denn zusammen geschlagenen Dylan im Haus. Marcel stand unschlüssig im Flur rum. Konnte er dem labilen Teenie-Dämon in solch einer geschwächten Verfassung unter die Augen kommen, oder würde er sich hier nur die nächste Abfuhr abholen? Ich glaube nicht, dass er mich mit blöden Fragen löchert, dachte Marcel und konnte nur mit Mühe seine aufkommende Panik unterdrücken. Natürlich war dies nur Wunschdenken. Kiley würde ihn bis aufs Blut ausquetschen! Auch wenn er nicht so gewalttätig wie sein Zwillingsbruder Daimon war, so saß Kims Zunge doch auch recht locker. Marcel warf noch einen verzweifelten Blick in den Spiegel und der Junge mit den blonden Haaren, und den viel zu großen Augen sah ihn mitleidig an. Mach schon, schien sein Spiegelbild zu flüstern, dann hast du es hinter dir und kannst dich in dein Bett verkriechen. In der Hoffnung, halbwegs Normal auszusehen strich Marcel seinen Pony ins Gesicht und verdeckte die rote Bindehaut mit den Spitzen, bevor er in die Küche ging. „Kiley…? Noch wach?“ Der Angesprochene drehte sich halb um und verstaute mit einer schnellen Handbewegung eine Teetasse im Küchenschrank. „Hi.“ Erwiderte Kiley monoton. Der kalte Glanz, der in seinen Augen zum Vorscheinen kam, erinnerte Marcel an eine Pistolenkugel. Trotz des Tagelangen Schlafentzugs sah Kim mit seiner kurzen, schwarzen Strubelfrisur und den dunkel umrandeten Augen einfach umwerfend aus. Marcel konnte nicht anders als ihn eifersüchtig anzustarren. Wie machte Kiley das bloß? Marcels mühevoll errichteter Schutzwall verpuffte innerhalb einer Sekunde. „Wie siehst du denn aus?“, fragte Kim spöttisch und musterte ihn aufmerksam. „Hast du dich auf die Fresse gelegt oder warum siehst du so aus, als ob du Maulwurf gespielt hättest?!“ „Ich…ähm… weißt du…“ Fiebrig suchte Marcel nach den passenden Worten und lief rot an – Hilfe, wie peinlich! Langsam veränderte sich Kims Gesichtsausdruck. Sein ohnehin schon dünner Geduldsfaden zitterte und er sah seinen kleinen Bruder eisig an. Schlecht gelaunt fielen Kims Mundwinkel nach unten und er schnalzte kurz mit der Zunge, worauf hin Marcel nach Luft schnappte. „Wo warst du die letzten 2 Stunden?“ Kims Laune sank auf Kellerebene. „Ich hab dir doch verboten vom Haus weg zugehen, und was machst du? Verpisst dich einfach sobald ich dich aus den Augen lasse. Naja, aber was will man schon von einem einfachen Menschen erwarten…? Sag mir lieber ob du Daimon gefunden hast?“ Marcel schob sich eine blonde Haarsträhne hinters Ohr und bemühte sich, sich nicht von dem schwarzhaarigen einschüchtern zulassen. „Gefunden habe ich ihn, aber will nicht her kommen solange Dylan bei uns ist.“ Verächtlich zog Kim die Augenbrauen hoch und seine Mundwinkel folgten indem sie sich zu einem bösen Grinsen verzogen. „Dann bleibt er wohl heute Nacht draußen.“ Es lag auf der Hand das das Thema Daimon hiermit vom Tisch war. Unglücklicherweise schien Kim das meckern immer noch nicht leid zu sein, und taxierte stattdessen wieder Marcel. „Und du gehst jetzt am besten in dein Zimmer und legst dich hin. Ich bin heute wirklich nicht mehr in der Stimmung um mich mit dir zu beschäftigen. Gute Nacht.“ Marcels Knie wurden mit Lichtgeschwindigkeit weich und er stieß ein eingeschnapptes brummeln aus. „… Danke Marcel, dass du so nett warst und den gesamten Wald für mich nach diesem Schläger Daimon abgesucht hast. Tut mir leid das ich so zickig bin, aber ich bin total übermüdet.“ Widerstrebend lauschte Kim dem Gehörten. Seines Rotes und Goldenes Auge zogen sich bedrohlich zu ein paar Schlitzen zusammen, die angriffslustig in seinem makellosen Gesicht glitzerten. Das Marcel ihn grade bis auf den letzten Nerv provozierte, war ihm mehr als nur Bewusst. Etwas in seinem inneren fühlte sich glühendheiß an und er schlucke lautlos. Unter anderen Verhältnissen hätte er Marcel nun mit einem gezielten Flammenschoß in Asche verwandelt. „Vielleicht hast du Glück und ich bin morgen besser drauf.“ Ein kleines Lächeln lag auf Kims blutleeren Lippen. „Oder du hast Pech und ich schleich mich diese Nacht in dein Zimmer, wo ich dir dann im Schlaf den Schädel zerschmettere…“ „Toll.“, zischte Marcel und drehte die blauen Augen zur Decke. Offen gestanden hätte er vor Angst am liebsten das Weite gesucht, anstatt Kim Kontra zu geben. Aber diesen Triumph wollte Marcel ihm nicht gönnen, auch wenn seine miese Laune an diesem Tag vielleicht berechtigt war. „Du hattest auch schon mal bessere Beleidigungen auf Lager…“ Gut, das klang schon mal Selbstbewusster. Marcel fühlte sich schon etwas wohler in seiner Haut, und auch ein wenig Mutiger als zuvor. Aber… Scheiße! Noch mehr solcher Frechheiten und es würde Hiebe vom Himmel regnen! Mein Gott, heute war wirklich nicht sein bester Tag. Erst ärgerte er Daimon, und jetzt Kiley...? Das ist keine gute Idee, teilte ihm sein Verstand mit, die machen dich Platt! Aber wenigstens machte er Marcel einen besseren Vorschlag, und ließ ihn nicht in der Luft hängen: Nimm deine Beine in die Hand, und lauf!! Die kalte Angst in seinen Herzen bewegte sich und Marcel lief ein Schauder über den Rücken. Fröstelnd rieb er über seine dünnen Arm, bevor er sich in die Höhle des Löwen begab und den gesenkten Blick hob. Als sich ihre Blicke kreuzen, spürte Marcel wie die Luft brannte. Verlegen räusperte er sich und drehte sich auf den Fersen um. . „Sorry… Ich geh ja schon hoch. Aber sagst du mir noch, wo Dylan ist?“ Die Stirn in Falten gelegt antwortete Kim; „ Er schläft schon. Ich habe ihn Jeremys Zimmer gegeben. “ „Okay, bis Morgen…und danke…“ „…wofür?“ fragte Kim ohne einen Funken von Freundlichkeit in der Stimme und starrte Marcels Rückseite an. Wieder trat eine kurze Atempause ein. Wieso brachte er Marcel nur so aus der Fassung? Lag es an seinem unverschämt guten Aussehen, oder an seiner entwaffnenden Schlagfertigkeit? „Das du mir… und Dylan geholfen hast.“ „Nichts zu danken. Du bist mein kleiner Bruder.“ Schon klang Kim viel sanfter, aber vielleicht auch eine Spur belustigt. Wegen der Kälte in seinen schmalen Augen ließ sich dies schwer beurteilen, und so schlurfte Marcel mit hängenden Schultern die Treppe rauf. Der Montagmorgen empfing die Menschen in Thirsk nass und stürmisch. Auf den feuchten Straßen waren an diesen Morgen wenige Leute unterwegs. Man sah nur ein paar vereinzelte Jugendliche, die sich mit ihren Schultaschen auf den Weg in die Schule machten. Ein Windstoß fegte um die Ecke und Marcel stopfte die schwarz lackierten Fingernägel in die engen Hosentaschen seiner dunkelroten Röhrenjeans. Seufzend warf er einen Blick auf seine Handyuhr und stellte fest, dass er noch knapp 30 Minuten bis zum Beginn des Unterrichts hatte. Ein trauriges Lächeln legte sich auf seinen rosafarbenden Mund, als Marcel mit zusammen gekniffenen Augen in den trüben Himmel sah. Heute Morgen nahm er einen extra frühen Bus damit er vor Schulbeginn, nochmal mit Dylan über die Ereignisse der letzten Wochen reden konnte; Über Nemesis, Lucy Etoile- den Flammenmädchen, und den Drohbriefen die Dylan von ihr bekommen hatte. Aber von dem Albino fehlte jede Spur. Na super, dann war er also umsonst früh ausgestanden. Na gut, er musste gestehen das Dylan auch nichts von seinem Plan wusste, und er einfach mal auf gut Glück her gekommen war. Während er so dar stand, und hoffte das die Zeit schneller verging, ließ Marcel die Nacht von Samstag auf Sonntag noch mal Revue passieren, und kam sich allmählich ziemlich dämlich vor. Bestimmt lachten sich Kim und Daimon grade Löcher in den Bauch. Sie wussten dass Marcel nicht sehr schlagfertig, dafür aber sehr sensibel war. Gehässig genug waren die beiden dazu. Unwillkürlich bekam Marcel eine Gänsehaut. Nicht zu fassen, das er sich tatsächlich Sorgen um die Beiden gemacht hatte. Sein Mitleid zerplatzte wie eine übergroße Seifenblase. Kim mochte vielleicht sehr kühl und arrogant erscheinen, doch mit Recht – in seinen jungen Jahren besaß er schon viel mehr Selbstdisziplin als Gleichaltrige, und Dummheit war ihm zuwider. Marcel grummelte missmutig. „…hätte Kim doch mal mehr von Jeremys Charakter, anstatt von Daimons abbekommen.“ Nach einer Weile klingelte die Schulglocke und symbolisierte somit, dass der Unterricht gleich beginnen würde. Auf den Weg zu seiner Klasse bemerkte Marcel eine Nachricht von Fee im Posteingang, die ihm fragte wo er sei. „Bin schon unterwegs. Wir sehen uns später.“ Schrieb er ihr zurück und verstaute sein Handy wieder in der Hosentasche. Soviel er wusste, hatte sie heute zur selben Zeit Schulbeginn, und würden sich damit in der großen Pause sehen. Er war so in seinen Gedanken vertieft dass er gar nicht die flinke Person bemerkte, die wie von einer Tarantel gestochen über den Gang flitze. „Wah!“, rief jemand laut aus, und ehe Marcel wusste wie ihm geschah, fühlte er sich plötzlich mit den Fußboden konfrontiert. Verwirrt blinzelnd, und leicht angepisst hob er den Blick und entdeckte – eine Portion Zuckerwatte. Was?! Perplex klappte ihn der Mund auf. Die klebrige Süßigkeit bewegte sich und ein paar violette Steine erschienen aus dem Nichts. „Uh… Tut mir leid.“, sprach die Person und rieb sich mit Schmerz verzehrtem Mund den Hals. „Ich hab dich nicht gesehen. Bist du verletzt?“ Aufgeregt schluckte Marcel seine hoch gekommene Galle runter und wurde sogleich rot, als er das Gesicht des Mädchens erkannte, das halb auf ihn drauf lag. Das war Roxanne Anderson, oder wie ihre Freunde sie nannten, Hikari. Sie war ein ausgesprochen hübsches Mädchen mit Rosa Wuschelmähne, einen großen, schlanken Körperbau und besaß zudem ein sehr attraktives Gesicht, mit hohen Wangenknochen. Ihre großen Augen erinnerten an den Edelstein Amethyst, besonders, wenn dieses aufgeweckte Leuchten in ihrem Inneren erschien. Sie war zwar kein Überflieger in Sachen Sport oder Intelligenz, aber alle Schüler mochten Hikari. Die Lehrer schienen großes Vertrauen in ihr zu setzten, und so wurde sie letztes Jahr zum Schülersprecher gewählt. Doch obwohl sie eine Berühmtheit war, konnte man ganz normal mit ihr Umgehen und Reden. Hikari rappelte sich auf und zog Marcel gleichzeitig auf die Beine. Inzwischen waren einige Schüler stehen geblieben und verrenkten sich neugierig die Hälse. Verlegen knete Marcel seine Hände und wollte grade an dem Mädchen vorbei stürmen, nur um im nächsten Moment von ihr am Kragen festgehalten zu werden. „He, warte doch Mal. Nicht so schnell! Du bist doch Daimons kleiner Bruder. Erinnerst du dich noch an mich? Wir haben uns damals beim Karatetraining kennengelernt.“ Der Blondhaarige schluckte schwer. Er spürte wie die Haut auf seinem Gesicht warm wurde. Die fragenden Blicke seiner Mitschüler bohrten sich unangenehm in seinen Nacken, und machten Marcel nur noch Nervöser. Als er den Mut aufbrachte sie anzusehen, strahlte Hikari ihn Warmherzig an, und bemerkte, wie er zugleich noch eine Nuance verlegener wurde. „Du… du bist Hikari, oder? Eine von Daimons Schülerinnen.“ Sie nickte lächelnd. „Genau die. Und… dein Name war… irgendwas mit >M<. Entschuldige, aber ich kann mir wahnsinnig schwer Namen merken.“ „…ich heiße Marcel.“ „Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein.“, grinste Hikari und lief die nervigen Blicke ignorierend neben Marcel her. „Wie geht es dir eigentlich? Bei den letzten Karatestunden warst du nicht mehr dabei. Ist das doch nicht der richtige Sport für dich?“ Er starrte auf seine Schuhspitzen und überlegte eine Weile. „Ich denke nicht, nein. Das ist mir einfach zu Brutal.“ „Du meinst wohl, Daimon ist dir zu Brutal.“ Jetzt konnte Marcel sich nicht mehr zurückhalten und musste schließlich auch leicht grinsen; es sah dabei aber wehmütig und auch irgendwie enttäuscht aus. „Oder so.“ „Mach dir keinen Kopf darum. Irgendwann findest du schon die Sportart, die dich ausfüllt… Hallo Zicke.“ Sie blieb neben einer Gruppe Jugendliche stehen und legte die schlanken Hände auf die Schultern eines muskulösen Jungen. Dieser drehte sich zugleich um, und taxierte Hikari mit forschem Blick. Bei diesem Exemplar von Schüler handelte es sich um den allzeit gut aussehenden Basketball-crack, Gunnar Di Lauro, der auf dem Gymnasium ebenso beliebt war, wie Hikari. Marcel kannte diesen Jungen zwar nicht persönlich, aber sein selbstbewusstes, etwas hochmütiges Lächeln schüchterte ihn ein. Gunnar umgab eine glänzende Aura, und die Mädchen lagen ihm zu tausenden zu Füßen. „Da bist du ja, Schnecke.“, flötete der 19-Jährige. „Und diesmal sogar in Begleitung…“ Marcels Mundwinkel zuckte kurz. Erschrocken, von der plötzlichen Bemerkung suchte er Schutz hinter Hikaris Rücken. Er biss sich auf die Unterlippe und sah mit bangem Blick zu Gunnars Gesicht hoch. Er musste zugeben, dass der junge Basketballspieler wirklich gut aussah… Er war sicher so groß wie Daimon und ebenso Trainiert wie dieser. „Das ist Marcel Sandjoé.“, erklärte Hikari seelenruhig. „Sandojé, sagst du?“ In Gunnars Gesicht flammte auf einmal Interesse auf. „Er heißt Sandjoé, so wie die Zwillingsbrüder? Hey Blondie, sind die beiden etwa deine Geschwister?“ Nickend stimmte Marcel zu. „Er ist ein bisschen Schüchtern. Also sei lieb zu ihn, oder du kriegst es mit mir zu tun.“, mahnte Hikari ihren Freund mit funkelnden Augen. „Ja ja schon klar. Aber wow, das flasht mich jetzt irgendwie total. Daimons kleiner Bruder hätte ich mir nie SO vorgestellt. Er sieht den Zwillingen aber auch kein bisschen ähnlich, oder? Die sind ja so unterschiedlich wie Tag und Nacht.“ Wieder ergriff Hikari für Marcel die Partei und zuckte lässig die Schultern. „Ist doch egal, wie er aussieht. Er muss doch auch nicht so eine Kante wie Daimon sein… So wie er ist, finde ich ihn eigentlich ganz knuffig.“ Sarkastisch hob Gunnar eine Braue an. „So? Mutterkomplexe?“ „Schon möglich.“ Es sah so nicht aus, als ob Hikari das irgendwie unangenehm wäre. Fürsorglich legte sie den Arm um Marcels Nacken und drückte ihn kurz, aber energisch an ihre Brust. „Bis dann, und pass auf dich auf.“, flüsterte sie ihm mit warmer Stimme zu und ließ ihn dann wieder los. Marcels Herz machte Anstalt um aus seiner Brust zu springen als er sich umdrehte, und zu seinen Klassenraum eilte. Er ließ es sich aber nicht nehmen, um nochmal über die Schulter zu schauen und Hikari einen fragenden Blick zu zuwerfen. Sie erwiderte den Blick und zwinkerte verschmitzt, wobei sich ein breites Lächeln auf ihrem schönen Gesicht ausbreitete. Suchend blickte sich in Marcel in der Klasse nach seinen besten Freund um. Das Zimmer war bereits relativ voll, und er hatte Schwierigkeiten den Überblick in der Menschenmasse zu behalten. „Hey Morsi!“, rief Connor von der Ecke aus und hob grüßend die Hand. Ein zufriedenes schnaubend entkam Marcel als er sich an seinen Platz gesetzt, und seine Schulsachen auf den Tisch ausgebreitet hatte. „Wir haben dich nicht im Bus gesehen.“, meinte Connor sofort und stützte seinen Kopf neugierig in seine Handfläche, bevor ein kleines Grinsen seine Miene erhellte. „Bist du heute wieder mit Dylan zur Schule gekommen?“ Überrascht drehte sich Marcel um und konnte nicht verhindern, das ihm das Blut in die Wangen schoss. „Wieso sollte ich denn mit ihm hierher kommen?“ Ein leises Kichern war zu Hören als sich Connor nach seiner Tasche beugte, um ebenfalls seine Schreibmaterialen raus zu holen. „Weil ihr mir so verdammt Vertraut vorkommt.“ „Wie kommst du denn darauf?“ zischelte Marcel. „Und wieso redest du überhaupt freiwillig über ihn? Ich dachte, du könntest Dylan nicht leiden. Woher kommt denn diese plötzliche Sympathie, Hmm?!“ „Weil ich gemerkt habe, das dieser Albino doch ganz Cool ist.“, meinte Connor und lehnte sich zufrieden in seinen Stuhl zurück. „Am Samstag hat er uns denn Kopf gerettet. Ohne ihn wären wir jetzt Grillfackeln. Marcel…?“ „Was?!“ murmelte Marcel und biss sich nervös auf die Zunge. Connors Tonfall nach zu urteilen lag ihm etwas Wichtiges auf den Herzen. Und er konnte sich gut vorstellen, in welche Richtung dieses Gespräch gehen würde… „Dieses Mädchen war keine Einbildung, oder? Sie konnte wirklich Feuer produzieren? Und Dylan…“ Man sah wie blass Marcels bester Freund wurde. „Der ist auch nicht normal, hab ich recht? Als uns dieses andere Mädchen im Garten des Museums angriff, habe ich gesehen, wie er einen riesen Ast auf sie geschmissen hat, der so dick war, das noch nicht mal Daimon ihn anheben könnte.“ „Hm.“, machte Marcel und fuhr sich mit den Fingerspitzen durch seine blonde Haar bevor er dem Anderen ein bitteres Lächeln zuwarf: „Ich weiß was du damit sagen willst, Connor; Du bist nicht verrückt. Ich habe sie auch gesehen. Dieses Mädchen, Lucy heißt sie, gibt es wirklich und was sie kann, ist auch Real. Leider.“ „Woher weißt du das?“ Vor Schreck bekam Connor den Mund gar nicht mehr zu. „Ich weiß es eben. Und was Dylan betrifft, da hast du ebenfalls recht. Er ist auch nicht normal, aber er gehört zu den Guten…“ „Zu den Guten, sagst du? Dann gibt es mehr von ihnen?“ „Hmm, ja…“ Unruhig rutschte Marcel auf seinen Stuhl umher. „Aber mehr kann ich dir leider nicht erzählen. Ich hab versprochen ihr Geheimnis nicht weiter zu sagen, und ich will sie nicht enttäuschen.“ Das Daimon oder Kim ihm dafür den Hals umdrehen würden, war ihm durchaus bewusst und er traute es ihnen, Daimon jedenfalls, auch ohne weiteres zu. Welch Grausame Vorstellung. Hätte er das Geheimnis Fee doch bloß nie erzählt. Es wäre alles so viel einfacher gewesen! Auf einmal saß Marcel kerzengrade und schaute sich hektisch um. „Connor!“, fiepte er aufgebracht und umfasste dabei seinen Arm. „Du musst mir versprechen dass du niemanden von Dylan oder Lucy erzählst! Das ist super wichtig.“ Würden die Zwillinge davon Wind kriegen, das Connor wüsste das Dämonen existieren, hätten sie Grund zur Annahme, dass Marcel auch ihre Identität Preis gegeben hätte. Und bekanntlicherweise war mit den Dämonen ihrer Gattung nicht zu spaßen…! Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er fühlte sich schlecht. Mal abgesehen von seinen Geschwistern, was würde so jemand wie Mephisto machen, wenn ihm ein Mensch auf die Schliche kämme? Connors Blick traf auf Marcels und irgendwie hatte er Angst, dass man ihm ansehen könnte, dass es noch mehr zu erzählen gab; dass das Übernatürliche in Wirklichkeit näher war, als das man vermutete. „Natürlich.“, sagte Connor ernst und berührte vorsichtig Marcels Hand, dessen Finger sich mit beängstigender Kraft immer tiefer in seinen Oberarm bohrten. „Aber kommst du mit diesem Geheimnis überhaupt zurecht? Ich an deiner Stelle wäre mit so einer Last ziemlich überfordert.“ Wie wahr! Dankbar lächelte Marcel seinen besten Freund an. Ja, Connor hatte vermutlich Recht. Wäre seine Familie nicht für diese Last zuständig, wäre er schon längst daran zerbrochen. Aber die Angst, dass seine Brüder ihn deswegen verlassen könnten, war einfach stärker und schenkte Marcel die nötig Kraft durch zuhalten. „Ich schaffe das schon. Mach dir keine Sorgen um mich…“, versicherte Marcel und versuchte dabei selbstbewusst zu klingen. Die Klasse plauderte noch ein paar Minuten fröhlich weiter bevor ihr Englischlehrer, Herr Carrington , den Raum betrat und die Schüler zur sofortigen Ruhe aufforderte, obwohl bereits sein Erscheinen dafür sorgte, das alle Gespräche verstummten. Herr Carrington war ein Mann mittleren Alters, sicher 1.90 cm groß und hatte etwas längeres, dünnes Haare in einem unangenehmen Silber-Grauton. Viele Schüler konnten ihn nicht ausstehen. Er war berühmt für seine Strenge und Herr Carrington hatte auch kein Problem damit, schlechtere Schüler vor der versammelten Klasse bloßzustellen. Die Schüler stöhnten leise, als der Herr Lehrer sein Buch aufschlug und sofort, ohne ein paar allgemeine Worte, mit dem Unterricht begann. „Ich kann ihn nicht ausstehen.“, murrte Marcel zu Connor gewandt, der bereits den ersten Satz in seine Unterlagen geschrieben hatte. „Ich auch nicht… Er ist so ein Mistkerl! In Fees Klasse schreibt er immer wieder unangekündigte Klausuren, die dann sogar die besten Streber verhauen. Ich habe Mitleid mit ihr.“ „Hast du dir schon mal die riesen Pupillen hinter seine Hornbrille angesehen?“, fragte Marcel kichernd und wackelte mit den Augenbrauen. „Der hat definitiv etwas Illegales zu sich genommen! Ich sag dir, der hat sicher Cannabis oder sowas geraucht.“ Die beiden sonst so ruhigen Schüler in der letzten Reihe verfielen in ein leises, bösartiges Gelächter. „Hast du heute schon Dylan gesehen? Draußen auf den Gang war er definitiv nicht.“, fragte Marcel mit vorgehaltener Hand. Connor verneinte mit einem kurzen Kopfschütteln. Als Marcel schon weiter Fragen wollte, sorgte ein rüder Ellenbogenschlag in seine Rippen dafür, dass er verstummte. Ein Schatten legte sich über ihren Tisch und das fahle Gesicht von Herr Carrington erschien über Marcels Kopf. Nervös schluckte dieser - oh, du höhere Macht steh mir bei! „Ah, Marcel Sandjoé...“, säuselte der Englischlehrer mit gestellter Stimme. „Wie ich sehe, hast du es nicht nötig meinem Unterricht zu folgen. Nun denn…“ Puderrot um die Nase löste Marcel denn Blickkontakt mit ihm, beziehungsweise hatte es vor, denn ganz ohne Vorwarnung wurde er von einer Hand die sich um seinen Arm schloss gepackt, und auf die Beine gezogen. Herr Carrington funkelte den verängstigenden Schüler bösartig an und drückte ihn mit den Worten, löse die Aufgabe die an der Tafel steht, die Kreide zwischen die Finger. „Aber…“, stammelte Marcel geistesgegenwertig und sah Hilflos zu Connor rüber, der das ganze Geschehen mit offenen Mund beobachtete und aussah, als würde er gleich den Schock seines Lebens kriegen. Die Schüler in den ersten Reihen drehten sich langsam auf ihren Stühlen um und betrachteten Marcel mit einer Mischung, aus Mitleid und Schadenfreunde. „Was ist denn?“ Herr Carrington sah den Blonden auffordern an. „Geh schon! Die Stunde hat nur 45 min und ich will meinen Kaffee in der Pause warm Trinken. Wenn du es nicht nötig hast, mir zu zuhören dann kannst du die Aufgabe doch sicher mit links lösen, oder?“ Aus Marcels Brust schlich sich ein unzufriedenes Knurren und er drehte sich mit bangem Blick zur Tafel um. Faust in der Tasche machen und durch, mahnte er sich in Gedanken und überschlug im Kopf die Möglichkeiten, die er hatte, um die Aufgabe ohne viel Drumherum zu lösen. Er runzelte Leicht die Stirn – das war jetzt wohl ein Scherz…!? Scheinbar desinteressiert ging er geschwind zur Tafel, warf den zitternden Connor ein selbstsicheres Grinsen zu und begann unter den finsteren Blick seines Lehrers, zu schreiben. „Das war so COOL!“, schwärmte Connor und tätschelte Marcel die Schulter als sie in der kleinen Pause in Richtung Cafeteria gingen. „Ich dachte du klappst gleich zusammen und dann – BÄM! Gibst du diesen Vollidiot eine mentale Ohrfeige indem du an die Tafel gehst, und diese behinderte Aufgabe auch noch richtig löst. Alter, ich glaube ich flipp gleich aus…! Das sah so Hammer aus.“ „Das ist doch nur Englisch.“, entfuhr es Marcel scheinheilig. „Du weißt das ich in den Sprachfächern, wie Französisch und auch Englisch gut bin.“ „Schon. Aber das sah so krass aus! Wie du geguckt hast, wie du dich bewegt hast…! Noch nicht mal Kiley hatte so einen geilen Badass-Aufritt in Anatomie hinlegen können.“ Allmählich wurde es Marcel dann doch ein bisschen zu bunt. Verlegen kratze er sich am Hinterkopf und sah seinen besten Freund flehend von der Seite an. „Bitte Connor…. Das reicht jetzt langsam. Lob mich noch mehr und ich habe so viel Schmetterlinge im Bauch, das ich nichts mehr Essen kann…“ Connor lachte als Antwort nur und murmelte etwas von falscher Bescheidenheit. Die nächsten 15 Minuten verbrachten sie in der Cafeteria und Connor erzählte Fee währenddessen alle Einzelheiten über Marcels grandiosen Auftritt, diese über den Tisch spähte und den Blonden ihr hübsches Gebiss zeigte. „Gut hast du das gemacht!“, lobte sie ihn und konnte nicht anders als ziemlich breit zu grinsen. „Wie ich sehe hast du dir endlich mal die positiven Seiten von den Zwillingen abgeguckt.“ Sie zwinkerte, vorauf Marcel leicht Rot wurde. „Übrigens… wo ich grade von ihnen Rede, fällt mir was ein. Wie haben sie eigentlich reagiert als du Samstagnacht plötzlich vor der Haustüre standst?“ Marcel verdrehte die Augen und nippte an seiner Apfelschorle. „Ehrlich Leute, das WOLLT ihr nicht wissen. Daimon ist total ausgerastet – das war wieder so eine typische Aktion von dem Kerl! Glücklicherweise habe ich diesmal nichts abbekommen…“ Aber dafür Dylan, dachte er und griff mit getrübten Blick nach seinen Butterbrot. Überall auf den Tisch verstreut lagen die Nahrungsmittel der drei Kinder. Wie es ihm wohl ging? Und noch viel wichtiger; Wo war Dylan an diesen Morgen überhaupt?! Während Marcel den Kopf leicht im Takt zu seiner Musik aus dem Mp3-Player hin und her warf, nahm er sein Handy hervor und prüfte seinen Display, sowie Make-up in diesem. Praktisch, das man sein Handy auch als Spiegel benutzen konnte! Mit kritischem Blick zupfte er seine blonde Mähne zu Recht, zog mit den schwarzen Kajal die Katzenaugen nach undverteilte eine feine Schicht Labello auf seine Lippen. „Du bist ja noch schlimmer als ich…“ Fee seufzte leise, schielte aber Sehnsüchtig auf den Labellostift. „Darf ich?“ „Klar.“, meinte Marcel grinsend und schob ihn zu seiner Freundin rüber. „Sag mal, hast du heute Morgen zufällig Dylan gesehen?“ „Nein. Im Bus war er jedenfalls nicht.“ „Aso…“ Nein! NEEIN! Das war doch alles Unfair. Grade als Marcel gedachte hatte, dass sich alles wieder zum Alten wenden könnte, verstand Dylan schon wieder von der Bildfläche! Angestrengt versuchte er nicht geknickt zu wirken. Er fühlte sich von dem Albino benutzt und auch ein kleinwenig verarscht. Im momentan wusste Marcel nicht ob er lachen, heulen oder seinen Kopf in regelmäßigen Abständen auf die Tischplatte schlagen sollte. Und das Alles am besten alles Gleichzeitig, damit es auch schön Verrückt aussah. „Huhu…“, fragte Connor von der Seite und wedelte mit der Hand vor Marcels Augen rum. „Bist du noch auf der Erde, oder schon im All?“ „W…Was?“, fragte der Angesprochene leicht verwirrt. „Du wirkst so abwesend. Alles klar bei dir?“ Konnte man es Marcel verübeln, das er den Blick hob und Connor jetzt total perplex ansah? „Mir geht es gut. Sorry. Ich bin was in Gedanken…“ Nun schaltete sich auf Fee ein und griff über den Tisch nach Marcels Hand. Ihr Blick wurde hart, und ihre Stimme monoton. „Wirklich? Oder haben die Zwillinge wieder Scheiße gebaut?“ „Nein. Diesmal haben die beiden nichts damit zu tun…“ Verlegen rieb er seine Oberarme und spähte zu den anderen Tischen rüber, um sich zu vergewissern, das auch niemand lauschte. „Ich bin wegen Dylan genickt. Ich dachte, dass wir uns nach dem Wochenende wieder so gut wie früher verstehen werden, aber anscheinend habe ich mich da getäuscht.“ „Ach Marcel, jetzt sei doch nicht so pessimistisch. Es ist doch erst Montag, und vielleicht ist er Krank, wenn er zuhause geblieben ist. Hast du schon daran gedacht?“ Ja… daran könnte etwas sein. Marcel biss sich leicht auf die Unterlippe. Von Daimons Schlägen schwirrte ihm wahrscheinlich immer noch der Kopf, und wenn Mephisto seinen Ziehsohn so angeschlagen sah, würde ihm sicher nicht erlauben, in die Schule zu gehen. Als Marcel so an Mephisto dachte, wurde ihm Augenblicklich übel; Hoffentlich, HOFFENTLICH, hatte Dylan ihm nicht erzählt, von wem er die Prügel kassiert hatte… Ansonsten sah Marcel für Daimons Zukunft schwarze Zeiten voraus. Er wusste schließlich aus eigener Erfahrung, wie sehr sich der Teufel für Dylan und für seine Gesundheit interessierte. Mit großen Augen sah Marcel das rothaarige Mädchen an. Wahrscheinlich lag sie richtig. Fee hatte mit fast allem recht. Immerhin war sie überdurchschnittlich Intelligent, und genoss früher als sie mit ihren Eltern noch in Paris wohnte, das Leben an einer teureren Privatschule. Und als ihm so die überdurchschnittliche Klugheit von den einen, oder anderen Menschen im Kopf rum geisterte, fiel Marcel etwas Unangenehmes ein. Etwas sehr unangenehmes, wohl gemerkt. Wenn er später nach Hause kommen würde, musste er sich einem Problem stellen… Aber er hatte da schon einen Plan in Petro; Fee und Connor müssten herhalten! „Hey, ich habe eine Idee!“, sagte Marcel und sah seine beiden Freunde aufmerksam an. „Sollen wir drei nach der letzten Stunde in die Stadt fahren? Wir haben schon lange nichts mehr Normales Unternommen. Ich zum Beispiel würde gerne nach neuen Klamotten schauen. Im EMP finde ich diesen Monat nichts Gescheites…“ „Heute Mittag…?“, stammelte Fee plötzlich ganz nervös, und schielte zur Seite. Ein Blick auf ihr erschrockenes Gesicht ließ Marcel Übels Ahnen. „… da kann ich nicht Marcel. Sorry.“ „Schon gut. Ist nicht Schlimm, dann gehe ich eben alleine mit Connor.“, meinte Marcel leicht enttäuscht und drehte sich zu seinem Streberkumpel – der allerdings genauso deprimiert aussah. „Du kannst auch nicht…?“ Jetzt klang Marcel leicht verzweifelt. Alles im einen kam er zu dem Schluss, das HEUTE DER SCHLIMMSTE TAG IN SEINEM LEBEN WAR! ALTER! FUCK! „Ich habe keine Lust nach der Schule, sofort nach Hause zu gehen …Und wenn es sein muss, gehe ich eben alleine in die Stadt.“, knurrte der Blonde grimmig und zerquetsche dabei seine Apfelschörle grob mit den Händen. „Kiley wollte einer ehemaligen Klassenkameradin, die kurz vor ihrer zweiten Abi-Prüfung steht, Nachhilfe in Sachen Mathe geben. Und dieses Dilemma will ich mir nicht antun. Ich kann mir schon vorstellen, wie das bei denen Abläuft; Kim versucht der dummen Putte verzweifelt etwas von Mathematik erklären, während sie ihn nur mit großen Augen mustert und hofft, dass er sie am Ende der Stunde Flachlegt. Bäh! Nein, das will ich mir wirklich nicht reinziehen! Alles, aber um Gottes willen, nur DAS nicht!“ „Du scheinst das aber gar nicht lustig zu finden.“ Fee legte ihren kleinen Kopf schief und zog ihre Augenbrauen hoch, während sie Marcel aufs Genauste musterte. „Lass ihn doch seinen Spaß haben. Kiley ist fast Volljährig, und dann erwachsen. Außerdem sieht er gut aus, und es würde mich auch schwer wundern, wenn er bei seinem Charme keine Freundin kriegen würde. Ich bin mir sicher, dass er sich auf der Straße vor wildgewordenen Fangirls kaum retten kann.“ „Er hat aber keine Freundin!“, schoss Marcel scharf und prompt zurück. „Und Fangirls habe ich auch noch nie gesehen.“ „Nein? Und die zwanzig Weiber die in der Pause immer an seinem Arsch kleben, sind nur Taschenträger? Jetzt mal im Ernst, Morsi; du kannst nicht verhindern, das Kiley irgendwann mit einer Tussi nach Hause kommt. Und wenn ich dich so reden höre, müsste man doch glatt meinen, das du eifersüchtig auf dieses Mädch-!“ „Ich bin nicht eifersüchtig!“, zischte Marcel mit hoch rotem Kopf und verpasste Fee einen schmerzhaften Tritt mit dem Knie. „Wie kommst du auf denn auf so einen Scheiß?! Erst denkt ihr ich hätte was mit Dylan, und jetzt… jetzt… mit Ki-Kiley! Meinem Bruder?!“ „Das hat doch keiner behauptet!“, maulte Fee und rückte einen Platz weiter, um sich vor weiteren Angriffen zu schützen. „Aber du solltest dich mal selbst sehen! Du benimmst dich wie eine verliebte Tsundere aus den Animeserien! Jawohl! Du hast doch sicher schon mal den Anime Toradora! von Yuyuko Takemiya gesehen?! Du verhältst dich genauso wie Taiga.“ Völlig überfordert riss Marcel seine Hände in die Höhe. Himmel, Arsch und Zwirn! Er nahm alles, was er bis jetzt über Fees vermeintliche Klugkeit gesagt hatte, zurück. Mit sofortiger Wirkung. „Das ist aber ein Anime, und dies hier die Realität. Außerdem sind Kiley und ich GESCHWISTER, und wir HASSEN uns. Und wir sind beide Männer! Schon vergessen…?“ „…“ „Na, siehst du ein dass ich Recht ein habe?“ „Nein. Tsundere…“ FEEEE!! Am Ende der letzten Stunde nahm sich Marcel vor, das er nie wieder ein Wort mit Fee wechseln würde, und sich zu Hause unbedingt noch ein paar Animes anschauen sollte. Aber solche Serien wie dieses verrückte Toradora! standen ganz sicher nicht auf seiner Liste. Okay, ganz ehrlich gesagt musste er zugeben das es mit der weibliche Protagonistin doch gewisse Ähnlichkeiten gab: Sie war ebenfalls sehr Klein, im inneren zerbrechlich und auf einen anderen Menschen angewiesen. Aber sie hegte ganz sicher keine Gefühle für ihren Bruder, wenn sie denn einen hätte! „Und warum ist dir beim Kuss mit Kiley fast das Herz aus der Brust gesprungen, wenn dir das SOO egal ist, was er mit dieser Tussi veranstaltet?“, pappte Marcels Sarkatischeseite seinen Besitzer an, und in den Blonden regte sich etwas, das sich auch schlechtes Gewissen nannte. „Weil… weil es mein erster Kuss - mein erster Richtiger Kuss- war.“, wehrte er sich. „Verarschen kann ich mich auch selber! Gib es doch zu; dir hat es Gefallen. Ich weiß doch schließlich wie es in deinem Herzen aussieht.“ „Guck doch mal lieber in dein eigenes Herz!“ „Hahaha, sehr witzig du Spast…“ „Schon okay. Kannst du dich wieder schlafen legen? Ich muss jetzt erstmals überlegen wo ich hin gehe.“ „Mit wem redest du da?“, fragte eine Stimme von der Seite und Marcel stolperte fast über seine Füße. „Was?“ Rasch drehte er sich um. Eigentlich wollte Marcel etwas zu seiner Verteidigung sagen, aber die Spucke blieb ihm im Halse stecken – wieder eine lebende Portion Zuckerwatte - wieder Hikari! Seine Augen klebten an dem schönen Mädchen, das langsam ein wenig verlegen wurde. „Hey was starrst du mich so an? Habe ich mich seit heute Morgen etwa so verändert?!“ Erst jetzt fielen Marcel die niedlichen Grübchen in Hikaris Gesicht auf, als sie verschämt grinste. Ihr kleines Kichern klang noch immer so unbeschreiblich wundervoll, das es Marcel gleichzeitig heiß und kalt wurde. Wenn er nicht mit 100 prozentiger Sicherheit wüsste, dass er mehr auf Männer stand anstatt auf Frauen, würde er jetzt sagen dass er sich in Hikari verknallt hätte. Aber Nein! Die hatte Brüste – wenn auch kleine- aber Brüste! Und die fand Marcel nicht so anziehen, wie zum Beispiel den durchtrainierten Körper von Daimon, oder Kims samtige Lippen… Oh weh… sehr lustig Marcel… Denk nur schön weiter an diesen Kuss, und du wirst eines Tages lachend in eine Kreissäge rennen. Dennoch musste er schlucken und verfluchte die unanständigen Bilder in seinem Kopf und die aufkeimenden Gefühle gleich mit. Warum? Warum musste er Schwul sein!?Und wieso war er mit den beiden heißesten Männern der Schule verwand?! Ausgerechnet DIESE geilen Typen!? Wollte Gott ihn damit Bestrafen? So nach dem Motto: „Anschmachten darfst du die, aber NICHT Anfassen.“ Verdammt seist du höhere Macht…! Was plante der Herr da Oben nur in seinen kleinen, kranken Köpfchen? War er vielleicht ein Sadist und amüsierte sich sogar über Marcels Gefühlschaos? NEEIIN! Das war alles NICHT Fair. Mit Daimon als Bruder konnte er gut Leben, aber Kim… den, musste Marcel zugeben, hätte er auch gerne als festen Freund gehabt! Doch die schlichte Antwort des Schöpfers lautete, Fick dich… „Marcel? Alles okay mit dir? Ich glaube… du sabberst.“ Die Stimme seines Gegenübers holte Marcel schlagartig in die Realität zurück. Etwas verwirrt blinzelte er das Mädchen an. „Du bist total Rot.“, sagte Hikari und musterte Marcel von Kopf bis Fuß. „Hast du etwa Fieber?“ „Nein, alles in Ordnung.“, beeilte sich Marcel zusagen und fühlte sich immer noch total benebelt. Er war nicht einmal ansatzweise bei Verstand. Eigentlich konnte Marcel nicht mal einen klaren Gedanken fassen. In seiner Fantasie befand er sich wieder in der Küche und küsste grade Kim, und das war wesentlich Interessesanter als die Realität. „Gut. Aber wenn ich dich nach Hause fahren soll, sag mir Bescheid.“ Marcel konnte nur den Kopf schütteln um dankend Abzulehnen. An Sprechen konnte er grade wirklich nicht Denken. Über seine Lippen würde nach dieser kleinen Traumreise sowieso nur Unsinn kommen, und ihn bis auf die Knochen blamieren. Nachdenklich sah Hikari den blonden Jungen an, und kam zu dem Schluss dass etwas passieren müsste. „Ich habe gehört, wie du gesagt hast, dass du irgendwo hin willst?“ „Das habe ich gesagt? Hmm, das war eigentlich nur Laut gedacht. Ich habe Überlegt wo ich jetzt hin soll. Ich will noch nicht nachhause gehen.“ Und Kiley mit dieser bekloppten Fotze beim Vögeln erwischen! „Hmm, also ich wollte jetzt nach Thirsk, in das neue Maid-Cafe gehen. Wenn du möchtest, nehme ich dich gerne mit dorthin. Die haben da wirklich sehr hübsche Kellnerinnen.“ Sie zwinkerte Marcel spitzbübisch zu, und wollte ihn mit diesem Vorschlag wahrscheinlich nur auf andere Gedanken bringen. Allerdings wusste sie nichts von seiner sexuellen Orientierung, und konnte daher nicht ahnen, dass Marcel diese hübschen Mädchen eher langweilig finden würden. Doch da er selbst keine bessere Idee für den Nachmittag hatte, nahm Marcel Hikaris Einladung gerne an. Solange die Maids ihre kleinen, mit Kuchen verschmierten Finger bei sich behielten, konnte Marcel ihre Anwesenheit ertragen, dennoch war ihm diese Situation nicht ganz geheuer. Wenn er an Maid-Cafe dachte, erschien zugleich das Bild von Prostituierten in seinem Kopf. Auf Hikaris Frage hin begann Marcel zögerlich zu nicken, was dem Mädchen wohl nicht als Antwort ausreichte. „Kannst du schon sprechen? Dann darfst du mir auch gerne antworten.“, sagte Hikari in einen ruhigen, aber strengen Ton der einem sofort an Jeremys Charakter erinnerte. „Ja. Ja ich komme mit.“, antwortete Marcel kurz und knapp, woraufhin er dann leicht und gequält lächelte. Er war sich sicher das Hikari genau so sauer werden konnte wie Jeremy, wenn sie schon so redete wie er. Die Fahrt in Hikaris Auto verlief relativ Spannend. Sie erzählte Marcel von der Schule und fragte nach seinen Hobbies und Vorlieben. Dass er sich gerne schminkte, oder oft sehr weiblich anzog schien dem Mädchen zu gefallen, und so erlebte Marcel ein Zwanzigminutiges Kreuzverhör alla Richterin Barbara Salesch. Hikaris Fürsorgliche und Rührende Art schien demnach nicht gespielt zu sein, und ein zutiefst berührtes Lächeln formte sich auf dem Gesicht des Kleinen. Schon als sie sich beim Karatetraining das erste Mal begegnet waren, konnte er die Rosahaarige gut leiden, und ihr freundliches leicht an eine Mutter erinnerndes Wesen, störte Marcel nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil. Bei ihr fühlte sich Marcel wirklich so geborgen, wie bei seiner eigenen Mutter, auch wenn er leider keine Erinnerungen an diese Frau hatte. Aber von Kiley wusste er, das Daimon…. Ja genau Daimon… ihrer lieben Mama wohl am ähnlichsten war. Jetzt stellte sich nur die Frage, VORIN: Sahen sie sich Aussehen her ähnlich, oder vom Charakter? Danach hatte Marcel die Drei nie gefragt. Und auch niemand machte sich die Mühe ihm von damals zu erzählen. Als Marcel so in seinen Gedanken eintauchte, schossen plötzlich mehre Fragen gleichzeitig durch seinen Verstand: 1. Was war eigentlich mit seinen Eltern während Jeremys Verwandlung passiert? Konnten sie ihren Sohn zu dieser Zeit überhaupt bändigen? Oder passierte der Biss etwa nach ihrem Unfall? 2. WARUM schwiegen sich die Drei über das Thema >Vergangenheit<, und >Eltern< so dermaßen aus? Bis jetzt taten Jeremy und die Zwillinge immer so, als hätte es die beiden nie gegeben, und sie schon immer zu viert in diesem Haus lebten. 3. Wenn die Eltern starben tapezierten die zurück geblieben Kinder meistens die Wände mit ihren Fotos, aber bei ihnen Zuhause hatte er noch kein einziges Bild von Mutter oder Vater gesehen. Warum? 4. Warum nahmen die 3 Dämonen den Tod ihrer Eltern so gelassen hin? Ihnen wurde damals doch der Boden unter den Füßen weggerissen. Mit einem Schlag verloren sie alles was sie liebten, und zurück blieb nur die Leere… Normalerweise dauert es Jahre, oder teilweise sogar ein Leben lang, bis man diesen Verlust überwunden hatte und wieder irgendetwas anderes als diesen schier unerträglichen Schmerz spüren konnte. Marcel wusste, das Jeremy alle Fotoalben in seinem Zimmer unter dem Bett aufbewahrte und sie eigentlich für alle Familienmitglieder frei zugänglich waren. Aber bis heute hatte Marcel noch nie ein Bedürfnis nach diesen zwei Menschen verspürt. Und wenn er ehrlich war, fand er das ein wenig unheimlich… Verwirrt und sichtlich überfordert mit diesem Gedanken- und Gefühlsgängen griff Marcel mit den Fingern nach seiner Hose, und vergrub panisch seine Nägel in den Stoff. Diese plötzlichen Gedanken machten dem Jungen tierische Angst. Wieso fielen ihm diese Fragen erst jetzt ein, und nicht schon viel früher? Auf einmal erschien die Realität Marcel wie eine verzerrte Illusion, die ihm seine Brüder schon vor vielen Jahren in den Kopf pflanzten; Für Marcel fühlte es sich wirklich so an, als ob seine Mutter und Vater nie existiert hätten, denn alles an was er sich erinnern konnte, waren Jeremy, Kiley und Daimon. Nur diese Drei. Andere Menschen gab es in dieser Erinnerung nicht. Es vergingen einige Minuten in denen Marcel in seiner Position verharrte, bevor er sich schließlich selbst aus dieser verstörten Gedankenwelt riss und die Augen öffnete. Ihm blieb keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn Hikari hatte einen Parkplatz gefunden und zog den Schlüssel aus der Zündung. „Wir sind da!“, verkündigte sie unnötigerweise, und sah ihren Beifahrer einen Moment lang einfach nur schweigend an. Etwas überrascht über dessen starren Gesichtsausdruck, beugte sie sich vor um Marcels Wohlbefinden zu überprüfen. Sanft stupste Hikari ihn an. „Marcel…? Träumst du?“ „Ich…“ Langsam blickte Marcel zu dem besorgt aussehenden Mädchen auf, und in seinen Blick lagen tausend Fragen, doch wo und wann er Antworten darauf kriegen würde, wusste er nicht. „Geht es dir wirklich gut, Kleiner? So langsam mache ich mir nämlich Sorgen um dich. Du siehst aus als hättest du ein Gespenst gesehen.“ Behutsam legte sie ihren schlanken Arm um Marcel, und zog ihn ein kleines Stück näher. „Es ist Okay wenn man Angst hat, oder Weint… Das ist auch kein Zeichen von Schwäche wie viele Deppen gerne behaupten, sondern zeigt einfach nur dass man ein Mensch ist, und Gefühle hat. Du brauchst dich nicht verstellen… ich weiß wie es ist, wenn man immer Stark und Perfekt sein möchte.“ Noch immer leicht benommen lehnte sich Marcel vorsichtig gegen Hikari und atmete zitternd aus. Auch wenn sie sich grade erst kannten, fühlte es sich nicht komisch oder gar seltsam an so vertraut mit ihr um zu gehen, und es störte ihm auch nicht, dass sie ihm mit warmen Fingern eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. „Wenn du willst, fahr ich dich naher nach Hause. Ich wollte sowieso nochmal mit Daimon quatschen, und kann so zwei Fliegen mit einem Streich erledigen.“, flüsterte Hikari mit sanfter Stimme in Marcels Ohr, bevor sie ihm ein weiteres Mal über das Gesicht streichelte. Langsam drückte Marcel seine Stirn gegen die des Mädchens, und beinahe Zeitgleich schlangen sich seine Arme um ihren Körper. „Danke dass du so lieb zu mir bist…“, nuschelte er mit zitternder Stimme in ihre lange Mähne. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so nette Menschen wie dich in dieser Stadt gibt. Du bist wirklich toll, Hikari. Jetzt kann ich auch verstehen, warum du so verdammt beliebt bist.“ „Hilfe, ich kriege gleich einen Ständer!“, lachte Hikari und Verstrübbelte liebevoll Marcel ohnehin schon wilden Haare. „Du kleiner Casanova! Willst du mich hier verführen, oder was?!“ „Was! Nein!“, rief Marcel peinlich berührt und zuckte sofort von seinem Gegenüber weg. „Wirklich? Wärst du ein paar Jahre Älter, würde ich mich wahrscheinlich sogar darauf einlassen…!“ „Sag doch sowas nicht! Willst du etwa die halbe Schule gegen mich aufbringen? Du hast doch sicher genügend Kerle die dich umgarnen.“ Wieder lachte Hikari auf, und Marcel errötete merklich als das Mädchen ihn nochmal kurz an ihre Brust schmiegte, gerade so, als wolle sie überspielen wie unangenehm es ihr war, den Jungen mit einer so kleinen Bemerkung zu verunsichern. „Sollen wir jetzt weiter schmusen, oder uns mal langsam auf den Weg machen? Ich kriege Hunger. Leicht verlegen wendete Marcel den Blick ab, und ließ ihn über die Umgebung außerhalb des Wagens streifen. Wo wollte Hikari noch gleich hin? In ein Maid-Cafe, oder? „Wo liegt der denn Laden, wo du hin willst?“ „Ganz in der Nähe. Kennst du das Naturkundemuseum der Stadt? Dort haben sie seit ein paar Monaten einen Raum gemietet, und ihr Cafe eröffnet. Es wundert mich wirklich das du noch nie dort war´s. Du scheinst ja ein wirklich frommer Bursche zu sein.“ Na… Naturkundemuseum? DAS Naturkundemuseum?!! War das zufassen? Nein, war es nicht! Wo war der Mensch geblieben der aus einem Gebüsch sprang und „Willkommen bei der versteckten Kamera!!“ rief? Marcel kam sich verarscht vor, und das nicht gerade ein bisschen. Hatten sich denn heute WIRKILCH alle Mächte dieser Welt gegen ihn verschworen? Die Worte blieben Marcel noch auf den Weg nach draußen, im Halse stecken: Dieses Museum zählte mit seinen Englischlehrer zu den Dingen, die er gerne NIE WIEDER sehen würde. Oder in die Luft gesprengt. Hauptsache weg! Weit weg. „Cool…“, krächzte Marcel mit tonloser Stimme. Ja, ganz Cool. Bei seinem Glück musste eigentlich auch gleich ein Flugzeug auf das Auto Stürzen, und sie platt machen. Erneut rief er sich die Bilder vor Augen welche ihn vor einigen Stunden noch durch den Tag begleitet hatten. Seit Anbeginn dieser Autofahrt hatte er keinen einzigen Gedanken mehr an diese Lucy, und den Nemesis verschwendet. Waren diese ganzen Begegnungen vielleicht Schicksal? Hätte man ihm vor einem Jahr erzählt, das er mal mit Dämonen unter einem Dach leben würde, wäre er vor Panik wahrscheinlich an die Decke gegangen. Aber was konnte Marcel nach all den Erlebnissen der letzten Monate mit seinen Freunden, und vor allem mit seiner Familie, noch als ´Normal´ bezeichnen? Garnichts mehr. Zu viele Fragen schwirrten durch seinen Kopf, zu viel Chaos herrschte in seinem Herzen und von dem Schlachtfeld auf welchem sich grade sein Verstand mit seinen Gefühlen prügelte, wollte er gar nicht erst anfangen. „Ich habe auch Hunger. Lass uns gehen.“, pflichtete Marcel seiner neuen Freundin bei, und machte sich mit zögerlichen Schritten auf den Weg in die Hölle. „…echt mal? Ich glaube du bist der einzige Kerl der Schule der noch NIE in diesen Laden war!“ „Ja und? Es gibt wichtigere Sachen als sich halbbekleidete Teenigirls in kurzen Röcken an zusehen! Zum Bespiel Lernen.“ „Whao~ irgendwie ist das unheimlich aus dem Mund eines Jungen zuhören, der grade in der Blüte seiner Pubertät steht, und mit Daimon verwand ist!“ „Willst du damit sagen, das Daimon auch schon in diesem Puff – Verzeihung, Maid-cafe - war?!“ „Marcel, Himmel! Was denkst du denn?! Natürlich war er schon mal dort. ALLE Männer – Ausgenohmen du – waren schon mal da!“ „Connor, Dylan und Kiley waren auch noch nie in diesem Cafe!“ „Mit Connor und Dylan hast du vielleicht recht, aber Ki- “ Gut. Okay – an dieser Stelle musste Marcel gestehen dass ihn grade das Herz in die Hose rutschte. NA SUPER, SO VIEL ZUM THEMA EIFERSUCHT! Scheiss Verräter… Ohne etwas zu sagen blieb Marcel stehen, und Hikari drehte sich mit einem überlegenden Grinsen um. Sie wackelte mit ihren Augenbrauen und stemmte provokant die Hände in ihre schmale Hüfte. „Kiley war auch… da?“ „Natürlich. Genau wie Daimon. Wir drei waren das erste Mal sogar zusammen dort, und haben uns prächtig mit den süßen Kellnerinnen amüsiert. Deine Brüder hatten es echt gut – ich wurde nicht so herzlich umgart wie sie!“ Kurz nachdem die beiden das Auto verlassen hatten, war diese hitzige Diskussion über dieses Ominöse Maid-cafe entstanden. Marcel konnte, und WOLLTE nicht glauben, dass er der einzige sein sollte, der diesen Laden noch nie besucht hatte. Aber dass die Zwillinge auch schon dort waren, womöglich sogar öfters, bereitete ihm Magenschmerzen. „Da ist aber nichts passiert? Du weißt schon worauf ich anspiele; Keiner von beiden hatte etwas mit eins von diesen Mädchen, oder?“, fragte Marcel mit leicht verärgerter Stimme, während er eilig versuchte, seine aufgekommene Wut hin unter zu schlucken. Wenn Hikari jetzt mit >Ja< antwortete, würde er sich umdrehen, und dann vor dem nächstbesten Zug springen. „Nein Mann! Wo denkst du hin? Die beiden haben schließlich einen Ruf zu verlieren, und den setzten die ganz sicher nicht für eine schnelle Nummer, mit einer dummen Gans aufs Spiel!“ Erneut grinste Hikari Marcel an, welcher über diese positive Antwort mehr als nur Erleichert war. „Hättest du denn ein Problem damit, wenn etwas zwischen diesen Mädchen und deinen Brüdern passiert wäre?“, fragte Hikari sehr viel ruhiger und besonnener als zuvor. „Ja, irgendwie schon. Ich kann mir weder Daimon… noch Kiley mit einer festen Freundin vorstellen. Die scheinen immer so mit sich selbst beschäftigt, das da gar kein Platz für jemand an ihrer Seite wäre.“ „So? Das denkst du also? Das finde ich aber schade; ich kann mir beide eigentlich sehr gut als Partner vorstellen. Klar sind Daimon und Kiley sehr Eigen und Schwierig. Sie lieben ihre Freiheit, aber selbst sie möchten später einmal ihre eigene, kleine Familie gründen, und mit Frau und Kinder Alt werden.“ Mit jedem weiteren Wort verlor Hikari an Lautstärke, während sie entschlossen Löcher in die Wolken starrte. „Möchte das nicht jeder von uns?“ „Aha? Ich glaube ich bin aber Schwul!“ WAAS?! Entsetzt biss sich Marcel auf die Zunge. Das war jetzt peinlich… Hätte er grade wirklich gestanden, dass er auf Männer stand? Vorsichtig blinzelte er zu Hikari hinauf, dann holte er tief Luft. „Also, ich glaube das zu mindestens... In der letzten Zeit habe ich bemerkt, dass ich Mädchen zwar Nett finde, keine Frage, aber mich in eins verlieben? Nein. Das könnte ich nicht. Bei Jungs denke ich da schon anders. Es gibt einige Kerle die ich wahnsinnig attraktiv finde. Viel attraktiver als Mädchen sogar.“ Tja, was will er auch machen wenn ihm nur noch hinreisende Dämonenschönlinge über den Weg liefen, sie Marcel Alle wie eine kostbare Puppe behandelten, und nicht grade mit Zärtlichkeiten sparten? Erst Dylan, dann Kuroro, später Mephisto, zwischen durch mal Daimon oder Kim, und zum Schluss der gute, alte Jeremy – der sogar der erste Mann in Marcels Herzen war, und für den es dort wohl auch immer einen festen Platz gab. Von einem seufzen begleitet warf Hikari eine lockere Haarsträhne über ihre Schulter zurück, und sah mit leicht vernebelten nach vorne. Der Himmel an diesem frühen Nachmittag erschien ihr ungewöhnlich grau. Deutlich konnte sie ihn zwischen den Silhouetten der hohen Häuser erkennen, und spüre den Wind in ihrem Gesicht, spüre wie eine längst vergessene Leichtigkeit ihren schlanken Körper erfüllte. Dann glitt ihr wachsamer Blick durch die dunkeln Gassen, wo sich zu dieser Tageszeit JEDER verstecken könnte. Aber Hikari konnte keine Menschenseele in der Dunkelheit erblicken. Und das beruhigte das Mädchen… „Na und. Findest du das Schlimm? Ich persönlich habe damit kein Problem, wenn dein Herz eher für Männer schlägt. Ich steh zum Teil ja auch auf Frauen.“ Die Verwirrung die sich auf Marcels Gesicht breit machte, interpretierte sie genau richtig und fragte einem belustigten Tonfall_ „Was guckst du so? Das hättest du jetzt wohl nicht erwartet, ne?“ „Nein, ehrlich nicht. Du sieht aber auch nicht grade wie eine Lesbe aus.“ „Ich weiß.“ Überrascht und auch ein wenig verärgert, knuffte sie Marcel in die Seite. „Und ich bin auch froh dass ich so ein hübsches Mädchen bin, wenn du andeuten willst, das Lesben für gewöhnlich hässlich sind!“ „Habe ich das Gesagt?! Nein.“, verteidigte sich Marcel entrüstet und versuchte die leichten Seitenhiebe abzublocken. „Aber du siehst wirklich sehr gut aus, und so eine hübsche Lesbe habe ich noch NIE gesehen.“ „Jetzt hör mal auf zu schleimen! So langsam kauf ich dir das mit den Schwul sein nicht mehr ab, und muss dann wohl befürchten, dass du mich doch verführen möchtest…!“ „Du solltest dir mal überlegen, ob du in Zukunft vielleicht doch öfters hierher kommst.“, merkte Hikari relativ trocken an, als sie Marcels große Augen bemerkte, nachdem sie grade das warme Cafe betraten hatten, und der Blonde einen Blick auf die hübschen Uniformen der Mädchen warf. Ein eindeutiges nicken reichte als Antwort, und die roten Wangen des Jungen bestätigte diese Reaktion nur. Ja, Hikari hatte recht gehabt; die Outfits der Kellnerinnen waren wirklich nicht von schlechten Eltern… Ein junges Mädchen mit braunen Locken gesellte sich nach einer höfflichen begrüßen zu den beiden Schülern, und wies ihnen mit einer kleinen Geste einen gemütlichen Platz am Fenster zu. Lächeln reichte sie zwei Karten, und verschwand dann wieder nach einer kurzen Verbeugung. Marcel schaute dem Mädchen interessiert hinterher. „Und? Habe ich dir zu viel versprochen?“, schlussfolgerte Hikari schließlich amüsiert aus dem eben beobachteten, und schlug lächelnd ihre Karte auf, während sie mit den Augen kichernd über den Rand linste. „Die Mädchen hier sind super. Bei deinem Aussehen könntest du sicher die eine, oder andere mit nachhause nehmen.“ „Ich dachte die Frage nach meinem Geschmack wäre nach der Aussage von eben geklärt.“, entgegnete Marcel mit scharfer, aber dennoch amüsierter Stimme. Allmählich nervte ihn Hikaris ständige Stichelei, auch wenn er solche Provokationen von den Zwillingen gewöhnt war. „Guten Tag, haben Sie sich schon entschieden?“, erkundigte sich plötzliche eine helle Stimme von der Seite. Überrascht wendete sich Hikari der fragenden Maid zu, und wollte grade ihre Bestellung abgeben, als sie Marcel erschrocken die Luft anhalten hörte. Verwirrt sah sie ihn an. „Was ist jetzt wieder los…?“, fragend ließ sie den Blick zu dem Rothaarigen Mädchen schweifen, bevor sie ihn zurück auf das Gesicht ihres Begleiters platziert. „Hey…!“ „Fee…!“, kränzte Marcel total paff, ohne auch nur einen Gedanken an Hikaris Frage zu verschwenden. Und immer noch kam niemand der „Willkommen bei der versteckten Kamera?“ rief, und das war komisch… Das Blut wich der Kellnerin aus dem Gesicht, und ein verzweifelter Laut verließ den vor Anspannung verzerrten Mund der sonst so coolen Fee, welche beinahe die Kontrolle über sich zu verlieren schien. Sie starrte Marcel mit Schreckens weiten Augen an, unterdrückte ein Schlunzen und eilte ohne einen Kommentar davon. Oh Nein! Mit einem Satz war Marcel auf den Beinen. All die Monate hatte er die kleinen Zeichen die Fee ihren Freunden gab, nicht deuten können und nun war es raus gekommen! Die teureren Sachen die sich leistete, das Fee plötzlich keine Zeit mehr für ihre Freunde hatte und die Panik die Fee ergriff als sie am Wochenende das Museum besuchten. „Hey!“, beschwerte sich Hikari lautstark. Trotz der Langsam kippten Atmosphäre sah sie es nicht ein den Mund zu halten, und wollte nicht schweigend beobachten, auch wenn sie sich über ihre eigene Reaktion ein bisschen wunderte. „Kennst du dieses Mädchen?!“ „Ja!“, knurrte Marcel leise. „Sie ist meine Beste Freundinn. Und bis grade eben, wusste ich nicht, dass sie hier arbeitet. Scheiße. Das muss ihr ja mega unangenehm sein…“ Er fand nicht die Worte um das zu beschreiben, was er grade fühlte. Fee musste es wie ein kleiner Weltuntergang empfinden. So sie es eben auch versuchte, den Schmerz über das aufliegen ihres Geheimnissen, konnte sie nicht länger verbergen. Hikari griff sich nachdenklich an ihr Kinn, und schaute dem eben verschwundenen Mädchen fragend hinterher. Sie zog die schmalen Augenbrauen hoch, und stieß ein leises seufzten aus. „Dann geh sie doch suchen.“ Marcel nickte, ohne darüber nach zu denken, dass ihn die anderen Gäste oder Maids inzwischen schon verwundert anstarrten und lief zu den Toiletten, wo er seine Rothaarige Freundin am ehesten vermutete. Schwungvoll öffnete er die Türe, und rief in den Raum: „Fee!?“ Aus den zwei Toilettenkabinen neben der Wand ertönte ein erschrockenes schniefen, und dann eine anklagende Stille, welche Marcel nur als die *Ruhe vor dem Sturm* interpretierte. „Fee… ich weiß das du hier bist.“ Langsam nähere er sich der zweiten Kabine, und beugte sich vor, und erkannte dann ein schwarzes Schuhpaar zwischen dem Boden und der Türe. „Dann weißt du auch, dass du von hier verschwinden kannst!“ Wut lag in ihrer Stimme, Schmerz und tiefe Qualen, wie sie nur ein Mensch empfinden konnte, der kurz davor war, die Beherrschung zu verliert und jemand anderen an die Kehle zu springen. „Ich bitte dich, wir sind Freunde. Sag mir einen Grund, warum ich es nicht verstehen sollte, das du hier in diesem Cafe aushilfst…“ „Weil es peinlich ist… und jetzt verschwinde. Bitte…!“ „Nein!“, merkte Marcel kühl an, während er seine Arme vor der Brust kreuzte und den Fuß kurz gegen das Holz der Türe schnellen ließ. KLONG! Die gleißenden Strahlen seiner hellblauen Augen schienen sich mit aller Kraft an den Ort zu klammern. „Ich bleibe solange hier, bist du da raus kommst gescheit mit mir redest.“ „Dann bleibst du da lange stehen.“, murrte Fee leicht unverständlich von der anderen Seite aus. Ungerührt von Marcels Sorge ließ sie ihr Kinn in die aufgestützten Handflächen fallen, und verdrehte die grünen Augen. „So? Wundert sich dein Chef nicht, wenn du hier einfach ein Päuschen machst?“ „Das geht dich einen SCHEISS an!“ „Warum markierst du hier wieder die Zicke?! Ich dachte, ich wäre die Tsundere von uns beiden, und nicht du!“, scherzte Marcel halbherzig in dem Versuch, die missliche Lage noch zu retten. Allerdings führte dies nicht grade zu dem gewünschten Effekt. Unter lautem Grollen wurde die Toilettentüre von innen entriegelt, und aufgerissen. Das junge Mädchen stand blass und mit einem sprachlosen Gesichtsausdruck im Rahmen und starrte Marcel an, dann holte sie tief Luft. „Jetzt verarsch mich nicht! Das ist NICHTS vorüber man sich Lustig machen könnte! Du enttäuscht mich Marcel! Ich dachte du hättest Verständnis dafür. Außerdem… du weißt ja noch nicht mal, was eine Tsundere ist!“ Jetzt bekam Marcel ein schlechtes Gewissen, und senkte reuevoll den Blick. Er wollte Fee mit seiner Aussage nicht verletzten, sondern lediglich die angespannte Situation entschärfen. Leider ging dieser Versuch deutlich nach Hinten los; Fee war wütend, Tränen glitzerten sogar in ihren Augen. „Fee…“ Er hob den Blick und suchte den Kontakt zu ihr. „Tut mir leid, das war ein blöder Kommentar, denn ich mir auch hätte verkneifen können. Aber ich versteh nicht, warum du so Böse auf mich bist. Ich bin doch dein Freund, dein bester Freund, und ich würde dich doch nicht auslachen, nur weil du hier jobbst.“ Und wohl auch auf seinem Gesicht, spiegelte sich seine Stimmungslage wieder, denn Fee machte einen kleinen Schritt nach vorne und legte ihre Hände auf Marchels Schultern. „Mir tut es auch leid. Tja, du bist wohl nicht der einzige mit der mit der Zeit immer Erwachsener wird, und sich verändert.“ Die leichte Röte, welche noch vor wenigen Minuten zu erkennen war, hatte sich mittlerweile in ein tiefes Rot gewandelt. „Ich Arbeite hier doch nur, weil ich mein eigenes Geld verdienen möchte und nicht ständig meinen Eltern auf der Tasche liegen muss. Ich möchte nicht, dass mich unsere Mitschüler weiterhin als neureiche Göre ansehen, die sich von vorne bis Hinten von ihren Alten verwöhnen lässt.“ „Was hast du da gesagt!?“ Ein kaum merkbarer Unterton machte sich in Marcels Stimme breit. „Welcher Arsch hat dich neureiche Göre genannt, und warum erfahre ich das erst jetzt?!“ „Weil… du in letzter Zeit immer so… gereizt erscheinst.“ Auf einmal klang Fee ungewöhnlich Ernst, und drückte die Hände fester auf die Schultern des Anderen. Auch Marcel sah sie ernst an, und nickte leicht mit dem Kopf. „Connor und ich haben uns eine Zeitlang wirklich Sorgen um dich gemacht! Du wirktest immer so gestresst und unnahbar auf uns, dass wir dich kaum noch wieder erkannt haben. Du erzähltest uns immer weniger von deinem Leben, und ich dachte schon, das hätte alles mit Dylan zu tun.“ Enttäuscht ließ sie den Kopf hängen, heiß schoss ihr das Blut in die Wangen. Fee stoppte einen Augenblick, nur um alles, was ihr bereits über die Lippen gesprudelt war, ein weiteres Mal zu verarbeiten. „Ich war bis zum letzten Wochenende extrem Eifersüchtig auf diesen Jungen. Es sah so aus, als ob er dich uns weg nähme! Ihr habt euch so gut verstanden, dass ich echt Angst um meinen besten Freund hatte… Für mich sah es so aus, ob es der Marcel denn Connor und ich so gerne haben, vielleicht nie wieder zu uns kommt.“ Das Geständnis seiner besten Freundin ließ Marcel erst Mals nach Luft schnappen. Langsam, beinahe unbewusst, machte er einen kleinen Schritt nach hinten, versuchte sich selbst zu beruhigen, und seine verloren gegangene Stärke zurück zu gewinnen. „… Und das Alles sagst du mir erste jetzt? Fast 2 Monate nachdem ich das… Geheimnis meiner Geschwister erfuhr und der ganze Ärger erst anfing?“ Ein leicht enttäuschter Ausdruck machte sich auf Marcels Gesicht breit. Von seinen besten Freunden hätte er sich was anderes erwartet, und nicht so heimliche tue reih hinter vor gehaltener Hand. Es stimmte ihm traurig, das Connor und Fee offenbar so schlecht über ihn dachten. Hitze floss wie Lava durch seine Adern, zäh, doch unaufhaltsam breite sie sich Langsam in seinem Körper aus. „Wieso hat ihr mich nicht schon viel früher gefragt, und euch hinter meinen Rücken den Kopf zerbrochen? Hattet ihr Angst, oder warum rügst du erst so spät mit der Sprache heraus? Das passt doch gar nicht zu dir, Fee?! Du bist doch sonst nicht so schüchtern, und redest wie dir der Schnabel gewachsen ist. Das hätte uns allen eine Menge Arbeit erspart, und diese ganzen Missverständnisse aus der Welt geschaffen. Spätestens, als ich dir von den Dämonen in meiner Familie erzählt habe, hättest du etwas sagen können.“ „Das wollte ich doch…!“, rief Fee dazwischen und schüttelte ihren Kopf. „… Aber als ich dieses Geständnis erst mal verdaut hatte, kam Daimon auch schon und nahm dich auf nimmer wieder sehen mit. Und dann war ich nur noch einmal mit dir Alleine um darüber zu reden, und das war während der Fahrradfahrt nach Connor. Wenn du daran zurück denkst, erinnerst du dich sicher daran, dass wir über dieses Thema dann auch gesprochen haben! Ich wollte dich wirklich nicht kränken, Marcel. Aber du musst doch begreifen, dass ich nach so einer Geschichte auch erst mal total baff bin.“ Plötzlich wurde es in der Toilette heiß, die Luft hing wie eine schmierige Suppe im Raum und das grelle Licht der Glühbirne reizten die Sinne der zwei Kinder. Marcels Nerven begannen unheilvoll zu flattern. Er spürte wie die Wut in seinem Bauch beinahe überschäumte und ihn in den Mund schoss, wo sie Fee dann mit verletzenden Worten angreifen würde. „Wenn es dir so wichtig gewesen wäre, mit mir zu reden, hätte du einen anderen Weg finden können! Du hättest mich doch Anrufen können, oder mich während der Schulpause in ein leeres Klassenzimmer verschleppen. Weiß der Geier, was es sonst noch für Möglichkeiten gibt um mit jemanden ungestört zu sein. Aber dein Argument klingt für mich eher nach einer schwachen Ausrede, als nach der Wahrheit.“ Die Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Schweißperlen rannen Marcel die Stirn hinunter und er atmete schwer. Aufregung stieg wie ein brodelndes Feuer in ihm auf. Wie gerne würde er Fee in diesem Moment schlagen… aber sie war leider ein Mädchen, um damit Tabu. Mühsam schluckte Marcel seinen Groll hinunter und setzt einen Fuß in Richtung Ausgang. Doch in dieser winzigen Sekunde blitzt ein fiktives Messer in ihm auf, und bohrt sich heiß und tief in sein Herz. Der Junge lieb röchelnd stehen und griff sich mit weit aufgerissenen Augen an die Brust. Es ging wieder los! Die Energie, das sich wie jedes Mal in seinem inneren Öffnete wie das Maul eines Löwen, fühlte sich wieder so verdammt heiß an, das Marcel glaubte beim lebendigen Leibe zu verbrennen! Jede Bewegung verursacht Schmerzen unvorstellbaren Ausmaßes, er war bereits kurz davor Um zu kippen. Schwarze Kreise tauchen vor Marcels Augen auf. Er versuchte sich auf den Beinen zu halten, schaffe es aber nicht lange. Nach wenigen Augenblicken gaben seine Füße den Kampf auf, und er schlug der Länge nach auf den Boden hin. Eine Woge neuen Schmerzes fuhr durch seinen zierlichen Körper, und Marcel musste sich auf die Zunge beißen. Er wollte nicht schreien! Er wollte nicht zeigen wie dreckig es ihm ging, und das er bereits das Antlitz des Todes vor seinem Innerenauge sah. Die Macht über seinen Körper entglitt Marcel, Angst wich der Panik, die sich immer weiter in seinen Kopf breit machte und alle Vernunft verdrängte. „Marcel!?“, kreischte Fee laut und sprang mit einem Satz an die Seite des keuchenden Freundes. Hastig griff sie nach seinen Schultern und rüttelte Marcel mit aller Kraft. „Was hast du?! Hörst du mich?! Marcel, bitte mach die Augen auf! Nun sag doch was!“ Ihre Gedanken rasen. Was sollte sie jetzt tun; Erste Hilfe leisten, oder nach draußen Laufen und Jemanden holen? Sie entschied sich für das Letzte; Die Chance dass ein Erwachsener Marcel Retten konnte stand höher, und in der Zwischenzeit konnte sie schon mal einen Krankenwagen rufen. Mit vor Panik verzerrtem Gesicht stand Fee auf und wollte in die Longe wanken, als sie auf einmal eine Bewegung spürte, und sich eine Hand blitzschnell um ihr Bein schloss. Der Schreck war bloß ein stummer Schrei in ihrem Kopf, als Fee den Blick nach unten richtete und zwei Orangene Pupillen sah, die sie wie eine angriffslustige Kobra musterten. Marcels Lippen waren weiß, und er hatte die Zähne feste zusammengebissen, als müsste er etwas in seinem Inneren unterdrücken – doch seine Augen, die auf einmal die Farbe von glühender Kohle angenommen hatten, ließen Fee das Blut in den Adern gefrieren. Urplötzlich schoss ein Schmerz durch ihren Körper. Eine versenkende Hitze durchströmte Fee und überbot Alles, was sie bisher ertragen hatte, doch es war eine neue Art von Schmerz – ein verdammtes, echtes Feuer breite sich rasend schnell in ihren Adern aus! „…Nein.“, krächzte Marcel kraftlos, und konzentrierte seinen ganzen Verstand auf seine Finger. „Bleib hier… Geh nicht weg.“ Fee riss den Mund auf, aber kein Ton kam aus ihrer Kehle. Das Entsetzen zerrte sie in einem Strudel aus Angst und Grauen, und doch - kein Schrei entfloh ihren Lippen. Geräuschlos sank sie zu zurück auf den Boden, und klammerte sich Schutzbedürftig an Marcels kalte Hand fest. Das wütende Brennen in ihrem Körper verschwand langsam. „Du Idiot.“, fluchte sie mit zitternder Stimme. „Warum soll ich keine Hilfe holen? Willst du hier etwa verrecken?!“ „Ich kenne solche Anfälle schon… am Museum ist mir das doch auch passiert. Beruhige dich, ja? In ein paar Minuten geht es mir wieder besser.“ Im dem kalten Licht der Glühbirne leuchtenden Fees Augen wie geschliffene Diamanten. Ihr roter Mund presste sie zu einer schmalen Linie und sah Marcel finster an. „Und dann bist du noch immer nicht beim Arzt gewesen, und hängst wie Blöde in diesem Cafe rum?! Was ist, wenn es etwas Ernstes ist und du qualifizierte Hilfe brauchst? Solche Krämpfe sind doch nicht normal…!“ „Wenn es schlimmer wird, gehe ich auch zum Arzt. Aber im Moment hoffe ich noch dass es einfach nur mit dem Stress denn ich in letzter Zeit ausgesetzt bin, zusammen hängt.“, beteuerte Marcel leise. Der Schmerz allerdings saß immer noch tief in seiner Brust und die Fesseln der Angst drückten sich schwer auf seine Seele nieder. Dass diese Krämpfe nicht von der normalen Sorte rührten wusste er selber, doch die Furcht vor einer schweren Diagnose verweigerte ihm schließlich jedes Mal den Gang zum Speziallisten. Mühsam rang sich Marcel zu einem ersten Versuch durch, seine Oberkörper auf zu richten. Es gelang dem erschöpften Jungen nicht gleich, aber nach mehrmaligen Anläufen schaffte er es schließlich doch und saß dann grade auf den Fliesenboden. Zugleich bemerkte er Fee kritische Blicke im Nacken, und wendete ihr den Kopf zu. Noch immer hielt ihn das Gefühl von unbändiger Angst gefangen, doch nun ging es Marcel etwas besser, und der Schmerz klang langsam aber stetig ab. Einige Sekunden schloss er die Augen, saß da und genoss die wohlige Ruhe in seinem Inneren. Kein Brennen mehr, kein Schmerz, und keine unheimliche Kraft, die sich Marcel von allem Qualen am wenigstens erklären konnte. Fee sah ihn immer noch schweigend an. Die roten Haare umrahmten ihr Gesicht wie ein Vlies, und ihre blauen Augen funkelten voller Ungeduld. Sie wartete noch immer auf eine Erklärung für sein sonderbares Benehmen. „Ich verspreche es dir wirklich, Fee; Wenn es nicht besser wird gehe ich sofort mit Kim in Begleitung zum Arzt. Er wird dafür sorgen, dass ich nicht auf halber Strecke umdrehe und mich zur Praxis schleifen. Du kennst Kiley, du weißt dass er das ohne Gnade durchziehen würde. Und jetzt wollen wir uns weiter Streiten?“ „Vergiss es.“, knurrte sie grob. „Ich gehe jetzt wieder rein und mache mich im Cafe nützlich. Am besten gehst du auch zu Hikari zurück und…. Und… Warum bist du überhaupt mit ihr hier? Habe ich was verpasst, oder warum hängst ganz plötzlich du mit ihr ab?!“ Schuldbewusst zuckte Marcel vor ihren klaren Worten zurück. Es wusste wonach ihr gemeinsames Auftauchen aussah. „Das ist purer Zufall.“, erklärte er die Situation. „Wir trafen uns an der Schule und sie bot mir an, in dieses Cafe zu gehen. Natürlich nahm ich ihren Vorschlag gerne an, da ich wie du weißt nicht sofort nach Hause wollte. Wenn ich diese Tussi mit Kiley bei irgendwas anders als Lernen erwischt hätte, könnte ich ihm NIE mehr in die Augen schauen.“ „Na gut, das klingt einleuchtend… Aber mal was Anderes: dir ist klar, dass ich dich trotzdem darum bitten muss, niemanden von meinen Mini-Job zu erzählen. Noch nicht mal deinen Brüdern, oder Connor, ja? Ich will nicht, dass es noch jemand erfährt. Es ist mir einfach peinlich in diesen leicht verruchten Laden zu kellnern.“, flüsterte Fee in kaum vernehmbarem Ton und lächelte traurig, während ihre weit geöffneten, blauen Augen glänzten und die Unendlichkeit ihrer Seele widerspiegelten. Marcel und Hikari blieben nicht mehr lange im Maid-cafe und machten sich nach 2 Stunden auf den Heimweg. Das hübsche Mädchen hielt ihr Versprechen, und fuhr Marcel nach Hause. Licht und Schatten jagten einander und doch spiegelte sich in ihrem wilden Hin- und Herhetzen die blanke Furcht vor dem jeweils Anderen. Marcels Kopf lehnte gegen die Fensterscheibe des Wagens, seine Hände lagen untätig auf dem Sitzpolster mit dem schwarzen, weichen Lederüberzug. Doch trotz dieser Haltung ging eine unangenehme Lebendigkeit von ihm aus, das wusste er selbst, denn unablässig glitten seine Blicke umher, und Hikari fröstelte es unter diesen Augen, die sie an glühende Kohlen erinnerten. Nachdem Marcel es einige Male zugelassen hatte, starrte er plötzlich zurück, sein eiskalter Blick bohrte sich in ihre Iris und dann flüsterte er, nein, eigentlich flüstere er gar nicht, sondern bewegte lediglich die Lippen, so dass sie seine simple Botschaft verstand: Was denn? „Geht es dir gut?“, fragte Hikari. „Du bist auf einmal so Ruhig geworden seit du von der Toilette zurück gekommen bist. Ist etwas passiert?“ „Nein. Was soll denn schon passiert sein?“, log Marcel ohne Reue und betrachtete wieder das beruhigende Licht und Schattenspiel draußen. „Ich bin einfach nur ein bisschen Müde, und freue mich auf mein Bett.“ Ein gebrochenes flüstern verkündete: „Gleich bist du Zuhause. Noch ein paar Minuten, dann sind wir da.“ Marcel nickte und sah wie von weitem die Lichter des Hauses in der Dämmerung auftauchten. Komisch dachte er noch; Alles sah so klar und scharf aus, als würde er durch ein Fernglas schauen, anstatt nur durch seine menschlichen Augen… Nach 2 Minuten fuhr der Wagen langsamer. Das Radio war stumm und Marcel hörte wie jemand – Hikari – sanft, und leise atmete, zum Schaltknüppel griff und runter schaltete. Der Motor gab ein leises klicken von sich, und die Bremsen zog an. Das Auto nur noch rollte langsam, und blieb dann schließlich in die Einfahrt der Sandjoés stehen. Auf dem Weg zur Haustüre bemerkte Marcel wie Hikari unbewusst auf Abstand ging, und ihre Körper mehr als 1 Meter von einander trennten. Leicht verstimmt richtete er die Augen auf die Türe, und obwohl sie noch nicht mal die Treppen bestiegen hatten, ertönte Tramplende Schritte aus dem Flur und Daimon riss mit Zornsroten Gesicht die Türe auf. „Wo warst du schon wieder?“, blaffte er Marcel aggressiv an, zuckte aber instinktiv zurück als er Hikari an dessen Seite bemerkte. Seine dröhnende Stimme wurde leiser als der Flügelschlag eines Schmetterlings. „Und was machst DU hier?“ Die Rosahaarige machte erschrocken von Daimons Art einen kleinen Schritt nach hinten, und sah denn rothaarigen Jungen im Türrahmen nervös an. Grade hatte sie sich einen Moment lang entspannt, hatte ihrem Körper nach all der Aufregung der letzten Minuten eine Sekunde lang erlaubt, sich nicht mehr auf jedes Geräusch und jedes Anzeichen von Gefahr zu konzentrieren. Vorhin im Auto bemerkte sie eine Unheimliche Präsenz von etwas – etwas nicht menschlichen –, und das ließ ihr die Nackenhaare zu Berge stehen. Aber Hikari wurde keine Pause gegönnt und das Adrenalin schoss erneut in ihr Blut. Ließ sie wieder aufmerksam lauschen, und mit weit aufgerissenen Augen starrten. „Wir sind in der Stadt gefahren, und ich wollte Marcel nur zurückbringen. Wenn du dir Sorgen um ihn gemacht hast, dann tut mir das leid, Daimon.“ „Schon gut. Wenn er bei dir war, gibt es keinen Grund sich auf zu regen.“, knurrte Daimon sehr viel sanfter als zuvor und deutete Marcel mit einem kurzen Kopfnicken an, das er verschwinden sollte. „Ich bin aber auch hier, weil ich mit dir reden wollte.“, rief Hikari. „Aber wie ich sehe, hast du heute Abend schon was vor…“ Sie musterte Daimon mit ihren Violetten Augen verstohlen. Für einen gewöhnlichen Abend im Kreise der Familie sah er sehr schick aus. Um nicht zu sagen, ZU schick. Ihr Karatetrainer trug ein schwarzes, ärmelloses T-Shirt, das perfekt seine harte Bauchdecke betonte und leichte Riss hatte, welche einen freizügigen Blick auf seine Muskulöse Brust erlaubten. An den Unter- und Oberarmen funkelten Silberne Armbänder, aus Leder und Metall die Hikari noch nie zuvor gesehen hatte. Daimons langen Beine wurden von einer dunkelgrauen, engen Röhrenjeans bedeckt, und an den Füßen trug er dunkle Sneakers. „Ich wollte nachher mit Kim zu Roland. Er hat Geburtstag und uns beide eingeladen. Aber in der Zwischenzeit kannst du natürlich gerne rein kommen.“ Ein feiner Rotschimmer umspielte Hikaris Wangen und sie nickte leicht. „Was für ein Zufall. Deswegen bin ich nämlich auch hier. Ich bin ebenfalls eingeladen und wusste von Roland dass ihr beiden genau wie ich auf der Party seit… Und naja… da wollte ich dich fragen, ob wir nicht zusammen hin gehen können? Mit >Wir< meine ist selbstverständlich Kiley, dich und mich.“ Daimon zog unbeeindruckt seine Augenbrauen hoch, die Röte in Hikaris Gesicht konnte er sich nicht erklären, und schon mal gar nicht ihre ungewöhnliche Bitte. „Ich dachte dass du mit Gunnar hingehst… Ihr seid doch so Dicke.“ „Schon, aber… ich würde gerne mal mit euch weg gehen. Sonst hänge ich doch immer mit ihm ab, und das wird langsam langweilig.“ Hallo?! Marcel klimperte erstaunt mit den Augen und sah von Hikari zu Daimon, und dann wieder zurück. Wenn da grade keine Funken flogen, dann wusste er es auch nichts besser. Leider machte Daimon den Anschein, als würde er von Hikaris Flirtversuchen nicht das Geringste bemerken, und glotze teilnahmslos aus der Wäsche. So ein Eisklotz…! Bestürzt presste Marcel die Lippen zusammen. Wenn Hikari seinen Bruder überzeugen wollte, musste sie sich aber mächtig ins Zeug legen! Ehrlich gesagt verstand er gar nicht wie Daimon nur so Blind sein konnte – wenn ER nicht schwul wäre, würde er Hikari sofort als Freundinn nehmen! Sofort! Unbemerkt schlängelte er sich an den beiden vorbei, und wollte schon die Treppe hochlaufen als jemanden seinen Namen zischte. „Marcel…!“ „Was?“ Wie aus einer Trance erwacht blinzelte Marcel irritiert, bevor er den Kopf in die Richtung der Stimme drehte; Kim stand halb von der Türe verdeckt, im unteren Badezimmer und winkte seinen kleinen Bruder stumm mit den Finger herbei. Auf Zehenspitzen huschte Marcel zu dem Raum und hüpfte durch den Türspalt, denn Kim für ihn offen hielt. „War das Hikari?“, fragte Kiley neugierig sobald die zwei Brüder unter 4 Augen waren. „Ja.“ „Aha…“, schmunzelte der Dämon amüsiert und begab sich zurück zum Waschbecken, wo er sich seine Haare weiter toupierte. „Das ist ja Interesssant. Frauenbesuch ist für Daimon eher Neuland.“ Marcel war schon drauf und dran, Kim zu fragen was er damit meinte, als ihm plötzlich die Zunge am Gaumen feste klebte. Grade eben fiel ihm auf, dass Kim bis auf eine enge Lederhose komplett Nackt war. Ja genau. STOLZ PÄSENTIERTE DAS MISTSTÜCK SEINEN NACKTER OBERKÖRPER. Marcels Hände fanden den Weg in sein Gesicht und legten sich peinlich berührt über seine Augen. Obwohl sie Geschwister waren, stellte er fest dass sich beim Anblick seines halbnackten Bruders, das Blut in seiner unteren Körperregion sammelte und dort auch blieb. Es war schon viele Jahre her, dass Marcel einen von seinen Brüden ohne Klamotten gesehen hatte. Kims Körper sah wirklich so gut aus, wie er sich ihn in seiner Fantasie immer vorgestellte! Er war schlank und man konnte einen Ansatz von Muskeln sehen, egal wo man auch hinschaute. Entweder lag es an Marcels löchrigere Erinnerungsgabe, oder an Kims Vorliebe für legere Klamotten, dass der Blonde dessen wahrhaftige Traumfigur in der Vergangenheit gar nicht als solche wahrnahm. Während er durch seine Finger spähte, versuchte er, den Anschein von Lässigkeit zu erwecken, obwohl sich Marcel schon mächtig darauf konzentrieren musste, um nicht vom Fleisch ab zufallen – plötzlich fühlten sich seine Beine verdammt wacklig an. „Was guckst du so entgeistert?“, fragte Kim der das Gesicht seines Bruders vom Spiegel aus beobachtete. Seine Schlangenartigen Augen verengen sich leicht im Licht, und er grinste wölfisch. Marcel schluckte schwer, sein Kehlkopf hüpfte nervös auf und ab, als er Kims Spiegelbild einfach nur in die Augen sahen. WOW~ Kims düsteres Grinsen hatte etwas Erotisches an sich. Und das machte ihn unweigerlich an… „Du hast dich ja ganz schön verändert.“, wisperte Marcel mit trockener Kehle und sein Herz begann vor Scham zu glühen. „Du bist in den letzten paar Jahren richtig Männlich geworden.“ „Das weiß ich. Danke.“ „Danke? Ist das das einzige was du zu sagen hast?“ „Ja? Was soll denn noch kommen? Soll ich dir etwa sagen, das du in den letzten Jahren ganz schön weiblich geworden bist…?!“ „Wie war das?“ „Du hast mich schon verstanden.“ „Du bist so ein arrogantes Arschloch…“ „Ich weiß. Danke!“ Jetzt grinste Kim noch mehr und zwinkerte Marcel per Spiegel an. „Möchtest du später eigentlich mitkommen? Ein Kumpel feiert seinen zwanzigsten Geburtstag und hat gesagt, dass wir gerne noch ein paar Leute mitbringen können.“ Kurz dachte Marcel über diesen Vorschlag nach, dann zuckte sein Mundwickel leicht. „Ähm… morgen ist Schule.“ „Dann schwänzt du eben. So ein Angebot kannst du doch nicht ausschlagen! Außerdem haben Daimon und ich dir versprochen, das wir dich irgendwann mal mit nehmen. Und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Jetzt sag schon ja, das ist deine Chance zu beweisen, dass du nicht so ein verklemmtes Mäuschen bist, wie es immer den Anschein erweckt!“ In der ersten Minute war Marcel verwirrt und wütend, in der nächsten gaffe er schon mit offenem Mund Kims breites Grinsen an. Oh, du himmlischer Vater wieso provozierst du mich nur so?! Das war ja zum Haare raufen! „Ich bin nicht verklemmt…“, knurrte Marcel böse und drehte sich halb um. „…na gut, ich bin dabei. Aber wenn ich was Wichtiges in der Schule verpasse, mache ich dich dafür verantwortlich!“ „Ist mir Recht.“, antwortete Kim. Sofort wirkte seine Miene wieder emotionslos, und er umrandete mit geübtem Schwung seine Augen mit einem Kajalstift. „Marcel…?“ Etwas genervt schnalzte Marcel mit der Zunge und wendete sich wieder zu seinen Bruder. „Was ist denn jetzt schon wieder?“ „…“ Plötzlich veränderte sich die Atmosphäre im Raum, Kim stürmte mit schnellen Schritten auf ihn zu. Oh oh! Diesen gehetzten Gang kannte Marcel nur allzu gut von Daimon, und das war kein gutes Zeichen! Danach setzte es meistens eine Tracht Prügel…! Einen Satz nach hinten machend drückte sich Marcel mit den Rücken an die Badezimmertüre, als Kim auch schon nach seinen Händen griff, sie Brutal über seinen Kopf zog, und an das Holz Pinte. Die Pupillen des Dämons glühend, und sahen aus als bestanden sie aus Lava… Diese Kraft! Marcels Herz stolpert mehrmals vor Schreck in seiner Brust, und er fühle wie sein Körper anfing zu kribbeln. „Du steckst grade ganz tief in der Tinte.“, zischelte Kim mit bedrohlich leiser Stimme, und seine Lippen zeigten dabei nicht mal die Spur eines Lächelns. Verfluchter Mist, was macht Kim denn da mit ihm? Blöder Fatzke! Was bildete der sich eigentlich ein?! Ungewollt überkam ihn eine Gänsehaut. „Kim…Du tust mir weh!“, knurrte Marcel. Seinem Unterbewusstsein hatte Kims Verhalten allerdings komplett die Sprache verschlagen, oder es schlichtweg ausgeknockt. „Jetzt schon? Von so ein bisschen Druck?“ „Ich bin nun mal nicht so ein Muskelberg wie ihr Dämonen! Und jetzt mal im Ernst; Lass mich los, Kim!“ Gereizt verdrehte der Ältere die Augen. „Kim hier, Kim da, Kim sonst wo. Kannst auch was anderes sagen, oder muss ich dir diesen erst Namen verbieten?“ „Du elender Sarkast! Ich wünschte dir würden die Arme abfallen!“ Und deine freche Visage gleich mit! Marcel konnte förmlich spüren, wie Kim sich im inneren zu Tode lachte. „Meinst du, das Hilft dir? Dann könnte ich dich immer noch mit meinen Beinen bewusstlos treten.“ Von Wort zu Wort wurde Kileys Gesichtsausdruck immer gemeiner, und er drehte Marcels Handgelenke genüsslich nach außen, sodass als Reaktion ein schmerzerfülltes wimmern den Raum erfüllte. Ein Teil von Marcel wollte schreiend aus dem Badezimmer rennen, der andere Teil vor lauter Schmerz weinend zusammen brechen. „Kiley…!“, jammerte Marcel verzweifelt, und streckte seine Wirbelsäule um den Druck etwas von seinen Gelenken zu nehmen. Nicht mehr viel, und hätte zwei gebrochene Hände… Mal sehen wie er Fee und Connor das erklären sollte. „Jetzt halt mal für 5 Minuten deine Klappe!“ Plötzlich lehnte sich Kim nach vorne und als Marcel den warmen, sanften Atmen an seinem Hals spürte, erstarrte er. Sofort verkrampft sich sein gesamter Körper. Marcel merkte kaum noch die Wut in seinem Magen, sondern nur noch das unkontrollierte Pochen seines Herzens. „Hat dir gefallen was du eben gesehen hast? Du sahst ja ganz mitgenommen aus…“ „Wo… Wovon sprichst du?“, stotterte Marcel den Kopf zur Seite drehend. Doch zu Spät! Augenblicklich nahm sein Gesicht die Farbe einer Verkehrsampel an. Scheiße, erwischt! Statt einer direkten Antwort, spürte er plötzlich Kileys Lippen auf seiner Haut die anscheint ganz genau wussten, wo sie hin wollten. Eine Sekunde setzte Marcels Atmen aus, und ging dann doppelt so schnell weiter. „Oh ho! Ich glaube du weißt genau wovon ich spreche, mein Süßer…“ Sarkasmus, gemischt mit einer Spur Erotik standen ihm echt gut; Kims Augen verdunkelten sich, und seine Stimme ebenso. „Bist du Blöd!? Ich… I… Ich weiß wirklich nicht was du meinst!?“ Dieses Gespräch nahm gar keine Gute Wendung an! „Warum Schämst du dich denn so sehr? Du kannst mir ruhig sagen, wenn ich dich heiß gemacht habe.“ Kim warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Wie ich sehe haben wir noch ein wenig Zeit…“ Als er Marcel wieder in die Augen sah, fügte er kratzig hinzu. „Ich möchte dich Küssen!“ Ohne irgendeine weitere Erklärung abzugeben beugte sich Kim über Marcels Gesicht, und presste seine weißen Lippen auf dessen Mund. Die ersten Berührungen waren noch vorsichtig, doch schon bald konnte sich er sich nicht mehr kontrollieren, und Kims Küsse wurden fordernder. Als ihre Lippen sich immer heftiger umschlungen, stöhnte Marcel kurz auf. Der Boden kippte unter seinen Füßen weg. Ein Gefühl der Sehnsucht durchzuckte ihn. Ade, du schöne Welt! „Mich hast du auf jeden Fall mit deinen Blicken scharf gemacht.“, flüsterte Kim rau ohne den Kuss zu unterbrechen, und umfasste Marcels Kinn mit den Fingern. Vorsichtig drückte er den roten Mund auf und ließ seine Zunge in diesen Verschwinden, ehe er seinen Oberkörper zum fixieren gebrauchte. Gierig und ohne Erlaubnis drang Kim in das unerforschte Gebiet vor, wo er es ausgiebig aber auch vorsichtig erkundige. Schließlich wollte er denn Kleinen nicht gleich zu Beginn den Kiefer brechen! Marcel keucht leise in den Kuss, sackte etwas in sich zusammen. Blitze aus purer Lust vernebelten seine Sinne, und er nahm die Realität oder den Raum um sich herum, kaum noch wahr. Alles begann sich zu drehen, das Verlangen nach den Älteren überrollte ihn so gnadenlos wie eine Dampfwalze. Die Muskeln in seinem Unterleid zogen sich auf das köstlichste zusammen, und Marcels Blut leckte kochendheiße an seinem tobenden Herzen. Als er bereits mit der Ohnmacht kämpfte, löste Kiley den Straubstock-griff um dessen Handgelenke, und wickelte die Arme stattdessen um seine Hüfte, spendete damit den nötigen Halt, und drückte Marcel immer fester gegen die Badezimmertüre. „Du machst mich fertig…“, wisperte Kim mit angespannter Stimme zwischen zwei Küssen hindurch. „Ich würde dich ja gerne hoch in mein Zimmer schleifen, aber Daimon würde uns die ganze Tour vermasseln.“ Der Dämon vertiefe den nächsten Kuss wieder, fuhr mit der Zunge vorsichtig Marcels Zahnreihen entlang, ehe er sein Ziel fand und es leicht mit der Spitze berührte. Marcel öffnete leicht verwirrt die Augen, sah Kim groß an und ließ die eigene Zunge nach einigen Sekunden vorsichtig zurück stupsten. Oh ja, das fühlte sich großartig an. Sein Atmen ging Flach; er konnte den Blick nicht von seinen Bruder lassen. Endlich war es soweit – der Moment der Momente! Endlich gestand sich Marcel ein, dass er auch nur ein normaler Mensch war der seine Begierden hatte. Wahnsinn, jetzt verstand er warum die ganze Welt von Liebe schwärmte. Mit einem Schlag legte Marcel seine anfängliche Scheue ab, stellte sich auf die Zehenspitzen und schlang seine nun freien Hände um Kims Nacken (die Haare ließ er nach dem Zeitraubenden Stylen besser in Ruhe) und zog ihn energisch an sich. „Kiley… Ich halte das nicht mehr aus! Gib mir mehr…!“ Am liebsten würde er nach dieser Bitte die Augen schließen und im Erdboden versinken, aber Kims Blick hypnotisierte ihn. Mit einem Engelgleichen Lächeln auf den Rot geküssten Lippen beugt sich der Dämon wieder herunter, und knöpfte Marcels Oberteil auf, während er federleichte Küsse auf dessen Wange, sein Kinn und den ebenso roten Mundwinkel verteilte. „Ich will dich ja auch… aber Daimon und Hikari würden uns hören!“ „Dann ignorier sie doch.“ Kim gluckste leise. „Ist klar. Ich würde sie auch ignorieren wenn die zwei das Bad stürmen und mich zu Brei schlagen, weil ich mich an meinem Minderjährigen Bruder vergreife…“ Er schälte Marcel Quälend langsam aus seinen Oberteil und ließ es achtlos auf den Boden zu seinen Füßen fallen. Dann machte Kim einen Schritt nach hinten um sein Werk zu betrachten. Der Ausdruck in seinen Augen fing Feuer, und jagte Marcel einen Schauer nach den anderen über den Rücken. „Du bist wirklich heiß, Kleiner. Deine Haut ist so schön weich und Makellos, das ich gerne jeden Quadratzentimeter davon Küssen würde.“ „Ich halte dich nicht davon ab.“, schnurrte Marcel mit knallroten Wangen verführerisch, und seine plötzliche Offenheit verblüffte ihn ein weiteres Mal. Bitterlächelnd legte Kim die Finger auf sein erhitztes Gesicht, streichelte die Haut mit einem Daumen und drückte Marcel einen nicht allzu kurzen, aber unschuldigen Kuss auf die Lippen. „Du weißt dass das jetzt nicht geht, Marcel. Sorry! Wir werden diesen Augenblick in einer anderen Zeit nachholen müssen.“ Er nahm Marcel in die Arme und drückte ihn leicht an seine warme Brust. Ein leises seufzten kroch sich aus den tiefen seiner Kehle, und Kim vergrub die Nase in den blonden Haaren unter sich. Vorsichtig zog er die Luft ein. Das war unverkennbar Marcel; es war sein Duft, sein süßes Aroma, dem kein Wohlgeruch aus aller Welt gleich kam. Kim atmete erneut tief ein und füllte seine Lungen mit dem Bouquet seines Bruders. Ja, es fiel dem jungen Stone Face wirklich schwer die Arme von Marcel zu nehmen, und ihn sanft weg zudrücken. „Es gefällt mir auch nicht dich raus zu schicken, aber geh dich jetzt bitte anziehen. Du willst doch nicht, das ich dich mit Gewalt vertreibe…!?“ Die Enttäuschung schlug sich auf Marcels Gesicht nieder, verzerrte es, und ließ ihn taumeln; er keuchte leise wischte sich mit den Handrücken über die nassen Augen. Es gefiel ihm nicht, das Kiley ihn schon wieder zurückwies. „Bitte.“, flehte er und warf den Kopf in den Nacken. Sein Mund öffnete sich zu einem Klagelaut, und die ersten Tränen fanden den Weg über seine Wangen. „Schenk mir noch einen Kuss. Nur noch einen letzten!“ Wie von Donner gerührt starrte Kim ihn erst an – dann legte sich ein sehr sanftes Lächeln auf sein wunderschönes Porzellangesicht. Einen kurzen Moment sah es so aus, als erschiene dort ein Ausdruck der Erleichterung, dann wurde seine Miene aber wieder emotionslos. „Jetzt grins mich nicht so scheiße an!“, grollte Marcel so wütend wie es seltend einer von ihm erlebt hatte. „Jetzt mach – hm!“ Rein aus Reflex drückte Kim ihm plötzlich die Lippen auf den Mund, um den Jüngeren damit zum Schweigen zu bringen. Sofort nahm Marcels eben erst beruhigter Puls seine vorherige Geschwindigkeit wieder auf und steigerte sie noch mehr, bis ein ganzes Orchester in seiner Brust trommelte. Er stöhnte heißeren auf, spürte ein erneutes Ziehen in seinem Unterleib und wie erregt er inzwischen war. Bitte, flehte Marcel stumm, Bitte hör nicht auf damit… Mit galoppierenden Herzen und rasenden Puls durchstöberte Marcel nun schon seit mehr als 10 Minuten seinen Kleiderschrank und schmiss mich Stoff um sich, aber ihm wollte einfach kein passendes Outfit in die Hände fallen! Es war ja nicht so, dass er keine schönen Klamotten besaß, aber nichts von dem erschien ihm für diese Party passend. Plötzlich hob Marcel eine blonde Augenbraue, und schob ein paar Hotpants aus seinem Sichtfeld. In der hintersten Ecke des Schrankes entdeckte er eine große, schwarze Plastiktüte und in seinem Verstand regte sich eine verschwommene Erinnerung. Das war von Fee! Anfang des Jahres hatte sie bei ihm übernachtet, und am nächsten Tag ihr Lolitakleid vergessen, das Jeremy dann ganz ohne böse Absichten in diese Tüte packte, und in Marcels Kleiderschrank verstaute. Er dachte, dass es seinem kleinen Bruder gehörte. Marcel machte sich lang und zog das schwarze Knäuel vorsichtig aus der Ecke, und befreite das Kleid von der Verpackung. Er hatte Recht gehabt, es handelte sich wirklich um ein Lolitakleid, und sein Kopf brütete in diesem Moment einen kranken Plan aus. Ich ziehe einfach dieses Kleid an! Wenn mich schon alle Leute als Mädchen abstempeln, kann ich auch wie eins rum laufen. Mit zitternden Fingern streifte er seine Hose von den Beinen, (sein Oberteil lag noch immer im Badezimmer bei Kim), und zog sich das schwarze Kleid über. „Ist das Eng…und so kurz.“, jammerte Marcel und zupfte an dem feinen Stoff herum; ein Hilfloser Versuch das Kleid ein wenig zu verlängern. Allerdings vergebens. Verschämt schloss er den Schrank um sich in dem Spiegel, der in der Türe eingelassen war zu betrachten. Hmm, ja… das sah nicht schlecht aus. Das Lolitakleid bestand zum größtenteils aus schwarzer Spitze und Rüschen, wie es sich für eine Lolita eben gehörte. Die kurzen Ärmel schmiegten sich voluminös, mit kleinen Schleifen verziert, um Marcels schlanken Arme und der weite, mehrlagige Rock ende ungefähr 10 cm über den Knien. Das Brustteil schnürte ihm ein wenig die Luft ab. Es saß eng, enger als Gedacht, da Marcel jetzt erst die Korsage bemerkte, die dem Kleid einen nahezu sinnlichen Touch verlieh. Er drehte sich einmal um die eigene Achse, damit er auch die Rückseite begutachten konnte: hinten war das Kleid weit ausgeschnitten und schwarze Seitenbänder hielten es dort zusammen. Schwarz, Schwarz, Schwarz – überall Schwarz! Noch nie zuvor hatte Marcel etwas so faszinierenden und zugleich auch melancholisches Gesehen. Sanft strichelten seine Finger über den leicht rauchen Stoff des Kleides, und ein Gänsehaut überzog seine Arme. Er fühlte sich wohl, wenn ihm auch ein bisschen das schlechte Gewissen plagte; es kam ihm nicht richtig vor, Fees Kleid ohne Erlaubnis zutragen, und er beschloss, ihr später auf den Weg zur Party eine SMS zuschreiben. Mit der Hand am Türgriff hielt Marcel plötzlich inne. Er brauchte noch Schuhe – upps. Aber welches Paar sollte er auf dieses Outfit anziehen? Übelkeit machte sich in seiner Magengegend breit. Es mussten PERFEKTE Schuhe sein. Im Sturzflug rannte Marcel wieder zu seinem Schrank und verschwand bald bis zur Hüfte in diesem, als er sich auf die suchte nach einem schwarzen Paar machte. Die Uhr tickte unaufhaltsam – wenn er nicht pünktlich fertig wurde, konnte er die Party vergessen und die Chance auf einen weiteren Kuss gleich mit. „Fuck!“, knurrte Marcel wütend und ein leicht erschrockenes Keuchen ließ seinen Kopf mit einen Metallischen Klirren gegen die Kleiderstange schnellen. „FUCK!“ Seine Hand rieb über die schmerzende Stelle, während sich Marcel erhob und in die Richtung der Türe schaute. Hikari stand mit vorgehaltender Hand im Rahmen und unterdruckte ein leichtes prusten. „Habe ich dich erschreckt? Tut mir Leid…“ Langsam kam sie Näher und ihre Augen begannen zu funkeln. „Mein lieber Scholli. Was hast du denn da Schönes an?“ „Ähm…“, flüsterte Marcel. Sein Gesicht gewann an Röte, und er lachte verlegen. „Das ist…-“ „DAS IST DER HAMMER!“ Hikari war ganz in ihrem Element und tänzelte mit federnden Schritten Kreise um Marcel. „Bist du schon geschminkt? Darf ich dich schminken?!“ „Was?“, rief Marcel erschrocken. „Darf ich dich Schminken? Und deine Haare machen?“ Sie warf ihre Tasche auf Marcels Bett und holte ein kleines Schönheitsstudio mit Schminkkasten, verschiedene Pinseln, Haarklammern – und schleifen und Lockenstarb hervor. Das Grinsen was mit einem Mal auf Hikaris Gesicht lag, erinnerte Marcel an eine Wahnsinnige und so ließ er das Mädchen ohne Kommentar machen… „Grade noch Geschafft.“, murmelte Hikari hoch konzentriert und begleitete Marcel zum Treppenansatz, wo sich noch einmal das Make-up prüfte. Der Blonde wackelte unsicher neben dem Mädchen her, und konnte sich nur mit Mühe grade halten. Ängstlich klammerte er sich an den Dargebotenen Arm. Marcel atmete tief durch und zwang sich, die Fassung zu bewahren. „Halte mich bloß fest, Hikari!“ Die Rosahaarige schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Sie hatte Marcel ein schwarzes Paar High Heels geliehen, die sie zufällig in ihren Kofferraum fand, und die ihm auch noch passten. Einen Schritt nach dem anderen, ermahnte sich Marcel, während er langsam die Treppe hinunterging. Erst als er wieder sicheren Boden unter den Füßen spürte, hob er den Blick, obwohl er das Raunen seiner Brüder schon viel früher gehört hatte, als er in ihr Blickfeld drang. Das Blut schoss ihm wie auf Kommando in die Wangen. Daimon war der erste der sich wieder an seine Stimme erinnerte. „Hey… wir gehen zur einer Geburtstagsfeier, und nicht zu einem Tunten-ball!“ Unter Hikaris zornigen Blick schrumpfte er auf Fingerhutgröße zusammen und verschränkte zickig seine Arme. „… ist doch wahr, Mann!“ Kaum hatte Marcel Daimons bissigen Kommentar verdaut, suchten seine Augen den Blick des Schwarzhaarigen. Einen kurzen Moment war er von Kims Outfit abgelenkt – es bestand aus der schwarzen Lederhose von eben und ein weißen, enganliegenden Hemd mit dunkeln Knöpfen, welche am Kragen offen standen - und lächelte ihn dann ganz verliebt an. Kapitel 16: Bekanntlich trügt der erste Schein ---------------------------------------------- „Wenn wir wegen -Dir- zu spät kommen kannst du was erleben!“ Ungeduldig knallte Daimon die Haustüre hinter sich zu, und schloss diese mit seinem Schlüssel ruckartig ab. Er schnaubte wie ein wildgewordener Stier und steuerte Hikaris Wagen an, der nach wie vor in ihrer Einfahrt geparkt stand. „Ich kann gar nicht glauben dass wir dich tatsächlich in diesem, diesem- VERFICKTEN FUMMEL mitnehmen. Am liebsten würde ich dich umbringen! Das wird so peinlich für mich…“ Marcel schmollte. Das Daimon nicht grade von seinen Outfit begeistert sein würde, hatte er schon vorher geahnt, aber das er wegen dem Kleid so ein Theater veranstaltete, versetze Marcels Herzen doch einen kleinen Stich. Er wollte niemanden damit kränken, oder gar in Verlegenheit bringen! Eine Gänsehaut überzog Marcels Körper, bei dem Gedanken daran, dass er seine Geschwister mit diesem gewagten Outfit womöglich Demütigen könnte. Seit der letzten Diskussion in Kuroros Versteck, war die Geschwisterliche-Bindung zwischen Marcel und Daimon wieder um ein vielfaches schlechter geworden. Das traurige daran, das die Brüder in dem letzten Monat so gut zusammen gefunden hatten, und sich jetzt alle Bemühungen in einen Scherbenhaufen verwandelten. Nachdem Marcel einmal geseufzt hatte, und seine Idee mit dem Kleid schon fast bereute, öffnete er die Autotüre und klappte den Beifahrersitz nach hinten. „Was ziehst du denn für ein Gesicht?“, erkundigte sich Hikari flüstern, in der Annahme das die Zwillinge sie nicht hörten. „Willst du nicht mitgehen, oder was ist plötzlich los?“ „Natürlich will ich mit.“, antworte Marcel genau so leise, obwohl er wusste dass Daimon und Kiley jedes einzelne Wort bei ihrem feinen Gehör verstanden. „Aber ich habe Angst dass das Kleid schlecht ankommt; Das mich die Leute auslachen, und womöglich sogar fort jagen. Dann würden mich Daimon und Kiley ihr Leben lang mit Ignoranz strafen. Und um ehrlich zu sein, war ich auch noch nie auf einer Houseparty, und weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.“ „Es könnte passieren das die dich schief angucken.“, meinte Hikari achselzuckend. „Aber du vergisst, dass ich auch auf dieser Party bin und jeden einzelnen ins Gesicht springe, der dich abfällig behandelt.“ Sie grinste schelmisch und strich liebevoll über Marcels sanfte Wellenpracht, welche sie ihm vor 15 Minuten unter allen Mühen und Anstrengungen ins Haar zauberte. „Können wir jetzt los?,“ meldete sich Kiley an diesem Abend zum ersten Mal zu Wort. Schnell flog sein Blick zu Daimon rüber, der fiese Grimassen hinter Hikaris Rücken zog und sich anscheinend auch schon wie Gunnar di Laura über ihre Fürsorgliche Ader lustig machte. „Du bist so ein Idiot.“, knurrte Kim mit zusammen gebissenen Zähnen, und deutete seinen beiden jüngeren Geschwistern mit einer kleinen Geste an, dass sie endlich in den Wagen steigen sollten. Das sanfte Dämmerlicht legte sich wie ein Schatten über seine funkelnden Augen; Wie immer fühlte er sich von einem Haufen Trottel umgeben. „Jetzt bewegt eurer Ärsche, ihr Flaschen. Ansonsten bin ich in 3 Sekunden mit Hikari über alle Berge.“ Wie um seine Worte zu unterstreichen sah er das Mädchen auffordernd an, die nur mit den Kopf nickte. „Kiley hat recht. Wir sollten uns wirklich beeilen, wenn wir noch einen guten Parkplatz erwischen wollen, und nicht hundert Kilometer laufen müssen.“ Daimon zuckte gleichgültig mit den Schulterblättern, zog eine Zigarettenpackung aus seiner Hosentasche und zündete zwei Stängel an, wovon er eine an Kim weiter reichte. „Habe ich ja gleich gesagt. Aber Nein, auf mich hört ja keiner. Und das alles ist - “ er warf Marcel einen Killerblick zu, und blies eine klare Rauchwolke in den Abendhimmel. „-Alles nur diese Tunte schuld.“ Als Marcel unter den vernichtenden Seitenblicken immer unsicherer wurde, fielen ihm die Giftgrünen Augen seines Gegenübers auf. Plötzlich wirkten sie viel schmaler als vorhin, und nicht mehr wirklich Grün, sondern glichen eher einem frisch geschliffenen Jadestein, denn man in eine Wanne mit Blut geworfen hatte. Daimon sah in der Tat Wütend aus. Marcel Anscheint nicht; dafür machten ihn Daimons Blicke viel zu viel Angst. Und etwas zu erwidern traute er sich schon lange nicht mehr. Also nahm Marcel stillschweigend die fiesen Kommentare des Feuermelders hin, versuchte seine Beherrschung zu bewahren und elegant auf der Rückbank des roten Autos Platz zunehmen. Keine 10 Sekunden später stieg auch Daimon ein, (er überließ Kim ohne Diskussion den Beifahrersitz neben Hikari) und schnallte sich an. Na toll, ich gehe nicht nur in einem Lolitakleid zur Party, sondern auch als Räucherfisch, dachte Marcel und bemerkte sofort wie ihm vom Zigarettenqualm die Tränen in die Augen stiegen, und seine Asthmatiker-Lunge in Flammen aufging. Puh – schnell wegblinzend, sonst liegt gleich das schöne Make-up auf dem Schoss und mit ihm, Hikaris Lebensweck. „Könntest du… das Fenster bitte runter machen? Du weißt doch, das ich mit Rauch meine Probleme habe.“ „Dann hättest du auch gleich zuhause bleiben könnten.“, nuschelte Daimon mit den Sargnagel zwischen seinen Lippen. „Auf der Geburtstagsfeier von Roland Rauchen noch mehr Leute, und die nehmen auf dich Pussy auch keine Rücksicht.“ In der Zwischenzeit waren nun auch Hikari und Kim in das Auto gestiegen, und legten sich ordnungsgemäß die Sicherheitsgurte um. „Ich finde denn Qualm auch nervig, Jungs! Ändert was daran, wenn ich euch schon hier drin Rauchen lasse.“, zischte Hikari und sah erst zu Kim, der ohne Umwege sein Fenster runterließ, dann zu Daimon, der der Bitte nur sehr schwerfällig nach kam. Zähnefletschen murmelte er vor sich her. Marcel sagte dazu nichts; er hielt seinen Blick gegen Boden gerichtet, war aber Glücklich darüber das Daimon wenigstens auf Hikari hörte. Nachdem sich der jüngere Zwilling wieder einigermaßen beruhigt hatte, Kiley teilnahmslos ins Leere blickte und Hikari den Wagen auf die Straße lenkte, holte Marcel sein Handy hervor und schrieb Fee eine SMS, in der er ihr berichtete, das er sich ihr Kleid geliehen hatte und es ihr in wenigen Tagen zurück geben wollte. Frisch gewachsen natürlich. In Thirsk angekommen reichten sich Haufenweise Hotels und Restaurants aneinander, alle mit auschlaggebenden Leuchtreklamen versehrt. Obwohl es schon fast halb zehn war, war es in der Innenstadt immer noch relativ hell, und Marcels Augen musste leicht gegen das grelle Licht der Reklameschilder ankämpfen. Die Innenstadt kannte er zwar, aber nicht diese Gegend hier. Anscheint befanden sie sich grade im Reichenviertel von Thirsk, denn die Geschäfte und Wohnungen sahen mit einem Mal immer Luxuriöser aus. Überall blinke viel versprechende Werbung, leuchten Schilder oder strahlen Scheinwerfen irgendwelche Logos an die gegenüberliegenden Häuserwände. Inzwischen stand das Auto wartend an einer roten Ampel, und seine Besitzerin trommelte schon voller Ungeduld mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. „Wie ich diese Stadt doch hasse.“, murmelte Hikari zischend im 5-Minuten-takt. „Immer diese lästigen Ampeln, Kreisverkehre und Geschwindigkeitsbegrenzungen… Alter!“ „Wenn ich einen Führerschein hätte, wäre ich gefahren. Ehrlich…“, raunte Kim glucksend. Genüsslich ließ er sich tiefer in das Leder sinken, und schnippe die Asche seiner dritten Zigarette aus dem Fenster. Endlich sprang die Ampel auf Gelb um, und Hikari gab Gas. Und das ohne zurückhalten. Der Motor des Cabriolets knurrte wie ein Löwe vor dem Angriff, und der Wagen machte einen so schnellen Satz nach vorne, dass es die drei Geschwister in den Sitz drückte, und sie heilfroh waren, dass sie sich vorher angeschnallt hatten. „Roxanne!“, keift Daimon und zog sich mit den Krallen ins Leder geschlagen an Kims Sitz nach vorne. „Spinnst du? Willst du uns umbringen!?“ „Schon möglich, Daimon.“, knurrt das Mädchen und machte am Ende der Hauptstraße, in der sie bis gerade eben noch über den Asphalt flogen, eine akute Vollbremsung. „Vielleicht ist das ja die Strafe dafür, das ihr mich hier von beiden Seiten so unverschämt zu Qualmt.“ „Aber ich bin doch unschuldig. Und ICH will im Gegensatz zu diesen beiden Knalltüten leben.“, jammerte ein dünnen Stimmchens hinter ihr, voller Angst. Marcel nahm die eiskalten Hände von seinem Gesicht nur um zu sehen, dass Hikari anscheinend auf seine Meinung pfiff, und gerade ein ziemlich riskantes Überholmanöver durchführte. Himmel noch mal! Wenn das so weiter ginge, würde er noch bei einem Verkehrsunfall draufgehen! Auch Kim sah nicht sehr Gesund aus. Seine Haut war Kalk grau angelaufen und der Rest seines Körpers saß so angespannt wie eine Sprungfeder, auf seinem Platz. Mit den Fingern klammerte er sich panisch an Daimons Hand fest. Von seiner berühmten Gelassenheit konnte man diesem Augenblick nicht viel spüren, auch seine Zigarette schien Kim davongeflogen zu sein, und er klapperte leise vor sich her. „Hikari, du bist dir bewusst dass ich kille dich wenn wir her lebend raus kommen!?“, fauchte der Schwarzhaarige bitterböse. Ein Schweißtropfen rann von seiner Stirn über den Nasenrücken und tropfte auf seine verkrampfen Hände. Hikari steuerte den Wegen von der hell beleuchtenden Hauptstraße, auf eine kleine, engere Straße und ihr Fuß klebte Nahezu am Gaspedal. Gerade als Daimon mit zitternden Fingern (die andere Hand hang nach wie vor zwischen Kileys Klauen), die Zigarettenpackung aus seiner viel zu engen Hose ziehen wollte, sah Marcel wie das Auto schnurstracks an einem roten Stoppschild vorbei schoss, und beinahe mit einem silbernen Opel zusammenstieß. Der Kleine nahm den Beinahe –zusammenschoss als willkommen Anlass um Daimon auf den Schoss zu springen, und sich an seine Brust zu quetschen. „Runter von mir du fettes Rentier!“, beschwerte sich dieser sofort lauthals, der sich anscheint nur um seine Zigaretten sorgte, und an seinen eingeklemmten Arm zerrte. Nach dem anfänglichen Schock machte sich nun ein anderes Gefühl in seinem Magen Breit. WUT. „Kiley du Scheisshose, lass verdammt noch mal meine Hand los! Ich will den kleinen Spastie verhauen! SIND DENN HIER ALLE VERRÜCKT GEWORDEN?!! SCHEISSE MAN! FICKT EUCH DOCH!“ „Sei Still!“, wurde Daimon auch schon im nächsten Moment von Marcel angeschnauzt. „Und von wegen fettes Rentier! Ich liege sogar 4 kg unter dem Durchschnittswert für mein Gewicht und meine Körpergröße. Wenn hier ein Fett ist, dann bist du das doch!“ Ein hämisches Kichern holte die beiden aus ihrem Streit. Und der Wagen legte die nächste Vollbremsung hin. Schnell griff Daimon nach seinen Anschnallgurt. Doch Marcel, der sich aus seiner Halterung gewunden hatte, konnte sich nicht mehr an Kims Sitz abfangen - und knallt ordentlich mit seinen Kopf gegen das Polster. „AUUAAA!“, schrie er schrill, und presst die Hände auf seine Schädeldecke. „HIKARI! Soll ich mir das Genick brechen!? Ah man, bei mir dreht sich alles.“ „Wir sind da.“, antwortete bloß Hikari nüchtern. Noch einmal trat sie kräftig auf die Bremse und die Reifen des Cabriolets kamen ruckelnd zum stehen. Sie rückt ihren Innenspiegel zurecht. Dabei warft sie Marcel und Daimon ein grausames Lächeln zu, und formt ihre Lippen zu einem Kussmund. „Ihr dürft jetzt aussteigen, Jungs. Ich lass euch gehen…“ „Endlich.“, knurrte Daimon, stieß Marcel zur Seite und klettert geschwind aus dem Wagen. Nach wenigen Sekunden der Erleichterung hatte auch Kiley wieder Mut geschöpft; er strich sich eine pechschwarze Haarsträhne hinter sein Ohr, und gesellt sich mit lässigem Hüftschwung nach draußen, zu seinem jüngeren Zwillingsbruder. Kichert und unter Hikaris zornigen Blicken, zündet Kim eine neue Zigarette an, die er dann zugleich zwischen seinen Lippen klemmt. Auch Daimon kam eine, und der Rothaarige muss dabei ebenfalls grinsen. „Haben wir die Rollen getaucht, Kimi? Scheiße man, heute Rauchst du ja wie ein Schornstein! Findest du Lungenkrebs plötzlich attraktiv, oder bist du wegen irgendwas nervös und brauchst erstmals Beruhigung?“ Dem Necken, folgte ein höhnisches Lachen und Kim sah, wie Daimon die Augen verdrehte. „Jetzt hab ich es Kapiert! Auf der Party ist `ne Perle die du heiß findest, und jetzt rauchst du dir Mut an?! Schöne und gute Strategie, mein Lieber, aber lass dir was von deinem kleinen Bruder gesagt sein; Versuch es mal mit Wodka, damit klappt es gleich viel besser.“ Unmerklich atmet Kim einmal tief ein; Mit seiner Aussage hatte Daimon nicht ganz unrecht, nur, dass es in der Sache nicht um ein Mädchen ging, sondern um… Nein! In Gedanken ermahnte er sich daraufhin zum Gefühlt hundertsten Mal, dass er dabei war, eine unsichtbare Linie zu überschreiten! Kim durfte sich nicht wieder an die Badezimmer-Rendezvous erinnern; Marcel stand nach wie vor unter Jeremys Obhut, und der würde ihm etwas anderes erzählen, wenn er heraus bekäme das Kiley mit seiner Rolle als >Großer Bruder< nicht mehr zur frieden war. In ihrer Beziehung gab es keinen Platz für Romantische Gefühle! Sie waren bloß Geschwister, und mehr nicht… In Gedanken versunken biss sich Kiley so fest auf die Lippe, das er kurz den Geschmack von Blut auf der Zunge wahrnahm. Um ihn herum wurde es dunkel und kalt. Nein, eigentlich war es nicht richtig was er hier für eine Show abzog. Er belog nicht nur Marcel sondern auch sich selbst, wenn er nach wie vor dieses Spiel befolgte und sich vor kam, wie eine willenlose Marionette. Aber Kim konnte diesem verflixten Teufelskreis nicht entkommen. Und auf Daimon konnte er sich auch nicht verlassen. Daimon würde sich NIEMALS gegen Jeremy auflehnen… Nicht in diesem Leben. Nicht gegen diesen Dämon! Ihm selben Augenblick wurde dem jungen Stone Face klar, dass er jemand drittes ins Boot holen musste, der nicht unter Jeremys Einfluss stand und Licht in ihr dunkles Familien-Geheimnis brachte. Kuroro vielleicht? Doch schon im selben Augenblick verwarf Kim diesen Gedanken wieder: Kuroro ist nicht stark genug. Jeremy wurde ihn in Dosenfutter verwandeln, sobald der Werwolf auch nur einen Finger gegen ihn erheben konnte. Seine Gedanken fuhren Achterbahn. Schnellstens musste eine Lösung her! Auf seinen Rücken bildete sich eine Gänsehaut: Es handelte sich zwar ein seltsames Gefühl, doch Kim wusste inzwischen dass der Feind gegen denn er Kämpfen musste, in den eigenen Reihen saß. Die alten Wandeluhr im Wohnzimmer schlug 22 Uhr. Dylan, der auf den Bauch vor dem Karmin lag, blinzelte leicht zu ihr rauf. Nachdem er sich ein paar Stunden mit einem Buch geschäftig hatte, wurde er des Lesens langsam müde. Auch sein Magen meldete sich grummelnd zu Wort. Als der zerbrechlich wirkende Junge aufstand rutschte eine flauschige Decke von seinen Schultern, die ihm bis zu diesem Zeitpunkt vor der Kälte beschützte. „Mephisto?“, rief er leise und zurückhaltend in den Flur hinein. Aber nichts als gähnende Dunkelheit antworte. Bevor er wusste wie ihm geschah, warf Dylan das arme Buch auf den Boden und zog trappelndes Schrittes in die Küche ein. Es war doch zum ausflippen. Schlimmer noch, es war zum Durchdrehen und Amoklaufen! Mephisto hatte sich jetzt schon seit Freitag, und das heißt Ganze 4 Tage, nicht mehr in der alten Villa am Höllenberg blicken lassen. Nicht das Dylan die Ruhe störte, ganz im Gegenteil, denn die beiden standen schließlich nach wie vor auf Kriegsfuß. Aber so langsam machte sich das schlechte Gewissen in ihm Breit, und er musste sogar gestehen dass er seinen Adoptivvater vermisste. Dylan sehnte sich nach ihren kleinen Sticheleichen und auch wenn es jetzt sehr Kitschig klang, nach Mephistos wunderschönen Augen, die so herrlich leuchten konnten das es ihm regelrecht den Atem verschlug…! Wer glaubte Stille sei ein Zustand ohne Geräusche, der war noch nie alleine in einem Haus in dem es sonst so von Leben wimmelte. Ohne Mephisto starb auch nach und nach die Heiterkeit in dieser alten Villa, die als Portal zur Unterwelt fungierte. Widerwillig schüttelte Dylan seinen Kopf. „Stille“ war in ebendiesem Gebäude alles andere als Lautlos. Die Stille klang viel eher nach das ermahnte flehen der inneren Stimme. Aber…? Nein. Niemals! Egal, was hier Oben noch passierte; Dylan würde dem Teufel nicht hinterher laufen. Entschuldigen ja, aber Dylan wollte nicht den ersten Schritt machen. Immerhin hatte Mephisto ohne Kommentar das Feld geräumt, und nicht ER. Es ist so ähnlich wie damals, als ich die ersten Monate in der Hölle verbrachte, dachte Dylan. Er konnte sich dunkel, und nicht mehr ganz klar an diese Zeit erinnern. Damals fühlte er sich auch unendlich einsam, das wusste Dylan noch, und von allen Menschen die er liebte verlassen. Eisige Schauer liefen Dylan über den Rücken. Was war das? Dieser stechende Schmerz in seiner Brust… Die alte Uhr auf dem Schrank tickte weiter in ihren monotonen Rhythmus, und er schlenderte zu dem dunklen Ledersofa. Wie immer wenn ihn etwas bedrückte, verschlug es ihm mit einem mal den Appetit. Zeitgleich stellte sein Magen das Knurren ein. Am liebsten würde Dylan jetzt ein paar Tabletten nehmen und sich damit ins Traumland katapultieren. Damals in der Hölle machte ihn Mephistos Anwesenheit noch Angst. Bei seinem Erscheinen fühlte sich Dylan wieder an seine prinzliche Lage erinnert. An seine verdammt schlechte Lage. Er war Tod. In der Hölle gefangen. Und seine Seele schien für immer verloren, und zur ewigen Verdammnis verurteilt. Dylan erzählte Marcel damals aus purer Absicht nicht die ganze Wahrheit über sein anfängliches Leben dort Unten. Er wollte den kleinen Menschenjungen nicht verstören. Dunkelheit. Einsamkeit. Angst - Diese drei Begebenheiten beherrschten Dylans Leben in der Unterwelt. Seine Knie schmerzten abscheulich. Der rechte Arm war taub vom langen Liegen und begann zu kribbeln, nachdem er sich bewegte und die Blutzufuhr wieder hergestellt wurde. Dylan schnaubte und schlug seine Augen auf. Früher waren sie noch Grün und menschlich, nicht Golden und dämonisch wie heute. Auch seine Haut besaß zu der Zeit noch eine gesunde Farbe und sah nicht aus, wie der Bauch eines Toden Fisches. Langsam wich die Schlaftrunkenheit dem Schmerz. Der Junge kniff die Augen zusammen und begann allmählich seine Umgebung klarer wahrzunehmen. Unebener, harter Boden. Wenig Licht. Und schwüle Hitze, die ihm das Atmen erschwerte. Ein dumpfer Schmerz fuhr augenblicklich durch Dylans Schädel. Autsch. Vielleicht hatte er es in der vergangen Nacht doch ein wenig zu bunt getrieben; die Soldaten des Königs hatten ihn nach seinen Raubzug wie schon so oft schon gefangen genommen, und zur Strafe windelweich geprügelt. Eine Schweißperle rann Dylans Schläfe hinab und kitzelte leicht seine Haut. Er begann sich aufzurappeln und kreuzte die Beine, positionierte sich im Schneidersitz. Langsam gewöhnten sich seine Pupillen an die Dunkelheit. Anscheint befand er sich in einer unterirdischen Höhle, die ihn als Unterschlupf diente. Ah – so langsam kehrte auch seine Erinnerung an gestern Abend zurück. Er bestahl ein paar reiche Dämonen auf dem Wochenmarkt, und bereicherte sich mit ihren Goldmünzen – diese eingebildeten Snobs beschwerten sich noch nicht mal über ihren Verlust! Nein, nur die Soldaten sahen darin eine willkommene Einladung um mal wieder für ordentlich Krawall zu sorgen. Sie liebten es die verdammten Seelen zu quälen, und ließen sich diesbezüglich auch keine Gelegenheit entgehen. Und die Männer mochte Dylan besonders gerne… Er war dürr, nicht sehr groß und zum Zeitpunkt seines Todes erst 10 Jahre alt – demnach ein perfektes Opfer. Sich mit den Händen an der Wand abstützend stand Dylan langsam auf. Seine Finger fuhren zitterten über rauen feuchte Steinen, und seine Knie gaben vor lauter Angst fast nach. „Nicht aufgeben!“, flüsterte er zu sich selbst. Die Zähne presste er so feste zusammen, das es weh tat. Ebenso langsam und vorsichtig setzte Dylan einen Fuß vor den anderen, und schlich mit gebeugten Rücken zum Ausgang der Höhle. Er holte einmal tief Luft, und musste sich im nächsten Moment auch schon die dreckige Hand vor den Mund pressen, um kein Wimmern von sich zu geben. Irgendetwas stimmte nicht mit seiner Lunge! Diesmal hatten die Soldaten ihn wohl wirklich ernsthaft verletzt… Plötzlich fiel ein feiner Lichtstrahl auf den Boden. Dylan schöpfte Hoffnung. Von hier aus konnte er keine Gefahr ausfindig machen; draußen auf der Straße sah alles ruhig, und wie gewohnt aus. Es musste noch ganz früh am Morgen sein. An den Marktständen der Händel glitzerten Spinnweben von Tau und in den Hofschluchten hang noch ein leichter Dunst in der Luft. Aber das Wichtigste… Der geschwächte Junge konnte Weit und breit keine Soldaten ausmachen. Mit angehaltenden atmen schob Dylan den Kopf aus dem Höhleneingang. Der Horizont erstrahlte Blutrot und war von riesigen, schwarzen Türmen bedeckt. Hinter den finsteren Bauwerken - hinter Mephistopheles Schloss - fristete 7 Sonnen ihr Dasein, und ließen erbarmungslos ihre glühendheißen Strahlen auf die Erde der Hölle knallen. Unter den Füßen der Dämonen und Unterwelter brodelten mehrere tausend Öfen, gespeist mit Lavasteinen und Drachenfeuer. Dylans Magen Entkrampfte sich. Den Schweiß wischte er sich mit der Hand von der Stirn. Die Lage sah gut aus… Ein Druck der in seinem Kopf entstanden war, kein schmerzhafter, lediglich dieser lähmende Druck der Verzweiflung, verwand wieder. Dann musste Dylan ein wenig lachen. Lähmender Druck der Verzweiflung, das passte. Es wäre nicht aus zudenken gewesen, was passieren würde, wenn ihn die Uniformten Männer noch einmal erwischen würden. Die Heerführer des Teufels zählten zu den grausamsten Wesen hier Unten. Man sagte, sie verhielten sich noch schlimmer als der Meister selbst. Sie nagten und kränkten die verdammten Seelen so lange bis nichts mehr von Ihnen übrig war. Sie fraß so lange, bis sich der Betroffenen in eine hilflose, blasse Hülle verwandelt hatten und sich nur noch den Tod wünschte, weil Bleiben Leben bedeutete und Leben nur noch Schmerzen. Aber an der Sache gab es einen kleinen Hacken: die Verbahnten waren bereits Tod, und so gab es für sie nur noch die Flucht ins Nichts, oder in den Wahnsinn. Mit beiden wollten Dylan sich jedoch nicht zufrieden geben. Für ihn gab es eine bessere Lösung! Außerdem gehörte Dylan schon als Kind nicht zu denjenigen, die sich klaglos ihrem Schicksal fügten, und alle Gemeinheiten von diesem hinnahmen. Wenn er etwas erreichen wollte, dann musste er es aus eigener Kraft schaffen. Alleine, denn er hatte keine Verbündeten – in der Hölle lebte jeder als sturer Einzelkämpfer. Doch Einsamkeit, das war ein Gefühl, dem konnte man gar nicht allein entgegentreten! Dylan lachte bitter. Trost gegen die Einsamkeit bekäme er nur durch einen Gefährten, dessen Fehlen ihn doch gerade erst einsam, und schutzlos machte. Doch dieser Tag heute – der war so anders, so warm und so NEU. Vielleicht hatte er ja doch noch ein wenig Glück und lernte, sich an den kleinen Dingen dieses Lebens festzuhalten. Die Sonnenstrahlen wärmte ihn, auf seinen rechten Arm fielen die dunklen Schatten der Höhle, verschwommene Punkte und zierliche Flecken, die über seine helle Haut wanderten. Mit diesem kleinen Hoffnungsschimmer im Herzen, fand sich Dylan wenig später im Innenhof des Marktplatzes wieder. Und zwar umzingelt. „Da bist du ja wieder…“, knurrte ein Uniformer Dämon aus dem Kreis und lächelte den Jungen schelmisch an. Panik machte sich in Dylans Brust breit; nicht schon wieder. Der Schockzustand, in welchem er sich befand, schien kein Ende zu nehmen. Wie gerne hätte sich Dylan jetzt um gedreht, und dem gehörnten Dämon mit seinen telekentischen Kräfte durch die Luft geschleudert - aber sein Körper war nicht in der Lage dem Einfachsten Befehl zu folgen. Der Soldat zog plötzlich mit seiner freien Hand ein kleines Messer aus seinem Gürtel, und hielt es dem starren Jungen an die Kehle. „So mein kleiner Mensch, wir haben genug gespielt. Es ist an der Zeit das wir ein Ende finden. Langsam nervt mich nämlich deine Visage in meiner Umgebung; Du machst uns nichts als Ärger, und denn haben wir auch ohne dich schon zu genügen. Der Meister geht einfach viel zu lasch mit euch Seelen um. Ihr habt keinen Respekt mehr vor uns Dämonen. Aber ich werde euch Pack schon noch das Fürchten lehren. Und mit dir, Dylan, fangen wir an. Ich werde dich nun auf dem direkten Weg in das Nichts schicken…“ Dylan traute seinen Ohren nicht. Der Stabsoffizier wollte ihn tatsächlich in das NICHTS schicken? Jener Ort, dem man noch mehr Qualen und Schmerzen nach sagte, als wie in der Hölle? Fuck, nein! Ein Schauer überzog Dylans Haut bei dem Gedanken an die letzte Station des Seins, was ihn von selbst dazu brachte seinen Körper den Schock abzuschütteln. Dann erschien neben der schwindenden Panik ein neues Gefühl, Entschlossenheit. Schrill schrie er auf: „Lass mich los, ihr Schweine! Diesmal habe ich doch gar nichts getan! Ihr könnt mich nicht ohne Grund verurteilen. Das ist gegen die Regeln!“ „Was für Regeln?“, grunzte ein Monster in der Form eines menschlichen Keilers spöttisch. „Du bist in der Unterwelt. Ihr Unten gibt es nur eine einzige Regel die du beachten muss: Der Stärke überlebt.“ Die Soldaten aus dem Kreis lachten Dylan mit funkelten Augen ins Gesicht. Diese abfällige Geste, sprengte in diesem Augenblick eine Schranke in seinem Bewusstsein. Na gut, die Soldaten wollten es so haben… Dylan stemmte sich mit dem Rücken gegen die Brust des Dämons der ihn hielt, stieß die Beine mit aller Kraft vom Boden ab, und schoss seinen Körper schwungvoll in die Höhe. Dann ging alles sehr schnell; Unter dem harten Schlag seines Hinterkopfes knirschte die Nase des Dämons. „Aua!“, brüllte dieser Blind vor Schmerz - Es klang aber mehr nach einem Grunzen – und zog Dylan an den Haaren zu sich zurück. Ein Würgelaut drang aus seiner Kehle. Für eine Sekunde sah Dylan in das wutverzerrtes Gesicht des Soldaten, dann packte das Ungeheuer seinen Kopf und schlug ihn brutal gegen seinen Brustpanzer. Augenblicks ging Dylans linke Gesichtshälfte in Flammen auf; es fühlte sich so an, als hätte man seine Haut auf eine heiße Herdplatte gedrückt. Die Konturen um ihn herum verschwammen. Dylans Umgebung fühlte und hörte sich dumpf an, und die Welt gönnte ihm dabei nicht mal eine Verschnaufpause. Die Soldaten um ihn herum brüllten vor Lachen, steigerten sich immer weiter in ihren Rausch. Keine von ihnen bemerkte das gespenstische funkeln in Dylans Augen. „Verschwindet, wenn euch euer Leben lieb ist…“ Apathisch betrachtete Dylan seine blutigen Fingerspitzen, mit denen er die taube Gesichtshälfte betastete. Schon bald würde denn Mistkerlen das Lachen vergehen. Nur noch ein bisschen mehr… Das laute Grölen hallte unangenehm in seinem Kopf wieder, der Kies knirschte hörbar unter Dylans Fußsohlen. Gleich… „Was treibt ihr da!?“ Augenblicklich verschwanden die Hände des Dämons von Dylans Hals, so dass er kraftlos auf den Boden sackte. Der Stabführer am Fuße des Kreises wurde prompt nach hinten gerissen und eine schallende Ohrfeige versenkte sein Gesicht. „Seid ihr denn von allen guten Geister verlassen?! Ihr könnt doch nicht einfach ohne Mephistopheles Anweisung eine Seele verdammen! Er würde euch für diese Tat glatt selbst einen Trip dort hin spendieren.“ Ein Mann in schwarzer Rüstung und edlen, Knöchellangem Umhang sah die Soldaten eisig an. Seine silbernen Haare wehten leicht im Wind, und eine riesige Sense ruhte still neben den Füßen seines Herren. „Verstanden, Master Dyleiton. Verzeiht Uns unser törichtes Handeln, aber diese Seele hier stiftet nur Ärger und Missetaten. Gestern bestahl er doch tatsächlich die Herrschaften auf dem Wochenmarkt, und letzten Dienstag…- “ Der Silberhaarige Dämon schnalzte ungeduldig mit der Zunge, und schulterte seine mächtige Waffe. „Dann liegt es in der Verantwortung Mephistos eine Strafe zu verhängen, und nicht in Eurer. Ihr dürft jetzt wegtreten. Ich werde den Jungen in meine Obhut nehmen, und ihn zu Mephisto bringen.“ Der Stabsführer nickte und vollführte eine kleine Verbeugung. „Wie ihr wünscht, Master Dyleiton… Danke für Euer Verständnis. Männer? Wir ziehen ab!“ Und so formten die Soldaten eine lange Reihe, und zogen schweren Schrittes von denen. Dylan saß noch immer kauerten auf den Boden. Langsam wendete er seinen Blick von der fortziehenden Mannschaft ab, und warf dem Dämon in der schwarzen Rüstung einen bangen Blick zu. Er kannte diesen mysteriösen Mann. Er hieß Dyleiton, und stand in seiner Befehlsmacht direkt unter Mephisto. Somit war er der zweitstärkste Dämon der Unterwelt, und auch der zweit gefürchtetste. Ein kleines wimmern entfuhr es Dylan als sich ihre Blicke kreuzten, und der Silberhaarige seinen Mund zu einer schmalen Line verzog In der dunklen Ritterrüstung, und mit der scharfen Sense auf der Schulter sah Dyleiton wirklich sehr erhaben und mächtig aus. Der Mann war ein gutes Stückchen größer als die meisten Dämonen und Seelen hier Unter, sicher weit über 190cm groß, und seine helle Haut, sowie seine muskulösen Arme erinnerten stark einen europäischen Bodybuilder. Seine Haare erwecken den Eindruck, als hätten sie noch nie etwas von der Erdanziehungskraft gehört, und standen im wilden durcheinander von Dyleitons Kopf ab. Zwischen den einzelnen Strähnen hindurch, wuchsen ein paar gebogene Hörner in dunkel Braun hervor, mit denen der große Dämon jeden Stier der Welt vor Neid erblassen lassen könnte. Überall auf seinem feinen Gesicht zogen hell, und dunkel Blaue Linien über Dyleitons Haut hinweg. Vielleicht war es eine Art Tattoo? Doch irgendwie zweifelte Dylan an diesen Gedanken. Sie sahen unheimlich und geheimnisvoll aus. Als verborgen sie ein Geheimnis. Dylan musste schlucken, und rutschte ein halben Meter von seinen >Retter< weg. Vorhin als er die Soldaten ausschimpfte, beobachtete Dylan, wie sich die Linien umfärbten. Doch jetzt hatten sie wieder ihren normalen Ausgangston angenommen. „Steh auf, Junge. Du wirst jetzt mitkommen!“ In Dyleitons Blick spiegelte sich die Kälte wieder, die sich langsam aber sicher in dem Kleinen aus breitete. Mit zitternden Knien stand er auf. Es zwar schwer, aber Dylan musste sich eingestehen das Dyleiton ihn mehr Ängstigte als die Soldaten. Er war Anders, und von einer düsteren Aura umgeben. Ein Schauer überzog Dylans Körper, als sich der Dämon umdrehte und ohne weiterte Anweisung auf dem Weg zum Schloss des Höllenfürsten machte, und verleitete ihn dazu seine Oberarme zu umschließen, und diese mit leichten Reiben in ihren üblichen Zustand zurück zu versetzten. Dylan spähte nach links und rechts. Mit ein bisschen Glück konnte er einer Audienz mit Mephistopheles und einer Strafe entkommen. Er musste nur schnell genug sein, und wieder in seinen Unterschlupf zurückkehren…- Plötzlich blieb Dyleiton stehen, und drehte den Kopf mit funkelnden Augen zu Dylan um. „Brauchst du eine extra Einladung oder kommst du jetzt endlich? Ich bin ein viel beschäftigter Mann, und kann mich nicht ewig mit den Aufgaben der Soldaten rum schlagen. Also beeil dich mal!“ Ein schweres Seufzen entwich Dylan, als ihm bewusst wurde, dass er keine Chance mehr hatte. Es gab nun keinen Ausweg mehr; Er würde sich dem Teufel stellen müssen. „Ich komme ja schon.“, knurrte der Junge missmutig. Er gab sich Mühe seine Angst zu verbergen, und legte trotzig den Kopf in den Nacken. Wieder begegnete er diesem Scharlachroten Augenpaar. Sie zogen sich zusammen. Dylan wusste, dass es nicht grade von Respekt zeugte, einen Dämon seines Kalibers so ohne weiteres in die Augen zu schauen. Jemand wie Dyleiton befand sich auf einer ganz anderen Ebene – ja in einer ganz anderen Galaxie- wie er. Doch Dylan handelte ganz bewusst; er wollte der rechten Hand Mephistos beweisen dass er sich nicht fürchtete, und sich kampflos ergeben würde. Ein provokantes Lächeln breitete sich auf Dyleitons Gesicht aus, als Dylan grade und aufrecht Erhoben Hauptes an ihm vorbei stolzierte, und noch nicht mal eine Spur von Panik zu erkennen gab. Andere Seelen oder Dämonen wären vor lauter Druck schon dreimal zusammen gebrochen, aber diese Junge nicht. Nein, er bewegte sich so selbstbewusst und sorglos als ginge es zu einem vergnügten Candle-light-dinner. Mit ihm würde Mephisto wohl nicht so einfach fertig werden. Dyleitons Grinsen wurde noch eine Spur breiter. Aber vielleicht war dieser Junge grade der Richtige, denn der Meister brauchte um seiner ewigen >In den Tag hineinlebe-PhaseMeister< anzusprechen, und wirst jeden seiner Befehle Kommentarlos folgen. Hast du mich verstanden?“ „Ja…“, knurrte Dylan und verdrehte heimlich die Augen. Als ob er nicht selbst wusste, wie er sich gegenüber der Majestät zu verhalten hatte. Obwohl… Dylan grinste ein wenig. Ein bisschen Kontra würde Mephisto keinen Zacken aus der Krone brechen. Immerhin nannte er seinen Meister jetzt schon in Gedanken >Mephisto<, obwohl ihn alle, bis auf Dyleiton vielleicht, mit seinen vollen Namen Mephistopheles ansprechen sollten. Doch warum eigentlich? Als sie sich damals kennenlernen, stellte er sich auch mit Mephisto vor, und nicht mit Mephistopheles. Dann sah auch Dylan kein Problem darin, ihn so zu nennen. „Du solltest dir deinen frechen Ton abgewöhnen, du Grünschnabel. Weißt du eigentlich, mit wem du Redest?“ „Ja…“, Dylan hob unbeeindruckt seine Augenbrauen hoch. „Du bist Rube, genannt Dyleiton. Dein Platz ist an Mephistos Seite, und du bist das Wesen was wir Menschen als Gevatter Tod bezeichnen. Habe ich Recht?“ „Ja hast du… Und warum bist du dann immer noch so Mutig, und tust so stark obwohl du vor Angst eigentlich umkippen solltest?“ „Warum? Weil ich schon Tod bin?! Was soll mir denn noch viel passieren, als das man mich ins Nichts werfen könnte…?“ Geschockt sah Dyleiton den Kleinen erst nur an, dann knurrte er Abfällig. „Reicht dir dieser Gedanke denn nicht aus?“ Ein Dämonenjunge im selben Alter, würde sich in dieser Lage NIEMALS so leichtsinnig geben. Lebte man in Dyleitons Welt war man mit 11 oder 12 Jahren schon fast ein Armeetauglicher junger Mann, in der Welt der Menschen dagegen betrachtete man ein Jungen in diesem Alter, noch als Kind. So verhält sich der Knabe auch, stellte Dyleiton bitter fest, wie ein ungezogener Bengel denn man erst noch Manieren beibringen musste. Ob Mephisto das wohl Schaffen würde? Er müsste sich anstrengen um den Willen des Kleinen zu brechen. Dylan erschien ihm zwar Mutig und listig, jedoch hatte der Kleine die Schwelle zum Erwachsen werden noch nicht mal Ansatzweise überschritten. Die beiden Bogen um eine Ecke und fanden sich vor einer großen, schweren Eichentüre mit goldenen Lettern und Schnörkeln wieder. Dylan wisch einen Schritt nach hinten, und versuchte sein hüpfendes Herz zu ignorieren. Jetzt saß er endgültig in der Falle. Natürlich entging Dyleitons Augen diese Reaktion nicht. Wieder blitze sein sarkastisches Grinsen hervor. „Was hast du denn? Kriegst du es jetzt doch mit der Angst zu tun?“ „Als ob…“, beharrte Dylan. „Aber ich habe Mephisto nach meinen Tod nie - ich meine Mephistopheles- nie mehr gesehen. Das macht mich ein bisschen Nervös.“ „Aha. Der Gedanke kommt dir aber reichlich Spät. Wie ist überhaupt dein Name, Junge?“ Dylan hob wieder eine Augenbraue und sah Dyleiton prüfend an. „Der Gedanke mich danach zu fragen, kommt aber reichlich spät…“, er strich sich mit einer lässigen Handbewegung eine braune Haarsträhne aus den Augen. „Mein Name ist Dylan.“ „Tzz, was du nicht alles Glaubst. Bis jetzt hat er mich nur nicht interessiert. Und dein Nachname?“ „Der geht dich nichts an.“ „Frech wie eh und je… Wir beiden kriegen noch Spaß mit einander, da muss ich den Soldaten lassen. Auf den Mund gefallen bist du schon mal nicht.“ „Wenn man hier unten bei Euch landet, ist man bezwungen seine Erziehung zu vergessen.“ Ein kurzer Glockenschlag war zu hören und Dyleiton hielt einen Augenblick inne, dann sagte er: „Mephisto hat jetzt für dich Zeit. Trete nur ein, Dylan…“ Unfähig einen Ton von sich zu geben, blieb Dylan erst mal wie angewurzelt stehen, und betrachtete die große Gestalt an seiner Seite, welche ihn auf hochmütige Weise anschaute. „Ich will da nicht rein…“, wehrte sich Dylan leise gegen den Befehl. „Leider hast du nicht die Wahl. Geh rein, Mephisto hasst es zu warten.“ „Na gut…“ Völlig von Sinnen wandte sich Dylan der mächtigen Holztüre zu, welche er keine Sekunde später unsanft, wie auch schwungvoll öffnete und sich der Finsternis stellte. Im Hintergrund stieß Dyleiton ein anerkennendes Pfeifen aus, und folgte seiner verdammten Seele in die Hölle des Löwen. Die Türe erwies sich jedoch als hartnäckiges Miststück, und so musste Dylan sein ganzes Gewicht gegen das Holz lehnen. Doch plötzlich gab dieses nach, so dass die Türe explosionsartig aufsprang, Dylan über seine Füße stolperte und auf den Boden fiel. Was für ein glorreicher Auftritt! „Fuck!“ Dylan stieß einen lauten Fluch aus, und bremste den Sturz notdürftig mit den Knien ab. Mein Gott, war das Peinlich! Ihn verließ sein ganzer Mut, und Dylan senkte schüchtern den Blick. Dyleiton, der Dylan folgte, fiel die Kinnlade runter und fasst sich seufzend an die Schläfe. „Ohweih, er ist doch nicht so geschickt wie ich dachte…“ Jemand zog erschrocken die Luft ein, dem ein kurzes, mechanisches klirren folgte. Seinen ganzen verblieben Mut zusammen nehmend hob Dylan seinen Blick, und sah eine gebräunte Hand vor seinen Augen auftauchen, die ihm so gleich hoch half. „Hast du dich verletzt?“, fragte Mephistopheles und hielt Dylans Hand unnötigerweise in seiner eigenen gefangen. Zögerlich schüttelte Dylan seinen Kopf, und spürte wie im das Blut ins Gesicht schoss. Mephisto sah wirklich gut aus. Sein feines Antlitz und die großen, orange-roten Augen erinnerten an eine Handgefertigte Porzellanpuppe. Der Rest an Mephisto sah eher normal aus: durchschnittliche Größe, durchschnittliche Muskulatur, durchschnittliches Gewicht. Auf den ersten Blick hätte niemand den jungen, fast schon femininen erscheinenden Mann für den Obersten Befehlshaber der Hölle gehalten, doch Dylan wusste es besser… „Dyleiton, warum bringst du diesen Jungen zu mir? Hat er was schlimmes verbrochen?“, fragte Mephisto und Dylan stellte überrascht fest, dass die Stimme sehr viel sanfter als wie bei ihrer letzten Begegnung klang. „Kann man wohl sagen.“ Dyleiton umrundete seinen Meister, und hob eine zerbrochene Teetasse vom Boden auf, die dieser eben von sich geschleudert hatte. „Er ist ein kleiner Unruhestifter. Die Soldaten nahmen den Jungen gefangen, nachdem er am Vortag ein paar Dämonen ausgeraubt hatte. Auf sein Konto gehen wohl nach andere Schandtaten, aber diese eine reicht ja aus um eine gebührende Strafe zu verhängen, oder?“ Mephisto zückte desinteressiert mit den schmalen Schultern. „Klar, reicht es aus. Aber ich verstehe nicht, wieso du mich um Rat fragst. Sonst erledigst du die Sachen mit den Bestrafungen auch selbst, und alles läuft wunderbar.“ Ein kleines zittern huschte über Dyleitons Gesicht. Gleichzeitig färbten sich die Linien in seinem Gesicht purpurn. „Weil es eigentlich deine Aufgabe ist, Mephisto! Bis jetzt habe ich sie dir immer nur abgenommen, weil du meistens beschäftig wärst, aber heute hast du Zeit.“ Widerwillig schüttelte Mephisto den Kopf, und seine schwarzen, vollen Haarsträhnen wirbelten durch die Luft. „Von wegen Zeit! Ich muss in einer Viertelstunde auf einen Hexensabbat sein. Es kommt also gar nicht in die Tüte, das du mir diese widerspenstige Seele unterschiebst!“ „Unterschiebst?“, wiederholte Dyleiton blinzelnd. „Du bist der Herrscher der Unterwelt, und eigentlich musstest du dich um deine Gefangen kümmern, und nicht ich.“ Dylan räusperte sich, und hob seine freie Hand. „Ähm... Ihr könnt das auch gerne alleine aus diskutieren, und ich warte dann vor der Türe.“ „Na klar, und wenn wir wieder raus kommen bist du über alle Berge.“ An Mephistos Stimme merkte man deutlich dass er sich ein Lachen verkneifen musste, und schoss symbolisch die Eichentüre mit seinen Wink seiner Finger. Es vergingen einige Sekunden in welcher sich Dylan seinen Gedanken hingab, und einen neuen Plan fasste. Sich zu seiner vollen Größe aufrichtend stemmte er eine Hand in seine Hüfte, und zog die andere aus Mephistos Finger. Auf seinem Gesicht erschien der Ausdruck von Entschlossenheit, und ja, auch von Mut. „Ich übernehme volle Verantwortung für meine Taten, aber was bleibt mir auch anderes übrig als zu stehlen und zu rauben wenn ich von niemanden Hilfe bekomme? Ich bin nur eine Seele, und doch >Lebe< ich irgendwie. Ich finde es nicht Fair wenn ihr mich bestraft, und es tatenlos zulässt dass die Soldaten die Verdammten weiterhin bis aufs Blut quälen. Sie sollten auch für ihre Sünden büßen.“ Dyleiton warf Mephisto einen kurzen Blick zu, und er war nun froh dass er diesen Jungen mitgenommen hatte. „Na Mephisto, habe ich dir zu viel Versprochen? Der Kleine ist ein Unruhestifter wie es im Buche steht. Mit seinem losen Mundwerk macht er sich hierzulande noch viele Feinde. Lass uns ihn davor bewahren, und es Stopfen bevor es zu Spät ist!“ „Nein, Nein…das gefällt mir.“ Mephisto hob seine Hand, und legte diese auf Dylans Kopf. „Zwitscher nur weiter mein Vögelchen. Die Liste mit deinen Bestrafungen wird immer länger.“ „Wovon Rede… WAH?!“ Als das Licht und die Farben verschwanden, hätte Dylan fast der Schlag getroffen. Jenseits des Kopfes vollführte sein Herz einen Looping, und fiel dann schwer wie ein Klumpen Blei in seine Brust zurück; Der Junge riss die Augen weit auf, doch er sah nichts - absolut nichts! Vor Angst plötzlich erblindet zu sein, glaubte er, noch hier und jetzt in dem Büro des Teufels zu ersticken. Dylans Knie gaben unter der enormen seelischen Last nach, und sobald diese den Boden erreichen und damit Mephistos Berührung unterbrachen, erstrahlte seine Welt wieder in ihrem alten Glanz. Der Schweiß trat ihn auf die Stirn, und Dylan schaute keuchend zu den beiden Dämonen hoch. Für einen Augenblick standen seine Gedanken still. „Das war nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Dinge die dich erwarten, falls du dir noch weitere Schnitzer erlaubst.“, mahnte Mephisto ernst ohne einen Funken Spott in der Samtstimme. Das Monster fletschte sein markloses und mit scharfen Fangzähnen besetztes Gebiss. „Ich bin allergisch auf solche Rotzgören, also reiß dich lieber am Riemen.“ Ein Weilchen stand Dylan einfach nur da und rührte sich nicht, so sehr war ihm der Schreck ins Mark geschossen. Gevatter Tod schlich sich derweilen unbemerkt zu der Eichentüre zurück, und legte die Hand auf den goldenen Türknauf. Wenig Später war er auch schon verschwunden. Auch Dylan wäre am liebsten geflohen, doch er konnte sich nicht bewegen. So sehr er sich auch bemühte, seine Beine gehorchten ihm nicht mehr. „Verdammter Mist…“, knurrte Dylan und sein Herz pochte wild vor Aufregung. „ Wenn du mich noch heute ins Nichts verbannen willst, beeil dich bitte.“ „Huhu, wer hat das denn gesagt dass ich dich verbanne?“ Mephisto gab ein gehässiges Kichern von sich. „Ich habe etwas viel besseres mit dir vor…“ Ungeduldig griff er nach Dylans Kragen und zerrte ihn auf die Beine. „… ich lass mir meine Zeit nicht umsonst nehmen. Unterhalt mich!“ „ Du bist ja lustig!? Wo… Womit denn?!“ „Erzähl mir einen Witz.“ „Ich bin nicht in der Stimmung um Scherze zu reißen!“, empörte sich Dylan schnaubend. Der Stoff seines Hemdes schnitt sich beim Sprechen unangenehm in seine Haut. „Das ist aber Schade. Dann muss ich wohl überzeugender werden.“ Ein Schüttelfrost durchlief Dylans Körper. Ihm war kalt, obwohl es dank den Höllenöfen mollige 200°C im Schatten waren. Anderseits… das Dylan fror lag nicht grade an dem Temperaturen; In Mephistos Blick herrschte Eiszeit. Die eisige Kälte breitete sich ungehalten in Dylans Herzen aus, durchdrang ihn bis auf die Knochen. Nicht nur sein Körper geriet ins Wanken, sondern auch sein Geist. „Hör auf…“, stöhnte Dylan fiebrig. „Ich dachte, du wolltest mich nicht ins Nichts schicken!“ Mephisto antwortete nicht, stattdessen entblößte er seine Zähne in einer Geste, die wohl ein Grinsen andeuten sollte. Riesige, gekrümmte Reißzähne erschienen in dem dunkeln Spalt von denen der Geifer rann. Sie hatten nichts menschliches mehr an sich, sie wirkten eher wie die Hauer eines Raubtiers. Und das waren sie schließlich auch. Sie waren todbringend, und niemand konnte ihnen entkommen. Und schon mal gar nicht Dylan. „Das schenk ich dir, damit ich immer ein Auge auf dich haben kann.“, zischte Mephisto düster und presste seine Lippen unerwartet auf Dylans Handgelenk. Der Junge stieß einen schrillen Schrei aus. Von Kopf bis Fuß durchfuhr ihn ein gleißend heller Blitz, und blendete alle anderen Empfindungen wie Angst und Wut komplett aus. Er warf sich gegen Mephistos Körper, doch der bewegte sich keinen Millimeter. Dylan spürte, wie ihm das Blut aus den Adern floss, sein Herz von dem Schmerz in millionen Stücke zerfetzt wurde, doch Mephistos Mund war nicht kalt, wie er es erwartet hatte, sondern Warm. Glühend, oder sogar noch wärmer als das. Erst als Dylan zusammensackte und schwer zu Boden gehen wollte, ließ Mephisto von ihm ab und schlang die Arme um seinen Körper. Sanft drückte er den Kopf des Jungen gegen seine Brust, und sah sich sein Werk an: Ein kleiner, roter Fleck in der Form eines Sternes zierte Dylans Handgelenk. Später sollte man es nur noch als gewöhnliches Muttermal abtun, und niemanden mehr stören. Der Tag, an dem Dylan seine Strafe antrat, passte sich seiner Laune an: Dunkel, Stürmisch und Niederschmetternd. Langsam, fast andächtig, dehnte er seine Steifgelegenen Rücken und ließ seinen Blick durch den finsteren Raum streifen, den Dyleiton ihm zugeteilt hatte. Die Kammer die Dylan vor Zwei Tagen bezog war klein, vielleicht drei Mal fünf Meter, mit Staubüberzogen aber wenigstens windgeschützt und trocken. An der Wand, neben der Eingangstüre standen ein altes Holzbett und ein kleiner Schreibtisch mit einer Kerze drauf. Auf der anderen Seite erstreckte sich ein baumhohes Fenster über die Kammer, hinter dem ein schrecklicher Sturm sein Unwesen trieb: Wolken, von rötlichem Leuchten ungaren, trieben dicht zusammengedrängt dahin - ein unter dem blutigen Himmel schwebendes Gebirge aus Asche und Feuer. Krachenden Blitzschlägen folgte der Donner unmittelbar. Die Gläser in den Fenstern klirrten, von überall her war ein Knirschen und Ächzen der Wände vernehmbar, so wütend warf sich der Sturm gegen die Mauern des schwarzen Schlosses. Auf der löchrigen Matratze seines Bettes saß Dylan nun schon seit Stunden, und versuchte die Kerze mithilfe seiner Telekentischten Gabe zuschieben. Aber seitdem er in der Hölle war, hatten sich diese zurückentwickelt. Er konnte nochmal nicht mal mehr so leichte Gegenstände wie diese blöde Kerzen bewegen! Oben, in der Welt der Lebenden, konnte er zum Schluss schon ganze Weinfässer zum Schweben bringen, und es kostete Dylan noch nicht mal eine Schweißperle. Ein heftiger Donnerschlag riss ihn zurück aus den Nebeln, in denen seine geschundene Seele für kurze Zeit Zuflucht gefunden hatte. Dylan schaute aus dem Fenster und betrachtete die dicken Regentröpfen die gegen die Scheibe schlugen, und langsam an ihr hinunter rollten. Bald würde Dyleiton kommen und ihm das Urteil vorlesen, was sein zukünftiges Leben in der Unterweld bestimmen sollte. Hoffentlich kriege ich keine Peitschenhiebe, dachte Dylan und biss hart sich auf die Lippe. Die letzte Lektion der Soldaten reichte ihm noch, und die Angst saß jetzt schon wieder wie eine kalte Klaue in seinem Nacken… Zurück zum Höllenberg, zurück ins Jenseits. Traurig lag der schmale, goldäugige Albino auf der Couch und zog seine Hand unter der warmen Decke hervor. Regungslos betrachtete er diese im hellen Schein des Mondes, welches vom Fenster aus ins Wohnzimmer fiel und seine helle Haut in weißes Licht tauchte. Auf seinem Handgelenk, unterhalb des Daumens, befand sich noch immer das Sternförmige Muttermal. Selbst als Mephisto ihn einen neuen Körper schenkte, erschien es nach wenigen Stunden wieder an dieser Stelle. Der Kuss des Teufels würde Dylan in jedes Leben, und in jeder Erscheinung folgen. Für das Brandmal war es beinahe Logisch, seinen Träger nicht aus den Augen zulassen und Mephisto über jede noch so kleine Veränderung zu Infomieren. In seinen Gedanken versunken dauerte es eine ganze Weil, bis Dylan die Anwesenheit der anderen Person im Raum bemerkte. Ein Knacken, als würde ein Ast zerbrechen beendete die Stille in der Villa. Dylans Augen zuckten in die Richtung des Geräusches, doch regte er sich nicht. Lauernd wie eine Katze vor dem Mauseloch lag er leise da, zog blitzartig die Luft ein und schärfte seine übernatürlichen Sinne. Aus dem Schatten der Gegenüberliegenden Wand löste sich eine Gestalt, die auf den Jungen zu geschlichen kam. „Seit wann pirschst du dich an?“, fragte Dylan in die Dunkelheit. Seufzend schüttelte der Weißhaarige seinen Kopf, während er die Decke ein kleines Stück über sein Gesicht zog. „Hau ab…“ „Ich schleiche nicht, ich nähere mich.“, warf Mephistopheles sanft ein und ließ sich vorsichtig auf die Kante des weichen Möbelstücks nieder. Unfähig einen Ton zu sagen, blieb Dylan einfach ruhig und kommentarlos liegen und betrachtete die große Gestalt, welche ihn liebevoll anlächelte nicht. „Ich will dich doch nicht Ärgern, mein Kleiner. Lass uns Frieden schließen.“ Er beugte sich etwas über seinen Schützling, und legte die Finger auf die Stelle der Decke wo er Dylans Kopf vermutete. „Bist du so Böse auf mich, dass du dich noch nicht mal zeigen möchtest?“ Doch ehe Dylans Herz etwas darauf erwidern konnte, holte sein verletzter Verstand auch schon zum Gegenschlag aus. „Kannst du mich nicht in Ruhe lassen, und wieder in die Unterwelt verschwinden? Ich bin kaputt vom Tag, und möchte schlafen…!“ „Und dich der zweiten Erinnerung stellen?“, äußerte Mephisto grinsend seine Meinung. „Du bist dafür verantwortlich?!“ Wütend riss sich Dylan die Decke vom Kopf und starrte Mephisto mordlustig an. „DAS WAREN KEINE SCHÖNEN ERINNERUNGEN!“ „Beruhige dich. Ich wollte dich damit doch nicht Verletzen. Ich wollte dir nur beweisen, dass wir beide doch schon schwere Krisen als diese bewältigt haben.“ Langsam lies Mephisto seine Hand zum Gesicht des jüngeren wandern und bettete dieses in seine große Handfläche. Ungerührt fragte der Kleine: „Welche Krise!? Mephisto, hast du etwa meine Gedanken gelesen…?“ Ertappt wich der Teufel Dylans Blick aus, und seine Finger krampften sich um dessen Gesicht zusammen. „Das habe ich, da hast du Recht. Ich weiß von den Humanoid Demon und ihrer geheimen Organisation, die es auf uns Dämonen abgesehen haben Bescheid.“ Knurrend schlug Dylan die Hand des Dämons beiseite. Augenblicklich schossen ihm vor Wut die Tränen in die Augen, doch traten sie nicht aus dessen Höhlen hervor. „Wie konntest du nur?!! Du hast mich Hintergangen. Du hast mir damals versprochen niemals meine Gedanken zu lesen!“ „Ich weiß.“, wich Mephisto den Vorwürfen geschickt aus. „Aber ich habe dir auch versprochen, dass ich dich für immer Beschützen werde. Und darum musste ich in diesen Augenblick deine Gesundheit über deinen Willen stellen. Tut mir leid.“ „Gar nichts tut dir leid…“ Dylan wendete seinen Ziehvater den Rücken zu, und zog sich wieder die Decke über den Kopf. „Du hast dich in den letzten Wochen immer mehr vor mir verschlossen. Ich sah die ständige Panik in deinen Augen, und doch wolltest du dir nicht helfen lassen! Was blieb mir denn anderes übrig? Du hast mir damit einen heidenangst eingejagt, Dylan!“ Grob fasste er nach der Decke und riss sie fort. „Wie kannst du nur so dumm sein, und glauben das ich mich nicht gegen diese Mädchen wehren könnte?! Lächerlich. Auch wenn du mich selten Gewalttätig erlebst hast, musst du wissen, dass ich das Kämpfen nicht verlernt habe!“ Dylan schüttelte leicht den Kopf und schloss wieder die brennenden Augen. „Kannst du es mir denn wirklich übel nehmen, dass ich dich ebenso beschützen möchte, wie du mich?“, flüsterte der Albino leise. Seine Stimme klang noch sehr verwaschen und vom Albtraum verzerrt. „Die Nemesis wollen jeden Dämon in dieser Galaxie an den Kragen gehen, und mit deinen Tod wären die Mädchen ihrem Ziel ein großen Stück näher. Das kann ich nicht zulassen! Seit geraumer Zeit, um genau zu sein seitdem die Nemesis hier sind, habe ich keinen einzigen Dämon mehr gesehen. Nur noch wir und die Zwei Stone Face von Marcel sind übrig geblieben. Alle andere sind… aus dieser Stadt geflohen oder Tod.“ „Ich weiß…“, sagte Mephisto und nahm Dylan auf einmal ganz feste in die Arme. „Und ich glaube leider auch, dass wir sie her geführt haben. Die Nemesis sind erst in der Stadt aufgetaucht, als wir in diese Villa gezogen sind. Vorher war alles ruhig und viele Dämonen lebten unerkannt in Thirsk.“ Mit Schrecken spürte Dylan wie Mephistos Griff plötzlich härter wurde. „Ich bin schuld an ihrem Tod; diese Mädchen scheinen uns wohl schon länger auf den Fersen zu sein, doch ich hab ihre Anwesenheit nicht bemerkt. Ich war so blind….“ „Nein, sag doch sowas nicht!“, konterte Dylan sofort und schlang wie zum Beweis die Arme um Mephistos Nacken, und drängte sich dicht an seine Brust. „Du bist nicht schuld! Du kannst doch nicht überall sein, und ein Auge drauf haben!“ Doch es wurde weder geantwortet, noch das Gegenteil behauptet und so beruhigte sich der Albino wieder ein bisschen. „Es ist Spät, Mephisto. Lass uns jetzt schlafen gehen.“, sprach Dylan im sanften Ton, und strich dem Höllenfürsten eine verirrte Strähne aus den Augen. „Wir können morgen überlegen, was wir als nächstes machen und wie wir gegen Nemesis vorgehen.“ Doch Mephisto hielt den Jungen entschlossen am Ellenbogen fest, als sich dieser von ihm löste und grade aufstehen wollte. „… Und du bist mir auch nicht mehr Böse, weil in der letzten Zeit so fies zu dir war? Oder weil ich ohne Erlaubnis in deine Gedanken eingedrungen bin.“ Es kostete Mephisto komplette Selbstbeherrschung die Ruhe zu bewahren. Andächtig ließ sich Dylan wieder auf die Couch sinken, und legte seine Hand über Mephistos Finger, die sich vor lauter Sorge schon in seine Hose gebohrt hatten. Die goldenen Augen Dylans sahen in die Orange-Roten Mephistos, und langsam versank der Albino in den klaren Tiefen der roten Seelenspiegel. Es tat ihm Richtig weh denn Höllenfürsten so schwach und verletzlich zu sehen. „Natürlich finde ich dass nicht in Ordnung von dir, aber… wer weiß wie ich an deiner Stelle, mit so einer nützlichen Fähigkeit gehandelt hätte. Mach dir bitte deswegen keine Kopfschmerzen.“ Hart schluckend lauschte Mephisto mit gespitzten Ohren jedem Ton seines Schützlings. „Ja… Ja du hast Recht. Entschuldige wenn dich hier mit Unsinn zu geschmissen habe. Ich glaube, ich werde langsam Alt…“ Seine Stimme hatte einen Hauch von Sanftheit angenommen, und dies beruhigte den aufgebrachten Dylan wieder. Zaghaft nickte der jüngere und versuchte aufzustehen. Doch sank er gleich wieder in die Knie; plötzlich waren seine Beine zu weich um ihn zu tragen. „Wah! Von deinem >Unsinnseine Prinzessin<, die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hochtrug. Abschätzt wog er den gebrechlich wirkten Jungen in seinen Armen. „Sag mal, bilde ich es mir nur ein, oder bist du leichter geworden?“ „Ach ja? Findest du?“, fragte Dylan scheinheilig. Jetzt war er es, der den Blicken des Anderen auswich. Mephisto wusste schließlich von seinem leicht gestörten Essverhalten wenn Stress in der Luft lag. In der Tat hatte er in der letzten Woche mehr als 4 Kilo an Gewicht verloren. Und davor die Tage zeigte die Waage auch schon niedrigere Zahlen an, als sonst. „Ich finde nicht nur, ich meine sogar Stark.“ Knurrend stellte Mephisto Dylan wieder auf die Beine, und bevor der Kleine zum Erklären kam, hatte der ältere Dämon ihm auch schon das T-Shirt über den Kopf gezogen. „Hey!“, wimmerte Dylan und verschränkte in alter Mädchenmanie die Arme vor der Brust. Mephisto sollte seine hervorstehenden Rippenknochen, und Schlüsselbein nicht zu Gesicht kriegen. „Zeig mir mal deine Brust.“, verlangte Mephisto mit kalter Miene und machte einen Schritt auf den Jungen zu. Der wich allerdings nach hinten, und dachte noch nicht mal daran dem Befehl Folge zu leisten. „Ich bin also doch keine Prinzessin, sondern wohl eher die königliche Hure! Nö, entweder gibst du mir Kohle, oder gehst leer aus.“ „Jetzt mach keine Scherze! Das hier ist nun ernst. Komm schon, nimm deine Arme weg und lass mich deinen Oberkörper sehen! Ich weiß genau so wie du, wie es um deine Körperliche Beschaffenheit steht, sobald du unter Druck stehst.“ „Willst du mich als Krank abstempeln?!“. Dylan huschte unter Mephistos Armen hindurch und flüchte in Richtung Haustüre. Doch hatte er die Rechnung ohne die schnellen Reflexe des Dämons gemacht. Bevor er in die Freiheit gelangen konnte, wurde Dylan am Handgelenk gepackt und gegen die nächstbeste Wand gedrückt. „Zwing mich nicht dir weh zutun…!“, drohte Mephisto mit monotoner Stimme eisig. „Vor 2 Jahren hattest du schon mal mit Magersucht zu kämpfen, als du von dieser blöden Ziege einen Korb bekommen hattest…“ Dylan verdrehte die Augen. „Puh, jetzt fängt nicht schon wieder mit dieser alten Kamele an. Außerdem… war ich damals nicht Magersüchtig, sondern nur Untergewicht.“ Ungläubig ließ Mephisto eine Augenbraue nach oben wandern, und zog leicht die Mundwinkel nach unten. „Nur? Du tust krankhaftes Untergewicht als geringes Übel ab? Wenn ich dich nicht rechtzeitig aus diesen Strudel gerissen hätte, wärst du mit einer Magensonde im Krankenhaus geendet.“ „Du übertreibst…“ Ein leichter Rotschimmer zierte Dylans Wangen und er wollte den Blick abwenden, aber Mephisto ließ dies nicht zu und hob das schöne Gesicht mit zwei Fingern unter dem Kinn wieder an. „Ich übertreibe nicht. Du kannst ja noch nicht mal mehr laufen, so schwach bist du. Was hast du denn heute gegessen?“ Dylan schwieg. „Vorgestern?“ Dylan schwieg noch immer. „Himmel, lass mich nicht weiter fragen. Seit Freitag hast du kein Essen mehr gesehen, hab ich recht?“ Jetzt nickte der Albino langsam und kam sich schon wie ein Schwerverbrecher vor. „Reichen dir insgesamt 6 Liter Wasser, und einen Apfel als Antwort aus?!“ Nun fand Dylan seine Kraft wieder um sich auf dem Kreuzverhör zu befreien. Die Hand, die Mephisto zuvor losgelassen hatte drückte er gegen dessen Schulter, und warf seinen alten Herren damit einen halben Meter nach hinten. „Du stempelst mich als Gestörtes Etwas ab wobei du ganz genau weißt, das ich nicht aus Zwang abnehme, sondern weil ich keinen Appetit verspürte. Ich vergesse dann einfach, dass ich was essen muss.“ „Ja ist gut, ich hab´s kapiert. Dann bist du eben nicht Magersüchtig, sondern hast irgendeine andere Seelische Klatsche auf dem Schirm. Jedenfalls ist das genau so schlimm, und morgen stelle ich dir erstmals einen Ernährungsplan zusammen.“ Dylan warf die Hände in die Luft. „Mach was du willst, aber veranstalte kein Chaos! Jetzt wo du wieder hier bist und von meinem Kummer weißt, stehe ich nicht mehr alleine da, und kriege ich meine Essstörung schon in den Griff.“ „Das will ich auch hoffen.“ Emotionslos schaute er kurz in die goldenen Augen, und packte Dylan dann wieder um die Hüfte. Gemeinsam gingen die beiden in das Schlafzimmer und Mephisto setzte seinen Schützling auf das Bett. Nach weiteren Metern, wo Funkstille zwischen den 3 Brüdern und Hikari herrschte, betrat das schweigsame Quartett einen reichgeschmückten Vorgarten. Ein paar Jugendlichen stehen mit Bierflaschen und Zigaretten in der Hand vor der Einfahrt und erwartet die anderen Gäste mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Daimon und Kiley wurden direkt von der bunten Schaar empfanden und freudig in die Arme geschlossen. Andere wanden sich an Hikari und schenkten ihr Küsschen, oder bewunderten ihren Outfit. „Hey Dude, es ist Party angesagt!“, grölte ein behelmter Junge im Hawaiihemd und Schlaghose. Er warf sich seinen drei Freunden der Reihe nach um den Hals, und klopfte ihnen auf den Rücken. „Es ist schön, das ihr auf meiner Party seid. Danke Leute.“ Alleranschein nach handelte es sich bei diesen Jungen wohl um das Geburtstagskind, Roland. Er drückte Hikari noch ein letztes Mal an sich, dann fielen seine Augen auf die Vierte Person im Bunde; Marcel. „Oho!“, machte Roland und musterte den Jungen im Lolitakleid abschätzend. „Wo habt ihr denn diesen heißen Feger aufgegabelt?“ Daimon ließ sich nichts anmerken, und stieß vor Überraschung ein langgezogenes >Oh!< aus. „Keine Ahnung. Seltsamerweise rennt die uns schon die ganze Zeit hinterher. Weiß der Geier warum. Soll ich sie fortjagen?“ „Red keinen Unsinn!“, rügte Hikari und brachte Daimon mit einen nicht grade sanften Ellenbogenstoß in die Rippen zum Schweigen. „Das ist ihr kleiner Bruder, Marcel. Hör nicht auf Daimon, der labbert nur wieder Scheiße.“ Roland sah Marcel mit großen Augen an, und stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Trotzdem. Einen hübschen Bruder habt ihr zwei da.“ Er grinste die Zwillinge viel sagend an. „Warum habt ihr ihn all die Jahre vor mir geheim gehalten? Hattet ihr Angst, das ich euch euren Süßen abnehme?“ Ohne es richtig war zu nehmen, krallte Kiley seine Finger in sein Hemd und warf denn Gastgeber einen Todbringenden Blick zu. Er spürte so etwas wie Eifersucht in sich aufsteigen. Rasch genehmigte er sich noch einen Schluck Bier von einem Freund, und sah dann mit glühenden Augen in die Runde. „Es ist frisch hier draußen.“, merkte er im noch viel kälteren Ton an. „Sollen wir jetzt erst mal die Straße mit unserer Raucherlunge teeren oder, gehen wir jetzt rein?“ Die andere kannten Kileys flapsige Art schon, und begaben sich schulterzuckend auf dem Weg zu dem hellen erleuchtenden Haus Rolands. Marcel fühlte sich währenddessen etwas im Stich gelassen. Auf seinem ganzen Körper bildete sich eine Gänsehaut. Aber das lag bestimmt nur daran, dass er sich unwohl fühlte zwischen all den fremden Leuten…oder? Lag es vielleicht doch eher an Kileys feurigen Blick, der ihn eben wie eine Pistolenkugel durchbohrte, und sein Herz zum Rasen brachte? Er war vollkommen überfordert. „Komm Marcel!“, rief Hikari auf einmal die ihren Kopf nach den Jungen umgedreht hatte. Nachdem er sich von der Starre befreite folgte er der Gruppe schweigend ins Haus. Und dort ging es auch schon Munter weiter. Wieder stürzte sich ein Dutzend Partygäste auf die Zwillinge, und begrüßten die Brüder schallend. Vier großen Jungen scharten sich um Daimon, und an die Sieben Weiber um Kiley. Schnell schielte Marcel zur Seite doch das Halbprofil des Schwarzhaarigen sah weitgehend neutral aus, seinen Blick richtete er stur auf die Gesichter der Mädchen. Was sollte das denn jetzt werden? Marcel schaffe es nicht die Augen von dem kleinen Harem abzuwenden, und spürte dass ihm die Galle wie Gift in den Mundraum schoss. Um sich von seiner Eifersucht abzulenken sah er sich im Haus aus. Hier drinnen war fast alles in Weiß und Schwarz gehalten. Klassischer Neu stil eben. Der helle Parkettboden und die silberne Minibar in der frei zugänglichen Küchenecke im Wohnzimmer, bildeten die einzigen Ausnahmen. Von dem was Marcel sah, kam er zu dem Entschluss, dass Rolands Eltern richtig viel Geld verdienen mussten. Bei wem war er nochmal in der Clique? Sicher bei Kim… Nach wenigen Minuten führte Roland die laute Meute in den Keller, wo anscheinend die eigentliche Party stattfand, und schon die Hälfte der anderen Besucher auf ihn wartete. Der Keller war wirklich rappelvoll. Die Tanzfläche war überfüllt mit Menschen, genauso wie die Bar und die Mehrzahl der Tische. Vor Marcels Augen wurde zum dritten Mal derselbe Film aufgelegt: Kreischende Menschen sprangen auf die Beine. Unzähligen Umarmungen, und Jubelrufe durchschnitten den Raum. Eine kleine Gruppe Muskulöser Jungen, und eine noch viel größere Gruppe aufgetakelter Weibe sammelten sich wie eine Hühnerschar um Kiley, und Daimon. So Langsam wurde Marcel schlecht. Er wusste zwar dass seine Geschwister sehr beliebt in der Stadt waren, doch diese hysterische Menschenmenge machte Marcel Bauchschmerzen. Woher die Wohl ihre Gene hatten, das sie sich so stark von Marcel unterschieden? Er war wirklich froh, dass es hier unten so dunkel war, und niemand den Zorn in seinen Augen bemerkte. Irgendwann bahnte sich Hikari ihren Weg durch die feiernde Masse und setzte sich zu Marcel auf einen Barhocker. „Hey Blondie.“, grüßte sie ihm grinsten. „Was sitzt du hier so einsam rum und hältst dich an deine Fanta? Komm doch zu uns.“ „Keine Lust.“, murrte Marcel und zwiebelte den Strohhalm seines Getränkes zwischen den Fingern. Seit mehreren Minuten herrschte ausgelassene Tanzstimmung und die Pärchen wetzend im wilden Discofox über die Tanzfläche. Zwischendurch wurde Kiley immer mal wieder von irgendeiner anderen Tussi auf das Bankett gezerrt. Auch Daimon musste sich die eine oder andere Verehrerin vom Hals halten, und schickte stattdessen einer seiner Kumpels mit. Nicht das Marcel es störte, aber wünschten sich das alle Weiber, bis auf Hikari, von der Party ausgeschlossen wurden. Die Mine zu einer kleinen Grimasse verzogen fasste sich er plötzlich an die Brust, als ihn ein Blitz der Eifersucht durch das Herz fuhr. Ob Daimon und Kiley wohl oft mit diesen Weibern zusammen waren? Wahrscheinlich… Und ob sie auch schon mit ihnen geschlafen hatten? Gut möglich, Sie sahen ja alle Gut aus. „Du guckst ja fies…“, murmelte Hikari leise. Bei diesem Bild kicherte sie düster. „Du guckst aber auch nicht grade fröhlich.“, entfuhr es Marcel und klang dabei sogar ein wenig frech. Er folgte ihren starren Blicken zu Daimon der grade eine weiteren Mädchen eine Abfuhr erteilte. „Eifersüchtig?“, fragte der Blonde spitz. Hikari warf Marcel einen Misstrauischen Blick zu. Der grinste von einem Ohr zum anderen. Schnell wendete Hikari ihr Gesicht ab, jedoch gelang es Marcel noch einen feinen Rotschimmer auf ihren Wangen zu erkennen. „Keine Ahnung.“, gestand Hikari schließlich seufzend. „Ich weiß nicht ob ich Eifersüchtig bin. Ich muss zugeben das ich Daimon gerne habe, aber ob ich ihn verliebt bin kann ich nicht sagen.“ „Du hast doch keinen Grund zur Eifersucht.“, versuchte Marcel das Rosahaarige Mädchen auf zu muntern. „Du bist doch viel hübscher als diese Puten, und kannst es locker mit ihnen aufnehmen. Wenn Daimon sich verlieben sollte, dann sicher in dich.“ „Ach was…“, grummelt biss Hikari in ihren Daumen. „Sollen wir mal zu Kim gehen, und ihn vor den Weibern retten? Ich glaube das ihn grade eine aus dem Keller geführt hat.“ „Was?!“ Marcel drehte seinen Kopf schnell zum Ausgang und sah, wie eine Vollbusige Blondine im schwarzen Minikleid jemanden, wahrscheinlich Kim, vor sich her schob. Mit vor Wut funkelnden Augen stand er auf, packte Hikari am Arm und zog sie auf die Beine. „Da gehen wir sofort hinterher. Ich kann nicht mit ansehen, wie die Alte meinen Bruder abschleppt!“ „Sag mal… kann es sein das du AUCH Eifersüchtig bist?“ Hikari zupfte ihre Haare zu Recht, und drängte sich mit Marcel an den Feiernden vorbei. Dem lief wieder ein kalter Schauer über den Rücken, und zeitgleich trat ihn der Schweiß auf die Stirn. Plötzlich ging Marcels Atem nur noch schockweise, und er befürchtete dass sich langsam wieder ein Schwächefall ankündigte. Vorsichtig trat Marcel einen Schritt zurück und seine Füße führen ihn an einen Stehtisch, woran er sich ruckartig fest halten musste. In seinen Augen schimmerten Gefühle wie Wut und Hass, aber auch Verzweiflung und Trauer. „Marcel…?“, säuselte Hikari besorgt und legte eine Hand auf Marcels Schulter, die jedoch sofort von dort weggeschlagen wurde. „Hey… Was soll das?!“ „Lass mich!“, zischte Marcel ohne sie anzusehen. Er wusste nicht warum, aber er befürchtete Schlimmes wenn ihn jemand in seiner momentanen Situation berührte. Sein Herz schien jeden Moment zu zerbersten; Er spürte wie sich diese sonderbare Energie in jeder kleinen Ader ausbreite. Marcel sah wie Hikari erschrocken ihre Augen auf riss, und ihn verstört an starrte. Und wieder zogen diese Erkenntnis einen kräftigen Schauer nach sich, gerade so, als wollte Marcels Körper das Gesagte wieder in die Kehle zurückspülen, und es dadurch ungeschehen machen. „Was ist denn schon wieder los mit dir?“, fuhr Hikari ihn schnaubend an, und drehte Marcel mit einem Ruck um. Ihre Blicke trafen sich, und das Mädchen erstarrte in ihrer Bewegung. Wie paralysiert stand sie im hellen Scheinwerferlicht, sie konnte noch nicht mal einen Finger rühren um sich bemerkbar zu machen. „Deine Augen… Was ist mit ihnen?“, flüsterte Hikari leichenblass vor Schreck. Marcel antworte ihr nicht. Aber nicht nur weil ihm keine Antwort darauf einfiel, sondern auch weil ihm jede Sekunde in der er aufrecht da stand, entsetzliche schmerzten bereitete. Ein Teil seines Bewusstseins ließ die eine Hand nach wie vor an der Tischplatte klammern, und ein anderer, wacherer und unkontrollierbarer Teil seiner Wahrnehmung, fasste mit der anderen Hand Hikaris Finger, neigten sie ein Stück weit zur Seite und verhinderte so auf simple Art, das sich diese von ihm entfernte. „Aua…“, wimmerte Hikari plötzlich und spürte wie der Hebelgriff sie beinahe in die Knie zwang. Grade wollte sie schon einen ihrer Kampfsporttricks anwenden, um sich auf ihrer Lage zu befreien, da sorgte auch schon ein scharfer Schmerz in ihrer Wirbelsäule dafür, dass sie sich keinen Millimeter mehr rührten konnte. Marcel blickte auf. Aber alles war er in diesen Moment sah bestand aus warmen, goldenen Licht und er wünschte sich nichts Sehnlicheres als es zu greifen, und fest halten zu können. In der Gegenwart dieses Licht ließ der wütende Schmerz in seinem Inneren, und eine angenehme Ruhe breitete sich ihn ihm aus. Lediglich nur noch diesem einzigen Gedanken gehorchte seine Motorik – nichts anderes steuerte ihn. „Marcel, du tust mir weh!“, schrie Hikari den Jungen verzweifelt und den Tränen nah an, doch die Bedeutung der Worte erreichte sein Gehirn nicht mehr. Er konzentrierte sich voll und ganz auf das goldene Licht vor seinen Augen, und genoss die sanfte Wärmer auf seiner Haut, die von diesem Ausging. Das größte Glück, bereitete Marcel jedoch erst der abklingende Widerstand in seinen Herzen, und die langsam fallende Geschwindigkeit seines Pulses. Kapitel 17: Die Rückkehr der Hitzeperiode und eine Verhängnisvolle Party ------------------------------------------------------------------------ Als Marcels Bewusstsein wieder in die Gegenwart zurück fand, hatte er keine Ahnung was grade geschehen war. Er erinnerte sich nur noch daran das Hikari plötzlich vor seinen Augen zusammenbrach, und bewusstlos in seine Arme sackte. „Hikari!“, rief Marcel erschrocken und stütze das große Mädchen mit aller Kraft die er zu Verfügung hatte. Und tatsächlich – seine dünnen Arme und Beine blieben unerwarteter weise Standhaft. Ein Raunen ließ Marcels Kopf nach oben schnellen. Ohne eine Bewegung zu machen, den Atem angehalten, stierte Marcel auf die erschrockenen Gesichter der anderen Partygäste im Keller. Ihre Blicke, ihre ganze Mienen strahlten das blanke Entsetzten aus. Selbst die Augen der Sturzbetrunkenen erschienen in diesem Moment so erschrecken klar, wie ein Wolkenloser Sternenhimmel. „Roxanne.“, flüsterte ein unscheinbares Mädchen aus der ersten Reihe und machte zugleich einen kleinen Schritt auf Marcel und Hikari zu. „Was hast du mit ihr gemacht?“ „Nichts…“, stammelte Marcel geistesgegenwertig und klammerte sich noch mehr an den warmen Körper. „Ich habe keine Ahnung was grade passiert ist…“ „LÜGER!“, kreischte das Mädchen auf einmal, und die Menschenmasse wich erschrocken zurück. „Ich habe dich genau beobachtet! Du hast du sie total komisch angesehen und danach ist sie bewusstlos geworden. Hast du ihr Drogen in Getränk getan, oder was!?“ „Nein! Hikari ist doch meine Freundin!“ Marcel fühlte sich ausgeliefert, und er spürte wie eine verräterische Feuchte in seine Augen stieg. Was wollte diese dumme Gans von ihm?! Hatte er ihr nicht grade erklärt, dass er nicht wusste warum Hikari zusammen gebrochen war? Aber das aufgebrachte Mädchen ließ sich weder einschüchtern, noch von ihren Freunden besänftigen. Sie setzte ihren Weg fort und als sie vor Marcel stand riss sie ihm Hikari aus den Armen. Allerdings hielt dieser Zustand nur ein paar Sekunden an; denn bevor sie sich versah spürte sie einen scharfen Schmerz in der Wirbelsäule und wie sich jemand hinter ihr bewegte. „Du blöde Ziege nimmst jetzt sofort deine Pfoten von Hikari weg, und wenn du noch einmal meinen kleinen Bruder schlecht machst, haue ich dir eine rein! Es ist mir scheiß egal ob du ein Weib bist oder nicht.“ Die Augen des Mädchen füllten sich mit Tränen und wanderten Hilfesuchend in die Runde. Doch dort rührte sich niemand. Alle Blicke Konzentrierten sich auf den rothaarigen Hünen der im Augenblick noch gelassen dastand, aber jeder von ihnen wusste das ein winziger Herzschlag reichte um ihn aus der Reserve zu locken. Daimon ging auf das Mädchen zu. Seine grünen Augen waren inzwischen zu Eis erstarrt. Er brauchte nicht deutlicher in seiner Förderung zu werden. Zwei weiterte Partygäste rannten auf das Mädchen zu, und redeten beruhigend auf sie ein. Nach wenigen Worten hatten die Mädchen ihr Ziel erreicht und übergaben Daimon Hikari. Sie nüschelten noch schnell eine Entschuldigung und flüchteten zu dritt aus dem Keller. Daimon sah ihnen Kopfschüttelnd hinterher. „Wie ich solche Pfotzen doch hasse…! Pfui.“ Er drehte sich auf den Absätzen um. Hinter ihm stand Marcel, der seltsam apathisch Löcher in den Boden starrte. Der Blonde fühlte sich mehr als Unwohl; jedes einzelne Augenpaar im Raum brannte sich wie tausend Flammen in seine Haut. Der Ältere zog angespannt die Augenbrauen zusammen. „Alles okay mit dir?“ „Hmm…“, machte Marcel nur. „Komm mit, Kleiner. Wir hauen ab. Das Alles wird mir langsam ein wenig zu Bunt hier. Lass uns Kiley suchen, und dann… Ja sag mal, wo ist der Kerl eigentlich geblieben?“ Wie in einer einstudierten Choreographie verließen sie den Keller und erklimmen mit langen Schritten das Treppenhaus. Während Daimon seine Umgebung im Auge behielt und still in sich hinein grummelte, sah er wie die Menschen an ihnen vorbei hasteten und verstohlene Blicke zuwarfen. Leise erkundigte er sich nochmal bei Marcel nach seinen befinden. Deutlich roch er die Angst und die Panik die von seinem kleinen Bruder ausging. „Wenn du etwas auf den Herzen hast, musst du es mir sagen Marcel. Sonst kann ich dir nicht helfen.“, versuchte es Daimon nochmal. „Schon gut.“, wehrte sich Marcel leise gegen den Rat. „Nichts schon gut! Ich merk doch, das mit dir was nicht Stimmt. Du siehst so bleich aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.“ Marcel fühlte sich eher so als hätte man ihn den Boden unter den Füßen weggezogen; jetzt hätte er nicht nur eine erneute Windelattacke erlitten, sondern auch noch irgendwie Hikari ausgeknockt. „Willst du, dass ich deutlich werde? Ich habe schon die ganze Zeit das Gefühl das du mir und Kim irgendetwas Wichtiges verschweigst. Jetzt öffne dich mal langsam!“ Marcel zog die Mundwinkel nach unten. Und als er das tat, war es als würde es gleich um 10 Grad kälter werden. „Nicht gegenüber dir…!“ „Und wieso nicht?“ „Weil man mir dir nicht reden kann! Du besitzt Null Einfühlungsvermögen, und würdest dich sogar noch über mich lustig machen.“ „Schön! Dann muss ich dich wohl mal an unsere letzte Diskussion erinnern. Du weißt wovon ich spreche…?“ Daimons Augen gingen bei diesen Worten in Flammen auf. „Wenn du nicht möchtest dass es genau so endet, dann mach Klarschiff.“ „Wie könnte ich das Vergessen…“, gab Marcel leise zu. In seinen Gedanken drehte er die Zeit zurück. Als er daran dachte wie sehr er den Mann neben sich verabscheute, und wie entsetzlich die Nacht im Wald gewesen war, konnte er den Kummer darüber nur mit Mühe unterdrücken. Nun befand er sich wieder mit Daimon in Kuroros Versteckt, und wartete auf die Reaktion seines verhassten Bruders nachdem er ihm seinen Kummer offenbart hatte. Er hatte Daimon schlimme Sachen vorgeworfen, aber sie entsprachen der Wahrheit. „Du möchtest also wirklich wissen, warum ich dich so verabscheue?“, fragte das riesige Stone Face das hinter Marcel lag und den schmalen Jungen wie eine kleine Puppe in den Armen hielt. Daimon erhob sich vorsichtig und schütze seine Krallenhände auf den lockeren Boden. „Das was du als >Gemeinheiten< abtust, sind nichts anders als Gegenmaßnahmen gegen deine Hitzeperiode. Natürlich sind die einen oder andern Sprüche schon beabsichtig, aber dann gehest du mir auch wirklich tierisch auf den Sack. Außerdem gehören diese ständigen Sticheleien zwischen mir und dir für mich irgendwie dazu.“ „Meine… Hitzeperiode? Ich dachte das hätten wir schon vergessen…“, fragte Marcel. Er wich dem Blick des 3 Meterhohen Urzeitdrachens aus. „Was soll das jetzt eigentlich sein, diese Hitzeperiode? Bis jetzt hat mir das noch keiner so genau erklärt.“ Nein, Keiner! Nur Mephisto in deinem Traum, rügte Marcels Gedächtnis ihn, dessen Wahrheit er aber noch stark anzweifelte. „Ich weiß dass ihr euch in meiner Nähe verändert, und plötzlich komische Sachen anstellt… aber mehr weiß ich auch nicht. Was für komische Sachen macht ihr denn?“ „Die Hitzeperiode zeigt uns Dämonen eigentlich nur, dass derjenige der in diese Phase ist die Kindheit hinter sich gelassen hat, und nun Paarungsbereit ist. Zuerst wirkt die Hitze auf uns nur wie ein Aphrodisiakum. Dann schmeißen wir uns auf jedes weibliche Wesen, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Leider macht die Natur aber keinen Unterschied bei männlichen oder weiblichen Hitzeleidenden, und so gaukelt uns unser Gehirn vor das du ein Mädchen bist… und wir dich als potenziales Muttertier ansehen können.“ „Warte mal.“, warf Marcel rasch ein. Sein Mund öffnete sich wie von selbst, und seine Augen wollten gar nicht mehr blinzeln. „Ihr – also Kim, Jeremy und du – sieht mich als… Zuchttier an?!“ „Ja, so könnte man es auch Ausdrücken. Jedenfalls verdrehen uns die Hormone in deinem Blut den Verstand und wir fangen an, uns langsam auf die bevorstehende Paarungsphase vorzubereiten. Natürlich wäre das in deiner Lage vollkommender Schwachsinn, denn als Junge kannst du keine Kinder austragen, aber das will der Körper der Dämonen nicht wahrhaben.“ Daimon drückte seinen Bruder entschieden von sich weg, und drehte den Kopf in eine andere Richtung. Es war so, als bereitete ihm schon ihr bloßer Hautkontakt körperliche Schmerzen. „Ich habe gesehen wie sich Jeremy damals verändert hat als Kiley noch ein Mensch war, und in die Pubertät kam. Ich selbst war noch zu jung und grade erst ein Stone Face geworden um unter den Einschluss der Hitze zu gelangen. Aber für Jeremy und Kiley war es mehr als nur Grausam. Beide haben gelitten wie die Schweine: Kim versuchte Jeremy so gut es ging aus dem Weg zu gehen, und Jeremy gab sich alle Mühe seine unterdrückten Triebe im Zaun zu halten, und uns Kinder keine Angst ein zu jagen. Aber es war wie ein Fluch. Immer wieder kam es zu Situation wo die Lage eskalierte und einer der beiden fast das Handtuch warf. Ich musste tatenlos dabei zusehen, wie meine Geschwister beinahe unter den enormen Druck zusammenbrachen, schon alle Vernunft über Bord werfen und sich endlichen ihren Gefühlen hingeben wollten. Es ist ja nicht nur so, dass sich der Dämon zu den Hitzeleidenden hingezogen fühlt, sondern auch der, zu dem Dämon. Es ist eben wie ein Teufelskreislauf mit dem Nachwuchs, da hat Mutternatur in unserem Fall echt gut vorgesorgt. Aber ob die Vorsichtsmaßnahmen von Kiley und Jeremy irgendwas gebracht haben… Tja, das weiß ich bis heute nicht. Für mich sind sie immer noch meine Brüder, und ich habe mich bis jetzt nicht getraut zu fragen ob trotzdem was passiert ist. Und wenn ich ehrlich bin, will ich das gar nicht mehr wissen. Weißt du eigentlich wie Grausam es ist, wen du siehst wie sich die Personen die du liebst plötzlich in ein anderes Wesen verwandeln, und ihre ganze Persönlichkeit vor deinem geistigen Auge verschwimmt? Und jetzt passiert es schon wieder: Jetzt bist du es, der in Hitze gerät und außerdem sieht es diesmal nicht so aus, als würde dieser Spuck in naher Zukunft aufhören. Jeremy weigert sich weiß der Geier-warum-auch, dich in ein Stone Face zu verwandeln und die Hitzeperiode frühzeitig zu beenden wie damals bei Kim. Das heißt, dass wir 4 die nächsten Jahre ganz schon leiden müssen. Jeder von Uns hat Angefangen sich auf seine Art gegen die Umstellung zu wehren; Jeremy lässt so viel Körperkontakt zu wie es geht um das innere Feuer zu bändigen, aber jetzt ist er auf Tour und kriegt den Kopf frei. Wie ich den Kerl darum beneide… Kim tut wie immer so als ob ihm alles am Arsch vorbei geht, und ich halte dich auf Abstand, indem ich gemein zu dir bin. So, jetzt ist es endlich raus.“ Ja, jetzt war es endlich raus…. Für Daimon war es vielleicht eine Erlösung, aber nicht für Marcel. Für ihn fing der Ärger nämlich grade erst an. Sein Kopf fühlte sich an wie ein Käfig; Er war nicht in der Verfassung um alle Informationen auf einmal zu verarbeiten. Auf der einen Seite verstand er jetzt endlich warum ihn Daimon wie der letzte Dreck behandelte, aber auf der anderen Seite fragte sich sein Herz ob die Gefühle die es langsam für Kim entwickelte, nichts als bloße Lügen waren…? War der Kuss und die verbundenden Emotionen mit Kiley also nur ein Täuschung, ein verzerrtes Echo der Hitze und ein Schatten ihrer verlorenen Liebe? „Ich will nicht das du so leiden musste wie ich damals.“, vernahm er plötzlich die leise Stimme Daimons. „Wenn ich könnte würde ich dich ja selber in einen Dämon verwandeln, aber das geht nicht…“ „Und warum denn nicht?“, fragte Marcel genau so leise zurück. Wenn er auch zum Stone Face wurde, könnte er ganz leicht herausfinden ob Kim ihn auch ohne Hitzeperiode mochte. „Weil Jeremy nicht nur mein Bruder ist, sondern auch mein Meister. Dir scheint nicht bewusst zu sein, was diese Bindung für mich und Kim bedeutet. Wir sind nicht in der Lage um uns gegen seinen Willen auf zu lehnen. Wir sind wie seelenlose Puppen an ihm gebunden. Selbst jetzt wo Jeremy viele tausend Kilometer entfernt ist spüre ich hier noch immer seinen Einfluss. Ich habe das Gefühl, das seine Augen überall sind und jeden unserer Schritte überwachen. Er würde mir sofort den Hals umdrehen wenn ich auch nur versuche mache, dich zubeißen.“ „Er lässt es nicht zu das ihr mich verwandelt, aber er es riskiert es euch mit mir alleine zu lassen, obwohl er weiß, dass ihr eure Kontrolle verlieren könntet und über mich herfällt? Das verstehe ich nicht. Findet er das etwa besser als das ich zum Stone Face werde?“ Daimon starrte seinen kleinen Bruder überrascht an, verblüfft über sein scharfes Schlussfolgerungsvermögen. „Darüber habe ich bis jetzt noch gar nicht nachgedacht. Aber damit hast du recht, Marcel. Das ist wirklich sonderbar. Ich kann ja irgendwie verstehen dass er dich nicht verwandeln möchte, aber warum er dieses Risiko eingeht und das Weite sucht obwohl es für dich sicherer wäre, wenn er hierbliebe. Dann könnte er wenigstens mich und Kim im Notfall zurück halten.“ Plötzlich kicherte Marcel. „Naja, vielleicht hat er einfach nur Angst dass er mich als Stone Face nicht bändigen könnte… und das es sicherer für euch wäre, wenn ich ein Mensch bleibe. Haha, das ist wirklich ein verrückter Gedanke. Grade ich der schon als Mensch nicht fiel taugt, wird sicher auch kein besonders starkes Stone Face abgeben.“ „Ja.“, knurrte Daimon ohne seinen Bruder anzusehen. „Das ist wirklich ein verrückter Gedanken…“ Er hatte Glück das es so Dunkel in Kuroros Versteck war, denn auf diese Art konnte niemand das Grauen von seinem Gesicht als lesen. Hoffentlich hatte er Marcel nicht zu viel vertraten… Schließlich wusste er welches schreckliche Ereignis sich vor fast 13 Jahren in ihrer Heimat ereignete. Und auch das damit verknüpfte Geheimnis würde er mit ins Grab nehmen. Daimon wusste das er Dicht halten könnte. Aber Kim bereitete ihm langsam Sorgen: Er war ja nicht Blind, und er konnte die einzelnen Reaktion des Älteren einschätzen. Kim stand bereits unter dem vollen Einfluss der Hitzeperiode! Es handelte sich nur noch eine Frage der Zeit wann seine Dämonischeninstinkte die Führung übernehmen würden, und Kim gegen sie alle in die Schlacht zog. Der Dämon in seiner Brust dudelte keine Nebenfiguren in der Umgebung des Hitzeleidenden. Nicht mal Marcels Familie oder Freunde hatten einen Platz in dieser verzerrten Welt. Und wenn es das Zuchttier auch noch wagten sollte, sich von dem Dämon abzuwenden gab es für sein Leben keine weitere Verwendung mehr. Dann würde der Dämon das Zuchtvieh eben abschlachten und sich ein Neues suchen. So einfach war das. Daraus machte unter den Dämonen niemand einen Hehl. Schließlich hatte Jeremy es damals auch getan. Für ihn gab es damals zwar mehrere Faktoren die ihn zu dem Mord verleiteten, aber letzten Endes gab die Hitzeperiode seiner früheren Verlobten den Anreiz dazu, das er sie und den Mann mit dem sie Jeremy Betrog, ins Jenseits beförderte. Er tötete nicht nur den fremden Mann, sondern auch die Mutter seines Ungeborenen Kindes (von dem Jeremy nichts wusste) und ihre gesamte Familie… nein, das war nicht wahr. Jeremy tötete zwar ihre Mutter, aber ihren kleinen Bruder ließ er mit einem Funken des Mitgefühls am Leben. Marcel fiel auf wie Abwesend sein älterer Bruder auf einmal wirkte, und auch die Verfinsterung seiner Züge blieb ihm nicht verborgen. „Daimon…?“, fragte er leise und zurückhaltend. „Was hast du…? Du siehst auf einmal so Angespannt aus.“ „Bei mir ist alles in Ordnung. Ich war nur in Gedanken vertieft.“ „Achso… Hör mal, ich habe mich grade gefragt was eigentlich geschieht wenn ein Dämon mit mir schläft, und ich logischer Weise nicht Schwanger werde. Verstehen die denn vielleicht das MEINE Hitze unbrauchbar für sie ist, und ich in Ruhe weiter leben kann?“, folgerte Marcel, wobei er tunlichst darauf achtete, das er nicht aus Versehen, wenn ihr mit mir schlafen würdet sagte. „Nö.“, antwortete Daimon einfach. „Das hast du dir ja schön ausgedacht, aber dann werden sie es nochmal versuchen. Und nochmal… und dann Nochmal. Schließlich wird auch eine Frau nicht gleich beim ersten Mal Schwanger, und es benötigt mehrere Anläufe.“ Marcel seufzte. „Oh Man, ist das alles kompliziert. Erst müsst ihr aufpassen dass ihr mich nicht auffrisst, und jetzt, das ihr mich nicht in einen Liebessklaven verwandelt. Bei euch wird es auch nie langweilig…“ „Tja… Was will man Machen? Weiterleben.“ Der Dämon hob die Schulter. „Aber ich bin überrascht dass du es so locker aufnimmst, dass auch Kerle über dich herfallen könnten. Ich glaube in deiner Position würde mich das am aller meisten Stören. Was bist du nur für ein Mann? Hast du keinen Stolz?“ „Doch.“ Lautete die knappe Antwort, aber mit einem schüchternen Lächeln verbunden. „Ich finde Kerle gar nicht mal so unattraktiv…“ Daraufhin blieb es einen kurzen Moment Still im Versteck. Nach ein paar Sekunden drehte Daimon schließlich seinen Kopf, und sah Marcel entgeistert an. „Sag das noch einmal!“, förderte er tonlos. „Ich mag Männer mehr als Frauen. Du verstehst mich schon…!“ „Klar verstehe ich dich, ich bin doch nicht Blöd. Aber das ist ein Problem, Blondie!“ Emotionslos sah er kurz in die dunkelblauen Augen, danach wand er seinen Blick wieder auf die Wand. „Ich fände es aber besser wenn du dich mit Leibeskräften gegen einen Übergriff wehren würdest, anstatt womöglich auch noch daran gefallen zu finden!“ Der Rothaarige vergrub den Kopf in seine Arme und atmete eine kleine Stichflamme aus. „… Kannst du jetzt gehen? Ich will alleine sein.“ „Bist du jetzt Böse weil ich Schwul bin?“, erkundigte sich Marcel dennoch kleinlaut. Er verstand seinen Bruder in vielerlei Dingen einfach nicht. Kuroro behauptete damals dass Daimon mit ihm geschlafen habe, und dass er höchstwahrscheinlich Bi-Sexual veranlagt war. Und jetzt zog Daimon eine Grimasse, als ob er den Weltuntergang prophezeit hätte! Marcel senkte verzweifelt den Kopf und biss sich auf die Lippen. Seine Hände vergrub er in den Boden und dachte gar nicht erst daran auf Daimons Bitte zu Hören. Die Hitze machte ihn wohl sentimental. Und wahrscheinlich auch rebellisch. „Ich möchte aber bei dir bleiben.“ Daimon schloss seine Augen und legte die linke Hand auf seine Stirn. „Das habe ich mir schon gedacht. Aber du weißt das dass unter Umständen gefährlich für dich werden könnte?“ Marcel nickte sanft, bevor er antwortete. „Dessen bin ich mir bewusst. Aber es ist mir egal. Lieber lass ich diese Schmach über mich ergehen, als den Gedanken ertragen zu müssen, das ihr mich womöglich aus der Familie drängt.“ „Jetzt bleib mal Realistisch, Kleiner. Als ob Kiley oder ich dich in diesem Zustand auf die Straße setzten. Wir sind zwar Dämonen, aber keine Gewissenlosen Monster; Du kannst so lange bei uns bleiben, wie du willst. Und wenn du irgendwann erwachsen bist können wir dich sowieso nicht zurückhalten und müssen dich ziehen lassen.“ Hart schluckend schüttelte Daimon seine Mähne. „Wir sind Unsterblich, Marcel. Irgendwann werden sich unsere Wege so oder so trennen. Und daran kann nichts und niemand etwas ändern.“ „Du redest davon dass ich älter werde und später mal sterbe?“ „Ja…“ Sich erneut schütteln richtete sich Daimon auf und wendete Marcel nun komplett den Rücken zu. „Deswegen will ich auch keine enge Bindung zu dir Aufbauen. Die Trauer über deinen Verlust würde mir wahrscheinlich das Herz brechen, und den Groll gegen Jeremy ins Unermessliche schnellen lassen. Zum Glück kann ich mich nicht mehr an meine Eltern erinnern. Ich weiß nicht, wie ich wäre wenn ich es könnte, und sie vermissen würde.“ Fragend starrte Marcel Daimons Kehrseite an. Wieso sagt er denn >meine Eltern<, und nicht unsere? Achso… wahrscheinlich wollte er damit nur unterstreichen das sie beide nicht das gleich Schicksal teilten, oder Daimon sprach gar nicht über ihre richtigen Eltern, sondern über irgendwelche Stone Face die sie damals vielleicht wie Kinder aufnahmen… Jedoch meinte sich Marcel daran zu erinnern wie einer der Zwillinge mal erzählt hatte, das Jeremy sich alleine mit ihnen durch die Welt geschlagen hatte. Marcels Kopf dröhnte. Er wollte nicht weiter darüber nachdenken, und erhob sich langsam. „Wo willst du hin?“, murmelte Daimon halblaut. „Ich habe es mir anders Überlegt. Ich gehe doch nach Hause. Wenn ich heute Abend nicht zurück gehe dreht mir Kiley wahrscheinlich den Hals um, und außerdem will ich wissen wie es Dylan geht.“ „Mach das, und sag Kim das er sich keine Sorgen machen soll… Ach nein, vergiss das letzte. Er kennt mich so gut, das er weiß wie es mir geht.“ Marcel nickte Stumm und verließ langsamen Schrittes den Raum. Er schaffe es nicht, sich noch einmal zu Daimon zu drehen und sich von ihm zu verabschieden. Es fühlte sich so komisch an… Wie ein endgültiger Abschied. „Alter! Wo bleibst du?“ Marcel war plötzlich mitten auf der Treppe stehen geblieben und starrte mit toten Augen Löcher in die Wand. Daimons Stimme drang nur am Rande des Bewusstseins zu ihm hindurch. „Was ist los mit dir? Beweg mal deinen Arsch in Richtung Obergeschoss. Mir steigt ein sonderbarer Geruch in die Nase und der kommt ganz sicher von einem Dämon. Ich bin mir Sicher das Kiley damit was zu tun hat! Arg! Wenn ich diesen Weiberheld in die Finger kriege gibt es Saures…!“ „Was!?“, rief Marcel leise und riss sich endgültig aus seinen Erinnerungen. „Kiley? Weiberheld? Das hat doch sicher was mit dieser blonden Ziege zutun, die ihn aus den Keller gezerrt hat! Komm mit Daimon! Denen versauen wir die Party!“ „Hä?!“ Ein blonder Lichtschweif flog an den Älteren vorbei, dicht gefolgt von einem schmerzhaften Ruck am Handgelenk und schon sah sich Daimon hilflos hinter Marcels High Heels her stolpern. Es wunderte ihn wie sich der Kleine auf diesen Schuhen so Flink bewegen konnte, doch ihm blieb nicht lange Zeit um darüber zu Grübeln. Ihn interessierte viel mehr die Frage woher der schmächtige, schlappe Marcel plötzlich diese ungeheurere Kraft nahm um ihn und Hikari wie ein Sack Federn hinter sich her zu ziehen. Schön und gut, dachte Marcel und musterte im Treppensteigen rasch die einzelnen Zimmertüren die rechts und links vorbeizogen. Kim kann sich ja vergnügen mit wem er will, aber dann sollte er 3 Stunden zuvor nicht so tun, als ob ihm was an mir liegt. „Marcel!“, knurrte Daimon im Hintergrund und befreite sich kurzerhand aus dem Haltegriff. Für ihn war es ungewohnt seinen kleinen Bruder so Zornig zu erleben. „Was ist denn los mit dir? Warum bist du so sauer!?“ „Ich bin nicht Sauer.“, meinte der Angesprochene Zähne flechtend. „Natürlich nicht…“, schlussfolgerte Daimon trocken, was Marcel überraschenderweise ein kleines grinsen entlockte, bevor er zynisch hinzufügte: „Sauer ist noch Untertrieben. Du kochst vor Wut!“ „Ich finde es eben nicht gut, das Kiley mit einer Wildfremden Tussi in die Kiste steigt.“ „Gute Einstellung. Das finde ich auch nicht lustig. Sollen wir Kim mal zeigen, was wir von seiner Art halten?“ „Wie denn…?“ „Das werde ich dir gleich zeigen.“ Verschmitzt kniff Daimon seine Augen zusammen und sie begannen zu funkeln. Fragend blickte Marcel über die Schulter und fand dort zwei verschleierte Smaragde vor. „Du… siehst grade echt unheimlich aus.“ Doch Daimon schenkte eher der freudigen Tatsache Beachtung, dass Marcel nicht Nein sagte, und er seinen Plan in die Tat Umsetzten konnte, anstatt die Zeit mit einer Antwort zu verschwenden. Sie hatten inzwischen die zweite Etage erreicht und schauten sich verblüfft in den einzelnen Gängen um. Rolands Haus war wirklich Riesig. Hier konnte man super verstecken spielen oder, nun ja, wilde Partys veranstalten. „Kannst du Kiley… erschnüffeln?“, fragte Marcel nach einer Weile und spielte auf Daimons Übernatürlichen Sinne an. „Eigentlich schon… aber im Moment bin ich viel zu betrunken.“ „Klasse.“ Missmutig tigerte Marcel in eine Richtung davon und Daimon legte Hikari sanft in einem Sessel ab, an dem er zufällig vorbei stiefelte. Dann folgte er dem Blonden geschwind. „Hast ja ganz schön Feuer unterm Hintern.“, bemerkte der Rotschopf kühl und sah wie Marcel sein Kleid nach Oben raffte und schneller lief. Wenn Kiley wirklich mit diesem Mädchen vögelete…. Marcel rasten tauschend Gedanken durch den Kopf, und einer schien unangenehmer zu sein, als er Andere. Mit jedem Augenblick, den er damit verbrachte sich das Schlimmste auszumalen, wurde seine Schritte schneller und energischer. … er wollte Kim ganz sicher nicht an so einer Schminkpuppe verlieren! Keine Ahnung warum, aber Marcel war von sich selber enttäuscht: Anscheinend bot er dem Älteren Zwilling nicht genug Reize um ihn zu befriedigen, und so nahm er sich ein Interessanteres Objekt mit ins Bett. Stehen blieb er erst vor einer Türe auf der linken Seite. Durch den kleinen Schlitz am Boden konnte er deutlich eine Lichtquelle im Zimmer erkennen. Entweder handelte es sich hierbei um Kim und seine Tussi, oder um ein anderes Liebeshungriges Pärchen die irgendein ruhiges Plätzchen für gewisse Stunden suchte. „Daimon…“, zischelte Marcel scharf und dieser blieb auch sofort neben dem Jungen stehen. „Ist er hier drin?“ Daimon wartete einen Augenblick und zog die Luft tief durch die Nasenlöcher ein. Nach einer Millisekunde Bedenkzeit antwortete er kalt. „Ja…“ Ohne weitere Unterbrechung presste Marcel dann seine Hand auf die Klinke, als diese plötzlich unter seinen Fingern nachgab, und die Türe von selbst auf sprang. Ein verblüffter Angstschrei folgte und dann summende Stille. Das blonde Mädchen in dem schwarzen Minikleid starrte Marcel aus geschwollenen, tränenverhangenen Augen geschockt an, und ihr Mund verzog sich zugleich zu einer knittrigen Line. „Dem scheiß Mistkerl ist doch nicht zu helfen! Du kannst dir die Mühe sparen, Süße. Bei dem läuft heute Abend garantiert nichts mehr.“, fauchte sie wütend und raste dann wie von der Tarantel gestochen an Marcel vorbei, rempelte Daimon fast um und sauste die Treppe hinunter. Marcel warf einen kritischen Blick über die Schulter und stellte den Kontakt zu zwei perplex aussehenden, grünen Augen her. Ratlos schüttelte Daimon den Kopf. Verdutzt stand er da und wartete darauf, dass irgendwas passierte…irgendetwas. Auf einmal bewegte sich etwas Schwarzes hinter Marcel und er drehte sich erschrocken in Richtung Tür um. Eine besorgte und bekannt klingende Samtstimme fragte: „ Was macht ihr den hier? Ist alles in Ordnung?“ Das war natürlich der gesuchte Kiley. Nur er beherrschte die Fähigkeit in einer prinzlichen Lage den Ahnungslosen zu mimen. „Na, hattest du deinen Spaß…?“, fragte Marcel todernst und schien auf einmal um 10 Jahre gealtert zu sein. Mit einer fahrigen Bewegung strich Kiley ein paar seiner Ponysträhnen aus der Stirn, und starrte seinen kleinen, wütenden Bruder wie ein hypnotisiertes Kaninchen regungslos an. „Wovon redest du?“, hörte Kim sich selbst mit angespannter und verwirrter Stimme fragen. Der Hasserfüllte Ausdruck in Marcels Gesicht riet ihn zur Vorsicht. „Ob du dich mit dieser Schlampe amüsiert hast?!“ „ Noch mal zum Mitschreiben: Wovon-Redest-Du?“ Kiley betonte und dehnte die einzelnen Wörter so stark als würde er mit einem begriffsstutzigen Kleinkind sprechen. „Du meinst das Mädel von grade?“ Er spielte auf Zeit. „Wir sind nicht weit gekommen. Du willst doch wissen ob ich mir ihr geschlafen haben, oder? Und um die Frage schon mal im Vorfeld zu beseitigen; Nein, habe ich nicht.“ „Aha. Nicht weit gekommen klingt aber schon nach Vorspiel.“ Marcel wusste nicht genau woher er plötzlich all diesen Mut und diese Stärke nahm – aber es fühlte sich wahnsinnig gut an! Mit jedem weiteren Atemzug wurde er Wütender. „Sag bloß dass wir dich bei deinen kleinen Schäferstündchen gestört haben? Das tut mir jetzt aber arg leid. Sollen wir wieder gehen? Ach nein. Die Tante hat sich ja sowieso schon aus dem Staub gemacht. Warum hat sie überhaupt so geheult?“ Genervt zogen sich Kileys Brauen zusammen. Marcel war wirklich der einzige Mensch auf dieser Erde der ihn so zur Weißglut treiben konnte, dass er am liebsten an die Decke gesprungen wäre… „Jetzt bleib mal auf den Teppich Blondie, und werd nicht gleich übermütig!“ Kiley presste die Zähne feste auf einander; Natürlich hatte er gegenüber Marcel ein schlechtes Gewissen. Aber dieses fremde Mädchen war in diesen Augenblick in der Lage gewesen, seine aufgekochten Gefühle zu zähmen und sein inneres Gleichgewicht wieder herzustellen. „Was interessiert dich eigentlich mein Privatleben? Das geht dich einen feuchten Dreck an. Scher dich um deinen eigenen Mist!“, fuhr er ungerührt fort. „Oh…“, sagte Marcel und sein Herz macht vor Schmerz und Scham einen kleinen Sprung Richtung Magen. „Dein Leben geht mich also nichts an? Na dann brauche ich auch nicht länger hier zu sein.“ Damit drehte er sich um und lief den Gang entlang zurück. „Na toll…“, murmelte Daimon und Kiley sah verwirrt zu seinem Zwillingsbruder. Bis jetzt hatte er keine Notiz von dessen Anwesenheit genommen. Daimon hatte eine Hand über die Augen gelegt und schüttelte langsam seinen Kopf. „Kiley, Kiley, Kiley… was machst du nur?“ „Hn! Was denn? Willst du mich jetzt auch noch fertig machen?!“ „Brauchst du das denn noch?“ „Nein.“, entrüstete sich Kim fauchend. „Na also.“ Daimon atmete kopfschüttelnd aus, konnte sich ein Schmunzeln aber nicht ganz verkneifen. Es gab Dinge im Leben die änderten sich nicht einfach. Dazu gehörte Kiley. Dieser eingebildete Schönling würde immer ein Frauenschwarm bleiben. Sowie Marcel immer die Heulsuse bleibe würde, und er der ungehobelte Rüppel. Prompt schlug Kim die Arme vor seiner Brust zusammen und ließ sich keine weiteren Emotionen anmerken. Sein Gesicht erstarrte innerhalb von Sekunden zu Eis. „Ich habe jetzt auch keine Lust mehr auf diese behinderte Party. Lass und verschwinden…“ „… Und Marcel suchen gehen.“ „Einverstanden.“ „Oh! Und ich muss auch noch Hikari einsammeln!“ Das Eis begann zu bröckeln und Besorgnis blitze in Kileys Augen auf. Schließlich gab er dem Rotschopf einen ungenierten Schlag auf den Oberarm. „Wie einsammeln? Was ist den passiert?“ Daimon räusperte sich leise und schlichte nach links und rechts. Er konnte niemanden sehen. „Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Sie ist zusammengebrochen als sie mit Marcel nach draußen wollte. Eine Freundin von ihr beschuldigte den Blonden sogar dass er ihr irgendwas getan hatte, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Vermutlich hat sie nur einen harmlosen Kreislaufzusammenbruch erlitten– so einen scheiß dem man bekommt wenn man zu viel Säuft, und zu wenig Sauerstoff kriegt.“ „So eine Scheiß ist nicht Harmlos.“, knurrte Kim säuerlich. Doch anstatt noch weiter zu meckern, packte er Daimon am Handgelenk und zog ihn hinter sich her. Auf den Weg nach Unten lud der Jüngere Hikari wieder auf seine Arme und balancierte sie mit Kims Hilfe die Treppe runter. Rasch verabschiedeten sie sich noch von Roland, entschuldigten sich für die unangenehmen Zwischenfälle und versprachen beim nächsten Treffen es wieder gut zumachen. Danach standen sie vor dem Haus und starrten mit zusammen gepressten Augen Löcher in die Luft. „Kannst du Marcel wittern?“, fragte Kiley leise zur Seite gewandt. „Du bist schon der zweite, der mich heute danach fragt. Immer noch, Nein kann ich nicht! Ich kann weder riechen, noch gescheit Hören und vom Gucken will ich gar nicht erst anfangen! Dieser verflixte Alkohol kann sogar uns in lahmarschige Krüppel verwandeln.“ „Was du nicht sagst. Wieso schüttest du dich denn jedes Wochenende bis zum Rand damit voll?“ „Weil es Spaß macht… Aber sag mir lieber mal ob DU Marcel vielleicht er schnüffeln kannst?“ „Hahaha. Willst du mich zum Lachen bringen? Ich bin genau so Dicht wie du.“, gab Kim Augenverdrehend zurück. Auf seinen Wangen breitete sich auch schon im nächsten Moment die Zornesröte aus, und eine Ader begann an seiner Stirn zu pochen. „Wir sind solche Idioten! Wir müssen Marcel sofort finden.“ „Dann sag mir wo wir anfangen sollen, Mister Superschlau. Die Stadt ist riesig!“ „Hallo? Wir reden hier von Marcel. Die Scheißhose würde sich doch niemals alleine in die Stadt trauen! Wir sollten in der Nähe nach ihn suchen.“ Daimon antwortete nicht, gab stattdessen nur ein langgezogenes „Hmm…“ von sich und ließ seine Augen über die Rasenflächen schweifen. Seit er Marcel kannte, war er ein Angsthase, hasste die Dunkelheit und würde sich nicht allzu weit vom sicheren Hafen trauen – damit behielt Kiley wie Üblich Recht. Marcel musste hier noch irgendwo rumhängen und sich vor ihnen verkriechen… Als hätten sie glühenden Kohlen unter den Sohlen stürmten die Zwillinge los und trennten sich in der Einfahr; Daimon rannte hinter das Haus, und Kiley schlitterte über den feuchten Rasen zu der Gartenlaube von Rolands Eltern. „Marcel?!“, rief Kim laut und schreckte damit ein paar Fledermäuse auf, die piepend in den Nachthimmel schossen. In seinem Kopf nahmen die Schuldgefühle Haushohe ähnliche Ausmaße an; Wenn Marcel etwas passierte wäre ER dafür verantwortlich! Mit den Fingern fuhr er sich immer wieder gedankenverloren durch die Haare. Er musste denken wie jemand, der sich vor der Dunkelheit fürchtete und ringsum von dieser Umzingelt war. Wo würde er sich am besten verstecken?! … Da wo es Hell war natürlich! Kileys Kopf flog alarmierend nach Oben. Er flitzte zum Haus zurück, brüllte nach Daimon und machte sich dann auf den Weg zum Parkplatz ihres Wagens. Keine 5 Minuten später hatten die Zwillingsbrüder mit Hikari das rote Auto erreicht, und erspähten Marcel schon von weiten wie er mit gefalteten Händen und darauf ruhten Kinn unter einer Straßenlaterne, neben dem Cabriolet hockte. Die schwarzen High Heels lagen auf den Boden und erweckten einen bemitleidenswerten Eindruck. „Ich bin nur hier geblieben, weil ich nicht weiß wie ich nach Hause kommen soll. Ansonsten wäre ich schon lange über alle Berge gewesen.“, knurrte Marcel zickig zu seinen Schuhen, ohne auch nur das kleinste Fünkchen Mitgefühl in der Stimme zu zeigen. Die Zwillinge stießen ein scharfes Fauchen aus. Beide hatten sich große Sorgen um ihren kleinen Bruder gemacht. Marcel wusste nach all den Jahren immer noch nicht wann er die Grenze seiner Geschwister überschritt, aber als sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen zusammenzogen und ihn wütend fixierten, schrillten bei ihm jedoch sofort die Alarmglocken los. „Ehh? W-Was habt ihr? Warum guckt… i-ihr mich so Geisteskrank an?“ „Gib mir Hikari, und pack ihn…“, zischelte Kiley bloß und strecke seine Arme nach dem gewünschten Mädchen aus. „Roger!“ Daimon entledigte sich flott seiner Last und ließ Unheilvoll seiner Fingerknöchel knacken. „Soll ich ihn hier, oder zuhause Killen?“ Über diese typische Reaktion konnte der Gefragte nur leicht schmunzeln. „…Zuhause.“ Ungeduldig riss Kim die Autotür auf und Daimon schmiss Marcel unsanft auf den Beifahrersitz. „Aua!“, knurrte der Kleine böse. Doch Kim schlug die Tür ohne Kommentar zu, ehe er auch schon wenige Sekunden später hinter dem Lenkrad saß und den Autoschlüssel in die Zündung steckte. Das leises klicken der herunter schnellenden Türverriegler sagte ihm, das nun auch Daimon und Hikari im Wagen saßen, bzw Lagen, und die Fahrt beginnen konnte. „Was hast du vor? Du willst doch nicht etwa fahren?“, wimmerte Marcel zu Tode erschrocken. „Das ist nicht dein Auto. Du hast ja noch nicht mal den Führerschein, geschweige denn Erfahrungen gesammelt!“ Kim warf ihm einen flüchtigen, leicht gekränkten Blick zu. „Labber nicht! Es herrscht doch kaum Verkehr. Die Straßen sind hell beleuchtet und der Großteil der Bevölkerung schlummert sowieso. Wer soll uns da Erwischen?! Sag mal, wieso bluten deine Füße eigentlich!? Du… Idiot! Wer rennt auch schon in der Nacht mit nackter Haut über Asphaltboden? Du natürlich! “ „Die Schuhe haben eben beim Laufen gestört. Und ich musste mich doch beeilen, damit er mich nicht einholt.“, rechtfertige sich Marcel leise. Kiley zog murrend seine Lederjacke aus und drückte sie Marcel auf die Beine. Seine Kieferknochen waren bis zum Bersten angespannt und seine Augen loderten unruhig. Er musste grade ein Lebensnotwenigstes Bedürfnis unterdrückten, und der Vampir erwachte nach einem langem Schönheitsschlaf wieder in seiner Brust: Hunger, rief der Untote zornig. Obwohl die Verletzungen nur aus ein paar leichten Schürfwunden bestanden, dauerte es nicht lange bis sich die ganze Jacke mit Blut vollgesogen hatte, und Kim sie angeekelt auf die Straße schmiss. Daimon schaute ihr argwöhnisch hinterher und zog die Augenbrauen hoch. Das war seine Jacke, die grade einen Abflug aus dem Fenster machte… „Du hättest sie auch Waschen könnten…“ meinte er skeptisch. „Das hätte Marcel dann nicht mehr Erlebt.“, knurrte Kim bissig und startete den Wagen so flink, als hätte er in seinem Leben noch nie etwas anderes getan. Ohne nach hinten zugucken schlängelte er sich durch die parkenden Auto hindurch, legte den ersten Gang ein und gab Vollgas. Als er die Straßenlaternen in atemberaubender Geschwindigkeit an dem Wagen vorbei rauschen sah, konnte Marcel nicht anders als seinen Unmut laut Luft zu machen: „Erst beschwerst du dich über Hikaris Fahrstiel und wenn du dann selbst an der Reihe bist, stehst du ihr in Nichts nach?! Wah! Willst du uns umbringen?!“, rief Marcel schrill und drückte sich panisch in den Sitz. Die Tachometernadel überschlug sich in der Drehung, und der Motor heulte wild auf. „ Bis jetzt habe ich es noch nicht versucht, aber das könnte sich leicht ändern!“, gab Kim wütend zurück und schaute über die Schulter. Im Rückspiegel verdrehte Daimon die Augen und tippte Kileys Sitz kurz mit der Fußspitze an. Fragend schaute dieser zunächst nach rechts zu Marcel, dann wieder zu Daimon, der ihn eindringlich ansah. Er schüttelte leicht den Kopf und formte mit seinen Lippen leise zwei Wörter: „Beherrsch dich…“ „Ja…!“, flüsterte Kim spitz und genervt zurück. Dann räusperte er sich vornehmen und ließ per Knopfdruck sein Fenster ein winziges Stück runter fahren. Die Luft sollte zirkulieren und den Blutgeruch aus dem Inneren befördern. Seufzend rieb er sich mit der Hand über die schweißnassen Schläfen und tat so, als habe er Kopfschmerzen. Das konnte noch ein lustiger Abend werden… Marcel Indies war die Reaktion des Älteren nicht gegangen; Sofort machte es >klick< und man sah, wie ein einzelnen Zahnräder seinen Gehirns in Betrieb gingen. Kiley, und wohl auch Daimon, litten unter dem Geruch seines Blutes. Immerhin waren beide Vampire, und er konnte nicht sagen wann sie das letzte Mal gegessen hatten. Autsch… Dieses Gefühl musste ihnen weh tun. Marcel hielt die Luft an und sah seinen Sitznachbarn schweigend an. Kiley hielt den Mund krampfhaft geschlossen, die Augen klebten nachdenklich auf der Straße und verrieten doch, welche Qualen sie grade ertrugen. Wie gerne würde Marcel seinen Geschwistern in diesem Moment helfen! Doch was sollte er machen? Er konnte sein Blut doch nicht so einfach wie Daimons Lederjacke aus dem Fenster werfen. Das war ein Ding der Unmöglichkeit! „Du kannst das Fenster ruhig mehr aufmachen. Mir ist nicht kalt.“, murmelte Marcel schüchtern. Kim wollte sich grade eine Zigarette in den Mund stecken, als er in seiner Bewegung inne hielt. Erst nach einer kurzen Überlegung antwortete er: „Nein. Das reicht schon.“ „Dein Gesicht sieht aber nicht danach aus…“ „Komm schon… Du weißt doch das wir unseren Blutdurst unter Kontrolle haben.“ Kiley beschwerte sich nicht über den Zustand im Wagen. Er motzte auch nicht rum wie Daimon es wohl getan hätte, läge er nicht im Delirium , aber er gehörte zu dieser Sorte Menschen bei denen man die Gefühle von den Augen ablesen konnte. Man musste ihn nur lange genug kennen, um die winzigen Zeichen in den Unterschiedlich farbenden Seelenspiegeln richtig zu deuten. Und sie logen NIE! Marcel war sich sicher das Kiley vor Verlangen am liebsten gegen den nächsten Baum gefahren wäre. Auf der Rückbank verlagerte Daimon sein Gewicht auf die andere Seite, und stieß dabei leicht gegen Hikaris Schulter, deren Kopf auf seinem Schoss ruhte. Heimlich schaute er grinsend zu der Bewusstlosen hinunter; Er berührte mit den Fingerspitzen vorsichtig ihre blassen Wangen. „Hey… Hey… Hey, Roxanne! Wach mal auf. Mir schlafen die Beine ein!“ Natürlich kam Hikari dieser Bitte nicht nach. Sie schlummerte so tief und fest weiter als wäre sie Dornröschen persönlich. Als Daimons Blick Hikari noch einmal streifte verschwand das Grinsen sofort wieder aus seinem Gesicht und zugleich keimte Sorge in ihm auf. So sehr er sich auch bemühte es nicht zu zeigen, aber ihr plötzlicher Zusammenbruch stimmte ihn ängstlich. „Kim…?“, fragte er kleinlaut nach vorne. „Was machen wir eigentlich wenn wir bei Hikari sind? Wir können sie doch nicht einfach in diesem Zustand in ihr Bett legen und hoffen, dass sie morgen alleine Klar kommt. Sie wird doch ein riesen Blackout haben. Jemand muss ihr erzählen was heute Nacht geschehen ist.“ „Was ist den passiert? Das wissen wir selber nicht. Wir müssen sie morgen mal anrufen und fragen an was sie sich noch erinnern kann.“ „Du hast Recht.“ Es dauerte noch mindestens 10 Minuten bis sie Hikaris Wohnung erreicht hatten. Kiley spähte in die Dunkelheit und las auf einem goldenen Aushängeschild den Nachnamen. >Anderson< „Wir sind da!“ rief er freudig und trat hart auf die Bremse. Von hinten vernahm er ein unterdrücktes Gurgeln. Daimon presste sich feste die Hand auf den Mund und schloss um Gnade flehend die grünen Augen. „Kimi-Maus…“, zischte er zwischen seine zitternden Finger hindurch. „Mach das noch einmal, und ich kotze dir gleich in den Nacken.“ Hikari wohnte auf der anderen Seite der Stadt in einer sehr noblen Gegend. Das Viertel lag ein Stück höher wie der Rest der anderen Häuser und so hatte man von dort Oben einen atemberaubenden Ausblick auf die funkelten Lichter der nächtlichen Stadt. Doch die Sandjoé-Geschwister fühlten sich in diesem Ortsteil unwohl: Er wirkte so kalt und distanziert von dem Rest der Welt. Als sie in dem roten Cabriolet gemächlich durch die Straßen gefahren sind, sahen sie sich umgeben von prächtigen Gärten, teuren Villen und Mannshohen Sicherheitszäunen. Alles was hier aus der Erde ragte stank förmlich nach Geld, doch in solchen Gegenden kannte keiner den anderen – noch nicht mal seinen eigenen Nachbarn! „Es sieht hier aus wie in einer Geisterstadt.“, bemerkte der Beifahrer leise. Zustimmung nickte Kiley und ließ seine Augen prüfend über die Fenster der umliegenden gleiten. „Recht hast du. Ich bin nur froh das Hikari alleine Wohnt und nicht mehr zuhause bei ihren Eltern. Ich wüsste nicht, wie ich ihnen erklären sollte warum ich ihre Tochter spät abends Bewusstlos nachhause bringe. Hilfst du mir gleich sie in die Wohnung zutragen? Daimon bewegt sich besser nicht mehr allzu sehr.“ „Na klar.“ Als die 3 Brüder in den frühen Morgenstunden ihr Haus erreichten, war die Sonne über der Stadt noch nicht erschienen. Sie waren zu Fuß gegangen, und hatten Hikaris Wagen vor ihrer Türe stehen gelassen. Auf dem Nachtschrank hinterließ Kiley eine Nachricht die sich auf die Ereignisse der letzten Nacht bezog, und sie sich schnellstmöglich bei ihm oder Daimon melden sollte. Für den Schwarzhaarigen war es auch gar nicht peinlich gewesen seine bewusstlose Freundin bis auf die Unterwäsche ausziehen und sie vorsichtig in ihre Bettdecke zu hüllen. Bevor er und Marcel gingen, stellte er noch ein Glas Wasser neben das Bett und wickelte zwei kleine Paracetamol-Tabletten in ein Taschentuch ein, die er sorgsam unter dem Kopfkissen verstaute. Kaum hatte Daimon die Türschelle überschritten stürzte er sich blindlings in das Badezimmer und entleerte seinen gesamten Mageninhalt über der Toilettenschüssel. Die Stunden zuvor schlug er sich wacker durch die Nacht, doch nun zollte er dem Alkohol seinen Preis. Kim verschwand wenig Später im Keller auf der Suche nach etwas halbwegs essbaren. „Ach ja.“, meinte Marcel schnaubend. Er saß im Schneidersitz auf der Couch im Wohnzimmer und verschränkte ungläubig die Arme vor der Brust. Dabei wippte er immer wieder vor und zurück, während er sich dir Geschehnisse der letzten Stunden durch den Kopf gehen ließ. An Schlafen oder so etwas konnte er noch nicht mal denken. Sobald sein Kopf das Kissen berührte, würde ihn sein Gedankenkarussell mit voller Wucht packen und nicht mehr frei lassen. Es war so viel passiert das ihn traurig machte: Hikaris Zusammenbruch, die gesprengte Party und letztens Endes Kileys Ausrutscher mit dieser blonden Tussi. Marcel brummte der Schädel. Seufzend ließ er sich nach hinten fallen und schloss die Müden Augen. Geradezu Handzahm hatte sich Kiley von diesem Mädchen verführen lassen… „Es ist nur wegen deiner Hitzeperiode passiert.“, kam e wie ein Flüstern aus dem hintersten Teil seiner Seele und er glaubte etwas Tröstliches in dieser Stimme zu hören. „Willst du nicht hoch gehen?“ Diesmal war es eine andere Stimme. Verwundert öffnete der Angesprochene wieder seine Augen und sah zu Kiley, der mit einem kleinen Lächeln in der Türe stand. Der Ältere wirkte auf ihn gefasst und Ruhig. „Nöh, ich bin noch total aufgedreht.“ „Na schön.“, kam es von Kim, und er setzte sich zu seinen kleinen Bruder auf die Couch. „Können wir Zwei mal Reden? Du brauchst keine Angst haben das uns jemand belauschen könnte; Daimon befindet sich noch in einer tiefen Umarmung mit der Toilette, und wird sich so schnell nicht mehr blicken lassen.“ „Und vorüber denn?“, knurrte Marcel und klang dabei Verletzter als er eigentlich erscheinen wollte. „Über diese Party. Da ist einiges schief gelaufen, Hmm?“ „Was du nicht sagst. Du hast mir weh getan…“, ertappt biss er sich auf die Zunge und Kiley lächelte reumütig. Vor lauter Gefühlsduselei vergas Marcel ganz seinen Stolz. Schließlich beendete er seinen Angefangenen Satz doch. „… ich dachte, ich wäre dir wichtig.“ „Bist du doch auch!“ Kiley saß auf einmal kerzengrade und drückte seine Hände auf Marcels Schultern. „Dieses Mädchen hat mir nichts bedeutet. Sie war nur zufällig da, als ich jemanden brauchte… Ich wusste dass ich mich ihr gegenüber nicht Korrekt verhalte, und sagte ihr deshalb, dass sie nicht die Richtige ist und bitte gehen soll. Das hat sie mir übel genommen, wie du gesehen hast. Warum sollte ich sie denn auch belügen? Es hat mir einfach kein Spaß mit ihr gemacht. Sie ist nicht die Person nach der ich mich sehne…“ Plötzlich schoss Kiley die Röte ins Gesicht und er senkte den Kopf, sodass seine Haare über die Augen fielen. Das war einer von Kileys hartnackigen Angewohnheiten. Wann immer sich er schämte schloss er seine Augen, senkte den Kopf und enthielt den Anwesenden seine Gedanken. Anscheinend lockerte der Alkohol auch seine Zunge… Der kleine Teil in Kim, der noch an seiner kalten Fassade fest hielt, wollte schon aufspringen und schreiend aus dem Haus rennen. Aber als der kleine Menschenjunge den Kopf hob und ihn Offen ins Gesicht sah, spürte er in der Magengegend ein angenehmes Kribbeln. Ganz wie von selbst hob Marcel seine Hand und legte sie auf Kim glühende Wange. Als sich ihre warme Haut berührte, fuhr augenblicklich ein freudiges Zucken durch seinen Körper. Die Berührungen waren so leicht wie der Hauch eines Schmetterlings, und doch spürte Kiley jede einzelne davon – sie drangen wie feine Nadelstiche unter seine Haut. „Was wolltest du sagen?“, flüsterte Marcel und zerfloss vor Scham beinahe zu einer riesigen Wachlache. „Vergiss es.“, lächelte Kim sanft und umfasste Marcels Finger mit seiner eigenen Hand. Nun lächelte auch endlich Marcel und schmiegte sich mit Bedacht an die starke Brust seines Bruders. „Es ist schon eine Weile her, dass wir uns auf diese Weise umarmt haben.“, murmelte der Blonde errötend. „4 Stunden…?“ „Blödmann…!“ Leise Kichernd ließ Kiley seinen Kopf gegen Marcels Stirn sinken. Gequält seufzend schloss er die Augen; Seltsamerweise beruhigte ihn der Geruch der von Marcel ausging im selben Maße, wie er ihn erregte. Verfluchte Welt! Verfluchte Hitze! „Warum musst du mich auch immer an meine Grenzen treiben?“, fragte Kiley im Halbernsten und berührte nun seinerseits Marcels Wangen. Leicht streichelten seine Fingerkuppen über die weiche Haut, bahnten sie sich ihren Weg der graden Nase entlang und blieben schließlich auf den vollen Lippen liegen. Sie erzitterten unter der sanften Berührung leicht. „Psst.“, wisperte Kim leise. „Entspann dich ja? Ich tue dir doch nicht weh.“ „Mmm-hmm.“ Keine der beiden wollte diese ruhige, intime Atmosphäre mit Gequatsche zerstören und so schauten sie sich nur Stumm in die Augen. Während Marcels Herz in seiner Brust immer schneller schlug, fielen die Augenlider des Schwarzhaarigen verführerisch auf Halbmast. Seine Finger strichelten nach wie vor über die empfindlichen Lippen und hoben dessen Kinn dann ein wenig an. Kiley lächelte wissend. Jetzt oder nie! Vorsichtig beugte sich er sich nach vorne, und drückte seine Lippen sanft gegen Marcels Mund. Erst riss der Kleine geschockt die Augen auf – wenn jetzt Daimon aus dem Badezimmer käme würde er sie sehen! – dann entspannte er sich wieder, als er Kims warme Hand auf seinen Rücken spürte. Die Wärme die von ihr Ausging beruhigte ihn irgendwie, und eine heiße Sehnsucht nahm seinen Verstand gefangen. Ganz Langsam und vorsichtig ließ sich Marcel fallen, und löste seine Finger die sich vor Aufregung in Kileys Hemd geschlagen hatten und berührte dort zögerlich die glatte, aber auch harte Haut des Dämons. Sie küssten sich leidenschaftlich – sanfte und wilde wechselten sich ab und das Wohnzimmer begann zu kreisen. Marcel wusste währenddessen nicht was er als nächsten tun sollte; Weiter machen, oder Aufhören? Alles sträubte sich dagegen den Älteren jetzt von sich zu stoßen und doch… und doch… wusste er das dieses Verlangen nur wegen der Hitzeperiode kam. Daimon hatte ihm mit seinem Geredet wirklich einen Floh ins Ohr gesetzt. Vorher interessierte ihn die Hitze gar nicht mehr, und jetzt riss sie ihm fast das Herz aus der Brust. Er mochte Kiley! Er mochte ihn wirklich!! Damit hatte diese verdammte Hitzeperiode gar nichts zu schaffen. Zaghaft schloss Marcel die bereits verklärten Augen, strich Daimons Warnung für den Moment aus dem Hinterkopf, und lehnte sich nun komplett gegen Kim. Dies nahm der Ältere als Zustimmung und zog seinen kleinen Bruder feste in Arme. „Was machst… du mit… mir? Du stürzt uns… noch ins Verderben…!“, hauchte er gegen den Mund Marcels, und drückte ihm immer wieder leichte Küsse auf die Lippen. Nachdem er den Satz beendet hatte zog Marcel Kiley richtig zu sich, und küsste seinen Bruder voller Leidenschaft zurück. „Selbst schuld… Du hast angefangen!“ Das kühle Lächeln blieb wie fest gefroren auf Kileys weißen Lippen liegen, als er sich von dem Kuss bereite und das Kinn auf Marcels Schulter legte. Er konnte sein Glück kaum fassen; Marcel erwiderte seine Gefühle! Das hätte er sich in seinen kühnsten Träumen nie wagen lassen. Immer wieder sah er Daimon und Jeremy vor seinen geistigen Auge auftauen, die ihm einen Strich durch die Rechnung machten. „Schlaf mit mir.“, flüsterte er die drei kleinen Wörter in Marcels Ohr, die seine Vernunft auf die harte Probe stellten sollten. Keuchend schnappte Marcel nach Luft und sah verlegen zu den Schwarzhaarigen hoch. „Was hast du gesa – hmm!?“ Bevor er zu Ende sprechen konnte drückte ihm Kim wieder seinen Finger auf die Lippen. „Zwing mich nicht das noch einmal zu sagen.“ „Aber wir sind doch nicht alleine…“, zischte Marcel zu tiefst peinlichst berührt. „Und wenn wir alleine wären?“, grinsend sah er in die blauen Augen seines Schützlings. „Dann… Dann… Also, ich weiß nicht… Das ist dann doch was anders, eine Nummer größer… als Küssen.“ „Natürlich ist das was anderes du Dummerchen!“ Auflachend vergrub Kim sein Gesicht in die blonden Haare. Mit einem Mal wurde er wieder ernst. „Aber nur mal angenommen: Würdest du es tun, wenn wir unsere Ruhe hätten?“ „Mann! Frag doch nicht so blöde Sachen!“ Vor Scham und Glück schossen Marcel die Tränen in die Augen und er schniefte leise. Jetzt gab Kim aber wirklich Gas! Schweigend drückte er das nasse Gesicht in das weiße Oberteil des Dämons. „Marcel?“ „Hmm?“ „Hast du schon Alzheimer, oder kriege ich noch eine Antwort?“, fragte Kim neckend. „…“ „Ach, das man dich Zicke aber auch immer zu deinem Glück zwingen muss.“ Bevor Marcel protestieren konnte verschloss Kim den frechen, roten Mund mit seinen Lippen. Sofort wurde der Kleine wieder Zahm und ließ sich von der Liebkosung verwöhnen. Er atmete sachte ein. Kims Duft stieg ihm in die Nase und benebelte seine Sinne: Auf der rechten Hüfte spürte er eine starke Hand liegen, die Andere vergrub sich voller Inbrunst, und nicht grade Sanft, in seinen Haarschopf. Ein Stöhnten konnte Marcel nun nicht mehr zurückhalten. „Na gefällt dir das…?“, flüsterte Kim spitz und leckte mit der Zunge einmal über die wund geküssten Lippen. Marcel lief wieder Rot an, war aber zu schockiert um das Gesicht ab zuwenden. Dunkel Lachend wanderte Kims Gesicht weiter nach unten und verteilte Federleichte Küsse aus dem schmalen Hals. Hätte er zuvor nicht gegessen, wäre diese Tat ganz sicher schief gegangen; dennoch spürte Kim wie seine Adern gefährlich anschwollen, und seine Reißzähne auf ihre dämonische Länge heran wuchsen. Er unterdrückte ein kehliges Fauchen und schob Marcel sicherheitshalber ein Stück weg. Es war ärgerlich dass grade jetzt der Vampir in seiner Brust nach Blut lenzte musste. „Sorry…“, meinte Kim verlegen und berührte mit den Fingern kurz seine Zähne. Ganz wie er vermutet hatte waren sie lang und spitz geworden. „Ich glaube wir müssen hier aufhören.“ Er öffnete seinen Mund einen Spaltbreit und Marcel wich instinktiv zurück. „Kim! Deine Zähne sehen ja entsetzlich aus…!“ Der Ältere rollte lächelnd mit den Augen. „Natürlich tun sie das. Damit muss ich schließlich auch ordentlich zu beißen können!“ Eine bedrückende Stille kam auf. „Hey… Nicht traurig sein.“, bat Kim und sah entsetzt in Marcels wässrige Augen. „Du willst doch nicht dass ich dir die Kehle aufschlitze!“ „… Aber jetzt lässt du mich schon wieder hängen.“ „Das will ich doch gar nicht. Entschuldige dass ich ein Dämon bin, aber solche Reflexe kann ich nicht abschalten. Außerdem hieß es eben, das wir erst in die finale Phase gehen wenn wir ungestört sind…“ „Du Schuft! Wie du das sagst! Das klingt gleich Pervers.“, murrte Marcel beleidigt. Sein Gesicht zierte vorher ja schon ein tiefes Rot, aber jetzt Intensivierte sie sich noch mehr. Der Anblick war so niedlich das Kiley gar anders könnte, und ihn einmal kurz in die Wange kneifen musste. Als sich Marcel nach einiger Zeit wieder beruhigt hatte drückte Kim sein Kinn etwas hoch, um ihn ins Gesicht zu sehen. Wieder strich er mit der Hand über die Wangen, strich die Tränenspuren fort und lächelte den Kleinen liebevoll an. „Alles ist gut, Marcel. Du brauchst keine Angst haben das ich dir weg laufe. Ich gehöre zu dir. Und nur zu dir.“ Die ersten Sonnenstrahlen brachen am nächsten Morgen warm und hell durch die dichte Wolkendecke. Die Temperaturen stiegen nach einer überraschend langen, und auch kalten Nacht allmählich wieder an. Es schien der erste richtig schöne Tag im Frühsommer zu werden. Als die Menschen heute Morgen noch aus ihren Fenstern sahen, hatte es nicht danach ausgesehen. Unter der freundlich, lachenden Sonne öffneten auch die Bäckerfilialen ihre Türen und die müden Schüler des Stadt-Gymnasiums nahmen dies als gutes Omen entgegen, und kaufen sich randvolle Kaffebecher oder lauwarme Teilchen. Überall sah man das Leben erwachen: Sonnenblumen, Ringelblumen einfach alle Sommersboten drängten ungeduldig aus der Erde. Nur zwei Wesen ließ das bunte Treiben rundherum völlig kalt. Still liefen sie neben einander her. In absoluter Präzession glichen sich die Bewegungen dem Gebärdenden der anderen Person an. Einer von den Jungen zündete sich grade eine Zigarette an, und der Andere vergrub sein Gesicht gelangweilt in einem Anatomielehrbuch. „Warum sind wir nicht zuhause geblieben, Kim? Mein Schädel brummt und ich will nur noch ins Bett… Weißt du eigentlich wie viel Bier und Wodka ich gestern Abend getrunken habe? “ Der Schmächtigere sah seinen Zwillingsbruder bloß ungerührt an. „Na und? Wer feiern kann, der kann auch aufstehen. Außerdem, was kann ich dafür wenn dir zu Hause nochmal so richtig die Kante geben musst?“ „Tzz, das ich nicht lache!! Das waren doch nur zwei Flaschen…“ „…Zwei hochprozentige Schnapsflaschen.“ „Ja und!“, beschwerte sich der Jüngere Lautstark und verschluckte sich dabei an dem Qualm seiner Zigarette. Nachdem er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, spuckte er auf die Straße. „Igitt…! Aber was schiebst du mir jetzt die Schuld in die Schuhe? Wenn du nicht mit dieser Schlampe rum gemacht hättest, hätten wir noch den Rest der Party mit erlebt. Aber Nein… du kannst ja nicht hören!“ „Ach komm, du bist doch nur Neidisch…“ Kiley und Daimon gingen den gewohnten Weg von der Bushaltestelle zum Schultor wie im Schlaf, als der Ältere der beiden plötzlich stehen blieb und seinen Kopf in den Nacken legte. Zugleich hielt Daimon neben seinen Bruder inne und sah ihn dabei leicht verwundert an. „Was ist los?“ „Runter von der Straße!“ Kiley zog seine Nase kraus, und zerrte Daimon am Unterarm noch auf den Bürgersteig, als auch schon ein Schatten an ihnen vorbei flog. „Kim! Ah!?!“ Daimon stieß einen kleinen Angstschrei aus und riss erschrocken die Augen auf. Fast wäre er mit einem Auto Kollabiert! Ungläubig sah Daimon den dunklen Sportwagen hinterher der dicht an ihnen vorbei schoss, und die Geschwister beinahe über den Haufen gefahren hätte. „So ein Penner!“, keifte Daimon sofort wild drauf los, und zog seinen Zwilling zu dem Tor wo der Sportwagen grade eben gehalten hatte. „Na warte! Der kann was erleben! Ich lass mich hier doch nicht am helllichten Tag Überfahren… Dem Kerl werde ich die Leviten lesen!“ „Nein, warte! Verdammt… zieh doch nicht so!“, protestierte Kim, jedoch konnte er sich nicht gegen Daimons rohe Gewalt behaupten. Keine Sekunde später ging die Fahrertüre auf und ein dunkelhaariger Mann mit gebräunter Haut und großen Augen stieg aus. „Scheiße…“, knurrte der Mann leise und warf den Zwillingen auf dem Bürgersteig einen erschrockenen Blick zu. „Sorry Jungs, ist euch was passiert? Ich war kurz vom Radio abgelenkt und habe euch nicht- !“ „Schnauze du Blindschliche!“, fuhr Daimon den Schwarzhaarigen barsch an. „Du hättest mich und meinen Bruder um Haaresbreite platt gewalzt! Das hier ist eine 30-Zone und deine Karre hätte mindestens 60 Km/h drauf. Du bist dir bewusste, das ich dich dafür Anzeigen könnte?!“ „Jetzt mach mal Halblang Pumucklchen~ Das ist doch kein Grund um gleich aus der Haut zufahren.“ Der Fremde zog entschuldigend die Schulterblätter hoch. „Tut mir leid was geschehen ist, aber ich lasse mich nicht so einfach von einem pubertären Teenager wie dich anschnauzen. An einem Unfall wärt ihr genau so schuld gewesen, wie ich; Wenn du so leichtfüßig auf der Straße rum spazierst müsst du dich nicht wundern wenn der eine, oder andere Wagen etwas näher kommt!“ Vor Wut klappte Daimon die Kinnlade runter. Er wischte sich rasch eine Strähne aus dem Gesicht, und holte dann einmal tief Luft. Der Kerl nahm den Mund entscheidend ZU voll! „Du kleiner Mistke-!“ „Daimon! Halt dich zurück!“, zischte Kiley und sprang zugleich zwischen seinen Bruder und den Fremden. Mahnend legte er seine Hand auf Daimons Brust und sah ihn feste in die funkelnden Augen. „Beruhig dich Mann! Willst du eine Prügelei anzetteln!?“ Kurz zögerte Kim, dann drehte er sich zu dem Autofahrer der sie bloß fragend, und sogar schon ein wenig genervt ansah. Irgendetwas beunruhigte den jungen Dämon aber er konnte nicht sagen, was es war. Der Mann der sie da so Böse anstarrte war zwar ein Stück kleiner und schmächtiger wie sie, doch selbst in einer so kritischen Situation, strahlte jeder seiner Bewegungen Anmut und überlegende Selbstsicherheit aus. Kim biss sich leicht auf die Lippe. Das war doch wohl etwa keine Angst die ihm die Kehle abschnürte, oder…!? Der Autofahrer betrachtete die Brüder währenddessen mit emotionsloser Miene und wartete auf die nächste Reaktion. Sein dunkles Haar schimmerte Fliederfarbend im Sonnenlicht und umrahmte sein engelsgleiches Gesicht, wodurch es eine noch schönere Ausstrahlung bekam. Auch wenn er es nicht wollte, aber sein Anblick den er unbeabsichtigt darbot bezauberte jeden, und durch seine schlaksige, feminine Erscheinung unterschätzen ihn auf Anhieb sogar die meisten. Mitten in seiner Überlegungen und Gedanken unterbrochen, hörte der Mann plötzlich ein wütendes Fauchen. Alarmiert flogen die Blicke seiner großen Augen wieder zum Bürgersteig. Er sah wie der Kleinere der jungen Männer das hübsche Gesicht verzog. Ein Hauch von Wut war in seinen Zügen zu erkennen. Kim seufzte leise und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Hinter ihm tobte Daimon wie ein Tsunami und wollte sich anscheinend gar nicht mehr einkriegen. „Ich reiß dem Kerl die Zunge raus! Der hätte uns fast in Apfelmus verwandelt. Jetzt lass mich endlich los, Kiley. Ich kann gar nicht verstehen wie du da so ruhig bleiben kannst! Hier hört der Spaß endschieden auf!“ „Ja ja ist klar, ich weiß schon! Und wenn du nicht aufpasst, kassierest du die nächste Anzeige wegen Körperverletzung ein! Tickst du eigentlich noch Sauber? Willst du Jeremy in den Wahnsinn treiben?!“ Jeremy…. Kiley…? Der Autofahrer legte den Kopf schief; diese Namen hatte er irgendwo schon mal gehört… Sicherheitshalber war er ein paar Schritte auf Abstand gegangen, doch nun näherte er sich diesen ungemütlichen Gesellen neugierig. Ihre Gesichter kamen ihm unheimlich bekannt vor… Diese Augen, die Blässe, ihre flüssigen Bewegungen und sogar das feurige Temperament weckten Erinnerungen. Doch woher kenne ich sie? Fragte er sich und wartete geduldig bis sich ihm der schwarzhaarige Junge zuwendete, den man auf ersten Blick für schönen Engel halten könnte, wäre da nicht diese Kalte und Unbarmherzige Aura gewesen, die ihm wie eine unsichtbare Mauer umgab. „Sorry wenn ich eure kleine Diskussion unterbrechen muss, aber kennen wir uns irgendwo her? Ihr kommt mir seltsam bekannt vor.“ „Nein, nicht das ich wüsste…“, antwortete Kim kühl und herablassenden. Er überragte den Autofahrer um einige Zentimeter und so konnte er die Furcht in den hintersten Teil seiner Seele verbahnen. Er drehte sich leicht zu dem Rothaarigen. „Kennst du ihn vielleicht?“ „Nö, aber meine Fäuste wollen ihn kennenlernen.“ Kiley seufzte erneut; Wieder mal bewies sein Bruder dass er absolut kein bisschen Fingerspitzengefühl besaß. „Jetzt kommen wir alle wieder runter ja…?“, bat Kim und sah erst zu dem Autofahrer, dann zu Daimon. „Es ist ja keinem was passiert und das ist die Hauptsache. Wir sollten jetzt zum Unterricht gehen und diesen kleinen Vorfall vergessen. Wenn Daimon schon wieder zu Spät in die Klasse kommt, muss er nachsitzen…“ In diesem Moment ging dem Fremden im wahrsten Sinne des Wortes ein Licht auf. Daimon?!! Als der Namen des zweiten Bruders fiel, löste sich die Blockade in seinem Gedächtnis. „Hey! Moment mal, ich habe noch eine Frage…!“ Die beiden Geschwister drehten den Mann ihre Gesichter zu, die Blicke kreuzten sich – das zum ersten Mal so intensiv – und für einen Moment stand die Zeit still. Kiley und Daimon verwandelten sich in zwei Statuen, ihre Augen färben sich purpurn und ehe der Autofahrer die Kraft seines Blickes voll entfachen könnte, fühlte er sich von einer unsichtbaren Blockade zurück geschossen. „Du bist kein Mensch…“, Vernahm er Kileys Stimme in seinem Kopf. „Sag, wie lautet dein Name fremder Dämon!“ „Was hast du davon? Er wird dir eh nichts sagen; dafür seid ihr beiden noch zu Jung und unerfahren. Aber du weil du es bist, und jemanden geholfen hast der mir nahe steht werde ich eine Ausnahme machen.“ Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und legte den Kopf schief. „Mein Name ist Mephistopheles.“ Und ehe Kim sich versaß stand der unheimliche Autofahrer vor ihm und legte die Finger auf seine Brust. Er hatte nicht mal bemerkt, wie sich der Kerl zuvor bewegt hatte – doch nun starrte er wie gebahnt in die Orangen Seelenspiegel des anderen Dämons. „Wenn du mich nicht durch deine Augen schauen lässt, muss ich mich eben an deinem Herzen bedienen, Kiley Sandjoé.“ Die Reaktion erhielt der Fremde in der Form einer Ohrfeige – zu mindestens hätte Kiley das vorgehabt, aber seine Hand blieb wie Gelähmt in der Luft hängen. Der Teufel kicherte leise. „Du kannst nichts gegen mich ausrichten. Ich weiß wer ihr beiden seid.“ Ein Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus. „Ihr seid Marcels Geschwister habe ich recht? Du bist Kiley. Und die Salzsäule da neben dir.“ Er wendete sich zu Daimon, der sich ab dieser Sekunde nicht mehr rühren könnte und schaute ihm eindringlich in die grünen Augen. „Du bist Daimon…. Der miese Feigling, der meinen Sohn verprügelt hat!“ Und wieder blieb für einen Moment die Zeit stehen. „Jor… Das mach ich schon mal öfters.“ Lautete Daimons knappe, aber wenigstens ehrliche Antwort. Es schien als würde die Umgebung keine Rolle mehr spielen; der Lärm der Autos und vorbeiziehenden Menschen verstummte und gefror augenblicklich. Als Daimon nach Unten sah und in das braune Gesicht schaute, konnte er nicht anders: Von Wut und Gram geschüttelt wich er langsam nach hinten. Doch damit konnte er auch nicht mehr verhindern dass der kuriose Mann vor Sprang und seine langen und kraftvollen Finger um seinen Hals schlang. „Ich könnte dich innerhalb von Sekunden umbringen.“, flüsterte Mephisto leise und bedrohlich. Seine zweite Hand ruht derweilen nahe neben Daimons hämmernden Herzen. „Aber Marcel braucht dich noch, und deswegen verschone ich dein Leben. Aber sei dir darüber im Klaren, dass das nur ein kleiner Aufschub ist. Denn irgendwann… Irgendwann werde ich derjenige sein, der dir den Gnadenstoß erteilt. Ich weiß es.“ „Garnichts weiß du.“ Daimon öffnete den Mund um noch etwas zu sagen, als er einen grellen Schrei hörte. „Kiley! Daimon!“ Blondes Haar schoss an Mephisto und Daimon vorbei und sofort ließ der Höllenfürst von seinem Opfer ab. Innerhalb von Sekunden stellte sich Mephisto auf die neue Situation ein, und empfing den kleinen Menschenjungen mit offenen Armen. „Marcel? Guten Morgen, Kleiner. Was machst du denn hier?“ „Ich gehe hier zufällig auch zur Schule.“, keuchte Marcel und musste beide Hände in die Hüften schützen. Er atmete noch einmal tief durch. „Was ist los? Warum schaut ihr euch so Böse an? Habe ich was verpasst?“ Mephisto roch wie der Schrecken über Marcels Haut kroch. „Wir schauen uns doch nicht Böse an!“, versicherte er lachend. „Ich habe mich deinen Geschwister grade vorgestellt.“ „Achso… Und was machst du hier? Hast du Dylan zur Schule gebracht?“ „Nein. Er hat heute Morgen sein Frühstück zuhause vergessen, und ich wollte es ihm vorbei bringen. Könntest du das nicht für mich erledigen? Ihr geht ja in dieselbe Klasse und außerdem wird er es nicht so toll finden wenn ihm sein Vater das Essen hinterher tragen muss. Danke!“ Ohne die Antwort abzuwarten drückte Mephisto Marcel auch schon die dunkelblaue Butterbrotdose in die Hände und wendete sich bereits zu Gehen ab. Doch dann erstarrte er plötzlich mitten in seiner Bewegung. Langsam drehte er das Gesicht zu Marcel zurück, und starrte ihnen einen kurzen Moment lang Emotionslos an. „Entschuldige die blöde Frage, aber du bist doch Marcel Sandjoé oder?“ Marcel erwiderte den stechenden Blick mit hochgezogenen Augenbrauen. Diese Frage verwirrte ihn. „Natürlich. Wie kommst du denn jetzt darauf?“ Doch der Höllenfürst schüttelte nur den Kopf, anstatt direkt offen und ehrlich zu Antworten. „Du hast du dich irgendwie verändert. Naja, liegt wohl an der Pubertät. Tschüss Blondie, und Gruß Dylan von mir.“ Damit verschwand Mephisto, und keinen Augenblick später löste sich die Starre der Zwillinge. Sie warteten noch bis Mephisto außer Blickweite war und bauten sich dann furchteinflößend vor Marcel auf. „Was war das denn für ein schräger Vogel?“, schnaubte Daimon zornig „Und noch viel wichtiger, was wollte der Penner von dir?!“, ergänzte Kiley. Marcel hob schweigend die Schulterblätter und verstaute geduldig die Butterbrotdose in seiner Schultasche. Unterdessen starrten ihn Kim und Daimon fast in Grund und Boden. „Das war Dylans Vater.“, erklärte er im lässigen Ton. „Er möchte dass ich Dylan sein Frühstück gebe. Heute Morgen hat er es vergessen.“ „Davon reden wir doch gar nicht!“, fauchte Kim. „Der Kerl ist verdammt Unheimlich. Und dazu ein echt mieser Dämon; Bei seinen Augen friert sogar Feuer ein. Wenn ich nur an sie denke, wird es mir kalt. Was hast du nur mit so einen Kerl zu schaffen?“ Als der Ältere überfordert die Hände in die Luft warf, knurrte Marcel ungehalten. „Wie ich schon sagte, ist das der Vater von Dylan. Durch ihn habe ich ihn kennengelernt. Und so mies wie du meinst, ist er gar nicht. Mephisto ist sogar richtig nett!“ „Papperlapapp! Wer sich schon so einen Namen gibt, kann gar nicht alle Latten am Zaun haben! Daimon…!“ Der Schwarzhaarige drehte sich zu seinen Zwillingsbruder. „… lass uns rein gehen. Hier draußen wird mir die Luft zu dünn.“ „Aber…?“, stotterte Daimon geistgegenwärtig und sah besorgt drein. „Willst du denn nicht hören, was Marcel zu sagen hat?“ „Ich weiß nicht, was es da noch zu sagen gibt. Entweder kommst du jetzt mit, oder ich gehe Alleine rein! Bis später dann.“ „Warte!“, rief Daimon und eilte hinterher. Marcel hörte ihn noch von weitem Schimpfen. „Kiley!? Du bist so eine Pussy!!“ Was ist nur in ihn gefahren? dachte Marcel und versuchte dabei so ruhig wie möglich zu bleiben, aber sein ganzes Inneres war bereits in Aufruhe geraten. Dazu kam noch Mephistos eigenartig Frage, und er merkte dass ihm das Herz in die Hose rutschte. Etwas war hier ganz und gar nicht in Ordnung… Dylan war eine imposante Persönlichkeit, das musste man ihm lassen. Marcel bemerkte gar nicht wie sein Blick auf den jungen Albino hängen blieb, als er ihm Mephistos Mitbringsel überreichen wollte. „Hey Marcel!“, rief Dylan dann auch schon und löste sich von der Schülermaße die ihn umgab. Er nahm Marcel kurz in die Arme und lächelte ihn so freundlich an, dass es dem Blonden ganz warm wurde. „Guten Morgen. Lang nicht mehr gesehen, Kleiner. Wie geht es dir denn?“ „Gut.“, erwiderte Marcel errötend. Er mochte die Blicke seiner Klassenkameraden nicht, die sich wie im Stillen Verhör auf sie beide gerichteten. „Hier.“ Er drückte Dylan die Dose in die Arme. „Das ist von deinem Vater. Ich habe ihm zufällig am Schultor getroffen.“ „Danke.“, stammelte der Albino. Allerdings sah er nicht so halb Glücklich aus, wie Marcel es von ihm erwartet hätte. „Habt er euch immer noch nicht vertragen…?“, fragte Marcel nach einer Weile. „Doch. Gestern Abend… Aber Mephisto wäre nicht Mephisto wenn er nicht schon bald für neuen Ärger sorgen würde.“ Dylan verschränkte missmutig die Arme. „Er wusste auch von Lucy und den Nemesis. Gott sei Dank hat er deswegen keine riesen Szene gemacht, aber unangenehm war es trotzdem für mich. Ich hasse es mit ihm zu Diskutieren, ich ziehe immer den Kürzeren.“ „Wer tut das denn nicht?“, erwiderte Marcel lächelnd. Zwei Stunden später öffneten sich wieder die Türen der Klassenräume und die Schüler schoben in alle Richtungen davon. Ein Teil stürmte in die Cafetertia, der Andere auf den Pausenhof zu ihren Stammplätzen. Aber Marcel blieb wie angewurzelt auf seinem Platz sitzen und starrte auf sein Handybildschirm. 5 Minuten vor Schluss hatte er eine sonderbare Kurzmittelung erhalten; Wir treffen uns in der großen Pause am Schultor. Bring bitte alle deine Sachen mit, und beeil dich. Kiley Marcel wusste nicht so recht was er davon halten sollte. Entweder wollte Kiley ihm für heute Morgen eine Reinhauen, oder aber gegen Bus schubsten: In der Vergangenheit redete er mal davon. Er versprach Connor und Fee das er vor Unterrichtbeginn wieder zurück sein würde, und machte sich zügig auf den Weg nach draußen. Mit einem Blick, der Feuer durch Marcels Adern strömen ließ, wartete Kiley bereits am Ausgang auf ihn. Der Dämon hatte sich locker gegen die kühle Mauer gelehnt und seine Arme vor der Brust verschränkt. Doch als er die zierliche Gestalt seines kleinen Bruders erblickte verschwand der gedankenversunkene Ausdruck, und ein Lächeln machte sich auf seinem schönen Gesicht breit. „Da bist ja endlich. Du hast mich ja ganz schön warten lassen.“ „Was gibt es denn?“, fragte Marcel sofort und legte den Kopf in den Nacken. „Sei doch nicht so ungeduldig.“, tadelte Kim grinsend und lachte hingebungsvoll. Von seinen Ärger von vor wenigen Stunden war nichts mehr zu spüren, und Marcel kam die ganze Sache immer unheimlicher vor. Bildete er es sich nur ein, oder litt Kiley neuerdings wirklich an extremen Stimmungsschwankungen? „Warum hast du mich herbestellt, Kim? Ich will ja nicht unhöflich wirken, aber ich muss gleich in die Klasse zurück...“, versuchte es Marcel erneut. „Das kannst du dir schön Abschminken. Du gehst heute nicht mehr in den Unterricht, also veranstalte hier keinen Aufstand. Wir beide fahren jetzt mit den nächsten Bus nach Thirsk.“ „Wieso…?“ „Weil ich einen Termin bei einem Makler habe. Ich habe mich doch nach einer Wohnung für uns beide umgesehen, erinnerst du dich noch daran? Nein…? Naja, das ist ja auch schon was länger her und inzwischen ist wieder viel passiert.“ „Warum denn jetzt so plötzlich?“ Die Worte waren leise gesprochen, und doch erreichten sie ihr Ziel. Marcel starrte auf seine Schuhspitze, und wagte es kaum seine Gedanken laut auszusprechen. „Ich möchte nicht von zuhause weg. Auch wenn es vielleicht nur für einen kurzen Moment ist.“, murmelte er gegen den Wind. „Wir können Daimon und Kuroro doch nicht alleine lassen und uns verstecken. Wenn die Nemesis einen neuen Plan ausgetüftelt haben, und sie Angreifen sind sie verloren! Das werden sie niemals Überleben: Da kann Daimon so stark sein, wie er will, das packt er einfach nicht! Wer weiß wie viele Nemesis-Mitglieder es überhaupt gibt? Ist es nicht viel besser wenn wir Alle zusammen bleiben und gemeinsam gegen die Nemesis kämpfen, anstatt uns auf zuteilen? Bitte Kiley. Lass uns das mit der Wohnung nochmal überdenken.“ „Niemals.“ Binnen weniger Sekunden hatten sich Kims Gesicht komplett in Eis verwandelt. „Wie willst du denn bitteschön Kämpfen? Du kannst dich doch noch nicht mal gegen bloße Menschen wehren. Was willst du Wurm denn schon gegen solche Monster wie diese Mädchen es sind, ausrichten? Nichts, weniger als Nichts – Gar nicht! Deinen eigenen Tod. Das könntest du grade mal erreichen. Du bist kein Dämon wie wir, du bist ein gewöhnlicher Mensch und Daimon und ich pfählen hier die Entscheidungen, merk dir das! Du fügst dich, und mehr auch nicht!“ „Ich will das aber nicht mehr!“, schrie Marcel auf einmal aus voller Lunge. Es war als würde ein Inferno in seinem Herzen ausbrechen, als Kim ihm die verletzende Wahrheit schonungslos ins Gesicht schleuderte. „Ich möchte nicht mehr dass ihr alles über meinen Kopf hinweg entscheidet. Ich bin doch kein Kind mehr. Ich kann meine eigenen Willen haben und muss mich nicht ständig von meinen älteren Geschwistern bevormunden lassen.“ Er hob den Blick und sah Kiley verzweifelt mit tränennassen Augen an. „Du hast doch damals selber gesagt dass Jeremy mir viel zu viel Verantwortung abnimmt und ich gar nicht so schwach bin, wie er immer behauptet. Dein Verhalten ist doch total paradox: Erst widersprichst du ihm, und jetzt behandelst du mich genau so wie er!“ „Das war auch eine andere Lage!“, warf Kiley zornig ein und packte Marcel grob an den Schultern. „Hier steht nicht nur deine Zukunft, sondern auch dein Leben auf dem Spiel! Wann begreifst du das endlich? Wenn die Nemesis erst mal beseitig sind, kannst du so viel Verantwortung haben wie du willst. Aber solange die hinter uns her sind, wirst du auf mich hören und ich dulde keinerlei Widerspruch. Wir fahren jetzt nach Thirsk und entscheiden uns für eine Wohnung. Das ist so Sicher wie das Amen in der Kirche!“ Doch Marcel rührte sich nicht von der Stelle: Die Wut und die Enttäuschung lähmte nicht nur sein Gehirn, sondern auch seine Beine. „Ich werde nicht mitgehen.“ Hassfüllt starrte er Kileys Rückseite an, und spürte wie eine Welle des Schmerzes über ihn zusammen brach und von den Füßen riss. Noch nie in seinem Leben hatte er einen so derart starken Schmerz verspürt, wie in diesem einen Augenblick. Die plötzlichen Krampfattacken die Marcel in letzter Zeit immer wieder aus dem Gleichgewicht brachten, waren nichts hier zu. Lächerlich, im Vergleich erschienen ihm diese sonderbaren Anfälle grade zu wohltuend. „Was hast du gesagt?“, fragte Kiley erschreckend ruhig, und mit wachsender Wut in der Stimme. „Das… ich nicht… mitgehe. Nicht nach Thirsk, und auch nicht in die diese Wohnung. Ich bleibe bei Daimon und Kuroro. Wenn du weglaufen willst, bitteschön. Aber ich bleibe hier.“ Fast Lautlos kam Kim zurück. Den Zorn der seinen zitternden Körper über die Haut verließ fühlte sich für Marcel nahezu greifbar an. „Wenn du nicht gehst, bleibe ich auch hier.“ „…“ Marcel sah auf, er war verdutz über den plötzlichen Meinungswechsel seines Bruders. „Ich will nur wegen dir fort, Marcel. Du bist mir sehr wichtig, und ich versuche Alles um dich zu beschützen. Um Daimon und Kuroro brauchst du dir keine Sorgen machen; wenn es hart auf hart kommt werde ich natürlich da sein und an ihrer Seite Kämpfen. Ich würde die beiden doch nicht im Stich lassen. Was denkst du denn von mir?“ Leise ging Kiley in die Hocke und umfasste Marcels Finger mit seinen eigenen Händen. „Bitte mach es uns nicht noch schwerer als es Ohnehin schon ist. Wenn wir wissen dass du in Sicherheit bist, können wir uns viel besser auf den Feind konzentrieren und ihnen möglichst schnell das Handwerk legen. Ich wollte eben nicht so Böse werden und dich anschnauzen. Es tut mir Leid, Marcel. Ich möchte doch nur das Beste für dich!“ „Das weiß ich doch.“, flüsterte Marcel leise und seine Mundwinkel zogen sich sachte nach Oben. „Aber wenn wir wirklich nach Thirsk ziehen, musst du mir versprechen dass ich sofort nach Daimon und Kuroro darf wie ich will.“ Kim nickte, und stand wieder auf. „Natürlich. Gehen wir denn jetzt?“ „Ja.“ Leise Klopfgeräusche halten durch die alten Gemäuer der Stillgelegten Schokoladenfabrik. Im Geheimversteck der Nemesis regte sich Leben. Yukiko, das Mädchen mit den langen violetten Haaren und den großen, Himmelblauen Augen wendete das Gesicht vom Spiegel ab und schaute überrascht zur der Türe. „Es ist Offen.“, rief sie. Langsam wurde die Klinke herunter gedrückt und Lucy Etoile steckte ihren Kopf in das Schlafzimmer. Es war dunkel im Raum, aber dank ihrer übernatürlichen Sinne konnte sie die Feminine Gestalt der jungen Asiatin erkennen. „Hast du Zeit?“, fragte Lucy und Yukiko legte ihren Kamm zur Seite. „Klar. Was gibt es denn?“ Binnen weniger Sekunden hatte Lucy das große Schlafzimmer durchquert und sich auf einen Hocker neben der Kommode gesetzt. Ein Seufzen schlich sich aus ihrem roten Mund. „Es ist so langweilig. Seit Tagen gibt es nichts mehr zu tun: Keinen Dämonen sind da die wir Jagen können, keine Vorschritte bei Remiras Wiederbelebung und warum der Makaber von Kamila so außer Kontrolle ist, wissen wir auch noch nicht.“ Die Feuerbändigerin litt schwer unter dem Schicksal ihrer kleinen Schwester. Vermutlich sogar noch schwerer als Kamila selbst. Wo immer Lucys kleine Schwester erschien lächelte die Sonne, der triste Alltag verblasste und die Stimmen der Menschen verstummten von Erforscht erfüllt. In Lucys Erinnerung flamme ihr Gesicht auf; Kamilas feines Lachen, ihre engelsgleiche Stimme, sie sah sie tanzen und sie sah Kamila kämpfen. Sie verspürte einen schmerzhaften Stich in der Brust. Yukiko tätschelte sanft Lucys Schulter. „Mach dir doch nicht so viele Sorgen.“ „Wäre es deine Schwester würde es dir genau so gehen…“ „Mir ist das nicht Egal. Ich habe sie auch gerne, und ich würde ihr nichts Sehnlicheres wünschen als die Freiheit. Aber das ist im Moment nicht machbar. Und in ihrer jetzigen Verfassung können wir Kamila nicht unter die Menschen lassen. Sie würde alles und jeden in Asche verwandeln, der in die Reichweite ihrer Blitze kommt.“ „Sie ist wie die Verkörperung Zeus.“, murmelte Lucy nachdenklich und betete das Kinn in ihre Handflächen. „Nur das der seine Fähigkeiten unter Kontrolle hat.“ „Der hatte aber auch keinen störrischen Makaber in der Brust.“ Ein paar Sonnenstrahlen fielen durch das kleine Fenster ins Zimmer und wärmten die Körper der beiden Mädchen. Lucy drehte den Kopf in der Richtung der Hitze und schloss genießerisch die Augen als die Strahlen ihre Haut streichelten. „Sollen wir raus gehen?“, fragte Yukiko plötzlich in die Stille hinein. „Wohin denn?“, murmelte Lucy ohne das Gesicht von der Sonne abzuwenden. „Seit wann bist du so einfallslos? In die Stadt natürlich! Sich unter die Menschen mischen, Spaß haben, vielleicht ein paar nette Männer kennenlernen.“ Lucy schnaubte und sah die Lilahaarige argwöhnisch in die Augen. Es kam Lucy vor, als würde sie in ihnen Ertrinken. Yukikos Augen schienen so unendlich tief zu sein, wie das Meer selbst. „He! Du stehst doch gar nicht auf Männer.“ „Ich weiß. Aber du solltest dich mal nach Einen umschauen. Du bist doch noch Jung, und viel zu Hübsch um Alleine zu sein.“ Die Schultern zuckend erwiderte Lucy. „Das hat alles noch Zeit.“ Schweigen. „Was willst du eigentlich tun wenn wir alle Dämonen beseitiget haben?“ Yukiko machte sich einen kleinen, seitlichen Zopf in die Haare und umwickelte ihn mit einer weißen Schleife, während sie auf ihre Antwort wartete. „Keine Ahnung. Hoffen das es Kamila bis dahin besser geht, und wir uns an einem ruhigen Ort, fern ab von allen Übel, niederlassen können. Was hast du denn für deine Zukunft geplant?“ „Ich? Hmmm. Ich würde gerne bei den Menschen bleiben. Dann suche ich mir irgendwann eine hübsche Freundin und auch eine Arbeit wo ich mich nützlichen machen kann.“ „Wow! Grade von dir hätte ich sowas Normales nicht erwartet.“ „Was soll denn das heißen?“, zischte Yukiko und versuchte Lucy mit einen ihren Engelsflügeln zu schlagen. „Meinst du ich sollte lieber Profikiller werden?!“ „Bei deinen Charakter…“ erwiderte Lucy todernst und duckte sich flink. „Danke du Kröte!“ Exakt 30 Minuten später verließen zwei Schatten das Gelände der Schokoladen-Fabrik und liefen über die Hauptstraße in Richtung Innenstadt. Lucy und Yukiko trugen die Schuluniform einer bekannten Mädchenschule um nicht zu sehr im Gewühl aufzufallen. Die Uniformen bestanden aus einer grauen, enganliegenden Rüschenbluse, einem roten Halstuch und weißen Puffelärmen. Unten drunter trugen die Mädchen einen schwarzen Faltenrock und Kniestrümpfen, sowie hochhackigen Lackschuhen. Lucys Hörner, sowieso Yukikos Heiligenschein und ihre beiden Flügel war für das menschliche Auge unsichtbar. Bei der Oberweite der Älteren platze der Stoff der Bluse fast aus allen Nähten, und Lucy konnte gar nicht anders als Neidisch auf ihre großen Brüste zu starren. Die Lilahaarigen entsprach in allen Bereichen dem japanischen Schönheitsideal. Sie war groß, dünn, blass und vollbusig. Yukiko besaß ein kleines Gesicht und große Augen in der Farbe des Meeres. Ihre Haare trug sie immer lang und glatt und grade – kurzum, im klassischen Pagenschnitt. Die Männer verreckten sie oft die Hälse nach ihr, doch Yukiko ließ die Blicke wirkungslos von sich abprallen. Auf dem ersten Blick erschien Yukiko wie eine wohl erzogene Dame aus reichem Hause: Selbstbewusst, diszipliniert und Anständig. Aber da war nur der Schein; in ihrem Innen war sie Eiskalt, neigte oft Wutausbrüchen und schreckte auch nicht vor Gewalttaten zurück. Im Vergleich zu ihr kam sich Lucy wie ein langweiliger Bauerntrampel vor; sie war zwar genau so schlank wie Yukiko, doch von kleiner Statur und eher Flachbrüstig. Ihr war der schwarze Rock viel zu kurz, und sie fürchtete sich davor, dass ihn ein jeher Windstoß ungünstig anheben könnte. Um das schlimmste zu verhindern hatte sich Lucy deshalb eine Shorts unter den Rock gezogen, wofür sie sich aber auch insgeheim Schämte. Yukiko hingegen schien das gar nicht zu stören. Für sie konnte ein Rock nicht kurz genug sein. Sie war sich ihrer Reize durchaus bewusst, und scheute sich nicht davor diese auch Öffentlich zu zeigen. Demnach wurde es auch nichts aus dem nicht Auffallen… Sobald die beiden die Fußgängerzone erreicht hatten drehten sich die Köpfe der Passanten Neugierig zu ihnen um. Lucy schnappte im vorbeigehen ein paar der Wörter auf, die die Menschen hinter vorgehaltender Hand flüsterten. „Hast du diese bunten Haare gesehen!? Haben wir schon wieder Karneval?“ „Wow, die beiden sehen ja aus wie Models! Hat hier irgendwo eine Kampagne aufgemacht, oder dreht das Fernsehen vielleicht einen Film über unsere Stadt?“ „Das sind aber keine Mädchen von hier! Unsere würden sich gar nicht trauen am helllichten Tage so Reizvoll über die Straße zu laufen! Das sind sicher Ausländer.“ „Sei doch Still, du Knallkopf. Das sind die Schuluniformen der Saint Lilium High! Diese Mädchen sind schon von Geburt an reicher, als du es in deinem ganzen Leben jäh sein wirst!“ Feuer küsste Lucys Wangen. Die Blicke der Vorbeiziehenden verursachten ihr eine dicke Gänsehaut. Sie hatte es doch gleich Gewusst; Die Kleider waren DEFINITIV zu kurz! Lucy bewegte ihre Beine schneller, und Yukiko musste sich noch nicht mal anstrengen um mitzuhalten. Doch das Verhalten ihrer kleinen Freundin wunderte sie doch ein bisschen. „Hey Lucy, was ist denn auf einmal?“ „Hast du die Blicke der Passanten nicht bemerkt? Wir sind doch die reinste Touristen-Attraktion. Alle glotzen uns an!“ Yukiko zog ungerührt ihre Augenbrauen hoch. „Na und? Lass dich doch nicht stören. Wir sind nun mal ein paar hübsche Mädchen, und sowas sehen die Menschen nicht alle Tage!“ Sie sah das Tränen der Wut und der Scham in Lucys Augen schwammen und sie musste hart schlucken. Es tat ihr Weh Lucy so traurig zu sehen. Yukiko griff unbemerkt in ihre Tasche und zog einen silbernen Stock hervor, der im Sonnenlicht glänzte wie Edelstahl. Dieser Stock gab einen wichtigen Hinweis auf ihre Fähigkeit. Sie war eine Hexe und verfügte über eine breites Spektrum an Zauberkräften. Mit dieser Macht konnte Yukiko fast alles erschaffen was ihr in den Sinn kam, oder die schon vorhandenden Gegenstände nach Belieben manipulieren. Das Prototyp Angel- Experiment von vor 4 Jahren basierten auf demselben Grundstein wie das, der Humanoid Demon. Die Forscher verabreichten ihren Versuchskaninchen, ebenfalls verschiedene Hormone und manipulierte Gene; Die Kraft der Menschenkinder nahm stetig zu, die Sinne schärften sich, plötzlich wuchsen ihnen Engelsflügel und allerhand besondere Fähigkeiten erwachten zum Leben. Als Krönung indizierten sie den Kindern noch eine letzte, sagenumwobene Flüssigkeit, deren bloßen Existenz schon stark angezweifelt wurde: Das extrahierte Blut eines echten Engels. Woher die Wissenschaftler dieses Blut genommen hatten, spekulierten die Hinterbliebenen bis heute wild. Zum Abschluss schenkte man ihnen noch einen Makaber der eine geheimnisvolle Macht in ihnen erweckte. Bei Yukiko war es die Macht der Zauberei. Aber die Prototyp Angel waren sogar noch weiter entwickelter wie ihre Vorgänger; Man hatte ihnen die Fähigkeit genommen Mitleid und Trauer zu empfinden. Auf diese weiße wollten die Forscher sicherstellen dass ihre Experimente jeden Auftrag ohne Skrupel oder Gewissensbisse durchführten. Sie konnten keinen sensiblen Engel in ihrer Arme gebrauchen, sondern nur kaltschnäuzige Killermaschinen die alles und jeden niedermetzelten, der ihnen in Quere kam. Scarlet Nemesis gehörte nicht zu diesen Killermaschinen, sie war das komplette Gegenteil - sie war ein fehlgeschlagenes Experiment. Rein Äußerlich wies nichts auf ihre Andersartigkeit hin; Sie besaß weiße Flügel, einen goldenen Heiligenschein und einen Makaber in der Brust. Ihren langen, goldenen, lockigen Haare welche ihr wild, aber dennoch seidig über Schulter und Rücken fielen, wehten in jeder ihrer Bewegungen mit. Eine Aura der Anmut und Schönheit umgab das hellhäutige Mädchen. Scarlet war groß für ihr Alter, etwa jünger als Yukiko und an den richtigen Stellen rundlich Gebaut. Sie besaß feine Gesichtszüge und große, pinke Augen die jeden sofort in ihren Bann zogen. Aber bei Scarlet schlug die Therapie der Forscher nicht an, sie empfand solche Dinge wie Mitleid, Trauer, Angst und Verzweiflung. Aus diesem Grund schlossen die Forscher das junge Mädchen auch von den Aufträgen aus und verbahnten sie in eine dunkle Zelle. Die Wissenschaftler sperrten Scarlet nicht nur weg, sondern wollten ihr schon die Todesspritze setzen aber Scarlet sah es gar nicht ein, zu Sterben. Sie befreite sich aus den Ketten der Tyrannei und beendete das Prototyp Angel- Experiment in einem einzigen Atemzug. Zum Zeitpunkt ihres Ausbruches war Scarlet zwar erst 11 Jahre alt, aber sie dachte und handelte bereits wie eine Erwachsene. In dieser Nacht ließen Viele ihr Leben. Scarlet stand wie ein Schatten auf der Aussichtsform der Forschungseinrichtung und fühlte sich einen Moment lang verloren; das Gelände war groß, die Anzahl der möglichen Widersacher so erschreckend hoch. 400 Prototyp Angel, 150 Wissenschaftler, 110 Mitarbeiter, 550 Sicherheitsmänner. Sie haben es nicht verdient, sagte sie zu sich selbst und bestimmte das Urteil. Niemand durfte diese Nacht Überleben… „Spürt meinen Zorn!“, schrie sie in die Nacht. Dann breitete sie ihre dünnen Arme zum Himmel aus und es war als verlöre die Zeit ihre Bedeutung. Schwarzes Licht sickerte aus ihren Körper und tränkte den gesamten Komplex. Es drang in jede Fuge ein, in jeden Spalt und in jedes Wesen was hier lebte. Die Todesschreie der Forscher, Mitarbeiter und Prototyp Angel erreichten ihr Gehör, aber nicht ihr Herz und so machte sie wie im Rausch weiter. Niemand darf Überleben… Sie haben es nicht Verdient! Immer mehr Schatten breiteten sich aus, und schürzte die Welt nach und nach immer tiefer in die Finsternis. Schwarze Ranken schossen aus der Erde und zerrissen alle Feinde die es Lebend auf das Gelände schafften und versuchten, dem Spuck ein Ende zu setzten. Ihre Attacken drangen nicht durch den dichten Nebel und liefen ins Leere aus. Niemand schaffte es einen einzigen Treffer zu landen, der unheimliche Prototyp Angel auf der Spitze der Aussichtsform blieb unversehrt. Scarlet war die Hoffnung der Menschen und zugleich ihr sicherer Untergang. Sie wollte keinen der hier Weilenden verschonen. Weder die Menschen, noch die Prototyp Angel. Niemand war Unschuldig. „Ich werde euch erlösen und wenn Gott es will, kriegt ihr eine zweite Chance.“, flüsterte Scarlet in die Dunkelheit obwohl es von niemanden gehört wurde, und ihr Gesicht von Trauer gezeichnet war. Ihr schwarzes Licht verschluckte derweilen jedes Lebewesen, es wich keiner Macht und zertrümmerte jede Mauer der Einrichtung… als plötzlich eine Purpurne Flamme aus dem Nebel schoss und Scarlet für einen Moment die Konzentration verlor. Ein leuchtender Pfeil streifte ihr Gesicht und eine Explosion zertrümmerte die Kuppel auf der sie bis grade eben noch gestanden hatte. Das Mädchen wurde von der Druckwelle in die Luft geschleudert, aber ihre Flügel bremsten den jähen Aufwind geschickt ab. Scarlet riss erschrocken die Augen auf, dann wurde sie Kreidebleich um die Nase: Am Boden erblickte die einen Prototyp Angel mit wahlenden, violetten Haaren der einen Altertümlichen Bogen auf sie richtete. „Willst mich aufhalten? Vergiss es!“, knurrte Scarlet und fixierte das andere Mädchen mit ihren pinken Augen zornig. Ein Vergiss du es lag auf Yukikos Zunge, aber sie erwiderte stattdessen. „Mit dir kann man doch gar nicht Diskutieren! Dich muss man Kalt machen bevor du auf dumme Gedanken kommst!“ Der nächste Pfeil löste sich surrend von ihrer Sehne und zog im Flug einen hellen Lichtschweif hinter sich her. Als sie den Pfeil erblickte flüchtete sich Scarlet schutzsuchend im nächstbesten Schatten, verschwand, und ihre Kristallklare Stimme erhob sie über die Dunkelheit. Ihr grelles Lachen schallte laut durch die Luft und jagte Yukiko damit einen Schauer nach den anderen über den Rücken. Es wirkte nicht wie aus dieser Welt… „Gib dir keine Mühe. Ich werde dich so oder so töten.“, drohte Scarlets Körperlose Stimme von allen Seiten. Yukiko stand regungslos am Boden und wartete auf ihren Einsatz, von Aufregung oder gar Angst war in diesem Moment nichts zu spüren. Sie hatte hart Trainiert und wusste dass sie es schaffen konnte. Sie musste das blonde, arme, gestörte Mädchen nur im richtigen Augenblick erwischen; dann würden ihre Pfeile den Rest selbst erledigen und Scarlet in aber Millionen Stücke Sprengen. „Komm raus du Feigling!“, rief Yukiko Herausfordernd und blinzelte mit den Augen; jederzeit könnten die tödlichen Schatten, oder scharfen Ranken aus der Dunkelheit schnellen und sie angegriffen. Der Bogen lag leicht und angenehm in ihren Händen. Ein violetter Pfeil der wie Phosphor leuchtete, ruhte schon wieder zwischen ihren Fingern. Sie richtete die Waffe gegen die Schatten und schoss. Es gab einen Ohrbedeutenden Knall als das Licht die Finsternis teilte. Die frei gesetzte Energie war so stark das Yukiko ihre Füße mit aller Kraft in den Boden rammen musste, um nicht davon geschleudert zu werden. Der Wind riss unbarmherzig an ihre Klamotten und Haaren, der Schaub füllte ihre Lunge und die Tränen traten ihr davon in Augen. Wo war dieses Miststück nur abgeblieben?! In einer einzigen fließenden und lautlosen Bewegung, sprang Scarlet zugleich aus dem Schatten, die Dunkelheit hatte ihren rechten Arm umwickelt und ihn in eine pechschwarze Klinge verwandelt. Scarlets Augen verengten sich. Sie zog die Blutleeren Lippen zurück, was wohl ein grinsen bedeuten sollte. „Wo hast du denn deine Augen Schätzchen?“ säuselte sie sanft und in dem Moment als Yukiko sich erschrocken umdrehte, schlug Scarlet zu. Der schwarze Stahl sauste durch die Luft und traf sein Ziel. Roter Lebenssaft spritze nach allen Zeit aus dem Körper hervor und ein heller Schrei zerriss die Stille. Yukiko sackte in die Knie. Ein kleines Rinnsal Blut floss aus ihren Mundwinkel und benetzte ihren grauen Kittel. Durch die Wucht des Aufpralls war ihr der Bogen aus der Hand geschleudert wurden und ging am Boden in Flammen auf. „Ich bin mit dir noch nicht fertig.“, murmelte Scarlet und setzte schon zum nächsten Hieb an. „Ich auch noch nicht mit dir!“ Metall klirrte, rote Blitze zückten ungehalten durch die Luft. Ein Wunder war geschehen! Yukiko stand wieder auf beiden Beinen und Scarlet sah, wie sich ihre Finger grade um einen reich verzierten Schwertgriff schlossen, dessen weiße Klinge genau so hell leuchtete wie ihre Pfeile. Scarlets Schattenklinge prallte mit voller Kraft gegen das andere Schwert, und noch mehr Blitze fanden den Weg in die Freiheit. Das Lilahaarige Mädchen wehrte sich nach Lebenskräften. Sie war nicht annähernd so schwach wie Scarlet vermutete hatte. „Hätten meine Ranken dich nicht einfach zerreißen können?“, erkundigte sich die Blondhaarige schnaufend. „Warum?“, knurrte Yukiko zurück. „Bin ich dir zu stark?“ „Zu Nervig. Deine Fähigkeit ist echt lästig.“ Sie hatte bis heute immer Hoffnung gehabt, Hoffnung auf ein normales Leben in der Welt außerhalb der Mauern dieser Einrichtung. Doch bekanntlich stirbt die Hoffnung zu Letzt, und diese Hauchte gerade ihren letzten Atemzug, und tätigte ihren letzten Herzschlag. Dann starb der Hoffnungsschimmer in ihrer Brust, und die pinken Augen erstarrten. Sie verabschiedete sich von dem Leben als fehlgeschlagenes Experiment, und Schloss mit allem ab, was sie einst ausmachte. Jetzt gab es für Scarlet kein Zurück mehr: Sie musste das letzte bisschen Menschlichkeit über Bord werfen, und dieses vermaledeite Mädchen in den Erdboden rammen. Sie brachte Yukiko mit einem Trick aus dem Gleichgewicht und schlug ihr das Schwert mit einem harten Hieb, aus der Hand. „Scheiße!“, fluchte Yukiko ausgebrachte und wollte schon die nächste Waffe herbei zaubern, als sie ein Faustschlag mitten ins Gesicht traf. Ihre Himmelblauen Augen die einst so herrlich glänzten und sogar den Sternen am Himmel Konkurrenz machten, dass sie dafür von jedem beneidet wurde, wurden mit einmal stumpf und leer. Yukiko flog mehrere Meter weit über denn Boden und ging dann hart auf diesen Nieder. Keine Sekunden später war Scarlet bei ihr, und die schwarze Klinge zielte mitten auf ihre Brust. Yukiko rang bereits stark nach Sauerstoff. Würde dieser Kampf denn bald ein Ende finden? Träge warf sie sich zur Seite und schlug nach den Nacken der Anderen. Doch der Schlag ging ins Leere. Die Blondhaarige wich dem Angriff einfach aus, indem sie in den Schatten unter ihren Füßen tauchte! Scarlet verschwand aus ihrem Blickfeld, und hätte sie nicht ihre guten Reflexe gehabt, so wäre Yukiko schon lange tot gewesen. Ein hoher Ton heulte alarmierend durch die Luft. Ein paar Ranken brachen aus dem Erdreich hervor, und Yukiko rettete sich mit letzter Kraft in die Höhe, so dass sich die schwarzen Speere mit funken und donnern in die Erde bohrten. Doch mit der nächsten Attacke rechnete Yukiko nicht. Eine Klinge schoss aus den Rankenhals hervor und versenkte sich tief in ihrem Arm. Die Lilahaarige fiel auf die Knie und sah dann im Buchstäblichen Sinne nur noch Rot. Blut sickerte aus einem großen Riss am Bauch, eine Platzwunde am Kopf bescherte einen roten Schleimfilm vor Augen, und jetzt konnte sie noch nicht mal mehr ihren linken Arm bewegen! „Du kleines Monster.“, knurrte Yukiko kraftlos und sah sich gezwungen, ihre letzte Waffe zu gebrauchen. Sie griff nach ihren weißen Flügeln und zog eine kleine Feder aus dem Kleid. Diese zeigte sie Scarlet und der Pinkäugigen klappe vor Schreck die Kinnlade runter. „Wenn diese Feder den Boden berührt geht alles im Umkreis von 500 Metern in die Luft. Einschließlich dir, und mir. Ich bezweifele stark, dass dich deine Schattenkünste dann noch rechtzeitig in Sicherheit bringen können; Sie verfügen nur über einen festgelegten Radius in dem sie sich bewegen können, habe ich Recht?“ „Du willst dich Opfern, nur um mich zu stoppen?“, fragte Scarlet statt einer Antwort mit eiskalter Stimme. „Du tötest mich doch sowieso. Dann es ist doch keine schlechte Idee dich auf diese Reise mit zunehmen; Du bist größenwahnsinnig und würdest die ganze Welt ins Chaos stürzen!“ „Ich will die Menschen vor euch Missgeburten Beschützen! Glaubst du wirklich dass die Wissenschaftler uns Prototyp Angel nur einsetzten, um Dämonen zu jagen!? Keh! Alles Lug und Trug. Irgendwann wird ihnen die Idee kommen, dass wir auch ihre Kriege führen können. Dann müssen sie keine Soldaten mehr ausbilden, und wir schlachten stattdessen die unschuldigen Zivilisten der anderen Seite ab! Wir können es ja gut. Wir sind keine Menschen und haben keine Gefühle!“ Yukiko sah Scarlet zweifelnd an. Dann verfinsterte sich jedoch ihre Miene und sie schien über das gesagte zu grübeln. „Glaubst du wirklich?“, fragte sie nach einer Weile. Ihre Stimme klang gelangweilt, und doch konnte man deutlich die Angst und die Unsicherheit heraus hören. Alle weiteren Gedankendänge wurden unterbrochen als ein Schuss ertönte, ein dumpfer Aufprall folgte und dann noch ein Schuss. Scarlet und Yukiko drehte sich blitzschnell um, und entdeckte eine Truppe Sicherheitsmänner aus dem Gebäude kommen, die große Pistolen und andere Waffen in den Händen hielten. „Position einzunehmen!“, donnerte ein großer Mann in Uniform an der Spitze der Front und stieß einen kleinen Pfiff aus. Er wartete eine Sekunde, und brüllte dann weiter. „Waffen hoch, und Schuss!“ Augenblicklich finden die Soldaten an zu schießen und eine Wolke aus Kugeln verdeckte für einen Moment den Himmel. Die beiden Prototyp Angel beschlossen im Stillen erst mal zusammen zu arbeiten, auch wenn es ihnen womöglich nicht vielen Nützen würde; gegen Raketen und Chemie-Bomben konnten sie sich kaum verteidigen. Scarlet wehrte die einzelnen Kugeln mit ihrer schwarzen Klinge ab, und Yukiko entfachte im Hintergrund eine riesige Feuerbrust die auf ihre Gegner nieder ging, wie ein Meteoriten hagel. „Siehst du was die mit uns machen, sobald wir aufhören nach ihrer Pfeife zu tanzen!?“, schrie Scarlet gegen den Lärm der Maschinengewehre an und ließ ihren Arm wie eine Klapperschlange nach vorne schnellen. Er verwandelte sich ein zweites Mal, nahm diesmal die Form einer langen Peitschte an, und riss die Formation der Soldaten ein. „Die greifen mich doch nur an, weil ich in deiner Nähe stehe!“ „ Träum weiter!.“, rief Scarlet schallend. „Die werden dich genau so kalt machen wie mich, wenn ihnen die Gelegenheit kommt!“ Gegen Ende wurde sie immer lauter. „Wir bedeuten ihnen gar nicht, wir sind per Knopfdruck ersetzbar! Entweder töten wir sie, oder sie uns!“ „Dann wir sie!“, entschied Yukiko flott und stellte sich neben den kleineren Prototyp Angel. Mit einer schnellen Bewegung ihrer Hand beschwor sie einen mächtigen Schild herbei. „Waffenstillstand?“ „Waffenstillstand!“, flüsterte Scarlet zurück. Zapp! Zapp! Die schwarze Peitschte sauste durch die Luft wie die Waffe eines wahnsinnigen Massenmörders, und hinterließ große Löcher dort wo sie Einschlug. Schreiend wichen die Männer zurück. Wenn es etwas Schlimmeres gab, als diese Mutierten Experimente, dann war es die Tatsache das diese Engelgleichen Zombies auch noch über verdammt starke Superkräfte verfügten! Die Soldaten trugen zwar alle ihre Kampfuniformen und Schilder bei sich, aber wenn die Prototyp Angel etwas zerstören wollten, schafften sie es auch bekanntlich. „Findest du deinen Rock immer noch so schlimm?“ Yukikos Stimme klang so hoch wie der Schall von tausend Glocken. Der Humanoid Demon Lucy schaute kurz nach unten, und bemerkte das sich an ihrem Rocksaum plötzlich eine zweiten Faltenschien befand, die ihn in um ein ganzes Stück verlängerte. Ihre Augen weiteten sich kurz, doch sie ließ sich ihren Schrecken nicht anmerken. „Hast du das gemacht?“ Yukiko nickte sachte. „Jap.“ „Danke.“, meinte Lucy aufrichtig. Aber eine Frage könnte sie sich nicht Verkneifen. „Da fällt mir noch was anderes ein. Warum warst du am Wochenende beim Naturkundemuseum? Das war doch mein Auftrag.“ Die Ältere rollte die Augen, und tat so als wäre ihre Handlung selbsterklärend. „Na aus einem ganz einfachen Grund: Ich wollte ein Auge auf dich werfen. Von deinen letzten Ausflügen hast du immer schwere Verletzungen davon getragen und das ist nicht gut.“ Doch anstatt ihr Dankbarkeit zu zeigen, verdüsterten sich Lucys Gesichtszüge. „Aber du hättest dabei selber fast ins Gras gebissen! Die Wunde an deinem Kopf stammt doch von diesen Teufelsjungen, oder? Der Typ ist gefährlich für uns. Womöglich sogar noch gefährlicher als das es die Stone Face-Zwillinge es jäh sein werden. Ich habe doch mit eigenen Augen gesehen was er auf den Kasten hat. Mit dem ist nicht zu spaßen… auch wenn er bei dem letzten Kampf einen auf selbstlosen Helden gemacht hat, glaube ich nicht, dass das so bleibt.“ „Darum war ich doch auch da.“, rechtfertigte sich Yukiko brummend. „Mir kam es sofort eigenartig vor als du erzählst hast, das der Sohn Mephistos eine Luche ist. Ein Dämon wie er hält sich keine Versager. Mir war sofort klar das dieser Dylan mit gezinkten Karten spielt.“ Kapitel 18: Ein kurzer Lichtblick und dann wird alles Schwarz! -------------------------------------------------------------- Mit einer fahrigen Bewegung schnellte Dylans Kopf in die Höhe. Er spürte die Anwesenheit einer anderen Person im Raum, und eine leichte Berührung auf seiner Schulter. Fast augenblicklich aktivierte er seine telekinetischen Kräfte, um im Ernstfall sofort Handlungsfähig zu sein. Erst danach drehte er langsam und vorsichtig sein Gesicht in die gewünschte Richtung um. „Hmm?“ Doch nur ein Mitschüler aus der Klasse stand hinter ihm. „Habe ich dich erschreckt? Tut mir leid, du saßt aus, als ob du eingeschlafen wärst.“ Der Junge mit den braunen Haaren und der großen Hornbrille räusperte sich leise. „Hast du Marcel gesehen? Er ist nicht aus der Pause zurück gekommen.“ Dylan schüttelte langsam den Kopf, und musterte den anderen Schüler Neugierig; wenn er sich richtig erinnerte war dieser Junge der beste Freund seines blonden Schützlings. Doch wie hieß er noch gleich… Colin? Mit einem angespannten Seufzen fuhr sich Dylan durch seine weißen Haare, bevor er ein kleines Lächeln auf seinen sinnlichen Schmollmund zauberte. „Nein. Ich habe ihn nur heute Morgen kurz gesehen. Haben die Lehrer denn nicht nach ihn gefragt?“ „Haben sie nicht. Das ist ja grade das komische. Er hat sich wahrscheinlich in der Pause im Sekretariat abgemeldet, aber ich wüsste nicht warum er so plötzlich nach Hause gehen sollte. Marcel sah vorhin nicht krank aus, und wenn etwas wäre, hätte er es mir doch sicher gesagt, oder?“ Dylan zuckte bloß die Schultern. „Keine Ahnung. Aber wenn wir nachher Schluss haben werde ich mal bei Marcel vorbei schauen. Er wohnt ja relativ nah bei mir, da sollte es kein sonderlicher Umweg für mich sein.“ Connor nickte und sah mit dieser Antwort zufrieden aus; es wäre nicht aus zudenken gewesen was passieren würde wenn er bei den Sandjoés aufkreuzte, und Kiley oder Daimon zufällig in die Arme lief. Persönlich hatten sie ihm zwar noch nichts getan, aber ihr Ruf eilte den Zwillingen weit voraus. Und da Connor eher eine ängstliche Person war, wollte er dieses Risiko lieber nicht eingehen und ihre Geduld auf die Probe stellen. Er wusste dass die Zwillinge Marcel schlecht behandelten und bei ihm würden sie sicher keine Gnade walten lassen. Der heiße Staub der Straße flimmerte über grauen Betonboden. Lauernd hing er in der Luft, und wartete nur darauf, dass er sich in irgendeiner Lunge absetzten konnte. Selbst die Insekten schienen sich vor dem Dunst zu verkriechen, und hocken stattdessen in einem Sonnengeschützen Plätzchen. Ein Gotland war es heute brüllend heiß! Nach der sechsten Stunde verließ Dylan zügig das Klassenzimmer und lief zu der Bushaltestelle außerhalb des Schulgeländes. Er musste sich beeilen da er nicht genau wusste wann der nächste Bus fuhr, was auch nicht wunderlich war, da ihn doch normalerweise Mephisto mit dem Auto brachte. Aufgeregt knetete der Weißhaarige seine Hände. Was wollte er Marcel eigentlich sagen wenn er ihm gegenüber stand? Außerdem fürchtete er sich vor ein Zusammentreffen mit Daimon; mittlerweile konnte Dylan ganz gut nachvollziehen wieso Marcel seinen Bruder so abgrundtief hasste. Daimon war nicht einfach nur ein Rüpel, sondern gemeingefährlich! Dylan schob diesen Gedanken rasch beiseite und zog Stattdessen seinen Pullover über das Handgelenk und betrachtete nachdenklich das Stern-Muttermal auf seiner Haut; Wenn es noch mal zu Eskalation kommen sollte, würde er sofort Mephisto rufen… Er seufzte und schüttelte leicht den Kopf, um die bedrückenden Gedanken nun endgültig los zu werden. Er würde Marcel einfach einen netten Besuch abstatten und hoffen, dass sich Kiley in der Nähe aufhielt. Inzwischen war Dylan nämlich aufgefallen das Kiley sich nichts von Daimon sagen ließ, und er neben Jeremy wohl der einzige war, der auch nur annähernd wusste, wie man mit Daimon umging. Dylan beschleunigte seine Schritte und bald erreichte er die Bushaltestelle des Gymnasiums. Verwundert sah er dort sich um; Obwohl seine Armbanduhr mittlerweile den Mittag verkündigte, und alle Schüler Schluss haben sollten, schien die Bushaltestelle bis auf drei weitere Jungen vollkommen leer gefegt zu sein. Womöglich hatte Dylan durch seine ganzen Träumereien Zeit vertrödelt, und sogar den Bus verpasst… Schließlich wandte er sich an einen der Jungen die dort staden. Vorsichtig tippte er den großen, athletisch aussehenden Schüler von hinten auf die Schulter. Dieser drehte sich auch sofort neugierig um. Als er Dylan jedoch in die Augen sah, zog der Braunhaarige seine Augenbrauen in die Höhe. „Wer bist du denn?“, fragte er barsch und baute sich vor Dylan auf. „Kannst du mir sagen ob der Bus schon da war?“, fragte dieser emotionslos und ließ sich von seinen Gegenüber nicht einschüchtern. Der Schüler sah den Albino einen Moment lang unschlüssig an; anscheinend schien er es gewohnt zu sein, das andere das Weite suchten sobald er auch nur den Mund aufmachte. „Keine Ahnung. Ich bin selber grade erst hierhergekommen. Warte mal kurz, ich frage am besten mal meine Kumpels. Ich glaube, die sind schon was länger hier als ich… Hey Simon!? Weißt du ob der Bus schon da war?“ Nun drehte sich auch der zweite Junge im Bunde zu Dylan um und seine schwarze Lederjacke mit den silbernen Nieten sprangen einem sofort unangenehm ins Auge. Er war genauso groß wie sein Braunhaariger Freund und mindestens genau so muskulös wie er. Irgendetwas an ihrer Erscheinung ließ Dylan vorsichtig werden; er wusste nicht genau warum, aber auf einmal machte sich ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend breit. Nervös fuhr er sich durch seine weißen Haare, holte ein paar Mal tief Luft und ging einen Meter auf Abstand. Der Junge namens Simon musterte Dylan unverschämt lange und genehmigte sich dann einen tiefen Zug von seiner Zigarette, ehe er sich wieder an seinen Freund wendete. „Was will der Knabe von uns, Mischa?“ „Bist du Schwer von K.P? Er will wissen ob der Bus schon da war?!“ „Sorry. Keine Ahnung, ich habe nicht wirklich aufgepasst. “ „Schon okay. Dann warte ich eben noch ein Weilchen.“, murmelte Dylan nun, ignorierte die neugierigen Blicke des Jungen und zog sich zurück. Aus der sicheren Entfernung beobachtete er die beiden Jungen mit denen er gesprochen hatte noch einen Moment. Sie wirkten ein ganzes Stück älter wie er, vielleicht waren sie 17 oder sogar schon 18 Jahre alt, und ihre Körpersprache signalisierte nicht grade Aufgeschlossenheit. Hoffentlich muss ich hier nicht allzu lange sitzen, und mich mit ihrer Anwesenheit beglücken, dachte Dylan deprimiert. Ohne es zu bemerken drehte sich der Junge mit der Lederjacke plötzlich um und kam zu der Mauer, auf der Dylan nun schon seit geschlagene 5 Minuten wie eine Statue hockte. Aber anscheinend war er so in seiner Gedankenwelt versunken, dass Dylan erst reagierte als zwei Füße in sein Sichtfeld drangen. Auf einmal stand Simon vor ihm, und Dylan machte ungewollt Kontakt mit seinen Stahlgrauen Augen. Fuck… Na, ganz toll. Jetzt rutschte ihm zu allen Übeln auch noch das Herz in die Hose. Schnell löste er wieder die Verbindung ihrer Augen und starrte Stattdessen auf den Boden. Er musste sich schnell einen Plan ausdenken… Der Kerl erweckte nicht grade den Eindruck, als ob er nur ein harmloses Pläuschen suchte. „Du bist noch relativ Neu an der Schule oder?“, fragte Simon von oben herab und betrachtete denn Weißhaarigen mit wachsendem Interesse. „Naja, es geht. Ich bin nun schon etwas länger als einen Monat in der Stadt.“, antwortete Dylan achselzuckend und schaute langsam hoch. Er startete einen letzten, verzweifelten Versuch die Situation friedlich zu lösen, bevor er umschwenken und auf andere Mittel zurück greifen musste. Ein unbeschreiblicher Adrenalinkick fuhr durch Dylans Adern, und zack, in diesem Moment machte es >Klick< und schon hielt er Simons Blick gefangen. Ein verschmitztes Lächeln huschte über seine blutleeren Lippen: Wenn er von Mephisto eins gelernt hatte, dann war es die Fähigkeit andere mit seinen bloßen Augen zu fesseln. Vollkommen zu Frieden mit seinem Werk lehnte sich Dylan zurück und atmete erstmals Erleichert aus. Von nun an sollte er leichtes Spiel mit diesem Kerl haben. „Kann ich mich zu dir setzen?“, fragte Simon zurückhaltend, aber dennoch mutig. „Klar…“, kam es selbstbewusst von Dylans Seite aus. Er rückte ein Stück zur Seite und vernahm das leise Geräusch eines ehrfürchtigen Raunens. Sein Lächeln verwandelte sich augenblicklich in ein breites Grinsen. YES! Jetzt hatte er es endgültig geschafft…! Bei seinem Blick wurden selbst eingefleischte Rocker zu zahmen Kätzchen. Dylan hob den Kopf und klopfte einladend auf die freie Fläche neben seiner Schultasche. „Komm schon…“, säuselte er verführerisch und sah wie Simon vor Schreck die Kinnlade runter fiel. „Setz dich zu mir. Ich beiße dich schon nicht.“ „Ja…Ja sofort! D- Danke!“ „Gern` geschehen…“ Ein tiefer Atemzug verließ Dylans volle Lippen, als er sich wie eine Katze in der Mittagsonne rekelte und aus halb geschossenen Augen zu seinen Sitznachbar empor blickte. „Was möchtest du denn von mir, Simon?“ „Oh!“ Bei dem klang seines Namens zuckte der Junge unwillkürlich zusammen. Er spürte wie sein Herz mit solche einer Kraft, und solch einer Geschwindigkeit gegen seinen Brustkorb hämmerte dass er es nur noch für eine Frage der Zeit hielt, bis es aus seinem Mund springen und ganz schnell, ganz weit weg laufen würde. SO, hatte sich Simon sein kleines Rendezvous mit diesen Jungen nicht vorgestellt… „Ich weiß nicht genau, irgendwie… siehst du besonders aus…“ „Wirklich?“, fragte Dylan gespielt verblüfft. „Wie kannst du das beurteilen, du kennst mich doch gar nicht!?“ „Weiß ich nicht. Es ist nur so ein Gefühl.“ Der Junge wurde immer verlegener. Aber verlegen war sogar fast schon ein untertriebener Ausdruck; von Sekunde zu Sekunde wurde Simon unsicherer. Als er Dylan grade wieder in ein Gespräch verwickeln wollte, wurde er in diesem Moment von dem anfahrenden Schulbus überdröhnt. Flink sprang Dylan von der Mauer, schnappte sich im Flug seine Tasche und vollführte eine kleine Pirouette nach der er Simon schließlich ins Gesicht blickte. „Danke für das nette Gespräch.“, grinste er selbstsicher und verschwand dann in Windeseile im Bus. Simon blieb nichts anderes übrig als Dylan hinterher zu schauen. „So ein Idiot.“, brummte Dylan kopfschüttelnd und nahm auf einer freien Sitzbank Platz. „Dachte der Vogel tatsächlich, dass er mich mit solch billigen Flirtversuchen einlullen kann? Tzz! Das ist doch echt das letzte…“ Er funkelte die beiden Jungen vom Fenster aus argwöhnisch an. Mit ein bisschen Glück würde ihm diesrs Simon von nun an jeden Tag an den Fersen kleben… So was lästiges aber auch. Bei diesen ständigen Annährungen von irgendwelchen Kerlen die er gar nicht kannte, erwachte so langsam in Dylan das Gefühl, das er wie die reinste Schlampe aussah. Natürlich war er sich darüber im Klaren, dass er nicht dem gewöhnlichen Männerbild der Menschenlichenrasse entsprach, und schon alleine deswegen genügend Aufmerksamkeit ernete. Ganz im Gegenteil, er achtete und pflegte sein Geschlechtsneutrales Äußeres ja auch penibel, aber wenn ihn dadurch immer nur fremde Männer hinterher lechzend, musste er überlegen, ob das auch die richtige Entscheidung sei. Immerhin war Dylan nicht mehr Ungebunden; er hatte schon lange jemanden gefunden denn er mochte, und denn wollte er auf gar keinen Fall mit irgendwelchen belanglosen Affären verscheuchen. Dylan blinzelte kurz und verdeckte das Gesicht mit seinen Handflächen. Vor lauter Scham hatte seine Wangen Farbe bekommen. „Oh Mann.“, zischelte er leise und hielt die Luft an, damit er im Stillen bis 10 zählen konnte. 1… 2…3…4…5…6- „Machst du das Öfters Kalkfresse?!“ Perplex drehte sich der Albino nach der Stimme um… und vergas seine Finger von dem Gesicht zu nehmen, was ihm im Endeffekt aber sogar freute. Wenigstens verhinderten sie dass er vor lauter Schreck den Mund aufriss. Hinter ihm saß doch wahrhaftig… Nein! Das war viel zu Krass! Wahrscheinlich war er der erste Dämon der an einem Herzinfarkt krepierte. „Was machst du denn hier?“, rief Dylan laut und zeigte mit erhobenem Finger auf die hintere Person. Da saß Daimon Sandjoé – das Arschloch aus dem Dylan einfach nicht Schlau wurde! „Was mache ich öfters?“, schoss er zurück und fühlte sich von seinem Gegenüber sofort angegriffen. Fast augenblicklich begann seine verheilte Platzwunde wieder zu pochen und Panik schnürte ihm die Kehle zu. Oh ja, er kannte die gemeine Visage des Rothaarigen nur allzu gut… „Andere Leute mit deiner Hypno-Scheiße manipulieren?!“ Daimon reckte trotzig das Kinn und verlagerte sein Körpergewicht vom Sitz nach vorne. Im Gegenzug sprang Dylan aufgekratzt nach hinten und klammerte die Finger in seine Schultasche. Das war nicht Fair! Das war GANZ UND GARNICHT FAIR! „Du hast mich nicht bemerkt, oder?“, folgerte Daimon gelassen. „Tja, wie sollst du auch wenn du dich nur auf meine Freunde konzentrierst?“ „Das…!“ „Ja, das war wirklich Dumm von dir.“ „Was habe ich denn gemacht?!“, wehrte sich Dylan gegen den gemeinen Vorwurf. „Dein Kumpel hat mich doch so unverschämt an gebaggert! Irgendwie musste ich mich doch verteidigen!“ „Kannst du das denn nicht wie jeder andere anständige Kerl mit deinen Händen verteidigen?“, genervt verdrehte Daimon die Augen und stützte seinen Arm auf dem Fensterbrett ab. Die Wange lehnte er gegen seiner zur Faust geballten Hand und es sah so aus, als würde er angestrengt versuchen, nicht aus der Haut zu fahren. Dylan hingegen konnte nur mit Mühe und Not einen hysterischen Angstschrei unterdrücken, und spürte zu seiner Pein, das sich sein ganzer Magen auf Erbsengroßen zusammen zog. Oh Gott, wo war denn bitte der Schleuderkopf in diesem verdammten Bus?! Oder vielleicht sollte er direkt aus dem Fenster springen und hoffen, dass er den Weg zu Fuß nach Marcel fand… Allerdings erinnerte ihn Zeitgleich sein lädierter Verstand daran, dass wohl auch Daimon dahin fuhr. Die Haut unter Dylans Fingerspitzen war inzwischen kochen heiß geworden. Ganz, ganz langsam spreizte er die Finger und öffnete ein Auge, um zu Daimon herüber zu linsen. Der Rothaarige starrte ihn ohne zu blinzen an. Bei diesem intensiven Blick fuhr ein elektrischer Schlag durch Dylans Adern, und lähmte in Sekundenschnelle seinen Körper. Auch wenn Daimon sich gerne Prügelte, oder keine Probleme hatte seine Finger anderweit schmutzig zu machten, konnte doch niemand von ihm behaupten, dass er nichts um sein Äußeres gab. Nein, da war man bei ihm an der falschen Adresse; In Wahrheit war Daimon nämlich sogar sehr eitel, und sorgte dafür dass selbst seine Fingernägel immer frisch geschnitten waren, und sauber aussahen. „Mach mal die Klappe zu, es zieht fürchterlich.“, fauchte Daimon bösartig und stütze die Hände nachdenklich auf der vorderen Kopflehne ab. „Wo geht es denn hin, Kumpel? Ich habe dich noch nie in diesem Bus gesehen. Sag bloß, das die Karre deines Vaters Schrott ist?“ Aha, da ist es wieder. Da war das provokante Arschloch das in der Haut dieses armen Schönlings hauste. Dylan rieb sich über das rote Gesicht und funkelte Daimon zornig an; Jetzt, wo Daimon seinen Vater ins Spiel brachte, verwandelte sich seine Furcht wie von Zauberhand in Wut. Plötzlich lag der Geruch von Adrenalin in der Luft. „Red` nicht in diesem abfälligen Ton über meinen Vater!“ „Aha, ist das so? Also wenn der Kerl dein richtiger Vater ist, dann fresse ich aber einen Besen. Ihr seht euch aber auch zum verrecken nicht ähnlich.“ „Na und? Das könnte man von dir und Marcel auch behaupten! Selbst als Dämon müsstest du in deiner Menschlichengestalt gewisse Gemeinsamkeiten mit ihm haben, aber Fehlanzeige! Ihr seid sogar noch unterschiedlicher als die Schöne und das Biest!! Aber das auffälligste ist noch nicht mal eurer Aussehen; auch eure Charaktere sind total unterscheiden.“ „Tja.“, meinte Daimon gelassen und fuhr sich mit der Zungenspitze über seine Unterlippe. „Nicht jeder kann so geil sein, wie ich es bin.“ „Urgh! Benutze noch einmal was Wort mit >G< für deine Person, und ich kotze!“ „Komm schon Kleiner, sei nicht so schüchtern. Man sieht dir doch an, das ich dich mit meinem unverschämt, scharfen Aussehen heiß mache.“ Stöhnend legte Dylan die Hand auf seinen Bauch, und tat sah so, als müsste er sich übergeben. „Dein Ego ist echt… RIESIG.“ „Mmm-hmm. Und nicht nur mein Ego…“ „Halt bloß dein Perverses Maul! Da lass ich mich doch lieber von dir verprügeln, als auch nur noch eine Minute länger dein Geschwafel ertragen zu müssen.“ Schnalzend wischte sich Daimon eine feuerrote Strähne aus seinem Gesicht, als er die zierliche Gestalt des Jüngeren fixierte. Er grinste von einem Ohr bis zum anderen. In Sachen Dirty talk gab es kaum einen, der ihn schlagen konnte. „My. Fucking. God. Was bist du doch nur für eine jämmerliche Pussy. Gleich erzählst du mir noch, das du Jungfrau bist.“ „Ganz sicher nicht!“, knurrte Dylan wütend und biss sich auf die Innenseite seiner Wange. Alter, wenn sein Gesicht so rot war, wie es sich heiß anfühlte, na dann gute Nacht….! „Na…“, hakte Daimon Augenbrauen wackelnd nach. „Ist dein kleiner, süßer Arsch noch Einbahnstraße oder nicht mehr?!“ „Tzz, das würde du Pädo schrecklich gerne wissen, was?! Aber ich habe Stolz, und ich bin doch kein Flittchen das sich von jeden daher gelaufenen Typen Vögeln lässt!“ „Dann beantworte ich meine Frage mal mit einem >Ja<“, brummte Daimon siegessicher. „Willst du diesen Zustand ändern? Jetzt vielleicht?“ „Pfui!“, Dylan streckte ihm die Zunge raus und schüttelte seinen warmen Kopf. Er drehte Daimon den Rücken zu und kreuzte die dünnen Arme vor seiner Brust. „Boor, was werde ich diese Nacht Albträume haben. Du bist der ekelhafteste Kerl dem ich jäh begegnet bin. Und wenn ich sehe wie du dir schon die ganze Zeit über deinen Oberschenkel reibst, wird mir augenblicklich schlecht.“ Zumindest Anfangs. Aber nach längerem Hinschauen musste Dylan gestehen das sich sein Unterleib vor lauter Vorfreude zusammen zog, als er Daimons schlankes Bein und die lasziv drüber streichelnde Hand betrachtete. Hmm, wie sich Daimons Hand wohl auf seinem Oberschenkel anfühlen würde….? Tjaja… sein Laster. Dylan fand Männer eben attraktiv, und Daimon gehörte ganz klar zu der >besseren Auswahl<. „Aha aha. Wie ich sehe hast du mich also doch beobachtetet. Darf ich das als eine Zustimmung auf mein Angebot von eben betrachten?“ Mit einem wölfischen Grinsen reckte Daimon arrogant die Nase in die Höhe, und lehnte sich noch weiter über denn Vordersitz. Dylan wurde bei seinen Worten sofort verlegen und zog einen Schmollmund. „Träum weiter.“, brummte er und zwirbelte eine weiße Haarsträhne zwischen seinen zitternden Fingerkuppen. Wie lange dauerte diese Fahrt wohl noch? „ Ich hätte dich niemals so Pervers eingeschätzt.“ „Das nennst du schon Pervers? Wie niedlich… Pass mal auf, was ich noch so perverses von mir gebe, wenn ich dich diese Nacht aus deinen Alpträumen reiße und nackt über dir liege.“ „Danke für dieses wunderbare, wirklich wunderbare, Kopfkino.“ „Gern geschehen.“ Dylan stieß ein abgrundtiefes Seufzen aus. Das lief ja heute wunderbar für ihn… Jetzt schlug er sich nicht nur mit seinem Feind Nr. 1, sondern Flirtete sogar schon auf eine ungewöhnliche gewiss, sehr verstörende Art und Weise mit ihm! Im Nachhinein fühlte er sich deswegen auch noch schuldig; es kam ihm so vor, als Betröge er Marcel mit seinem eigenen Bruder! „Jetzt hör mir mal genau zu!“ Mit neu gewonnener Kraft fuhr Dylan herum und funkelte Daimon mit seinen honiggelben Katzenaugen an. „Ich gehöre nicht zu deinen unzähligen Weibern oder Kerlen die du schamlos anbaggern kannst. Ich will das nicht! Und zudem finde ich dich noch nicht mal anziehend! Also halt dein blödes Schandmaul, und such dir deinen Spaß woanders…! Bei mir kriegst du denn nicht!“ Ein grinsend schlich sich auf Daimons Miene als er noch einmal über seine Lippe leckte, und dabei sein Piercing berührte. Er konnte sich nicht helfen, aber dieser Albino gefiel ihm von Sekunde zu Sekunde immer besser. Temperamentvolle Menschen, oder in Dylans fall, Dämonen, fand er sowieso weitaus anziehender, als Schüchterne. Darum verstand er sich auch besser mit Kiley, als wie mit Marcel. Der Blonde sah zwar schon ganz süß aus, wenn er sich immer wie ein kleines Mädchen verhielt und beschämt seinen Blicken auswich, aber mit Kim konnte man deutlich mehr Spaß haben. Mit Kim konnte er sich stundenlang Zoffen und nie würde der Ältere auf die Idee kommen, klein bei zu geben. Nein, nicht unser stolze Weiberheld der Schule. Selbst wenn Daimon ihn total in die Ecke gedrängt hatte, und er im sicheren Feld lag, würde Kim sich NIEMALS freiwillig geschlagen geben! Aber Marcel… Nein, der Kleine war viel zu weich für diese grausame Welt. Zwar hatte er sich in den letzten Monaten stark verändert, aber das reichte in Daimons Augen immer noch nicht aus, um als vollwertiges Mitglied ihrer Familie anerkannt zu werden. Ohne Jeremys ständigen Beistand und Kontrolle würde Marcel doch Untergehen! Die kleine Superzicke konnte einfach nicht ohne seinen Bruder überleben, und würde auch immer an seinen Rockzipfel hängen, wenn Jeremy nicht selbst was dagegen unternahm! Kichernd stütze Daimon die Hände von der Lehne ab und drückte sich langsam hoch. Er beobachtete wie Dylan bei dieser Bewegung unruhig zuckte. Seine schönen goldenen Augen zogen sich sogar zusammen und ein kleines Fauchen wich aus seinem netten Mündchen. Wut stand dieser kleinen Kalkfresse echt gut! Plötzlich wurde Daimons Kehle staubtrocken. Oh ja, es wäre absurd zu behaupten dass diese hübsche, kleine Kalkfresse ihn kalt ließ. Nur warum bemerkte Daimon das erst jetzt, und nicht schon bei ihren ersten Treffen? Entweder stand er da total neben sich, oder er hatte Dylan gar nicht genau betrachtet! Auf jeden Fall fand Daimon das Dylan in diesem Moment echt lecker aussah. Er mochte vor allem seine Augen; sie sahen aus wie Bernsteine und in ihrem Inneren glühte ein Feuer, das erst noch gezähmt werden musste. „Ich finde es heiß, wenn meine Partner so temperamentvolle Rotzlöffel wie du sind.“, zischelte Daimon mit kratziger Stimme, und heftete seinen Blick auf Dylans Hinterkopf. Fast gleichzeitig fragte er sich, ob seine Haare wohl von Natur aus weiß waren, oder er mit Chemische mitteln nachgeholfen hatte? „Schön für dich!“, murrte Dylan. „Dann steig doch aus, und suche dir einen!“ Seine Augen funkelten entschlossen und seine Hände hielt er zu Fäusten geballt vor der Brust verschränkt. „Ist dass das Haus?“ Kim ließ sein Blick umher schweifen und schnalzte Anerkennend mit der Zunge. Sie befanden sich in Thirsks Innenstadt und standen wartend auf dem Bürgersteig. „Ja. Hier wollte sich der Vermieter mit uns Treffen. Ich bin mal gespannt ob es von innen auch so toll aussieht, wie von außen.“ Kiley und Marcel näherten sich langsamen Schrittes den hohen Mehrfamilienhaus, und schauten sich in der nahegelegenen Wohnsittlung um. Die Vorgärten wirkten sauber, von weiten sahen sie lachende Kinder über die Straße hetzen und zwei ältere Damen auf den Gehweg schoben ihre Tüten bepackten Rollatoren vor sich her. „Sieht aus wie eine Familienwohngegend.“, meinte Kim und schirmte seine Augen mit der Hand ab, als er in die Ferne blickte. „Auf den ersten Blick macht es einen positiven Eindruck. Aber hoffentlich haben wir nicht so viele Blagen die im Haus, die Lärm veranstalten.“ „Kiley!“, murmelte Marcel leicht verletzt. „Ich bin auch noch ein halbes Kind! Und, mache ich Terror?“ „Nein. Dann hätte ich dich schon lange durch den Fleischwolf gedreht, aber mit fremden Kindern wird das schon problematischer…“ Marcel stieß einen verächtlichen Laut aus. „Warum bist du wieder so mies gelaunt? Vorhin war doch noch alles in Ordnung…“ „Ich komme nicht gut mit Kindern klar.“ Daraufhin kicherte Kim kurz und gemein. „Und sie nicht mit mir! Wirklich, schon im Kindergarten habe ich mich immer vor den Anderen zurückgezogen.“ „Aha. Dann hast du ja eine tolle Kindheit gehabt, was?“ Sichtlich irritiert überflog Marcel den Zettel in seiner Hand. Er las die Regeln, Verbote und die etlichen Vorschriften, in der Form eines Internetausdrucks welches er von Kiley im Bus bekommen hatte, jedoch konnte er nur den Kopf schütteln. Die Menschen in ihrer vielleicht Wohnung legten anscheinend GROSSEN Wert auf Ordnung und Disziplin. Naja, zum Glück zog er mit Kiley zusammen, und nicht mit Daimon. Der Jüngere Zwilling hatte nämlich schon immer Probleme gehabt, sich an Regel und Vorschriften zu halten, und das würde sie hier nur in Schwierigkeiten bringen. Die Brüder betraten das Haus und ein Mann mittleren Alters stand bereits am Eingang, und winkte die beiden zu sich rüber. „Guten Tag.“, rief er enthusiastisch und grinste breit. Der Mann streckte seine rosigen Finger aus, und begrüßte Kim und Marcel per Handschlag. „Herr Sandjoé und sein Bruder nehme ich an?“ „Ja.“, nickte Kim sachte und seine Augen funkelten als der kleine, rundliche Vermieter mit der halb Glatze und den wulzigen (Lutsch)Lippen unter der Kraft seines Händedrucks leicht in sich zusammenfuhr. „Ich bin Kiley Sandjoé, und das neben mir ist mein kleiner Bruder Marcel. Schön sie kennenzulernen.“ Ohoh, dachte Marcel und biss sich leicht auf die Unterlippe. Kiley ging mal wieder in die indirekte Konfrontation, und nutzte schamlos die Kraft als Dämon aus, um seinen Gegenüber ein zu schüchtern. „Hmm-hmm.“, nickte der Mann erschrocken während er sich heimlich seine lahmen Finger rieb. „Mein Name ist Thomas Steger. Ich führe Sie dann zu der Wohnung die Sie besichtigen wollten. Sollen wir die Treppe oder den Aufzug nehmen?“ „Entscheiden Sie. Uns ist es Egal.“ „Na gut. Dann nehmen wir den Aufzug.“, beschloss Herr Steger seufzend, und wirkte mit der Entscheidung sehr zufrieden. Ganz Marcels Vermutung bestätigend bewegte er sich nicht so gerne, obwohl er und seine Überflüssigen Funde ein bisschen Sportliche Betätigung eigentlich bitter nötig hätten. Nach einem kurzen Trip mit dem Aufzug waren sie in der dritten Etage angekommen und Herr Steger fummelte in seiner Hosentasche um den Wohnungsschüssel heraus zu holen. Marcel nutzte den kurzen Moment des Wartens und ließ seinen Blick Neugierig über die Umgebung schweifen, die er und Kiley wohl bald ihr neues Zuhause nennen durften. Vorübergehend zu mindestens. Das Mehrfamilienhaus machte auch von innen einen guten Eindruck auf ihn, es wirkte zwar nicht edel, aber dafür gemütlich. Die Wände des Flures waren in Beigetönen gestrichen, und Ordentlich verputzt wurden. Auf den Türen der anderen Wohnung hingen Blumenkränzte, Willkommensschilder und hier und da entdeckte er ordentlich zusammengestellte Schuhe, und Kinderwägen. Urgh, Kinderwägen… Dann würde Kim sich wohl seiner Abneigung stellen müssen, und sich sein Reich mit Windelpupsern teilen. Aber nicht schlecht, alles im Allen hinterließ das Haus wirklich einen sehr positiven Eindruck! Dieser verstärkte sich noch mehr als Herr Stegen klickend die Wohnung aufschloss und die Brüder in das fast 100 Quadrat große Apartment führte, und Marcel im ersten Moment die Spucke weg blieb. Er hatte ja mit allem gerechnet, vor allem damit dass Kim nicht grade mit Jeremys Geld geizte, aber das hier sprengte jeden Rahmen! „Nicht schlecht…“, murmelte Kiley leise und stemmte eine Hand in die schmale Hüfte. Ja, das sah hier doch mal wirklich Nett aus. Als Kiley aus Marcels Blickfeld verschwand und sich von dem Vermieter die einzelnen Räume zeigen ließ, hatte Marcel endlich Zeit die restliche Wohnung zu begutachten. Der Gang in dem er stand führte zu einer separaten Küche auf der linken Seite, und Marcel konnte nicht anders, und musste auch sofort einen Blick in diesen Raum werfen. Hmm, jetzt fühlte er sich schon irgendwie ein bisschen nervös; Immerhin gehörte die Küche zu den wichtigsten Orten in einer Wohnung (für ihn auf jeden Fall!), aber die Neugierde überwog und deswegen fackelte Marcel auch nicht lange herum, stieß die Türe auf und… Und er fand sich in einem wunderschönen Raum wieder! „Wow.“, entfloh es Marcel und er blieb vor Erfuhrt erfüllt im Türrahmen stehen. Es war… ein Traum! Die Wände waren weiß gestrichen und auf den Fußboden lagen hellbraune Laminatplatten. Die Anrichte der großen, UNVERSCHÄMT großen, Küchenecke bestand aus einer schwarz-grauen Marmorfläche auf die wahrscheinlich ein ganzer Elefant Platz gefunden hätte. An der Wand hingen mehrere Schränke aus Eichenholz. Aber schon alleine für die Anrichte aus Marmor hätte Jeremy einen Mord begannen! Langsam und vorsichtig verließ Marcel die Küche wieder. Wenn er und Kim diese Wohnung nahm, konnten sie sich wahrscheinlich auf ein unfassbar hohes Miet-geld gefasst machen! Aber das wollte Marcel auf gar keinen Fall! Immerhin war es nicht IHR Geld, und er würde sich auch mit weniger Luxus zufrieden geben. Wieder im Flur angekommen entdeckte Marcel auf der rechten Seite eine zweite Türe, dass mit einem hellblauen WC-Schild bestückt war. Am Ende des kurzen Ganges befand sich eine Art hölzerner Bogen, welcher einen offenen Durchgang für das anliegende Zimmer, welches wohl das Wohnzimmer zu sein schien, bot. Dies betrat Marcel dann auch, und entdeckte dort Kiley und Herr Steger die sich unterhielten. „Haben Sie das Schreiben dabei, Herr Sandjoé?“, fragte Herr Steger und schaute Kim prüfend in die Augen. „Natürlich. Hier ist die Einverständniserklärung meines Bruders.“ „Danke.“, sagte Herr Steger, nahm das Papier entgegen und überflog rasch denn Brief. „Das sieht gut aus. Hmm-hmm. Wenn der Vertrag über ihren Vormund, in diesem Fall ihren Volljährigen Bruder Jeremy Alexander Sandjoé läuft, dürfte es mit der Wohnung keine Probleme geben.“ „Natürlich. Ich weiß ja dass ich mit 17 Jahren noch keinen Mietvertrag abschließen kann, und die Zustimmung und die Unterschrift meines Bruders benötige. Ich lebe schließlich nicht hinterm Mond.“, antwortete Kim und hätte der Vermieter hochgeschaut, hätte er das Grinsen bemerkt, welches Kileys blassen Mund in diesem Moment zierte. „Kiley?“, fragte Marcel mit einem strengen Unterton in der Stimme und sah zu Kim als sie die Wohnung vor ein paar Minuten verlassen hatten. „Woher hast du denn bitteschön Jeremys Einverständniserklärung, sowie seine Unterschrift?“ Das Schweigen, das während des Nachhausewegs zwischen ihnen herrschte, fand nun sein Ende. „Aus dem Internet.“, beteuerte Kiley und grinste schief. „Und die Unterschrift habe ich selbst gemacht.“ „Bist du Blöd?! Das ist Urkundenfälschung! Dafür könntest du ins Gefängnis wandern!“ „Marcel, bitte! Jetzt mach dir mal nicht gleich in die Hose! Erst meckerst du rum weil ich Autofahre und jetzt das schon wieder... Mensch, Ich weiß doch was ich tue! Ist es denn zu viel verlangt wenn ich dich bitte, mir einfach zu vertrauen? Was wollen die mir denn schon viel anhängen? Ich bin Minderjährig und vorher noch nie Auffällig geworden.“ „Ach ja, und wie soll dein späteres Leben aussehen? Meinst du, du kriegst eine Stelle als Arzt wenn du schon in deiner Jugend wegen Urkundenfälschung angeklagt wurdest? Dann wird dich doch kein Krankenhaus oder Praxis nehmen.“ Kim verdrehte die Augen und zündete sich derweilen eine Zigarette an. „Mach nicht so einen Aufstand, Kleiner. Ich lasse mich schon nicht von irgendwelchen Halsabschneidern erwischen.“ „Das will ich hoffen.“, murmelte Marcel und vergrub seine Hände in den tiefen seiner Hosentasche. Was hatte er sich da nur wieder Eingebrockt? Was hatte Kim sich nur dabei gedacht!? Wenn der Vermieter die Einstimmungserklärung mit der Unterschrift überprüfen lassen würde, wären sie Alle dran! So verantwortungslos und Risikofreudig war Kim doch eigentlich gar nicht. Woher nahm er auf einmal all dieses Selbstbewusstsein? Minutenlang versuchte Marcel sich einzureden, dass die Dinge gar nicht so schlimm standen, und dass mit Kiley alles in Ordnung war, doch seinen Verstand konnte er nicht täuschen. Das, was passiert war, hatte sich unwiderruflich in sein Gedächtnis eingebrannt. Dementsprechend motiviert schlenderte Marcel auch mit Kim zu der Bushaltestelle zurück, als der Ältere plötzlich stehen blieb. Leicht irritiert tat Marcel es ihm gleich, und schaute über seine Schulter. „Hmm, was ist los?“ „Fuck. Mir ist grade eingefallen das wir noch Einkäufen müssen.“, meinte Kiley und fuhr sich mit der Hand durch seine Pechschwarzen Haare. „Sorry, Kleiner. Hast du noch Lust oder bist du Müde vom Tag?“ Wahrheitsgemäß schüttele Marcel seinen Kopf und lächelte ein wenig. Na, so verantwortungslos wie er eben gedacht hatte, konnte Kiley doch gar nicht sein, oder? „Ich kann mehr! Meine Füße – ich sterbe!“ „…“ „Ich bin so fertig. Ich gehe NIE MEHR mit dieser Kaufsüchtigen Schlampe in die Stadt. Das war das letzte Mal, dass ich - “ „KIM!“, donnerte Daimon angefressen und warf Kiley von seinem Bett aus einen wütenden Blick zu. „Geht das vielleicht auch ein bisschen leiser? Ich höre grade Musik!“ Etwas verdutzt über diese schroffen Worte, schluckte Kiley seinen nächsten Satz, in dem er eigentlich fragen wollte, wie Daimons Schultag gelaufen war, wieder herunter. Stattdessen beobachtete er seinen kleinen Bruder dabei, wie er sich die Stöpsel seines Mp3-Players wieder in die Ohren steckte, und genervt eine Haarsträhne aus seinem Gesicht pustete. Vor einer halben Stunde war Kiley mit Marcel nachhause gekommen, und hatten halb Thirsk abgelaufen. Es war schon schwierig genug, einen gescheiten Bioladen in dieser Stadt zu finden, wo man eigentlich andere Dinge hätte tun können, wie zum bespiel die anstehenden Chemiehausaufgaben erledigen ,aber das Marcel von einem Klamottenladen in den nächsten huschte, sich mit der Verkäuferin stundenlang über Make-up unterhielt, und zu allem Überfluss auch noch überlegte sich ein Piercing schießen zulassen, schlug dem Fass natürlich den Boden aus. „Tröste mich.“, verlangte Kiley spitz und rollte sich auf den Bauch um Daimon mit den Fingern in die Seite zustechen. „Alter-mach-mal-hinne-ich-bin-seelisch-total-am-ENDE-!“ „Dann-Fick-dich-ins-Knie-!“, kam es von Daimon zurück, während er seine Augen nach wie vor auf dem Display seines Mp3-Players geheftet hielt. „Du kleine faule Mistkröte!“, zischelte Kim. Er drehte sich wieder auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter seinen Kopf um einen Blick an die weiße Tapete ihres Doppelzimmers zu werfen. Mit gesenkten Lidern schob er die Hand unter sein schwarzes Shirt und kratzte mit den Fingernägeln über seinen Bauch. Verdammt, er hatte keine Ahnung, was er machen sollte… Er wollte das ihn jemand in den Arm nahm, und sagte was er für ein toller, großer Bruder war, aber auf Daimons Erbarmen konnte er noch lange warten. In dem Doppelzimmer war es dunkel und still. Als normaler Mensch konnte man nichts hören, geschweige denn etwas sehen, und eigentlich waren dies die besten Voraussetzungen um zu schlafen, doch nicht für Kiley. Er lag hellwach auf seiner Matratze und lenkte sich ab, indem er die feinen Muster auf der Tapete zählte, oder das Klicken von Daimons Fingern beobachtete. Der Raum erinnerte vom Stil her leicht an ein Internat-zimmer: Es gab zwei Betten im Raum die an den Wänden standen und zwei Schreibtische am Kopfende. Dazu kamen noch zwei solide Schränke aus Eichenholz mit ihren Klamotten drin, und zwischen den Tischen befand sich ein großes Bogenfenster, von dem man eine erstklassige Aussicht auf den Wald hatte. Ganz toll… Mit der Inspektion ihres Zimmers hatte Kiley ganze 30 Sekunden Tod geschlagen. Impulsiv richtete er sich auf und schwang die Beine aus dem Bett. Er schlüpfte in seine schwarze Lederjacke die er vorher über dem Schreibtischstuhl geworfen hatte, und zupfte mit den Fingerspitzen seinen Pony zu recht. „Wo willst du hin?“, fragte Daimon und schaute seinem Bruder abschätzend ins Gesicht. „Keine Ahnung. Ich muss einfach raus.“ „So? Vor 10 Minuten warst du noch total erschöpft.“ An dieser Stelle verdrehte Kim die Augen. „Na und? Jetzt ist mir eben Langweilig. Und da mit dir sowieso nichts anzufangen ist, muss ich zu meinen Freunden gehen, wenn ich auf andere Gedanken kommen will.“ „Tue das…“, murmelte Daimon und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Musik. „Mach ich auch!“, schoss Kim leicht beleidigt zurück, und ging zu der Türe, als er noch einmal Daimons Stimme vernahm. Genervt drehte sich der Schwarzhaarige zu seinem Zwilling. „Was ist denn, Daimon? Ich möchte los.“ „Wie stehst du eigentlich zu diesem Albino aus Marcels Klasse, zu diesem Dylan?“ Kim ließ die Türklinke wieder los, und drehte sich nun komplett um damit er Daimon in die Giftgrünen Augen schauen konnte. Diese unvermittelte Frage brachte ihn leicht aus dem Konzept: was interessierte sich Daimon denn plötzlich für die Angelegenheiten dieses Jungen, und warum fragte er auch noch ihn? Kannte er den Knaben denn besonders? Nein. Eigentlich nicht. „Warum willst du das wissen?“, fasste Kim seine Neugierde auch sofort in Worte. Er saß wie Daimon zuckte und angespannt seine Finger knetete. „Weil ich das Gefühl habe das uns dieser Dylan Schwierigkeiten bereiten könnte. Hast du noch nicht bemerkt wie sehr er an Marcel klebt, und ihm hinterher rennt? Das ist doch kein Normales Verhalten für Jungen ihn ihren Alter… Wenn ich das richtig beurteile, dann hat Dylan ein Auge auf unseren Kleinen geschmissen, und…“, Daimon legte seinen Mp3-player zur Seite und setzte sich dann auf die Bettkante. „Und außerdem vermutet er, dass Marcel nicht unser richtiger Bruder ist. Ich habe ihn heute Mittag zufällig im Bus getroffen, und da hat er mir seinen Verdacht unter die Nase gerieben. Kiley, weißt du was das heißt? Wenn er Marcel mit seinem Gerede auf dumme Gedanken bringt, können wir die Mühen und Anstrengungen der letzten 14 Jahre vergessen! Abhacken! Finito! Nie da Gewesen! Und wenn Jeremy dahinter kommt, sind wir erst recht alle gefickt.“ Kim setzte sich neben Daimon auf die Bettkante, und schaute seinen Bruder geistesgewärtig in die Augen während dieser vorsichtig seine Hand griff und mit dem Daumen über Kims Handrücken streichelte. „Das ist nicht dein ernst.“, wisperte Kim im Flüsterton und vor lauter Schreck blieb ihm der Mund offen stehen. „Das ist nicht dein ernst?! Wie soll er denn…? Wann hat er…? Scheiße! Was will der Kerl überhaupt von uns?! Der hat doch gar keine Handfesten beweise!“ „Bist du sicher?“, fragte Daimon eiskalt und holte ein dickes, in Leder gebundenes Buch unter seinem Kopfkissen hervor. „Du hast ihn doch in Jeremys Zimmer schlafen lassen, oder? Tja, wie es aussieht hat er unsere alten Fotoalben gefunden.“ „Unsere… alten Fotoalben?“, wiederholte Kim schleppend und griff mit zittrigen Fingern nach dem Buch. Wie lange war es schon her, dass er dieses Buch das letzte Mal gesehen hatte? Sicher schon viele Jahre… Andächtig hob er den dunkelroten Deckel und schob die erste Sicherheitsfolie zur Seite. Auf dem dicken Papier befand sich ein handgezeichnetes Bild auf dem 5 Menschen zu sehen waren. 3 Kinder, und 2 Erwachse. „Das sind…?“, fragte Kim mit trockner Kehle und schaffte es nicht, egal wie sehr er sich auch bemühte, die letzten paar Wörter um seine Lippen zubringen. Seine Fingerkuppen strichen vorsichtig über das blasse Gesicht der Frau. Daimon nickte Stumm und musste ebenfalls einen gewaltigen Klos runter schlucken. Dieser Moment war sehr ergreifend und Emotional für sie. Es war seltsam nach so langer Zeit in Erinnerungen zu wühlen und es war schon eine Ewigkeit her, dass sie die Bilder von früher betrachtet hatten. Jeremy schwieg sich grundsätzlich über dieses Thema aus. Wenn ihn Daimon oder Kiley danach fragten, konnte er sogar sehr ungehalten werden. Er meinte, dass es nicht gut sei, wenn sie immer noch an der Vergangenheit festhielten und die Zukunft aus den Augen verlören. Was einzig und alleine für Jeremy zählte, war das Hier und Jetzt. Aber das paradoxe an diesem eigentlich gute gemeinten Rat war ein ganz anderer: Kim und Daimon konnten sich gar nicht mehr an ihre Eltern erinnern! Alles was sie von ihnen wussten, stamm aus Jeremys Erinnerung, und nicht aus ihrer eigenen. Manchmal wirkte es, als ob Jeremy diese Zeit sogar mit aller Kraft vergessen wollte. Aus dem Augenwinkel beobachtete Daimon wie sich Kim langsam gegen seine Schulter lehnte. „Ahh.“, stöhnte er ganz leise, so dass Daimon sofort bemerkte, dass es Kritisch um seine Seelischebalance stand. Als Reaktion legte er seine Hand auf Kims Rücken, und zog ihn feste an seine Seite. „Du brauchst nicht Traurig sein.“, murmelte Daimon mit zusammen gebissenen Zähnen. Er strich Kim zärtlich über den Arm und fühlte sich ohnmächtig, weil er nichts für ihn tun konnte. „Es ist komisch.“, flüsterte Kim und zog beinahe trotzig seine Nase hoch. „Ich erkenne Mama und Papa auf dem Foto zwar, aber ich kann mit ihren Gesichtern keine Erinnerungen verknüpften. Warum? Wir waren doch schon 7 Jahre als sie gestorben sind… Das will einfach nicht in meinen Schädel rein. Das ist doch total Unlogisch.“ „Ich weiß.“ Er blinzelte kurz auf seinen Mp3-Player. 17.10 Uhr stand in weißen Lettern auf dem kleinen Bildschirm. „Aber was sollen wir machen…? Jeremy erzählt uns sowieso nichts.“ „Das ist mir klar, Dai-Dai!“ Kim verdrehte die Augen und zog eine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche. Daimon beobachtete ihn dabei aufmerksam. „Kiley?“ „Hmm?“ „Ich meinte das letztens übrigens Ernst; Du rauchst im Moment wirklich sehr viel. Vor 2 oder 3 Monaten hast du vielleicht 10 Zigaretten in der Woche geraucht, heute Rauchst du 10 am Tag. Bist du sicher, dass mit dir alles okay ist? Wenn du irgendwelche Probleme hast, kannst mit du mir reden. Ich höre dir zu.“ Die Luft im Zimmer war plötzlich glühend heiß geworden. Kiley schoss das Blut in die Wangen. Ein warmer Schauer schlich über seine Kopfhaut und rieselte langsam über das Rückgrat nach unten. Die Wärme fühlte sich so erbarmungslos Rau an, wie ein sonniger Tag in der Wüste. Kiley erstarrte und sah das Profil seines Bruders eindringlich an. Okay, Daimon verhielt sich wirklich seltsam… Erst plauderte er munter über Dylan, dann tröstete er ihn, und jetzt schlug er sogar die gefühlsschiene ein? Das passte nicht zu Daimon! War er vielleicht Krank, oder wurde er auf den Nachhauseweg von einem Laster angefahren und Litt jetzt womöglich an einem Schädel-Hirn-Trauma? Besorgt legte Kim seine Hand auf Daimons Stirn und sah in feste in die Pupillen. Doch plötzlich, ganz unvermittelt, drängte sich eine neue Vermutung in sein Gedächtnis: Hatte Marcel Daimon vielleicht erzählt was zwischen ihnen passiert war? Nein… antwortete Kim sich selbst. Dann würde Daimon hier nicht so locker sitzen und alte Geschichten von Früher aufkochen… Sein Herz begann vor Aufregung zu pochen. Nie im Leben hätte Kim es für möglich gehalten, das sich jemals etwas zwischen ihn und Daimon drängen könnte, und nun stand ihre gute Beziehung mit einem Bein im Grab! Mit >Ihm< meinte er Daimon, seinem geliebten Bruder, mit dem er so viele Gemeinsamkeiten teilte, Interessen und Ängste. Wollte er das wirklich für Marcel aufgeben? Wobei Kiley noch nicht mal wusste, ob er den blonden Menschenjungen wirklich liebte, oder nur alleine wegen der Hitzeperiode begehrte? Was war Richtig, was war Falsch?! Aufgewühlt ließ Kim den Kopf gegen Daimons Schulter sinken. Zu viele Gedanken kreisten in seinem Kopf und die alten Erinnerungen kam wieder hoch. Jeremy verhielt sich damals ähnlich als Kim in die Pubertät kam. Nur das Jeremy seine Gefühle und Triebe Unterkontrolle hielt, und Kim zusätzlich auf Abstand ging. Viele Jahre lag dieser schwere Kampf gegen die erste Hitze nun schon zurück, und noch immer lastete diese Geschichte schwer auf seiner Seele. Kim litt noch immer wie am ersten Tag. Der Gedanke an diese Zeit brachte ihn zum Zittern. Ob er Marcel auch mit diesem wilden aber gleichzeitig hasserfüllten Blick musterte, wie Jeremy es immer getan hatte? Früher hatte sich Kim vor diesem Blick gefürchtet, aber heute sah er die Vergangenheit aus einem anderen Blickwinkel. Nie wieder wollte er Jeremy so Quälen, und diesen Schmerz in seinen Augen sehen! Kurz überlegte Kim: Er dachte an die gemeinsame Zeit mit Marcel, befragte sein Gewissen und drängte sie entschlossen in den Hintergrund. Er legte den Kopf in den Nacken und ein warmes Lächeln umspielte seinen Mund. Rasch richtete er sich auf und küsste Daimon auf die Wange. „Hey!! Was soll das!?“ Daimon drückte Kims Gesicht weg und zog eine lange Flappe. „Mach dir mal nicht ins Hemd!“, rief Kim lachend und schaute dann wieder in das Fotoalben um das Thema zu wechseln. Er wartete einen Moment und schlug neckend gegen Daimons Oberarm, dann fuhr er fort. „Alter Schwede! Mama sieht dir wirklich zum verwechseln ähnlich.“ Daimon nickte und ein funkeln schlich sich in seine Augen. „Und von wem ihr zwei die Gene geerbt habt, sieht man aber auch sofort.“ Kim grinste stumm und betrachtete nachdenklich die junge Frau und den jungen Mann. Auf dem Bild mussten ihre Eltern so zwischen 30 und 35 Jahren alt sein. Ihre Mutter besaß lange rote Haare und Hellgrüne Augen - Genau wie Daimon. Ihr Gesicht wirkte auf den ersten Blick wie das eines Kindes; klein, rund und mit vollen Lippen bestückt. Sie war definitiv eine wunderschöne Frau und ihr Mann konnte sich Glücklich schätzen, so etwas Hübsches sein Eigen zu nennen! Annabell – so hieß sie. Annabell Sandjoé. „Ein Jammer das sie so früh sterben musste.“, murmelte Kim und schaute seiner Mutter ins Gesicht. „Was würde sie wohl sagen, wenn sie wüsste dass wir heute Dämonen sind?“ „Wahrscheinlich würde sie durchdrehen bevor sie zum Reden kommt. Immerhin ist sie in einer Generation aufgewachsen in der sich die Menschen noch vor Dämonen und Geistern gefürchtet haben.“ „Stimmt. Trotzdem bin ich Neugierig.“ Daimon nickt zustimmend und rückte näher an seinen Bruder heran. Nun war ihr Vater an der Reihe. Sie wussten von Jeremy das er mit Vornamen Jack hieß. Auch wenn seine Frau so zart wie eine kleine Elfe aussah, wirkte Jack auf die Außenwelt wie ein grob geschlachtenes Ungeheuer. Er war groß, hatte kräftigen Händen und ein ernstes Gesicht. Er sah aus wie ein unberechenbarer Mensch, ein Mann mit Macht, einer, dem man selbst in der Unterwelt nichts vormachen konnte, der alle Tricks und Kniffe kannte, weil er sein Leben lang in der Finsternis hausen musste. „Ich mag ihn nicht.“, zischte Daimon plötzlich und Kiley fuhr wegen der Kälte in seiner Stimme zusammen. „Er sieht aus wie ein Mistkerl. Und das auf allen Fotos die wir hier von ihm haben. Immer wenn ich Jason in die Augen schaue, habe ich das Gefühle als sähe ich einen Jaguar an, der grade ein unschuldiges Lamm gerissen hat.“ Kim nickte und trotz der Wärme lief ihm ein Schauer über den Rücken. Er wusste woran sein Bruder grade dachte.. In seiner Erinnerung tauchte das Bild einer riesigen Gestalt auf, welches umgeben von Blut und Leichenteilen unbewegt auf den Boden hockte. Vor den Klauen der grauen Bestie lag die Gestalt eines Mannes im Dreck. Der Angriff des Stone Face ereignete sich an ein warmer Herbstnachmittag, als die Sonne hoch am Horizont stand und tiefe Schatten auf das Land warf. Schatten, die beinahe lebendig wirkten und vor denen die Tiere des Waldes ängstlich zurückwichen. Ein eisiger Wind ließ die Welt frösteln und die Menschen spürten das nahe Unheil heraufziehen im Wimmern dieses kalten Hauchs. Etwas streifte durch ihre Straßen, uralt und gefürchtet, es rüttelte an den Fensterläden und Türen der Häuser.... Schon zu Beginn der Woche wurde von den Bewohnern des Dorfes, in denen die 3 Geschwister und ihre Eltern lebten, ein gerissenes Rind unweit eines dichten Waldstückes auf gefunden. Doch nicht nur der Fundort des Tieres erschien den Menschen rätselhaft, sondern waren es viel mehr die Todesumstände, die den Fall erst richtig Sonderbar machten. Die Kehle der Kuh bestand nur noch aus einen Haufen Fetzten Sehen und Bändern. Aus einem Loch im Bauchraum waren einige Organe entrissen wurden, und das schwarz- weiße Fell wies unzählige Brandmale und knochentiefe Schnittwunden auf. Doch am seltsamsten erschien den Menschen die Tatsache, dass das Tier bis auf den letzten Tropfen Blut komplett ausgetrocknet war. Kim hörte wie eine Frau schrie, und das Monster augenblicklich in der Richtung der Geräuschquelle verschwand. Nun hatte er Zeit denn verletzten Mann am Boden näher zu betrachten und wagte sich ein paar Meter heran. Kiley rümpfte die Nase, als er durch den Nebel aus Schwefelrauch, Blut, Fleisch und Salz den Geruch des Mannes vernahm, der ihn bekannt, und auch gleichzeitig Fremd erschien. War der Kerl am Boden etwa…!? Sein Bruder Daimon stand neben ihm und griff nach seinem Arm. Die Finger des kleinen Jungens zitterten heftig und Kim drückte diese sanft mit seiner eigenen Hand. „Keine Angst, Dai-Dai.“, wisperte er leise. „Das hier ist nicht Real. Das ist nur ein Traum… Jerry hat es mir gesagt.“ „Warum sind wir denn hier?“, flüsterte Daimon angsterfüllt. „Er hat uns doch verboten aus dem Zimmer zu kommen.“ „Ich weiß. Aber du kannst deine Träume nicht kontrollieren. Sie machen mit dir was sie wollen, und du kannst nichts dagegen tun. Morgen früh wachen wir auf, und es ist nichts von allem dem geschehen.“ „Kim! Ich habe Angst! Lass uns Jeremy suchen gehen und schnell abhauen! Dieses Ding sah wirklich REAL aus!“ Leise stöhnte Daimon, der nur spärlich mit seinem Schlafanzug bekleidet war, und drückte sich die kleine Hand vor dem Mund. Dieser Eigenartige Geruch in der Luft ließ seinen Magen Purzelbäume schlagen! Unsicher linste er nach links. „Bitte Kiley.“ Er drückte die Finger des Angesprochenen um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. „Ich will hier weg.“ Kim musste seine Augen mit aller Kraft von der zerstückelten Leiche am Boden losreißen und drehte das blasse Gesicht zu Daimon. Er sah, wie der Junge am ganzen Körper zitterte und seine nackten Füße bluteten. Kim öffnete den Mund, doch was er sagen wollte, sollte niemanden interessieren. Aus der Küche drang wieder die heisere Frauenstimme, und diesmal auch der Schrei einer weiteren Person. Die Köpfe der Kinder schnellten in die Höhe. DIESEN Schrei kannten sie! Ohne einen weiteren Gedanken an das Monster, oder an die Leiche am Boden zu verschwenden rannten Kiley und Daimon los. Ihre Füße rutschten auf den nassen Steinen weg, und Daimon holte sich noch mehr Schnitte, als er in die Scherben einer zerbrochenen Blumenvase trat. In der Küche angekommen entdeckten sie ihre Mutter und Jeremy, der sich schützend, mit erhobenen Armen vor der mageren Frau positioniert hatte. In einer Hand hielt er ein glänzendes Messer und richtete es auf die graue Steinbestie, die den Jungen mit glühenden Augen betrachtete. Das alte Monster erkannte sofort dass Jeremy es gewohnt war zu kämpfen. Zwar besaß sein Körper nicht viele Muskeln, seine Bewegungen waren etwas abgestumpft, aber immerhin sah man, dass er mal geschmeidig wie eine Katze gewesen sein musste. Es öffnete sein Maul und ließ ein mächtiges knurren verlauten. „Verschwinde du Ungeheuer, oder ich ramme dir dieses Messer in die Brust.“, zischte Jeremy todesmutig für einen schmächtigen 12-Jährigen Jungen der nicht mal ansatzweise ahnte, welchem Unheil er gegenüberstand. Dass Stone Face war im ersten Moment gebannt von dem Auftreten des kleinen Menschen. Er musterte den Jungen ein zweites Mal; Sein langes zu einem Zopf gebundenes, schwarzes Haar umrahmte ein blasses Gesicht mit sehr feinen, wenn auch eindeutig maskulinen Zügen. Er besaß zwei hellbraune, mit einem Stich von Golden, leuchtenden Augen, welche von dichten Wimpern besetzten Lidern geziert wurden. Dann kicherte das Drachenmonster düster. „Was willst du mit deinem Streichholz schon erreichen?“, fragte dass Stone Face und machte einen Schritt nach vorne. Er bewegte seine Hand, und Jeremy sah, dass dessen einzelne Finger mit langen Krallen ausgestattet waren, die sein Küchenmesser in ein erbärmliches Licht rückten. Doch Jeremy ließ sich nicht entmutigen. Tapfer blieb er stehen und hielt die Waffe fest umschlungen. Selbst wenn er fliehen wollte, würde er es wohl kaum mit den Zwillingen und seiner verletzten Mutter schaffen - von seinem momentanen körperlichen Zustand mal ganz abgesehen. „Ich meine es ernst.“, knurrte Jeremy bebend vor Angst und Zorn. „Wenn du noch einen Schritt weiter gehest, erlebst du dein Blaues Wunder…!“ Ehe der Junge noch mehr aufbrausen konnte, stieß ihn das Stone Face mit einer lässigen Handbewegung zu Boden und das Messer rutschte Jeremy aus der Hand. „Nein!“, keuchte er und drehte sich auf den Bauch um den Holzgriff noch zu fassen, doch ein glühender Feuerstrahl machte seinen Plan zu Nichte. „Jeremy!“ Hinter seinen Rücken hörte Jeremy ein alarmierendes Wimmern. Vorsichtig blickte er über die Schulter, und seine Miene erstarrte im selben Augenblick. Kiley und Daimon kauerten wie ein Häufchen Elend vor der Türe! Unruhig warf er sich auf den Rücken, riss schweißgebadet die Augen auf und sprang auf die Beine zurück. Das Stone Face ließ seinen Blick wieder zu Jeremy wandern. Er bemerkte sofort dass sich der Menschenjunge verändert hatte, und nun lodernder Zorn in ihm brannte. „Was hast du denn?“, fragte der Dämon grinsend. „Bist du sauer das ich dein Messerchen geschmolzen habe?“ Doch der Angesprochene interessierte sich nicht mehr für das Ungeheuer. Er beobachtete lieber seine Geschwister die ihn mit leicht abwesend wirkenden Augen ansahen, und dessen Gesichter einer Kalkleiste Konkurrenz machen konnten. Ohne einen Ton von sich zu geben, versuchte er Daimon und Kiley per Telepathie zu erreichen. Lauft weg! Verschwindet! Bringt euch in Sicherheit! Ein leises Knurren entwich seiner Kehle, als die Zwillinge nicht verstanden worauf er hinaus wollte. So blieb ihm nichts anderes übrig als das Monster abzulenken und zu hoffen, dass es seine Geschwister nicht bemerkte, bevor ihnen die Idee kam das Weite zu suchen. Mit den Fingern tastete Jeremy den Boden nach einer möglichen Waffe ab, und berührte plötzlich die kalte Haut einer menschlichen Hand. „Jeremy…“, hauchte Annabell ihrem Sohn ins Ohr, und drückte ihren blutigen Mund an seine Schläfe. Sie öffnete die Lippen ein winziges Stück, und Jeremy sah dass die rote Flüssigkeit nun auch ihren Mundraum ausfüllte. Ängstlich ließ er den Blick weiter runter wandern, über den bebenden Oberkörper seiner Mutter, zwischen den leicht gespreizten Händen hindurch und schließlich über das riesige Loch in ihren Bauch, das nur noch von Aschefahlen Fingern verdeckt wurde. „Ich halte nicht mehr lange durch.“, sagte Annabell und krümmte sich leicht zusammen. „Du musst dir die Kleinen schnappen und verschwinden. Ich kümmere mich um dieses Ungeheuer…!“ „Nein!“ Panisch schüttelte Jeremy den Kopf. „Ich lasse dich nicht alleine zurück! Wie soll ich das denn ohne dich schaffen?!“ „Du wirst schon einen Weg finden!“, wiedersprach ihm seine Mutter heftig und benetzte den Boden mit ein paar roten Spritzern. „Ich werde bald meinen Verletzungen erliegen, und wäre euch dreien auf der Flucht nur eine Last.“ Annabell legte die Hand auf Jeremys Wange. „ Vielleicht kann ich mit dieser Tat meine Sünden begleichen. Vertraue deiner Mama wenigstens dieses eine Mal. Ich werde euch nicht schon wieder im Stich lassen.“ Damit stand die Frau auf, stieß Jeremy zur Seite und zog aus ihrer Kleidertasche einen weißen Dolch hervor. Sie musterte die helle Klinge aus dem Augenwinkel, fuhr zärtlich über die silberne Gravur am Griff und las denn Namen der Waffe. Daraufhin schaute dass Stone Face abschätzend zu Annabell und riss den Mund auf, als er denn Dolch in ihrer Hand entdeckte. Die Gedanken die ihm durch den Kopf gingen, verflogen fast so schnell wie sie ihm gekommen waren. Dieser Dolch…! „Wie kommt ein Weib an diese seltene Klinge?“, fragte der Dämon fauchend. „Das ist Eigentum von Dämonen! Ein Mensch wie du bist ihrer nicht würdig, und hast sie sicher nicht per Zufall gefunden!“ „Behauptest du etwa dass meine Mutter ihn gestohlen hat!?“, verteidigte Jeremy Annabell und stand zugleich an ihrer Seite. Doch dort stand er nicht lange. Sofort packte ihn seine Mutter am Arm, schaute ihn eindringlich an, und zischte, dass er endlich verschwinden sollte. „Aber..!“, knurrte Jeremy aufgebracht, aber er verstummte sofort da Annabell ihren Griff verstärkte und er das Gesicht vor Schmerz verzog. „Kein Aber Jeremy! Schnapp dir die Zwillinge und hau endlich ab!“, keifte sie. Die junge Frau zog ihre Augenbrauen zusammen und musterte ihren Sohn prüfend, beinahe schon kalt. Da waren keine Gefühle in ihrem ebenmäßig blassen Gesicht zusehen, keine Regung zierte die steifen Züge, dennoch, kannte Jeremy seine Mutter gut genug, um ihre Schwachstelle zu erkennen. Ihre Augen. In ihren Augen sah er schließlich ein schnelles Aufblitzen und dieses kurze leuchten bestätigte ihm, dass sie Angst hatte. Angst um ihn, Daimon und Kiley. Jeremy verstörte dieser Anblick. Er war in einer Welt aufgewachsen in der es keine Gefühle gab. Seine Eltern hatten ihn selten in die Arme genommen oder ein tröstliches Wort zu ihm gesprochen, wenn er traurig war. Alle die Dinge die Kinder normalerweise von ihren Eltern erhielten, wie Wärme, Geborgenheit, Liebe und Vertrauen, waren ein Fremdwort für ihn, und wurden durch materielle Dinge wie Geld und Luxus ersetzt. Jeremy nickte Wortlos. Seine Augen fixierten das Gesicht seiner Mutter und er schluckte trocken. Irgendwie sagte ihm sein Bauchgefühl das dass das letzte mal war, das er sie Leben sehen würde. Einen Moment durchbohrte Annabell ihren Sohn mit einem berechnenden Blick, sie erkannte an Jeremys Augen das er ihr nun gehorchen würde, dann sackten ihre Schultern herab und zum ersten Mal zeigte sie so etwas wie Trauer in ihrer Miene. „Viel Glück Jeremy... Sag denn Kleinen das ich sie Lieb habe und versuch am Leben zu bleiben.“ Zum Wiederholten Mal nickte Jeremy stumm. Kurz umfasste er Annabells Hand und drückte sie leicht mit den Fingern. „Ich werde auf sie aufpassen.“, murmelte er und senkte dann den Blick zu Boden. Seine Fingernägel bohrten sich in Annabells Haut, doch die Frau zuckte nicht mal mit einer Wimper. „ Ich werde sie mit allem Beschützen was ich habe!“ Mehrere Sekunden standen sie einfach nur da und schauten sich in die Augen. Schließlich ging Annabell einen kleinen Schritt zurück, wobei ein kleines Lächeln ihren blassen Mund zierte. Jeremy biss sich bei dieser Geste auf die Unterlippe und sein Mundwickel zuckte gefährlich. „Nicht weinen.“, mahnte Annabell doch auch ihre Augen sahen glasig aus. „Du darfst vor Kiley und Daimon keine Schwäche zeigen. Sie sollen zu dir empor blicken und aus deiner Zuversicht Kraft schöpfen. Du musst unbedingt Stark bleiben und ihnen das Bild einer heilen Welt vermitteln.“ „J-Ja!“, krächzte Jeremy mit zittriger Stimme und konnte es nicht verhindern, das sich doch die eine oder andere Träne aus seinem Augenwinkel stahl. Noch bevor er die Anweisung seiner Mutter befolgte und sich umdrehen konnte, spürte er bereits zwei Hände auf seiner Schulter, die ihn hart nach hinten stießen. Mit einem überraschten Schrei fiel Jeremy rücklings auf den Boden und landete hart auf seiner Hinterseite. „ Du kannst mein Leben gerne haben.“, hörte er plötzlich eine wütende Stimme knurren. „Aber das meiner Kinder wirst du nicht kriegen!“ Damit stürzte sich Annabell Messerschwingend nach vorne, und zielte auf die Kehle der Urzeitbestie. Diese zeigte sich davon jedoch wenig beeindruckt. Flink wich es nach hinten, ohne dabei ein Anzeichen von Angst zu zeigen, und fing mit seinen Klauen beide von Annabells schlanken Handgelenken ab. „Lass denn Unsinn, Schätzchen. Du kannst machen was du willst, aber ich werde dich und deine Kinder trotzdem fressen.“, zischte es leise und bohrte seine Nägel in die Haut der jungen Frau. Wuterfüllt verzog Annabell das Gesicht. In ihrer Lunge herrschte Sauerstoffmangel, die Luft schmeckte schal und verbraucht. Aus ihren Mundwinkel tropfte Blut, und floss in kleinen Rinnsalen über das Kien. Doch den Schmerz ihres Körpers nahm Annabell kaum war, ihr ganzer Verstand konzentrierte sich nur noch auf die Rettung ihrer 3 Söhne. Dieses Monster würde die Jungen nicht fressen. Sie müssten sie beschützen! Koste was es wolle. Annabell ließ sich auf die Knie sacken und das Monster holte zum entscheidenden Schlag aus, aber in diesen Moment gab es dummerweise eine ihrer Handgelenke frei und dies war ihre Chance! Die Frau stieß sich vom Boden ab, huschte unter den erhobenen Arm des Stone Faces hindurch und rammte ihm den silbernen Dolch zwischen die Rippen. „Du Schlampe!“ schrie der Dämon außer sich vor Zorn. Er richtete sich auf, packte Annabells Haare und wickelte sich ein paar dicke Strähnen um sein Handgelenk. Als die Frau anging zu schreien, rammte er ihr das Knie in den Magen und bevor sie zusammensackte, schlug er seine Klauen in ihr Gesicht. „Mama!?“, stieß Jeremy hervor. Panik blitzte in seinen hellbraunen Augen auf. „Lass sie sofort los!!“ In zwei Schritten war er bei seiner Mutter und dem Stone Face angelangt. Etwas glühendheißes bäumte sich in die Jungen auf und es wollte um jeden Preis herausgelassen werden. Er drehte den Kopf in die Richtung seiner Mutter, und erstarrte zur Salzsäule; Der jungen Frau rannten mittlerweile Tränen über die Wangen und ihr halbtoter Körper baumelte wenige Zentimeter über der Erde, während das Stone Face sie leicht hin und her schüttelte. „Na na. Wie es aussieht ist die alte Schreckschraube endlich abgekratzt.“, murmelte es bösartig und schaute aus dem Augenwinkel zu Jeremy rüber. „So. Und jetzt bist du an der Reihe.“ Ein eiskalter Windhauch blies ein paar Strähnen seines schwarzen Haares in Jeremys Gesicht. Gedankenverloren wischte er sie beiseite und zog sich zu der Wand zurück. „Du lügst.“, flüsterte er tonlos. „Sie ist nicht Tod. Sie kann nicht Tod sein!“ Dieses Monster verarschte ihn nur: Seine Mutter brauchte nur einen winzigen Augenblick um sich zu erholen. Danach würde sie weiter Kämpfen und ihn und die Zwillinge vor diesem Ding retten. Sie musste. Sie musste einfach! Es lag den Müttern in der Gene ihre Kinder zu beschützen! Nur gedämpft drangen die Geräusche seiner wimmerden Geschwister zu Jeremy hin durch, denn momentan war er mit den Gedanken ganz woanders. Sein Herz schlug laut gegen seinen Brustkorb, aber der Junge rief sich innerlich selbst zur Ruhe. Gleich würde ihre Mutter aufstehen... Gleich in ein paar Sekunden würde es soweit sein. Plötzlich streckte sich eine große Hand nach Jeremys Gesicht aus, und berührte hauchzart seinen leicht geöffneten Mund. „Was ist denn los Kleiner?“, fragte der Dämon knurrend und fixierte sein Opfer mit lodernden Augen. „Warum redest du nicht mehr mit mir? Habe ich dir jetzt etwas Angst gemacht?“ „Nimm deine Griffel da weg.“, hörte Jeremy sich selbst flüstern. Seine Stimme klang kalt und herablassend, während er zur Verdeutlichung in einer überlegenen Geste das Kinn hob. Kurz schaute er nach links, zu der zweiten Hand der Bestie die seine Mutter festhielt. Warum griff sie nicht ein? Wenn das unheilvolle Wesen die Krallenhand um seinen Hals legen würde, wäre das Ende für ihn gekommen... Die Menschen im Dorf bezeichneten Jeremy oft als guten und zuverlässigen Jungen, sie lobten stets seine Geduld und Mühen, die er aufbrachte, wenn er ihren Kindern Mittags nach der Schule beim Lernen half. Doch ihm selber schien, als seien all diese Freundlichkeiten der Leute bloß eine Fassade, hinter der sich nur Neid und Missgunst verbarg. Im inneren sahen sie doch alle gleich aus! Nur wenige Mensch hatten je sein Herz berührt, und das waren seine zwei Geschwister Kiley und Daimon. Sie hatten ihm noch nie im Stich gelassen. Sie schwiegen nicht, schauten zur Seite oder betreten auf den Boden wenn Vater ihn mal bis auf äußerste verprügelte. Die einzigen Menschen in diesem Scheinheiligen Dorf, sie sich mutig auf Jeremys Seite gestellt und für die Rettung eines kostbaren Lebens gekämpft hätten, waren zwei kleine Jungen, die gerade mal sieben Sommer zählten. Diese kleinen Jungen hockten nun weinend auf dem Boden und würden bald Sterben. Jeremys Magen zog sich zusammen; Kiley und Daimon wollte er auf jeden Fall retten. In diesen Moment bemerkte er, das er seine Hand zum Schlag erhoben hatten. Doch würde ihm das überhaupt etwas bringen? Als seine Mutter vorhin das Stone Face mit einen schweren Kochtopf bewarf, blieb das Wesen einfach in der Schussbahn stehen, und der Gegenstand prallte wirkungslos von seinem Körper ab. Wie hoch standen die Chancen das Jeremys Hand bei einem Hieb brechen würde? Egal, dachte er verzweifelt, etwas anderes bleibt mir nicht übrig. Der Adrenalinpegel in seinem Blut stieg und er spürte zwei Augenpaare im Rücken, die sich bis in sein Herz bohrten. Seine Kleinen... sie warteten auf ihn und schenkten Jeremy ihr vollstes Vertrauen. Die Angst, die noch vor wenigen Sekunden in der Luft lag, verpuffte wie eine Seifenblase und plötzlich kippte die Atmosphäre im Raum. Jeremy entspannte sich. Unbeeindruckt fixierten seine hellbraunen Augen das schmitze Gesicht unter den grauen Haaren der Drachenbeastie, während von seinen Lippen der ängstliche Ausdruck wich und er schließlich die Mundwinkel in die Höhe zog. Das Stone Face runzelte bei dieser Reaktion die Stirn. Vielleicht war >Lächeln<, der falsche Ausdruck um dieses Ereignis zu beschreiben. Jeremy grinste und strahlte dabei wie die Sonne selbst. Dennoch verursachten dem Dämon dieses Grinsen einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Mit einem wütenden knurren packte er den Menschenjungen am Kragen seines Hemdes. Die Augen des Ungeheuers verengten sich zu Schlitzen und er fletschte die Zähne, um so seine potenzial tödlichen Fänge zu entblößen. „Du freches Balg! Ich werde dich genau so abschlachten wie deine Alte...!“ „So So! Du hältst dich also für Unbesiegbar?“, kam es harsch von Jeremy und seine Stimme triefte vor Abscheu. „Dann will ich dir mal zeigen, was Schmerzen sind!! DA!“ Flink, und mit der Prätention eines Adlers, stieß er seinen Arm nach vorne und keuchte erschrocken auf, als seine Faust denn Kiefer des Stone Face rammte. Ein widerliche Knacken erfüllte plötzlich den stillen Raum - Dann ertönte der Klagelaut eines Kindes. Von dem Schlag kicherte der Dämon bloß knurrend, ließ seinen Gefangenen vor Überraschung jedoch auf den Boden fallen. „Was Schmerzen sind, sehe ich grade.“, flüsterte das Stone Face mit gefährlich ruhiger Stimme von Oben herab. Kurz rieb es sich mit den Handrücken über sein Kinn. „Na, hast du jämmerliches Kind dir die Knochen gebrochen, oder wieso heulst du plötzlich...?“ Jeremy, der auf den Knien saß, umschlang krampfhaft sein Handgelenk. Alleine der Satz des Monsters reichte aus um seinen Körper in Flammen zu tauchen. Dank seiner unüberlegten Handlung hatte er nun einen einschneidenden Nachteil, nämlich einen gebrochenen Handknochen! Klar, die Idee dem grinsenden Steinhaufen einmal ordentlich auf sein Maul zu hauen, war in Jeremys Situation eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung gewesen, doch wenn er sich damit nur selbst Verletzte, eine nicht sehr kluge. Aber wieso sollte er jetzt jammern? Den Schlag konnte man sowieso nicht mehr rückgängig machen. Als Jeremy denn ersten Schock verarbeitet hatte, beugte sich das Stone Face grinsen über ihn. Erschrocken riss er seine braunen Augen auf, doch bevor Jeremy reagieren konnte, vergrub sich bereits eine Klauenhand in seine schwarzen Haaren und zwangen ihn so, den Kopf in den Nacken zu legen. Der Geruch von geronnen Blut und rohem Fleisch schlug ihm entgegen. Der Junge bekam das Gefühlt, als müsste er sich jeden Moment übergeben und ein Schwindelattacke überwältigte ihn. „Halt Still wenn ich dir die Kehle aufschlitze.“, befahl das Stone Face grob und schnüffelte an der weichen Haut seines Opfers. Hmm, dieser Junge roch sogar noch appetitlicher wie sein Vater... „Den Teufel werde ich tun!“ Ein Unkontrolliertes Zucken erschütterte Jeremys geschwächten Körper und er wollte zurück weichen, weg von dem schaurigen Drachenwesen und seinen langen Zähnen, doch er konnte sich keinen Zentimeter vom Fleck bewegen. Angst. Pure Angst jagte durch seine Venen. Das konnte doch nicht wahr sein. Es durfte einfach nicht wahr sein. Aber die Tatsachen ließ keinen Wiederspruch zu. Jetzt stand er dem Abgrund endgültig gegenüber; das Stone Face würde ihn hier und jetzt auffressen. Und die Zwillinge? Die würde sich dieses Biest als nächstes Schnappen! Nein! Trotzig sah Jeremy auf und sein Blick schien pures Gift zu versprühen; Annabell und Jack hatte das Monster schon getötet, aber Kiley und Daimon würden nicht sterben! Jeremy wich gerade noch der runter schnellenden Faust aus, die wieder zuschlagen wollte, und formte mit seiner heilen Hand einen Unterarm Block. Reflexe hatte er dank seinem Vater genüge. Er überlegte schon, ob er dem Dämon für das Leben der Zwillinge seinen eigenen Körper Kampflos anbieten sollte, da bemerkte Jeremy plötzlich ein schwaches Funkeln aus dem Augenwinkel... Das Stone Face fauchte drohend. Auch die Dunkelheit der Nacht konnte das Bild der Wut in seinem Gesicht nicht dämpfen. Seine Topasfarbenden Augen, mit diesem ungewöhnlichen rötlichen Schimmer, blickten Jeremy voller Hass an. Die kühle Herbstluft, der nur leicht durch eine zerbrochene Fensterscheibe zog, trugen zu der kalten Atmosphäre im Raum bei. Immer noch verängstig, aber schon etwas Optimistischer, murmelte Jeremy: „Ich habe immer noch ein Ass im Ärmel, du wandelnder Fleischsack...“, seine Schultern hoben sich und die Muskulatur im Rücken stand unter Spannung. „Für mich gibt es immer noch jemand denn ich beschützen muss. Und diese Aufgabe gibt mit Kraft!“ Perplex über diese merkwürdige Ansprache blinzelte das Stone Face, dann schloss er die Augen und antwortete Schulter zuckend: „Keine Angst, Kleiner. Ich lasse dich schon nicht alleine. Deine Geschwister werden dir in meinem Magen schon bald Gesellschaft leisten...“ Es dauerte nur wenige Sekunde bis Jeremy die Tragweite dieser Wörter bewusst wurde. Nach einer gefühlten Ewigkeit atmete er ein paar Mal um Fassung ringend aus, hob die Arme und sein Gesicht schien unglaublich entschlossen, dass komplette Gegenteil von zuvor, als habe er nun endlich seine Maske abgenommen. Die sonst so warmen Augen wirkten kalt und tödlich. Das war der Satz der Jeremys komplettes Herz in Fetzen riss. Bevor das Stone Face die nächste abfällige Bemerkung machen konnte, erschien seitlich von ihm ein silberner Lichtschweif, doch als es sein Gesicht zur Seite drehte, schoss schon ein scharfer Schmerz durch seine Glieder. Aus Wut und Verzweiflung hatte Jeremy dem Monster denn Dolch seiner Mutter in den Hals gerammt. Das Stone Face jaulte vor Schmerz auf - sein Blick sank zu Jeremy und der Schmerz verschwand, machte jetzt wieder dem Ausdruck der Wut Platz. Ohne zu überlegen öffnete es sein Maul, seine Säbelartigen zähne funkelten dabei im Licht wie Klingen, und bohrte sie kräftig dem ausgestreckten Arm des kleinen Menschenjungen... „Kimi? Noch anwesend?“ Daimon tätschelte die Wange seines Bruders und legte die weiße Stirn in Falten. Oh weh. Er fand Kims verträumten Blick ja wirklich niedlich, aber dafür hasste er es umso mehr als plötzlich wieder Leben in seine Augen einkehrte, und auch die Zicke denn Weg ins Diesseits zurück fand. „Was?“, fauchte Kim wie erwartet und schlug die fremde Hand weg. „Mir geht es gut, ja?! Du brauchst mich nicht so verstört anzusehen!“ „Ja ja, ich hab es schon kapiert Schätzchen! Aber schraub mal dein Sprechorgan ein paar Dezibel runter. Mir platzen ja gleich die Gehörgänge bei deiner Lautstärke.“ Kiley lachte humorlos und drehte den Kopf in Daimons Richtung. Dann streckte er kurz die Zunge raus. „Wenn du willst dass ich dir auf die Füße Kotze, benutz noch weitere Kosename für mich. Kann es sein das du heute sehr Emotional bei der Sache bist? Brauchst du mal wieder einen One-Night-Stand, oder vermisst du Hikari so sehr?“ „Ach halt die Klappe!“, zischte Daimon schneiden und langte nach seinem Bruder, doch bevor seine Hand ihn erreicht hatte, war Kim flink von der Bettkante gesprungen. „Wie niedlich.“, spottente der Ältere scharf. „Bilde ich mir das nur ein und magst du das Zuckerwatten-Mädchen wirklich so sehr?“ „Nein man, sie ist nur eine Freundin. Eine X-beliebige und nicht mehr!“ „Aha. Das das du sie schon als >Freundin< bezeichnest ist Beweis genug, für deine Verhältnisse!“ Oh nein, das nennt man wohl Volle Kanne erwischt! Daimon kratzte sich unangenehm berührt am Nacken. Es passte ihm gar nicht das Kim so dachte, doch er wollte ehrlich bleiben. „Ja... Ja man! Ist ja schon gut, du hast wie immer Recht. Ich mag sie. Ich kann Roxanne wirklich gut leiden, aber selbst wenn ich mich in sie verlieben sollte, würde das nie was ernstes zwischen uns werden! Sie ist und bleibt ein Mensch, und die Gefahr das ich sie früher oder später verletzte ist einfach zu groß! Das ist die reinste Katastrophe.“ Daraufhin konnte Kim nur nickte. Das war es wirklich... „Tut mir leid Daimon. Ich wollte nicht in einer Wunde bohren...“ Betroffen tätschelte er die Wange des Rotschopfes und schenkte ihm ein ehrliches Lächeln. Umso erstaunter war er, als Daimon die Hand plötzlich über seine Finge legte, und diese kurz an sein Gesicht drückte. „Scheiße, das ist gruselig wenn du so freundlich bist. Aber egal... da draußen laufen gibt es sicher auch nette Dämonenfrauen mit denen ich was anfangen kann. Also mach dir keine Sorgen um mich, Bro. “, murmelte Daimon und sah verständnislos zu Kim, der ihm bedeutete ruhig zu bleiben, doch er ignorierte ihn. „Wirklich Kim. Ich schaffe das schon. Du sieht mal wieder Probleme, wo es gar keine gibt.“ Entrüstet presste Kiley die Lippen auf einander. „Wenn du meinst. Aber wenn du es dir nochmal anders überlegen solltest, weißt du, das ich ich auf deiner Seite und dich unterstütze.“ „Ja du elender Süßholzraspler! Wolltest du nicht in die Stadt gehen? Ich glaube das mir von dem ganze Geschmalze so langsam schlecht wird. “ Kileys Mund öffnete sich zu Widerworten, doch bevor er zu einem Kontra ansetzten konnte, wurde er von Daimon unterbrochen indem ihm dieser die flache Hand auf den Mund drückte. „Nein Man. Du Zicke musst nicht immer das letzte Wort haben! Jetzt schnapp` dir endlich deine Jacke und zieh ab oder ich versohle dir deinen Hintern!“ In Kims schönen Augen lag ein unheilbringendes Funkeln ehe auf die Finger seines Bruders runter schielte, und spielerisch mit der Zunge gegen die warme Haut schlug. Er war es gewohnt, das er den Dominaten Part beim >An schwulen< spielte, weswegen er sich schon ein wenig überfordert fühlte, wenn die Rollen auf einmal getauscht wurden. Aber die passive Rolle gefiel dem Herzensbrecher auch ganz gut. Er mochte es, wenn Daimon ihm gegenüber seine herrische Seite offenbarte... „Tu mir keinen Zwang an.“, brummte Kiley mit einigen Schwierigkeiten. „Du weißt doch das ich total auf diese BSM-Spielchen stehe und vor allem darauf, wenn du das machst!“ „BÄH! Du fieses Ding...!“, rief Daimon schallend, aber sein Daumen strich hauchzart über Kims Wange während er meckerte. „Du bist der Hetero von uns, also schraub deine perversen Witze mal einen Gang zurück. Wenn jemand von der Schule hört wie du privat so tickst, bist du deinen Posten als >Dunkelhaariger-Edward CullenGegenmaßnahmen.> Du kannst meinet wegen auch Daimon und Kiley mitnehmen. Mit jäh mehr Leuten wir da aufkreuzen, desto Glaubwürdiger erscheinen wir! :`-D Dylan Ohne sich dessen Bewusst zu sein, begann Marcel von einem Ohr zum anderen zu grinsen. Er würde einen ganzen Tag mit Dylan, Mephisto, Kiley und Daimon im Wellnesscenter verbringen, und Stundenlang Zeit haben ihre attraktiven Körper zu begutachten? … Fuck Yeah! Natürlich wollte er mit! Um seine roten Wangen zu verbergen bedeckte Marcel sein Gesicht mit den Händen. Wow, Wow, Wow~ Ganz ruhig Herr Testosteron! Das war zu viel des guten! Ehrlich! Das war besser als jeder Gottverdammte Lottogewinn. Ein Lottogewinn war sogar fast schon Untertrieben… er würde mit den Vieren den glücklichsten Nachmittag seines Lebens verbringen. Inzwischen zweifelte Marcel auch gar nicht mehr seine Homosexualität an; Nicht nur weil er zuletzt auf der Geburtstagsparty Fees Lolitakleid getragen hatte, sondern auch weil sein Puls bei den Gedanken an Morgen Purzelbäume schlug. Er schloss die Augen, während sich sein Brustkorb vor lauter Adrenalin schnell hob und wieder senkte, Kopfschüttelnd versuchte er das dämliche Grinsen aus seinem Gesicht zu vertreiben. Hüftenschwingend sprang Marcel auf den Flur und klopfte kräftig gegen die nächste Zimmertüre. „Daimon!“, rief er aufgebracht und freute sich schon jetzt auf seinen verdutzen Gesichtsausdruck. „Wenn du mir nicht aufmachst komme ich so rein…“ „…“ „… Okay, dann interpretiere ich dein Schweigen mal als >Ja<.“ Lächeln verdrehte Marcel die Augen und öffnete die Türe, ehe er seinen Bruder auf den Bett liegend erblickte. Ins Daimons mit unzähligen Ringen gepiercten Ohren steckten die schwarzen Stöpsel seines Mp3-Players. „Ha!“, rief Marcel leise und schlich auf Zehenspitzen über den Laminatboden. Er verzog die Lippen zu einen gemeinen feixen und bohrte seine Zeige- und Mittelfinger erbarmungslos in Daimons Seite. Sofort saß dieser Kerzengrade im Bett und ballte die Hände zu Fäusten, aber Marcel sprang flink aus der Reichweite seine Arme. Ärgerliche drehte der Rotschopf seinen Kopf, dann erblickte er Marcel mit erhobenen Händen im Türrahmen stehen. Widerwillig zog er die Kopfhörer aus seinen Ohren. „Alter.“, brummte Daimon und sein rotes Haar umloderte ihn wie eine Flamme. „Willst du Sterben, oder warum schleichst du dich in MEIN Zimmer?!“ „Sei doch nicht so pissig.“, säuselte Marcel mit geübten Wimpernschlag. „Ich wollte dich nur was fragen…“ Daimon hob seine Augenbrauen und musterte seinen Gegenüber wachsam. „Na gut, dann spucks´ mal aus. Was willst du…?“ „Ich habe eine SMS von Dylan bekommen.“, berichtete Marcel mit Unschuldsmine. „Er lädt uns Drei zu einem Wellnesstag ein. Sein Vater hat bei einem Preisausschreiben einen der Hauptpreise gewonnen, und eine Familienkarte für das Wellnesscenter ergattert. Jetzt brauchen sie noch ein paar Leute die Morgen mit gehen, damit sie die Karte auch einlösen können. Da hat Dylan wohl sofort an uns denken müssen.“ Daimon sah leicht schockiert aus. Sein Mund war zusammengepresst, und der Ausdruck in seinen Augen erinnerte an gefrorenes Wasser. Mit mühevoll gezügelter Wut in der Stimme zischte er Marcel an: „Ach ja?“, flüsterte er leise und legte denn Kopf schief. „Er lädt uns also ein? Uns drei? Und Warum? Weil ich ihm vergangenes Wochenende so schön auf die Fresse gehauen habe?!“ Daimon stieß ein höhnisches Gelächter aus, ehe er weiter Sprach. „Ich werde ganz sicher nicht mit diesen Albino und seinem… freakigen Dämonenvater raus gehen! Ich kann mich zwar Irren, aber ich bin Felsenfest davon Überzeugt, das Kiley auch keinen Bock auf so eine dämliche Tour hat. Und du – kannst machen was du willst, aber kommt nachher bloß nicht angekrochen wenn dich einer von denen angepackt hat!“ Da Marcel mittlerweile einen Wutausbruch witterte, tat er das einzig Vernünftige was er machen konnte, und sprang mit einem Bein aus dem Doppelzimmer. Beschwichtigend hob er die dünnen Arme. „Ist schon okay Daimon.“, rief er mit piepsiger Stimme. „Vergiss einfach was ich gesagt habe! Das war ein dummer Vorschlag von mir…“ Er presste die Lippen zusammen. Der Blick aus Daimons schlangenartigen und hellen Augen war so intensiv, dass Marcel meinte, ihn körperlich auf seiner Haut zu spüren. Unfähig, sich zu bewegen, starrte er zurück. In der nächsten Sekunde kam die Angst; lautlos kroch sie über den Laminatboden und drang durch die Fußsohlen in seinen Körper ein. Marcels Herz raste vor Aufregung so schnell, dass er sich ruckartig abwenden musste und zu Boden blickte. Plötzlich fühlte er sich benommen und wackelig auf den Beinen. „Schön dass du das einsiehst.“, bemerkte Daimon mürrisch. „War es das dann, oder willst du noch was von mir?“ „Nein. Eigentlich nicht…“ Marcel zuckte die Schulter und legte die Hand auf seine schmerzende Brust. Diese kleine Geste entging Daimons scharfen Augen natürlich nicht. Er biss sich leicht auf sein Piercing und musterte Marcels blasses Gesicht. „Hey Kleiner… Hast du da Schmerzen?“ „Irgendwie schon.“, antwortete Marcel und versuchte zu lächeln. „Aber das ist nicht so schlimm. Die habe ich in letzter Zeit öfters. Vielleicht werde ich Krank oder so.“ Nun saß Daimon Kerzengrade auf der Bettkante und legte seine weiße Stirn in Falten. „So so… Hast du nicht auch schon über Schmerzen in der Brust und Schwindel geklagt, als du Oben in Kuroros Zimmer kollabiert bist?“ „Ja.“, murmelte Marcel. Verlegen sah er zur Seite und wich Daimons stechenden Blick aus. Jetzt konnte er diese komischen Schwindelattacken nicht länger geheim halten. Er wollte zwar niemanden mit seinem Problem belästigen, aber langsam sorgte er sich doch um seine eigene Gesundheit. „Diese komischen >Anfälle< habe ich schon etwas länger.“, gestand Marcel kleinlaut und ging zu dem Bett um sich auf die Kante zusetzten, als Daimon mit der Hand auf das Holz klopfte. „Und wann kriegst du diese Anfälle? Ich meine, in welchen Situationen?“ „Unterschiedlich. Ich habe festgestellt das sie meistens kommen wenn ich mich sehr aufregen muss, oder traurig bin.“ „So wie grade?“, fragte Daimon flüsternd und knetete die Hände in seinem Schoss. Marcel nickte leicht. Er biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick zu Boden. Sein Gesicht fühlte sich heiß an, das Atmen fiel ihm immer schwerer und er hatte Probleme, seinen Schmerz zu verbergen. „Nnh- Genau.“ Die Sekunden vergingen wie im Zeitlumpentempo und Marcels Magen knotete sich in jeder weiteren ein bisschen mehr zusammen. Stöhnend legte er den Kopf in die Nacken und zählte die weißen Punkte, die vor seinen Augen aufblitzen. Wenn sein Kreislauf jetzt das Handtuch warf, würde er wenigstens weich im Bett landen und nicht schon wieder Blaueflecken kassieren. „Wird es schlimmer?“, erkundigte sich Daimon, und die Besorgnis stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Leg dich am besten hin. Soll ich dir ein Glas Wasser holen?“ „Überanstreng dich bloß nicht.“, murmelte Marcel und grinste schwach. „Wenn du noch ironisch sein kannst wird es wohl doch nicht so schlimm sein, wie ich dachte.“ Daimon schüttelte leicht den Kopf und fuhr mit der Zunge über seine oberen Eckzähne. Auch wenn Marcel den starken Mann spielte, sah man ihm doch sofort seinen miesen Zustand an. Klasse, dachte Daimon sarkastisch, dann gibt es also noch jemanden in der Familie der seine Probleme und Ängste gerne unter den Teppich kehrt. Daimon überlegte und kratze alles Medizinischewissen in seinem Kopf zu einem Haufen zusammen. Vor Angst wurde seine Kehle trocken. Er hieß zwar nicht Kiley, aber durch seinen Sport kannte er sich doch mit den meisten Schmerzensarten aus… Behutsam drückte er Marcels Oberkörper auf die Matratze und legte die Hand auf seine Stirn. Ganz wie er vermutet hatte fühlte sich der Kopf des Kleinen heiß und verschwitzt an. Marcel wimmerte. „Vorsichtig.“, murmelte er mit rauer Stimme, und seine Lippen verzogen sich zu einer zittrigen Linie. „Es dreht sich alles, und wenn ich liege muss ich nur kotz-“ „Ssscht.“, unterbrach Daimon ihn sanft aber bestimmend. „Bleib unten und mach die Augen zu. Ich werde gucken was wir noch in der Hausapotheke da haben.“ „Ok…“, erwiderte Marcel etwas panisch und schluckte. Sein Herz hämmerte lauter werdend gegen seinen Brustkorb, und es dauerte nicht lange, bis er ein nur allzu bekanntes brennen in den Adern spürte. Scheiße, das ging ihm zu schnell… Viel zu schnell. Normalerweise brauchten die Attacken immer erst eine gewisse Zeit bis sie ihren Höhenpunkt erreicht hatten, aber heute zogen sie die Zügel stramm. „Dai – Daimon!“, keuchte Marcel und streckte die Hand nach seinem Bruder aus. „Warte bitte.“, flehte er verzweifelt und berührte mit den Fingerspitzen ein hartes und glattes Handgelenk. „Lass mich nicht alleine. Irgendetwas stimmt nicht mit mir!“ Das Bett wackelte als Daimon sein Gewicht wieder nach vorne verlagerte und sich auf seine Unterarme stützte. Mit einem leichten, etwas unpassenden glucksen umfasste er Marcels Finger und streichelte mit den Daumen über den zitternden Handrücken. „Das mit dir was nicht stimmt sehe ich auch so, oder was meinst du?“ „Idiot!“ Marcel rollte amüsiert mit den Augen, registrierte aber stillschweigend die sanfte Streicheleinheit. Er beobachtete ihre ineinander verschränkten Finger und seufzte leise. Wenn er wollte konnte Daimon wirklich verdammt liebevoll und fürsorglich sein. Diese Seite kannte Marcel kaum, bis gar nicht von ihm und eine Gänsehaut die über seinen Rücken lief, ließ ihn schaudern. Ok, das war eindeutig NICHT der richtige Zeitpunkt um ins Schwärmen zu geraten. Auch wenn sie vielleicht passenderweise in einem Bett lagen, schräge Witze rissen und ähm… Händchen hielten. Nein Gehirn, tut mir Leid, das war nur ein Zufall und hatte nichts mit einer besser werdenden Beziehung zu tun! Leicht errötend schloss Marcel seine Augen, während Daimon leise kicherte. „Sieht aus als ob wir doch einen Film gucken können, wo du jetzt einmal hier bist.“ „Hör mir auf mit deinen beknackten Film!“, protestierte Marcel schwach und versuchte wieder hoch zu kommen. Romantische Gefühle hin oder her. Er fand es nicht grade ungefährlich als halbe Leiche und total ausgeliefert in diesem Zimmer, und vor allem in diesem Bett zu bleiben. Es gab immer noch sowas wie die Hitzeperiode und wenigstens einer sollte Rechnung mit ihr halten! Der Abend hatte so gut angefangen, das hatte er wirklich, und mit ein bisschen Glück könnte er nur noch besser werden, aber nicht, wenn einer von ihnen seine Vernunft vergas. Und leider sah es so aus, als ob Daimon das grade machte. Nach außen hin konnte Marcel zwar keine Anzeichen der Veränderung erkennen, aber in den Augen des Dämons breitete sich langsam ein dunkler werdender Schleier aus. Inzwischen war es kurz nach 20 Uhr, und bald sollte Kiley denn Weg zurück ins Haus finden! Hoffentlich! „Hey, wo willst du denn hin?“, fragte Daimon, der grade bemerkte wie Marcel ihre Hände löste und aus dem Bett kriechen wollte. Rasch zog er ihn wieder auf die Matratze. Mist, Marcel hatte ganz vergessen dass der Ältere ja viel Stärker war, wie er selbst! „Du siehst nicht so aus, als ob du schon wieder gehen könntest.“ „Du wolltest mir doch was zu trinken holen.“, sagte Marcel und lächelte unschuldig. Ugh, dieses Lächeln sah nicht nur falsch aus, sondern fühlte sich auch schon so falsch an! „Ich glaube ich könnte wirklich was Wasser gebrauchen. Meine Kehle ist total ausgetrocknet.“ „Dann sag mir das doch! Ich hole dir welches.“ Daimon seufzte und schloss kurz die Augen, um mit den Handballen über sie zu reiben. „Mann, ich wäre fast eingeschlafen…!“ „Dann lass mich in die Küche gehen, und du bleibst hier oben.“ „Halt die Klappe. Nur über meine Leiche bewegst du dich in den nächsten 20 Minuten aus diesem Bett. “ Es waren zwei kurze Sätze, doch so eisig gesprochen dass Marcel sein Vorhaben sofort aufgab, und tatsächlich liegen blieb. „Ähm.. Okay.“ „Brav!“, lobte Daimon und kämmte seine Haare mit seinen Fingerspitzen aus dem Gesicht. „Wenn du aufstehst während ich Unten bin, suche ich dich und zertrümmere dir zur Strafe den Oberschenkelhalsknochen!“ Für einen Moment herrschte stille, dann brach Daimon in Gelächter aus. „Das war nur ein Scherz!“, gluckste er, und ließ Marcel dann alleine zurück. „Ich bin zwar kein Fachmann, aber kann ich mir das trotzdem mal angucken?“ Daimon funkelte Marcel an und zog die Mundwinkel aufmunternd nach Oben. „Ich weiß nicht. Was hast du davon, wenn du das gesehen hast?!“, zischte Marcel wütend und umklammerte mit den Armen seinen Brustkorb. Das war eine ganz dumme Idee gewesen Daimon von dem Bluterguss auf seiner Brust zu erzählen! Er knirschte so stark mit den Zähnen, dass es wehtat, doch er ignorierte den Schmerz. Außerdem war es im Vergleich zu dem Schmerz, den er in seiner Brust empfand, noch harmlos. „Weil ich mich mit Blauenflecken auskenne, du Hirni!“, fauchte Daimon zurück und seine Stimme klang so genervt, wie seine Körperhaltung schon längst verriet. „Ich weiß nicht wieso du dich so kleinlich anstellst! Du hast doch keine Titten die du vor mir verstecken müsstes!“ „Trotzdem! Ich mag es nicht… wenn mich andere so sehen.“ „Holy Macaroni! Und wenn dich Morgen im Wellnesscenter alle nackt sehen, ist dir das egal!? Wo ist da die Logik, heh?“ „Pah!“ Marcel lachte bitter auf. „Du gehst doch gar nicht mit, also was kümmert dich meine Logik!?“ „Aha? Bin ich also das Problem an der ganzen Geschichte?“ „Fick dich! Ich kann machen was ich will und wenn ich mich nicht vor dir ausziehen möchte, dann mache ich das auch nicht!“ Knurrend drehte sich Marcel auf die Seite und kehrte Daimon denn Rücken zu. Ohne eine Antwort abzuwarten griff er nach dem Kopfkissen und presste es sich auf die Ohren. Er wollte nicht hören, was Daimon zu sagen hatte. Der Assi sollte bloß nicht so tun, als ob er sich Sorgen machte. Marcel war immer noch schwindelig, auch mit geschlossenen Augen drehte sich alles um ihn herum und ihm war schlecht. So eine unglaubliche Übelkeit hatte Marcel schon lange nicht mehr gespürt. Das Wasser was Daimon ihn gebracht hatte war vielleicht vergiftet gewesen… Minutenlang lag Marcel einfach nur gekrümmt da und wartete, dass endlich die Übelkeit verschwand, da spürte er plötzlich eine Hand auf seiner Hüfte. „Was willst du!?“, blaffte er los und machte sich am ganzen Körper steif. „Rück zur Seite, sonst lernst du Fliegen. Ich will auch ein bisschen Platz in meinem Bett haben!“ „Dann lass mich rüber gehen, und du hast allen Platz der Welt!“ „Jetzt halt endlich dein kleines, freches Maul! Ich habe doch gesagt das du hier erst mal liegen bleibst, und damit Pasta! Wir können morgen weiter streiten, aber heute hast du erst mal Sendepause!“ „Aber! -“ Daimon drehte Marcel mit einer einzigen Handbewegung auf den Rücken, lehnte sich über ihn und drückte seinen Zeigefinger brutal auf dessen Mund. „Halt-die-Klappe-habe-ich-gesagt-!“ Wow, da schien jemand echt richtig schlechte Laune zu haben. So angepisst hatte Marcel Daimon die letzten 48 Stunden nicht mehr gesehen. „Ist schon gut…“, nuschelte Marcel mit einigen Schwierigkeiten. Wie konnte man nur so schnell, so wütend werden? Das war doch schon hart an der Schmerzensgrenze. Außer seinen Bruder kannte Marcel niemanden, der so schnell aus der Haut fahren konnte. Daimon brummte darauf hin nur, und vergrub das Gesicht in seiner Armbeuge. Schwer Atmend legte er sich hin und drehte sich auf die Seite. Stirnrunzelnd beobachtete Marcel wie sich Daimon durch die Haare fuhr, und mit der Zungenspitze über seine Lippen leckte. Denn Blick hielt er dabei weiterhin auf die Wand geheftet. „Scheiße..!“, murmelte Daimon nach einer gefühlten Ewigkeit. „Was ist?“ „Nichts, sei Still.“ Marcel blies beleidigt die Wangen auf. Er wollte den Rothaarigen besänftigen und die Wogen glätten. „Du hast Scheiße gesagt, also stört dich was.“ „Weißt du, was mich stört? Ein freche Balg das nicht kapieren kann, wenn Erwachsene am Rande ihrer Geduld angelangt sind!“ „Aha… Schön hast du das gesagt.“ „Meine Fresse, schlaf jetzt!“ Offenbar hing Daimon an seinem Geheimnis. Er drückte das Gesicht nun ganz zwischen seine Arme und versuchte ein wenig Ruhe zu finden. Dass ihn dabei zwei dunkelblaue Augen beobachteten, störte ihn gar nicht. Immer noch Schmollend zog Marcel die schwarze Bettdecke über seine Schultern und blinzelte in die Dunkelheit. Eigentlich sollte er hier gar nicht mehr liegen, und welcher halbwegs klardenkende Mensch wollte schon freiwillig neben seinem Schläger-Bruder schlafen? Marcels Augen wurden ausdruckslos und sein Blick verlor sich irgendwo in der Ferne – Niemand! Obwohl… so schlecht fand Marcel die Situation gar nicht… Es schauderte ihn als er Daimons muskulösen Rücker näher betrachtete und er konnte nicht deuten ob seine zu Berge stehenden Nackenhaare von der Angst her rührten, oder von der Freude… Niemand war eine Lüge. Wenn man es genau nahm, würde wahrscheinlich sogar die halbe Schule das Bett mit seinem Bruder teilen, aber Daimon liebte sein Single Dasein und stand nicht auf One-Night-stands. Eine warme Gänsehaut lief Marcel über den Rücken. Er wusste dass sich die Mädchen reihenweise um Daimon prügelten, und er dürfte seelenruhig neben ihn Schlummern. Tja. Pech für sie…! Und Glück für Marcel! Offensichtlich geniert rieb er sich den Hinterkopf und eine leichte Röte breitete sich auf seinen blassen Wangen aus. Hmm…Was sollte er denn viel sagen? Auch wenn ihn Daimons Verhalten wirklich oft ankotzte und seine arrogante Art ihn zur Weißglut trieb, mochte er die Anwesenheit des Dämons eben! „Was bist du denn so rot im Gesicht?“, bemerkte Daimon keine 5 Sekunden später mürrisch und drehte sich von links nach rechts. So konnte er Marcel anschauen, und seine Augen blitzen diabolisch auf. „Hast du jetzt auch noch Fieber bekommen?“ Ungeduldig zwickte er seinem kleinen Bruder in die Nase, der noch immer mit leerem Gesichtsausdruck in Gedanken schwelgte. „Aua!“, rief dieser erschrocken. In der Hoffnung die Farbe so zu vertreiben, rieb er sich über die Wangen. „Warum sollte ich denn Fieber haben...? Es geht mir doch schon wieder besser!“ „Aha? Dann denkst du also an was Fieses?“, fragte Daimon und ein laszives Grinsen erschien plötzlich auf seinen Lippen. Der Drang ein noch schmutzigeres Kommentar los zu lassen wurde übermächtig. „Muss ich Angst kriegen weil wir zwei ein Bett teilen?“ „Wie- Wie komm-st du da..rauf?“, knurrte Marcel und wurde gleich noch eine Spur röter. Daimon wackelte mit den Augenbrauen, anscheinend freute er sich angesichts der unbeabsichtigten Bestätigung. „Warum wohl? Weil du Schwul bist, und immer mehr Farbe bekommst! Habe ich denn so eine heftige Wirkung das du sofort Geil wirst, wenn ich in deiner Nähe bin...!?“ Oh mein Gott. hämmerte es in Marcels Kopf. OH MEIN GOTT! ER HAT ES TATSÄCHLICH AUSGESPROCHEN! Aber wieso machte er sich überhaupt so viele Kopfschmerzen? Er wusste doch das Daimon sowieso nur mit ihm Spielte! Beleidigt drückte Marcel das Gesicht in sein Kopfkissen. „Einbildung ist auch eine Bildung.“ „Falsch. In diesem Punkt verlasse ich lieber auf meine Instinkte, als anstatt auf meinen Verstand.“, hauchte Daimon und erschauerte als er denn rauchigen Ton seiner eigenen Stimme vernahm. Na lol, wer im Glashaus sitzt sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen oder wie? Erschrocken wich Marcel zur Wand zurück, seine Wangen fühlten sich noch heißer an als eben. „Diesen Punkt? Instinkte? Was soll das heißen?! Schnüffelst du etwa rum?! Lass den Quatsch, und das meine ich ernst!“, warnte er den Rothaarigen nun, welcher langsam immer näher kroch. „Jetzt sei schon ehrlich. Du weißt doch dass von deinen Hormonen die Rede ist. Ich kann riechen wie sie in Wallung geraten und deinen kleinen Körper auf den Kopf stellen.“ „Daimon! Hör auf.“, wimmerte Marcel. Doch das konnte auch nicht mehr verhindern, das zwei starke Hände denn Weg zu seiner Taille fanden und sich über das enge T-Shirt legten, welches irrwitzigerweise bis zu seinen Bauchnaben hoch gerutscht war. Für einen Moment setzte Marcels Atmung aus und sein Verhalten sagte mehr als 1000 Worte. Daimon machte ihn mit seiner Anwesenheit wirklich heiß! Einen kurzen Moment herrschte Stille im Zimmer. Das Bett knackte sanft, und die Decke rutschte zur Hälfte auf den Boden als sich die Insassen nochmal bewegten. Daimon lächelte seinen Bruder schelmisch an, und fuhr mit den Fingerkuppen über seine heißen Wangen. Unter seiner Berührung wurde die Haut sogar noch wärmer, und Marcel versank vor Scham fast in der Matratze. Nun saß er in der Falle! In seinem Rücken befand sich die Wand, und den Weg nach Vorne wurde von einem Muskulösen Körper versperrt. Ein dicker Kloß schwoll in seinem Hals an. Es war ein Wunder dass er in diesem Zustand überhaupt noch Luft bekam und nicht blau anließ. „Pack mich nicht an du Perversling!“, quietschte Marcel abwehrend mit hoher Stimme. „Du sagst immer hör auf dabei gefällt es dir, wenn ich dich anfasse. Oder zu mindestens deinem Körper gefällt es. Schau doch nur mal was du für eine Gänsehaut bekommst….“ Daimon war seinem Bruder inzwischen so nah gekommen, dass Marcel nach jedem Wort seinen Atmen im Gesicht spürten konnte. Angewidert drehte er den Kopf weg und runzelte die Nase, als ihm der Geruch von Zigaretten gemischt mit einem Hauch von Pfefferminz-Zahnpasta ins Gesicht schlug. Er fühlte sich wie ein in die Ecke gedrängte Tier, das in der Falle saß und nun wusste, dass das Ende gekommen war. Dieses mal gab es niemanden der Marcel aus dieser misslichen Lage befreien konnte. Diesmal gab es nur noch Daimon, ihn und winzigen 5 Zentimetern zwischen ihren Leibern, die jedoch mit jeder Sekunde immer weniger wurden. Marcels Mund öffnet sich, aber er brachte keinen Ton hervor. Nur die Angst und der Scham flackern wie wild in seinen blauen Augen auf. Seine Kraft reichte ja nicht einmal mehr dafür aus, die Stimme zu heben und zu schreien. „Warum guckst du mich so an, als ob ich dir etwas Böses tun wollte?“, fragte Daimon ruhig und sein Griff um Marcels Hüfte wurde plötzlich fester. Mit genugtun beobachtete der Dämon wie sein kleiner Bruder flach nach Luft schnappte, und ein heftigen Schauer seinen schmalen Körper erzittern ließ. „Du siehst ja richtig fertig aus, mein Kleiner.“ „Merkst du eigentlich was du grade tust?“, wisperte Marcel. „Du schießt deine eigenen Rat in den Wind, also stehst du doch unter den Einfluss der Hitze!“ Der sonst so unerbittliche Rotschopf öffnete nur kurz den Mund um zu widersprechen, ließ es aber doch sein, als er schließlich einsah, dass es keinen Sinn hatte zu diskutieren. Marcel hatte Recht. Die Hitzeperiode machte wie erwartet doch keinen Bogen um ihn, und es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie ihn mit aller Macht in ihren Bann zog. Daimon biss sich hart auf die Zunge als im dieser Gedanke durch den Kopf ging. Er würde Marcel zu etwas zwingen was ihrer ganze Zukunft aus denn Angeln reißen könnte! Kapitel 19: Endlich einpaar Antworten! -------------------------------------- Die Umrisse vor Marcels Augen wurden immer schärfer und immer genauer. Er konnte ein Gesicht erkennen, ein blasses Gesicht mit hellen Haaren und ebenso hellen Augen. Es dauerte gut eine halbe Minute bis Marcel erkannte, wer diese Person war und ihre Anwesenheit ein ängstliches Wimmern aus seiner trockenen Kehle lockte. Daimon. Er musste wohl kurz in Ohnmacht gefallen sein, ansonsten konnte sich Marcel sein jäher Gedankenabriss nicht erklären: Sie lagen noch immer in dem Bett des Älteren, und Daimon hatte Marcel mit den Rücken an die Wand gedrängt. Die Hände des Dämons klammerten sich an seiner Hüfte, und Marcels Herz raste, bebte, klopfte, schlug und flatterte bis zum Anschlag, als sei seine Brust ein Käfig, der es von der Freiheit trennte. Sein Lebensmotor arbeitete so heftig, dass es dem Blonden Menschenjungen schon richtige schmerzen bereitete. „Hey...“, wisperte Daimon leise und berührte die erhitzte Wangen des Anderen. „Du siehst fiebrig aus. Möchtest du dir nicht deine Sachen ausziehen? Ich will nicht das du hier kollabierst.“ Von wegen. ES wird schlimmer, dachte Marcel panisch. Er zuckte nach hinten und sein Kopf schlug wenige Sekunden später auch schon gegen die Mauer. Fuck. Er hatte ganz vergessen das er in der Falle saß und Daimon den Weg nach vorne mit seinen Körper versperrte. „Mhm. Du bist wohl zu Schwach um dich zubewegen.“ Daimon nickte und schob Marcels Oberteil nun vollends nach Oben. Der Kleine biss sich dabei auf die Unterlippe als eine warme Hand seine Brustwarze berührte, und er beobachtete wie Daimons Blick auf seinen Körper haftete. Er war wohl nicht der einzige, dessen Hormone verrücktspielten! „Was machst du da?“, wollte Marcel mit schwerer Stimme wissen und befeuchtete seine Lippen. „Dir Idiot beim ausziehen helfen, was sonst?“, antworte Daimon kurz angebunden und zog seinen Bruder an seine Brust. Es traf sich gut, dass das T-Shirt was Daimons selbst trug so dünn war, denn so konnte er Marcels Hitze wenigstens gleich auf seiner Haut spüren. „Du bist so Warm.“, sprach Daimon seine Gedanken auch sofort laut aus. „Dann drück mich nicht noch mehr an dich! Es ist so eng.“, jammerte Marcel und bemerkte das sein sämtliches Blut langsam Richtung Süden zog. Er war nicht darauf vorbereitet gewesen das sein Körper so stark auf Daimon reagierte, und ihm wurde schwindelig. „Jetzt mach` nicht schon wieder die Biege!“, zischte Daimon daraufhin und rüttelte Marcel an den Schultern. Das es Eng war, stimmte, aber Daimon empfand diese Enge alles andere als unangenehm, und seiner Meinung nach, konnte es gar nicht genügend Kontakt zwischen ihnen geben! „Ich finde es schön wenn wir uns so Nahe sind, Marcel. Deine Haut fühlt sich wirklich gut an, das habe ich zuvor noch nie bemerkt.“ „Daimon.“, sagte Marcel mit einem Wispern. Sein Arme wickelten sich wie von selbst um die Hüfte des Dämons und er presste sich näher an seine Brust. „Daimon, bitte...“ Auf den blassen Lippen des Rotschopfs bildete sich ein bezauberndes Lächeln. Er legte seine Hand in Marcels Nacken und drückte dessen Kopf leicht nach Oben. Fasziniert beobachtete er wie sich die Gesichtsfarbe des Kleinen intensivierte, und seine Unterlippen schon ganz rot angeschwollen war, weil er sie so gnadenlos mit seine Zähnen Quetschte. „... Du bist nicht du selbst, Daimon.“ „Das ist der Dämon in mir.“, flüsterte dieser in die Stille hinein. Er schloss seine Augen und machte einen tiefen Atemzug „Ich kann nichts dafür - du machst mich mit deinen Geruch verrückt und ich muss dich einfach anfassen.“ Ein wildes Grollen verließ Daimons geöffneter Mund. Er senkte sein Gesicht nach unten. „Und ich möchte dich noch mehr anfassen!“ Ganz langsam öffnete Daimon die Augen und fixierte seinen Gegenüber mit einem unheilbringenden Glitzern in ihnen. Langsam streckte er seine Hand aus, und Marcel überrascht es, als er sah wie diese vor Aufregung zitterte. Dabei war Zittern noch Untertrieben, sie vibrierten - Marcel konnte es sehen und auch deutlich spüren, als sie auf seiner Wange ruhte und der Daumen zart über seine gerötete Unterlippe Strich. „Irgendwann hast du sie dir abgebissen.“, kommentierte Daimon dieses Detail rau. Für eine endlose Sekunden klebte sein Blick auf Marcels Mundpartie, ehe er schließlich hoch schaute und ihm in die Augen sah. Die ungleichen Brüder hielten schweigend Blickkontakt. Selbst, als Marcel Daimons heißen Atem auf seinem Mund spüren konnte, sahen sie sich ohne mit der Wimper zu zucken an. „Daimon.“, keuchte Marcel zum widerholten mal heiseren, und drückte seinem Bruder die Hände auf die Schultern. „Hör auf damit! Ich möchte das nicht! Willst du mich hier in deinem Bett vergewaltigen!?“ Daimons gemeines Lächeln verlor etwas an Härte, so, dass es nun schon eher wie ein verzerrtes Grinsen wirkte. Sein Blick ruhte intensiv auf einen Punkt an der Wand nebens Marcels Gesicht, während Daimons eigene Gedanken Karussell fuhren. Sein kleiner Bruder hatte Recht. Alles an Marcel, von seinen Duft angefangen bis hin zu seiner hellen, süßen Haut, verpasste seiner Libido einen heftigen Schlag: Wenn es nach dem Dämon in seiner Brust ginge, würde er Marcel sofort die Kleidung vom Leibe reißen, und sich auf ihn stürzen. „Tut mir leid.“, flüsterte Daimon mit kratziger Stimme und rückte schweren Herzens nach hinten. „Ich wollte nicht, das es soweit kommt...“ „Okay.“. Langsam nickt Marcel und zog sein hochgeschobenes T-Shirt sofort wieder nach unten. Er konnte den gehetzten Atem seines Bruders noch immer auf seinem Gesicht spüren. „Dann wirst du sicher nichts dagegen haben, wenn ich jetzt in mein Zimmer zurück gehe. Schließlich möchte ich deine Geduld nicht auf die Probe stellen.“ Daimon gab ein entrüstetes schnauben von sich. „Vergiss es!“. Er flickte Marcel mit den Zeigefinger gegen die Stirn. „Ich habe dir gesagt, was du zu tun hast. Du bleibst hier liegen und pennst bei mir. Morgen Mittag nach der Schule gehst du zum Arzt, verstanden? Zwar haben Jugendliche in der Pubertät öfters Probleme mit Schwindelattacken, aber diese Anfälle sind nicht normal! Um was schlimmes auszuschließen, möchte ich, das sich ein Experte seinen Körper ansieht. Vielleicht findet er die Ursache dafür und kann dir irgendwelche Medikamente verschreiben.“ Es wäre nicht ausdenken was Jeremy mit uns anstellt, wenn du irgendeine gefährliche Krankheit hast und Kiley und ich es nicht bemerkt haben, fügte Daimon noch in Gedanken hinzu. „Und jetzt schlaf endlich! Wir müssen morgen um halb Sieben aufstehen.“ *X* Als Marcel am nächsten Morgen von dem Summen eines Handys aufgeweckt wurde, dachte er, dass es noch mitten in der Nacht war. Er öffnete die Augen einen winzigen Spaltbreit, drückte sein Gesicht in das warme Kopfkissen zurück, und suchte die Umgebung Blindlinks nach seinen Nachtschrank ab. Aber wo war dieses verfluchte Ding mit dem noch verfluchteren Handy bloß ab geblieben?! Marcel knurrte laut und sein tun wurden immer hektischer als jemand plötzlich seinen Arm schnappte, und seine Bewegungen erlahmten. Das Handy verstummte so plötzlich wie es angefangen hatte und Marcel drehte sich auf den Rücken, wobei seine gefangene Hand gegen etwas hartes, und vor allem etwas warmen stieß. Etwas, LEBENDIG warmes... „Schlimm ey. Du bist der unruhigste Bett-Nachbar den ich jemals hatte.“, verkündigte eine heiseren, hundemüde klingende Stimme. Mittlerweile standen Marcels Nackenhaare in allen erdenklichen Himmelrichtung, und er beobachtete wie sich sein Bruder Daimon ebenfalls auf die Seite rollte, und ihn mit einem Auge anblinzelte. „Was guckst du so verstört Blondie? Hast du mich noch nie mit ungemachten Haaren gesehen?“ „Öhm...“ Peinlichberührt versteckte Marcel sein Gesicht erneut in das Kopfkissen und presste seine Augenlider ganz feste zusammen. Dann war das gestern Abend also doch kein Traum gewesen? Schade aber auch! Er hatte wirklich mit Daimon in einem Bett geschlafen. Und sie hätten in diesem Bett fast wirklich Mist gebaut! „Du hast mich letzte Nacht echt hier festgehalten?“, brummelte Marcel etwas unverständlich vor sich her, da das Kissen seine Stimme dämpfte und sie kaum Hörbar machte. Seine Finger zuckten zurück, doch Daimon schloss in diesem Moment seine Hand und ein kleines, fieses Schmunzeln bildete sich auf seinem Gesicht. „Ach nein. Erinnerst du dich jetzt wieder daran und wirst plötzlich verlegen? Niedlich.“ „Hmpf - gar nicht wahr!“, zischelte Marcel böse und sein Körper verspannte sich gleich noch mehr, als Daimon seinen Knöchel zu seinen Mund führte, und die Haut mit seinen Lippen berührte. „Und wie verlegen du bist! Noch ein bisschen mehr, und du zerfließ vor Scham zu einer Wachslache.“ Es war überraschend und ungewohnt für Marcel das Daimon so locker war und ihm ausnahmsweise mal nicht mit Schlägen drohte, aber diese neue Seite an dem Rothaarigen gefiel ihm. Irgendwie. Oh Gott. Diese ganze Angelegenheit fühlte sich so verdammt unbeholfen an. Um sich noch weitere Peinlichkeiten zu ersparen, beschloss Marcel, das es wohl das Beste sein würde wenn er seinen Bruder den Rücken zukehrte, und die beleidigte Leberwurst spielte. So rollte sich Marcel schnell nach rechts und kauerte sich an der kühlen Wand zu einer kleinen Schnecke zusammen. „Zeigst du mir die kalten Schulter, Kleiner? Das finde ich aber nicht nett von dir! Ganz.und.gar.nicht.Nett...“ Als weder eine Antwort, noch eine Reaktion ertönte umfasste Daimon Marcels Schulter und rutschte näher an ihn heran. Sie waren sich inzwischen so nahe gekommen, dass sie die Hitze des Anderen deutlich auf ihrer Haut spüren konnten. „Hey...“, wisperte Daimon in sein Ohr. „Mache ich dich Verlegen?“ Er öffnete seinen Mund ein Stück weit und ließ seine Zungenspitze sachte gegen Marcels Nacken stupsen. „Schweigen bringt dir auch nichts... Ich kann doch fühlen wie heiß du bist.“ Daimon ließ seine Lippen auf der Haut des Jüngeren liegen und widmete sich genüsslich seiner pochenden Halsschlagader, die er mit leichten Küssen und Lecken verwöhnte. „Nngh!“ Die verspätete Antwort kam in der Form eines langgezogenen Stöhnens, und Marcel drückte sich unbewusst dem warmen Mund entgegen. Es war das erste Mal das die zwei so liebevoll mit einander umgingen und dabei schossen sie leicht über das Ziel hinaus. Mehr, gibt mit mehr, flehte die Stimme in seinem Hinterkopf unaufhörlich und dieser Bitte kam er nur allzu gerne nach. Wie eine Katze drückte Marcel den Rücken durch, und Daimon setzte sein Spiel unbeirrt fort, indem er seine Zunge über Marcels Ohrmuschel gleiten ließ und mit den Zähnen mehrmals sanft in das weiche Fleisch biss. Es war wirklich faszinierend. Aber auf diesem Gebiet verstanden sich die Geschwister Wortlos; nur eine kleine Bewegung genügte und der Andere wusste was von ihm verlangt wurde. Jetzt, als Marcel Daimons Verlangen das erst mal so richtig spürte, fühlte er sich wie paralysiert. Ein heftiges Kribbeln breitete sich auf seiner Haut aus, und einen raues keuchen schlug hart von innen gegen Marcels geschlossene Lippen. „Macht dich das auch an?“, erkundigte sich Daimon und benetzte seine Lippen mit etwas Speichel. Danach drehte er Marcel zu sich um und versenkte sein Gesicht in der Halsbeuge des Jüngeren. Keuchend schnupperte an der dampfenden Haut, und drückte seine Mund zum wiederholen mal gegen die pochende Lebensader. Er war ein halber Vampir - er konnte nichts dafür, aber diese Körperregion zog ihn nun mal magisch an. Vor allem bei Menschen. Aber vor allem bei DIESEN Menschen. „Machen wir jetzt da weiter, wo wir gestern aufgehört haben?“, flüsterte Marcel und seine sonst so blassen Wangen waren in ein sattes Rot getaucht. „Nein. Eigentlich sollten wir aufstehen.“, meinte Daimon und dachte doch keine Sekunde darüber nach. Stattdessen presste er Marcel fester an seine Brust, verstärkte den Griff seiner Finger. „Wir sollen uns anziehen und dann gemütlich in Richtung Bushaltestelle ziehen.“ „Dann lass uns das doch tun...!“ „He! Das willst du doch gar nicht. Du willst mehr hiervon haben...“ Um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, beugte sich Daimon nach vorne und bohrte seine Zähne nun in die Unterlippe des Blonden. Er zog sanft daran und sah Marcel dabei in die Augen. Wenn der Jüngere gekonnt hätte, würde er sich vor lauter Scham in eine Mausloch zurück ziehen. Aber selbst wenn Daimon ihn gelassen hätte, könnte er sich wahrscheinlich keinen Millimeter vom Fleck bewegen. Er würde sich sogar seine Lippen auf seiner Haut zurück wünschen! Was ging hier eigentlich vor? War hieran wirklich wieder die allzeit gegenwärtige Hitzeperiode Schuld, oder drehen die Geschwister inzwischen allesamt am Rad?! Erst entwickelte Marcel Gefühle für Kim, und jetzt drängte sich auch noch Daimon hinzu? Die Küssen mit Kim fühlten sich nach tiefer Verbundenheit an, aber das Vorspiel mit Daimon - als was anderes könnte man dies hier gar nicht mehr beschreiben - schmeckte nach Feuer und nach Verbotenen Fantasien! Aber einer fehlte noch... Was würde wohl geschehen wenn Jeremy irgendwann von der Armee nachhause kämme?! Alle Details sprachen dafür das sich eine ähnliche Beziehung auch zwischen ihnen bilden könnte! In den letzten Tagen hatte Marcel wirklich genügend Inzest-lästige Erfahrungen gesammelt, und nach der Tatsache das in diesem Haushalt wohl alle Schwul - oder zumindest Bisexuelle veranlagt- waren fragte er sich schon gar nicht mehr. Dann wollte er sich jetzt erst recht nicht mit seinen Ältesten Bruder beschäftigen, der in Marcels Augen sowieso in einer ganz anderen Liga spielte, da ihn wirklich als Bruder betrachtete! Daimon und Kiley hatten es mit ihren Ablehnenden Verhalten in den tatsächlich geschafft, das Marcel sie kaum noch als Familie wahrnahm, sondern viel mehr als etwas lästige Mitbewohner, und empfand es deshalb nicht ganz so schlimm, wenn er mit ihnen auf Tuchfühlung ging... In diesen Augenblick hatte Marcel nur noch eine Sache im Kopf; Daimons weiche Lippe auf seiner Haut, seinen warmen, muskulösen Körper und seine starken Arme die auf seinen Schulter lagen... Aber in seinem Hinterkopf wurde auch der Gedanke immer klarer, der ihm mitteile, das er grade dabei war seine heimliche Liebe Kiley zu betrügen. Das wiederholte Klingeln eines Handys zerstörte den magischen Moment der Zweisamkeit und Daimon langte grummelnd nach Oben, da sein Nachtschrank an seinem Kopfende Stand. Er tippte die Lese-Option mit dem Daumen an. Von Kim: Morgen Dai Dai, Warum hast du mir gestern Nacht nicht geantwortet?! Ich war schon kurz davor Hikari alleine zulassen und nachhause zu kommen. -.- Naja, aber du Knallkopf hattest dein Handy wieder mal auf Lautlos stehen, oder?! Das ist Nervig - Du solltest dir echt abgewöhnen! Dann sehen wir Uns nachher in der Schule!!? HDL „Upps.“, verdutzt riss Daimon seine Augen auf und drehte sich auf den Rücken, damit er die Nachricht nochmal in Ruhe lesen konnte. Kiley war vergangene Nacht bei Hikari gewesen?! Wie... Was zum Geier war da abgegangen?! Schnell öffnete Daimon seinen SMS-Speicher und entdeckte dort wie angekündigt eine zweite Nachricht von Kiley. „Bin bei Hikari... fühlt sich immer noch beschissen wegen der Geburtstagsparty...Warte nicht auf mich... ich werde ihr gesellschaftleisten...“, fasste Daimon das Gelesene in wenigen Worten zusammen und richtete damit seinen Oberkörper auf. Seufzend warf er Marcel einen Blick zu, und kratze sich dann etwas unbeholfen an der Wange. „Tja, das war´s dann wohl leider mit unseren kleinen Schäferstündchen. Wir müssen unsere Ärsche aus dem Bett schieben und mal in die Pötter kommen. Kiley wartet in der Schule auf mich, und ich bin mir sicher das er ein riesen Thema veranstaltet wenn ich schon wieder Schwänze und womöglich die Nachholprüfung versaue.“ „Heh... okay... Das klingt nach einen guten Vorschlag.“ Marcel sah Daimon an und wusste anscheinend auch nicht so recht, wie es jetzt weiter gehen sollte. Einfach so tun als ob nichts passiert wäre, und sie bis grade eben friedlich gefummel - Stopp! Natürlich meinte er, Geschlafen hätten? Aber ehrlich gesagt fand Marcel dieses Ich-weiß-von-nichts-und-mir-ist-sowieso-alles-Egal ziemlich bescheuert und kindisch zugleich. Sie hatten sich zwar nicht geküsst und auch keine süßen Wörter gewechselt, aber es war trotzdem Etwas zwischen ihnen geschehen und das wollte er beim besten Willen nicht Todschweigen. Es war schon ja schwierig für Marcel, das er Kiley nach den ganzen Küssen und Andeutungen weiterhin wie einen normalen Bruder behandeln musste und er ihn in der Öffentlich nicht anfasse dürfte. „Hey Marcel, ist alles in Ordnung bei dir? Du wirkst plötzlich so Abwesend.“ Marcel zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht.“ sagte er wahrheitsgemäß und sah sich unauffällig in dem Zimmer um, als würde er befürchten das sich irgendwo ein heimlicher Zuschauer versteckte. „Was denkst du jetzt über uns? Findest du nicht das wir nicht ein bisschen zu weit gegangen sind?“ „Zu weit?“, man hörte wie energisch Daimon die Luft ausstieß. „Das was passiert ist findest du schon heftig? Du kannst froh das uns Kiley mit der SMS unterbrochen hat, ansonsten wären wir zwei jetzt mit ganz anderen Sachen beschäftigt.“ Aha. Marcel krallte seine Finger in die Bettdecke. Schob Daimon ihren flüchtigen Ausbruch der Leidenschaft also wie schon so oft auf die Hitzeperiode? „Alles klar. Willst du damit sagen, das der Dämon in dir wieder mal das Denken übernommen hat? Wegen der Hitzeperiode?“ „Hm.“ Jetzt war es Daimon der mit den Schulterblättern zuckte. „Ja und Nein. Ich kann nicht behaupten das ich komplett bei Bewusstsein war, aber auch nicht sicher sagen, ob ich ohne ihren Einfluss anders gehandelt hätte.“ „Was meinst du damit?“, fragte Marcel nun sichtlich verwirrt. Er hätte mit ALLEM gerechnet, aber nicht damit das Daimon plötzlich unsicher wurde. Immerhin war er es doch gewesen der Marcel vor der Hitzeperiode gewarnt hatte, und ihm erklärte das die Dämonen in gewissen Situationen total willenlos handelten, aber jetzt verkündete er, das er zum Teil bei klaren Verstand gewesen war?! Echt jetzt? Nach all den Scherereien? Er hatte sich Daimon geöffnet, ihm quasi sein innerstes gezeigt und dem Dämon damit ein breites Spektrum an Angriffen und Beleidigungen aller Art geboten! Marcel hatte mit seiner Reaktion nicht nur bewiesen das er wahrhaftig Schwul war und auf Männer stand, nein, er offenbarte Daimon auch noch, das er auf IHN stand...! Bei diesem Gedanken wurden Marcel die Augen feucht. Es wäre nicht auszudenken wenn Daimon ihn nun mit dieser Geschichte aufziehen würde...! „Dann... hättest du also aufhören können... wenn du gewollt hättest?“ Es war kaum mehr als ein flüstern was da so unbeholfen aus Marcels Mund gestolpert kam, aber Daimon bestätigte seine Frage mit einem Nicken. „Warum hast du es denn nicht getan?!“ „Weil ich es nicht Schlimm fand. Wie ich gestern schon gesagt habe, stört mich deine Nähe nicht mehr, aber was sollen wir jetzt lang und breit darüber Diskutieren? Wir würde sowieso auf keinen gemeinsamen Nenner kommen. Ich kann mir dieses Phänomen selber kaum erklären; zum Teil war ich klar, und zum Teil war das Stone Face in mir aktiv.“ Gelassen legte Daimon das Handy auf den Nachtschrank zurück, und wendete Marcel wieder sein Gesicht zu, um ihn an zu grinsen. Er legte seine große warme Hand über schmalen, glazialen Finger. „Für mich war es wirklich okay... das sollte es für dich auch sein. Schließlich haben wir nichts verbotenes getan, oder? Ein bisschen Kuscheln unter Geschwistern ist doch normal.“ „Schon...! Aber du hast doch grade selber gesagt, das du noch weiter gegangen wärst wenn uns die SMS nicht unterbrochen hätte...!“, beharrte Marcel stur und zu allem Überfluss bildeten sich auch noch Tränen in seinen Augen, als er die Vergangen paar Minuten in sein Gedächtnis zurückrief. „Ich erkenne dich gar nicht wieder, Daimon! Erst gehst du auf Abstand weil du nicht in die Fänge der Hitzeperiode gelangen möchtest, und jetzt findest du Kuscheln... und rum lecken... auf einmal in Ordnung. Weißt du eigentlich noch was du willst?! “ Das hatte Gesessen. Daimon sah enttäuscht aus als er den Blick von seinem Bruder abwendete und eine Eiserne Maske aufsetzte, welche seine Emotionen verbarg. Erneut war diese unangenehme Spannung zwischen ihnen zu spüren, die wie immer herrschte, wenn sie sich Stritten und ihre verschiedenen Meinung auf einander prallten. Diesmal war es Marcels Schuld das es jetzt dicke Luft gab, dessen war er sich auch durchaus bewusst, aber dennoch hatte Daimon die Impulse gegeben, und sie zu „mehr“ getrieben. „Hasst du mich jetzt?“, fragte Daimon plötzlich kleinlaut in die Stille hinein und Marcel fielen fast die Ohren vom Kopf. „Wa- Was hast du gesagt?!“ „Ob du taube Nuss mich jetzt verachtest weil ich dich, wie sagtest du gleich, fast vergewaltigt hätte!?“ Mittlerweile saßen beide aufrecht im Bett und fixierten ihren Gegenüber mit starren Augen. Schluckend schüttelte Marcel seinen Kopf. „Nein Daimon. Natürlich hasst ich dich nicht...! Du bist doch immer noch mein Bruder und in gewissermaßen warst du sogar unzurechnungsfähig! Aber ich weiß jetzt einfach nicht wie mich gegenüber dir verhalten soll.“ Marcel schoss die Schamesröte in die Wangen. „Das ist alles so Irreführend! Aber das allerschlimmste ist für mich, das er mir auch noch gefallen hat. Ich kann meinem eigenen Körper nicht mehr vertrauen. Er gaukelt mir Sachen vor die ich angeblich schön finde, wobei mein Gehirn eigentlich ganz genau weiß, dass sie Falsch sind.“ „Aso.“ Während Daimon den Worten seines Bruders lauschte bohrte er seine spitzen Eckzähne in seine Unterlippe. Es gefiel ihm nicht, was Marcel da von sich gab. Und es tat ihm ungeheuerlich Weh. „Die ganzen Jahre herrscht akribische Kälte zwischen uns und dann gibt es endlich mal einen Moment der uns beiden gut tut, und du redest ihn kaputt? Vielleicht hat die Hitzeperiode ihn letzten Endes in die falsche Richtung gelenkt, aber du hast nicht den Eindruck gemacht, als ob du wie ein Hund gelitten hättest. Marcel? Das finde ich nicht fair. Wenn ich dich einfach so umarmt hätte, wäre es okay gewesen oder? Aber was jetzt passiert ist macht dir wohl eher Angst. Tja, da kann man wohl nichts machen.“ Wie mechanisch stand Daimon nach seinem letztem Satz auf und verließ das Schlafzimmer. Alleine blieb Marcel zurück und schaute ihm solange hinter her bis die Türe in die Angel gefallen war, und es wieder Dunkel im Raum wurde. Mist. Die Tränen die aus Marcels Augen flossen wurden immer größer, und liefen in immer kürzeren Abständen über seinen Wangen hinab. Fuck.... Das war gemein! Warum sagte Daimon solch fiese Sachen, wobei er doch ganz genau wusste das es normal war, das Marcel diesen Übergriff nicht dulden konnte?! Oder lag es nicht viel mehr daran, dass es Daimon war? Hätte er anderes reagiert, womöglich sogar mitgemacht wenn Kiley neben ihm gelegen hätte? Ja... Marcel fühlte sich miserabel und schuldig. Nur wegen ihm litten seine Geschwister und er wünschte sich seine alte Familie zurück. Jeremy, der immer da war und Alles ins Reine brachte, Kiley der zu den klügsten Köpfen der Schule zählte, aber dafür mit einem vorlauten Mundwerk geschlagen war, und Daimon der weder Tod noch Teufel scheute und sich von nichts aus der Bahn werfen ließ. Was sie zu den letzten Monaten ihres Leben sagen würden, wenn sie das in der Vergangenheit gewusst hätten? Wären sie enttäuscht von sich? Oder würden sie stattdessen ihm die Schuld geben? Würde das vielleicht sogar der Moment sein, wo sie sich entschieden ihn aus der Familie zu drängen und als normale Dämonen weiter zu leben, die die Menschen Mieden und verachteten? Marcel wollte Jeremy, Kim und Daimon zurück haben! Sogar die Früheren Gemeinheiten der Zwillinge würde er dankend entgegen nehmen...! Hauptsache es wäre alles wieder wie Früher! „Ich halte das nicht mehr aus...“, wimmerte Marcel leise und drückte die Handflächen gegen sein Gesicht. „Ich halte das nicht mehr aus! Ich bin schuld daran das hier Alle zugrunde gehen! Sie werden zu Zombies, und ich kann nichts dagegen tun.“ Das war wohl die Veränderung die Jeremy früher durchlebt hatte, als Kiley in die Hitzeperiode kam. Aber wie hatten die Vier das geschafft ohne verrückt zu werden, und wie war Kim damit umgegangen? Fühlte er sich damals auch so schlecht, wie Marcel heute? In Gedanken versunken bemerkte Marcel zuerst gar nicht wie Daimons Handy ein zweite Mal ging und griff unbeholfen nach dem Gerät, als ihm bewusste wurde, dass es sich nicht um einen Anruf, sondern um eine Kurzmittelung handelt. Die Stirn in Falten gelegt und die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, schwebte Marcels Daumen über dem Display. Sollte er? Er war Neugierig da es sich vielleicht um eine Nachricht von Kiley handeln könnte. Es sah dem älteren Zwilling nämlich ähnlich das er Daimon solange Nervte, bis er ihm zurück geschrieben hatte. Also entschied sich Marcel gegen seine Vernunft und für sein Herz. Er tippte die Nachricht an, die dann auch innerhalb weniger Sekunden öffnet wurde. Von Kim: Alter?! Pennst du immer noch?! Schieb endlich deinen faulen Arsch aus dem Bett, und komm in die Gänge! Ich will dich sehen, kapiert?! Wir müssen unbedingt Reden. Der Penner von Vermieter hat sich heute gemeldet (um 6. 48 Uhr morgens - WTF!?) und mir gesagt das wir uns in den nächsten 2 Tagen entscheiden müssen. Ansonsten ist die Wohnung futsch! Und so eine billige und so einen blöden Hund der uns unseren Betrug abkauft, finden wir NIE wieder! HDSK (Hau` dich sonst Kaputt!) Oh... Oh! Auch wenn sein Name nicht dabei gestanden hätte, war Marcel sofort klar, dass es sich hierbei nur um eine Nachricht von Kiley handeln konnte. Niemand anderes würde Daimon auch nur annähernd so Fuchsig anschnauzen. *X* Normalerweise ging Marcel sofort in sein Klassenzimmer wenn er mit Fee und Connor aus den Bus gestiegen war, aber heute blieb er ausnahmsweise mal auf den Schüler-Parkplatz stehen. Er hielt nach einem roten Cabriolet und einer Rosa Wolkenmähne Ausschau. Als er Kileys Nachricht am Morgen gelesen hatte, überkam Marcel ganz plötzlich das schlechtes Gewissen. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie ihm ein Mädchen auf der Geburtstagsparty die Schuld an ihren Zusammenbruch gab, und scheiße... er konnte noch nicht mal sicher sagen, dass sie Unrecht hatte. Irgendwie konnte er sich an Nichts mehr erinnern, und schon gar nicht an dem Moment, indem Hikari Bewusstlos in seine Arme sackte. Marcel leckte sich über die trockenen Lippen und warf einen Blick auf sein Handy. Keine neuen Nachrichten. Anscheinen hielt es sein Bruder für Unnötig zu berichten wo er die letzte Nacht gewesen war. Mhm, aber waren sie das überhaupt noch...? Normale Geschwister? Oder stimmte diese Bezeichnung nicht mehr und waren sie nun... Partner? Oh man, da war es noch nicht mal eine Woche her das sie sich das erste Mal geküsst hatten, und schon verspürte Marcel einen tiefen Stich der Eifersucht in seinem Herzen wenn Kiley jemand anderen mehr Aufmerksamkeit schenkte, als ihm. Kiley, ehemals unangenehmer Heißsporn und nun... Geliebter? Das hörte sich gut an. Das hörte sich verdammt wirklich gut an... Für eine Zeit lang starrte Marcel schweigend auf den Bildschirm. Der Blick, mit dem er sein Handy betrachtete war so intensiv, dass der Blonde gar nicht bemerkte wie ein rotlackierter Blitz an ihm vorbei schoss, plötzlich stehen blieb und eine Türe geöffnet wurde. „Hey...“, rief eine laute Stimme aus der Nähe. „Oh...!“ Marcel blinzelte überrascht auf und legte den Kopf in den Nacken. „Hey Kleiner. Guten Morgen.“ Noch bevor er den Gruß erwidern konnte, wurde Marcel auch schon von zwei starken Armen gepackt und in eine herzliche Umarmung gezogen. „Uff!“, machte Marcel und ein wohliges Seufzend schlich sich Zeitgleich über seine Lippen. „>Uff< hier nicht rum! Heh, hast du hier etwa auch mich gewartet, als ich nicht im Bus saß?“ Kim grinste seinen blonden Engel von Ober herab an, und drückte ihm unterwarterweise eine kurzen, unschuldigen Kuss auf die Wange. „Irgendwer muss ja gucken wo du bleibst.“, murmelte Marcel und drückte sein gerötetes Gesicht leicht gegen die Brust des Älteren. Er mochte es, er mochte diesen harten Griff mit dem Kiley ihn so feste an seine Brust drückte und es sich so anfühlte, als würde er Marcel nie wieder los lassen wollen. „Natürlich. Wie Dumm von mir! Was sollte ich nur Ohne dich machen?“, hauchte Kim lachend und ein paar dunklen Haarsträhnen fielen ihm in die Augen. „Tja, siehst du mal. Jetzt passt der kleine Bruder auf den Großen auf.“, meinte Marcel ebenfalls lachend, und rieb seine Wange ein letztes Mal gegen das dunkelblaue Achselshirt und lehnte sich dann zurück. „Warum hast du mir nicht gesagt, das du die Nacht bei Hikari verbringst ? Glaubst du ich mache mir keine Sorgen um dich?“ Zögerlich drehte er den Kopf zur Seite damit Kim nicht sehen konnte, wie sehr ihn diese Frage in Verlegenheit brachte. Ob er den leisen Vorwurf in Marcels Stimme deuten konnte? Er biss sich leicht auf die Lippe und schob seine plötzlich kalten Finger unter seine Arme. „Hat Daimon dir denn nicht gesagt wo ich bin?“, fragte Kim und zog eine Augenbraue hoch. „Ähm... Doch.“ „Dann ist doch alles in Ordnung. Warum ziehst du denn so ein langes Gesicht?“ Der Nachdenkliche Ausdruck in Kims Augen verschwand, und machte einem Skeptischen Blick Platz. „... Aber ich hätte es gerne von dir selber gehört.“ Marcel sah aus dem Augenwinkel nochmal zu dem Älteren hoch, und wich seinem stechenden Blick dann doch lieber schnell aus. Er kannte schließlich seinen Bruder, und die nervige Fähigkeit anderen auf den Grund ihrer Seele zu schauten, die er zweifelsohne von Jeremy gelernt hatte. „Deswegen bist du Depri? Ach man, du bist so eine Zicke!“ „Ich bin kein Mädchen.“, knurrte Marcel und schnappte mit den Zähnen nach Kims Zeigefinger, der sich neckend in seine Wangentasche bohren wollte. „Also hör auf mich so zu nennen!“ „Na! Bist du nicht? Und wieso hast du denn am Wochenende ein Lolitakleid getragen?“ „Halt die Klappe du Mistkerl!“ „Achso, jetzt kapiere ich die Sache.“ Als Marcel das Gesicht drehte um Kiley noch einen bissigen Kommentar an den Kopf zu schleudern, zuckte er zurück als seine Nasenspitze plötzlich Kims Wange streifte, denn er hatte nicht damit gerechnet, das ihm dieser auf einmal so nahe sein würde. Seine Augen nahmen für einen kurzen Moment einen geschockten Ausdruck an und ein minimales Angstgefühl, versuchte von ihm Besitz zu ergreifen. „Du bist eifersüchtig, oder Marcel?“, säuselte der Schwarzhaarige kühl und starrte mit seinen tiefen, unergründlichen Augen in Dunkelblaue Seelenspiegel. Augenblick wurden Marcels Knie weich und er stieß einen leisen Fluch aus. Mistkerl... Es dauerte nicht mehr lange und er würde seinem älteren Bruder total verfallen sein! Kim war so ein durchtriebenes Biest, er wusste ganz genau womit er Marcel aus der Fassung bringen konnte und er setzte seine Mittel auch ohne Rücksicht ein. „Du weißt das wir hier in der Schule sind...“, zischelte Marcel das Gesicht wegdrehend. Seine Augen funkelten wütend, denn Kims Mundpartie schwebte nur wenige Zentimeter über seinen Lippen. Der Blonde hat echt keine Ahnung wie Kiley die Meinung der Anderen so dermaßen am Arsch vorbei gehen konnte.Ob es wohl am Alter lag? Er selbst kam ja jetzt schon ins Schwitzen! „Wenn uns jemand so sieht, dann sind wir geliefert!“ „Ha!“, meinte Kim mit einen schiefen Lächeln. „Du willst doch das uns jemand sieht, wenn du dich so besitzergreifen an meine Hüfte klammerst. Hast du mich letzte Nacht denn so stark vermisst? Mein armes Baby, wenn wir erst mal in die neue Wohnung gezogen sind wirst du keinen Grund mehr haben, um mich zu vermissen.“ Sein warmer Mund legte sich kurz in Marcels Halsbeuge und die Zunge strich flüchtig über die kleine Erhebung des Adamsapfels. „Vor allem nicht mehr in den Nächten.“ Die Zunge auf seiner Haut veranlasste Marcel dazu, ganz schnell und ganz weit nach hinten zu springen. Sein Gesicht brannte Lichterlo als er die Hand in seinen Nacken presste und er den Verantwortlichen in den Boden starrte. „Ki-Kiley!“, entrüstete er sich stotternd. „ Spinnst du?! Das... Das ist echt nicht die richtige Lokation um Intim zu werden!“ „Tut mir leid, Süßer.“ Immer noch grinsend streckte Kiley seine Hände nach Marcel aus und zog ihn wieder zu zurück. „Ich kann einfach nicht meine Finger von dir lassen wenn wir alleine sind.“ „Dann sollte ich sie dir abschneiden!“ Die Antwort kam so Rasch und Ehrlich das Kim erstmals blinzeln musste, und dann in schallendes Gelächter ausbrach. Mit seiner Hand quetschte er kurz Marcels schmale Finger und seine Augen begannen zu glühten, als ihm dies ein kleines Wimmern einbrachte. Aus dem Augenwinkel heraus entdeckte er ein paar Schüler auf ihren Platz zu kommen, und so drückte Kim seinen Bruder in ein Naheliegendes Gebüsch, was sie vor den neugierigen Blicken der Jungen und Mädchen schützen sollte. „Du frecher Zwerg, ich werde dir schon zeigen wo es langgeht! Du kannst vielleicht große Töne spucken, aber keine Schmerzen ertragen. Und das ist ein relativ dummes Verhalten, denn ich könnte dir Viele bereiten wenn ich wollte.“ Damit schlang Kiley einen Arm um Marcels Hüfte und küsste ihn grob auf den Mund. Obwohl er sich zuvor umgesehen und nochmal die Lage abgecheckt hatte, fing sein Herz an zu pochen. Jeder Kuss könnte ein Desaster auslösen, und jede Berührung ihrer Zungen ließen ihn mehr und mehr seine eigentliche Position als großer Bruder vergessen. Aber wahrschlich wurde Kiley mit der Zeit einfach nur Paranoid, und wollte Marcel den größtmöglichsten Schutz vor der Öffentlichkeit bieten. Ach, wenn das mal kein Liebesbeweis war... Sanft drückte er den Blondhaarigen an seine Brust und verstärkte den Griff, den er um Marcels Mitte gelegt hatte. „Oh... du bist so... unverschämt!“, stöhnte dieser in Kileys Mund hinein, wobei sich beide Hände feste in das Dunkelblaue Shirt gruben. Marcel hätte nie gedacht das ein bloßer Kuss so aufregend sein konnte. Niemals zuvor hatte er einen Mann getroffen den er so begehrte, niemals hatte ihn jemand so deutlich zeigt, was es heißt, zwischen Feuer und Eis zu wandeln wie Kim es tat. Erst lockte das Stone Face Marcel in eine Welt die er gar nicht kannte, und dann legte es seine feurigheißen Krallen um seinen Hals und würde ihn dann auf ewig dort gefangen halten. Er fühlte sich körperlich zu seinem Bruder hingezogen, das stand außer Frage; aber er spürte auch noch auf einer anderen Ebene eine tiefe Verbundenheit mit diesen arroganten, und sarkastischen Dämon. „...unverschämt heiß.“, vollende Kiley den Angefangenen Satz und zerrte mit den Zähnen an einer roten Unterlippe. Diesmal konnte man es kaum noch als Kuss bezeichnen; Kiley nutzte sein scharfes Gebiss und seine Kraft um Marcel deutlich zu machen, das er die Dominanz in der Hand hielt. Zwar biss er nicht so hart zu, das er die weiche Haut verletzte, aber dennoch feste genug für Marcel, das er nicht anders konnte und einen Schmerzenslaut von sich geben musste. Dabei sollte es jedoch nicht bleiben: Auch wenn die Berührungen ihrer Lippen hart begonnen hatten, wurden diese mit der Zeit immer sanfter und inniger. Kiley umfasste Marcels Hinterkopf und vergrub seine freie Hand in den blonden Haarschopf. Er genöss den Schmack auf seiner Zunge, ebenso den schmalen, femininen Körper des Anderen unter seinen Fingern - Kim konnte doch nichts dafür. Er war eben auch nur ein Mann und hatte gewisse Bedürfnisse die es zu stillen gab. Und auch die Umstände, dass derjenige der diese Bedürfnisse erst weckte vor ihm stand, machte die Sache nicht unbedingt leichter. Als Kim Marcels Kopf etwas drehte, um seine langen Haare zurückzuschieben, war es ihm, als züngelten kleine, knisternde Stromstöße durch seinen Körper. Ein wohliger Schauer jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken. „Kiley...“, wisperte Marcel und strauchelte leicht weil seine Beine ihn einfach nicht mehr tragen wollten. Das war alles so ... Wow... so unbeschreiblich erotisch und erregend. Der Dämon bemerkte wie sich Marcels zierliche Gestalt verkrampfte und den Kopf weg, drehte als er nach Luft rang. „Ich wollte heute eigentlich noch in die Schule gehen, weißt du?“ Sofort ließ der Ältere von ihm ab und lächelte Marcel leicht zerknittert an. Upps, da waren ihm wohl die Hormone durchgegangen. „Habe ich meinen Fehler denn wieder gut gemacht?“, erkundigte sich Kim leise und streichelte sanft über die erhitzen Wangen. „Mehr als das. Ich weiß gar nicht wie ich mich jetzt noch auf den Unterricht konzentrieren kann.“, bestätigte Marcel und verdrehte im ersten Moment die Augen, als seinem Bruder ein furchtbar schmutziges Grinsen über das schöne Gesicht huschte. „ Zügel deine perversen Gedanken, du Sau. Ich weiß genau woran denkst!“ „Achja? Dann klär` mich doch bitte mal auf.“ Schmunzelnd beugte Kim sich nach vorne lehnte seine Stirn gegen Marcels Kopf. Langsam öffnete er die Augen und schaute den anderen abschätzend an. „Habe ich denn einen Grund zur Vorfreude, Kleiner? Hikari hat mir erzählt das sie am Nachmittag noch was mit Daimon unternehmen wollte, also hätten wir beide ein paar Stunden ruhe. Wir könnten uns ja um das kümmern, worüber wir uns letztens Unterhalten haben.“ So schnell wie Marcel daraufhin das Blut in den Kopf schoss, konnte er gar nicht gucken. Natürlich war dem Blonden sofort klar worauf Kiley anspielte. Er redete nicht von der Schule oder irgendwelche Biologiebüchern, nein, er redete von Sex! Sex mit Marcel! „Ist... das nicht... et - etwas...naja...“ „Etwas Vorschnell?“, beendete Kiley den abgebrochenen Satz mit einem leichten Schmunzeln. „Ja das ist es in der Tat, und du kannst auch gerne ablehnen denn ich will dich nicht hetzen. Immerhin bist du noch Jungfrau und gänzlich Unerfahren auf diesen Gebiet, aber ich möchte mit dir Schlafen. Vielleicht nicht heute, oder morgen, sondern irgendwann wenn du dich bei mir sicher fühlst.“ Geschafft. Endlich hatte Kiley diesen Satz über seine Lippen gebracht, und trotzdem klang die Nervösität nicht ab sondern steigerte sich nur noch mehr, obwohl er ihn schon so oft gesagt hatte. Aber es fühlte sich Richtig an. Er wollte mit Marcel Schlafen. Er wollte ihm die schönste Nebensache dieser Welt zeigen und beweisen, dass er mehr Empfand als andere Leute. Was würde Marcel sagen? Ja oder Nein? Würde er überhaupt etwas sagen, und was wenn er komplett ablehnen würde?! „Das ist es nicht, ich würde ja gerne mit dir Schlafen aber ich bin mir so unsicher.“, gestand Marcel kleinlaut und wich dem Blick seines Bruders aus. „Liegt es daran das wir Geschwister sind? Das wäre natürlich ein berechtigter Einwand.“ „Nein!“, setzte Marcel sofort nach und riss den Kopf in den Nacken damit Kiley die Ernsthaftigkeit in seinen Augen sehen konnte. „Daran liegt es nicht. Aber ich habe Angst... das wir nur wegen der Hitzeperiode mit einander Schlafen würden, und es später dann bereuen, wenn ich erwachsen bin. Verstehst du mich? Ich will unsere Bindung nicht kaputt machen.“ Eigentlich wollte Marcel Beziehung sagen, aber er hatte erkannt das man ihm damit auch leicht missverstehen konnte. Immerhin wusste er bis jetzt noch nicht wie sie zu einander standen, und was Kiley in seinem Herzen fühlte. Liebte er Marcel? Oder war das Ganze für ihn einfach nur eine weiterte Affäre, die auf sein Konto ging? „Glaubst du, das es mir nur darum geht dich ins Bett zu kriegen?“, fragte Kiley und man konnte sehen wie er seine Rasiermesser scharfen Fangzähne fletsche. „Dann hätte ich das doch schon 3-mal getan, und würde mich nicht mit so belanglosen Dingen wie Küssen und Kuscheln abgeben. Bitte glaube mir, Marcel. Als ich dir vorgestern gesagt habe, das ich nur dir gehöre, meinte ich das wirklich ernst. Du bist mir der wichtigste Mensch auf dieser Erde, und ich würde mir einen Strick nehmen wenn ich mich von dieser verfluchten Hitzeperiode kontrollieren lassen würde. Auch wenn sie uns Dämonen in eine Art Bann zieht, heißt das nicht das wir ihr Willenlos ausgeliefert sind. Umso mehr echte Gefühle ihm Spiel sind, desto weniger kann sie einem Dämon anhaben. Und ich verspreche dir, Marcel, diese Gefühle sind echt.“ ... Das... war´s! Das war das Ende. Das Ende ihrer Geschwisterlichen Beziehung und der Anfang ihrer neuen Zukunft...! Das mag sich zwar kitschig und übertrieben anhören, aber genau das fühlte Marcel in seinem Innern. Erst ertönte das splittern von Glas und gleich darauf folgte das Trommelkommando welches sein wie wild schlagendes Herz veranstaltete. Grade hatte ihm Kiley indirekt seine Liebe gestanden! Die weiße Haut an Marcels Wangen wurden ungewöhnlich rot und er biss sich hochkonzentriert auf die arg strapazierte Unterlippe. Das war nicht gut. Das war gar nicht gut! Jetzt konnte er die letzten 14 Jahre seines Lebens endgültig in die Tonne treten und noch mal ganz von vorne anfangen. Aber er war nicht alleine... Er hatte jemand Starkes an seiner Seite. „Das heißt, das es dir ernst mit mir ist?“, fragte Marcel sicherheitshalber noch einmal nach, und klimperte ungläubig mit seinen Augen. „Dir hat die Hitzeperiode nicht komplett das Gehirn zerquetscht, und du will mich... wirklich an deiner Seite haben? So richtig? Als... Partner?“ „Ja.“, antworte Kiley mit einem leichten nicken. „Genau das heißt es. Ich will dich als Partner haben. Als meinen festen Freund.“ „Dann sind wir jetzt zusammen?“ An dieser Stelle hob Kim kurz seine Augenbraue und ein leichtes Grinsen lauerte in seinem Mundwinkel. „Ja. Ja. Und nochmal Ja! Wie oft denn noch? Soll ich dir das vielleicht Schriftlich geben?!“ Als Marcel schüchtern nickte, stöhnte Kiley theatralisch auf und schlug sich die Hand vor die Stirn. Dass er nun ein Weib in einem Männerkörper an der Strippe hatte, war ihm sowieso schon klar gewesen, aber einen Romantiker...? Das war selbst für jemanden wie Kim zu viel des Guten. „Alter! Du hast nicht mehr alle Latten am Zaun. Ehrlich jetzt! Wenn ich sagte das wir von nun an ein Paar sind, dann sind wir das auch.“ „Pah!“ Schmollend drehte Marcel das Gesicht zur Seite, hob seine Hand und drückte Kiley denn Mund zu. „Du bist ein alter Herzensbrecher. Natürlich will ich einen Beweis haben.“ Als Kim als Antwort nur mit den Zähnen in seine Hand biss, wurden Marcels Augen groß und ein „Aua“ entkam seinen Lippen, ehe sie sich zu einer bebenden, knitterigen Line verzogen. „Du willst einen Beweis haben?“, wollte der Ältere nun mit gefährlich leiser Stimme wissen. Das war ja wohl die Höhe! So ein aufmüpfiges Verhalten würde er seinem frischgebackenen Freund schnell austreiben, und so befreite er seinen Mund von dem Knebel. „Dann komme heute Nachmittag in mein Zimmer, und du kriegst ihn!“ „In der Form von Sex!?“, fragte Marcel etwas verunsichert. „Nein. In der Form von einem Tracht Prügel!“ *X* „Was ist heute los mit dir, Marcel? Du siehst so glücklich aus?“, erkundigte sich Connor in der Mittagspause und beugte sich zu seiner Tasche runter, um seine Butterbrotdose heraus zu holen. „Was soll mit mir los sein? Ich bin doch normal drauf.“, antwortete Marcel scheinheilig und biss ein Stück von seinem Apfel ab, den er sich am Morgen in alle Eile noch schnappen konnte. Nachdem er das Doppelzimmer der Zwillinge verlassen hatte, musste alles ganz schnell gehen und Marcel schaffte es nur mit Mühe und Not unter die Dusche zuspringen. Daimon ignorierte ihn die kommenden Stunden, und das fand Marcel schon sonderbar, denn sonst war der Rotschopf nie um ein Wort verlegen wenn er schlecht drauf war. Anscheinend ging ihm diese >Sache< wirklich hinterher, und er beschloss, das er Marcel erstmals wie Luft behandelte. „Das da!“, rief Connor lachend und deute auf Marcels Gesicht. „Dein dämliches Grinsen, deine funkelnden Augen... Alles! Du siehst aus als wäre heute der beste Tag in deinem Leben.“ „Das ist gar nicht wahr!“ Murrend holte der Blonde aus und schlug seinem besten Freund hart auf den Oberarm, der jedoch nur in schallendes Gelächter ausbrach und seine Wasserflasche aufschraubte. „Und wie gut du drauf bist. Erzähl´ schon, was ist passiert? Immerhin bin ich dein bester Freund und ich habe ein recht da-“ „Connor!“, brummelte Fee und warf ihren Tischnachbar darauf nur einen unheilvollen Blick zu. Der Streber und die blonde Zicken hatten heute anscheinend so gute Laune dass sie die ganze Cafeteria mit ihrem Geplänkel unterhielten. „Hör auf Marcel so zu Löscheren. Wenn er uns nichts Erzählen möchte, ist das sein Ding. Obwohl...“ Plötzlich schlich sich ein kleines Grinsen auf ihre roten Lippen, und sie streckte sich nach vorne und legte ihre Finger auf Marcels Hand. „... Obwohl, deiner besten Freundin würdest du es bestimmt erzählen, oder?“ „Nein.“, schnappte auch Marcel schon zurück, und rückte ein Stück nach hinten damit er endlich in Ruhe seine SMS schreiben konnte. „Ich bin grade beschäftigt. Sieht ihr das nicht?“ Oh man, dachte Marcel schnaubend. Da hatte er grade mal seit zwei Stunden einen festen Freund und schon sahen in alle Leute an, wie verliebt er doch war. Es war 10 Uhr und Marcel verbrachte seine freie Zeit grade mit Fee und Connor in der Cafeteria und seinen Freunde warfen ihm immer wieder verstohlene Blicke zu. Natürlich konnte er den beiden Nichts vormachen...! Sie erkannte sofort das der Blonde ihnen etwas verheimlichte, und versuchten alles, um das Geheimnis aus ihn heraus zu kitzeln. Er konnte nur hoffen das der Tag schnell vorbei ging und den zweien die Fragerei langweilig wurde. In der Zwischenzeit blickte Marcel stur auf sein Handy und las die Nachricht noch einmal auf Fehler durch. An Kiley: Ich dachte, das du am Nachmittag mit Daimon in die Stadt fährst und ihr euch nochmal die Mietwohnung anschaut? Wie kannst du dann mit mir zusammen sein..?. :-/ Es war seltsam. Da hatte Marcel schon sein ganzes Leben lang mit Kiley verbracht, im Dezember würden es genau 15 Jahre sein, und trotzdem hatte er das Gefühl, als ob er ihn gar nicht richtig kennen würde! Er wusste weder von seinem Vorlieben, noch von seinen Abneigungen. Das musste sich schnell ändern! Deshalb beschloss Marcel das er seinen Bruder bei passender Gelegenheit, mal ein bisschen auf den Zahn fühlen sollte. Außerdem wollte er noch mehr über die Stone Face erfahren und wissen, ob es nun irgendwelche Einschränkungen für sie gab. Küssen zum Beispiel. Musste Marcel auf seine Zunge aufpassen, oder bräuchte er keine Angst haben, das er sich irgendwie an Kileys Fangzähnen schnitt? Oder beim Kuscheln. Konnte sich die beiden bedenkenlos anfassen, oder gab es einen Punkt an dem der Vampir in Kim aktiv wurde, und Marcel auf Abstand gehen musste? Herr Gott nochmal! Wieso konnte Marcel nicht auch ein Dämon sein, dann brauchte er sich nicht so viele Gedanken machen! „Wollt ihr dieses Wochenende bei mir übernachten?“, warf Fee plötzlich in die Runde und ihre Männlichen Kumpanen hoben überrascht den Kopf. „Echt?“, fragte Connor verblüfft. „Gibt es dafür einen bestimmten Grund oder sagst du das einfach nur so?“ „Ich…“ Marcel öffnete den Mund ein paar Mal, doch kein Ton verließ seine Lippen. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Auf der einen Seite hatte er große Lust mit seinen besten Freund abzuhängen, aber er wusste auch, das Daimon am Wochenende oft mit seinen Freunden unterwegs war, und demnach würde er endlich ein bisschen Ruhe mit Kiley haben... Vielleicht konnten sie die Zeit sinnvoll nutzen und ihre frische Liebe weiter aufbauen. „.. ich kann leider nicht. Sorry Leute. Aber ich wollte Samstag und Sonntag den ganzen Tag mit lernen verbringen. Immerhin schreiben wir Anfang Mai die Matheklasur und ihr wisst ja, wie schlecht ich in diesem Fach bin.“, fuhr er stattdessen fort und heftete seinen Blick auf sein Mittagessen. „Schade.“, meinte Fee etwas enttäuscht und widmende sich dann wieder ihrem eigenen Butterbrot. „Aber dann ein anders mal, ja? Meine Mutter macht sich nämlich schon sorgen, und hat Angst das die Zwillinge dich schlagen könnten. Nach Daimons Auftritt bei uns zuhause, kann ich ihr das ehrlich gesagt nicht wirklich verübeln.“ Das Mädchen beendete ihr Mittagessen, putzte ihren Mund mit einem Taschentuch ab, und schaute Marcel feste in die Augen. „Habe ich denn Recht? Tun sie dir weh?“ „Diese Zeit ist vorbei.“, erwiderte Marcel und spürte plötzlich wie sein Herz vor lauter Gerührtheit auf Luftballon Größe anschwoll. „Ich verstehe mich jetzt besser mit ihnen. Klar Zoffen wir uns hin und wieder nochmal, aber im großen und ganzen kann ich behaupten, das uns Jeremys Abwesenheit zusammen geschweißt hat. Daimon und Kiley behandeln mich jetzt viel Netter und ich habe eigentlich kaum noch Schläge kassiert.“ Marcel tastete die Tischplatte nach Fee Fingern ab und grinste, als er sie gefunden hatte. „Du brauchst dir also keine Sorgen machen, Süße. Mir geht es wirklich bestens und im Moment bin ich vollkommen zufrieden mit ihnen. Du kannst deiner Mama sagen dass sie die Beste ist, und das ich sie ganz herzlich grüße.“ Zufrieden mit seiner Aussage lehnte sich Marcel zurück und griff nach seinem Handy um zu sehen, wie spät es war, da fing es an zu vibrieren. Eine neue SMS. Von Kim! Grinsend entriegelte er die Tastensperre und tippte die Nachricht an. Von Kiley: Das machen Wir auch, aber das dauert doch keine 5 Stunden! Außerdem begleitet uns Hikari weil sie schon alleine wohnt, und sich ein bisschen mit der Materie auskennt. Sie weiß worauf wir achten müssen und so. Danach fährt sie mich nachhause. Wieso fragst du? Willst du meinen Vorschlag jetzt doch in die Tat umsetzen? ;-p „Ganz sicher nicht...“, flüsterte Marcel im halblauten und stopfte sein Handy schnell in die Hosentasche, obwohl ihn bei den Gedanken an Kileys Traumhaften Körper, beinahe das Wasser im Mund zusammen lief. *X* Schmollend schlug Marcel sein Mathebuch auf und vergrub seine Nase zwischen die Blätter. Das war doch alles Käse... Von den 15 Aufgaben, die sie in den letzte Tagen gelernt hatten und die mit Sicherheit in der Klausur vorkommen würden, verstand er nur die Hälfte. Noch nicht mal das. Genau genommen waren es nur 4 Aufgaben bei denen er sich wirklich sicher fühlte, und der Rest war einfach nur... Bullshit. Riesengroßer Bullshit! Als Marcel in der Cafeteria zu Fee sagte das er für die kommende Matheklausur lernen wollte, war das nicht nur ein Vorwand um mit Kiley zusammen zu sein, nein, das war leider die bittere Realität. Er musste wirklich Üben und das nicht grade wenig! Auch wenn ihm die Idee mit der Arbeit eher nur zufällig eingefallen war, erinnerte sie ihn an seine Pflichten zurück, denn sonst hätte Marcel diese Wissensabtrage total vergessen! Und dann war es auch noch Mathe! Sein absolutes HASSFACH. Wenn er die Abschlussprüfung nicht so wie Daimon verhauen wollte, würde Marcel bis dahin gewaltige Fortschritte machen müssen. Denn im Gegensatz zu ihm war Daimon ein kleines Mathegenie, beim besten Willen nicht blöd sondern einfach nur Faul, und wenn ER das schon nicht packte, wie sollte das denn so jemand Marcel schaffen? Er war zwar auch nicht Dumm, aber Daimon hatte eindeutig die Nase vorne. Er besaß das wovon andere Leute nur träumen konnten: ein logisches Denkvermögen! „Ich raffe das doch eh nicht.“ Marcel presste die Lippen zu einer schmalen Line zusammen. „Wie soll ich denn etwas Üben, was ich sowieso nicht kapiere? Ich hätte wirklich Connor um Hilfe bitten sollen. Er hätte mir diesen Rotz von Linearen Funktionen mit Leichtigkeit erklären können. Mann!“ Mit einen knurren zupfte Marcel seine blonden Haare zurecht und warf den Kugelschreiben quer über seinen Schreibtisch. So blöd wie er konnte doch kein Mensch sein?! „Oder ich frage Später Kiley. Der ist klug, der kann das sicher auch noch.“ Er betrachtete das Buch noch ein paar Sekunden, bevor sein Ehrgeiz schließlich zu groß wurde und er sich nach vorne beugte, und anfing zu schreiben. Diesmal würde Marcel keine 4 bekommen, diesmal würde er mindestens eine 3 schaffen. Und wenn es hart auf hart kam... dann würde er sogar über seinen Schatten springen und Daimon um Nachhilfe bitten. Die nächsten 2 Stunden vergingen wie im Schneckentempo und der Himmel über dem Hause Sandojé färbte sich langsam aber sicher immer dunkler. Es sah nach Regen aus, und bis jetzt waren Kiley und Daimon noch nicht zurück gekommen. Marcel bekam deswegen ein ungutes Gefühl. Besorgt nahm er sein Handy in die Hand und checkte seinen SMS-Speicher, aber keiner von den Zwillingen hatte ihm geschrieben. Mann. Entweder diskutierten sie mit dem dicken Vermieter über die Kosten, oder aber sie veranstalteten eine kleine Kneipentour durch Tirsk! Beides konnte sich Marcel lebhaft vorstellen. Den zwei Schluckspechten war es schnurregal ob am nächsten Tag die Schule rief, oder der Sonntag. Die Zwillinge konnten immer und vor allem ohne schlechtes Gewissen Alkohol saufen! Marcel kniff die Augen zusammen. Er machte sich sorgen um seine Chaosbrüder, und wenn sie nur wieder wie blöde in einer Kneipe versackten, würde er ihnen zur Strafe den Arsch aufreißen. Oder noch besser... Er würde sie deswegen bei Jeremy anschwärzen! Ach Jeremy. Die Augen des Blonden wurden plötzlich glasig als er an seinen ältesten Bruder dachte, und sein Herz fing an zu pochen. Jeremy... Dieser Knallkopf! Er war jetzt schon über einen Monat bei der Armee, und bis jetzt er sich kein einziges Mal gemeldet. Kein einziges verficktes Mal! War Jeremy denn wirklich so schwer beschäftigt das er noch nicht mal 5 Minuten Zeit fand, um seine Geschwister anzurufen und zu fragen wie es ihnen ging?! Nein? Dann sollte er schleunigst einen neuen Job suchen! Marcel spürte wie ihm heiß wurde und ein unangenehmes kratzen in seinem Hals entstand, welches bis zu seinem Augen hoch wanderte. Was spielte sich da ab? Warum ließ Jeremy seine Familie solange Warten? Marcel konnte sich keine Erklärung geben, aber er wusste das so ein Verhalten nicht zu Jeremy passte. Er war Pflichtbewusst und Verantwortungsvoll, natürlich, aber einem Offizier sollte es nicht allzu schwer fallen, mal auf den Tisch zu hauen und ein bisschen Freizeit einzufordern - Schließlich wussten alle die in diesem Haus wohnten, das Jeremy zwar warmherzig und ausgeglichen war, aber wenn ihm etwas wirklich gegen den Strich ging, erst recht wenn es seine Geschwister betraf, dann verwandelte er sich in einen Berserker. Also warum jetzt nicht? Wo lag das Problem? War Jeremy zu einem gestressten Workaholic mutiert? Interessierte er sich gar nicht mehr für seine Familie? Marcel hatte keine Ahnung, er konnte einfach keine Erklärung für so eine absurde Veränderung finden! „Warum tut er uns das an... Warum tut er MIR das an?!“, flüsterte Marcel und legte den Kopf in den Nacken um in den Himmel, beziehungsweise an die Decke, zu starren. „Kiley und Daimon könnten mir den Hals umdrehen und er würde das gar nicht bemerken...“ Ein tiefes Seufzten verließ Marcels Lippen, ehe er sich von seinem Drehstuhl erhob und zum Fenster ging. Das Wetter war immer noch schlecht. Heute würde es definitiv Regen, wenn nicht sogar ordentlich Gewittern. Die letzten Tag herrschte so ein schwüle Hitzewille in Goetland und nun wollte die Natur ein bisschen Wasser vom Himmel haben, damit ihre Blüten nicht eingingen und alle anderen Pflanzen im trockenen Boden verendeten. Marcel zischte durch die Zähne und warf einen zornigen Blick zu den schwarzen Wolken am Horizont. Sollte Petrus doch gefälligst mit seiner Sinnfluten warten bis Kiley und Daimon das Haus erreicht hatten! Ein grimmiges Lächeln umspielte seine Lippen und seine Augen glitten forschend zu den Bäumen am Waldrand. Marcel meinte dort eine Bewegung gesehen zu haben, aber offensichtlich ging seine Fantasie nur mit ihm durch. Bei so viel Zahlengedöns und Formelkacke würde jedes Gehirn die weiße Flagge hissten. Egal, weiter im Text. Was hatte sich der liebe Gott nur dabei gedacht, um solange mit den bitternötigen Regen zu warten und ihn jetzt Sturzbachartig auf die Erde zu schicken? Man konnte meinen das ihnen die Apokalypse bevor stand! ...Da war doch was! Jetzt war sich Marcel sicher und riss sein Fenster auf. Da hockte eine Gestalt im Wald! Der Nachmittag war überraschend ereignislos verlaufen, doch nun sollte es endlich etwas Aktion geben? Da war er dabei - Aber etwas anderes blieb ihm wohl sowieso nicht übrig! Marcel bemerkte wie sich sein zierlicher Körper verkrampfte. Er wendete den Blick von der Gestalt ab und versuchte, seinen Puls durch tiefes Ein- und ausatmen zu beruhigen. Immerhin befand er sich im Haus und sein Handy lag in Griffnähe auf dem Schreibtisch. Es sollte also kein Problem für ihn sein Kiley und Daimon anzurufen und sie her zu holen. Verdammte Hacke! Hoffentlich war das Ding da draußen nur ein Kaninchen. Marcel raufte seine blonden Haare, besah sich kurz die Tischplatte, schloss die Augen, öffnete sie wieder und richtete seinen Blick auf den Waldrand. „Was nur Hölle...“ Der Gestalt aus den Büschen war zwar verschwunden, aber dafür ertönte das Klatschen von feuchter Haut, dann wieder das Krachen von irgendwelche Sachen, über die Marcel besser nicht so viel Wissen wollte. Vielleicht brachen da grade Knochen. Und dann immer wieder dieses unheimliche Geschrei, als würden ein Monster sich vor lauter Wut die Körperteile rausreißen. Mal kamen die Töne aus der Nähe der Tannenbäume, mal eher Richtung Süden, später hörte Marcel sogar wie ein Menschenähnlicher Schrei den Lärm übertönte. So langsam beschlich ihn die Ahnung, das irgendeiner das Tor zu der Unterwelt aufgestoßen haben könnte. Und nun krochen allerhand Dämonen aus der Tiefe, die sich zu allem Überfluss auch noch in IHREM Wald tummelten! Marcel konnte gar nicht in Worte fassen, was er in diesem Moment fühlte. Panik. Angst. Verzweiflung und vielleicht sogar ein wenig... Wahnsinn? Angst kann dich Verrückt machen, hatte Jeremy in der Vergangenheit einmal zu ihm gesagt. Anscheinend hatte er recht damit gehabt, denn Marcel fing an seine Lippe blutig zu beißen. Als ihm dies bewusste wurde putze er sich angewidert mit dem Handgelenk über den Mund. Solche Psychopathischen-Angewohnheiten sollten nicht schon im Jugendalter anfangen. Jäh sie früher sie auftraten, desto ausgeprägter wurden sie im späteren Leben. Einen Augenblick lang spürte Marcel noch das pochen von seinem Herzen in der Kehle, dann beugte er sich langsam aus dem Fenster, und rief leise: „Hallo?“ Eine Minute später ging das Theater von Vorne los. Ein Heulen ertönte, Marcel schrie laut auf und dann knallte etwas mit voller Wucht von außen gegen die Hauswand. Der blonde Junge sprang voller Entsetzten nach hinten und fiel im nächsten Moment auch schon auf den Boden. Zitternd und auf allen Vieren kroch er zu seinen Schreibtisch. „Ich will nicht sterben.“, wimmerte Marcel und tastete die Platte nach seinem Handy ab - vergebens. Doch ehe er das Gerät in die Finger bekam, hörte er von draußen ein Winseln, dieses Mal eins, von einer ganz anderer Sorte. Einen Augenblick lang traute Marcel seinen Ohren kaum. Es war... furchtbar! War das, was gegen die Wand gekracht war, lebendig? Aber ... Es hörte sich echt an. Marcel atmete wie ein Bär, und das Ding neben seinem Fenster knurrte wie einer. Was war da los?? So klang doch kein Mensch!? Einen Entschluss fassend drückte Marcel seinen Körper in die Höhe und huschte lautlos zu der Zimmertüre. Ihn würde diesen Vieh nicht kriegen! Er spürte das Haus vibrieren und wie das Porzellan in den Schränken schepperte. Nein... das scheppern kam nicht aus den Schränken, sondern aus Marcels Zimmer! Der Kleine neigte den Kopf und entdeckte sein Handy auf den Boden liegen! Ha! Da war das Ding ja! „Mich kriegt ihr Drecksteile nicht! Ich bin zwar kein Dämon, aber immer noch ein Sandojé und ich bin es nicht gewohnt aufzugeben.“ Murrend stopfte Marcel sein Handy in die Hosentasche, nur um dann die Türe zu öffnen und aus dem Raum zu springen, welcher just in dieser Sekunde unter einem wilden Knurren erzitterte. Dann lebte der Dämon, oder was auch immer das war, also tatsächlich noch und da Marcel sein Fenster offen gelassen hatte, würde es sich sicher nicht entgehen lassen und einmal seinen Kopf in das Zimmer stecken. Zu diesem Zeitpunkt wollte Marcel jedoch schon längst in der Küche stehen und das Handy an sein Ohr halten. Vielleicht sollte er unterwegs auch mal in Jeremys Zimmer vorbei sehen: Er wusste das da irgendwo Jeremys Dienstwaffe lag, das hießt, wenn er sie nicht zufällig mit genommen hatte. Marcel rümpfte die Nase. Natürlich nur zur Sicherheit. Und wenn es hart auf hart kam, dann würde er von einer anderen Waffe Gebrauch machen. Der Junge senkten seinen Blick und starrte auf seine Hand. Ein Holzlineal. Aus irgendeinem unbegreiflichen und total paradoxen Grund, hatte er sich sein Lineal aus dem Federmäppchen geholt und war damit aus dem Zimmer geflohen. *X* „Das tut mir echt leid.“, murmelte Marcel. Seine Backen waren vor Scham gerötet und auf seinen Lippen lag ein entschuldigendes Lächeln. „Ich wollte dir nicht weh tun, aber du hast mich richtig fies erschrocken. Ich dachte schon das dass ein Dämon ist, und jemand von den Nemesis.“ „Oi.“, grunzte der mittlerweile wieder silberhaarige Werwolf nur und drückte das Kühlpacket vorsichtig gegen sein Auge. „Wirklich! Ich würde dir doch nicht zum Spaß mein Holzlineal um die Ohren hauen; für wie Brutal hältst du mich eigentlich!?“ Etwas säuerlich drehte Kuroro den Kopf zur Seite und murrte mit plattgedrücktem Gesicht. „Das war doch keine Absicht gewesen, Puppe! Ich dachte, das du mich gesehen hättest und wüsstest das ich das bin! Aber nein! Stattdessen schlägst du mich fast mit diesen Holzschwert zu Tode. Ich hätte mein Auge verlieren können! Du kannst davon ausgehen das ich dich nie mehr besuchen komme, und schon gar nicht für dich Jagen gehe.“ Marcel und Kuroro saßen in der Küchen und beäugten sich Skeptisch. Die düstere Gestalt im Wald war Kuroro gewesen der den Blonden nur besuchen wollte, und er hatte sogar einen Hasen am Waldrand für ihn gefangen. Daher kamen auch die ganzen unheimlichen Geräusche und Knurren von draußen. Marcel Ohren begangen zu glühen. Als der Werwolf die Treppe runter kam, hatte er sich doch tatsächlich am Ende versteckt und wie wild mit seinen Lineal auf dem armen Kuroro eingedroschen. Und nun zierte ein hübsches Feilschen sein braunes Gesicht. „Du hast aber auch ganz schön zu geschlagen, meine Herren, nimmst du neuerdings Unterricht bei Daimon?“ „Nein, Kuroro. Ich hatte einfach nur riesen Schiss.“, sagte Marcel behutsam. Wenn Kuroro wegen seinem blauen Auge schlecht Laune hatte, war höchste Vorsicht geboten. Der sonst so lockere Werwolf konnte nämlich ganz schön empfindlich reagieren, wenn er wollte. „Tzz, ja das du Mega viel Schiss hattest habe ich am eigenen Leib erfahren.“ Kuroro zog beleidigt einen Schmollmund und tastete kurz sein Gesicht ab. „Du siehst zwar klein und zierlich aus, Puppe, aber du hast wirklich Mumm in den Knochen. Alter, ich muss mir eine schöne Geschichte ausdenken wenn mich meine Freunde kommen.“ Marcel presste die Lippen zusammen während er seinen Blick langsam zu dem Dämon wanderten ließ: Kuroro sah bis auf sein geschwollenes Auge gesund aus. Oder vielmehr gesagt, wieder ganz Gesund aus. Die Verletzungen und Brandwunden auf seinem Körper waren fast vollständig abgeheilt, und nur noch drei kleine Narben auf Kuroros linker Wange erinnerten an den Angriff des Nemesis-Mitglieds Lucy Etoile zurück. Die Selbstheilungskräfte eines Dämons waren sehr höher als die eines Menschens, und so konnten Kuroro seine schlimmen Wunden innerhalb weniger Tagen heilen, und war von den überraschenden Angriff nochmal mit dem Schrecken davon gekommen. Dabei konnte man wirklich von Glück reden, das Kuroro überhaupt noch am Leben war: Ein Sterblicher wie Marcel zum Bespiel wäre sofort an den schweren Verletzungen und Verbrennungen gestorben. Aber selbst für ihn hätte es schlecht aussehen, wenn Kiley ihm nicht so schnell im Wald gefunden hätte. „Wenn es dich besänftigt kannst du mich auch mit dem Lineal verprügeln.“, startete Marcel einen letzten Streitschlichtungversuch, aber der Werwolf verdrehte nur seine Augen. „Ja klar, und dann lass ich mir von den Zwillingen die Leber zerfetzten. Lass mal stecken. Mir geht es schon wieder besser, dieser Eisbeutel tut wirklich überraschend gut.“ Marcel atmete erleichtert aus, weil er dem Zorn des Kuroros gerade noch einmal entkommen war und nippte an seinem Kakao, den Blick auf den Lederbeutel am Boden gerichtet. „Und diesen Hasen da hast du extra für mich gefangen?“ „Nein, für die Mülltonne du dummes Püppchen!“ Dabei zwinkerte er Marcel an. „Soll ich ihn dir häuten und ausnehmen?“ „Bloß nicht! ...aber danke. Ich habe grade keinen Appetit auf Hasen...braten.“ „Echt? Schade! Daimon meinte heute Morgen zu mir das ich dir was zu essen machen soll, wenn sie bis 16 Uhr nicht zurück sind und Männer mögen Fleisch doch immer!“ „Hat Daimon das gesagt? Sollst du auch auf mich aufpassen?“ „Jep, richtig erkannt! “, grinste Kuroro und wackelte mit den Augenbrauen. „Du hast schon einen guten Fang mit deinen Geschwistern gemacht, Puppe. Andere Dämonen, insbesondere die Stone Face- halten normalerweise gar nichts von einer engen Familienbindung.“ Marcels Adern schwollen gefährlich an als ihm die Erinnerungen der gestrigen Nacht wieder in den Sinn kamen. Daimon hatte zwar nichts mehr versucht und sich auch sofort zurück gezogen als Marcel das Badezimmer verlassen hatte, aber trotzdem standen ihm bei den Gedanken die Nackenhaare zu Berge. Marcel konnte seine Begierde, wie viele andere Menschen auch, einfach nicht zurückhalten wenn es um den gut aussehenden Daimon ging, und reagierte demensprechend heftig auf dessen Berührungen. „Kennst du dich eigentlich gut mit den Stone Face aus?“, murmelte Marcel und schaute Kuroro aufmerksam an. „Ähm...“, sagte der Werwolf. Er kratzte sich kurz an der Wange und rückte seinen Eisbeutel etwas nach links, da er seine gekühlte Gesichtshälfte kaum noch spürte. „Ich würde mal sagen, ja. Wieso? Möchtest du etwas bestimmtes Wissen?“ „Gerne. Also...“ Unsicher biss sich Marcel auf die Zunge. Er musste überlegen wie er seine Frage formulierte, denn er wollte nicht das Kuroro oder jemand anders Verdacht von ihm und Kiley schöpfte. „Wie stark sind Sie an ihre Dämonischentriebe gebunden? Nehmen wir mal an ein männliches Stone Face hätten eine menschliche Freundin, und würden ihr Näher kommen, abwand erwacht der Vampir in ihm?“ „Das ist ganz unterschiedlich Marcel.“, erklärte der Wolfdämon ruhig. „Bei einigen Stone Face ist dieser Trieb stärker vorhanden, und bei den anderen weniger. Manche Stone Face können ihre Partnerin Stundenlang knuddeln, während anderen Stone Face schon Hungrig werden wenn sie nur ihre Haut anfassen. Vermutlich ist das aber auch nur Übungssache.“ Er nickte kurz und nahm einen Schluck von seinem Wasser. „Aber im allgemeinen solltest du dir merken, dass Sie keine herkömmlichen Vampiren sind, Stone Face sind Drachen. Sie Leben und sie ernähren sich nicht nur von Blut, sondern auch von fester Kost wie Fleisch. Und das müssen sie sogar tun, ansonsten würde ein Stone Face innerhalb weniger Tagen seine Kraft verlieren und Krank werden. Für sie ist Blut wie Wasser, und Fleisch wie Brot.“ Marcel starrte ihn mit Augen großen an. Für ein paar Sekunden herrschte Stille, während er versuchte den Sinn aus Kuroros Aussage zu ziehen. „Nur, damit ich dich richtig verstehe“, fing er langsam an und blinzelte. „Das ist egal wie Intim sie mit einem Menschen werden, es hängt nur alleine von ihrer Übung und Selbstbeherrschung ab?“ „Das ist richtig!“ Kuroro grinste und klopfte Marcel auf die Hand. „So, gibt es noch etwas das dich interessiert?“ „Ja. Ich erinnere mich daran das Kiley mal erzählt hat das Stone Face keine Menschliche kost vertragen, aber Jeremy hat fast jeden Tag mit mir gesessen. Wieso kann nur er das und nicht die Zwillinge!“ „Das ist das gleiche wie eben.“, sagte Kuroro und Marcel hörte aufmerksam zu. „Das ist auch wieder Training. Du weißt ja das Jeremy im Öffentlichen Dienst arbeitet und 24 Stunden am Tag mit normalen Menschen zusammen ist, die nichts von seiner Identität als Stone Face wissen. Irgendwann würde ihnen doch auffallen das Jeremy nichts isst, und ihn mit unangenehmen Fragen löchern, deshalb hat er schon vor vielen Jahren begonnen, kleine Mengen Nahrung zu sich zu nehmen damit er dort essen kann und nicht sofort Kotzen muss.“ „Aber... das schmeckt ihm doch gar nicht.“, beharrte Marcel mit verengten Augen. „Wieso leben meine Geschwister überhaupt bei den Menschen? Doch nicht etwa nur wegen mir!“ „Tja. Aber besser so, als das seine Leute anfangen ihm zu misstrauen. “ war Kuroros Antwort. „Aber das andere entspricht nur der halben Wahrheit. Natürlich bist du ein Grund dafür das sie hier sind, aber deine Geschwister leben auch hier weil sie keine Reinblütigen Stone Face sind, und sie von ihren Artgenossen gemieden werden. Jetzt willst du sicher wissen, was das ist oder? Ein Reinblüter ist ein Dämon der schon von seiner Geburt an ein Dämon ist, und nicht erst durch ein Biss zu einem würde. Außerdem sind Jungdrachen, so nennen Stone Face verwandelte Menschen, sehr viel Schwächer als diese und ständig an ihren Alpadrachen gebunden. Ach Gott, die und ihre komischen Ausdrücke.“ Kuroro gab ein seufzen von sich und verdrehte kurz die Augen. „Ein Alpadrache ist ein Stone Face das einen Menschen verwandelt hat und muss diesen Aufziehen - das ist sogar ein Gesetz denn diese Drachen Leben nach sehr strengen Vorschriften. Leider war es das auch schon mit meinem Wissen, viel mehr kann ich dir nicht erzählen denn Stone Face sind verdammt bizarre Kreaturen, und wollen nichts mit anderen Dämon zu tun haben. Wenn sie nicht am Rande ihrer Exzessen ständen, würden sie auch niemals in einer so großen Kolonie wie in Rumänien zusammen leben. Stone Face sind keine Rudeltiere, sie sind Einzelgänger und treffen sich für gewöhnlich nur zur Paarungszeit und zur Aufsucht ihrer Jungen. Aber ansonsten fühlen sie sich abgeschottet und alleine am wohlsten.“ Gleichzeitig klappte Marcel der Mund auf. Er zog seine Hand unter Kuroros Finger weg und gaben diesen einen kleinen klaps. Auf seinen Lippen lag ein breites Grinsen.„Das ist doch schon Genug! Danke Kuroro. Aber das hört sich alles wirklich heftig an. Ich hätte niemals gedacht das die Stone Face so interessante Dämonen sind. Ich würde gerne noch mehr über sie lernen. Wenn ich das mit den Erzählungen meiner Geschwister vergleiche, ist das schon richtig Ausführlich gewesen. Ich fühle mich jetzt direkt klüger.“ „Danke für die Blumen.“ Innerlich nahm Marcel sich vor, einmal mit Kiley zu reden. Es durfte doch nicht wahr sein das Kuroro mehr über Stone Face wusste, wie sie selbst. Apropos Kiley... wann wollte der Kerl eigentlich nachhause kommen?! Er war schon zwei Stunden zu spät, und wenn er noch etwas Zeit mit Marcel verbringen wollte musste er sich aber Anstrengend! Marcel konnte so ein unzuverlässiges Benehmen nicht billigen. Und er vermisste den Schwarzhaarigen. Etwa viel vermissen. Kuroro rührte grade Halbherzig mit seinem Zeigefinger in dem Wasserglas herum, als er im selben Moment den Blick hob. Anscheinend konnte er Gedankenlesen den er Sprach das aus, was Marcel eben durch den Kopf gegangen war. „Es ist auch nur ein Zufall das ich so viel über Stone Face weiß. Bei uns Dämonen sind sie sowas wie die Schwarzen Männer in den Märchenbücher unsere Kinder. Als Welpe verbot mir meine Mutter immer alleine in die Berge, oder in Höhlen zu gehen, da sie Angst hatte das ich einem Stone Face in die Hände fallen könnte. Sie erzählte mir das dort fiesen Drachen lebten die alles und jeden verspeisen würden, und bei Gelegenheit sogar ein Kinder angriffen.“ Marcel machte große Augen, dann lachte er laut auf und schlug seine Faust auf den Tisch. "Schwarze Männer?! Scheiße Man! Das ist nicht wahr!", woraufhin Kuroro mit einem eisigen Blick erwiderte: "Das ist keine Scheiße. Das ist mein voller Ernst! Als ich Jeremy damals kennen gelernt habe, und er sich zum ersten Mal verwandelt hatte habe ich mir vor Panik fast in die Hose geschissen!“ „Das kann ich mir von dir gar nicht vorstellen!“, erwiderte Marcel. „Du bist doch sonst immer so mutig!“ „Aber nicht bei diesen Viechern! Die gehen einem echt unter die Haut, sei bloß froh das sie dich mögen und dir noch nicht ihre Brutale Seite gezeigt haben. Dann würde dir nämlich dein Lachen vergehen.“ Kuroro blies die Wangen auf und starrte Marcel verständnislos an. „Tja, aber wer >Everybody's Darling< ist, geniest schon ein gutes Leben und als Jungfrau bei drei Drachen sowieso!“ „Hey, das habe ich nicht gehört!“ fuhr Marcel ihn wütend an und sein Gesicht leuchtete Magnetrot. Er holte mit den Lineal aus aber Kuroro war schneller und bekam seine Hand noch im Fluge zufassen. „Wolltest du mich schlagen? Schon wieder?!“ Kuroro rollte mit den Augen als er sah wie Marcel wieder anfing zu lachen und demonstrativ mit dem Lineal in seiner Hand wackelte. Okay, damit der Werwolf ehrlich gesagt jetzt nicht gerechnet. Er wusste natürlich das Marcel ihn nur ärgern wollte, aber normalerweise zog dieser nicht mal halb so selbstbewusst in den Kampf wie heute. Nun musterte er den Blonden doch etwas Baff. Spielten Kuroros Augen ihm etwa einen Streich, oder hatte sich Marcel in den letzten Tagen und Wochen ganz schön verändert? Er konnte es nicht genau sagen, aber auf einmal wirkte Marcel erwachsener, reifer und ... anziehender? „Ah! Ah! Hat der große, böse Wolf etwa Angst vor einem harmlosen Stück Holz? Du bist mir ja ein toller Dämon! Ha! Ha! Ha!“ Kuroro trank den letzten Schluck seines Wassers, ignorierte den Sarkmus und streckte die Hand über den Tisch. „Soll ich dir zeigen wovor der große, böse Wolf Angst hat?“, flüsterte Kuroro verschwörerisch und beobachtete mit Genugtuung wie Marcels Unterlippe zu zittern anfing. „Dann komm mit in meine Höhle und zeige ich dir einen hübschen, roten Umhang den ich einer ehemaligen Lieberhaberin abgenommen habe. Die Kleine war zwar noch ein Blutjungensding, aber eine versaute Hexe im Bett. Fuck. Wenn ich sie gelassen hätte, würde ich mich heute noch in ihrem Bett walzen.“ Marcel schüttelte mit einem verzerrten Grinsen den Kopf und erhob sich. Er nahm seine leere Kakaotasse und setzte sie in der Spüle ab. „Heute nicht, Kuroro. Für heute hatte ich genügend Angst und Panik.“ Schnell warf er einen Blick über die Schulter und bemerkte das der Werwolf auf einmal hinter ihm stand. Huch, Marcel hatte noch nicht mal bemerkt wie er aufgestanden war. Sie sich sahen sich einen Moment lang einfach nur an. Marcel wusste nicht wie er es beschreiben sollte, aber es war anders als wie mit den Männern, mit denen er bisher zusammen gewesen war. Kuroros Blick war durchdringender, und er bekam das Gefühl, das sich diese roten Augen bis auf seine helle Haut brannten. Wenn Kuroro jede Frau so anschaute und sie innerlich zum Schmelzen brachte, sollte er sich nicht wundern, wenn sie alle zu Wachs in seinen Armen wurden und nach mehr lenzten. Kuroro neigte langsam seinen Kopf und legte das Kinn vorsichtig auf Marcels Schulter ab. „Huh!“, entfloh es dessen Lippen. „Braucht das Hündchen etwa seine Streicheleinheiten? Na komm her, du vernarrte Kuschelhase! Der Hundpapa wird dich nicht enttäuschend.“ Grinsend und auch eine Spur verschämt hob Marcel seine Hand um durch Kuroros gesund glänzenden Haare zu fahren. Das wollte er schließlich schon die ganze Zeit machen, aber das hatte er sich bis jetzt einfach nicht getraut. Früher waren sie noch Fremde gewesen, aber Marcel musste gestehen, das er Kuroro schon damals unglaublich schnell sein Vertrauen Schenke. Der Werwolf strahlte eine ehrliche Aura aus. Und das mochte Marcel an einem Menschen besonders; Kuroros Aufrichtigkeit faszinierte ihn immer wieder auf Neue. Als Marcel Fingers über das Silberne Haar strichen stellte er fest, dass sie sich Weich und Dick anfühlen. So weich und dick wie das Fell eines jungen Hundes. Und das fand Marcel überraschend: Er hätte eher damit Gerechnet das die Haare des Werwolfes Rau und Hart waren - aber nein, ganz im Gegenteil, sie waren Butterweich! Langsam wickelte er eine lange Strähne um seinen Finger und lächelte, weil Kuroro unter der Berührung erzitterte und den Kopf nach mehr winselnd gegen seine Hand drückte. Irgendwie wurde Marcel das sichere Gefühl nicht los, das er grade mit einem sehr Liebesbedürftigen, kleinen Hund kuschelte. Obwohl Klein die reinste Ironie war, denn Kuroro überragte ihn mindestens um anderthalb Kopf. „Das machst du schööön~ Hört nicht auf.“, murmelte Kuroro und schloss genießerisch seine roten Augen, während er seinen Kopf feste gegen die blasse Hand rieb. „Ach Gott, du bist so Knuffig!“, rief Marcel aus und lehnte sich an die warme Brust des Älteren. Kurz linste er nach Oben und berührte vorsichtig dessen Nacken, wo er die Haut sanft massierte. „Und, Ach Gott du bist so unartig! Wer zum Teufel bist du, und was hast du mit den kleinen Jungen gemacht?!“ Marcel kicherte leise. „Das ist nicht wahr! Ich immer noch der gleiche Junge denn du vor fast 2 Monaten im Garten kennengelernt hast!“ „Das kann ich gar nicht glauben, wenn ich dich heute so sehe. Früher warst du noch ein schüchternes Mauerblümchen und heute ein voll Vamp!“ Kapitel 20: Die geheimen Experimente der Mischwesen --------------------------------------------------- Von Kiley: Entschuldige das ich zu spät komme. Daimon und ich wurden in der Stadt noch von ein paar Freunden aufgehalten, und Du weißt ja wie das ist!! Labber, Labber, Labber... Bla Bla Bla -.- Aber jetzt bin ich auf den Weg nachhause. Und zur Entschädigung koche ich dir gleich auch etwas leckeres! :D Also SORRY! An diesem Abend regnete schon seit Stunden. Der Himmel war aschgrau und bedeckt von dichten, grauen Regenwolken. Weit und breit konnte man keine Menschseele auf der Straße erblicken, dafür war es einfach zu kalt und der Verdacht auf ein Unwetter zu groß. Marcel las die Nachricht seines Bruders und strich liebevoll mit den Daumen über den Bildschirm. Er seufzte leise und nippte einmal kurz an seinen Fenchel-Tee, ehe er sich wieder in die warme Decke einkuschelte und seinen Rücken gegen die Sofalehne fallen ließ. Nur gedämpft drangen die Geräusche der Außenwelt zu ihm hindurch. Es wirkte so unheimlich still und leer ohne Daimon und Kim im Haus. Es war keiner da, der in seinem Zimmer laut Heavy Metal hörte, es war keiner da, der Daimons Anlage aus Wut und Frust aus dem Fenster katapultierte, weil er wegen dem Lärm nicht lernen konnte. Nur der Regen prasselte leise säuselnd gegen die Fensterscheiben, lautlose Tropfen mündeten in kleinen Flüssen und rutschten ohne halt ihrem Ende entgegen. Inzwischen war es schon weit nach 18 Uhr. Kileys Nachricht hatte er vor einer ganzen Stunde bekommen, demnach sollte er bald zuhause sein. Und dann würde er den kompletten Abend mit ihm alleine sein und er hatte absolut keine Ahnung, wie er sich verhalten sollte! Aber stattdessen wurde es immer später und so langsam beschlich Marcel das ungute Gefühl, das er heute Abend wohl ohne Mahlzeit ins Bett gehen würde. Zumindest, wenn man davon ausging das Kim kochte. Aus irgendeinen Grund schien der Siebenzehnjährige sich das Ziel gesetzt zu haben, seinem Bruder das Leben so schwer wie möglich zu machen. Seufzend wendete Marcel seinen Kopf von dem Handy ab, um in die Küche zuschauen; Kuroro stand schon die ganze Zeit am Herd. In diesem Moment nahm er wohl grade den gefangen Hasen aus. Er hatte Daimon versprochen das er solange im Haus blieb und auf Marcel aufpasste, bis die Zwillinge wieder zuhause waren - das er sich in der Zwischenzeit auch noch um die Verpflegung kümmerte, war für den jungen Werwolf eine Selbstverständlichkeit. Zwar war Marcel nicht sein eigener Welpe, aber da er ihn in die letzten Jahren immer wieder beaufsichtige hatte, fühlte er sich trotzdem für ihn verantwortlich. „Soll ich ihn einfrieren?“, rief er ins Wohnzimmer und ein kleines feixen schlich über sein Gesicht als er sah, wie Marcel bei den bloßen Gedanken an einem Toden Tier in der Kühltruhe zusammen fuhr. Grinsend verließ Kuroro die Küche und stupste ihn sanft mit den Zeigefinger in die Wange. „Oder willst du doch etwas von dem Hasen essen? Seine Leber sah echt lecker aus...“ Als ihm der Geruch von Blut in die Nase kroch, verzog Marcel leicht das Gesicht. Angeekelt drehte er sich von Kuroro weg. „Nein danke.“, sagte er mit tapfere Stimme. „Aber ich warte lieber bis Kim nachhause kommt. Er wollte mir gleich etwas machen.“ Daraufhin zog Kuroro enttäuscht die Mundwinkel nach unten. Anscheinend traf ihn die Ablehnung mehr, als er nach außen hin zeigen wollte. „Achso, das wusste ich nicht. Tut mir leid.“ „Trotzdem danke.“ Marcel legte den Kopf in den Nacken, streckte die Hand welche nicht damit beschäftigt war die Teetasse zu halten, und strich den traurig aussehenden Kuroro über die struppigen Wolfsohren. „Ich weiß deine mühen ja sehr wohl zu schätzen, aber Wild ist nicht grade mein Ding. Sei bitte nicht beleidigt, ich weiß ja das du es nur gut gemeint hast.“ Er lächelte den Anderen liebevoll an. „Und ich bin mir sicher, das Kiley und Daimon nicht nein zu einem Stück Hasenheule sagen...“ „Natürlich nicht.“ Das Lächeln fand den Weg zurück in Kuroro Gesicht. „Sie sind ja auch klüger wie du und wissen meine hervorragende Küche zu schätzen.“ Er beugte sich nach vorne und hauchte dem Kleinen einen leichten Kuss auf die Haare. „Huch, was? Willst du damit andeuten das ich verwöhnt bin?“ Marcel runzelte die Stirn und schaute nach oben, direkt in ein paar Karminrote Seelenspiegel welche vor Schalk gefährlich funkelten. Die Zunge zwischen die Lippen geklemmt versuchte er Kuroro einen Klaps auf den Hinterkopf zugeben, aber dieser fing sein Handgelenk geschickt mit den Fingern und biss kurz, aber zart in die weiche Haut des Jungen. „Ja, das will ich sehr wohl andeuten. Jeremy hat dich freches Püppchen total verzogen! Wärst du mein Kind, würdest du andere Manieren an den Tag legen. Bei mir gibt es kein >Will ich nicht, mag ich nicht.< Da wird gegessen was auf den Tisch kommt.“ „Aua!“, rief Marcel erschrocken aus. Nun glänzend auch seine Augen wie geschliffene Edelsteine. Auch wenn ihn Kuroro grade ein bisschen Angst machte, ein bisschen viel Angst sogar, so wollte er doch nicht kleinbei geben. Für ihn waren diese Tag gestrichen. Er hatte sich Vorgenohmen, dass er sich nun von NIEMANDEN mehr ärgern ließ. Auch nicht von Kuroro.„Mein Handgelenk zählt aber nicht dazu. Lass mich los - ich bin doch kein Hundeknochen!“ „Sag ich ja, komplett verzogen.“ Murrend zog Kuroro seine Zähne zurück und betrachtete sein Werk; Auf Marcels heller Haut konnte man die deutlichen Bissspuren eines Tieres erkennen - Und dabei hatte er doch wirklich kaum zugedrückt. Der Silberhaarige seufzte kurz. „Ich gib dir wirklich den Rat mehr zu essen. Guck mal, das sieht aus als hätte ich dich richtig gequält...! Du verträgst aber auch gar nichts!“ „Du hast mich auch gequält...!“, zischte Marcel im halbernsten und warf nun seinerseits einen Blick auf das Handgelenk: Und Tatsächlich. Kuroros Zähne hatten einen roten, halbmondförmigen Fleck auf seiner Haut hinterlassen. Aber er zog lediglich eine Augenbrauen in die Höhe. „Krasse Sache.“ „Ja, richtig Krass! Und du willst ein Sandojé sein?“ Kuroro stieß einen verächtlichen laut aus, dann umrundete er das Sofa und lief sich in die weichen Polster gleiten. „Schön besser.“, murmelte er zufrieden und schloss genisserisch die Augen. „Das ist schon etwas anderes, wie die mit Heu vollgestopfte Matratze, die bei mir in der Höhle liegt...“ An dieser Stelle lehnte Marcel den Kopf auf die Seite und zog seine Stirn kraus. Na endlich, jetzt konnte er endlich die Frage stellen, die ihm schon seit längerer Zeit so brennend auf der Zunge lag. „Wieso lebst du im Wald?“, fragte er gradeheraus. „Warum ziehst du nicht hier bei Uns ein? Du könntest doch in der dritten Etage wohnen, die ist noch komplett leer.“ „Weil ich mich in einem Haus nicht wohl fühle.“, antwortete Kuroro wahrheitsgemäß. Mit dieser Frage hatte Marcel ihn jedoch ein wenig verwirrt - weder Daimon, Kim oder sogar Jeremy hatten das jemals gefragt, ob er in das Haus ziehen wollte. Platz für einen 5 Mann wäre definitiv da. „Warum fragst du?“ „Naja...“ Etwas verlegen schob Marcel seine Finger in die Ritze des Sofas. Auf einmal verspürte er das Bedürfnis, sich irgendwo, an irgendwas fest zuhalten um nicht vor Scham im Erdboden zu versinken. Der Gedanke, das er Kuroro mit dieser Frage zu nahe getreten war, wurde plötzlich immer realistischer. Okay, zugegebener Maßen wusste er auch nicht so genau wieso ihn diese Angelegenheit schon so lange beschäftigte, aber irgendwie gehörte Kuroro für ihn schon lange mit zu der Familie. Und nachdem was er alles für sie getan hatte, fand er es nur Fair, wenn Kuroro mit dem selben Kampfort belohnt wurde, den sie alle schon so lange genossen. „...du gehörst dazu. Auch wenn ich dich erst seit ein paar Monaten kenne, könnte ich es mir nicht mehr ohne dich vorstellen. Undenkbar. Du bist ein Teil dieser Familie und solcher, solltest du auch hier leben.“ Eine Sekunde lang schien Kuroro seine Zunge verschluckt zu haben, doch dann lächelte er sanft und strich Marcel über den Kopf.„Das ist Lieb von dir, wirklich, aber ich bin Glücklich im Wald. Ich habe mir zwar die Sprache von Daimon und Kiley abguckt, aber diese ganzen Technologien, die für euch normal so sind, überfordern mich. Diese kleinen Geräte womit ihr mit anderen Leuten sprechen könnt, diese Metallschränke die in ihrem Innern ein Feuer haben, und euer Essen warm macht... das ist alles zu viel für mich. Und irgendwie machen mir die auch Angst. Weißt du eigentlich, wie alt ich bin?“ Als Antwort schüttelte Marcel denn Kopf. Irgendwie erinnerte er sich zwar daran das Jeremy einmal Kuroros Alter erwähnt hatte und das er sehr viel Älter war wie er aussah, aber physisch gesehen wirkte der Werwolf wie 21 oder 22 Jahre. „Dieses Jahr feiere ich meinen Zweihundertsechsten Geburtstag und diese Zeit verbrachte ich meistens in der Natur, fernab von jeglicher Zivilisation.“ Seine Stimme schneidet durch die eben entstandene Stille. „Zwar lebte ich immer mal wieder in der Nähe von irgendwelchen Städten und Dörfern, aber dort habe ich mich nie richtig wohl gefüllt. Ich mag euren Wald. Ich kenne dort alle Jagdstellen, Wiesen, Bäume und was es sonst noch so in der Freien Laufbahn gibt. Ein Haus ist für mich wie ein Käfig, ganz egal wie groß es ist. Meine kleine Höhle im Wald reicht mir zum Leben vollkommen aus.“ Kuroro stutzt kurz, als Marcel den Mund aufriss und so aussah als ob er hundert Gegenargumente machen wollen. Jedoch besinnte sich der Junge innerhalb von wenigen Sekunden und nickte ihm zu. „Der Wald ist dein Zuhause?“, fragte Marcel nun ernst. „Ja. Nicht dieses Haus hier - Das ist Euers.“ Unbeholfen seufzend richtete sich Marcel auf und lockerte seine Schulter, was ein kurzes Knacken der Gelenke einher brachte. „Dann kann ich wohl nichts machen.“ meinte er und grinste schwach. „Wenn du gerne dort bist, bin ich zufrieden. Ich dachte das es dir gefallen könnte in einem richtigen Haus zu wohnen, aber wenn das nicht dein Ding ist, dann ist das so.“ „Das stimmt.“, antwortete Kuroro, ebenfalls grinsend. „Und jetzt mal was anderes, Puppe: Wo bleiben die Zwillinge? Wollten sie nicht schon längst zurück sein?“ Er ließ seinen Blick durch den Raum gleiten, wo er an der Wanduhr hängen blieb und das Zifferblatt kurz musterte. „Krass, gleich ist es schon halb sieben... wie die Zeit verfliegt?! Ob die meinen, das ich dich auch noch ins Bett bringe? Hallo? Ich habe auch noch sowas wie ein Privatleben.“ „Ich kann mich auch selbst in Bett bringen.“, murmelte Marcel und funkelte Kuroro mit seinen blauen Augen an. Es war schwer seine Aussagen Richtung zu deuten, denn wie schon so oft konnte man die Gefühlsregungen nicht von seiner Miene ablesen. Marcel tappte wieder mal im dunkeln. Meinte Kuroro das nun ernst? Seine Karmin roten Augen verrieten nicht das kleine Fünkchen Wahrheit! Man, nahm er den Zwillingen wirklich übel, das sie solange fort blieben, oder nicht?! Marcel seufzte leise. Wäre er doch nur hinter seinem Mathebuch sitzen geblieben. Dann bräuchte er sich nicht über Kuroro den Kopf zu zerbrechen und würde zur Abwechseln mal, die nächste Klausur mit einer Eins bestehen. „Das war nun ein Spaß.“ meinte Kuroro und stieß den Blonden mit seiner Schulter an. „Ich bringe dich natürlich gerne in Bett. Das tun nur wahre Freunde.“ Er grinste leicht, dann legte er nochmal nach und diesmal, brachte er Marcel wirklich zum Glühen. „Und wenn du magst, krabbel ich auch gerne unter deine Decke. Dann leiste dir etwas Gesellschaft...“ Diese Neckerei ging noch eine Weile weiter, aber irgendwann stand der Uhrzeiger dann plötzlich auch halb Acht und Kuroro erhobt sich flink von der Couch. Er ließ einmal kurz seine Schulterblätter knacken, und drehte den Kopf dann nach hinten. „Dann muss ich doch wohl wirklich....-“ ins Bett bringen, wollte er vermutlich sagen, aber in diesem Moment betätigte jemand die Klingel an der Haustüre und Kuroro ließ seinen Satz d unvollendet. Er hob einmal kurz eine silberne Augenbraue, regte die Nase in die Höhe. Eine Sekunde verharrte er in der Bewegung, dann huschten seine zu Schlitzen verengten Augen zu Marcel. „... das sind nicht deine Geschwister, Marcel. Aber diesen Geruch kenne ich trotzdem von irgendwo her. Hmm, das Gefällt mir gar nicht.“ Ruhig starrte er den Kleinen an. „Ich gehe jetzt an die Türe und schaue nach, wer das ist. In der Zwischenzeit möchte nicht das du dich auch nur einen Millimeter vom Fleck bewegst.“ Das Gesicht des Werwolfes sah so Grimmig aus, das Marcel bei diesem Anblick am liebsten unter das Sofa gekrochen wäre. Aber nach einer gefühlten Ewigkeit, brachte er schließlich ein kleines Nicken zu Stande. Der harte, ernste Blick Ausdruck in Kuroros Augen ließ diesmal keinen Zweifel daran, das er wirklich Böse werden würde wenn Marcel seine >Bitte< missachtete. Oder dies auch als einen Scherz verstand. Einen Augenblick lang war es so ruhig im Wohnzimmer, das man die berüchtigte Stecknadel fallen hören würde. Dann setzte sich Kuroro mit einem Male in Bewegung und eilte in den Hausflur. Er war schon fast in Versuchung die Türe einzutreten um ihren Gast einen gehörigen Schrecken zu verpassen, aber er wollte auch nicht den neuen Eingangsbereich beschädigen. Und wenn es denn nur ein Mensch war, der da draußen stand und vielleicht die Zwillinge besuchten wollte, hätte Kuroro ein echtes Problem am Hals. Wie sollte er einen Menschen erklären, dass er eine fast schon Stahlharte Schutztüre mit einen Fußtritt in zwei Hälften teilen konnte? Nun gut, er war ein Mann mit Muskulösen Körperbau und auch beachtlicher Größer gesegnet, aber niemanden der nicht zufällig Daimon hieß oder wie er aussah, würde einem Sterblichen diesen unglaublichen Kraftakt abkaufen! Also musste Kuroro den herkömmlichen weg wählen... In der Zwischenzeit saß Marcel im Wohnzimmer auf heißen Kohlen. Er verspürte den dringenden Wunsch auf die Beine springen und Kuroro in den Flur zu folgen. Zwar wusste er das dieser späte Besucher eventuell gefährlich sein könnte, aber seine Neugierde ließ sich einfach nicht bändigen! Ihm gefiel der Gedanke nicht, das der Werwolf alleine war wenn zum Beispiel diese Lucy von den Nemesis in der Haustüre stand und ihn noch einmal angriff. Dieser Gedanke versetzte Marcel so hefig in Rage das er wenige Augenblicke später geschützt hinter der Kommode im Hausflur stand, und Kuroro ins Visier nahm. Noch wirkte alles friedlich und normal, aber das könnte sich bald ändern. Eine Hand hatte Kuroro schon auf die Klinge gelegt. „Warte!“, zischte Marcel plötzlich und schloss nach vorne auf. Wenn er doch auch nur so einen starken Körper wie seine Dämonen-Geschwister hätte, würde er seinen weißhaarigen Freund beschützen können. Aber nein, dann passte er ja nicht mehr in das Mädchen-Klischee - er musste ja unbedingt klein und schmächtig sein! „Was willst du hier!?“, wollte Kuroro recht aufgebracht wissen, als er eine leichte Berührung an seiner Hüfte spürte. „Ich habe dir doch gesagt das du im Wohnzimmer warten solltest!“ „Vergiss es! Ich lasse dich nicht alleine. Was ist wenn das schon wieder dieses Flammen-Mädchen ist?! Vor einigen Tagen stand sie plötzlich vor Kiley und hat ihm ein Loch in die Brust geschossen! Ich möchte nicht das du schon wieder verletzt wirst.“ Kuroro schob Marcel mit einer Handbewegung nach hinten. „Genau deswegen!“,grollte er sauer. „Dann hast DU hier nichts verloren! Sieh´ zu das du verschwindest. Wenn es hart auf hart kommt, stehst du Schutzlos da! Ich kann dich nicht vor diesen Mädchen beschützen, dafür bin ich nicht stark genug...“ Die kalten Worten wehten Marcel entgegen, fast so scharf und schneidend wie ein Messer. Der Schmerz und die Angst in Kuroros Stimme sprangen einem förmlich ins Gesicht: Er wollte unter allen Umständen vermeiden, das Marcel Schaden nahm. Und er wusste das nichts und niemand Kuroro von seinem Vorhaben abbringen konnte. Was er wollte, das setzte sein Starrkopf auch durch. Marcel sah hinaus aus dem Fenster. Die Regenwolken standen noch immer hoch am Horizont und bedeckten den Himmel. Dennoch vernahm er keinen Schatten vor der Haustüre, der ihm einen möglichen Hinweis auf die Person geben könnte. Erst wenn der Abend und die Nacht näher rückten, würde die Dunkelheit alles überziehen und Marcel das letzte bisschen Licht rauben, dass ihm vielleicht noch blieb. Er ballte eine Hand zur Faust und bohrte seine Finger etwas stärker in Kuroros Hüfte. „Ich lasse dich nicht alleine.“, wiederholte er leise, aber selbstsicher. „Wenn du willst das ich verschwinde, musst du mich hier schon mit Gewalt weg schaffen.“ „Hast du Glück das ich dafür im Moment keine Nerven habe.“ Kuroro knurrte leise. „Wenn... das jetzt nur so ein Bettler ist der um Almosen bettelt, nehme ich mir Kileys Voraussichtliche erlaubt ihn aufzufressen...“ Er schluckte schwer, während seine Hand wie von selbst zu seinem Herzen wanderte. Als diese Lucy ihn hinterrücks im Wald angriff, hätte nicht mehr viel gefehlt um seinem Leben zu beenden. Er wusste gar nicht mehr, wie er die viele Stunden bis zur Rettung überhaupt überstanden hatte. Kuroro erinnerte sich nur noch an die Schmerzen und den Wunsch, die Person die ihm so zugerichtet hatte, mit seinen eigenen Hände ins Jenseits zu befördern... Da Kuroro seinen Gedanken hinterher hingt, witterte Marcel seine Chance: seine Hand machte sich irgendwie selbstständig. Millimeter für Millimeter streckten sich seine Finger immer weiter nach der Türklinge aus, stets mit dem Gedanken bei dem kleinsten Anzeichen von Gefahr einen Satz nach hinten machen, und Kuroro den Vortritt zu lassen. Für einen Ausstehenden würden die Gefühle und Ängste der beiden Männer vielleicht übertrieben und hysterisch wirken, aber sie kannten das Schicksal besser als jeder andere. In der einen Sekunde stand es noch auf deiner Seite, und in der nächsten zog es einem den Boden unter den Füßen weg und schlug dir Brutal ins Gesicht. Niemanden konnte es voraussehen, kein Mensch konnte es manipulieren. Nie gab es ein Schwarz oder Weiß. Nie. Niemals...Alles was das Schicksal den Betroffenen brachte konnte von der Sonnenseite, allzu wohl auch von der Schattenseite betrachten. Noch einmal ertönte die Klingel und Marcel hatte schon bald die Hoffnung gehabt, das ihr Besucher inzwischen vielleicht wieder gegangen war, weil er dachte das niemand zuhause war, aber da schien er sich wohl geirrt zu haben... Hier bewies jemand Hartnäckigkeit. Jetzt mach schon, zischte eine Stimme in Marcels Hinterkopf und er drückte mit einem klammen Gefühl in im Magen die Türklinke runter. Eigentlich war es noch viel zu früh, um solche Panik zu entwickeln, aber schon in dieser Sekunde könnte Lucy grinsend auf der Schwelle stehen und ihren glühenden Laserstrahl vorbereiten.... Das erste was Marcel in der Dunkelheit erkannte, war tatsächlich das strahlende Lächeln von funkelnden, perfekten Zähnen. Dem folgte ein blasses Gesicht, große goldene Augen und noch schneeweißere Haare. Die Person war nicht groß, aber seine Körpersprache spürte vor Selbstbewusstsein. Verwirrt legt der Blonde seinen Kopf in den Nacken. Die goldenen Seelenspiegel betrachteten ihn mit offener Neugierde, und zugleich mit einer gehörigen Portion Skepsis. Augenblicklich sträuben sich Marcel sämtliche Nackenhaare. Scham überzog seinen Körper mit einer Gänsehaut. Fast sofort spürte eine große Hand auf seiner Schulter die ihn von der Türe weg und gradewegs nach hinten zog. Ohne ein weiteres Wort zu sagen machte Kuroro einen raschen Ausfallschritt und stand damit genau zwischen ihm, und ihren Besucher. Dieser schmale Albino war kein andere als Dylan. Dylan, der Sohn des Teufels und der Junge,der wohl das größte Herz der ganzen Stadt besaß. Seine Kleidung war vom Regen bereits völlig durchnässt. Seine hellen Haare klebten ihm widerspenstig an der Stirn. „Guten Abend zusammen.“, grüßt er die jungen Männer ein wenig zaghaft und mustert Kuroro dann kurz. Es war ja nicht so dass er vor den stattlich aussehenden Werwolf Angst hatte, aber von seinem >Vater< hatte er gelernt das es ungefährlicher war, wenn man mit fremden Dämonen im ersten Moment vorsichtig um ging. Die meisten gaben sich nämlich zu Beginn oft harmloser, als sie in Wirklichkeit waren. Marcel hingegen steckte noch immer der Schock in den Knochen. Er hat Probleme einen klaren Gedanken zufassen. Sein Mund fühlte sich trocken an und es kam ihm so vor, als steckten Stahlnägel in seinem Schädel. Nur sehr Langsam dämmerte ihm das ganze Schlammassel, in dem er da grade steckte. Kuroro und Dylan waren beide Dämonen Sie kannten sich nur Anhand von Erzählungen und da Kuroro nun mal so was wie den Wachhund der Familie darstellte, würde der jüngere Dämon gleich ein ernstes Problem haben, wenn er mit Marcel sprechen wollte. Einen kurze Moment lang verweilte Dylan in Betrachtung des Bildes, vollkommen regungslos stand er da und hoffte einfach das Marcel einen Schritt nach vorne machte und ihn in die Arme nahm. Okay, an dieser Stelle musste er gestehen dass er sich doch ein bisschen vor den Bewohnern dieses Hauses fürchtete, seitdem ihn Daimon verprügelt hatte. Nur Marcel bildete die Ausnahme. Aber Daimon, Jeremy, dieser Werwolf sowieso und sogar Kiley, der eigentlich freundlich zu ihm gewesen war, wirkten auf einmal unheimlich. Vielleicht wurde er aber auch einfach nur langsam Verrückt. Dylan räusperte sich kurz. „Ich bin Dylan. Und ich bin ein Klassenkamerad von Marcel...“ Er versuchte den Werwolf mit einen kleinen Lächeln zu besänftigen, aber Kuroro schien genauso viel Interesse daran zu haben, wie Daimon an dem Strafgesetzbuch ihrer Stadt. Na schön, dann eben nicht. „Ich habe nichts Böses im Sinne.“, setzte Dylan noch einmal an und er verbannte das Strahlen aus seinem Gesicht. Kuroros Miene und Körperhaltung signalisierte ihm eindringlich das Freundlichkeit hier fehl am Platze war - Wenn er etwas erreichen wollte, dann musste er seinen Mann stehen! Die Haut rund um seinen Mundwinkel zuckte, vermutlich grinste er jetzt schon wieder. Doch diesmal hatte dies nichts mit Nettigkeit zutun. „Ich bin nur hier weil ich Marcel sehen wollte.“ Er ließ seinen Blick zu der besagten Person wandern. „Hallo Marcel.“ „Hi Dylan.“, wisperte Marcel zurück und drängelte sich damit zu der Türeschwelle zurück. Zwar legten sich Kuroros Finger fast sofort auf seine Schulter, aber er tätschelte diese nur sachte. Hoffentlich verstand er diese kleine Geste, denn immerhin ging von Dylan nicht das kleinste bisschen Gefahr aus! „Was machst du denn so Spät abends hier? Ist irgendetwas passiert?“ „Nein, es ist alles in Ordnung. Ich habe mir nur ein wenig Sorgen gemacht, weil du mir nicht auf meine Kurzmittleilung geantwortet hast. Mephis.., ähm mein Vater und ich sind heute Alleine zu dem Wellnesscenter gefahren, wir sind davon ausgegangen das du und deine Geschwister keine Lust darauf hatten.“ Dylan lehnte sich locker gegen den Türrahmen und warft einen Blick in das Innere des Hauses. Er rocht nach teureren Ölen, sein Haar wirkten im schwächer werdenden Sonnenlicht noch ein bisschen feucht von der Sauna. Im allgemeinen umgab ihn eine so edel Aura, das Marcel vor Neid am liebsten Heulen würde. Sogar Dylan der vom Typ her auch eher zart und feminin gebaut war, sah aus wie eine junge Göttin in der Blüte ihres Lebens. Wieso konnte Marcel nicht auch so toll aussehen?! Dann würde er sich sogar mit dem Ruf eines Mädchens zufrieden geben. „Sind Kiley und Daimon nicht da?“, fragte Dylan und Marcel ermahnte sich rasch mit den Starren aufzuhören. Das war sehr unhöflich. Er wollte seinen weißhaarigen Freund ganz sicher nicht bei der ersten Gelegenheit vergraulen. Er hatte doch solange darauf gewartet um wieder in diese schönen Katzenaugen blicken zu können, und diese Gelegenheit würde Marcel bis zur letzten Sekunde auskosten. Er mochte Dylan immer noch, er fand ihn auch immer noch sehr attraktiv und sein sanftes Lächeln, ließ sein Herz wie jedes Mal ein paar Takte schneller schlagen. Es wäre also gelogen wenn er behaupten würde, das er keine Gefühle mehr für ihn übrig hätte. Marcel spürte ein angenehmes Kribbeln in der Lendengegend und schüttelte dann über seine eigenen Gedankengänge den Kopf. Das war ab jetzt vorbei. Seit heute Mittag befand er sich in festen Händen. Und wer Kiley kannte, der wusste das es einem Suizidversuch gleich kam, ihn zu betrügen. Nur mit der tödlichen Sicherheit, das Kim seine Rache zu 100 % bekam. Immer. Marcel kannte keine seiner Zahlzeichen Ex-Freundinnen die nach der Trennung auch nur einen Tag länger an der Schule blieben, als nötig. Zwar wusste er nicht im Detail wie und womit sein Bruder die Mädchen in die Flucht schlug, aber es erwies sich als sehr effektiv. „Nein, sie sind in der Stadt. Sie wollten noch irgendwas erledigen.“ Marcel zückte kurz die Schulter und betete zu Gott dafür das Kuroro den Mund hielt und nicht erzählte, wieso die Zwillinge noch Unterwegs waren. Zu ihrem eigenen Schutz sollte nämlich keiner Erfahren das er mit Kiley in eine andere Wohnung zog. Die Gefahr war viel so hoch, das irgendwo einer von den Nemesis rum hing und ihre Freunde belauschten. Und Marcel wollte niemanden von ihnen in Gefahr bringen. Er traute dieser Gruppe einfach alles zu. Sogar Erpressung und Folter! Sie waren abgebrüht und würden für ein paar wichtige Informationen vielleicht sogar über Leichen gehen. „Ach so...“, meinte Dylan und sah mit einem mal ziemlich erleichtert aus. Er räusperte sich kurz, dann schaute er in Kuroros Richtung. Auch wenn er jetzt schon wusste dass es wahrscheinlich nur Streit mit ihm geben würde, begann er ruhig zu sprechen und streckte seine Hand aus. „Wir kennen uns noch nicht, oder? Wie ich schon sagte, bin ich Dylan und ein Klassenkamerad von Marcel. Vor ein paar Monaten bin ich mit meinem Vater in dieses Gegend gezogen. Und ich bin echt überrascht das er hier so viele Übernatürliche Kreaturen gibt, die so friedlich und erfolgreich unter den Menschen leben können. Schön dich kennenzulernen.“ Doch Kuroro blieb so Still wie ein Grab und betrachtete die Dargebotene Hand fast schon herablassend. Seine roten Augen verengten sich in Sekunden schnelle und im selben Moment schien es, als würde der Wind rund um das Anwesen der Sandojés auffrischen. „Glaubst du jetzt das ich dich freundstrahlend Empfange, nur weil du jemanden aus meinem Rudel kennst?“ Ja, Kuroro sagte tatsächlich Rudel. „Ich mag keine Fremden, und fremde Dämonen die wie ein Klette an meinem jüngsten Welpen hängen, schon mal gar nicht.“ „Welpe?“, wiederholte Dylan sichtlich irritiert. Okay, er kannte nur wenige Wesen die ihre jüngeren Familienmitglieder als Welpen bezeichneten. Erstens war diese Wortwahl ziemlich veraltet, so sprachen die Leute damals, vor knapp 1000 Jahren. Und zweitens war Marcel weder ein Dämon, noch ein Verwandter. „Ja, Welpe. Oder hast du ein Problem damit, Junge? Dann können wir das jetzt sofort klären.“ Doch Dylan schüttelte schnell den Kopf und biss seine spitzen Zähne zusammen. Na wunderbar, es sah so aus als ob es schon wieder eine Person mehr auf der Welt gab, die ihn offenbar nicht leiden konnte. Strahlte er etwa so eine negative Aura aus, das ihn fast Alle von Marcels Familie hassten? „Nein. Ich kenne diese Bezeichnung nur aus Erzählungen. Das ist das erste Mal das ich diesen Namen in der heutigen Zeit höre. Deshalb war ich nur etwas verwundert.“ Nachdem Dylan seinen letzten Satz beendet hatte, zog Kuroro höhnisch eine Augenbraue hoch. „Ihr Grünschnäbel habt heutzutage aber auch wirklich gar keine Manieren mehr... Zu meiner Jugendzeit wäre ich ein bisschen anders mit älteren Dämonen umgegangen.“ Der süßliche Duft von Angst beansprucht das halbe Haus für sich, während Marcel langsam seine Hand hob und sie auf Kuroros Rücken platzierte. Zum Glück war er ihm in den Flur gefolgt, ansonsten hätte es jetzt sicher schon schwarz für Dylan ausgesehen. „Bitte...“, flüsterte er leise und schaute mit großen, traurigen Augen zu ihm empor. „Hör´ bitte auf damit. Dylan hat nichts böses im Sinne, er ist ein guter Dämon und würde niemals einen von uns verletzten. Ich dachte du feinfühliger bist als Daimon und vielleicht sein gutes Herz erkennen würdest.“ Dem Werwolf war es egal ob Dylan ein guter Dämon war oder nicht. Solange sich diese dünne Bazille in der Nähe seines Rudels befand, bedeutete das nur unnötigen Stress für Daimon und Kiley. Und wer dürfte das Schlammassel danach wieder ausbaden und sich ihre miese Laune antun? Richtig! Er! Zur Zeiten der Hitzeperiode duldeten die Zwillinge keinen weiteren Nebenbuhler in Marcels Umgebung und früher oder später, würden sie ihren Besitzanspruch sowieso geltend machen. „Gleich wird es eh Dunkel.“, sagte Kuroro achselzuckend. Mit einen Stich der Schadenfreude dreht er seinen Kopf auf die andere Seite. Er wollte nicht das jemand das gemeine Grinsen sah, welches in diesem Augenblick seine Lippen zierte. Den zweien würde er die Tour schon ordentlich vermasseln... „Wenn die Zwillinge nach Hause kommen wird die Party so oder so vorbei sein, und du ins Bett wandern.“ „Das ist doch egal.“ Marcel tat es Kuroro gleich und hob ebenfalls seine Schultern. „Selbst wenn er nur für eine halbe Stunde hier ist, bin ich zufrieden. Oder Dylan? Komm doch rein, dann können wir die Türe zumachen. So langsam wird es nämlich Kalt in der Bude.“ Er machte eine einladende Bewegung ins Haus und ignorierte Kuroros leise Proteste. Doch Dylan blieb immer noch wie angewurzelt auf der Stelle stehen und kratze sich plötzlich mit verlegener Miene an der Wange. „Ähm...ich bin aber.... nicht alleine gekommen.“ „Nein?“, fragten Marcel und Kuroro daraufhin wie aus einem Mund und ihr Blick wanderte von dem Albino weiter zum Eingang des Hauses. Aber dort entdeckten sie niemanden. „Wenn hast du den mit gebracht?“, wollte Marcel nun etwas verwundert wissen. „... oder hat der einfach einen neben sich laufen?“ Grummelt griff Kuroro nach seinem Hemd und lockerte den Kragen damit er besser Luft holen und Riechen konnte. Da wollte er doch mal sehen, wer noch alles mit von der Partie war...! Ein Dämon im Wohnzimmer reichte ihn jedenfalls vollkommen! Er wusste gar nicht wie er das später Kiley erklären sollte! Er hatten ihm doch ausdrücklich aufgetragen, das er NIEMANDEN ins Haus lassen dürfte. Und jetzt das auch noch....! Zum Haare raufen, aber echt jetzt! Dafür warf er Dylan einen vollkommen ernst gemeinten Todesblick zu, jedoch ging der ins Leere, den dieser hatte den Kopf nach hinten gedreht und rief nun laut: „Die Luft in rein, du kannst kommen Me... Dad!“ Kurzdarauf wendete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die beiden Gastgeber zurück. Seine goldenen Katzenaugen fixierten Kuroro, ein fieses Schmunzeln lauerte in seinem Mundwinkeln. Tja, er hatte nie behauptet das er ein Unschuldslamm war, und nicht das eine oder andere Ass im Ärmel hatte, wenn es gebraucht wurde. „Du hast... ihn... mitgebracht? Was für eine Überraschung.“ Und was für eine! Marcel schluckte geräuschvoll und die Vorstellung das Dylan, Mephisto, Kuroro, Kiley und Daimon vielleicht gleich in einem einzigen Raum sitzen könnten, bescherte ihm eine unangenehme Gänsehaut. Yeah, das war in etwa das selbe, als würde man King Kong und T-Rex in das selbe Gehege stecken und abwarten,wer am Ende überlebte. Naja... vielleicht sollte er doch schon mal ins Bett gehen und sich diese Katastrophe nicht antun. Das würde sein Untergang werden. Aus irgendeinen Grund musste der Vater im Himmel ihn wirklich verabscheuen, wenn er Marcel immer wieder in solche abwegigen Situationen brachte. Oder war es das, was sich so scheinheilig Schicksal nannte? Bullshit und egal! Jedenfalls würde das gleich echt ungemütlich werden. Schließlich kannte Marcel die Zwillinge, und er kannte Mephisto. Um Kuroro und Dylan machte er sich da weniger Sorgen. Zu mindestens konnte man bei Dylan darauf hoffen, das er sein Temperament unter Kontrolle hielt und nicht bei der kleinsten Beleidigung sofort an die Decke ging. Im Gegensatz zu Daimon und Kiley. Ihre Geduldsfäden brauchten nur wenig Anregung um zu reißen. Was machte es schon, das Mephisto ein Meister des Sarkasmuses war? Da passte er doch wunderbar mit Pulverfass Nummer 1 und Pulverfass Nummer 2 zusammen! Nach diesem gemeinsamen Abend tauschten sie vor Freude sicher ihre Handynummern aus. Okay, das war jetzt aber genug Ironie! Die Zwillinge würden Mephistos Sticheleien niemals hinnehmen und entsprechend reagieren! Mit seiner provozierten Art reizte Mephisto sie dann bis aufs Blut und irgendwann im Laufe des Abends, platzte Daimon der Kragen und verarbeitete alles zu Kleinholz, was ihm in die Finger kam. Marcel sah das alles schon live vor seinem geistigen Auge. Also kurzgesagt; morgen hätte er dann einen Hauseigenen Swimmingpool aus Blut. Ob Jeremy sich später dann auch über seinen zerstörten Teppichboden aufreden würde? „Wo ist der Typ denn?“, kam es schlecht gelaunt aus Kuroros Richtung. Anscheinend konnte seine feine Wolfsnase bis jetzt immer noch nichts erkennen, außer Gras und Tannennadeln. „Das könnte noch was dauern.“, murmelte Dylan und zog schon mal seine Schuhe und Jacke aus. „Der muss noch einen eigneten Platz für das Auto finden.“ Freundlicher als Marcel es gedacht hatte, wurde er danach von Dylan in die Arme gezogen und herzlich umarmt. Er lächelte jetzt sogar leicht und der Blonde spürte seinen warmen Atem im Nacken. Umso mehr fragte er sich nun, was dem Albino in diesem Moment durch den Kopf ging, doch Gedanken lesen konnte er leider nicht. Oder eher gesagt besser. Denn Marcel wollte gar nicht wissen, wieso Dylan so glücklich wirkte, aber dieses Lächeln machte ihm Angst. Wer weiß worüber sich der Typ grade Freude! Vielleicht dachte er an die Rache die er bekommen würde, in Betracht auf der letzten Trachtprügel die er von Daimon erhalten hatte. „Warum bist du so verspannt?“, fragte Dylan an Marcel gewandt und bewegte sich keinen Zentimeter. „Ich meine wieso? Fürchtest du dich vor uns?“ Allesklar, da war jemand ganz klar auf Rache aus! Langsam verhärtete sich der Griff um Marcels Rücken. Schwankend machte Dylan einen Schritt nach hinten und lächelte erneut, als er seine Augen schloss und seinen Geist einfach nur von seinen Gefühlen leiten ließ. Hart begann der Puls in Marcels Hals zu schlagen. Okay, jetzt lag es an ihm die Situation zu retten, nur wusste er nicht, wie? War Dylan tatsächlich gekommen um sich an seinem Bruder zu rächen? „Geht es dir gut?“ Marcel erwiderte unsicher die Umarmung und hörte dann das leise Quietschen von Holz. Das musste das Eingangstor gewesen sein... „Guten Abend zusammen.“ Eine sanfte, melodische Stimme durchschnitt die klare, angenehm kühle Luft der Finsternis. Marcel hob den Kopf noch bevor sein Gedächtnis ein passendes Gesicht zu der Stimme gefunden hatte. Er hörte schnelle, federnde Schritte die sich der Lichtquelle des Hauses nährten und langsam erschien eine schmale Silhouette vor seinen Augen. Es sah so aus, als würde selbst die Dunkelheit aus Furcht zur Seite weichen, als ein junger Mann in schlichter, schwarzer Kleidung durch das Eingangstor schritt. Sogar die Grillen stellen kurz ihr abendliches Konzert ein, um den mächtigen Herrscher der Unterwelt ihren Respekt zu zollen. Mitternacht schwarze Haare umrandetem ein attraktives, makelloses Gesicht und kitzelten die Karamellfarbende Haut des Dämons, während seine unnatürlich erscheinende, orangen Augen ernst und voller Ruhe ihrem Ziel entgegenblickten. Eine Lehrerin hatte Marcel einmal verraten das die Augen das Tor zu der Seele eines jeden Menschen bildeten. Und das sich in ihnen ihre wahre Natur wiederspiegelte. Mephistos Augen sahen wunderschön aus, aber sie waren so trüb und leer wie ein stillgelegter Seele. In ihnen spiegelte sich höchstens das Licht der Behausung, aber ganz sich nicht sein Innerstes. „Hallo Marcel. Schön dich zu sehen.“ Mephistos schönes Gesicht wirkt entspannt, aber dennoch Wachsam. Er streckte seine gebräunte Hand aus und tätschelt kurz Marcels Schulter, ehe er Dylan eine leichte Kopfnuss gab. „Wo hast du nur deine Manieren gelassen, mein Sohn? Jetzt flirtest du sogar schon vor meinen Augen mit anderen Kerlen rum, schämst du dich nicht?!“ Mephisto grinste die beiden Jungen mit seinem unglaublich charmanten Lächeln an und taxierte sie mit einem Blick, worunter sie sich kein Stück Bewegen könnten. Widerwillig schob Marcel seinen weißhaarigen Freund zur Seite um Mephisto mit einem strahlenden Grinsen zu begrüßen. Was der Fürst der Finsternis konnte, das konnte er auch. „Hallo zurück. Na, war euer Tag im Wellnesscenter heute schön? Habt ihr zwei euch wenigstens für mich mit entspannt?“ „Sorry Kleiner, aber das Programm hatte grade mal für den Stress die letzten zwei Tage gereicht. Wenn ich mich mal so richtig entspannen möchte, müsste ich mir ein paar Jahrhunderte lang am Stück Urlaub nehmen. Und das will ich der Menschheit nur ungerne antun. Wer weiß was alles ohne mich geschieht?“ Langsam beugt er sich Mephisto nach vorne und sah Marcel tief in die Augen. Der Blonde spürte ein leichtes ziehen in der Magengegend und wusste sofort, das in dieser Sekunde seine Gedanken gelesen würden. Natürlich war Mephisto Kuroros angespannte Körperhaltung nicht entgangen, und er wollte anhand seiner Erinnerungen herausfinden, ob eine Gefahr von dem Werwolf ausging oder nicht. Ein unangenehmes Gefühl überkam Marcel und ließ ihn Verlegen zur Seite schauen. Mephisto dürfte sich gerne über Kuroro schlau machen, aber es wäre nicht auszudenken was passierte, wenn er ausversehen in der falschen Ecke seiner Erinnerungen landete. Zum bespiel in der, wo er alle Momente der letzten Tage mit Kiley abgespeichert hatte. Aus dem Augenwinkel nahm Marcel zwei stechende Blicke wahr und bemerkte das wütende Funkeln in den zwei Augenpaaren, die sich wie Giftpfeile in seinen Rücken bohrten: Anscheinend gefiel Dylan nicht das Mephisto schon wieder in fremden Köpfen rumfühlte. Kuroro seinerseits hatte wohl von Allem hier die Schnauze voll. Er war es auch, der die Verbindung zwischen ihnen unterbrach indem er Marcel energisch nach hinten zog. Noch im selben Atemzug packte er Dylan am Kragen und stieß ihn nach draußen zu seinem Ziehvater. Nur ein geschickter Ausfallschritt zur Seite verhinderte das dieser durch die jähe Attacke das Gleichgewicht verlor und schwer zu Boden stürzte. „Aber...! Kuroro!“, konnte Marcel grade noch rufen. Doch noch bevor er seinen Einwand richtig ausgesprochen hatte, brachte in Kuroro mit einen mörderischen Seitenblick zum Schweigen. Das Bild von dem lustigen, zuvorkommenden und fürsorglichen jungen Werwolf zerbrach vor seinen Augen wie eine Christkugel die vom Baum und zu Boden fiel. Da liefen einige Dinge grade ganz klar aus dem Ruder! „So, jetzt habt ihr euch aber lang genug angeglotzt und abgekuschelt.“, zischte Kuroro mit kalter Wut in der Stimme. „Ich denke, ihr konntet euch nun davon überzeugen das es Marcel gut geht, und könnt nun wieder abhauen! Schönen Abend noch und Auf Wiedersehen!“ Er hatte die Türe schon fast zugeschlagen, da durchdrang auf einmal ein schriller Ton die Stille der Dämmerung und der Stahl bewegte sich plötzlich keinen Millimeter mehr vom Fleck. Es fühlte sich so an, als ob sie noch im Fluge gegen eine unsichtbare Mauer geprallt wäre. „Was soll das!? Alter....!“ Knurrten stemmte Kuroro sein Gewicht gegen die Stahltüre. Aber weder Fluchen noch Drücken bescherte ihm den erwünschten Effekt. Als Kuroro einsah das reine Muskelkraft nicht viel brachte, erschien der Ausdruck von Hass auf seinem Gesicht. „Hör auf damit!“, rief Marcel aufgebracht und schnappte sich Kuroros Arm. Draußen war es still geworden, unnatürlich Still, und normalerweise gehörte dies nicht grade zu Mephistos stärken - Nur alleine der Wind strich leise säuselnd an den Hauswänden entlang. Seine langen, blonden Haare fiel ihm ins Gesicht als er den Kopf reckte aus dem Fenster nach draußen schaute. „Mach sofort die Türe auf!“, befahl er unruhig. „Du kennst diesen Mann nicht. Du weißt gar nicht, wozu er in der Lage sein kann!“ Zugegeben maßen wusste Marcel selbst nicht so genau was Mephisto alles für Fähigkeiten besaß, aber die Tatsache, dass er schon seit mehreren Jahrtausenden unangefochten die Unterwelt regierte, sprach wohl für sich. Ihm traute Marcel sogar noch mehr zu, als den Nemesis und ihren unheimlichen Mitgliedern. „Dann kennst du mich aber auch nicht!“, schoss Kuroro mindestens genauso aufgewühlt zurück. Dann schüttelte er Marcels Hand ab. „Im Moment trage ich für dich und dieses Haus die volle Verantwortung! Und ich dulde keine fremden Besucher zu dieser Zeit! Tut mir leid wenn jetzt ein bisschen übertrieben und paranoid klingt, aber wenn man dem Tod nur so knapp von der Schaufel gesprungen ist wie ich letztens, dann wird man automatisch vorsichtiger!“ „Aber ich kennte diese Leute doch, Kuroro.“ Marcel schniefte leise. „Ich vertraue ihnen, sie haben mir inzwischen schon oft geholfen...!“ Plötzlich veränderte sich die Miene des Werwolfes: Der lodernde Zorn in seinen Kaminroten Augen gefror in Sekundenschnelle zu Eis. „Auch wenn sie dir schon oft geholfen haben, heißt das noch lange nicht, dass du ihnen blind vertrauen kannst. Alle Wesen haben ein zweites Gesicht, nicht nur gewöhnliche Menschen. In dem einen Moment sind sie noch deine besten Freunde, und im nächsten könnten sie schon deine schlimmsten Feinde sein. Sei nicht so leichtfertig und schenkte Jedem dein Vertrauen, nur weil er dich nett behandelt und dir etwas Gutes tut. Die schrecklichsten Monster, tarnten sich meistens als die unschuldigsten Lämmer.“ „Und Amen!“ Grade wollte sich Kuroro nach der Stimme umdrehen, als auch schon zwei schlanke Hände auf seine Schulter gelegt wurden... und im nächsten Augenblick hang er Kopfüber und total orientierungslos mit den Füßen an der Zimmerdecke. Zuerst dachte Kuroro an einen schlechten Scherz. Denn sowas konnte in der Realität gar nicht möglich sein, aber die Tatsache das er sich plötzlich mit der Lampe auf einer Höhe befand, bestätigte seinen Verdacht. Er Kuroro, weder Fledermaus noch Vampir, klebte plötzlich mit den Kopf nach unten hängend in der Luft. Angespannt presste er seine Lippen zu einer strengen Line zusammen und begann heftigen mit den Beinen zu zappeln, um sie von ihren Unsichtbaren Fesseln zu befreien. Doch so langsam floss das Blut in die Richtung des Bodens zurück, und mit ihm das Gespür für seine untere Körperregion. Langsam glitten seine Augen zu der Haustüre, die plötzlich wie von Geisterhand verschlossen war. Was zum...?! Das bildete er sich doch nicht ein? Gab es jetzt schon Geister in dieser Bude oder was?! Wollte ihn jetzt eigentlich alle Welt verarschen?! Was war das nur eine beschissene und behinderte Situation?! „Das ist nicht lustig…“, murrte Kuroro leicht erschöpft vom ganzen strampeln und zucken. Die Laute, die er nun von unten hörte, rissen ihn Brutal aus seiner Gedankenwelt zurück in die Gegenwart. Einen halben Meter unter Kuroro stand Mephisto und hob sarkastisch seine Mundwinkel. „Was du gemacht hast aber auch nicht, mein Lieber. Fast hätte ich meinem Sohn wegen dir eine neue Nase zaubern dürfen. Und dann hätte bei mir jeglicher Spaß aufgehört.“ Die Worte des Schwarzhaarigen klangen vielleicht belustigt, aber wer ihm in die Augen schaute, der konnte in den roten Seen aus Blut sofort seine Wut und Missgunst erkennen. Bösartig starrte er den silberhaarigen Mann an der Decke an. „Wie... bist du hier... hier reingekommen!?“, fauchte Kuroro von Oben und ließ nun die Arme im Takt zu seinen Beinen kreisen. Scheiße. Irgendwie musste er doch hier runter kommen und diesem eingebildeten Kerl auf die Fresse hauen! Dabei zitterten seine Finger wie Espenlaub. Was hatte Marcel noch gleich behauptet? Er sollte sich vor diesem Mephisto in Acht nehmen? Oder so ähnlich? Ein merkwürdiges Gefühl der Angst beschlich ihn. „Wenn du mich hier nicht gleich runter lässt...-“ „...dann hängst du wenn ich will, auch noch morgen da! Dabei sollst du wirklich froh darüber sein, das du überhaupt noch atmen kannst. Andere, wären in deiner Situation nicht mehr dazu in der Lage gewesen.“, antwortete Mephisto ruhig und verzog sein Gesicht zu einem widerlichen und schaurigen Grinsen. Kuroro japste nach Luft. Mit bebenden Fingern tastete er nach seiner Brust und drückte die Hand auf sein Herz. „Dann lass´ die Psycho-Spielchen stecken und dann können wir das Auge in Auge klären, du Spastie!“ „Och herm! Du bist vielleicht ein mutiger Mann Kuroro, aber ich weiß nicht ob es klug ist in deiner Position Anforderungen zu stellen.“ „Woher weißt meinen Na…-!?“ „Mephisto!“, unterbrach nun Marcels schrille Stimme die Unterhaltung der beiden Dämonen. Irgendwie hatte er es geschafft sich aus seiner Angststarre zu befreien und den Schock ab zu schütteln, der ihn lähmte. Eiligst lief er zu Mephisto und ergriff seinen Arm. „Lass Kuroro sofort runter! Willst du ihn da Oben Ohnmächtig werden lassen?! Er sieht doch jetzt schon so aus, wie Stück Käse. Lange hält er das nicht mehr durch!“ „Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich mich nur mit einer Ohnmacht zufrieden gebe.“, gab Mephisto sarkastisch zurück. Gelangweilt wendet er den Blick oben und registriert, wie der Kerl an der Decke die Augen verdreht. Er seufzte. Wie hieß es nochmal so schön? Hunde die Bellen, beißen nicht? „Dein Kumpel hält aber auch gar nichts aus.“, sagte er monoton. Es war ja schon Schlimm genug das er sich jetzt gleich wieder eine Standpauke von Dylan anhören musste. Nein da fehlte noch das i-Tüpfelchen, jetzt musste Marcel ihn auch noch mit seinen großen, runden Kulleraugen belagern. Beliebt machte sich der kleine Mensch damit keines Falls bei ihm! Aber diese Augen... Denen konnte selbst er nicht lange böse sein! Daraufhin schnipste Mephisto kurz mit den Fingern und einer lauter Knall verkündete das Kuroro nun erfolgreich auf den Boden der Tatsachen zurück gekehrt war. Schön für ihn, aber weniger schön für das Laminat welches nun eine kleine Kerbe an der Einschlagsstelle aufwies. „Au!“ „Hey, geht es dir gut? Ist dir Schlecht?!“ Keine Sekunde später saß Marcel auf den Knien neben Kuroro und tätschelte seinen Silbernenhaar-Schopf, während er ihn mitleidig von Oben bis Unten musterte. Auf den ersten Blick schien er keine Verletzungen zu haben. Aber Marcel war auch kein Arzt und konnte das als Leihe schlecht beurteilen. Das hatte er mit sofort nicht gemeint... Das zaghafte Klopfen an der Türe ignorierten die beiden in der Zwischenzeitlich. „Kuroro? Oh mein Gott, du bist ja auf den Kopf gefallen. Hast du Schmerzen?“ Der Angesprochene schüttelte kurz seinen lädierten Körper. „Nein.“, knurrte er etwas unverständlich. „Aber es dreht sich alles... Und, oh?! Hast du plötzlich einen Zwillingsbruder bekommen? Ich sehe dich doppelt.“ „Was...? Nein! Spinnst du?“ Marcel erhob sich wutschnaubend und drehte sich zu Mephisto um. Jetzt reichte es aber. Niemand vergriff sich an seine Freunde und kam ungeschoren davon!„Das hast du ja super hinbekommen! Jetzt hat er eine Gehirnerschütterung und muss ins Krankenhaus! Ganz toll aber auch.“ „Komm mal runter, Kleiner. Dämonen kriegen keine Gehirnerschütterung!“ Und um Marcel von seiner Aussage zu überzeugen stieß Mephisto den Werwolf kurz mit der Fußspitze an, aber der Kippe nur zur Seite um und blieb dort still liegen. Einen Augenblick erschien Mephistos Gesichtsausdruck emotionslos, dann wurde die Haut um seine Nase ungewöhnlich Blass. Normalerweise steckten Dämonen einen solch leichten Klaps auf den Kopf problemlos weg... „Ja.... also... das ist mir jetzt aber Peinlich. Eigentlich SOLLTEN sie keine kriegen...“ „Scheiße“, rief Marcel. Nun war er sich vollends darüber im klaren, dass sie es endgültig geschafft hatten, Kuroro ins Land der Träume zu befördern. „Was hast du gemacht?! Kuroro hat sich erst doch erst seit kurzen von dem Angriff dieses Mädchens erholt, und jetzt das. Ich... Ich muss mein Handy holen... Ich muss Kiley anrufen... und dann den Krankenwagen!“ Nun hatte sich auch Mephisto auf die Knie fallen lassen und suchte mit geübten Fingern nach Kuroros Puls. So hatte er sich diesen kurzen Besuch bei der Sandojé-Familie nicht vorgestellt. Er atmete leicht genervt aus. Wieso musste Marcel auch gleich aus der Haut fahren? Früher war er wesentlich ruhiger und zurückhaltender Gewesen... Dieses Verhalten kam Mephisto ziemlich unnatürlich vor, Charaktereigenschaften ändernden sich normalerweise nicht während der Hitzeperiode. Eine leise Ahnung regte sich in seinem Hinterkopf. Aber damit würde er sich später befassen wenn er den Kopf frei hatte. „Sein Herz schlägt auf jeden Fall normal. Ich glaube nicht das wir ihn unbedingt ins Krankenhaus bringen müssen und außerdem würden die sowieso sofort die Presse rufen, wenn sie seine Dämonischen-Merkmale entdecken.“ Mephisto schob leicht Kuroros Haare zur Seite und betrachtete die spitzen, struppig aussehenden Wolfohren am Kopf des Ohnmächtigen. „Habt ihr hier irgendwo ein Bett oder ein Sofa rumstehen? Es wird Zeit das er an einen wärmen Ort kommt um sich zu erholen.“ Mephistos Tonlage hatte sich in der Zwischenzeit verändert. Sie klang nun sachlich und befehlsgewohnt. Ohne groß nachzudenken wies Marcel mit einer Hand den Weg ins Wohnzimmer und stand dann auf, um Mephisto bei dem Transport zu helfen. Unter anderen Umständen würde er keine >Fremden< so leichtsinnig durch die Wohnung führen, aber ihm blieb keine andere Möglichkeit. Sie musste Kuroro in eine Sichere Umgebung bringen. „Komm mit, ich gehe voran. Wir bringen ihm ins Wohnzimmer, da steht eine schöne, große Couch worauf er sich ausruhen kann.“ Mephisto nickte wortlos und hob Kuroro vorsichtig hoch, während Marcel seinen Kopf festhielt. „Das tut mir wirklich leid, Marcel. Ich wollte ihn nicht so schlimm verletzten, aber in dem Moment als er Dylan fast die Türe vor das Gesicht geschlagen hätte, ist mir eine Sicherung durchgebrannt. Der Kleine gehört zu mir, und ich beschütze was mir gehört.“ Mit diesen Worten näherten sie sich langsam ihrem Zielpunkt und Marcel blinzelt kurz nach oben. „Schon gut.“, antwortet er ein wenig besänftigt, aber immer noch enttäuscht. An dieser Stelle wurde ihm zum ersten Mal so richtig bewusste, das der Werwolf recht hatte und Mephisto wirklich zwei Gesichter besaß; Einmal der laute, aufgedrehte Chaot, und dann der verantwortungsvolle, strenge und liebende Vater, dem nichts wichtiger war, als für das Wohlergehen seines Kindes zu sorgen. „Lass uns das vergessen und Kuroro so schnell wie möglich wieder auf die Beine kriegen.“ „Verstell dich bitte nicht in meiner Gegenwart. Ich weiß, das du immer noch sauer auf mich bist, Kleiner.“ Sein Blick sah leer aus bevor er die Augen abwendete, und Kuroro dann im Wohnzimmer auf das weiche Polster ablegte. „Ich geh dann mal Dylan holen. Ich hab ganz vergessen, das er immer noch draußen wartet.“ Damit verschwand Mephisto auf leisen Sohlen aus dem Raum. Was für ein Komisches Verhalten, schoss es Marcel durch den Kopf. Dieser Gedanke wollte ihn auch gar nicht mehr loslassen, irgendetwas stimmte nicht mit dem Schwarzhaarigen. War er sauer weil Marcel ihn belogen hatte, oder plagte ihn nur das schlechte Gewissen? Wahrscheinlich das letzte. Mephisto hasste nach eigener Aussage und nach Dylans Hinweis Lügen und Unwahrheiten wie die Pest. Wahrscheinlich ging ihn Marcels Verhalten diesbezüglich einfach gegen den Strich. Allmählich begann sich Marcel Sorgen ernsthafte zu machen. Er wollte nicht mit einem wütenden Höllenfürsten, einem wahrscheinlich unparteiischen Albino und einen Kampfunfähigen Wolf-Dämon im Wohnzimmer hocken, und über Flasche und Richtige Entscheidungen diskutieren! Doch viel Zeit um sich einen Kopf um das zu machen, was ihm hier gerade passierte, hatte Marcel nicht. Denn eine altbekannte Stimme ließ sein Blut in den Adern zu Eis gefrieren. „Na Hoppla, was hast du den in UNSERER Bude zu suchen?“, wehte die Frage an Mephisto, der Dylan wohl grade die Türe geöffnet hatte, durch den Hausflur. Leicht panisch verzog Marcel sein Gesicht. Diese Stimme hätte er wohl selbst erkannt, wenn er neben einem startenden Flugzeug und deren Turbinen stehen würde. Die Tonlage, die sie gegenüber Mephisto anschlug, ließ jetzt schon Mord und Totschlag erwarten... Marcel kannte nur wenige Menschen die eine so helle uns wohltuende Stimme besaßen, wie ER. Nur Wenige konnten diese innerhalb von zwei Sekunden in ein tödliches Messer verwandeln. Das war sein Bruder und gleichzeitig sein Geliebter, Kiley. Warum zum Teufel musste er ausgerechnet jetzt nach Hause kommen? Konnte er damit nicht noch eine Stunde warten?! Nun befand sich die Stimmung komplett im Keller und Marcel begann im Stillen nach einem Loch zu suchen, indem er sich verstecken konnte. Und besten Falls würde er dort sein gesamtes, restliches Leben verbringen, in der Hoffnung das seine Geschwister ihn niemals wieder finden würden. Aber Marcel war zu Stolz um seine Angst zu zugeben. Er schüttelte den Kopf, um diese Gedanken aus seinen Kopf zu verscheuchen. Kim war so vernünftig wie Dylan, und würde niemanden aus Wut oder Grell Kopfüber an die Decke hängen. Noch ehe er überlegen konnte, was er am besten tun sollte um seinen Hals nochmal aus der Schlinge zu ziehen, erschien ein Schatten im Türrahmen und Marcel stand seinem Bruder von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Als er sah, wie aufgebracht Kims Miene wirkte, wurde ihm fast Augenblicklich schlecht. Das, was sich dort abbildete bedeutete Ärger und erst recht keinen romantischen Abend zu zweit. „Hallo Marcel. Da bist du ja...?“, brummte Kim. Seine Augenbraue zuckte warnend, doch sonst sagte er nichts und so herrschte für einige Sekunden Stille. „Hi Kiley.“, begrüßte Marcel den Neuankömmling leicht verlegen. Fast im selben Atemzug wollte er sich umdrehen und in sein Zimmer flüchten, aber so schnell wie Kim Zähnefletschend vor der Treppe stand, konnte er noch nicht mal gucken! „Wo willst du denn hin, Blondie?“, fragte der Schwarzhaarige mit dunkler Stimme. „ Ich dachte, du wolltest mir erst mal erklären warum dieser Penner an der Haustüre steht und einen auf Herr des Hauses macht. Ich muss ja gestehen das mich das so >minimal< ankotzt.“ Das war eine verdammte Lüge! Kiley machte eher den Eindruck als würde er seinem kleinen Bruder am liebsten an die Gurgel springen und ihm das Genick in zwei Hälften brechen. Marcel machte einen Satz nach hinten. Abwehrend hob er seine Hände in die Luft da er bereits von dem Schlimmsten ausging. Was hatte er grade eben nochmal Gedacht? Kiley war Vernünftig!? Vielleicht in allen anderen Belangen, aber nicht wenn es um einen fremden Dämonen in seiner nahen Umgebung ging. Da schwenkte sämtliche Vernunft und Rückhalt in seinem hellen Köpfchen die weiße Flagge. „Was gibt es da denn viel zu erklären?“, widersprach Marcel zitternd. Sein Herz schlug ihm vor Angst bis zum Hals.„Dylan und sein Vater sind auf einen Spontanen Besuch vorbei gekommen... Sie wollten wissen wie es mir geht, nachdem uns die letzten Wochen diese Mädchen so in Atmen gehalten haben.“ Grimmig zog Kim seine Mundwickel nach unten. „Okay, das lass ich mal so stehen. Aber warum liegt Kuroro wie so ein nasser Sack auf der Couch und ist allem Anschein nach Ohnmächtig?“ Erstaunt sah Marcel zu Kuroro und schluckte, als Kiley ihn wieder ins Visier nahm. Er hatte völlig vergessen das da ja noch jemand lag... „Er ist etwas frech geworden.“, meinte Mephisto plötzlich der mit Dylan das Wohnzimmer betrat und seinem Schützling nach alter Manie aus der nassen Jacke half und sie über seinen Arm hang. Der freundliche Ausdruck aus seinem jungenhaften Gesicht wirkte falsch und aufgesetzt, als er das junge Stone Face erkannte. „Du bist Kiley, Daimons Zwilling und Marcels älter Bruder, habe ich recht?“ Natürlich brauchte er nur einen kleinen Blick in Kims Augen zuwerfen und er wusste was ihm durch den Kopf ging. Es interessierte Mephisto nicht dass er den Mühsam errichteten Schutzwall aus Stolz und Wissenskraft niederriss, und in Kims Gedanken eindrang. Als er Daimon damals am Schultor fast mit dem Auto umgefahren hätte, konnten sich die Zwillinge noch vor seinen Fähigkeiten schützen, aber nun war Mephisto auf ihre Tricks vorbereitet. „Du brauchst dir keine Sorgen machen.“, sagte Mephisto und wandte sich ebenfalls aus seiner schwarzen Lederjacke. „Ich bin nicht hier um Ärger zu machen. Ich bin hier, weil mir irgendwie die Sicherheit eurer kleinen Gemeinschaft am Herzen liegt und ich euch etwas erzählen möchte...“ Kim war der Erste, der reagierte. „Was denn?“, fragte er und seine Stimme klang skeptisch, während er den Mann im Türrahmen voller Misstrauen beäugte. „Das wirst du dann noch hören. Setz´ euch erstmals hin.“ Damit ging Mephisto zu der runden Sitzecke im Raum und ließ sich sanft in einen dunkelroten Sessel gleiten. Eigentlich wollte er sich nicht unbedingt von seiner schlechten Seite zeigen, aber so steifbeinig wie Marcel und Kiley da standen - und ihn verwirrt anglotzen - musste er andere Maßnahmen einleiten. „Heute noch, wenn ich bitten darf. Mein Tag hat nur vierundzwanzig Stunden.“, murrte Mephisto dann sehr viel gereizter als vorher und nach einer kurzen Bedenk-Sekunde, setzten sich Kim und Marcel auf die freien Stellen neben Kuroro. Erwartungsvoll schauten sie den Schwarzhaarigen an. „Was möchtest du uns erzählen?“, fragte Marcel leise. Auch wenn es ihm vor Mephisto und Dylan etwas unangenehm war, ergriff er Kileys Hand und drückte sie kurz und liebevoll. Es war ja nicht so dass er sich deswegen Schämte, denn unter Geschwistern waren solche Berührungen legitim, aber trotzdem... Mit normalen Brüdern konnte sie niemand mehr vergleichen - Sie waren mehr als das! Sofort wurde der Druck an seinen Fingern erwidert, und ein kleines Flämmchen des Glückes erwärmte Marcels Herz. Kiley war bei ihn. Und zusammen konnten sie jede noch so schlimme Krise bewältigen. Auch wenn sie erst seit kurzen zusammen waren... auch wenn sie sich erst seit kurzen so richtig kannten.... Solange er die warmen Finger an seiner Hand spürte, konnte ihm keine Macht der Welt etwas anhaben. Mit Kim an der Seite fühlte sich Marcel einfach Sicher und Geborgen. „Was ich euch erzählen möchte hat mit den Nemesis zu tun.“, erklärte Mephisto ruhig und schaute dann kurz zu Dylan, der nach wie vor im Türrahmen stand und den beiden Geschwistern einen seltsam, befremdlichen Blick zu warf. Er folgte dem Beispiel seines Sohnes und erkannte dort die in einander verschränkten Finger der ungleichen Brüder. Allerdings war das nichts seltsames... zumindest nicht in Mephistos Augen. Man sah ihnen deutlich an, das sie einander gegenseitig Halt und Schutz spenden. Doch Dylan schien das nicht zu erkennen oder wahr haben zu wollen. Der Blick seiner goldenen Augen wurde immer finster und Mephisto spürte das Gefühl, welches das Herz seines Schützlings durchstach. Eifersucht. „Ja... nun... Dylan? Komm´ her mein Engel.“ Er klopfte einladend auf seinen Oberschenkel. Es tat Mephisto unheimlich weh ihn so zu sehen und noch mehr schmerzte ihn das Wissen, das er rein gar nichts machen konnte, um Dylan zu helfen. In Sachen Liebe und Partnerschaften versuchte er möglichst, wenig oder am besten gar keinen Einfluss zunehmen. „Ich möchte auch das du dich hinsetzt. Das was ich jetzt erzähle, ist genauso wichtig für dich wie für Marcel und Kiley.“ Dylan riss seinen Blick von den Geschwistern los und drehte den Kopf in Mephistos Richtung. „Entschuldigung. Was hast du gesagt...?“, fragte er tonlos. „Das du zu mir kommen sollst. Ich möchte jetzt gerne anfangen.“ Dann klatschte er in die Hände und Marcel schwante fürchterliches. Er wollte Dylan noch eine Warnung zurufen, aber eine jähe Windböe durchschoss den Raum und erfasste den jungen Dämon, noch bevor er auch nur mit der Wimper zucken konnte. „Uff!“, entfloh es seinen halb geöffneten Lippen. Der Windstoß bündelte seine Kraft und zog Dylan in das Wohnzimmer, wo er ihn wie einen nasser Mehlsack und mit voller Wucht in einem neuen Sessel rammte- der vorher nicht zu der Garnitur des Hauses gehörte, sondern plötzlich wie aus den Boden gewachsen da stand und den restlichen Anwesenden im Raum große Augen bescherte. „Sehr schön.“ , sagte Mephisto kurzdarauf ohne eine Spur von Belauerung in der Stimme. „Jetzt sind wir vollzählig und können Anfangen.“ Dann beugte er sich zur Seite und strich Dylan mit zwei Fingern sanft über das nun wirklich leichenblasse Gesicht, damit er seinen scharfen Tonfall nicht missverstehen konnte. Aber so liebevoll diese Berührung auch erscheinen möchte, sie könnte nicht darüber hinweg täuschen, wie ernst ihm diese Sache war und wie tief der Schock in Dylans Knochen saß. „Hab keine Angst mein Kind , ich möchte doch nur das Beste für dich . Du hast dich die letzten Tage, Wochen so angesprengt und nun musst du dich ausruhen .“ „Das nennst du ausruhen?“, fragte Dylan und seine Augen verengen sich zu zwei Schlitzen, als er sein Gesicht Mephisto zuwendete.. „Ich nenn` das schon fast eine Körperverletzung!“ Eine Flamme zog durch seinen Rücken und hätte ihn beinahe aufschreien lassen. Wegen den Stutz gegen die Sessellehnte musste er sich irgendwie verletzt haben. Doch das wunderte Dylan nicht wirklich - so wenig Fett wie er noch am Körper trug, würde er sich bei jedem kleinen Schlag einen Prellung holen. Scheiße. Er musste tatsächlich wieder regelmäßig essen, wenn er in der Zukunft noch gescheit Kämpfen wollte. Fluchend wich er Mephistos Hand aus, die ihn noch einmal berühren wollte. Mephisto verzog die vollen Lippen zu einen gemeinen grinsen. „Du übertreibst. Ich wollte dir nur das gehen ersparen.“ „Lügen konntest du aber auch schon besser. Du kannst froh sein, das ich nicht darauf vorbereitet war!“ Dylan räusperte sich kurz und schaute dann zu Marcel und Kim. „Tut mir leid. Alltagsstreitereien.“, murmelte er kurzangebunden. „Seid ihr dann fertig mit Zofen? .“, knurrte Kim plötzlich und zerstörte damit die angespannte Atmosphäre im Raum. „Dann kannst du anfangen zu erzählen. Mein Tag hat nämlich auch nur vierundzwanzig Stunden und ich wollte diese mit noch etwas anderen, als mit Reden verbringen.“ Er knurrte leise und Marcel drückte noch einmal seine Hand. Mit einem leisen Seufzen wendete er dem Jüngeren sein Gesicht zu und lächelte ihn milde an. Er hatte die Stumme Warnung des Kleinen verstanden und rief sich selbst innerlich zur Ruhe. „Du hast später noch genug Zeit.“, meinte Marcel achselzuckend und hob seine Augenbrauen an. Er sah das wütende funkelnden in Kileys Auge. Er spürte die steinerne Härte seines Körpers, als sich seine Finger um die blasse Hand des Älteren schlossen. Und trotzdem blieb er wie festgewachsen auf der Couch sitzen, obwohl ihn sein menschlicher Instinkt eigentlich zur Flucht trieb. Aber Marcel verstand Kim und er vertraute ihm. „Na gut.“, sagte Mephisto und klopfte kurz auf seine Armlehne. „Was ich euch erzählen möchte hat mit den Nemesis zu tun.“ Er schaute kurz zu Dylan und nickt kaum merklich. „Seitdem mir mein Sohn von dieser Gruppe erzählt hat, habe ich die Zeit genutzt um ein paar Nachforschungen über sie anzustellen und bin sogar fündig geworden. Es war zwar nicht einfach, und ich bin mir auch nicht sicher ob diese Informationen richtig sind, aber sie sind das einzige, was wir haben. Also fangen wir mal einfach ein; Was glaubt ihr, sind das für Kreaturen? Menschen, Dämonen, oder etwas völlig anders?“ Erwartungsvoll schaute Mephisto in die Runde und sein Blick blieb an zwei unterschiedlich farbenden Augen hängen. „Kiley, du würdest von einem Mitglied angegriffen. Konntest du erkennen, was sie ist?“ „Nein.“, murmelte er leise und kräuselt die Nase. Er fühlte sich ein bisschen wie in die Grundschule zurück versetzt und seine Achtung vor Dylans Vater, schrumpfte immer mehr. Für wenn hielt dieser Kerl ihn eigentlich? Für einen dummen, einfältigen Jungen, der keine Ahnung von den Grausamkeiten dieser Welt hatte?! Mephisto ließ die Mundwinkel sinken. Er schaute Kim nachdenklich an, seine spitzen Zähne drückten sich sanft in die Unterlippe. „Tja, dann eben nicht. Dann versucht eben ein andere sein Glück. Marcel?“, sagte er schließlich mit einem schrecklichen Lächeln. „Du bist diesem Mädchen ebenfalls begegnet, sie hat dir sogar ein paar ihrer Fähigkeiten gezeigt. Hast du eine Vermutung woher und warum sie sie haben könnte?“ „Ähm... Ja, ich meine NEIN!“, stammelte er etwas verwirrt. Er fühlte sich ehrlich gesagt etwas überfordert mit dieser Frage und vor allem mit dieser Situation. Wie sollte er etwas wissen, von dem noch nicht einmal Kiley Ahnung hatte? Warum fragte Mephisto nicht Dylan, dem würde sicher etwas besseres einfallen. „Ich weiß es nicht so genau...“, druckste Marcel weiter. „Ich denke mal... dass sie diese Kräfte hat um gegen irgendwas, oder irgendwen zu Kämpfen. Alles andere wäre doch unsinnig.“ „Das ist schon mal ein guter Ansatz, gut gemacht.“ Mephisto musterte Marcel lächelnd, offensichtlich gefiel ihm seine Antwort. „Also... jetzt wissen wir schon mal das die Nemesis gegen etwas Kämpfen und dafür mit Superkräften ausgestattet wurden. Jetzt stellt sich nur die Frage gegen was sie Kämpfen und warum?“ „Das weiß ich!“, rief Dylan plötzlich laut und die anderen drei zuckten kurz zusammen. „Ja...?“, hakte Mephisto nach, offenbar überrascht da er nicht auf Dylans Gedanken geachtet hatte. „Lucy hat mir erzählt das sie alle Dämonen ausrotten möchten, das es ihre Pflicht ist. Sie ist ein Humaniod Demon.“ Er ballte seine weiße Hände zu Fäusten und ein tiefen Knurren ließ seinen Oberkörper erzittern. „Ich habe damals einen Bericht im Internet gelesen indem stand, das sie Versuchskaninchen sind. Sie wurden vor knapp 50 Jahren während eines Experimentes von irgendwelchen Wahnsinngen Wissenschaftlern erschaffen und müssen seitdem Jagen und Töten. Anfangs sollten sie die mit ihren Kräften den Weltfrieden sichern und die Bevölkerung vor Kriegen beschützen, aber anscheinet ist etwas schief gegangen wenn sie jetzt auf uns Dämonen scharf sind. Und das ironische an der ganzen Sache ist, das die Humaniod Demon zum Teil selbst Dämonen DNA besitzen. Theoretisch gesehen, töten sie ihre eigen Brüder und Schwestern. Und das ist echt Grausam. Finden das die Menschen witzig? Das ist doch armselig.“ „Halbbrüder und Halbschwestern.“, korrigierte Mephisto mit erhobenen Zeigefinde. Der Wind hatte an Stärke zugenommen. Ein Blitz entlud sich mit einen heftigen Schlag über dem Dach. Der Sturm schien immer näher zu kommen. „Denn zur anderen Hälfte sind die Humaniod Demon Menschlich. Und ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass sie so viele von uns, so schnell töten konnten - Keiner nimmt sie ernst. Ein Dämon, der ihnen gegenüber steht, wird sich wohl kaum von ihnen bedroht fühlen. Immerhin sehen sie aus wie normale Menschen und riechen wie Menschen.... In ihren Herzen sind sie sogar noch Menschen! Ihr Erfolgsgeheimnis ruht demnach einfach die Dummheit und den Hochmut der Dämonen.“ „Aber nicht nur das...“, fuhr Dylan fort. „Die Mischwesen bekamen während der Experimente einen Kristall eingepflanzt, der irgendwelche Areale in ihren Gehirn stimuliert und ihnen damit magische Fähigkeiten verleiht. Zum Beispiel kann Lucy Feuer erzeugen und manipulieren. Wenn man denen Berichten glauben darf, sehen die Mischwesen zwar wie gewöhnliche Menschen aus, aber ihr Übernatürliches Erbe verleiht ihnen enorme Kräfte, die die eines Menschen bei weitem übertreffen. Die Stärke, welche alleine in Armen ihren steckt ist so groß, dass sie einen ganzen LKV stemmen können. Das müsst ihr euch mal vorstellen! Ein zierliches Mädchen kann einen ganzen, verdammten Lastwagen durch die Gegend tragen, als wäre es ihre Handtasche! Sowas können noch nicht mal alle Dämonen. Ihre Kraft, Schnelligkeit und das äußerst leistungsstarkes Gehirn übertreffen das Können, der meisten heutigen Wesen um ein Vielfaches. Die Wissenschaftler bezeichnen die Mischwesen ja nicht umsonst als die Krönung der Schöpfung. Der Mensch selbst - gemischt mit Dämonischen oder Himmlischen Begabungen - ist das gefährliche, aller uns bekannten Wesen. Wenn wir Pech haben und noch mehr solcher Kreaturen aus den Laboren kriechen, können wir bald abdanken und einpacken. Dann ist die Ära der Dämonen, und allen anderen Nichtmenschlichen Wesen vorbei.“ Dylan seufzte kurz und führte die Finger zu seiner Schläfe, als würde er Kopfschmerzen haben. „Außerdem sind die Nemesis extrem gerissen. Sie verfügen über alle möglichen Kriegsmittel und Technologien. Im Naturkunde Museum besaß Lucy sogar ein kleines Fläschchen mit Sprengstoff, und wer weiß schon, was sie noch in ihren Versteck horten?“ Die Vorstellung ließ Marcel frösteln. Reichte es denn nicht das die Nemesis Superkräfte besaßen und einen Dämon wie Kuroro oder Kiley, mühelos über den Haufen rennen könnten? Nein! das reichte noch nicht! Jetzt stand ihnen auch noch ein ganzes Waffenarsenal zur Verfügung. „Das will ich lieber nicht wissen.“, murmelte Kiley leise, dem offenbar ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen. „Und die wurden erschaffen um den Frieden in der Welt zu sichern? Warum haben die Wissenschaftler ihnen den überhaupt solche Fähigkeiten gegeben, mit denen sie sowieso nur Asche und Verwüstung herstellen? Dann hätten sie denen doch besser ein Notruftelefon in den Bauch gepflanzt. Tzz, aber das ist die Logik der Menschen.“ „Ich mag kritische Fragen.“, sagte Mephisto düster, und der Ton in der Stimme ließ dunkles erahnen. „Warum haben sie diese Kräfte? Warum jagen sie Dämonen so gerne? Und warum scheinen sie uns immer und überall zu finden? Ich kann es euch sagen. Diese Mädchen wurden dafür geschaffen um übernatürliche Kreaturen zu jagen! Es ist ihre Bestimmung. Ihr oberstes Lebensziel.“ Ruckartig nahm Marcel eine grade Sitzhaltung ein. "Dann gibt es keine Möglichkeit die Angriffe abzuwenden? Entweder müssen wir sterben, oder.... Sie?" Erst jetzt nahm er bewusst die Hand war, die er die ganze Zeit über gehalten hatte und starrte sie benommen an. Sein Blick wurde trüb. Sein Herz zerbrach vor Schmerz. Und vor Wut. Wenn er sich nur schon vorstellte, wie die Nemesis einen seiner Geschwister oder Freunde töteten, traf es ihn wie ein brutaler Messerstich. Er wollte niemanden verlieren! Er liebte sie doch alle auf eine ganz besondere, individuelle Weise. Und wenn er wieder an die roten Augen dieser Lucy zurück dachte, wie sie ihm kalt ins Gesicht lachte, spürte er einen schrecklichen Hass auf sie und ihre Mitstreiter. Sie wussten doch überhaupt nicht wie es sich anfühlte seine Familie zu verlieren! Ihnen war das Schicksal der Hinterbliebenen doch egal. Sie könnten sich nur über den Sieg und über einen Dämonen auf der Welt weniger freuen. Tief in seinem Inneren hatte Marcel sich gewünscht, die Nemesis im Ernstfall von der Unschuld seiner Geschwister zu überzeugen. Aber wenn es ihr Bestimmung war Dämonen zu töten, konnte niemand etwas daran ändern. Dann gab es wirklich nur die eine Lösung: Sie mussten sterben. Und für immer von dieser Welt verschwinden. „Marcel?“ Die sanfte Stimme seines Liebsten fühlte sich an wie ein warmer Sommerregen. Marcel schluckte während er gespielt lächelte. Abschätzend huschte er sein Blick zur Seite. Kim stand die Skeptisch jetzt schon ins Gesicht geschrieben. Das war nicht unbedingt ein gutes Zeichen, erst recht nicht, wenn man ihn schon etwas länger kannte und demnach auch seine verschiedenen Charaktereigenschaften. Marcels Finger schlossen sich fester um die warme Hand seines Bruders, ehe er sich Zusammenrieß und den Kopf in den Nacken legte. „Ja?“, fragte er zaghaft. „Du sieht Blass aus. Fühlst du dich nicht wohl?“, erkundigte sich Kiley besorgt nach seinen befinden. Kurz schüttelte Marcel den Kopf. „Nein mir geht es gut. Das ist alles nur ein bisschen viel für mich.“ gestand er leise. „Ich habe immer noch mit einen Happy End gerechnet. Dass wir die Nemesis irgendwie Kampflos umstimmen können... Aber, wenn es nicht geht...“ Er wendete den Kopf zur Seite. Seine Angst und Panik musste Kim jetzt nicht sofort sehen. Vielleicht würde er sich ihm später anvertrauen, wenn sie alleine und ungestört waren. „Es wird ein Happy End geben, das verspreche ich dir hoch und heilig.“, meinte Kim und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem fiesen grinsen. „Nur weiß ich nicht ob das so aussieht, wie du es dir vielleicht vorstellen magst.“ Vielleicht war dies nicht der richtige Augenblick für sarkastische Bemerkungen, aber der Schwarzhaarige wusste, dass er damit Marcel vielleicht etwas ablenken konnte. „Hat es was mit Blut und zerrissenen Mädchen zu tun?“, murmelte Marcel und biss sich leicht auf die Unterlippe. Die stillen Aufmuntersversuche seines Bruders ließen ihn jedenfalls kalt. Kims Sinn für Humor teilte er nicht grade, dieser war ihm einfach zu düster und unheimlich. Zugegebenermaßen konnte sein Bruder Kiley sowieso über die unerklärlichsten Dinge lachen, aber Sachen, die Marcel zum bespiel ziemlich witzig fand, entlockten ihm aller höchsten ein müdes Mundzucken. Oder jäh nach Stimmungslage, sogar ein wütendes Knurren. Hmm... Komischer Vogel. Aber was ist schon normal und unnormal? Darüber könnte er jetzt schon ganze Romane schreiben, aber glaubte würde das Marcel sowieso niemand. Schon alleine die Tatsache das er zusammen mit einen Werwolf, einen Halbdämon, einen Halbvampir und dem Teufel höchstpersönlich in einem Zimmer saß, erinnerte eher an die Geschichte aus einem Fantasybuch, anstatt an die Begebenheit der wahren Welt. Es mag ja sein, das andere Leute es total Cool fanden mit >Märchenwesen< befreundet beziehungsweise Verwand zu sein, aber Marcel bekam bei den Gedanken daran eher Kopfschmerzen und leichte Übelkeit. Diese ganzen Pflichten die plötzlich auf einem zukamen, diese ständige heimliche-tue-reih in der >normalen< Gesellschaft... Es wäre gelogen wenn Marcel behaupten würde, das ihn das nicht irgendwie belastete. Und Marcel musste schon sagen, das konnte man drehen und wenden, wie man wollte – das klang doch schon ziemlich abgefahren! Gut das nur seine besten Freunde einen kleinen Teil von dieser Geschichte wussten, und nicht sofort die ganze Stadt. Wenn alles so lief wie bisher, brauchte sich Marcel diesbezüglich keine Sorgen zu machen. Er würde Schweigen wie ein Grab, Daimon und Kiley sowieso, und von Dylan und Mephisto würde auch niemand etwas erfahren. Aber dafür gab es andere Probleme in der Welt... Die Mischwesen. Und damit wäre er auch schon wieder am Anfang seiner Misere angekommen! Für den Moment beschloss Marcel, diese Gedanken erst mal an einen anderen Ort seines Gehirns zu verbannen. „Die Humaniod Demon sind also bei einem Experiment entstanden? Wie geht es weiter, Mephisto?“, fragte der deshalb. Der Angesprochene nickte zustimmend. „Es gibt aber nicht nur die Humaniod Demon wie Dylan gesagt hat, sondern noch zwei weitere Gattungen. Nur das sie während dem ersten Experiment entstanden und als Vorlage, für die kommenden zwei Versuche dienten. Zusammen, ergeben sie die sogenannten Mischwesen - Kreaturen, mit halb Menschlicher und halb andersartiger Abstammung. Die Humaniod Demon bilden eine Mischung zwischen einen Menschen und einen Dämonen. Da Augenmerk der Mischwesen liegt auf allen Kreaturen, die den Menschen auf irgendeiner Art und Weise Gefährlich werden können. Dämonen und Geister sind ihre Hauptfeinde, aber auch andere Wesen wie zum Bespiel Feen, Elfen, Kobolde, Trolle, Engel oder Nixen stehen auf ihrer Beuteliste. Sie wurden geschaffen um das Böse von den Homosapiens abzuwehren - Sie sollen sie Vereidigen und gegen den Rest Kämpfen. Denen ist es vollkommen egal ob du zu den Guten oder zu den Bösen gehörst. Wenn kein menschliches Blut in deinen Adern fließt, haben sie allen Grund dazu um dich im der Luft zerreißen.“ Mephisto stoppte kurz und schaute fragend in die Runde. Die Anwesenden sollten Zeit haben, um die Flut von Informationen richtig zu verarbeiten. „Konntet ihr mir bis dahin folgen? Ja? Gut. Dann geht es jetzt mit den Prototyp Angel weiter...-“ „Halt, Stopp!“, rief Marcel plötzlich aufgebracht. „Ich komme nicht mit! Also nochmal langsam: die Humaniod Demon sind Mischwesen, und die Prototyp Angel...“ „...sind auch Mischwesen, ja Blondie .“, zischelte Kim ein bisschen genervt von der Seite .“ Hörst du überhaupt richtig zu? Das hat Mr. Superschlau doch grade lang und breit erklärt. Die Kreaturen, die während der Experimente entstanden, sind alles Mischwesen. Die Mischwesen sind ihre Familie, und die Humaniod Demon und die Prototyp Angel bilden beide eine eigenständige Gattung innerhalb dieser Hierarchie. Mit Familie meine ich jetzt nicht den Zusammenschluss indem wir Leben, sondern die Ebene der biologischen Systematik, worunter man die verschiedene Gattungen und Ordnungen der Zoologie und der Botanik einsortieren kann.“ Marcel stutze kurz. Alles klar, jetzt verstand er noch weniger als vorher. Konnte Kim das bitte nochmal für normal Sterbliche in umgangssprachlichen Deutsch Widerholen? Gattungen, Familien, Ordnungen und biologische Systematik?!Wer sollte das denn aus einander halten, der nicht zufällig Biologie Studiert hatte?! „Danke Kiley. Jetzt hast du mein Gehirn komplett ermordet.“ Schnaubend ließ Marcel seinen Kopf nach vorne fallen und atmete langsam aus. „Ich freue mich jetzt schon auf den Biologie Unterricht in der zehnten Klasse.“ „Und nicht nur du...“, murmelte Dylan im halblauten. Auch er betrachtete Marcels älteren Bruder als wäre er ein grünes Männchen vom Planten Mars. Da gab es also immer noch Dinge wovon die er in seinen vergangen 400 Jahren noch nicht gehört hatte. Das Orangen und von Missgunst funkelnde Augenpaar, welches die muntere Runde schon die ganzen Zeit lang und die ganzen letzten Minuten vom anderen Ende des Wohnzimmers aus beobachten hatten, bemerkte weder Dylan noch Marcel. Nur Kim überkam eine leichte Gänsehaut und er rammte sein Knie in weiser voraussieht gegen Marcels Bein. „Ich glaube, da möchte jemand weiter machen.“, sagte er vorsichtig zu den beiden Jungen. Sofort richteten sich wieder alle Blicke auf Mephisto, der noch immer Stumm und Reglos im Schattens des Lichtes saß und nun kühl lächelte. „Sehr aufmerksam von dir, Kiley. Danke...“ Mit diesen Worten zog Mephisto die großen Vorhänge im Wohnzimmer zur Seite, sodass er die immer noch schwarze Wolkendecke am Horizont betrachten konnte und drehte sich dann wieder zu seinen Zuhörern um, die nun wieder das taten, was sie machen sollten. Ihn nämlich Erzählen lassen! Trotzdem verschränkte Mephisto seine Arme vor der Brust und knirschte wütend mit den Zähnen, als er nun den drängen Ausdruck in den blassen Gesichtern von Marcel, Kiley und Dylan bemerkte. Natürlich, erst quatschten sie selbstvergessend drauf los und jetzt sollten sie, das er sich beeilte. „Nach den ersten, gelungen Projekt wurde das Prototyp Angel-Experiment ins Leben gerufen.“, hob Mephisto seinen alten Gesprächsfaden wieder auf. „Und wie der Name schon erahnen lässt, waren hier himmlische Gene im Spiel. Prototyp Angel sind halbe Engel und in meinen Augen, sehr viel intelligenter als Humaniod Demon. Leider weiß ich genau so wenig über sie, wie über die andere Gattung. Die Prototyp Angel intrigieren sich fast vollständig in die Menschliche Zivilisation, sie verschwinden in ihr. Die Mischwesen tauchen auf wenn eine übernatürliche Kreatur in der Nähe ist, töten sie, und verschwinden wieder. Keiner weiß wohin sie gehen, keiner weiß warum sie uns immer finden. Einige meiner Untertanen vermuten das sie sich in etwas verwandeln können, andere glaubte an göttliche Beihilfe. Aber wenn ihr mich fragt, dann sind sie einfach nur Meister in Sachen Tarnung. Die Nemesis ist ein Gruppe von verschiedenen Mischwesen und sie sind gut indem was sie tun.“ Kim nickte nachdenklich. Sein Kopf pochte und als er einen Finger an das Kinn legte, spürte er einen sanften Widerstand von innen. Das waren zweifelsohne seine Vampirzähne. Normalerweise sollten sie nicht zum Vorscheinen kommen, aber wenn er hungrig war, Angst hatte, Wut oder Hass empfand, wuchsen sie auf ihre natürliche Länge an. Hinter und wieder passierte es auch mal bei besonders heftiger Freude. Das Prinzip funktionierten so ähnlich, wie bei einer Giftschlage. Nur das die Stone Face keine Beuteltaschen besaßen. Ihre Fangzähne lagen zum Größtenteils versteckt im Ober- und Unterkiefer, für Menschen wirkten sie wie absolut gewöhnliche Eckzähne. Nur wenn sie wirklich genau hinschauen, erkannten sie, das diese Zähne sehr viel spitzer und scharfen waren, als die üblichen. Sobald ein Stone Face seine Richtigen Zähne brauchte, >fuhren< sie sie einfach aus dem Zahnfleisch heraus. Kim wusste jetzt schon, dass er für die Nemesis niemals Mitleid empfinden würde. In diesen Augenblick wagte sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht. Hatte Mephisto nicht gesagt, das sie zur Hälfte Menschen waren? Dann sollte es eigentlich kein Problem darstellen wenn er die Humaniod Demon oder Prototyp Angel, beim nächsten Treffen einfach fraß, oder? An Wille und Hass würde es ihm bei ihren Anblick nicht mangeln. „Deine Untertanen?“, fragte Kiley mit beiden Augenbrauen noch oben gezogen. „Wenn willst du denn befehlen? Den deutschen Verein der freien Tunten-Bewegung?“ Mephisto schaute ihn an und fing an zu grinsen. Was war das doch nur für ein dummer, einfältiger Junge. Erkannte er denn immer noch nicht, wer da vor ihm saß? „Auf jeden Fall sind das mehr Leuten, wie du jemals Führen könntest.“ „Bitte Jungs, hört auf mit den Zanken! Es gibt wichtiges zu besprechen.“, Schlagartig wurde es Still im Wohnzimmer. Alle Augenpaare richteten sich stumm auf Marcel und der Junge erwiderte die fragenden Blicke tapfer. „Also wenn ich das richtig verstanden habe, dann sind die Nemesis ein Zusammenschluss aus diesen Experiment-Teilnehmern? Aus den Humaniod Demon und Prototyp Angel. Aber sagtest du nicht, das es drei Gattungen der Michwesen gibt?“ „Die Hybride. Genau. Sie bilden das letzte Glied in der Kette. Aber über sie weißt ich so gut wie Nichts. Strenggesehen sogar weniger als das, nämlich gar nichts. Niemanden den ich gefragt habe, konnte mir auch nur ansatzweise nützliche Informationen über sie geben. Die Hybride waren das letzte und gleichzeitig das geheimste Projekt der Wissenschaftler, und nur ein kleiner Rahmen beschäftigte sich mit ihnen. Ich weiß noch nicht mal aus welchen Arten sie sich zusammensetzten. Ich habe echt keinen blassen Schimmer.“ „Das klingt nicht gut.“, war alles, was Marcel in diesem Augenblick flüstern konnte. „Was sollen wir nur machen? Wie sollen wir jemals gegen die Nemesis kämpfen und hoffen, dass wir eine Chance auf den Sieg haben? Sie werden uns töten“ Seine kleinen, blassen Hände verkrampften sich zu Sehens - Er fühlte sich eigenartig benommen, und sein atmet drang nur noch schwerfällig über die Lippen nach draußen. Seine Interesse an den Mischwesen ebbte langsam ab und im gleichen Maße, wie sie schwand, wuchs die Angst vor ihnen. Wie ging es nun weiter? Er kam sie so verdammt nutzlos und unbrauchbar vor! Was konnte er auch schon gegen diese Ungeheuer ausrichten? „Wir werden einen Weg finden.“, sagte Kim voller Zuversicht, der scheinbar keine Ahnung von den Befürchtungen und bedenken seines Bruders hatte. Zärtlich streichelte er Marcels Handrücken mit den Daumen. „Wenn wir zusammenhalten können wir diese Mädchen besiegen. Wir sind nicht so einfältig wie die anderen Dämonen. Uns können die Nemesis nicht mehr mit ihren linken Methoden täuschen.Wir sind eine Familie und wir sind Stark. Es wäre doch gelacht, wenn uns ein paar schwächliche Halbmenschen das Wasser reichen sollten." Kapitel 21: Herz aus Stein? --------------------------- Das Unwetter tobte nun in vollen Zügen und ließ die Fensterscheiben von Innen klirren. Blitze erhellten den pechschwarzen Himmel. In der Zwischenzeit krochen unbemerkt ein paar Schatten in das Haus hinein und malten gespenstische Ungeheuer an die Wände. Die Luft war immer noch schwül warm, aber nicht unangenehm und stickig bei den ganzen Regen, der die Temperatur grade erst ertragbar machte. Trotzdem stand Marcel der Schweiß auf der Stirn. Unbeholfen wischte er eine nasse Haarsträhne nach hinten und bohrte die Zähne in seine Unterlippe. Vielleicht sollte er seine langen Haare beim nächsten Frisörtermin mal wieder kürzen lassen... Das wäre eine Idee, aber gleichzeitig unmöglich. Marcel mochte seine blonden Haare, er identifizierte sich mit ihnen. Sie waren dick und seidig. Wenn er sie um seinen Finger wickelte und wieder losließ, sprangen sie voller Stärke und Volumen herunter. Wie man es von den Fernsehen-Werbungen für teurere Shampoos kannte, die aber sowieso nicht hielten, was sie immer versprachen. Doch das war es nicht, was sein Herz zum Hämmern brachte. Seine Haare bildeten kein Problem. Dafür aber was anderes... Sein Blick fiel auf Kims weißes Gesicht. Von Mephistos Erzählungen über die Nemesis und den Mischwesen hatte es sogar noch mehr an Farbe verloren, auch wenn das so gut wie unmöglich klang. Na, wenigstens war Marcel nicht die einzige Person im Raum, der die Angst im Genick saß. Dennoch... „Es gibt keinen Grund um in Panik zu geraten. Ich werde unsere Familie beschützen.“ Natürlich. Kim war kein Feigling. Was sollte man auch schon anderes von ihm erwarten? Er würde alles tun, was in seiner Macht stand, um seine Liebsten zu Retten. Er würde Kämpfen, Morden und über Leichen gehen. Und wenn es sein muss, dann sogar alles Gleichzeitig. Eigentlich sollte Marcel in Anbetracht dieser Tatsache ein Lächeln auf seine Lippen zaubern, doch ihm war nicht nach guter Laune, und das hatte auch seine Gründe... „Das weiß ich doch Kiley. Aber ich mache mir trotzdem sorgen. Sie haben dich schon einmal schwer verletzt und wir wissen nicht, was die Nemesis noch alles auf den Kasten haben. Wer was, was geschieht wenn das nächste Mal aufkreuzen? Vielleicht haben wir dann nicht so viel Glück, wie beim ersten Mal.“ Warum fragen wir nicht Jeremy um Hilfe?“ „Nein, Marcel.“ sagte Kim mit fester Stimme und sah seinen kleinen Bruder eindringlich von der Seite an. „Wir können das alleine schaffen. Wir werden diese Krise bewältigen. Willst du, dein Leben lang immer nur in Jeremys Schatten stehen? Die Nemesis können sich meinetwegen auf den Kopf stellen, aber die werden von unserer Familie niemanden mehr angreifen und verletzten.“ Marcel schlug die Augen nieder. Auch wenn er sich nichts sehnlicheres wünschte als das, so richtig konnte er nicht an Kileys Worte glauben. Natürlich waren seine Geschwister mächtig, und Kim mochte zuversichtlich klingen, aber ohne Jeremy waren die Zwillinge einfach verwundbar. Wie eine Pistole mit Munition, aber ohne den Menschen, der seinen Finger an den Abzug legte. Die Mischwesen spielten in einer ganz anderen Liga wie die Stone Face. Dylan sagte, sie seien die Krone der Schöpfung. Der Übermensch, die Erlösung Gottes; Erzengel in menschlicher Hülle und ausgestattet mit paranormalen Fähigkeiten. Herkömmliche Dämonen könnten nichts gegen sie ausrichten. Als Marcel zögerte, sah er den üblichen Anflug von Starrsinn in Kileys schönem Gesicht. Wunderbar, wenn Kim so eine Miene aufsetzte, bereitete er sich innerlich besser schon mal auf die Flucht in sein Zimmer vor. „Aber die Mischwesen haben unnatürliche Kräfte.“, flüsterte Marcel leise. Ohne es böse zu meinen, aber mit der Sorgen um seine eigenen Knochen, zog er schon mal vorsorglich seine Finger aus Kims Stahlgriff. „Im Vergleich zu ihnen, seit ihr doch nur normale Dämonen. Wie sollen wir auf diese Weise jemals gegen diese Monster gewinnen? Ich weiß natürlich das du und Daimon auch stark seid, aber... nun mal nicht stark genug. Ich habe Angst das sie euch verletzten... und umbringen.“ Eine Sekunde schien es Kim die Sprache verschlagen zu haben. Zwei, drei und vier Sekunden folgten, bis er ein spitzes Knurren über die Blutleeren Lippen stieß und damit das ganze Sofa in Vibration versetzte. „Was hast du gesagt?“, zischelte Kiley und er verengte seine Augen zu Schlitzen. Er nahm einen tiefen Atemzug durch die Nase und lehnte seinen Körper bedrohlich nach vorne. „Wir sind doch nur... normale Dämonen. Habe ich das richtig verstanden, Blondie?“ Glücklicherweise hatte Marcel seine Hand schon zurückgezogen, denn so feste wie seine Bruder nun die Finger zur Faust ballte, wäre nicht mehr viel von ihr übrig geblieben, als ein weicher, deformierten Haufen Fleisch und Blut. Wahrscheinlich würde Kim ihm sogar am liebsten eine Klatschen und sagen, dass er ganz bestimmt kein normaler Dämon war, der sich vor jungen, mutierten Weibern versteckte musste. Nur weil sie jetzt zusammen waren, bedeutete das für Marcel noch lange keine Narrenfreiheit... Wenn Kiley Lust hatte ihm eine Ohrfeige zu geben, dann würde er das auch tun. In dieser Beziehung, stand er seinem Zwillingsbruder Daimon in Nichts nach. Aber Gott sei Dank, saßen noch zwei weitere Dämonen im Raum und würde in diesem Fall das Jugendamt alarmieren. Oder Kim die Zähne aus dem Mund schlagen, bevor er auch nur die Hand erheben konnte. Bei Mephisto und Dylan bildete beides eine gutmögliche Option, sie waren beide unberechenbar. Einer Mehr, der andere Weniger. Missmutig zog Marcel seine Augenbrauen zusammen. Ihr schöner, gemeinsamer Abend zu zweit rückte immer weiter in die Ferne. Nichts mit Kochen, nichts mit Kuscheln, nichts mit Küssen. Dann hieß es später Backpfeifen-Sturm, vielleicht ein paar geprellte Rippen und erst recht kein Abendessen. „Du verstehst das völlig falsch.“, versuchte Marcel seinen Bruder zu besänftigen. „Ich will nicht andeuten das ihr Schwach seid, sondern.... normal. Ihr Lebt doch schon so lange unter den Menschen, könnt ihr überhaupt noch richtig Kämpfen? Nein... Vergiss das, das klingt auch Blöd. Was ich eigentlich sagen möchte... ihr habt ein viel zu gutes Herz. Ihr würdet doch NIEMALS diese Mädchen umbringen... Nein warte, das ist schon wieder Falsch. Wir MÜSSEN diese Mädchen umbringen, sondern Sterben wir selbst... Ja... komische Situation. Was habe ich eben nochmal gesagt? Was Nettes oder?“ Zur Mitte hin wurde Marcel immer leise, mit jedem weiteren Wort welches er sagte, verlor seine Stimme an Mut und Entschlossenheit. Am Ende stammelte er nur noch unverständliches Zeug vor sich hin, während Kim die Lippen zu einem Zähnefletschen nach hinten zog. Ja ja, so viel zum Thema besänftigen. Grade hatte Marcel voller Elan einen imaginären Benzinkanister, in die imaginieren Flammen geworfen. „Marcel Nickita Sandojé...“, kam es wie ein Schimpfwort aus Kileys hübschen, in diesem Moment grausam verzerrten Mund gekrochen. Schon alleine die Tatsache, dass Kim ihn mit seinen vollen Namen ansprach bedeutete in etwa das Gleiche, wie den Schwarzhaarigen zu betrügen... beides beinhaltete für Marcel den Tod. „Du reitest dich immer tiefer in die scheiße, merkst du das eigentlich?“, brummte Kiley und leckte sich einmal über seine trockenen Lippen, die Hand auf seinem Hals ruhend. Wieder spürte er diesen unangenehmen Druck von vorhin in seinem Mund. Seine andere Hand fand den Weg auf Marcels Gesicht. Leicht strich sein Daumen über die zart geröteten Wangen des kleinen Menschen. Er spürte das leichte zittern der Haut unter seinen Finger und es war so wunderbar still... Ruhe. Er brauchte diese wunderbare Ruhe. Ruhe, um sich von seinen Vampirzähnen und seinen wild schlagenden Herzen abzulenken. Wenn dieser blonde, unwiderstehlich heiße Engel auch nur noch ein Wort sagte, würde er ihm ohne zu zögern das Gesicht zerquetschen. Kim könnte sich den jähen Anflug von Groll und Aggressivität selbst kaum erklären, aber als Marcel ihn als >normalen< Dämonen bezeichnete, brach in seinem Inneren eine Stütze zusammen. Er war zwar wirklich ein normaler Dämon, aber für Marcel wollte er mehr als das sein... Das was in seinem Körper zusammen gebrochen war, war eine wichtige Stütze die zu dem Käfig gehörte, indem er normalerweise das Stone Face gefangen hielt. Das Stone Face, welches seinen kleinen Bruder nicht nur begehrte, sondern ihm auch mehr an tun wollte... Es wollte Marcel Kratzen und Beißen. Nicht mit seinen menschlichen Zähnen und auch nicht aus Lust oder Spiel, sondern der Dämonen wollte seinen richtigen, gefährlichen und tödlichen Zähne in Marcels schmalen Hals bohren. Wie in Trance ließ Kim vorsichtig die Hände von Marcels Gesicht fallen. Er fühlte sich so taub an, das er nicht mal den fragenden Blick seines Liebsten auf der Haut spürte. Kiley konnte weder seinen eigenen Atem hören, noch konnte er das Schlagen seines Herzens spüren; dieser EINE Gedanke, in seinen Kopf wurde immer lauter und drohender. Du hättest es merken müssen, schallte ihm sein Unterbewusst sein unaufhörlich. Wie konnte das passieren? Wie konnte er plötzlich so einen tiefen Hass gegen über Marcel entwickeln? Er liebte diesen Jungen doch! Der Stich der Erkenntnis fuhr durch Kims Körper und blieb in seinem wild schlagenden Herzen stecken. Die Antwort auf diese Frage lag doch genau vor seiner Nase... Kileys leere, kalten Augen ruhten ausdruckslos auf einen Unsichtbaren Punkt in der Ferne, während er die nächsten Worte fast lautlos flüstere: „Die Hitzeperiode...“, wisperte Kim mit tiefer, kratziger Stimme. Er ließ den Blick auf seine Hände fallen. Weiße Hände, Stärke Hände, Hände die ihm dazu trieben seinen kleinen Bruder zu packen und ihn vor allem Übel dieser Welt zu retten. Warum bemerkte er diesen Umstand nicht schon viel Früher, verdammt?! Die Hitzeperiode sorgte nicht nur dafür das das paarungsbereite Weibchen und Männchen zusammen fanden, nein nicht nur das, sondern sie erweckten auch noch den Drang im Männchen das Weibchen vor allen anderen möglichen Konkurrenten zu verteidigen. Kiley wollte Marcel beschützen. Er senkte seinen Blick und fasste die angespannten Gesichtszüge seinen kleinen Bruders in die Augen. Marcels langen, blonden Haaren fiel ihm sanft über die schmalen Schulterblätter nach vorne... Seine großen und runden Augen glitzerten voller Sorge zu Kim empor... Doch all die Schönheit die der Junge ausstrahlte, vermochte Kileys Stimmung nicht zu heben. Ein ängstlicher Zug breitete sich auf Marcels Lippen aus: „Hey? Bist du in Ordnung...?“, er nahm Kims Finger wieder in seine Hand und übte leichten Druck auf die warmen und zugleich furchtbar stark zitternden Knochen aus. Noch immer zeichneten sich unerschütterliche Sorgen in seiner blassen Miene ab, die kein seiner Worte oder Gesten hätte vernichten können. Doch Kim konnte jetzt endlich wieder klar sehen! Der Schleicher vor seinen Augen öffnete sich zu dem Fenster, welches er solange und so verzweifelt in seiner Seele gesucht hatte. Nun wusste er endlich, wieso er die ganze Zeit so Nervös war, warum er seit Tagen unter diesen ständigen Stimmungsschwankungen Lid, weshalb er immer so eifersüchtig wurde wenn er beobachtete wie Marcel in der Cafeteria mit seinen Freunden rum alberte... Er wollte den Jungen für sich haben! Nun wurde Kim auch klar, wieso er eben diese Wut auf Marcel verspürt hatte. Er hasste nicht ihn; Er hasste seinen menschlichen, sterblichen Körper der mit jeder verstrichenen Sekunde dem Tode immer näher kam. Irgendwann würde die Zeit Marcel von dieser Erde tilgen. Deswegen wollte auch das Stone Face in seiner Brust ihn auch beißen. Es wollte Marcel damit nicht töten, vielmehr wollte es ihm das Geschenk der Ewigkeit machen. „Kiley... Bitte sag was. Du machst mir langsam Angst.“, hauchte Marcel angespannt und verhärtete seinen Griff um die fremde Hand. Sorge und Angst nahmen seiner Stimme die Stärke. „W- Warum gu..ckst du so komisch?“ „Du brauchst keine Angst haben, mein Kleiner. Mir geht es gut.“ , Kim bemühte sich, dass seine Stimme fest und so selbstsicher wie gewohnt klang, doch das Zittern seines Körpers hatte auch vor den Stimmbändern nicht Halt gemacht. Etwas unbeholfen umschloss er seine andere Hand Marcels seine. Kim sah wie die sich rosigen Lippen seinen Bruders anspannten, und das Leuchten in den Seelenfenster in Tränen zu ertrinken drohte. Sanft beugte er sich nach vorne bis seine Stirn gegen die Marcels gepresst lag und sah ihn ruhig an, bis der Kleinen den Blick wieder hob. „Ich meine es ernst, Marcel. Ich habe nichts, mir geht es gut. Um mich, brauchst du dir keine Sorgen machen.“ Mit hochroten Kopf wendete Marcel sein Gesicht ab und blies die Wangen auf. „Ist ja schon gut, man.“, flüsterte er leicht heiseren. „Ich habe es jetzt kapiert...! Dir geht es gut. Entschuldigung das ich mir Gedanken gemacht habe. Dafür musst du mir aber nicht sofort deinen Dickkopf vor die Stirn schlagen.“ Hilfe! Das war ja so peinlich... Was hatte er sich nur dabei gedacht?! Marcel wusste doch genau wie niedrig Kileys Hemmschwelle gegenüber der Öffentlichkeit lag, wenn er sich an gestern Mittag zurück erinnerte, wo Kim ihn auf dem Schulparkplatz geküsst hatte...! Schnell versuchte er Kim nach hinten zu schieben und an etwas anderes zu denken, als an dem Atem seines Bruders, der ja so angenehm über seine trockenen Lippen strich. Kim grinste leicht verzerrt und beugte seinen Oberkörper wieder vor, um dem Blonden einen flüchtigen, aber dennoch energischen Kuss auf die gerötete Wange zu drücken. „Ist gut. `tschuldige für die kleine Kopfnuss.“ „Du bist unmöglich, Kiley! Bleib mir bloß fern mit deinem Sabbermaul. Da kriegt man ja Plag!“, jammerte Marcel beschämt und schlug seine Hand auf Kileys Mund. Dieser kicherte leise auf und zuckte dann mit den Schultern. „Komm runter, du Idiot. Das war nur eine einmalige Sache, weil du mir so verdammt leid getan hast! Kleine Mädchen die heulen, möchten ja auch umsorgt werden wenn sie sich beim Spielen auf die Fresse gelegt haben. Und du hast das selbe Gesicht gezogen...“ Mephisto, der die ganze Scene zwischen den Geschwistern beobachtete hatte, wendete den Kopf zu seinem eigenen Kleinen. „Na?“, fragte er schmunzelnd. „Kommt dir diese Zankerei irgendwie bekannt vor?“ „Hmm.“, machte Dylan und tippte sich nachdenklich auf sein Kinn. „Ich weiß nicht... Wir sind da irgendwie sensibler. Wenn wir uns Streiten, gibt es immer eine bestimmte Person die sofort Beleidigt ist. Aber wer war das nochmal...?“ „Du?“, meinte Mephisto scharf. „Wer ist denn immer derjenige, der sich sofort im Badezimmer einschließen muss wenn die Luft dicker wird?“ „Ach ja?!“, spie Dylan angriffslustig zurück. „Wer ist denn derjenige, der nach einem Streit ohne ein Wort zusagen Tagelang in die Unterwelt verschwindet?!“ Genervt verdrehte Mephisto seine Augen und schnalzte danach kurz mit der Zunge, während er den Rücken wieder gegen die Sessellehne gleiten ließ. „Wer sagt denn das ich da war? Vielleicht habe ich mich in dieser Zeit um die Informationen der Mischwesen gekümmert?!“ Plötzlich erstarrte Dylan zur Salzsäule. Langsam ließ sich ein Schatten auf sein engelsgleiches Gesicht niedersinken. „Ach so. Dort warst du also in der letzten Woche? Du bist in die Labore eingebrochen und hast dich über die Mischwesen erkundigt?“, fragte er auf einmal leise, und doch ernsthaft. Er rief sich noch einmal die vergangen Tage ins Gedächtnis und erinnerte sich an Mephistos Abwesenheit. Jetzt konnte er sich endlich einen Reim auf diese Alleingänge des Höllenfürsten machen. Selbstverständlich verließ kein Wort Mephistos Lippen, vielmehr lächelte dieser nur vor sich her und nickte kaum merklich. „Und warum hast du mir nicht Bescheid gesagt?! Tage lang hast du kein Wort von dir hören lassen und ich dachte schon, das du wie eine beleidigte Leberwurst in der Hölle abhängst und mich verfluchst. Weißt du eigentlich, was ich mir für scheiß Sorgen gemacht habe!“ „So wie ich mich um dich?“, erwiderte Mephisto und hielt den zornigen Blick seines Sohnes gefangen. „Dann weißt du endlich wie es ist im Dunkeln zu tappen, weil ein gewisses Familienmitglied in deiner Gegenwart nicht seine Klapp aufbekommt. Davor die Tage ging es nämlich mir auch so beschissen!“ Vor Entrüstung klappte Dylan die Kinnlade nach unten. „Das war Absicht?“, fragte er mit kalter Wut in der Stimme. „Du wolltest dich nur an mir rächen, weil ich dir nichts von den Nemesis und meinen Kämpfen gegen ihnen erzählt habe?! Bist du denn Bescheuert?!“ Darauf nichts erwidernd, schlug Mephisto seine Beine über einander und stürze sein Gesicht mit der Hand ab. Er ließ Dylans Frage auf sich wirken und rollte mit den Augäpfeln, während er auf die dreiste Anschuldigung einging. „Natürlich wollte ich mich an dir Rächen! Ich muss dir doch die Faxen austreiben bevor es überhandnimmt!“ „Red` kein Unsinn!“, stieß Dylan heftig aus und sprang auf die Beine. Die Situation entglitt immer mehr seiner Kontrolle. Anscheinend hatte er den Raum und den Ort an dem er sich grade befand, schon ganz vergessen. Aber manchmal war ein neutraler Boden die beste Variante um einen Streit ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Nur Blöd, das sie während ihrer Meinungsverschiedenheit nicht alleine im Raum waren... „Du hast total die Show abgezogen, du hattest sogar echt Tränen in den Augen! Und ich habe dir auch noch geglaubt und dich getröstet. Aber was machst du? Du verarschst mich von vorne bis hinten, Mephisto!“ Marcel und Kim wechselnd zwischenzeitlich einen kurzen Blick. Der Ausdruck in ihren Augen wirkte identisch, anscheinend dachten sie an das selbe: Hoffentlich gaben Dylan und Mephisto eine Warnung im Voraus bevor sie sich gegenseitig an die Gurgel sprangen! „Sollen wir dazwischen gehen?“, flüsterte Marcel mit brüchiger Stimme. Doch sein Bruder verneinte Kopfschüttelnd. „Nein. Lass sie das unter sich klären. Nachher sind wir es, die in der Schussbahn stehen und dann ist es Zapenduster. “ Auf dem Schlachtfeld hingegen stand die Zeit Still. Dylan und Mephisto beäugten sich so angriffslustig wie ein paar Hyänen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis einem von ihnen der Kragen platze und mit ihm wohl auch das gesamte Wohnzimmer. Nichts ungewöhnliches, sollte man bei zwei Dämonen ihres Ranges meinen... Normalerweise gehörte Dylan zu den ruhigsten Personen auf dieser Welt und er konnte keiner Fliege etwas zuleide tun, aber von Mephisto genügte nur ein einziges falsches Wort und er ging in die Luft wie eine Handgrate. Mephisto gähnte herzhaft. Er schien sich absolut keiner Schuld bewusst zu sein und schloss müde, aber zufrieden seine orangen Augen. „Denk doch was du willst, Dylan. Es ist mir egal. Ich war nicht die Person die mit den Geheimnisskrämereien angefangen hat. Mein Kopf, hing nicht so wie deiner in der Schlinge und selbst wenn es so gewesen, hätte ich mich jederzeit von ihr befreien können. Du nicht. Du wärst nicht mal ansatzweise dazu in der Lage gewesen, auch nur eines dieser Mädchen im Ernstfall um zubringen. Dafür bist du einfach zu Gutherzig und zu Naiv.“ Emotionslos krallte sich sein Blick an das schneeweiße Gesicht seines Schützlings fest und er wartete auf eine Reaktion des Jüngeren. Wie zum Beispiel auf eine Entschuldigung oder ein Eingeständnis. Doch von Dylan kam nichts. Sein Mund kleiner Mund öffnete sich reflexartig, um wie gewohnt eine schlagfertige Antwort zu zischen, doch er schnappte stumm wieder zu. Stattdessen wendete Dylan nun seinen Kopf ab und starrte beleidigt an die Wand. Er wusste, dass er Recht hatte. Diesmal schloss Mephisto seine Augen nicht, sondern er verengte sie zu zwei kleinen Schlitzen. Unschuldig schieß Dylan ein kleines Seufzen aus, doch diese sonst kaum nennenswerte Geste machte den Satan nur noch wütender, als er durch diese Ignoranz sowieso schon war. „Es gibt Wesen...“, grollte er mit tiefer Stimme. „Die sind wie die Sonne. Sie strahlen und übertreffen alles und jenen in ihrer Gegenwart. Jeder ist von ihrer Stärke fasziniert, jeder möchte sie als Freund an seiner Seite wissen. Ihre Energie scheint nahezu unerschöpflich zu sein! Es gibt nichts, was sie nicht mit ihrem guten Willen erreichen können. Das Schicksal öffnet den Glücklichen jede noch so kleine Türe. Und doch... und doch gibt es immer einen Schatten, der sie überall hin begleitet. Einen Schatten, der klug ist und jede ihrer guten Taten zu verhindern versucht, weil diese feierlichen Idioten einfach nicht merken, dass sie sich damit selbst zerstören. Dass sie ihre Energie in die falschen Ziele stecken. Dass sie von ihren vermeintlichen >Freunden< nur ausgenutzt werden! Und letztens Ende stehen sie alleine da und sehen nur noch den Abgrund vor ihren Augen. Nun liegt die Entscheidung ganz alleine bei der betroffenen Person: Möchte sie weiter machen wie bisher und riskieren, das sie irgendwann in das Loch fällt und nie mehr raus kommt, oder... Oder geht sie einen Schritt zurück, strafft die Schultern und erkennt seine wahren Ziele. Seine wahren Freunde. Und die wahren Dinge, die ihnen gut tun. Ich für meinen Teil habe diese Entscheidung schon vor vielen Jahrtausenden getroffen. Und jetzt bist du an der Reihe, mein geliebter Sohn...“ Um seine Worte zu untermauern stand Mephisto auf und warf sich seine Lederjacke über die Schultern. Plötzlich wurde Dylan rot. Seine Wangen verfärbten sich und aus Mephistos Sicht wirkte das vielleicht entzückend, doch machte es ihm auch klar, wie jung und naiv sein Sohn noch war. Kurz darauf konnte Mephisto spüren, wie die Stimmung im Raum umschlug: Bis grade eben hatte Dylan noch wie eine gefährliche Kobra ausgehen, und nun zeichnete sich Kränkung und Schmerz in seinen hellen Augen ab. „So? Ich mache mich also kaputt?“, fragte Dylan mit zittriger Stimme. „Ich verliere mich selbst, nur weil ich das beschützen möchte, was mir am Herzen liegt? Steuere ich Blind auf den Abgrund zu? Du hältst mich für einen dumm und naiven Jungen, der noch nicht mal sein eigenes Leben nicht beschützen kann?“ Mephisto schluckte schwer. Auch wenn er es so meinte, wie Dylan es grade wiederholt hatte, fühlte er sich plötzlich schlecht. Wie konnte er dem ihm auch nur so unbedachte Vorwürfe machen?„Dylan, du bist mein Sohn... Verstehst du nicht, das ich dich nur beschützen möchte?“ Dylan entglitten die Gesichtszüge, doch er stand still. Mephistos Worte lagen schwer auf seine Seele, denn tief in seinem inneren wusste er, dass sein Vater recht hatte. Er half wirklich jeden der ihm um Rat bat, und vernachlässigte dabei gut und gerne seine eigene Sicherheit. Besonders wenn es um junge Mädchen oder schüchterne Jungen ging. Nicht hier, aber dort wo er früher gewohnt hatte, gab es immer mal wieder irgendwelche Menschen die diese Gutmütigkeit für ihre eigenen Zwecke ausgenutzt hatten. Vorsichtig erhob er sich von dem Sessel, der sofort verschwand nachdem er ihn losgelassen hatte, und griff nach seiner Jacke. Tränen der Wut und des Schams stiegen in seine Augen und kullerten die zitternde Wange runter. „Du hast genug gesagt, Vater...“, erwiderte Dylan mit zusammengepressten Lippen. „Ich habe dich klar und deutlich verstanden.“ Mephisto musterte Dylan mit traurigen Augen. Er machte einen Schritt nach vorne, aber der Weißhaarige ließ ohne ein weiteres Wort zusagen an ihm vorbei und betrat den Hausflur. „Wo willst du hin, Junge?“, rief er dem grade Verschwundenen besorgt hinterher. „Nachhause!“, lautete die gezischte Antwort und das Klicken einer sich öffnen Türe ertönte. Mephisto schnaufte aufgebracht und zog hektisch den Reißverluss seiner schwarzen Lederjacke nach Oben. „Dann warte... ich komme mit! Oder willst du bei diesem Sauwetter laufen?“ „Ich bin nicht aus Zucker. Außerdem meine ich das nicht, mit Nachhause.“ Inzwischen war Mephisto selbst im Hausflur angekommen, und konnte grade noch sehen wie Dylan aus Wut in seine Unterlippe biss und die Augen bedrohlich zu funkeln begannen. Wann immer dieser Ausdruck von wilder Entschlossenheit auf seinem Gesicht erschien, bedeutete das etwas Schlechtes. Mephisto würde es zwar niemals laut aussprechen, denn täte er es, würde er sich eigenhändig kastrieren, aber wenn er ehrlich sein durfte, dann bekam er es grade mit der Angst zu tun. „Was meinst du denn damit?“, erkundigte sich der Höllenfürst auf einmal unsicher. „Ich werde nach Russland gehen und das Grab meiner Eltern besuchen. Was dagegen?“ Vor entsetzten Klappe Mephisto die Kinnlade runter. Hatte er sich grade Verhört oder war das echt gewesen? Nach ein paar Sekunden ließ er ihn wieder zuschnappen, öffnete ihn wieder und biss sich auf die Zunge. Scheiße. Er musste Dylan aufhalten. Aber wie sollte er das schaffen? Irgendetwas in seinem Inneren, wie ein Siebter Sinn, riet Mephisto das er Dylan unter keinen Umständen aus dem Haus gehen lassen durfte. Nicht in diesem Moment, nicht wo er so aufgewühlt war. Dylan musste hier bleiben, sich weiter mit ihm Streiten und an seiner Seite bleiben... Einfach nicht weg gehen. Er musste seinen Sohn im Augen behalten können. Angst. Dies löste diese simple Aussage in ihm aus. „Nein...! Aber... warum so plötzlich? Du warst die letzten 50 Jahre nicht mehr dort und jetzt auf einmal willst du gehen. Sofort? Mitten in der Nacht, wo es wie aus Eimern schüttet “ „Das ist nicht dein Problem.“, erwiderte Dylan, ohne mit der Wimper zu zucken und hob den Blick, um Mephisto in die Augen sehen zu können. „Du brauchst heute Nacht nicht auf mich zu warten, ich weiß nicht genau wann ich - “ „NEIN!“, fuhr Mephisto ihn barsch an. Rasch schüttelte er den Kopf und streckte die Hände aus um Dylans Schulter zu umschließen. „Nein Dylan... Du bleibst hier. Wenn...wenn du unbedingt deine Eltern besuchen möchtest, dann gehen wir zusammen. Morgen. Direkt Morgen früh fahren wir los, aber bleib hier. Bleib bei mir.“ „Jetzt reiß dich mal zusammen, Mephistopheles! Du hast keinen Grund um hier irgendwelche Paranoiden Vorstellungen zuschieben.“, blaffte Dylan. Er fing an zu zucken und wie wild gegen den eisernen Griff seines Vaters anzukämpfen. „Du bist es nicht derjenige der am Abgrund steht und der Finsternis ins Auge blickt. Derjenige bin ich! Oder hast du das schon vergessen?“ Mit jeden weiteren Wort welches Dylan ihm entgegen schleudere, sank Mephistos Mut und Zuversicht. Langsam ließ er die Hände von Dylans schultern rutschten." Und ich wäre auch die erste Person, die dir in diesen verdammten Abgrund folgen würde. Darauf gebe ich dir mein Wort.", beteuerte er unverdrossen. Allerdings schnaubte der Albino geringschätzig ohne auch nur eine Gefühlsregung zu zulassen. „So? Jetzt auf einmal. Wohin klang das aber noch ein bisschen anders. Na, nagt das schlechte Gewissen jetzt doch an dir, Meister?“ „Dylan!“ „Was ist denn?“, fragte der Angesprochene unschuldig. „Ich habe doch gar nichts gemacht. Seit wann stört es dich, dass man dich mit deinen Adelstitel anspricht?“ Mit geschlossenen Augen und einem vergnügten, doch kalten und freudlosen Lachen überschritt Dylan die Türschwelle und verschmolz anschließend mit der Dunkelheit. „Dieses Kind treibt mich in den Wahnsinn!“ Mephisto gab ein geschocktes Geräusch von sich, welches einem Mann der grade einen Herzinfarkt erlitten hatte, gleich kam. „Und das wird jeden Tag schlimmer!“ Gut, Dylan war schon immer ein Junge gewesen, der seinen Emotionen und Gefühlen freien Lauf lief. Er war brutal Ehrlich und er liebte die Offenheit. Aber musste er mit seiner übertriebenen Stimmungsschwankungen und Launen allen Anderen auf die Nerven gehen, und Mephisto sogar an den Rand des Wahnsinns treiben? Seine Stirn war immer noch in Falten gelegt und seine Lippen hatte er inzwischen zu einem beleidigten Schmollmund verzogen. Mephisto hob den Kopf und starrte einige Sekunden lang an die Decke, bevor er sich leicht nach hinten drehte. Ein weiteres tiefes, seufzen entfloh seinen Lippen. Er hoffte noch immer, dass er bald aufwachen würde und das alles sich nur als ein schlechter Traum entpuppte. „Dieses Kind...“, wiederholte Mephisto ein noch mal leise und suchte dann den Blick der Geschwister. „Tut mir leid, Marcel und Kiley. Ich muss gehen und Dylan einholen. Wer weiß, was der Junge in seinen labilen Zustand so alles anstellt.“ „Natürlich.“, antwortete Marcel besorgt. „Beeil dich bevor er nachher über alle Berge ist.“ Sein Herz schlug nicht mehr, es hämmerte so hart gegen seine Rippen, als würde es reißausnehmen vor dem nehmen wollen, was ihm Angst machte. Es war ein Glück, das Kim wieder seine Hände hielt, denn ansonsten hätte es Marcel sicher wieder mit einen gefühlten Liter Tränen zu tun bekommen. Arg! Für einen Mann war er so doch wirklich eine verdammte Heulsuse! Aber... Dylan war noch schlimmer! Was dachte sich sein Freund nur mit seiner Aktion? Warum musste er Mephisto bestrafen, indem er einfach fort lief und ihnen nun das Grauen im Genick saß?! Ok, ok. Marcel musste zugegen, das Mephisto ja nicht ganz Unschuldig an dieser beschissenen Lage war. Hätte er Dylan von Anfang an gesagt, das er nicht zu Hause war um Informationen über die Mischwesen und den Nemesis einzuholen, dann hätte Dylan dafür sicherlich Verständnis gezeigt, und die Situation wäre nicht in diesem Rahmen eskaliert, wie grade eben. Wie auch immer. Mephisto besaß eine ziemlich verkorkste Vorstellung von einer gerechten Strafe. “Oh Mann...” Ein langgezogenes Stöhnen war plötzlich zu hören, als Kiley den Kopf gegen seinen aufgestützte Faust sinken ließ. “Ich weiß nun warum ich mir Vorgenomen habe, niemals Vater zu werden. Mit diesen Gören hat man aber auch nichts als Ärger. Bäh. Schlimm! Und ich dachte schon, das nur Weiber während der Pubertät nervig sind.” Dabei piekte er Marcel leicht in die Wange, der dadurch erschrocken auf quiekte und gleich einen roten Kopf bekam. „Was ist...?!“, blaffte er seinen älteren Bruder peinlich berührt an. Ein Prickeln auf seiner Haut signalisierte ihm, dass mehr als nur ein Augenpaar auf ihm lag. Mürrisch beschloss Marcel diese fließend zu ignorieren. Doch Kim rümpfte nur unbeeindruckt die Nase. „Hab ich recht?“, fragte er spitz. „Du willst doch hoffentlich auch keine Kinder in die Welt setzten, oder? Als Onkel kannst du Daimon und mich nämlich sofort vergessen. Wir würden den Puten ohnehin nur Scheiße beibringen.“ Irritiert blinzelte Marcel ein paarmal. Okay, Kim redete eindeutig komisches Zeug. Vielleicht, hatte er mit seinen Freunden in Thirsk doch einen über den Durst getrunken. Aber den leichten Anflug von Eifersucht in seiner Stimme, hatte Marcel trotzdem nicht überhört... Ob Kim sich wohl Kopfschmerzen um die Zukunft und um ihre Beziehung machte? Wollte er insgeheim wissen, wie lange er an Marcels Seite bleiben konnte, bis dieser eine Familienplanung in Angriff nahm? Irgendwie rührten ihn Kims idiotische Bedenken. Ein Hauch Röte legte sich auf Marcels Wangen, bevor er leise antwortete. „Ich weiß nicht...“, gestand Marcel und machte eine Schnute. „Dafür muss ich erstmals die richtige Frau finden und so einfach ist das für mich nicht. Die meisten Mädchen in meiner Altersklasse, halten mich doch selbst für eins. Ob ich dann später einmal gute Karten bei ihnen habe, bezweifele ich wohl sehr. Ernstnehmen tut mich heute noch keine. Sie sehen in mir doch eher eine Konkurrenz, statt ein männliches Wesen.“ „Glück für dich.“, summte Kim zufrieden und ein kleines grinsen schlicht sich auf seine Züge. Dann stand er auf und ging auf Mephisto zu. Freundschaftlich steckte Kim ihm die Hand entgegen, doch der Blick seiner Augen blieben weiterhin wachsam und ungebrochen. Er konnte diesen Mann überhaupt nicht einschätzen. Was ging in seinem, wohl gemerkt hübschen, Kopf nur vor sich? Ein zynisches Lächeln zeichnete sich auf Kims Gesicht ab, intelligent war der Dylans Vater immerhin. „Danke das für die Informationen. Anscheinend bist du doch nicht so verkehrt, wie ich anfangs dachte.“, Kiley nickte Mephisto kurz zu. Er konnte das Aftershave des Mannes riechen und es bereitete ihm Magenschmerzen, zumindest den Teil seiner Seele, der ein Dämon war. „Gleichwohl.“, erwiderte Mephisto seinerseits und ergriff die dargebotene Hand, um sie zu schütteln. *xXx* „Dieser... Kerl!“, zischte Kim und seine zur Faust geballten Hand zitterte leicht. Genervt ließ er sich neben Marcel in die Polster fallen, nachdem er Mephisto zur Türe begleitet hatte. Auf den Weg dorthin musste er allen Mut und Selbstbeherrschung zusammen kratzte, die er finden konnte. „Was lässt du nur für zwielichtige Typen in das Haus? Hat Jeremy dir nicht beigebracht, das du Fremden nicht die Türen auf machen sollst?“ „Er ist kein Fremder. Und Zwielicht erst recht nicht.“ Das leichte Zittern in Marcels Stimme ließ sich nicht verleugnen, doch er vermutete eher, dass dies eher auf die Sorge um Dylan zurück zuführen war. „Ich habe Mephisto schon oft getroffen und -“ „Ja, ja ich weiß. Und er uns schon wer-weiß-wie-oft geholfen. Das hast mir alles schon mal erklärt Marcel, aber danke, für die nochmalige Zusammenfassung. Manchmal bin ich ja so schrecklich vergesslich.“, meinte Kiley und sein Tonfall klang scharf und schneidend. Marcel seufzte leise. Jetzt kam wohl das Verhör, welches er schon bereits vor gut fünfundvierzig Minuten erwartet hatte. Glücklicherweise war sein Bruder so charmant gewesen, dies nicht vor Dylans und Mephistos Augen zu tun, sondern zuwarten, bis sie alleine im Raum waren... Naja, fast alleine. Aber Kuroro lag noch immer Ohnmächtig hinter ihnen. Ein zartes Streicheln an seinem Oberschenkel ließ Marcel schließlich wieder nach Oben schauen. Allein durch diese kleine Geste stellten sich alle Nackenhärchen von ihm auf und ein Kribbeln durchzog seinen schmalen Körper. Als er denn Blick vollständig gehoben hatte, begegnete er einem strahlenden Augenpaar. „Ich will mich nicht mit dir Streiten.“, gestand Kim sanft und wirkte plötzlich wie ausgewechselt. Seine Augen fuhren runter zu Marcels knapper Shorts und dieser meinte, ein kurzes Aufblitzen in ihnen zu erkennen und je tiefer Kims Blick wanderten, desto deutlicher zeichnete sich ein wölfisches Lächeln auf seinen Zügen ab. „Hübsch hast du dich gemacht. Ich mag, es wenn du diese knallengen Hotpants trägst. Sie betonen deine langen Beine.“ Marcel wollte soeben entgegnen, wohin sich Kim seine dämlichen Anmachsprüche stecken konnte, als dieser einfach den Kopf senkte und seine Lippen für einen keuchen Kuss auf Marcels Mund platzierte. Kurz stand der Blonde unter Schock. Doch es dauerte nicht lange, bis er sich wieder entspannt hatte und seine Fingerspitzen über Kims Nacken fahren ließ. Sanft streichelt dort er die feinen Härchen und ein wohliges Seufzend schlug warm gegen seinen Mund. Auch wenn Marcel der Kuss ein wenig überrumpelt hatte, war es ihm keinesfalls abgetan und wollte Kim dies auch beweisen. Seine Lippen schmiegten sich zärtlich gegen die seines Geliebten. Gleichzeitig schien auch Marcels Zunge erwacht zu sein und zeichnete unsichtbare Muster auf Kims harte Unterlippe. Kim lächelte, als er den Kontakt ihrer Lippen unterbracht und seine halb geschlossen Augen wie die Sterne am Himmel funkelnd. „Na, Gefällt dir das?“ Unendlich vorsichtig stahl er sich noch einen weiteren Kuss, glitt dann sanft über Marcels Kinn nach unten und folgte der Linie des schmalen Halses. Als ein warnendes Brummen aus der hübschen Kehle erklang, stoppte Kim sein Tun abrupt. „Aber du lässt mir doch gar keine Zeit zum Antworten.“, hauchte Marcel sanft gegen Kims Haare. „Aber es gefällt mir.“ er errötete leicht. „ Du bist ein guter Liebhaber.“ „Dafür habe ich auch lang genug Üben müssen.“, murrte Kim und drückte seinen Kopf gegen Marcels Stirn. Sanft strich er ihm eine blonde Haarsträhne aus den Augen. Als Antwort konnte Marcel nur lächeln. Bevor er sich wieder nach hinten lehnte, räusperte Kim sich kurz, Marcel aber in einer schnellen Bewegung unbeirrt gegen seine Brust gedrückt hielt, was sowohl ihm selbst, als auch Marcel ein freudiges seufzten bescherte. „Was hat er Kerl eigentlich mit Kuroro angestellt?“ Marcel summte angespannt. „Er hat ihn an die Decke gehängt.“ „Was? Das ist doch ein schlechter Scherz!“, rief Kim überrascht aus und wendete sich sofort dem Werwolf zu. „Oh weh, dann hatte ich wohl recht mit der Annahme das man Dylans Dad besser nicht verärgert.“ Beinahe trotzig führte Marcel Kims Hand an seinen Mund und drückt ihn kurz darauf, einen behutsamen Kuss auf die Finger. „Kuroro hätte Dylan auch fast verletzt. Ich will damit jetzt nicht Mephistos Verhalten rechtfertigen, aber sobald es um ihn geht, mutiert Mephisto zum Vollblut Papa. Und ein bisschen kann ich ihn auch verstehen: Es ist fast so wie bei Jeremy.“ Einen Moment blieb es still, dann lachte Kim dunkel auf. Seine Finger zuckten wie von selbst nach Unten und zwickten Marcel einmal flink in die Nase, was ihm ein langgezogenes „Aua, du Penner!“ einbrachte. Dem folgte ein leichter Schlag gegen seinen Oberarm. „Aber Jeremy kann man deutlich besser einschätzen. Bei diesen Typen... Mephisto war doch sein Name?, ist das unmöglich. Der Kerl ist wie ein Gott-verdammtes Buch mit sieben Siegeln. Wenn ich ihm ins Gesicht schaue, kann ich keinerlei Emotionen deuten. Er wirkt so Maskenhaft, so Aufgesetzt.“ Plötzlich ertönte das elektrische Summen eines Handys und die Geschwister fuhren wie vom Blitz getroffen zusammen. „Mist.“, rief Marcel und drückte die Hand auf seinen Mund. Fast hätte er einen Schrei ausgestoßen und damit wohl Kuroro aus seinem Schlaf gerissen. „Das ist meins. Chill mal, Kleiner.“, ermahnte ihn der Ältere schmunzelnd. Dann hob Kim sein Becken an und schob eine Hand in die Seitentasche seiner engen Röhrenjeans, um das lästige, brummente Ding zu ergattern. Marcel beobachtete dies mit zusammen gepressten Lippen. Für einen Moment konnte er einen kurzen Blick auf Kims flachen Bauch erhaschen, und die Muskeln welche er dort erblickte, ließen seine Testosteron-Produktion vor Freude in die Höhe schießen. Oh man! Marcel riss sich von dem Schauspiel los und schaute stattessen an die Decke. Wie lange war er nochmal mit Kim zusammen? 10 Stunden? Höchstens! Und trotzdem konnte er seine perversen Gedanken kaum in Zaun halten und würde seine Finger am liebsten auf diesen schön, definierten Bauch legen. Er wollte nur mal testen, ob er sich auch so gut anfühlte, wie er aussah. Und dabei hatte er sich bis jetzt immer über diese ganzen Teenager aufgeregt, die schon nach wenigen Tagen mit ihren Partnern im Bett landeten, und er selbst sollte keinen Deut besser sein? Warum musste SEIN Freund auch nur so verflucht Heiß aussehen, und der Inbegriff des Nächtlichen Liebensspiels darstellen?! Obwohl, gegen ein bisschen Kuscheln und Küssen hätte Marcel nichts einzuwenden... Dennoch biss er die Zähne zusammen, holte noch einmal tief Luft und ließ seinen Kopf dann wieder gegen Kims Brust sinken. Ach, zum Teufel mit seinen Hormonen! Irgendwie wurde Marcel das sichere Gefühl nicht los, das dieser Abend doch langer werden könnte, als es seinen Pubertären Gehirn gut täte. „Ah!“, rief Kim plötzlich auf und zog sein grade gefundenes Handy hervor. Mit ein paar raschen Fingerbewegung öffnete er die Nachricht und begann zu lesen. „Und?“, wollte Marcel nach wenigen Sekunden des Schweigens wissen. „Eine SMS von Daimon.“, murmelte Kim, ohne das er seine Augen von dem Bildschirm abwende und die Augenbrauen hoch zog. Eine Sekunde verging in Stille, dann noch eine. Und als Marcel schon dachte, das er ignoriert wurde, reagierte Kim mit einem typischen Zungeschnalzen. „Oh man, Daimon.“, seufzte Kim schließlich. Er legte den Kopf in den Nacken, wo er kurz seine Augen verdrehte. „Alter... muss das sein?“ „Was denn? Was schreibt er? Wo ist Daimon überhaupt?“ In diesen Moment wünschte sich Marcel nichts sehnlicheres als einen Art Röntgenbild herbei, mit der er das Handy in Kims Hand durchleuchten könnte, nur um zu wissen, was Daimon den tolles geschrieben hatte und seinen Zwilling damit so zum grübeln brachte. „Er fragt ob ich sicher zuhause angekommen bin. So ein Horst! Ich bin der Ältere und eigentlich sollte ich derjenige der sich um Daimon sorgt, aber nein, der muss natürlich die Glucke spielen, Idiot.“ Kim presste seine ohne hin schon weißen Lippen zu einer noch schmaleren Linie zusammen. „Er ist noch mit unseren Freunden in der Kneipe, aber ich glaube er hat bemerkt dass ich mich heute Abend anders verhalten habe, als sonst.“ Auch wenn es schwer zu begreifen war, eines musste man Daimon lassen; Was die Belangen seiner Freunde und Familienmitglieder anging, besaß er so etwas wie einen siebten Sinn. Wann immer einer seiner Bekannten ein Problem mit sich rum schleppte, gehörte Daimon zu den ersten Personen, die diesen Umstand bemerkten. Sachen, um die er sich sonst nie zu kümmern schien. Auch wenn Daimon nach außen hin immer den gefühlskalten, kaltschnäuzigen und unsensiblen Klotz präsentierte, sah es tief in ihm drin anders aus. „Was regst du dich denn so auf?“, fragte Marcel und genoss die Wärme, welche von Kims Körper ausging. „Das ist doch irgendwie... niedlich. Daimon mag dich nun mal, er macht sich nur Sorgen um deine Gesundheit.“ Dann grinste er schief und nutze die Gelegenheit um einmal unbemerkt in die fremde Hand zu beißen. „Außerdem bist du doch sowieso sein Lieblings-Bruder!“ „Tzz! Wir sind Zwillinge! Er sollte sich auch nur mal ansatzweiße wagen, einen anderen lieber zu mögen, als mich! Immerhin bin ich der perfekte Bruder.“, erwiderte Kim und strich sie dunkel Strähne hinter sein Ohr.Und diese flüchtige Bewegung wirkte so Arrogant, das sie seine Aussage nur nochmal dick unterstreichen konnte. Automatisch sah Marcel zu Kim hoch und auch wenn dieser versuchte unauffällig zu wirken, indem er interessiert seinen schwarz lackierten Fingernägel betrachtete, wurde doch er von seinen leicht roten Wangen verraten. Na! Jetzt war es für Marcel sofort klar, dass Kim sich insgeheim von Daimons Sorge und Beachtung geschmeichelt fühlte. Und diesen Gedanken musste er auch sofort laut aussprechen. „Och Herm, Kim!“, Marcel schmunzelte und stieß einen kurzes, mädchenhaften quicken aus. „Du wirst ja ganz rot. Ist das Süß! Komm schon, du kannst es ruhig zugeben. Du fühlst dich gerührt!“ „Halt die Klappe.“, fauchte Kim und schlug einmal seinen Ellenbogen zur Seite. „Halt einfach die Klappe, Marcel!“ Doch Marcel dachte gar nicht erst daran, auch der rüde Schlag in seine Rippen konnte das breite Grinsen nicht aus seinen Gesicht vertreiben. Es kam höchst selten vor, das Kim mal etwas peinlich war, und das wollte er nicht Kommentarlos unter den Tisch fallen lassen. „Gib es zu, du findet das auch total knuffig von ihn!“, prustete Marcel. Danach rückte er sicherheitshalber schon mal einen halben Meter zu Seite, doch weit kam er nicht, da Kim mit seinen angewinkelten Beine den Weg versperrte und er, naja, dessen wurde sich Marcel grade selbst erst so richtig bewusst, genau dazwischen saß. Okay, soviel zum Thema Flucht. „Red´ nur weiter, Süßer.“, grollte Kim, während eine Ader gefährlich an seiner Schläfe zuckte. „Wenn dein Gesicht irgendwann schmerzhaft krachend auf der Tischplatte landet, weißt du wenigstens, wodurch du das verdient hast.“ Mit einem grimmigen Glitzern in den Augen nickte Kim und legte die Hand auf Marcels Hinterkopf, um ihn schon mal recht unsanft in Richtung Fußboden zu drücken. Sofort musste Marcel schlucken. Sein Bruder gehörte zweifelsohne zu den wenigen Personen auf dieser Welt, die wirklich zu ihrem Wort standen, und demnach würde er gleich eine platte Nase haben, wenn er nicht schleunigst den Mund hielt. Er knirschte Schmerzerfüllt mit den Zähne. „Ist ja schon gut. Ist ja schon gut, ich hab´ es kapiert, Kiley. Lass mich wieder los... aua!“ Wenn Kim nicht gleich die Finger aus seinem Nacken nahm, hätte er nicht nur mit einer gebrochenen Nase zu kämpfen, sondern auch noch ein gebrochenem Genick! „Was hast du gesagt?“, fragte Kim scheinheilig. „Sag das bitte nochmal, ich habe dich nicht verstanden. Kann das sein, das du neuerdings ein bisschen nuschelst?“ „Arg! Du elender Sadist! Du brichst mir gleich den Hals!! Tut mir ja leid, Mensch!“ „Schon besser.“ Zufrieden brummelnd ließ Kim von ihm ab und gewährte Marcel sich auf zurichten. Rasch zog dieser die Luft ein. Ein leichtes grummeln entwich seiner Kehle, als er dort ein unangenehmes ziehen vernahm: Die einzelnen Atemzüge brannten zwar in seinem Hals, aber ansonsten ging es ihm gut. Verhältnismäßig gut. Und fuck, dafür das Kim den Zierlichsten seiner älteren Geschwister darstellte, so trug er doch ganz schön viel Kraft im Leib. Was war Marcel doch Glücklich das Kim in der Vergangenheit nie, oder wenn nur selten eine Hand gegen ihn erhoben hatte. „Du bist so fies.“, jammerte Marcel während er geistesgegenwärtig über seinen pochenden Hals strich. „Jetzt tut mir wegen dir alles weh! Musst du gleich so grob werden und mich halb strangulieren!?“ Das grinsen welches sich dann nun auf Kileys Gesicht abzeichnete, bewies das er sich weder verantwortlich fühlte, noch Mitleid hatte. „Das hast du dir selbst zu zuschreiben. Ich weiß nicht ob ich es dir schon mal so deutlich gesagt habe wie jetzt, aber komm bloß nicht auf die dumme Idee, mich zu Ärgern. Nur weil wir zwei jetzt ein Paar sind, heißt das noch lange nicht, und vor allem erst recht nicht, das ich dir Alles erlaube. Ich Gegenteil...“, sagte Kim und sein Lächeln wurde noch eine Spur breiter. „...Jetzt musst du erst recht auf mich hören, weil ich dir nun wirklich, wirklich weh tun kann.“ Marcel konnte gar nicht so schnell registrieren, was da gerade mit ihm passiert, da lag er auch schon mit dem Rücken auf das Sofa gedrückt unter seinen Bruder. "Was machst du da?” , fragte er Kim leicht schockiert. "Wird das eine neue Form der Bestrafung, oder was!? “ Aber anstatt ihm eine Antwort zu geben, drückte Kim die Lippen unerwartet und hart auf seinen den Mund. Ein kleines Stöhnen entwich ihm augenblicklich, und Marcel Pupillen wurden groß. Aber noch bevor er etwas dagegen tun konnte, berührte schon eine warme, feuchte Zunge seine Unterlippe und leckte neckend darüber, was er Kim mit einem weiteren Keuchen dankte. Oh Gott, was konnte dieser Mann küssen! Marcel lief ein heißer Schauer durch den Körper. Von den Haarwurzeln an bis zu den Zehen stellten sich seinen kleinen Härchen auf, und Kim biss ihn zärtlich in das rot geküssten Fleisch. Er knabberte sanft an ihm und ließ den Jüngeren dabei sehr wohl die Gefahr seiner Zähne spüren. „Marcel... Entspann dich.“, schnurrte Kim mit anzüglicher, leiser Stimme. Marcel musste schlucken und das Atmen fiel ihm von Sekunde zu Sekunde, immer schwerer. Sein Herz schlug ihm vor Aufregung mittlerweile hoch bis zum Hals. Noch nie hatte jemand seinen Namen mit solcher einer Intensivität ausgesprochen! „Ich versuch es ja.“, quietschte er panisch. „Entschuldige das ich meinen ersten, richtigen Kuss erst vor einer knappen Woche erhalten habe...! “ Verzweifelt rutschte Marcel auf dem Sofa herum. Das tun und machen seines Bruders trug nicht grade dazu bei, das er sich besser entspannen konnte. Kim kicherte und sein warmer Atem streifte Marcels Kehlkopf. „Das ist eine Woche her? Man, ich dachte, das wäre erst gestern gewesen. He, du hattest aber auch einen niedlichen Blick aufgesetzt... Noch so verschlafen und verpeilt. Ich musste dich einfach Küssen.“ Von Marcel kam jedoch keine Reaktion. Falls der weggetretene, ängstliche Blick allerdings Rückschlüsse auf seinen aktuellen Zustand zuließ, war es kein Wunder, dass er nichts um sich herum mitbekam. „....wie lange hattest du schon vor mich zu küssen, Kim?“ Plötzlich drehte der Kleine das Gesicht auf die Seite, doch es war bereits zu spät: Kiley hatte das sachte glühen seiner ohnehin schon brennenden Wangen längst gesehen. „Ich nehme an, das du wissen möchtest ab wann ich aufgehört habe dich bloß als Bruder zu betrachten?“ Ein schüchternes Nicken Marcels folgte. „Ja... Wann hast du dich... in... m-mich...“ Abrupt stoppte er, klappte seinen Mund wieder zu und starrte stattdessen hypnotisch an die Decke. Oh Gott... OH GOTT! Gleich würde er Sterben. Gleich würde Kim ihn zu Brei verarbeiten. Auf der einen Seite wollte er wissen und erfahren, seit wann Kim ihn mochte. Und vor allem warum so plötzlich und unverhofft. Auf der anderen jedoch...fühlte er sich dabei leicht unwohl. Diese Frage war doch schon sehr persönlich, und vielleicht auch etwas voreilig. Dennoch! Marcel würde eher Kuroros verdammten Hasen essen, anstatt sie wieder zurück zunehmen! „Gute Frage.“ Kim atmete langsam aus und ließ sich seitlich auf das Sofa zurück fallen. „Ich weiß es ehrlich gesagt selber nicht mehr so genau.“, gab er schließlich zu und legte seine Hände auf Marcels Hüfte. „Ich weiß nur noch, das es ungefähr vor anderthalb Monaten angefangen hat. Irgendwann, gingst du mir nicht mehr auf die Nerven, wie früher. Auf einmal bemerkte ich, wie ich dir in der Schule öfters hinterher ging um dich zu beobachten und mir dabei allerhand Dinge auffielen, die mich gewaltig gestört haben; Wie zum bespiel, das dir die Kerle aus der Zehnten beim vorbeigehen auf den Hintern glotzten wenn du diese engen Hotpants trugst. Oder das dir deine Rothaarige Freundin in der Cafeteria über die Hand strich und das aller schlimmste war, was mich am meisten ankotzte, war es, als mir dein Namen beim Club der Homos zu Ohren kam. Ich dachte, damals das mich der Schlag trifft. MEIN kleiner Bruder, sollte bei den SCHWUCHTELN beliebt sein?! Die Quatschten die ganze Zeit von klaren Augen, hohen Wangenknochen und sinnlichen Lippen. Dabei stand ich doch genau neben ihnen! Und ich gehe mal schwer davon aus, das jeder an der Schule weiß, das wir Geschwister sind. Aber die haben mich eiskalt ignoriert. Denen war das sowas von Scheißegal. Das musst du erstmals verdauen. Ich wollte gleichzeitig schreien und lachen.“ Kim schnaubte und brachte seinen Körper dann in eine aufrechte, sitzende Position. Knurrend umschlang er mit seinen Armen die Knie. „So fing es bei mir an. Deswegen wurde ich mit der Zeit auch so fieser und gemeiner zu dir; Du machtest mir Angst. Naja, nicht du als Person, sondern eher die Gefühle machten mir Angst, welche du ihn mir ausgelöst hast. Ich habe es gehasst das ich dir ständig hinterher laufen musste, mich hat es genervt, das mich deine kleinen Freunde nervten obwohl ich sie gar nicht kannte. Noch viel schlimmer fand ich das Herzrasen welches ich immer bekam, wenn du im Badezimmer unter der Dusche standst und ich aufpassen musste, mir nicht so viele Gedanken drum zu machen. Es hat mich auch nicht gestört, das ich plötzlichen keinen Bock mehr auf Weiber hatte und dass ich mich schon geekelt habe, wenn mir eine auch zu nahe kamen... Oder dieses wütende Grummeln in meinen Magen war auch gar nicht lästig, wenn du von Jeremy in den Arm genommen und geküsst wurdest. Ich war so verdammt Eifersüchtig auf alles und jeden in deiner Umgebung. Selbst heute noch.“ Jetzt saß Marcel auch wieder grade und betrachtete Kim mit großen Augen. Da war es nun. Mit so einen so offen Geständnis hätte er niemals gerecht, erst recht nicht von den stolzen und eingebildeten Kiley, der alles immer im Griff haben zu schien. „Ich habe dich für Alles verantwortlich gemacht.“, erklärte Kim und bohrte die Zähne kraftvoll in seine Unterlippe. „Du warst schuld, schuld an meinen Gefühlen, die ich nicht deuten konnte und schon gar nicht wahr haben wollte. Schuld, weil du mir trotz meiner Gemeinheiten nie lange aufrichtig Böse sein konntest. Ich, Kiley Sandojé, sollte Schwul sein und sich dann auch noch ausgerechnet in seinen kleinen Bruder verlieben? Schon alleine der Gedanke an eine Anklage, die in diesen Fall sicher bekommen würde, bescherte mir augenblicklich Übelkeit. Inzest, die Verführung eines Minderjährigen, eventuelle Nötigung... Die Palte an Straftaten ist weitreichend für meine Situation. Wie du vielleicht schon gemerkt hattest, ging es mir in den letzten Tage auch aufrichtig Scheiße. Das war nicht nur wegen den Nemesis und Kuroros Verletzung, sondern auch wegen dir. Ich wusste einfach nicht mehr, wie ich weiter machen sollte. Deine Nähe hat mich abgestoßen, im selben Maße wie sie mich angezogen hat.“ Leider hatte Kim recht. In einer verdrehten, bizarren weiße hatte er wirklich recht. Marcel war zu schockiert um viel zu sagen und legte stattdessen, nur eine Hand auf das weiße Gesicht seines Bruders. Er, Marcel, trug die Hitzeperiode im Leib und vernebelte allen Dämonen in der Gegend den Verstand. Kims Erzählung erinnerte ihn ein wenig an Daimons. Auch er versuchte das Problem mit der Hitze zu lösen, in dem der Marcel die kalte Schulter zeigte. Und sich dabei nicht selten wie das letzte Arschloch benahm. Die Zwillinge behandelten ihn zu dieser Zeit wirklich wie das letzte Stückchen Dreck auf Erden, immerhin mussten die Gemeinheiten und Demütigungen lange genug wirken und am besten auch noch nachbrennen. Jäh mehr Marcel darüber nach dachte, desto mehr Puzzelteilchen fanden sich vor seinem geistigen Augen zu seinem klaren Bild zusammen. ...Auch wenn die Zwillinge wütend auf ihn waren.... zögerten sie damals keine Sekunde um Marcel vor Jeremy zu retten, als er Oben in seinem Schlafzimmer die Kontrolle über seine Vampierischen triebe verlor... ...in der Nacht indem Marcel und Connor die alte Villa am Höllenberg besuchten und dann später am Abend mit Jeremy wieder nachhause kam, zögerte Kiley nicht lange um seinen kleinen Bruder zusammen zu stauchen. Er warf ihm vor das er Egoistisch sei, weil er nicht wissen würde was SIE sich für Sorgen gemacht hätten... ...Egal wie sie die Zwillinge ihn hassten, als er in der Schule von Felix’ Kumpel ohnmächtig geschlagen wurde, war es Daimon, der dem Anführer wenige Tage darauf zur Rechenschaft zog... ...Sogleich erinnerte sich an den einen Nachmittag zurück als er Daimon beim Karatetraining besuchte, wo ihm aus einem Streit heraus die Lippe blutig biss... Zuhause motzte ihn Kiley an, wo er denn solange belieben wäre... ...Oder Jeremy. Er selbst hatte Marcel die Wahrheit vertraten und versucht, zwischen den einzelnen Fronten Klarheit zu schaffen. Was hatte er damals nochmal gesagt? „Die Zwillinge hassen dich nicht, sie verstehen ihre Situation nur noch nicht?“ Oder...! Marcel könnte noch viele weitere Situationen aufzählen, in denen er die Zuneigung von Kim und Daimon deutlich gespürt hatte. Diese ganzen kleinen Sachen und alle anderen Dinge die in den letzten Wochen geschahen, hatte er vorher nicht so bewusst wahrgenommen, wie grade in dieser Sekunde. Manchmal war es nur ein Lächeln... manchmal nur ein Blick... hin und wieder sogar einzelne Wörter... Die Zwillinge haben ihn NIEMALS aufrichtig gehasst... Sie hatte NIEMALS vor gehabt, Marcel mit ihren Worten zu verletzten... Damit wollten sie ihn nur auf Abstand halten, oder Marcel vor ihrer Dämonischenseite Beschützen. Aber Hass... niemals. Abneigung und Wut empfanden sie vielleicht gegenüber Marcel und ihrer eignen, hilflosen Lagen, doch wann Hass war es weit entfernt gewesen. *xXx* „Uhh... Alter, mein Kopf.“ Fast zeitlich drehten sich Marcel und Kim nach hinten um und erkannten, was geschehen war. Kuroro war geschehen.... Er hatte die Augen geöffnet und hielt sein Gesicht zwischen den Händen, während er leise vor Schmerzen grummelte. Eine Weile lag er einfach nur stumm da und war unfähig auch nur ein weiteres Wort zu sagen. Zittern schaute er die Geschwister an. „Geht es dir gut?“, fragte Marcel sogleich und ließ sich von der Couch runter auf die Knie sinken. So konnte er Kuroro direkt in die Augen sehen. Es kam höchsten selten vor, den Silberhaarigen so verloren und ruhig zu erleben. „Geht. Ich hatte schon mal besser Tage.“, brummelte Kuroro und blinzelte heftig. „Ah Scheiße, mir ist Kotze übel.“ „Du bist auf den Kopf gefallen, oder?“ Die altbekannte Stimme ließ Kuroro aufmerksam werden, und der Werwolf hob den Blick. Als er Kim erkannte, entspannten sich seine Züge augenblicklich. „Hey Kim.“, summte Kuroro und lächelte verzerrt. „Und ja, bin ich. Dieser Penner von... warte mal, wo ist der Kerl überhaupt geblieben?!“ „Ganz ruhig, Kumpel.“ Vorsichtig lehnte sich Kim nach vorne und nahm Kuroros Gesicht zwischen seine Hände. „Schau mich an.“ murmelte er leise und fachmännisch. „Versuch nicht zu blinzeln, ja? Ich muss überprüfen, ob sich deine Pupillen verändert haben. Wenn ja... musst du sofort ins Krankenhaus. Wenn nein... darfst du dich ins Gästezimmer hinlegen gehen.“ Kuroro blieb still und verzog keine Miene. „Ach, ich hätte es doch wissen müssen... Spielst du wieder Arzt?“, murmelte er tonlos. Bei diesen Typen wunderte ihn aber auch echt gar nichts mehr. Kim war zwar ein angehender Medizinstudent, aber was er jetzt schon alles wusste und konnte, traute man eigentlich erst einen Arzt in der Ausbildung zu. „Ich glaube, du Glück hast gehabt.“, sagte Kim nach wenigen Augenblicken und drehte Kuroro sanft, aber bestimmend in Richtung der Lampe. „Also deine Pupillen reagieren ganz normal auf Licht, das ist schon mal ein gutes Zeichen. Trotzdem kann ich ein Schädel-Hirn-Trauma nicht komplett ausschließen. Am besten verhältst du dich die nächsten Stunden ruhig und bleibst im Bett liegen.“ Leise stöhnte Kuroro. „Schon wieder? Ich werde noch dick und fett so wenig wie ich mich in den letzten Tagen beweget habe. Kannst du mir nicht wieder irgendeins dieser Wundermittelchen verabreichen? Diese Spritze die Daimon mir letztens gegeben hat, hatte schließlich auch geholf-“ „Nein.“, unterbrach Kim ihn zischend. Etwas säuerlich presste er das braungebrannte Gesicht in seinen Händen nach hinten.„Ich habe dir doch gesagt, das dieses Mittel nur gegen Schmerzen hilft und außerdem ist das für schlecht deinen Körper. Es macht dich abhängig, unkonzentriert und setzt zu allem Überfluss auch noch deine Sinne herunter. Ich werde dir dieses Mittel nicht noch einmal geben! Vergiss es.“ Daraufhin knurrte Kuroro nur genervt und kämpfe leicht gegen den Griff an- er brauchte jetzt sowieso nicht mehr weiter reden, eine Diskussion mit Kim könnte sich gut und gerne über Stunden erstrecken. Und selbst dann, würde er nicht mal ansatzweise von seiner Meinung abrücken. Eine Eigenschaft, die er an Kim schätze und gleichzeitig verfluchte. Aber so waren die Geschwister nun mal- Dickköpfig, bis in den Tod. Missmutig krallte Kuroro die Finger in die Sofapolster. „Na gut. Sagst du mir denn, wieso du diesen verdammten Mistkerl entkommen hast lassen, nachdem er mir das angetan hat?!“ Kim seufzte und versuchte sich einen leicht gereizten Unterton zu verkneifen, er ahnte schon, worauf das ganze hinaus laufen würde. „Weil dieser verdammte Mistkerl gar nicht mal so Nutzlos ist! Er hat wichtige Informationen über diese Nemesis gesammelt und sie mit uns besprochen. Jetzt sind wir schon ein ganzes Stückchen schlauer.“ Er erzählte Kuroro rasch die Zusammenfassung über die Mischwesen und ihre einzelnen Gattung, dann herrschte einen Moment stille. Damit ließ Kim seinen Blick auf seinen Gegenüber ruhen, welcher vorerst gar keine Regung von sich gab, da er schon wieder mit seinen Krallen das Sofa quälte. „Und du meinst, das wir diesem... Mann... wirklich vertrauen können? Also ich mag keine Leute die mehr über MEINE Feinde wissen, als es sie eigentlich interessieren sollte. Und das tut er wirklich aus Nettigkeit, weil er Marcel so gut leiden kann? Für mich sah er jetzt nicht so wie der Typ aus, der Nächstenlieb toll findet... oder?“ Doch Kim zuckte nur mit den Schultern. „Ehrlich gesagt ist es mir ziemlich egal was ihn dazu treibt uns zu helfen, Hauptsache, er tut es. Und ich Moment können wir wirklich jede Unterstützung brauchen, die wir kriegen können. Von daher dürfen wir auch nicht so Wählerisch sein, was die Auswahl unser Verbündeten betrifft - wir nehmen jeden, den wir kriegen können. Ob die insgeheim noch ein anderes Ziel verfolgen oder irgendwelche unausgesprochenen Pläne hegen...Pfft, wenn jucks? Hauptsache WIR sind aus der Scheiße raus und das ist das aller wichtigste. Und vielleicht... ist Jeremy dann wieder da und der wird den >Müll<, ohnehin aussortieren. Also sollten wir uns über diesen Dämon oder Dylan, oder wer noch so kommt, keine Kopfschmerzen machen.“ Meine Güte, dachte Marcel währenddessen und warf seinem Bruder einen leicht pikierten Seitenblick zu, der ist aber auch echt nur auf seine eigenen Ziele aus. Hauptsache ihm geht es gut, alle anderen können sich hinten anstellen. Vielleicht, sollte Kim das mit der Laufband als Arzt nochmal überdenken und sich für einen anderen Job entscheiden. Vielleicht als Banker... oder Staatsanwalt. „Aber Kim...“, sagte er deshalb mit leicht gespielt erschrockener Stimme, und spürte sofort den gewünschten Blick auf sich ruhen. „Ich will dich wirklich jetzt nicht noch einmal damit voll müllen, aber Mephisto ist jemand, der sich an sein Wort hält. Und wenn er irgendwelche krummen Absichten hätte, dann würde Dylan dazwischen funken.“ Unbeeindruckt von seinen Bedenken, zog Kim beide Augenbrauen zusammen. „So?“, fragte er mit kühler und überheblicher klingender Stimme. „Und woher weißt du, das du Dylan vertrauen kannst? Weil er Nett zu dir war? Weil du dich ein paar Mal mit ihm getroffen hast? Weil er dir schon öfters aus prinzlichen Situation geholfen hat? Und wie lange kennst du ihn insgesamt schon? Wenn ich recht erinnere, dann grade mal einen Monat. Das ist keine lange Zeit und in meinen Augen, ist dein Verhalten... recht Naiv.“ Unfähig etwas zu erwidern, bohrte Marcel mit aller Kraft die Zähne in seine bebende Unterlippe. Vor wenigen Stunden hatte Kuroro das Gleiche zu ihm gesagt! Sprachen sich diese Idioten neuerdings ab, oder warum dachten sie plötzlich alle in dieselbe Richtung!? Um Gottes willen, er war doch kein dummes Kind mehr welches man wegen seinem Verhalten belächeln konnte! Ja, vielleicht war es ja Naiv, wenn er Dylan und seinem Vater jetzt schon vertraute, aber sie hatten sich auch wirklichen Mühe gegeben, um es sich mit ehrlichen Mitteln zu verdienen. Die Zwei waren immer da, wenn man sie brauchte. Auf Dylan und Mephisto konnte er sich mit dem besten Gewissen verlassen. „Das ist mir egal.“, beharrte Marcel stur und erwiderte Kims stechenden Blick ohne Schwierigkeiten. Langsam keimte Wut in ihm auf, und mit diesen Gefühl, auch dieser eigenartiger Schwindel welchen er nun schon so lange nicht mehr gespürt hatte. Aber diesmal behinderte er Marcel nicht, im Gegenteil, er gab ihm Kraft und Mut um seine nächsten Worte laut auszusprechen. „Ich bleibe bei meiner Aussage; ich Vertraue ihnen. Da könnte ihr zwei, oder drei wenn Daimon wieder da, solange meckern wie ihr wollte, ich werde mich nicht Umentscheiden. Kim? Wir unterscheiden Uns in fast allen Bereichen dieser Welt, aber wenn ich will, dann kann ich genauso so Stur sein, wie Du. Demnach... Bitte? Immer her mit euren Anschuldigungen und Vorwürfen, mich kriegt ihr nicht klein!“ Plötzlich wurde Kims Kehle trocken. Bildete er es sich grade ein, oder hatte Marcel ihm tatsächlich ohne mit der Wimper zu zucken und den Anflug von Angst in seinen blauen Engelsaugen, knallharte Kontra gegeben? In Gedanken machte er sich nun einen Vermerk, das er Marcel später UNBEDINGT auf diesen Sinneswandel ansprechen musste. Vielleicht hatte ihn Mephisto auch an die Decke hängt und bis jetzt wusste er nur noch nichts davon... „Jetzt hör mir mal zu, Kleiner.“, zischte Kim bedrohlich. Er schaute Marcel in die Augen, seine eigenen waren mit Wut und härte erfüllt. Am liebsten würde er seine Finger auch in das Sofa zu Kuroros Händen bohren, aber er wollte seine Kräfte aufsparen und schonen. „Es geht hier nicht um das was Du willst, oder um das, was Ich will! Es ist mir scheißegal ob du diesem Albino und seinem freakigen Vater gerne hast. Wenn sie uns im Kampf gegen diese Schlampen unterstürzen, mache ich vor Freude einen Handstand. Aber Trotzdem wird sich nichts an der Tatsache ändern, das sie mir unheimlich sind und das ich ihnen ganz sicher niemals mein Vertrauen schenken werde. Wir Stone Face sind nun mal keine geborenen Teamplayer. Wir lösen unsere Probleme entweder alleine, oder mithilfe unsere Familie.“ Aus den Augenwinkel heraus konnte Kim erkennen, wie sich Kuroro unruhig hin und her bewegte. Anscheinend gefiel ihm die Situation nicht. Genau wie gewöhnliche Haushunde, reagieren auch Wölfe sehr intensiv auf die Stimmungslagen seiner Mitbewohner. Der barsche und Dominate Ton in seiner Stimme, müsste sich für ihn wie ein Peitschenschlag auf nackter Haut anfühlen. Der beißende Geruch von Angst stieg Kim in die Nase. „Kannst du das nicht ein bisschen ruhiger sagen, Kim?“ Kuroro war sichtlich zusammen gesackt und sein Blick, huschte kurz über Marcels entschlossenes Gesicht. In seinen Augen spiegelte sich alle Sorgen wieder, die sein gesamter Körper in diesem Moment aufbringen konnte.„Ein Streit bringt uns rein gar nichts. Lass Marcel seine Meinung und gib dich mit ihr zufrieden. Ich finde die zwei Dämonen von eben auch nicht unbedingt anbetungswürdige, aber wenn Marcel ihnen vertraut, sollte Uns das Sicherheit in ihrer Glaubwürdigkeit geben. Immerhin sind Kinder sehr viel feinfühliger als wir alten Säcke.“ Marcel schwieg. Nicht weil er schmollte, oder weil er beleidigt war, er konzentrierte sich auf den Schwindel der ihn schon die ganze Zeit bunte Sterne sehen ließ. Vorsichtig hob er die Hand und legte sie auf seine Brust, in der gleichen Sekunde zog er zischend die Luft durch seine Zähne; Sie war unerträglich warm, und in ihr konnte er deutlich das wilde und unkontrollierte pochen seines Herzens spüren. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich in tausend Stücke zersplittern. „Was denn?! Ich lasse ihm doch seine Meinung.“, brummte Kim und schaute Kuroro eindringlich von der Seite an.“ Ich habe nur meine eigene Preis gegeben. Außerdem...“ Knurrend regte er das Kinn nach vorne. „... ich habe nicht die Zeit meines Lebens damit verbracht eine schützende Hand über ihn zu halten, um ihn dann irgendwann an ein paar Vollspasten zu verlieren die ihm Vertrauensvoll erscheinen!“ Kuroro grunzte einmal leise. „Kiley... Willst du ihn Jeremys Fußstapfen treten und Marcel alle Entscheidungen abnehmen, wie er es mit Euch getan hat? Denk doch mal zurück. Wie schwer war es nicht für dich und Daimon gewesen, als ihr irgendwann auf eigenen Beinen stehen musstet? Marcel muss seine eigenen Erfahrungen machen. Ich weiß doch, das du deinen kleinen Bruder beschützen möchtest, aber du tust ihm keinen Gefallen damit wenn du ihn wie ein rohes Ei behandelst.“ „Das weiß ich selbst.“ Kim knurrte und verschränkte die Arm demonstrativ vor seiner Brust. „Aber danke für den Flashback, das habe ich jetzt echt gebraucht, Alter! Aber ich bin überrascht wie gut DU dich mit MEINEN Privatleben auskennst. Hast du mich in den vergangen Jahren gestalkt, oder woher weißt du das alles so genau?“ Die Augen verdrehend presste Kuroro die Lippen auf einander. Wenn er könnte, würde er Kim wegen seiner Arroganten Art gerne vor die Stirn flicken, aber er wusste, dass er dann wahrscheinlich die Hand abgehackt bekommen würde. Warum musste Kiley immer den Unnabaren Eisklotz spielen? Könnte er nicht wenigstens EINMAL seine harte Schale ablegen und seine wahren Gefühle zeigen? Ständig wollte Kim seinen Willen durchsetzten; er ging auf hitzige Debatten ein, erlitt hin und wieder auch mal einen Rückschlag und heckten, nachdem er den bitteren Geschmack der Niederlage verarbeitet hatte, auch gleich wieder neuen Unfug aus. Das war schon immer so gewesen. In Kims Wortschatz existierte kein Aufgegeben. In dieser Beziehung war er sogar noch sturer wie Daimon und Jeremy zusammen. Wirklich verloren hatte er einen Kampf erst, wenn er bereits am Boden lag und seinen letzten Atemzug tätigte. „Wie du meinst, Kiley. Mach das, was du für richtig hälst, aber kommt nachher bloß nicht zu mir angekrochen und heul´ dich über deine Probleme aus. Ich habe dich nun eindringlich gewarnt; Hör auf anderen Leuten immer deinen Dickkopf auf zuwinken zu wollen.“ Mit einem verbissen Gesichtsausdruck beobachtete Kim wie Kuroro dann aufstand und sich langsam die Falten aus seiner Kleidung strich. „Wo willst du hin? Zurück in den Wald?“, wollte er sofort wissen. Auf den Rat, oder die auf Drohung - jäh nachdem wie man es betrachtete - ging Kim nichts das geringste bisschen ein. Er wusste es besser wie Kuroro. Er wusste schließlich alles besser! „Ja natürlich. Du bist doch jetzt zuhause und ich kann zurück gehen.“ Kuroro fackelte nicht lange, strich Marcel zum Abschieb nochmal über den Kopf, und sagte mit einen Lächeln. „Lass dich nicht mehr so viel von den Schwachkopf Ärgern. Er meint zwar das er alles weiß, aber in Grundgenohmen, weiß er Gar nichts.“ Wie schon erwähnt, manchmal ging ihm Kileys Überheblichkeit echt gegen den Strich. Da war so eine >kleine< Auseinandersetzung zwischen ihnen, auch nichts weltbewegendes mehr, was Kuroro damals vielleicht geängstigte hätte. Traurig schaute Marcel zu Kuroro hoch. Seinen Schmerz und Schwindel vergas er für eine Sekunde. „Danke das du auf mich aufgepasst und... ähm, Entschuldigung für das - “ Er deutet mit den Finger auf sein Auge. „...Veilchen was ich dir verpasst habe.“ „Veilchen?“, fragte Kim plötzlich verwundert und sah hecktisch zwischen Marcel und Kuroro hin und her. Der rasche Themenwechsel überforderte ihn einen Moment lang und kurz blieb ihm der Mund offen stehen. „Wer, hat hier Wem ein Veilchen verpasst?“ Sofort wurde sein Blick stechend als er eine Gefahr für seinen kleinen Bruder witterte auch wenn er wusste, das Kuroro eigentlich keine Bedrohung für diesen darstellte. Aber hier hatte wieder einmal die Hitzeperiode ihre Krallen im Spiel. „Ich habe Kuroro geschlagen.“, gestand Marcel reumütig und die Situation entspannte sich zugleich. „Er hat mich vorhin erschreckt und daraufhin habe ich ihm eins mit meinem Holzlineal übergebraten.“ Zustimmend nickte Kuroro und verzog leicht die Mundwinkel. „Und ich darf das immer noch keinen Erzählen das mir ein Menschenkind ein Blaues Auge verpasst hat. Wenn sie das hörten, werden sie sich vor Lachen nicht mehr einkriegen... Ach, apropos blaues Auge, wo ist Daimon eigentlich?“ Ein kleines grinsen erhellte Kims weißes Gesicht. „Er ist noch in der Stadt. Vorhin haben wir auf den Weg nach Hause noch ein paar Freunde getroffen und die haben uns festgenagelt und in eine Bar geschleppt.“ Er verdrehte theatralisch seine Augen. „... Dann kamen wir zwei nicht mehr weg und mussten ein paar Runden mit ihnen Trinken. Oh man, manchmal ist es echt nervig beliebt zu sein.“ Daraufhin lachte Kuroro kurz auf. „Du hast vielleicht Probleme, Junge?!“ „Probleme die du niemals haben wirst.“, erwiderte Kim galant und schmunzelte leicht. In Anbetracht der Tatsache das Kuroro ihn nun wohl nicht mehr überbieten konnte, stand er ebenfalls auf und klopfte ihm sachte auf die Schulter. „Ich muss auch noch mal danke sagen, Kuroro. Du hast schon so oft den Babysitter gespielt, das wir uns irgendwann mal bei dir revanchieren müssen.“ „Ach was!“ Kuroro machte eine wegwerfende Gäste mit der Hand. „Ich mache das gerne für euch. Wir sind doch eine Gemeinschaft und als solche ist es völlig normal das man sich gegenseitig unterstützt. Ihr braucht euch nicht zu revanchieren.“ „Trotzdem, danke man. Ohne dich wäre in dieser Familie schon einiges schief gelaufen. Du bist... wie... - ich kann es nicht richtig erklären - du bist zwar nicht immer hier, aber trotzdem für uns wichtig.“ Kurz hielt Kim inne und nutzte die Zeit, um ein ehrliches Lächeln auf seine Lippen zu zaubern. „Bitte, hör auf damit.“, flehte Kuroro mit einen Stöhnen und schob den anderen Dämon ein Stück zur Seite, damit er in die Küche gehen könnte. „Dann kannst du lieber weiter meckern und schlechte Laune verbreiten, aber lass diese elende Schmeichelei stecken! Davon wird mir ja Übel. Ich will gar nicht wissen, was du alles für eine Kacke erzählst, wenn du betrunken bist, eh!“ Eiligst streckte Kuroro die Hand aus und wollte grade das Küchenfenster öffnen indem er den weißen Hebel umlegte, aber irgendwie klemmte das verfluchte Ding...! Er konnte sich nicht daran erinnern, dass es jemals abgeschlossen war. Um sicher zu gehen das es nicht an ihm lag, zog Kuroro kräftiger an dem Hebel. Doch schon wie zuvor, bewegte sich der stabile Rahmen keinen einzigen Zentimeter von der Stelle. Ein kurzer Blick über die Schulter genügte, um ihn zusammen zuckten zu lassen. „Vergiss es...“, raunte jemand gefährlich nah hinter ihm. Es dauert nicht lange, bis Kim Kuroro eingeholt hatte und ihm im vorbeigehen einen mahnenden Seitenblick zuwarf. Er machte auf den Absätzen kehrt und positioniert sich mit verschränken Armen vor der Fensterbank. Ein kleines Feixen lauert in seinem Mundwinkel. „Ich habe dir das schon hundertmal erklärt, Kuroro. Wir haben eine Türe und du kannst sie benutzen! Du kannst nicht bei jedem Besuch durch- oder aus dem Fenster klettern wie es dir gefällt. Wenn dich jemand dabei erwischen sollte, rufen die sofort die Bullen an und dann ziehen die dir das Fell über die Ohren. Für eine Menschen sieht das so aus, als ob du bei uns einbrechen würdest.“ „Aber... Aber das würde ich doch niemals tun!“, empört sich Kuroro schnaufend, der das mit dem >Fell über die Ohren ziehen< anscheinend Wortwörtlich nahm. „Ich bin sowas, wie ein Stammgast in diesem Haus und mir können solche Luschen keine Vorschriften machen. Tzz! Das ist eine Unverschämtheit. Denen würde ich dann aber etwas anders über die Ohren ziehen, als nur ihr Fell!“ Schwer atmete Kuroro aus. Dann fuhr er sich mit der Hand kurz über sein Gesicht, versuchte es damit von dem Schweißfilm zu befreien, ehe er Kim ein letztes Mal zunickte und dann wieder aus der Küche ging. „Jetzt bin ich aber wirklich weg, sonst komme ich nie nachhause. Bis dann Marcel, und viel Spaß in der Schule morgen.“, sagte Kuroro im Vorbeigehen und wuschelte Marcel zum Abschieb noch einmal über den blonden Haarschopf, doch der drehte sich Knurrend auf die Seite. Die leichte Berührung ließ Marcels Schädel fast explodieren. „Huh? Ist was?“, fragte Kuroro sichtlich irritiert über diese Reaktion. Schwer schluckte Marcel den Kloß in seinem Hals hinunter, während er den Kopf hob und in zwei hellrote Augen blickte. Langsam stieg in ihm das Gefühl von Panik auf und sein Magen zog sich unter Krämpfen schmerzhaft zusammen. Dieses stechen, pochen und hämmern wollte einfach nicht nachlassen. Kurz musterte er das erschrockene Gesicht seinen Gegenübers. Kuroro sah aus als hätte er ein Gespenst gesehen. Natürlich, von IHM erwartete niemand eine solch unhöfliche Geste. „Tut mir leid, aber ich plötzlich Kopfschmerzen.“, erklärte Marcel kurz und ungewollt kühl. Sofort nickte Kuroro verständnisvoll. Ein kleines schiefes Lächeln legte sich auf Marcels blasse Lippen. Wenigstens einer der mal Verständnis zeigte, und nicht so wie andere Personen im Raum immer in der blutenden Wunde stochern mussten... Sicherlich würde Kim ihn deswegen nachher ausquetschen. Marcel spürte seinen besorgten Blick schon jetzt förmlich auf seiner Haut kleben. Jedoch hielt er eine Hand schützend wie ein Vorhang vor sein Gesicht. Unter scharfsinnigen Dämonen zu leben, bürgte schon gewisse Unannehmlichkeiten. Erst recht wenn sie einen Menschen so sehr mochten wie Kim Marcel, und dementsprechend noch viel Aufmerksamer waren, als sonst. Schwankend stand Marcel auf und verfluchte sich augenblicklich aber dafür, weil ein scharfer Schmerz durch seinen Körper zischte und sein Schädel zu explodieren drohte. Nichts desto trotz zwang er ein kleinen Lächeln auf seine Lippen. Seit wann zum Teufel konnte er so gut Lügen und seiner Familie einen derartigen Bären aufbinden?! Früher hätte Marcel niemals so sorglos Lächeln können, wenn ihm eigentlich zum Heulen zu Mute wäre. Dennoch fühlte er sich bei diesem Benehmen schlecht. Marcel wollte so schnell wie möglich weg und in die zweite Etage verschwinden. Es war schon schlimm genug, das er so vielen lieben und wichtigen Menschen sorgen bereitete, aber das er ihnen jetzt auch schon gewissenslos ins Gesicht lügen konnte, war einfach so viel. Als Marcel einen Schritt nach vorne machte um Kuroro schlussendlich in den Hausflur zu begleiten, wurde der Schwindel plötzlich schlimmer. Spätestens jetzt, bemerkte er auch wieder diesen pochenden und dumpfen Schmerz in seiner Brust, der ihn wie schon so oft, unmittelbar und plötzlich überrumpelte. Nur mühsam konnte er sich ein gequältes Keuchen verkneifen. Das Schwindelgefühl und sein rasendes Herz rissen ihn fast von den Füßen. Schnell schirmte Marcel seinen Geist von diesen Symptomen ab und konzentrierte sich auf andere Dinge. Es dauerte einen kurzen Moment, bis er wieder grade stehen konnte ohne zu schwanken. Jedoch schmerzte sein Körper noch immer. So langsam sollte Marcel wirklich mal zum Arzt gehen, wie es Fee und Daimon vorgeschlagen hatten.... Etwas stimmte nicht mit ihm. Irgendetwas stimmte nicht mit seinem Inneren. *xXx* "... Morgen ist doch Schule." Nach einer Dusche und einer warmen Portion Rührei fühlte sich Marcels Körper tatsächlich etwas besser an, aber der Sturm in seinem Kopf hatte immer noch nicht aufgehört und setzte demensprechend seine Laune herab. Nun saß er in seinem Zimmer auf dem Bett und starrte mit ekeligen nassen Haaren, auf seinen Drehstuhl indem Kim saß und ein dickes Taschenbuch von Stephen King in den Fingern hielt. Wiederwillig ließ er dieser das Buch sinken und spähte über den Rand zu Marcel hinüber. „Mhm?“, summte Kim und zog fragend eine Augenbraue hoch. „Wo warst du so lang!?“, wiederholte Marcel seine Frage zum gefühlten hundertsten Mal. Ein genervtes Schnauben verließ dabei seine Lippen. Machte er das jetzt mit Absicht weil er ein Arschloch war und sich einen scheiß für Marcel interessierte, oder hatte Kim tatsächlich nicht zugehört, da der Thriller den er laß grade so verdammt spannend war? Kim rollte genervt mit den Augen und stand auf um Marcel kurz über das Gesicht zu streicheln. "Saufen und Rauchen.", lautete die knappe Antwort, welche ihm jedoch ein kleines Fauchen seines Schützlings einbrachte. "Das ist nicht witzig!", brauste Marcel auf und schob unwirsch die fremde Hand zur Seite. In diesen Moment sollte ihn bloß keiner wie ein kleines Kind behandeln. Und erst recht sein Geliebter und gleichzeitig Bruder der die Schuld an dieser Situation trug. Der Gedanke daran, dass Kim in der Kneipe ein anderes Mädchen kennengelernt haben könnte, ließ sein Herz vor Schmerz bitterlich weinen. Es tötete Marcel innerlich, zu wissen, dass er nur eine weitere Nummer in Kims leben sein könnte. Das wissen welches ihn daran erinnerte, wie oft Kiley seine damaligen Partnerinnen schon auf irgendwelchen Partys betrogen hatte. Er machte es immer wieder und immer ohne Gewissensbisse. Nicht umsonst nannte ihn die halbe Schule während seiner Abi-Zeit 'Den Mädchen-Fresser aus der Zwölften`, diesen Spitznamen besaß er auch noch heute. Ihn kümmerte es nicht, das sich diese unzähligen, armen Geschöpfe jede Nacht in den Schlaf weinten. Er war einfach nicht dazu in der Lage, jemanden bedingungslos zu lieben. Aber das allerschlimmste, was Marcel am meisten schockierte , war, dass Kim jederzeit wusste was tat. Er brach die Herzen mit purer Absicht und dann, nachdem er seinen Spaß mit den Frauen gehabt hatte, zerriss er sie in tausend Stücke. Doch Marcel konnte nichts gegen seine Gefühle ausrichten. Man konnte sie nicht einfach abschalten, obwohl es vielleicht das beste gewesen wäre. Er war in Kim verliebt, nein, mehr als das; Er war ihm hoffnungslos verfallen. Normalerweise gehörte Marcel nicht zu der Sorte Menschen, die anderen blind vertraute - jedoch es immer diese eine, gewisse Person die alle Regeln und Ängsten über den Haufen warf. Und dieser Jemand war bei ihm Kim. „Du hast mich verarscht!“, zischte Marcel verletzt. „Du mir versprochen, das du mit mir den Abend verbringen wolltest, nachdem du in der Stadt warst. Und jetzt haben wir keine Zeit mehr, weil du Party machen musstest und ich jetzt schlafen gehen werde. Dabei habe ich mich schon den ganzen Tag darauf gefreut... " Kim seufzte leise. „Aber Marcel. ..“ fing er an. Nachdem er es geschaffte hatte sich einen giftigen Kommentar verkneifen, gelang es ihm sogar noch ein schwaches Lächeln hinterher zu schieben. „Ich habe mich doch auch auf diesen Abend gefreut. Es tut mir ja leid das ich heute Mittag aufgehalten wurde, aber ich konnte meine Kumpels nicht einfach ohne ersichtlichen Grund stehen lassen und Hoffen, dass sie keinen Verdacht schöpften." Er hob die Hand und wollte Marcel noch einmal entschuldigend über den Kopf streicheln, da passierten auf einmal mehrere Sachen gleichzeitig: Ein wütendes Knurren ertönte aus Marcels Kehle und der Angriff kam so schnell, dass Kim keine Möglichkeit hatte um auszuweichen. Kleine, blasse Finger schlossen sich mit der Gewalt einer Stahlklemme um sein Handgelenk und im nächsten Moment stieß Kim einen überraschten, Schmerzensschrei aus. Ein gewaltiger Adrenalinstoß durchfuhr seinen Körper. Es fühlte sich so an, als hätte er seinen Arm bis zum Ellenbogen in einem Topf mit kochendem Wasser gesteckt. Die Sekunden die verstrichen ließen eine Welle des Schmerzes über Kim hinweg ziehen. Sein ganzer verfickter Arm brannte wie Feuer! Er wollte schreien , und fragen was Marcel da in drei-Teufelsnamen angerichtet hatte, doch als er das aufgelöste Gesicht seines jüngeren Bruders sah – keuchend und mit zuckenden Augenwinkeln starrte dieser ihn an – besann er sich eines Besseren, und umklammerte Wortlos sein Handgelenk. „Tut mir leid...“, stammelte Marcel schockiert. Er wusste nicht was geschehen war - für ein paar Sekunden hatte er plötzlich einen totalen Blackout gehabt - aber so wie Kim ihn grade anschaute, musste etwas Schreckliches passiert sein. Doch Kim schüttelte bloß seinen Kopf. „Sei Ruhig.“, murmelte er kurz angebunden. Sanft nahm er Marcels Gesicht in seine Hände und sah ihm tief in die Augen. „Es ist alles in Ordnung.“, flüsterte Kim mit zittriger Stimme. „Ich habe mich nur etwas erschrocken...“ Er lehnte sich leicht nach vorne und drückte Marcel wie zum Beweis einen kleinen Kuss auf die Stirn. „Aber...“, meinte Marcel unsicher . Er konnte Kim warmen Atem auf seinem Gesicht spüren und schloss die Augen, als sich raue Lippen auf seine Wange pressten. Sofort rückte alles Weitere in den Hintergrund; Kims Küsse machten ihn nicht nur Abhängig, sondern auch noch träge und willenlos. „Was ist den passie...“ „Vergiss es einfach, Marcel. Es war sowieso Unwichtig.“, unterbrach Kim ihn barsch und drückte seinen Kopf gewaltsam in den Nacken. Ein kurzer, prüfender Blick auf sein Handgelenk verriet ihm, das sein Stone Face-Blut die Verbrennung schon lange kuriert hatte. „Lass uns die Zeit wie wir zusammen haben lieber genießen und auskosten. Ich möchte mich für mein unverschämtes Verhalten noch bei dir Entschuldigen, und das kann ich am besten, mit meinem Mund und Lippen machen. Wenn es nach mir ginge, würde ich dich nun auf den Boden schmeißen und dir deine Kleidung vom Leib reisen. Oh Marcel... Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr und wie lange ich mich schon nach dir verzerre.“ Marcel beugte sich ebenfalls etwas näher nach vorne und seine Mundwinkel zuckten gefährlich, bei Kims leisen Worten. Es gab nichts schrecklicheres als ein pubertärer, Hormongesteuerter, dauergeiler Teenager zu sein, und dann solche Sachen von seinem Geliebten zu hören. „Kiley...“, flüsterte er heiseren und wimmerte leise bei der Vorstellung daran, was sie nun alles für schmutzige Dinge machen könnten. Marcels Körper würde nichts sehnlicher tun, als Kims Wunsch nachzugeben sich und von ihm entjungfern zu lassen. Ach, was für ein Glück das sie heute Abend das ganze Haus für sich alleine hatten... So schnell würde es ihnen nicht langweilig werden. Seine Körpersprache war deutlich genug und es dauerte nicht lange, bis Marcel seine Arme um Kims Nacken schlang, ihn schüchtern anlächelte und ihn dann sanft auf das Bett zog, wo er Kim erst mal ausgiebig küssen musste. Früher fand er Knutschende Pärchen immer ächzend, aber nun konnte er sie gut verstehen. Küssen gehörte einfach zu den schönsten Dingen dieser Welt! Widerstandslos kam Kim seiner Bitte nach und kniete sich auf die Matratze um einen besseren Halt zu haben. Sanft legte er seine Finger auf die geröteten Wangen des Kleinen und liebkoste die weiche Haut mit seinem Daumen. Wusste Marcel eigentlich wie sehr er Kim grade in Versuchung brachte? Wäre er ihm vor ein paar Wochen auf diese Weise begegnet, hätte er Marcel höchstwahrscheinlich den Gnadenstoß versetzt und ihn in einen willenlosen Fleischklumpen verwandelt, der alles für ihn oder besser gesagt, seinen Körper getan hätte. Kim wäre nicht so zimperlich gewesen wie jetzt und hatte so ziemlich alles getan um seinen kleinen Bruder zu unterwerfen. Wie oft hatte er damals nicht mit den Gedanken gespielt, Marcel in der Schule eine anonyme SMS zu schicken und ihn unter falschen Vorwand in die hinterste Ecke der Turnhalle zu locken? Während der großen Pause befanden sich dort keine Schüler und er hätte alle Zeit der Welt gehabt, um seinen Hunger an dem Jungen zu stillen. Ein kurzer Schlag in den Nacken hätte vollkommen gereicht, um Marcel vorübergehend die Lampen aus zu knipsen. Alleine schon für die zickige Art, die er zu dieser Zeit noch zu schau stellte, hätte er Marcel gerne so richtig hart ran genommen... Doch so ein Monster war Kim nicht mehr. Jetzt wollte er, das auch Marcel auf seine Kosten kam und Gefallen an diesem süßen Spiel empfand. Allerdings... War sich Kim auch darüber im klaren, das das noch zu früh war und Marcel zu jung für Sex. Mit 14 Jahren sollte er sich für andere Dinge interessieren. Kim selbst hatte kein Problem damit; Er könnte sich und seine sexuellen Triebe in Schach halten - auch wenn es immer schwieriger wurde. Mechanisch drückte Kim seinen Körper nach hinten und hauchte Marcel einen leichten Kuss auf die Nasenspitze. Ein unmissverständliches Zeichen dafür, das er nicht weiter gehen würde als wie bisher, aber dennoch zum Kuscheln bereit war. „Hast du mich so sehr vermisst?“, fragte Kim schmunzelnd und lehnte seinen Rücken gegen die angenehm kühle Wand. Gut so, das würde ihm dabei helfen wieder einen klaren Kopf zu bekommen und den süßen Geschmack von seinen Lippen zu vertreiben. Marcel nickte und sein Gesicht wurde sofort eine Nuance dunkler. „Ja... Kim. Ich wollte dich gerne bei mir haben.“ Anscheinend störte es ihm nicht, das sie immer noch bereit für den nächsten Schritt waren. Sehr zum Missfallen seines brodelndes Körpers. Er ließ sich nach vorne auf seine Hände fallen und krabbelt ebenfalls zu der Wand, um seinen Kopf auf Kims Schoss zu legen. Das kostete Marcel einiges an Überwindung, da sich ihre neue Verbindung noch so frisch und verwundbar anfühlte, aber eigentlich wollte er sein altes, schüchternes Ich gegen ein neues, selbstsicheres Ich eintauschen. Marcel wusste, dass wenn er Kim als Freund behalten wollte, mehr für ihre Liebe tun musste. Wie hieß es nochmal bei Doktor Sommer? Beziehungspflege ging jeden etwas an? Ganz Automatisch zog Marcel seine Beine und Arme an und machte sich ganz klein, damit Kim auch gut an seine Schultern ran kommen konnte. „Massierst du mich ein bisschen?“, summte Marcel mit verheißungsvoller Stimme. „Ich habe immer noch solche Kopfschmerzen und du bist sicher gut darin...“ Grinsend zog Kim seine Mundwinkel nach oben und konnte sich nicht helfen; Woher nahm Marcel nur diese ganze Niedlichkeit und Unschuld? Was und vor allem wie er das gesagte hatte erregte ihn, doch der andere Teil seiner Seele ließ bloß seine Finger auf Marcels Nacken sinken und leicht die verspannte Muskulatur dehnen. So wie Marcel auf seinen Beinen lag, erwies das noch nicht mal als Zuckerschlecken... „Junge, kannst du dich nicht setzten?“, knurrte Kim deshalb nach wenigen Sekunden angepisst. „So komme ich kaum an dich ran und kriege gleich selber Kopfschmerzen, du Hohle Nuss.“ „Dann massiere ich dich eben auch...“, erwiderte Marcel genau so verführerisch wie eben und linste neugierig nach Oben. Okay, ganz wie er vermutet hatte, sah er wie Kim sich angespannt auf seine Unterlippe biss. Ha! Jetzt wusste er wie er seinen Bruder angehen musste, wenn er seinen Willen durchsetzten wollte. An Ideen mangelte Marcel es nun nicht mehr. Kim schluckte Mühsam beherrscht und bohrte seine Finger so feste in Marcels Schultern, das ihm das schmerzerfüllte Stöhnen des Kleinen fast wie Musik in seinen Ohren vorkam. „Das meinte ich aber nicht mit massieren.“, jammerte Marcel leise und drückte zischend die Zähne auf einander. Alter Schwede, offensichtlich nahm ihm da jemand seine Flirtversuche Übel. Mit einer schnellen Kopfbewegung warf Kim eine Haarsträhne nach hinten, die wohl seine Sicht behinderten.„Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du es dir auf mir gemütlich gemacht hast!“ Jap, er nahm sie ihm sogar sehr Übel... Kapitel 22: Ein grausiges Versprechen ------------------------------------- Am nächsten Morgen blickte Marcel in den Badezimmerspiegel. Das harte Licht der hellweißen Glühbirne entblößte seinen schmalen Körper schonungslos und beleuchtete jeden einzelnen Knochen, der sich durch seine blasse Haut nach außen fraß. Er verschränkte die Arme vor der Brust um zu mindestens nicht die vorstechenden Rippenbögen zu sehen, doch es half alles nichts... Die Vorstellung das jemand so perfektes und so Anbetungswürdiges wie Kiley ihn tatsächlich lieben könnte, erschien Marcel immer mehr und mehr wie ein schlechter, geschmackloser Schmerz. Was sollte Kim denn Schön an ihn finden? Er war doch was viel besseres Gewohnt, wenn er wollte, konnte er jedes Mädchen oder Jungen haben. Wirklich Alle. Aber dennoch hatte Marcel es irgendwie geschafft sich diesen strahlenden Gott zu schnappen. Sein Bruder, Kiley Sandojé - Das Abbild eines Mannes. Wie durch ein Wunder konnte er ihn sein eigenen nennen. Groß, größer als die anderen Jungen in seiner Altersklasse , stattlich und es schien, als würde er immer attraktiver werden, je mehr Zeit ins Land strich. Mit dieser Ungerechtigkeit hatte sich Marcel schon lange abgefunden. Doch je ernster ihre noch so zarte Beziehung wurde, desto frustrierender wurden die Unterschiede zwischen ihnen. ... Jedoch. So schrecklichen fand Marcel seinen Körper irgendwie gar nicht mehr. Er wusste nicht mehr genau wann es angefangen hatte, aber seitdem er wegen der Geburtstagsfeier von Kileys und Daimons Freund, in das schwarze Kleid geschlüpft war, veränderte sich etwas in seinen Kopf. Er hatte es gemochte dieses Kleid zu tragen. Und wäre sein Körper muskulöser und männlicher gewesen, wie es sich Marcel ansonsten immer wünschte, hätte das Outfit nur halb so gut ausgehen. Insgemein mochte er es sogar, wenn er von einigen Menschen >Süßer< genannt wurde, und Kuroros Lieblings Kosenamen störte ihn auch nicht mehr so, wie am Anfang. Marcel schluckte trocken; Seit wann hatte er sich denn bitteschön in einen Transvestiten verwandelt? Ohne es zu bemerken, hatte er sein letztes bisschen männlichen Stolz in den Wind geschossen und war zu einem Mädchen geworden?! „Die werden mich in der Schule umbringen...“, murmelte Marcel und seine Stimme versagte. Unentwegt starrte er sein Spiegelbild an, doch auf die Idee, das er schon viel früher einen Hang zum Fluiden-Geschlecht entwickelt hatte, kam er nicht. Es war eine Sache sich zu Schminken und schon mal geschlechtsneutrale Klamotten zu tragen, aber in richtige Frauenkleider zu schlüpfen und sich auch noch wohl darin zu fühlen, eine andere. Auf der einen Seite hatte Marcel seinen femininen Körper immer verflucht, und dann Unterstrich es dieses vermeidliche negative Bild auch noch, indem Gefallen an Make-up und knapper, Figurbetonender Kleidung fand? So wie er es widerlich fand, in schlabbrigen und hängenden Männersachen rum zulaufen , ekelten sich Andere davor, das eigene Geschlecht auf den Mund zu küssen. Angespannt biss Marcel die Zähne zusammen. Natürlich spielte seine Homosexualität auch eine wichtige Rolle bei der Sache... Was ging da Oben in seinem verfluchten Gehirn eigentlich ab?! So langsam sollte es sich mal für eine Richtung entscheiden. Entweder für die Männliche... oder für die Weibliche. Schließlich ging nicht beides. Oder doch? Ugh, war das alles Kompliziert... Die frühen Morgenstunden eigneten sich definitiv nicht dafür, um über nicht-binären Geschlechtsidentitäten nachzudenken. Damit kam Marcel im Moment einfach nicht klar. Es war eine Schande! Er war doch noch so jung und hatte noch so viele Dinge vor. Und nur, weil sein Oberstübchen nun auf die Idee kam, das ihm sein darein als Mann nicht mehr ausreichte, sollte er alles über den Haufen werfen und sich verändern? Ob seine Familie ihn auch als Androgynen-Menschen akzeptieren würde? Schnell schob er diese Gedanken zur Seite. Dafür würde er später noch Zeit haben, jetzt musste er sich erstmals für die Schule fertig machen. Genervt griff Marcel nach der Seife und schäumte sie unter dem warmen Wasserstrahl auf. Heute begann der Unterricht etwas später und trotzdem stand er jetzt schon wie gerädert im Badezimmer. Um wie viel Uhr war er gestern Abend nochmal ins Bett gegangen? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, das sein Bruder das Zimmer verlassen hatte. Demnach musste Kim so lange bei ihm geblieben sein, bis er irgendwann auf seinen Beinen eingeschlafen war. Marcel spürte noch immer das Kribbeln in seinem Bauch, wenn er an die leidenschaftlichen Küsse zurück dachte und konnte ein verliebtes Lächeln nicht unterdrücken. Kim verstand es einfach seinen Partner zu verwöhnen. Niemals hätte Marcel gedacht, das ihm die Liebe zu einer bestimmten Personen so dermaßen Glücklich machen konnte. Und das war er mit Kim an seiner Seite wirklich. Gleichgültig nickte Marcel seinem Spiegelbild zu, doch innerlich brodelte er vor Unsicherheit. Noch immer konnte er die Wahrheit nicht ganz begreifen. Sein Gehirn weigerte sich einfach. Die letzten Stunden hatte er wie in Trance erlebt. Aber desto wacher sein Verstand wurde, desto mehr lichtete sich der Schleicher vor seinen Augen; Seit gestern Morgen gab es den Single-Marcel nicht mehr. Jetzt besaß er einen festen Freund und führte eine Beziehung. Marcel hob seine Hand und berührte vorsichtig seine Unterlippe. Von ihrer gestrigen Knutscherei war sie immer noch leicht gerötet und angeschwollen. In diesem Augenblick hörte er auch wieder Kims flüsterte Stimme in seinem Ohr. „Oh Marcel, du kannst dir gar nicht stellen wie sehr und wie lange ich dich schon nach dir verzerre...“ Ein kurzes Schaudern ergriff Marcel, als er die gehauchten Worte in seiner Erinnerung vernahm und man sah deutlich in den hell funkelnden Augen, dass er ab liebsten sofort wieder zu Kim gelaufen wäre, doch er wolle nicht wie eine Klette erscheinen. Oh Scheiße, so langsam kroch ihm der Schweiß auf die Stirn. In seiner Hotpants wurde es plötzlich verdammt eng und das Waschbecken gegen dem er die Hüfte lehnte, fühlte sich bestimmt schon belästigt. Er sollte schleunigst an etwas anderes denken, denn um nochmal unter die Dusche zu bringen und sich einer Erektion zu entledigen, fehlte ihm die nötige Zeit. Kim könnte jeden Moment aufwachen und an die Badezimmertüre klopfen. Marcels Finger zitterten vor Nervosität. Sie waren nass und sein schönes T-Shirt klebte an seiner feuchten Brust, so hartnäckig wie ein klecks Marmelade auf dem Küchentisch. Der Typ schickte seinen Verstand in den Urlaub! Anscheinend musste der Kuss eines Vampirs unglaublich verstörend sein, zumindest konnte man das dem Chaos in seinem Kopf entnehmen. Plötzlich summte Marcels Handy auf der Ablagefläche. Es piepte zweimal und kündigte den Empfang einer Nachricht an. Vor Schrecken flutschte ihm die Seife aus den Fingern und fiel polternd in das Waschbecken, eiskalte Angst durchfuhr seinen Körper und augenblicklich schoss Marcel die Hitze in die Wangen. Fuck! Plötzlich schlug sein Herz so hart, dass es in seiner Brust weh tat. Hektisch stürzte sich Marcel auf sein Handy und entriegelte die Tastensperre um die Nachricht zu lesen. Weil er so verdammt Nervös war und seine Finger so verdammt nass, brauchte das mehrere Anläufe, aber dann hatte er es endlich geschafft und öffnete die SMS. Sie war von seiner besten Freundin. Von Fee: Morgen Morci! Treffen wir uns gleich an der Bushaltestelle? Mein Unterricht beginnt auch erst um 9 Uhr. HDL Fee Kurz stutze Marcel und stieß dann vor Erleichterung einen kleinen Seufzer aus. Im nächsten Augenblick glitt für den Bruchteil einer Sekunde ein kleines Grinsen über sein Gesicht. Man sollte meinen, dass nichts auf dieser Welt ihm noch Angst einjagen konnte. Dass es nichts gab, dass er nicht schon einmal mit- oder durch seiner Familie überstanden hatte. Doch leider kam es immer wieder zu Momenten, in denen Marcel der Tatsache ins Auge blicke musste: es gab trotzdem immer noch Situationen, in denen ihm vor Angst das Herz in die Hose rutschte - so wie grade eben. Die Vorstellung daran, dass Kim ihm bei irgendwelchen privaten Aktivitäten erwischen könnte, gehörte ebenfalls zu diesen Horror-Momenten. Beziehung hin oder her. Es war einfach peinlich von seinem Freund oder seiner Freundin beim Masturbieren erwischt zu werden. Schluss, Punkt, Aus. Unsicher begann Marcel an seiner Unterlippe zu knappern. Auf der anderen Seite, wusste er sowieso nicht wie Kim mit dem Thema Sexualität und Zweisamkeit umging. Zwar waren sie noch nicht so weit das Marcel sich darüber ernsthafte Gedanken machten musste, aber früher oder später, und bei Kim würde es definitiv früher sein, sollten die Geschwister offen darüber sprechen. Immerhin war er, Marcel, noch völlig unberührt und wenn er auch nur zufällig im Internet über eine Erotikwerbung stolperte, brach ihm vor Angst der kalte Schweiß aus. Kim schien sich auf diesen Gebiet wiederrum sehr gut auszukennen - zu mindestens wenn man nach die Anzahl seiner Ex-Freundinnen ging! Was wiederrum bedeutete, dass sie auf jeden Fall über dieses Thema sprechen sollten, bevor einer von einen nachher eine herbe Enttäuschung erlebte. Gestern waren Kims Blicke eindeutig gewesen. In seinen Augen konnte Marcel deutlich die Lust erkennen, als er gestern Abend zum Schlafen gehen eine knappe Short angezogen hatte, welche mehr von seinen schlanken Beine präsentierte, wie sie eigentlich verstecken sollte. Sich leicht nach vorne beugend stellte Marcel seinen Körper auf die Zehenspitzen. Auch heute trug er eine kurze Jeans-Hotpants, die seine Kehrseite mehr als nur Erregend zur Geltung brachte. Skeptisch betrachtete Marcel seine Beine vom Spiegel aus. Ob er nicht ein bisschen zu dick auftrug? Er fühlte sich schon etwas Unwohl dabei, wenn er daran dachte, das er seinen Schulkameraden und vor allem seinen Bruder in einem so aufreizenden Outfit gleich unter die Augen treten musste. Selbst die Redaktion des Playboys sollten ihre Probleme haben, einen jungen Mann in solch einer knappen Hose auf ihr Titelbild zu drucken. Und er sollte so zur Schule spazieren? Aber was tat man nicht alles für seinen Liebsten? Kim hatte gesagt, das er diese Hosen an ihn hübsch fand... Jedes Mal endeten seine Styling versuche in so einer Katastrophe! Frustriert huschten Marcels Augen wieder zum Spiegel und von dort aus, zu seinen blanken, rasierten und leicht glänzenden Oberschenkeln. Wütend darüber, dass sein verrückter, Hormongesteuerter Körper es gewagt hatte, seinen armen Besitzer in so einen sündigen Fummel gesteckt zu haben, nahm Marcel das Handy in die Hand und schrieb schnell eine Nachricht an Fee zurück, in der er ihr mitteilte, dass er gleich an der Bushaltestelle auf sie wartete. So ein Drama aber auch...! Eigentlich mochte er doch Figurbetonende Kleidung! Die verräterische Röte, die sich auf seinen Wange breit machte, verleitete ihn dazu, sich einmal zu Räuspern... Marcel fühlte sich zwischen seinen Emotionen hin und her gerissen. Ja ja er gab es ja schon zu, er hatte sich mit Absicht so in Schale geworfen und wollte Kiley mit seiner heutigen Kleidung imponieren! Rasch wischte er diese dummen Ängsten mit einen geübten Kajalstrich zur Seite und bedeckte ein paar Unreinheiten mit flüssigen Make-up, bevor er sich wieder seinen Augen widmete und ihnen mit einem glitzernden Liedschatten etwas Farbe verlieh. Etwas dunkler, glitzernder Farbe, wohlgemerkt. Am schönsten fand Marcel noch immer Smoky-Eyes, auch wenn dieser Schminkstil seinem ohnehin schon erotischen Outfit, vielleicht nicht gut tat. *xXx* Zehn Minuten später stand Marcel endlich in der Küche und drehte grade rechtzeitig das Radio leiser, um das sanfte Ächzend der Treppe zuhören, als jemand die Stufen runter stieg. Zugleich erschien ein verlegenes Lächeln auf seinem Gesicht. Dann er zog eine Tasse aus dem Schrank und die Kanne aus dem leise summenden Kaffeekocher. Immerhin wusste er aus eigener Erfahrung, das Kiley nach dem Aufstehen erst mal ein bis zwei Liter Kaffee brauchte, um in die Gänge zu kommen. Keine Sekunde später nachdem Marcel die schwarze Flüssigkeit in den roten Becher geschüttet hatte, hörte er auch schon leise Füße über die Fließen laufen und die Küche betreten. „ Morgen...“ Kims Stimme klang ein weniger rauer als sonst, was wohl noch vom Schlafen kam und seine Augen fanden sofort die Kaffeekanne auf der Küchenzeile stehen. Zielstrebig ging er an Marcel vorbei und griff er nach dem angebotenen dem Becher, führte ihn zu seiner Nase und schnupperte kurz an dem Gebräch. „Schwarz?“ , fragte er kurzsilbrig. „Ja, ohne Milch und ohne Zucker.“, antwortete Marcel und blickte über die Schulter um seinen Bruder endlich in die Augen zu schauen. Aber vergebens. Kims Blick klebten wie besessen an seinem persönlichen Gute-Laune-Macher. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sich Kim sofort wieder an den Hals geworfen und ihn ab geknutscht. Aber da Marcel seinen älteren Bruder kannte, wusste er das er Morgens lieber seine Ruhe hatte und begnügte sich deshalb mit einen leisen. „Guten Morgen.“ Aber das war schon in Ordnung, das dämpfte Marcels gute Laune nicht im geringsten. Schließlich lebte er lange schon genug mit Kim unter einen Dach um zu wissen, dass er anfangs immer etwas wortkarg war und erst mit der Zeit auftaute. Letztes Jahr, während der Abitur-Prüfung, war seine miese Laune kurzfristig sogar noch viel schlimmer geworden. Zu dieser Zeit sprach Kim nach dem Aufstehen wirklich kein Wort, mit Niemanden, bevor er nicht seine erste Kanne getrunken und seine erste Zigarette geraucht hatte. Und wenn vorher dann doch jemand auf die dumme Idee kam, ihn Frecherweise mit seinen Sorgen die Ohren voll zu Quatschen oder ihn auch nur schief von der Seite an zu gucken, dann wurde er mit brutalen Blicken und Wörtern erdolcht. Demnach war das hier wirklich okay. Zum Dank schieß Kim nur ein kleines schnauben aus und nahm einen prüfenden Schluck von dem Getränk. Kurz hielt er inne und fixierte einen unsichtbaren Punkt an der Wand. Währenddessen schwenkte er die Tasse gedankenverloren hin und her . Seine Zunge strich einmal über die Unterlippe und sammelte von dort einen winzigen Kaffeetropfen auf, dann erwiderte er Marcels fragenden Blick. „Mach das nächste Mal mehr Pulver rein, ja? Das schmeckt ja fast wie Elefanten Pisse.“ „Autsch...“, sagte Marcel und versuchte Kims Laune nicht persönlich zu nehmen. Trotzdem spürte er einen kleinen Stich der Kränkung in seinem Herzen und schluckte tapfer die aufkommende Schamesröte runter. Jetzt aber mal mit der schlechten Laune Beiseite. Sein Bruder hätte sich wenigstens für den Kaffee bedanken können! Grummelnd ging Kim inklusive seiner Tasse zum Küchenfenster und öffnete dieses mit der freien Hand. Schnell hatte er eine Zigarettenschachtel aus seiner Tasche gefischt und sich einen der weißen Stängel zwischen seine Lippen geklemmt, der auch sofort in Licht eines Feuerzeuges baden dürfen. Verstohlen beobachtete Marcel ihn von der Seite. Kim wusste ganz genau das Jeremy einen Tobsucht-Anfall bekam, wenn heraufand, dass jemand Verbotenerweise in seinem Haus und erst recht, in SEINER Küche rauchte. Da verstand Jeremy absolut keinen Spaß, da hörte jegliche Geschwisterliebe bei ihm auf. Jedoch verkniff sich Marcel einen Kommentar, Kim würde sowieso nicht auf ihn hören. Deshalb ging er zurück an den Küchentisch, wo er nach seiner Schüssel griff und die mittlerweile matschigen Cornflakes in seinen Mund schaufelte. Die Milch hatte die einst knusprigen Getreideflocken in einen, gelben, unappetitlichen Haufen verwandelt, aber das Essen aus diesem Grund weg zuwerfen, empfand Marcel trotzdem als Verschwendung. Andere Kinder auf dieser Welt litten Hunger, und er sollte das Essen in den Müll kippen nur weil es nicht mehr so frisch und schön wie auf der Verpackung aussah?! Unsinn! Augen zu und Durch. Marcel setzte er sich die kleine Schüssel an den Mund und kippte die dicke, ekelige Brühe einfach ohne mit der Wimperzucken runter. „... das mit den Schlucken klappt ja schon mal ganz gut.“, ertönte es plötzlich aus der Ecke. Der Kopf des Blonden ruckte nach hinten und fast hätte er sein Frühstück, ohne Umwege wieder nach draußen an die frisch Luft befördert. Aus allen erdenklichen Körperöffnungen. Stark hustend klopfte sich Marcel auf die Brust und trampelte wie wilde mit den Füßen auf den Boden, während er panisch versuchte, seine Lunge erneut mit dem bitternötigen Sauerstoff zu fühlen. „K... he- im!!“, krächzte Marcel heiseren und schwer atmend. „Da.. s ist... ni-nicht- ah- luu-he-stig!“ Kim, der bis vor kurzen noch geistesgegenwärtig aus den Fenster gestarrt hatte, sah seinen kleinen Bruder nun feixend an. „Doch, das ist sogar sehr lustig.“, meinte er und stellte das Fenster dann auf die Kipp-Funktion. Er lief gemütlich zum Spülbecken zurück, löschte die immer noch schwach glimmende Glut unter dem Wasserstrahl und warf den Filter dann in den Mülleimer, der zu seinen Füßen stand. Doch Marcel achtete gar nicht mehr auf Kim. Die Angst auf sein schönes, schwarzes Oberteil zu brechen, oder schlicht und einfach an der Cornflakes-Scheiss-Pampe zu ersticken war einfach größer, als Kim interessant. „Fuu..ck!“ Stöhnend stemmte Marcel die Arme gegen den Tisch und rang um Atem. Jemanden erst zum Lachen zu bringen und dann dumm aus der Wäsche zu schauen, während der Andere um sein Leben bangte, zeugte nicht grade von Edelmut.“ Je...tzt he..lf´ mi-ir end-endlich doch m...al! Ich ster- be hier gleich!“ „Na, dann helfe ich dir erst recht nicht.“, knurrte Kim sarkastisch und stand doch nach einem Schritt hinter Marcel, und verpasste ihm einen gezielten Schlag zwischen die Schulterblätter. „Nicht so feste!“, rief Marcel und machte ein kleinen Buckel. Zischend stieß er die Luft zwischen die Zähne aus, als Kiley eine besonders empfindliche Stelle seines Rückens traf. Herr Gott nochmal! Ging das nicht ein bisschen sanfter? Er war doch kein Boxsack an dem man seine aufgestauten Emotionen raus lassen konnte! Kim seufzte genervt. „Jammer nicht rum! Wenn ich nicht wäre, würdest du noch kläglich ersticken.“, murrte er und klopfte Marcel noch zwei Mal auf den Rücken .“Alleine kriegst du aber auch gar nichts hin. Du kannst noch nicht mal richtig essen, ohne zu verrecken. Aber gestern hast du noch große Töne gespuckt und so getan, als ob du voll den Durchblick hättest und noch viel größere Menschenkenntnisse. Das ich nicht lache! Bla Bla... Verarschen, kann ich mich auch selber! „ Seine letzten sechs Wörter Unterstrich Kim jeweils mit einen harten Schlag und Marcel stöhnte nun vor Schmerzen auf, anstatt vor Atemnot. „Fuck... Scheiße! Alter!“, fluchte er laut. Sofort stemmte Marcel seine Arme wieder gegen die Tischplatte und hoffte, dass er so die einzelnen Hiebe etwas parieren könnte, aber damit schien Kim bereits gerechnet zu haben und holte noch kräftiger aus. Anscheinend wollte er nicht nur die Getreide-Brühe aus Marcels Luftröhre befördert , sondern auch alle anderen Organe welche zufällig in seinem Körper ein Zuhause gefunden hatten. Ein paar Minuten verstrichen und plötzlich wurden die verzweifelten Würgelaute leiser. „Hmm... schreien kannst du aber noch besser, als schlucken.“ Mit einem gemeinen Grinsen im Gesicht führte Kim seinen letzten Schlag aus, und hörte dann ein leichtes Glucksen und dann kehrte endlich stille in die Küche ein. Schwer ließ sich Marcel nach vorne sinken. Er atmete erleichtert aus und zählte die Sekunden, bis das stechen in seinem Hals nachließ und das pochen auf seinem Rücken. Auch wenn das abklingen der Schmerzen noch in weiter Ferne lag, war er froh darüber, nicht gestorben zu sein. „Scheiße ey. Ich dachte schon, ich kratze ab...“, zischte er kleinlaut, die Stirn gegen das kühle Holz des Tisches gepresst. „Geht es wieder?“, fragte Kim nach einigen Sekunden und griff sanft nach Marcels Schultern um ihn wieder in eine aufrechte Position zu bringen. „Möchtest du etwas Trinken?“ „Gerne.“, krächzte der Angesprochene und hüstelte noch einmal. Scheiß Cornflakes! Scheiß Milch! Diesen verfluchten Dingern würde er in Zukunft keines Blickes mehr würdigen. Aber es war trotzdem eigenartig plötzlich so liebevoll von seinem Bruder behandelt zu werden, also Marcel nickte sachte. Das Sprechen fiel ihm immer noch schwer. „Beug den Kopf nach vorne und stütze deine Arme auf die Oberschenkel ab. Mach die Beine etwas auf einander, so kannst du bequemer Sitzen und Atmen.“, riet Kim und drückte Marcels Kopf vorsichtig in die Richtige Position. Augenblicklich befolgte Marcel die Anweisung und lehnte den Oberkörper so wie Kim gesagt hatte nach vorne. Kurze Zeit Später ging es ihm tatsächlich besser. Endlich konnte er wieder richtig Luft holen und griff dankend nach dem Wasserglas, welches Kim ihm reichte. „Danke.“, meinte Marcel und nahm einen kleinen Schluck von der klaren Flüssigkeit. „Jetzt geht es mir wieder besser...“ Und dann wurden seine Augen plötzlich scharf und das Glas landete unnötig laut auf dem Tisch. Ein leichtes Kribbeln zog durch seinen Körper und ließen ihn Beben. Sofort verschwand die Dankbarkeit aus Marcels Blick und auch Kim, schien endlich das blöde Grinsen vergangen zu sein. Langsam stand Marcel auf und fixierte seinen Gegenüber eindringlich. „Das war alles deine schuld! Wegen dir wäre ich fast verreckt. Wenn du noch einmal einen deiner blöden Witze reißt, während ich etwas Esse oder Trinke, wirst du dein blaues Wunder erleben!“ Kim seufzte leise, als ihm Marcel die harten Wörter wie ein heftiger Tsunamiregen schonungslos ins Gesicht knallten. Er wusste ja, dass der Kleine sehr empfindlich war was Erotik anging, aber das er bei einem wirklich noch harmlosen Satz gleich einen Anfall bekam, schockierte ihn doch schon ein bisschen... Zwar waren unter seinen bisherigen Partnerinnen auch schon mal Jungfrauen dabei gewesen, aber sie alle konnte in seiner Gegenwart recht schnell ihre anfängliche Scheue zum anderen Geschlecht ablegen. Warum also auch nicht Marcel? Seine Reaktion verzerrte sein bisheriges Weltbild nicht grade ein wenig. Automatisch warf Kim einen flüchtigen Blick auf sein Handgelenk. Natürlich konnte er dort unten keine Veränderungen erkennen, aber die Erinnerung an Marcels harten Blick und seinem komischen Anfall - Oder was zum Geier das überhaupt gewesen war? - blieb trotzdem. Irgendwas war mit Marcel geschehen. Irgendwie hatte er es geschafft Kims steinharte Haut zu verletzten, wobei dieser nicht mal daran denken wollte, was geschehen wäre, wenn er einen Sterblichen angefasst hätte. Wäre dem Kerl oder der Tussi dann vielleicht der Knochen geschmolzen? Kim könnte sich die jähe Hitze die plötzlich von Marcels Hand ausgegangen war, einfach nicht mit Logischen Argumenten erklären. Von der einen auf die andere Sekunde herrschte betretende Stille im Raum. Keine von ihnen wagte ein Wort zusagen. Betroffen zog Marcel die Schultern ein und schlug sich leicht die Hand auf den Mund. Schon fast bereute er es Kim so hitzig angefaucht zu haben. Er war ihn doch um ein vielfaches unfreundlicher angegangen, als Marcel es eigentlich beabsichtig hatte, aber in diesem Moment konnte er sich einfach nicht mehr zusammenreißen. Fragend schaute er Kim in die Augen. Ob er sich nun auf einen Gegenangriff gefasst machen musste, oder womöglich auf etwas schlimmes...? Noch gestern erst hatte Kim ihm geraten, besser Vorsichtig in seiner Gegenwart zu sein. „Marcel...“, sagte Kim nach einer gefühlten Ewigkeit eisig und schaute seinen Bruder dann eine Sekunde lang an. Aus Angst, etwas falsches zu sagen, presste dieser die Lippen zu einer harten Line zusammen und erstarrte Augenblick, als er eine warme Hand im Nacken spürte. „Ja...?“, hauchte Marcel leise. Er konnte nicht verhindern das seine Stimme einen zittrigen Klang bekam und wollte sich schon aus dem Griff befreien, aber plötzlich sah er wie Kim lächelte. Das Schmunzeln wurde nur noch breiter, als Kim den verängstigend aussehenden Marcel nachher an sich heran zog und er das laut pochende Herz des kleinen Menschens hören könnte. Er liebte es einfach Marcel ein wenig zu ärgern. Das hatte ihm schon immer wahnsinnigen Spaß gemacht - selbst heute bereitete es Kim immer noch diabolische Freude. Nervös rammte Marcel die Zähne seine die Unterlippe. Er mochte dieses Grinsen auf Kileys überirdisch schönem Gesicht nicht. Und noch weniger mochte er diesen eisernen Griff, der ihn unweigerlich gefangen hielt. Ungeduldig wartete er, gehüllt in einen eisernen Vorhang des Schweigens, auf das, was als nächstes Passieren würde. Auf die Beleidigungen, auf die Anschuldigen, auf die Verhöhnungen oder auf die Schläge, die gleich womöglich folgen würden... „Du hast die freie Wahl...“, säuselte Kim und sein Lächeln verwandelte sich in Sekundenschnelle in ein abgrundtief Böses Grinsen. „... du kannst dich nun mit einen verdammt heißen Zungenkuss bei mir entschuldigen, oder mit etwas anderen...“ Sofort wich Marcel einen Schritt zurück und blickt Kim nun direkt an. Plötzlich war da wieder dieser Kloß in seinem Hals und er musste die Hitze runter schlugen, als er scheu den Blick anwendete und auf den Boden starrte. Die Aufforderung seines Bruders ging natürlich nicht spurlos an ihm vorbei, weshalb seine Wangen schon bald wie ein außer Kontrolle geratenes Lagerfeuer brannten. „Und? Hast du dich entschieden?“ Kim führte die Finger an Marcels Kinn und hob dieses ein Stückchen an, damit er in die blauen Augen seines Gegenübers schauen konnte. Schließlich konnte er die Unsicherheit nicht nur sehen, sondern auch riechen, welche Marcels Seele fest umklammert hielt. „Das letzte war ein Scherz gewesen. Aber das mit dem Kuss habe ich ernst gemeint.“ Er lehnte sich leicht nach vorne und stupste sanft die fremde Nase an. „Komm schon, mein Liebling. Ich möchte dich auch mal in der Aktivenrolle sehen. Überrasch mich...“ Grüblerisch tippte Marcel mit den Zeigefinger gegen Kileys Unterkiefer, bevor er seine Augen vom Fussboden los riss. Nun fühlte er sich doch ein wenig geschmeichelt weil mal jemand wollte, das er Männlichkeit bewies. „Ich weiß nicht, ob ich das so gut kann...“, murmelte Marcel verlegen. „Immer wenn ich dich geküsst habe, hast du vorher den Anfang gemacht und mir die Sicherheit gegeben.“ Einige Atemzüge später ließ er seinen Blick über Kims Gesicht wandern und blieb an seinen Lippen hängen. Zugleich wurde Marcels Mund trocken und seine Atmung beschleunigte sich. Was hatte der Dämon nur an sich, dass er ihn so aus der Fassung brachte? „Wovor hast du denn Angst? Das ich zurückweiche und dir eine klatschen könnte?“, wollte Kim wissen und musst trotzdem leicht Grinsen. Ein riesiges Feuerwerk brach in seinem Inneren aus, als er das Verlangen in den blauen Augen sah. „Ähm...?“, lautete die sehr geistesreiche Antwort. Warum zum Teufel musste heute Mittwoch sein und gleich die Schule beginnen, wo dieses schwarzhaarige Monster so Schön... und so abartig erotisch Grinsend vor ihm stand, und seine Libido zum durchdrehen brachte, ganz zu schweigen von dem Schweißausbruch den Kim bei Marcel verursachte. Kiley tippte noch einmal Marcels Nase an, doch diesmal mit mehr Nachdruck. „Wenn du nicht gleich etwas sagst, oder machst, dann kannst du gucken wie du in 20 Minuten mit zwei gebrochenen Beinen zur Bushaltestelle kriechen kannst! Solange verliere ich nämlich die Geduld mit dir, Brüderchen.“ In der selben Sekunde zog Marcel seine Mundwinkel runter. Er ahnte schon, dass das nicht nur so salopp daher gesagt war, sondern als ernst gemeinte Drohung verstanden werden konnte. „Oh, ich beneide dich immer wieder darum, wie gut du anderen Personen die Angst vor etwas unbekannten nehmen kannst. Respekt, Kiley.“ Kim schnalzte missbilligend mit der Zunge und schnaubte genervt. „Wie kann man nur so Prüde sein?“ Dann platzierte er seine Hände auf Marcels Schultern und zog ihn mit einem kurzen Ruck von dem Stuhl runter, bis sie sich frontal gegenüber standen. Plötzlich waren sie sich so nahe, das noch nicht mal mehr ein Blatt Papier zwischen ihren Leibern gepasst hätte. Marcel fühlte sich von der Aktion derart überrumpelt, das er erst bewusst wahrnahm wo und vor allem wie nah er Kim doch gekommen war, als er ein raues Lachen hörte. „Na, bist du jetzt immer noch so mutig?“, fragte Kim mit beißendem Spott in der Stimme und ließ es sich nicht nehmen, um seinen Kopf nach vorne zu beugen und Marcel barsch in das Ohrläppchen zubeißen. „Jetzt komm´ schon, ich habe den ersten Schritt gemacht. Beim Aufstehen habe ich dir schon geholfen, jetzt bist du dran...“ Seine Lippen teilten sich und entblößten zwei Reihen makelloser Zähne.. Wie immer war sein Anblick ein kleiner Schock, obwohl Marcel ihn mittlerweile seit mehr als 14 Jahre gewöhnt sein sollte. Um es auf den Punkt zu bringen: Sogar am Morgen nach dem Aufstehen, und total übellaunig, sah Kiley aus wie einer Feuchte Traum einer jeden Frau. Seine schwarzen, kurzen Haaren hingen ihm fransig in der Stirn und sein feines Gesicht sah attraktiv und männlich aus. Heute trug er ein rot, kariertes Hemd mit hoch gekrempelten Ärmeln und einen tiefen Ausschnitt, welcher einen guten Blick auf seine Hals- und Brustmuskeln erhaschen ließ. Die Beine wurden von einer eng Anliegenden, dunklen Jeans umhüllt und mehre, feine Nietenarmbänder zierten Kims Handgelenke, welche sein Outfit so ziemlich gelungen abrundeten. Unbewusst hielt Marcel den Atmen an. Kim sah zwar aus wie ein Emo hoch zehn, aber irgendwie gefiel Marcel der Look an ihm. Er passte zu seinem Bruder und vor allem sah er auch noch verdammt heiß darin aus! In diesem Moment wollte er nichts sehnlicher, als sich geschwind auf die Zehenspitzen zu stellen und seinen Mund auf Kileys Lippen zu pressen. Marcel spürte wie seine Wangen bei diesen Wunsch heiß wurden, noch heißer als wie bisher, und am liebsten hätte er das Gesicht nun in Kims Brust vergraben. Sein Kopf fühlte sich so an, als ob er jeden Augenblick vor lauter Scham zerplatzen könnte. Als Kim sah, wie Marcel noch immer zögerte, wurde sein Blick plötzlich hart und kalt. Mit einem mal kippte die ganzen, knisternde Atmosphäre in der Küche und zurück blieb nichts als Anspannung und Enttäuschung. „ Was ist nur los mit dir? Ich bin dein Freund und du traust dich noch nicht mal, mich zu Küssen.“, zischte er eisig. „Du läufst vor deinen Problem davon, du läufst vor mir davon. Du bist ein Feigling, Marcel. Du möchtest dich den Sachen einfach nicht stellen. Erbärmlich.“ Wütend fletschte Marcel die Zähne. Auf einmal waren auch seine Gefühle gekippt und hatten sich stattdessen in Zorn verwandelt. Es wusste, das Kiley ihn nur provorzieren wollte und trotzdem ließ er sich darauf ein. „Hör ´auf damit! Ich bin kein Feigling. Ich bin... doch nur Unsicher! Ich habe noch nie von mir aus jemanden geküsst!“ „Unsicher?“, wiederholte Kim langsam und lachte. Aber es war kein angenehmes Lachen; es klang dunkel, rau und jagte Marcel einen Schauer über den Rücken. „Ich werde dich in Zukunft um noch ganz andere Dinge bitten, und dann darfst du gerne Unsicher sein, aber nicht jetzt, wo es nur um einen harmlosen Kuss geht. Es ist egal wie viel inzwischen passiert ist; du bist und bleibst ein Angsthase. Du wirst dich wohl dein ganzes Leben lang an den Rockzipfel deines großen Bruders festklammern Und nennst du Mutig? Ich nenne das jämmerlich.“ Innerhalb von wenigen Augenblicke hatte Marcel einen Entschluss gefasst und griff nach Kims Kragen. Hartnäckig zerrte er sein Gesicht nach unten, bis sie sich auf einer Höhe befanden. Vor lauter Wut konnte er seinen Herzschlag bis in die Kehle spüren. “Hör auf damit! Hör auf, dich über mich lustig zu machen ...“, flüsterte er und kam seinem Bruder bedrohlich nahe. “... ich bin kein Angsthase und ich klammere mich an niemanden.“ Kim konnte Marcels warmen Atem auf seinen Lippen schmecken, welcher es ihm unmöglich machte, sich zu bewegen. Aber selbst wenn er es gekonnte hätte, Kim wäre eher zum Vegetarier geworden. „Dann beweis es mir endlich und schwing hier keine großen Reden! Lass Taten auf deine Worte folgen!“ Marcel schluckte hart. Er bohrte seine Fingernägel nun mit so viel Kraft in Kims Hemd, das es unter seinen Händen zerreißen müsste, aber er lockerte seinen Griff nicht. Er brauchte diesen Halt einfach. Er brauchte etwas, an dem er sich festkrallen konnte. Das alles hier fühlte sich so schrecklichen verdreht an... Es fühlte sich fast so an, wie ihr erster Kuss vor einer Woche und im Grundgenohmen, war es auch so eine ähnliche Situation. Es war das erste Mal, das Marcel die Initiative ergriff und er Kim küssen würde. „Okay... ich mache es. Verdammt, ich mache es, also endlich deinen Mund!“, stieß er schwer atmend hervor. Also hob Marcel seinen Kopf und schaute Kim feste in die Augen. Augen, die ihn schon gehässig, spöttisch und abwertend gemustert hatten. Augen, welche Blitze schleuderten, sobald er wütend war und Augen, in denen er noch NIE Tränen schwimmen gesehen hatte. In diesen Moment betrachteten sie Marcel voller Erwartung und das war es, das ihm letzten Endes überzeugte. Er konnte Kims atmen nun ganz deutlich auf seinem Gesicht spüren; er war heiß, abgehackt, schnell und irgendwie beruhigten Marcel das Wissen, das Kim genau so aufgekratzt und nervös war, wie er selbst. Anscheinend war es auch für ihn das erste Mal, das er jemanden Zwingen musste ihn zu Küssen. Marcel stand inzwischen wirklich auf seinen Zehenspitzen und streckte sich immer höher und höher nach oben, Kims Lippen entgegen. „Komm schon...“, lockte Kiley leise und neigte seinen Kopf, um Marcel auf den letzten Paar Zentimetern entgegen zu kommen. Und schließlich krachten ihre Mund gewaltsam auf einander. Das erste, was Marcel durch den Kopf schoss als er die blassen Lippen berührte, das es nicht der perfekte Kuss war. Er spürte Kims Zähne, seine langen Nägel an der Schulter und sogar der metallische Geschmack von Blut lag auf seiner Zunge. Doch das, was sie taten, konnte man noch nicht mal als einen richtigen Kuss bezeichnen. Vielmehr war es eher das simple auf einander pressen von Hautteilen, hier waren keine Gefühle im Spiel und trotzdem war es viel befriedigender als alle anderen, die er bis jetzt mit ihm geteilt hatte. Es vergingen mehrere Sekunden, indem sie einfach nur bewegungslos da standen und sich austesteten, einander auf die Probe stellten. Irgendwann umfasste Kim Marcels Rücken und zog ihn an seine Brust, sodass sich ihre Oberkörper feste gegen einander pressten, genauso wie ihre Hüften. Die Reibungen, die durch die Bewegung entstand ließen Marcel nicht nur erschaudern, sondern entlockte ihm auch ein süßes Keuchen, für das er Kim umgehend über die Lippen leckte. Ihre Küsse hatten platonisch begonnen, aber mit der Zeit würden sie immer drängender und fordernder. Die anfänglich emotionslosen Berührungen wurde immer hemmungsloser, ebenso wie das Verlangen nach Mehr immer weiter stieg. Marcel ließ seine Zunge leicht über Kims Unterlippe wandern, und öffnete die Augen um ihn anzusehen. Er wollte die Emotionen und Empfinden in diesem Gesicht nicht verpassen, er wollte den Stolz und die Anerkennung für seine Tat sehen. Und tatsächlich wurde sein Blick erwidert. Aber Kims Lippen blieben trotzdem eine harte Linie und versperrten ihm den Zugang. Entweder hatte er die Aufforderung seinen Mund zu öffnen nicht verstanden, oder er wollte das sich Marcel mehr ins Zeug legte. „Kiley...oh Gott. Quäl mich doch nicht so!“, stöhnte Marcel voller ungeduld. Er verschränkte seine Arme hinter Kims Nacken und zog ihn mehr zu sich runter, um dem Kuss zu vertiefen und damit zu intensiveren. Ein kleines Feuerwerk explodierte in seinem Magen und machte ihn ganz schwindelig, so Glücklich fühlte er sich im Augenblick. Noch einmal strich seine Zunge verlangend über die harte und glatte Unterlippe seines Bruders und bettelte verzweifelt um Einlass, doch wieder spürte er nichts anders, als eisernen wiederstand. Ein tiefes Seufzten entfloh Marcel Augenblick. Er verlor den Kampf um die Dominanz. Warum musste dieser Scheißkerl auch nur so verdammt Stur sein und immer seinen Dickkopf durchsetzten? Enttäuscht von so viel Standhaftigkeit, lehnte Marcel seinen Körper nach hinten und löste ihre Münder von einander, was Kim mit einen tiefen Grollen beklagte. „Du bist fies. Du wolltest einen Zungenkuss habe und dann machst du deine blöden Lippen nicht auf.“, knurrte Marcel säuerlich. „Was soll das, Mhm? Verarschst du mich immer noch?!“ Auf einmal verschwand die Abwehrendehaltung und stattdessen erschien ein anzügliches Lächeln auf Kims Gesicht. „So so, du willst also einem Halbvampir deine blutende Zunge in den Mund schieben und hoffen, dass sie während dieser Aktion dran bleibt? Dummer Fehler, Marcel. Ganz dummer Fehler.“ „Was?!“ Nachdem Marcel den ersten Schock überwunden hatte und begriffen hatte, auf was Kim da anspielt, färbte sich sein Gesicht puterrot und vor Empörung presste er die Lippen zusammen. „Verdammt, daran habe ich gar nicht mehr gedacht.“ Verlegen hob er den Blick. „Ich habe gar nicht richtig gemerkt, dass ich mir auf die Zunge gebissen habe. Das tut mir echt leid, Kiley. Ich wollte dich wirklich nicht damit reizen...-!“ „Shh!“ Langsam schüttelte Kim den Kopf und brachte Marcel zum Schweigen, indem er ihm einen Zeigefinger auf den Mund legte. Zaghaft umfasste er mit anderen Hand seine Wange und wisperte: „Das war doch nur ein Scherz. Es ist alles in Ordnung mit mir, es besteht kein Grund um sich aufzuregen... Ich habe schon so vielen Mädchen die Zungen blutig gebissen und bis jetzt ist noch nie etwas passiert. Ich habe meine Beherrschung nicht ein einziges Mal verloren. Wir sollten es einfach mal ausprobieren, meinst du nicht auch...?“ Ohne Vorwarnung zog er Marcel dann wieder zu sich hoch und versiegelte ihre Lippen mit einem leidenschaftlichen und ausgehungerten Kuss, in dem er alle seine Emotionen steckte. Seine Zunge, ebenso begierig, drängte sich in den vor Überraschung geöffneten Mund Marcels und zwang ihn den Kuss völlig überrumpelt zu erwidern. Er hörte wie dieser leise Stöhnte und sich sanft in seinen Armen windete, anscheinend, war ihm seine Zunge plötzlich doch wichtig, aber Kims Hand fand den Weg in blonde Haar und zerwühlte es auf der Suche nach Halt. Die Hitze, die während dem ersten Kuss entstanden war, hinterließ sehnsüchtige Spuren auf mehr Kontakt. An dieser Stelle konnte Kim ein Grinsen nicht mehr zurückhalten und hielt Marcels Hinterkopf weiterhin in einer Hand gefangen, zerrte an dessen Haaren, bis der Kleine ein weiteres Mal heiseren gegen seine Lippen keuchte. „Wie... gerne würde ich dich nun ausziehen... und auf den Küchentisch legen...“, raunte Kim erregt gegen die weichen Lippen seines blonden Engels. „.... ich glaube... das ich dir dann vor lauter Geilheit deine verfluchte Seele aus dem Leib Vögeln würde.“ Stöhnend wollte Marcel den Kopf nach hinten drücken, aber er scheiterte an Kileys Fingern und an seinen Zähnen, die sich nun kraftvoll in seine Unterlippe bohrten und ihn zusätzlich in seiner Position festhielten. „Kim warte... es ist doch gleich... Schule. “,wimmerte er wenig überzeugend, da sein verräterischer Körper vor Freude gleich flachgelegt zu werden, einen kleinen Tanz hinlegte. Er wollte Kim! Er wollte ihn so sehr dass es weh tat! Er wollte Kiley seine Liebe und Hingabe beweisen, indem er sich mit ihm auf die intimste Art verband, wie es zwei sich liebende Männern möglich war. Marcels Herz schien vor Sehnsucht in den Hals gekrochen zu sein - hoffentlich hielt der Dämon sich jetzt auch an sein Wort! Hilflos schloss er seine Augen, während das Atmen immer schwerer wurde. War es vor 10 Minuten auch schon so warm in der Küche gewesen oder hatte Kim heimlich die Heizung hochgedreht? Marcel spürte ein angenehmes Kribbeln in seinem Unterleib und Gleichzeitgig auch die Erregung, die er nun nicht mehr zurückhalten konnte. Ein tiefes, raues Lachen entrann Kims Kehle. „Als ob dich das wirklich interessieren würde!", zischte er nun fast in einem aggressiven Ton und sein Blick war eisig kalt geworden, ebenso wie das Lächeln auf seinen Lippen. „Dein Körper biegt sich mir vor Lust doch schon entgegen. Er will mein Fleisch in sich spüren, du willst mich spüren...!“ Die Wärme durchzuckte ihn daraufhin wie ein Stromschlag, Kim konnte es selbst kaum erwarten, um sich mit Marcel zu vereinen und den Kleinen endlich zu entjungfern. Marcel drehte seinen Kopf mit aller zur Verfügungen stehen Kraft ein winziges Stück zur Seite. „Nicht Kim... Du hast mir was versprochen! Du hast gesagt, das du wartest... das du wartest, bis ich mich sicher fühle...!“, keuchte er bemüht um Fassung ringend, während er die Augen schloss und seine Hände gegen Kims Brust stemmte. „Wir sind erst einen Tag zusammen...! Von Sicherheit kann noch keine Rede sein! Also, hör auf damit!“ Nur äußert widerwillig kam Kim dieser Bitte nach. Er zog seine Zunge aus Marcels Mund heraus, und die Hände aus seinen Haaren. „Nur damit du es weißt; Ich verfluchte mich wegen dieses dämlichen Versprechens.“ Grummelnd schloss er seine glühenden Augen und atmete langsam aus. „Na gut, aber das ist das letzte Mal das ich dich entkommen lasse. Wenn wir uns das nächsten Mal so an den Lippen hängen wie grade, ist dein Arsch fällig. Endgültig.“ Ein kehliges Stöhnen kroch aus Marcels Hals und es presste seine Lippen sehnsüchtiger den jäh auf Kims zuckenden Mundwinkel. „Sei mir nicht böse.“, hauchte er ihm versöhnlich zu. „Du weißt, das ich auch gerne mit dir schlafen würde, aber nicht so... Nicht auf diese Art. Willst du mit mir Sex haben weil du meinen Körper begehrst, oder willst du mit mir Schlafen, weil du mich liebst?“ Kim gab ein beleidigtes Knurren von sich, doch er wiedersprach Marcel nicht. Stattdessen nutzte er die Gelegenheit um ihm noch einen weiteren, heißen Kuss auf die Lippen zu zwingen. „Im Moment bin ich mir bei dieser Entscheidung unsicher...“, gestand er ehrlich und saugte an dem süßen Fleisch, welches Kim zusätzlich sanft mit seinen Zähnen bearbeitete. Seine Entscheidung Marcel in Ruhe zulassen, schien er wohl mit dem Kuss wieder verworfen zuhaben.„Kann ich nicht beides haben? Jetzt zum Spaß, und später aus Liebe?“ Schlusslicht musste Marcel nun doch ein kleines Schmunzeln unterdrücken: irgendwie gefiel es ihm Kiley so besitzergreifend zu erleben. „Nein kannst du nicht!“, zischelte er halb empört und halb vergnüget. Ein letztes Mal schmiegte er seine Lippen gegen die seines Bruders und stieß ihn dann energisch nach hinten. Oder, zu mindestens hatte Marcel das vorgehabt, aber plötzlich klammerte Kim sich so feste an seinen Schultern fest, dass er die Fingernägel unangenehm in seine Haut bohrte. Leise knirschten Marcels Zähne. Jede weitere Berührung führte dazu, das sein Widerstand immer tiefer sank. Frustriert und am Ende seiner Kräfte hielt er schließlich zitternd mit seinen Befreiungsversuche inne. Oder sollte er Kim doch seinen Willen lassen und mit ihm in das Reich der Liebe eintauchen? Nein! So hatte er sich sein erstes Mal nicht vorgestellt. Egal was für verführerische Illusionen in seinem Kopf auch entstanden, er musste stark bleiben. Verdammt, er hatte einen Fehler gemacht. Wieso musste er die Lippen eben auch nochmal auf Kims Mund drücken?! „Kiley!!“Wütend zerrte Marcel an den dunklen Haaren und wollte Kim somit von seinen Lippen los reißen, aber dieser stemmte seinen eigenen Körper einfach dagegen. Inzwischen war sein Mund sogar auf Wanderschaft gegangen und fand sich mittlerweile an seinem Hals wieder. „Jetzt reicht es aber langsam! Denk an dein Versprechen, man!“ Die Hitze, die von Kim ausging, ließ seine weiche Haut wie unter tausend Nadelstiche brennen. Marcels Atmung verwandelte sich nach und nach in ein verzweifeltes Keuchen, welches bei jedem seiner schnellen Herzschläge, immer hektischer wurde. Marcel wusste nur noch dass er so schnell wie möglich aus dieser Küche raus kommen musste; Wenn Kim ihn weiter so Liebkose und Anfasste, würde er seine Vernunft wirklich über Bord werfen! Ein kurzer Blick nach unten bestätigte ihm, das Kim genau DAS erreichen wollte. Schelmisch funkelnden zwei glühende Augen zu Marcel empor und Kiley leckte ein letztes Mal lasziv über das Schlüsselbein, bevor er sich mit einen leichten Grinsen im Gesicht wieder aufrichtete. „Was hast du gesagt?“, schnurrte er scheinheilig. Daraufhin verzog Marcel seinen Mund und drückte den Kopf in den Nacken, mit der Hoffnung, dass er so vielleicht den nächsten >Angriff< abwehren könnte. Innerlich sehnte er sich zwar danach dass Kim weiter machte, doch sein Verstand sagte ihm dass es besser wäre, wenn sie jetzt aufhörten. „Das du ein Mistkerl bist! Du leckst und knabberst an mir rum, als wäre ich eine Zuckerstange...!“ Aber schon im selben Moment biss er sich wegen der Zweideutigkeit in diesem Satz auf die Zunge. Als er das hörte, wurde Kims Grinsen breiter und noch zehnmal schmutziger. „Oh... auf eine Zuckerstange hätte ich jetzt ausnahmsweise echt mal Lust...“ Der genervte Ausdruck auf Marcels Gesicht gefror, verschwand und machte stattdessen der sich rasend schnell ausbreitende Schamesröte Platz. „D-Du bi..st wirk-klich un... unmöglich!!“, stotterte Marcel der Hysterie nah. „Warum habe ich überhaupt etwas gesagt? So eine Antwort von dir hätte mir doch sofort klar sein sollen!“ Doch plötzlich wurden er an den Handgelenken gepackt, herum gerissen und gegen den Kühlschrank geworfen. „Hey...“, keuchte Marcel erschrocken und wimmerte leise, als sich der Angesprochene nach vorne beugte. Zugleich drückte er den Kopf noch mehr auf nach Hinten, hörte ein leichtes Lachen und spürte dann eine feuchte Zunge die neckend über seine Ohrmuschel strich. Na Super, das war auch nicht besser als ein Kuss...! „Langsam solltest du mich kennen.“, säuselte Kim und pinnte Marcels Hände an das kühle Gerät. „Es dauert noch eine halbe Stunde bis der Schulbus kommt, also können wir uns die Wartezeit noch etwas versüßen...“ Dann umfasste er das schmale Kinn des Anderen und drückte es mit einer leichten Bewegung nach oben. Jetzt konnte Kim endlich wieder die glasigen Augen und die leicht geröteten Wangen erkennen, welche ihm ein breites Schmunzeln bescherten. „Lass es sein.“, hauchte Marcel gegen die geöffneten Lippen seines Bruders. Er versuchte möglichst kalt zu klingen, um den Eindruck zu erwecken das er das wirklich nicht wollte. Doch als er Kims feixenden Blick sah, mit dem er ihm anstarrte, wurde Marcel klar dass er genau das Gegenteil bewirkt hatte. Sah man ihm seine Verzweiflung denn so stark an? „Was denn?“, hauchte Kim mit heiserer Stimme zurück. „Das, was du hier versuchst… Du willst mich verführen und.. wer-weiß-was mit mir anstellen -“ Noch bevor Marcel weiter sprechen könnte, presste Kim die Lippen auf seinen Mund und nahm ihm somit jede Entscheidungsmöglichkeit ab. Er küsste ihn innig und Marcel drängte seinen Körper mit aufsteigender Panik enger an den verdammten Kühlschrank. Das war nicht gut! Wieso konnte er Kim nicht einfach weg stoßen und die Kurve kratzen...?! Nie und nimmer wollte er seine Unschuld während eines kurzen Quickens auf den Küchentisch verlieren...! Warum ließ Kiley ihn denn nicht einfach in Ruhe? Musste er ihn so quälen? Benommen schloss Marcel seine Augen. Vielleicht würde er nochmal mit heiler Haut davon kommen, wenn er sich wenigstens ein bisschen kooperativ zeigte und Kim das gab, was er wollte. Zweisamkeit, etwas Küssen und Kuscheln... Kurz setzte sein Herzschlag aus, nur um dann im doppelten Tempo weiter zu schlagen. ...Vielleicht würde sein Bruder sich schon damit zufrieden geben. Ganz klar. Marcel hatte noch nie Schwierigkeiten mit Körperkontakt gehabt, im Gegenteil; Er war sogar ganz versessen auf Kuscheleinheiten und Aufmerksamkeiten. Aber, das was man nun von ihm verlangte überstieg Marcels Horizont minimal.... Jedoch machte ihn die Knutscherei heiß, und das war die Bestätigung dafür das nur noch sein paralysierter Verstand >nein< sagte, und sein Körper den Kampf gegen die Lust schon lange aufgegeben hatte. Also saugte und knabberte Marcel sanft an Kims Unterlippe, was einer stummen Bitte um Einlass gleichkam und schlüpfte in dessen Mund, als diese sich bereitwillig öffnete. Er spürte, wie Kim scharf die Luft einzog und seine Zunge mit seiner eigenen empfing, wie Kileys sie leicht streichelte und zum Tanz aufforderte. Doch anstatt Marcel als Dank für den Zungenkuss aus der Gefangenschaft zu entlassen, drückte Kim ihn noch enger an den Kühlschrank und so langsam, wurde sich Marcel seiner misslichen Lage bewusst, denn Luft, bekam er schon lange nicht mehr. Vielleicht würde genau dieser Kuss ihm den Untergang bringen. Leider sah Kim nun nicht mehr so aus, als würde er sich jetzt noch mit Küssen und Kuscheln zufrieden geben. Auch sein Körper reagierte auf die Zweisamkeit mit deutlicher Hitzebildung. Zugleich ergriff Marcel ein heftiger Schauer. Er spürte nicht nur die Hitze die von Kim ausging, sondern auch die Erregung, die gewisse Bereiche seines Körpers auf Touren brachte. „Du schmeckst nach Verlangen... und nach unterdrückter Lust. Warum zierst du dich so vor mir? Oder hast du Angst das du einen Fehler machst?“, schnurrte Kiley und Marcel begann vor Scham zu glühen. Es war schon irgendwie Albern vor seinem Geliebten Rot zu werden, aber dies rührte nicht nur von der Scham her, sondern auch von der Erregung, welche wie flüssige Lava durch seine Adern schoss. „Als ob du anders dran wärst.“, zischte Marcel atemlos und ließ seine Zähne kurz über Kims Zunge fahren, wissend, das ihm das gleiche auch passieren könnte wenn er ihn zu sehr reizte. Doch die Wirkung fiel positiv aus; Auch Kim schauderte heftig unter der Berührung, worauf er von Marcels Handgelenken abließ und seine Fingernägel stattdessen in seine Hüfte bohrte. Dann zog er ihn energisch nach vorne bis Marcel schließlich gegen sein Becken krachte. „Es wäre gelogen, wenn ich das Gegenteil behaupten würde.“ Kim biss zart in Marcels Unterlippe und quetschte sie leicht mit den Zähnen. „Aber ich bin nicht so ängstlich wie du, und würde dir gerne zeigen, was es sonst noch Schönes zu entdecken gibt.“ Marcel lächelte ihn schüchtern an und Kim lächelte zurück. Ein kleiner Seufzer entrann seiner Kehle, woraufhin ihn zwei dämonisch glitzernden Augen nur fragend ansahen. „Ich kann tun und lassen was ich will, du gibst einfach nicht auf bis du das bekommen hast, was du willst.“, sagte Marcel und es war ihm klar, dass Kim solche Wörter öfters zu hören bekommen musste , denn er nickte grinsend und legte vertraulich eine Hand auf Marcels Kehlkopf, rieb sanft mit den Daumen über die Erhöhung. „Es ist nicht mein Ding so kurz vor dem Ziel aufzugeben.“ Marcel seufze zum wiederholten Mal und legte den Kopf nach hinten um seinem Bruder mehr Spielraum zulassen. Durch die bewusste Liebkosung arbeitete die Hitze in seinen Adern nur noch stärker und es dauerte nicht mehr lange, bis Marcel nicht nur Geil war, sondern auch noch Steinhart...! Hoffentlich ließ Kim den Blick auf seinem Gesicht ruhen, denn wenn er an Marcel herunter schaute, würde er dort Unten sofort die Erektion entdecken weil die enge, Figurbetonende Hotpants welche Marcel trug, die pochende Beule nicht ein winziges Bisschen kaschierte. Wobei... wieso musste Kim überhaupt gucken? Ihre Hüften lagen schließlich wie Brot und Bulette an einander gepresste. Er brauchte gar nicht schauen um das Ärgernis zu erkennen, Kim musste einfach nur Spüren und eins und eins zusammen zählen. Marcel hatte sich selten zuvor in seinem Leben so Heiß gefühlt wie grade und egal was kommen würde, sehr lange musste Kiley nicht mehr warten, bis er sich ihm und seiner quälenden Lust unterwarf. Und tatsächlich schien Kim inzwischen ein Licht aufgegangen zu sein, denn er ersetzte seine Finger durch den Mund und saugte so feste an Marcels Kehlkopf, das ihm kurzzeitig die Sinne schwankten. Hilfesuchend ließ er sich von dem Kühlschrank im Rücken haltend, sonst wäre er auf den Boden gefallen da seine scheiß verräterischen Beine ihm zu guter Letzt den Dienst verwehrten. „Oh... Oh, Kim. Himmel nochmal... I-Ich kann ni-nicht mehr. Das ist zu viel. Viel zu viel.“, Marcel spürte, wie er bis unter die Haarwurzeln rot wurde als er trocken schluckte und nur noch flüsternd weiter sprechen konnte. „ Ich breche gleich zusammen. Wenn du das nicht willst, dann... dann... scheiße - Lass mich Leben, verdammt nochmal!“ Ohne auf die wimmernde Bitte seines kleinen Bruders zuhören, positionierte Kim seinen Oberschenkel genau an die Richtung Stelle um mit kreisenden Bewegungen über Marcels Schritt zu reiben. Ein scharfen Stöhnen bestätigte ihm, das er den Nagel genau auf den Kopf getroffen hatte. Marcel zerfloss regelrecht unter seinen Händen! „Kleiner Heuchler.“, zischte Kim und stürzte Marcel mit einer Hand, während die andere sanft über dessen Hüftknochen streichelte. Schnell schob er das lästige T-Shirt nach oben und rieb sanft über den sich stetig anspannenden und entspannten Bauch. „Erst jammerst du mich voll, das ich dich nicht anfassen darf und jetzt bist du so geil wie eine läufige Hündin. Sag mir nicht noch einmal, das ICH derjenige bin, der Unmöglich ist. Denn das bist du!“ Was auch immer er zu Marcel sagen mochte; Kim selbst ging es nicht besser und würde Marcel nicht so verdammt Hartnäckigkeit sein, hätte er seiner eigenen Geilheit schon längst Luft gemacht. Immerhin spuckte der blonde Mensch schon viel so lange in seinem Kopf und Träumen herum, als das er sich jetzt noch beherrschen konnte. Die 2 Monatige Enthaltsamkeit kotze ihn mittlerweile so richtig an. Komisch, das ihm jetzt erst auffiel das er seitdem er in Marcel verliebt war (oder was auch immer er für ihm empfand), bis jetzt nur ein einziges Mal an einer Frau interessiert gewesen war. Doch vielleicht war >interessiert< das falsche Wort - das, was er bei dem Mädchen auf der Geburtstagsparty verspürt hatte konnte man kaum als Lust bezeichnen, eher als verzweifelten Versuch seine inneren Triebe zu besänftigen, weil er Marcel nicht kriegen konnte...! Kim presste seine Hand in Marcels Nacken und zog sein Gesicht zu sich. „Du kannst wirklich machen was du willst, Blondie, ich kriege meinen Willen doch so oder so! Für dich gibt es kein Entkommen - Von der Sekunde an, wo sich unsere Lippen das erste Mal berührt haben, stand das Schicksal geschrieben. Du gehört mir, und niemand anders wird jemals mehr eine Hand an dich legen.“ Dann drückte er die Lippen wie für einen Schwur auf Marcels rotgeschwollen Mund und küsste ihn so innig und leidenschaftlich, als hinge sein gesamtes restliches Leben davon ab. Langsam ließ Marcels Körperspannung nach und nun musste er sich mit beiden Händen an Kims Hemd festklammern. Die Worte seines Bruders waren wie durch einen dicken Schleicher zu ihm vorgedrungen, verzerrt und ihrer Bedeutung beraubt. Feste biss er die Zähne zusammen, doch das leichte Keuchen konnte Marcel dennoch nicht zurückhalten. Keine Frage, Kim hatte mehr als einfach nur Talent für Sinnlichen Spielchen; er war der absolute Overkill auf zwei Beinen. Ihm war klar, dass er sich nun nicht mehr herausreden konnte. Dies war der Startschuss gewesen, doch noch immer rang ein kleiner Teil seines Vernünftig denkenden Verstands um Aufmerksamkeit. So Begierig Kim war ihn zu küssen, würde nur ein einziges Wort der Zustimmung aus Marcels Mund genügen und er könnte seiner Unschuld für immer Lebewohl sagen. „Erst die Arbeit.“, wimmerte Marcel deshalb wie in Trance und seine blauen Augen unterstrichen seine Worte wie eine Leuchtreklame. „Dann das Vergnügen. Ich muss in die Schule. Ich habe Fee versprochen das wir uns gleich an der Bushaltestelle treffen, oder möchtest du, das sie gleich auf der Matte steht, weil ich nicht wie abgemacht auf sie warte?“ „Aha? Und das sagst du mir erst jetzt?“ Als Kim sich wieder nach hinten beugten, öffnete er den Mund einen spaltbreit und entblößte seine Reißzähne für eine Drohgebärde. . ,,War es das jetzt von dir? Schön. Dann kann ich dich ja endlich auf den Küchentisch legen und du mir die Führung überlassen...“ Der kalte und wahrscheinlich bitter ernstgemeinte Befehl seines Bruders überraschte Marcel nicht, denn Kim fand immer eine Möglichkeit um seinen Willen durchzukriegen, egal wie trivial und unwichtig das Argument auch erscheinen mochte. Wenn Kiley Lust auf Sex hatte, dann würde er versuchen diesen Wunsch auf Biegen und Brechen umsetzten. ,,Scheiße, ich will nicht. Echt jetzt, ich will das noch nicht.”, presste Marcel energisch hervor. Er kniff die Augen zusammen und versuchte die angedeutete Maßregelung auszublenden. Irgendwie wurde er jetzt erst richtig nervös, wo Kim so deutlich machte was er von ihm verlangte. Langsam aber sicher entwickelte sich die Sache mit ihrer Beziehung, zu einer verdammt heißen Kiste. Bis jetzt hatte Marcel noch nicht so viele Gedanken daran verschwendet, aber ihm war bewusst dass er nicht immer davon laufen konnte, und das er irgendwann mit Kim schlafen würde. Musste. Und wollte. Wie gerne würde er Kims Herzenswunsch jetzt schon nachkommen, die Sachen von seinem Körper reißen und sich beharrlich rekelnd auf den Küchentief werfen ; Nicht nur weil es von ihm erwartet wurde und nicht aus Furcht vor der Strafe, sondern aus purer Lust auf Körperkontakt. Vielleicht, wenn er Kim weiter küsste, würde er mehr Gefallen an der ganzen Sache finden und könnte seinen Verstand dann endlich in die hinterste Ecke seines Gehirnes verbahnen... Mist. Mist. Mist! Das waren die falschen Gedanken! Eindeutig. „Ich will klein einfangen.“, begann Marcel und schaute Kim feste in die Augen. Ganz langsam schrumpfte das tobende Feuer in ihm auf ein kleines Flämmchen zusammen. Er musste sich ganz schnell einen Plan einfallen lassen. „Küssen und so reicht mir bis jetzt noch völlig aus, aber jetzt sofort... die Hüllen fallen lassen? Nein, das kann und will ich nicht. Das geht mir alles zu schnell.“ Er hob den Kopf und setzte seinen niedlichsten Hundeblick ein. Bis jetzt hatte er immer bei seinen Geschwistern ( oder zumindest bei Jeremy) gewirkt. „Bitte, Kim... Bitte... Jetzt noch nicht. Ich schlage dir auch einen Deal vor, weil du schon so lange auf mich wartest; Wir können ja für das kommende Wochenende einen kleinen Ausflug machen... nur wir beide... und da können wir et... was... weiter gehen, als wie bisher... du verstehst was ich meine?“ Hin und Her gerissen, zwischen dem Angebot und seiner momentanen Lust biss sich Kim auf die harte Unterlippe und verbarg seine zweifarbigen Augen, unter einem dichten Wimpernkranz . Als unter der Hitze leidender Dämon war er ebenso Stur, wie Marcel Keuch. Aber eigentlich hatte Marcel ja recht. Er wollte doch wirklich auf ihn warten und nicht wie ein unterbelichteter Kleinstadt-Dämon bei der erstbesten Gelegenheit über ihn herfallen. Außerdem klang der Vorschlag gar nicht mal so Übel: am Wochenende hätten sie wenigstens ihre Ruhe, mehr Zeit für einander und erst recht keine lästige Schule im Nacken. Der Tag würde perfekt werden, der Abend würde perfekt verlaufen, alles würde einfach nur in die richtige Richtung gehen! Auch wenn Kim jetzt schon ahnte das Marcel mit >etwas weiter gehen< sehr wahrscheinlich nur von Petting sprach, hieß das trotzdem nicht, dass er das nicht auch mochte. Na gut, zu gegebener maßen wäre er mit Sex sehr viel Glücklicher gewesen, immerhin hatte er seit fast zwei Monaten darauf verzichten müssen, aber eigentlich sollte er froh sein mit dem was er kriegen konnte. Immerhin bewies Marcel das er Vertrauen hatte, wenn er mit seinen zarten 14 Jahren schon so weit für ihn gehen wollte. Also...? Mit einer routinierten Handbewegung strich Kim eine schwarze Haarsträhne hinter sein Ohr und seufzte resigniert, als er Marcel endlich aus der Gefangenschaft erlöste und ihm sanft lächelnd durchs Haar wuschelte, als wäre er derjenige gewesen, der diesen Vorschlag mit dem Wochenende gemacht hätte. „Na gut, du hast gewonnen. Aber wie wollen wir das Daimon erklären? Ich glaube nicht, dass er das so toll findet wenn wir uns ein paar schöne Tage machen und er das Haus hüten darf.“ Sofort hob Marcel den Blick, der bis vor kurzem noch auf seinen Fußspitze geruht hatte und wurde von Kims strahlenden Augen in die Tiefe gesogen. „Ähm... ich weiß nicht genau. Soweit war ich mit meinen Gedanken noch nicht gekommen. Ich dachte, das du vielleicht eine Lösung dafür wüsstest...“, stammelte Marcel und vermied es noch Länger den Blickkontakt zu halten. „Und wo wir hin sollen, weiß ich auch nicht. Ein Hotel ist zu... klischeemäßig, oder?“ „Oh ja.“, sagte Kim und lachte trocken auf. „Denen wird schon die Kinnlade runterfallen wenn die unsere Ausweiße mit den gleichen Nachnamen sehen. Ne, das können wir Knicken, ein Hotel kommt nicht in Frage... hmm.“ Nachdenklich führte er die Hand zu seinem Kinn. „Aber... da wird uns sicher schon etwas anderes einfallen, etwas, wo wir auch nicht so auf das Umfeld achten müssen. Hotelwände können nämlich schrecklich Dünn sein, und meistens quietschen die Betten so laut, das die andere Geste womöglich denken, wir Mäuse foltern...“ Kim hielt kurz inne und stieß dann er ein lautes >Fuck!< aus, nachdem er Marcel die Hand auf die Schulter schlug. „Ich habe eine andere Idee, Süßer...!“ Jetzt wurde Marcel sofort Hellhörig. „Ach-Achja...?“, fragte er und strich sich flüchtig über die geschlagene Körperstelle. Autsch, hallo Blauerfleck. Aber allem Anschein nach kannte sich Kim wenigstens mit Hotels und ihren negativen Eigenschaften aus. Ob er da wohl aus eigener Erfahrung sprach? „Was ist dir den eingefallen?“ „Etwas, was ich vergessen habe zu erzählen...“, grinste Kim und hätte Marcel vor Freude um Haaresbreite schon wieder an den Lippen gehangen. „Die Wohnung in Thirsk. Ich habe gestern bei dem Treffen den Mietvertrag unterschrieben.“ Für ein paar Sekunden entgleisten sämtliche Marcels Gesichtszüge. „Was?!“, rief er entsetzt aus. „Du... Du hast den Vertrag unterzeichnet und sagst mir erst jetzt Bescheid?! Hallo! Geht’s noch!?“ „Tut mir leid, mein Fehler.“ Seufzend rieb Kim mit der Hand über seinen leicht geröteten Nacken und grinste Marcel von Oben herab entschuldigend an. Natürlich konnte er Marcels Unbehagen verstehen. Ihn wäre es in seiner Situation nicht anders ergangen. „Wie ich ja schon sagte, das habe ich bei der Aufruhe gestern Abend total vergessen. Aber das ist jetzt auch Nebensächlich, denn wir können doch dort das Wochenende verbringen. Daimon wird schon keinen Verdacht schöpfen wenn wir ihm sagen, dass wir die Wohnung schon mal Einrichten wollen. Sie ist zwar möbliert, aber trotzdem gibt es noch genug zu tun, bevor wir sie beziehen können.“ „Bist du dir sicher? So leicht sollen wir Daimon überzeugen können? Für mich klingt das ein bisschen zu einfach... Wir wissen beide das Daimon nicht Blöd ist, und er wird sich schon sein teil denken, wenn wir ihm plötzlich eröffnen das wir das Wochenende zusammen verbringen wollen. Früher wäre uns sowas doch nie in den Sinn gekommen.“, zweifelte Marcel und hob den Blick, um Kim in die Augen zu schauen. Dieser nickte nur langsam und lächelte ihn schwach an, während er seine Hand umfasste und sie leicht drückte. Marcel konnte nur hofften, dass Kim wie immer Recht behalten würde. „Früher haben wir Anfälle bekommen, wenn Jeremy uns zwei für ein paar Stunden alleine gelassen hat. “ „Korrektur: Du hast Anfälle bekommen.“ Schmunzelnd ließ Kim Marcels Hand los und flickte ihm stattdessen mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. „Mir war das relativ egal mit dir alleine zu sein. Ich habe mich sowieso in mein Zimmer verschanzt und gelernt, weißt du noch? Glaub mir, ich hatte wichtigere Sachen zu tun, als meine Zeit mit meinen kleinen, nervigen Bruder zu vergeuden, der nach jeden Spruch sowieso laut Schreien zu Jeremy gerannt wäre. Nein Marcel, dafür war ich schon ein bisschen zu alt.“ Marcel zog seine Augenbrauen zusammen.„So? Aber wenn ich meine Anlage auch nur einen Dezibel zu laut aufgedreht habe, oder dir vom Lernen irgendwann langweilig war, standest du trotzdem immer in meinem Zimmer und hast mich runter gemacht.“ „Hin und wieder musste ich doch auch mal eine Pause machen. Und da du sowieso nur ein paar Schritte von mir entfernt warst, hat es sich immer angeboten bei der Gelegenheit direkt ein bisschen Frust abzubauen.“ Wie auf ein geheimes Stichwort hin zogen sich Kims Mundwinkel dann auf einmal in die Höhe und er biss sich leicht auf sein Zungenpiercing, welches er zwischen die Vorderzähne geschoben hatte. „Außerdem musste ich doch ein Auge auf dich werfen, während Jeremy nicht zu Hause war und du alleine am Computer saßt. Ich hatte damals zwar noch kein Interesse an dir, aber irgendwie verabscheute ich den Gedanken dass du im Nebenraum auf irgendwelchen dubiösen Pornoseiten rum surfen könntest, und ich mich drei Meter weiter mit Diagrammen und Graphiken auseinander setzten musste.“ Marcel lachte gequält auf und hob eine Hand um über sein Gesicht zu streichen. „Warum? Hätte dich das denn so gestört und wärst du Neidisch gewesen?“, fragte er grinsend und gleichzeitig ein bisschen verlegen. Schnauben schüttelte Kim seinen Kopf. Er schmunzelte leicht und strich sich eine störende Haarsträhnen aus den Augen. „Nein, mich hätte der eher Gedanke angeekelt. Darüber hinaus hatte ich sowieso.... eine kleine Wetter mit Daimon am Laufen.“ „Eine Wette? Worüber denn?“ Marcel presste die Lippen zusammen. Irgendwie fühlte er sich plötzlich unwohl in seiner Haut und bekam die Ahnung, das er vielleicht besser doch nichts über diese Wette wissen wollte. Wenn Kim und Daimon etwas ausheckten, konnte das ganz schön Makaber werden. „Über dich.“, Stöhnen vergrub Kim seine Finger in blonde Haare und stütze das Kinn auf dem dazugehörenden Kopf ab. Das leichte Grummeln ignorierte er dabei gekonnt. „Vielleicht klingt das jetzt ein bisschen unheimlich, aber wir zwei hatten damals vor zwei Jahren, schon die Vermutung das du dich irgendwann Outen könntest... Erinnerst du dich noch daran, als du eines Abends in der Küche standst und ich an den Kühlschrank wollte? Weil du kleine Giftkröte einfach nicht zur Seite gegangen bist, habe ich dich kurzentschlossen zur Seite geschubst. Aber du hattest dich so schnell weg gedreht, das mir die Hand ausgerutschte und auf deinen Hintern gelandet ist, anstatt auf deiner Hüfte. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie dumm ich dich in diesem Moment angeglotzt habe. Die Situation war mir selbst irgendwie total unangenehm. Zuerst dachte ich das du mir eine Scheuerst und dann nach Jeremy ruft würdest... Aber du hast einfach nur den Kopf gehoben, mich mit großen Augen angesehen und bevor du Wortlos aus der Küche stürmtest, ist dein Gesicht so rot wie eine Tomate geworden. Von der Sekunde an war mir klar, dass du nur vom anderem Ufer sein kannst. Ein Hetero wäre explodiert und hätte mir einen dummen Spruch an den Kopf geworfen. Nur eine Schwuchtel würde mit Scham reagieren.“ Die Härte dieser Worte traf Marcel wie einen Faustschlag in den Magen . Er presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, während ein leichtes Seufzen aus seinem Mund kroch.„Oh weh... wenn man dich so reden hört, würde niemand auf die Idee kommen das du selbst auch Bi bist.“ „Ich bin nicht Bisexuelle.“, sagte Kim zugleich und verengte seine Pupillen zu kleinen Schlitzen. „Du bist der einzige Mann mit dem ich mir etwas vorstellen könnte. Deshalb glaube ich auch, dass ich theoretisch immer noch Hetero bin. Wenn ich Homo- oder Bisexuelle wäre, würden mich auch andere Kerle reizen, aber das tun sie nicht.“ Langsam ließ er seine Hand über Marcels Hinterkopf gleiten und streichelte seine blonden Haare, ehe er sie sanft im Nacken ablegte. „Versteh´ das jetzt nicht falsch, ja? Ich meine es ernst mit dir und das soll kein Selbstfindungsexperiment werden... Ich... Ich fühle mich wirklich wohl bei dir, und ich Genieße unsere Zweisamkeit in vollen Zügen. Trotzdem bin ich mir sicher, dass du mein erster und einigster Mann bleiben wirst.“ „Kiley...“ Marcel kräuselte die Nase und lehnte sich nach hinten, Kims Hand entgegen. „Du bist doch auch mein erster Mann. Du bist allgemein meine erste Beziehung. Also brauchst du dir keinen Kopf zu machen. Es ist schön mit dir an meiner Seite... du gibst mir Sicherheit.“ Plötzlich wurde sein Mund trocken und Marcel musste einmal kräftig Schlucken, um nicht zu husten oder mit Quietsche-Stimme weiter sprechen zu müssen. Ob das von der Streicheleinheit oder seiner Scham kam, konnte er nicht so genau sagen. „... ich bin froh das ich so jemanden wie dich als Freund haben darf. Es gibt wahnsinnig viele Mädchen die mich höchstwahrscheinlich umbringen würden, wenn sie wüssten, dass du jetzt vergeben bist.“ Ein arrogantes Schmunzeln ließ Kims Gesicht nach Marcels Lob im wahrsten Sinne des Wortes aufleuchten. Sichtlich Amüsiert ließ er seine Hand von dessen Nacken aus über seine Wirbelsäule nach unten gleiten.„Natürlich. Jeder wäre froh, wenn er mich als Freund hätte - damit bildest du keine Ausnahme...“ Doch als Antwort strahlte ihn Marcel nur frech an. „Egal ob du nun mein Bruder oder mein Freund bist; Du wirst dein Leben lang ein Arschloch bleiben.“ *xXx* „Bist du endlich fertig? !“, rief Kim gereizt in den Hausflur und warf einen kurzen Blick in seine schwarze Umhängetasche und sich davon zu überzeugen, dass er auch wirklich alle Unterlagen für den heutigen Schultag dabei hatte. Seit den letzten 5 Minuten stand Marcel wie eine Salzsäule vor dem Spiegel und schien dort hinten fest gewachsen zu sein. Wütend blähte Kim seine Nasenflügel auf. Er hasste es, wenn ihn jemand sein Zeit mit solchen Bedeutungslosen Unfug stahl, wie Marcel es grade tat. Was auch immer dem Blonden an seinem Outfit oder Aussehen auch stören mochte, jetzt musste er sich langsam damit Abgefunden haben! Ihnen rannte die Zeit davon. In spätestens 10 Minuten würde der Schulbus an der Haltestelle anfahren und Kim wollte seine erste Unterrichtsstunde auf keinen Fall verpassen. In knapp 4 Monaten würde er schließlich endlich sein Medizinstudium beginnen und dafür musste er sich noch viel Wissen aneignen, wie nur möglich. Aufgrund der fehlender Reaktion seines Bruders stampfte Kim wütend zum Gaderobenspiegel und presste seine Hand auf Marcels Schulter. „Hey Prinzessin, bist du taub auf den Ohren? ! Ich rede mit dir!“ Marcel erschrak, als er die nicht grade sanfte Berührung auf seiner Haut spürte . Zögerlich drehte er den Kopf nach rechts und blickte in Kims vor Zorn gerötetes Gesicht. Sofort biss er sich auf die Lippe, um nicht doch noch in Tränen auszubrechen. Er versuchte mit aller Macht den Gefühlsausbruch zurückzuhalten, der sich in der letzten halben Stunde bei ihm angestaut hatte... Kim warf Marcel in der Zwischenzeit einen forschenden Blick zu. Als er bemerkte, dass dieser sich nicht von der Stelle rührte und ihm sogar der salzige Geruch von Tränen in die empfindliche Nase stieg, verpuffte seine Wut so schnell wie sie gekommen war. Er beugte er sich zu Marcel runter, stützte ein Knie auf den Boden ab und schaute ihn solange an, bis sein Blick erwidert wurde. Nun war Marcel derjenige, der den anderen überragte. „Was hast du denn, mein Hase?“, fragte Kim nun liebevoll und streichelte seinen Bruder über den Kopf. Marcel lächelte schwach. „Naja. .. Wie soll ich es Sagen? Das ist unser erster, offizieller Tag als Paar. Irgendwie bin ich deswegen total. .. nervös.“ Als Kim das hörte, senkte er Verständnisvoll die Augenlieder und beugte seinen Kopf nach vorne um Marcel kurz auf Lippen zu küssen. „Mach dir keine Sorgen. Rein äußerlich wird sich nichts an unseren Leben verändern . Keiner weiß wie wir nun zu einander stehen, in uns sehen alle immer noch zwei Geschwister. Mehr nicht.“ „Bist du dir sicher? Ich habe jetzt schon das Gefühl, das mich heute alle in der Schule anstarren werden.“, gestand Marcel zittrig und versuchte sein bebendes Kinn unter Kontrolle zu bringen, indem er seine Lippen fest aufeinander presste. Entschlossen schüttelte Kim den Kopf. „Red´ dir so etwas doch nicht ein. Das ist Unsinn!“ Er griff nach Marcels Gesicht und betete seine Wangen in seine Handflächen. Traurige, feuchte, blaue Augen bohrten sich mit beängstigender Kraft in seine eigen, als er den Kontakt herstellte. „Dich glotzt niemand an, hörst du? Und wenn doch, dann rufst du mich auf mein Handy an und dann komme ich vorbei und breche dem Bastard persönlich den Kiefer.“ Natürlich wusste Kim bereits im Vorfeld das es als Paar für sie schwer werden würde, doch diese Angst machte es nicht grade leichter. Marcel hob den Blick und schaute dem Anderen offen ins Gesicht. „Versprichst du mir das? Du bist da, wenn ich dich brauche?“ „Natürlich, ich halte mich an mein Wort.“ Kim schloss die Augen und atmete langsam ein. Als er sie wieder öffnete, war die Ruhe aus seinem Blick verschwunden. Ein kalter Schauer lief Marcel über den Rücken und eine Gänsehaut bildete sich auf seinen Oberarmen. Schon fast bereute er es seine Frage gestellt zu haben, als er diesen Blick sah: Auf Kims hübsches Gesicht erschienen die Züge der puren Mordlust. Schwer atmend betrachtete Marcel seinen großen Bruder. Er sah so unheimlich aus, so unmenschlich wenn er diesem Ausdruck im Gesicht trug; Seine zweifarbigen Augen waren dunkel vor Zorn und gleichzeitig schwamm so viel Verzweiflung in ihnen, das Marcel vor Mitleid beinahe zerflossen wäre. Was quälte ihn nur so?! Gefühle waren eine gefährliche Angelegenheit - Sie konnten einen so gewaltverabscheuenden jungen Mann wie Kim zerstören und ihn in ein tobendes Monster verwandeln. Doch eine Sekunde später hatte Kiley schon den Kopf abgewendet, seine Dämonischen-Fangzähne in ihrer vollen Pracht entblößt. „Ich schwöre es.“, zischte er mit eisiger Stimme. „Ich werde jeden ermorden der dir, oder unserer Beziehung schaden möchte...“ Kapitel 23: Gezielte Verführung ------------------------------- Dylan legte mit einen Seufzen den Kopf in den Nacken. Er hatte eine lange und vor allem Schlaflose Nacht überstanden und würde sich am liebsten sofort wieder hinlegen, aber er wollte die Schule nicht verpasste, genau so wenig, wie er einen gewissen blonden Jungen nicht verpassten wollte. Doch was nutzte ihm das, wenn er so oder so nicht schlafen konnte? Darum hieß es: Zähne zusammenbeißen und sich irgendwie durch den Tag Quälen. Und wenn es möglich war, dann wäre es das beste wenn er Mephisto in den kommenden Stunden nicht begegnete. Warum? Wie sollte er sich denn gegenüber ihn verhalten!? Seit gestern Abend und ihrer katastrophalen Auseinandersetzung im Haus der Sandojé-Familie hatten sie schließlich kein einziges Wort mehr mit einander gesprochen, geschweige denn, ihren Streit geschlichtet. Doch einen Lichtblick würde es trotzdem geben, heute Morgen könnte er endlich mal wie ein normaler Junge mit dem Bus zur Schule fahren. Nach einem langgezogenen Murren huschten Dylans goldgelbe Augen zum Nachtschrank, wo sein Wecker stand und die momentane Uhrzeit verkündete. 6.40. Uhr. Also hatte er noch ein wenig Zeit und konnte langsam in den Tag starten. Deshalb rollte sich Dylan auf den Bauch und nahm auf der Bettkante Platz, welche unter seinem Gewicht sofort alarmierend knackte. Doch das war nicht weiter wunderlich denn normalerweise schlief niemand in ihm, aber da Dylan die letzte Nacht auf keinen Fall in seinem Schlafzimmer mit Mephisto verbringen wollte, hatte er sich kurzerhand dazu in entschlossen, das Gästezimmer in Anspruch zu nehmen. Nein. Von Vertragen, konnte bis jetzt wirklich noch nicht die Rede sein. Sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, das es eigentlich keinen Grund gab um sich vor dem anderen Dämon zu fürchten, denn egal wie sauer dieser auch sein mochte, noch nie hatte er Dylan in irgendeiner Form verletzt. Noch nicht mal als er letztes Jahr an Silvester dummerweise einen Knallforsch auf Mephistos Auto geworfen hatte. Selbst da war er Ruhig geblieben und nahm Dylan nur das Feuerwerk aus der Hand, um es wenige Sekunden später in einer großen Stichflamme verschwinden zulassen. Aber ansonsten gab es keine Konsequenzen für ihn. Erschauernd atmete Dylan die stickige Luft ein. Wie lange Mephisto ihn wohl noch schonte? Jedenfalls wäre es Naiv zu denken, das sein Ziehvater ihn ein Leben lang nachsichtig und verständnisvoll und wie ein rohes Ei behandeln sein würde. Irgendwann, musste diese Zeit auch mal vorbei sein, oder? Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich ein wenig nach hinten. Warum hatte das Schicksal ausgerechnet IHM den Teufel an die Hand gegeben? Einem armen, gewöhnlichen Burschen aus dem kalten Russland, der zufälligerweise genügend Kraft besaß, um einen Kochlöffel in der Luft schweben zu lassen? Wäre dies nicht besser die Bestimmung eines Helden gewesen? Jemanden, dem diese Verbindung mehr brachte als nur ein paar sorglose Jahrhunderte an der Seite einer finsteren Gottheit, oder wie lange Dylans künstlicher Körper in jener Welt auch existieren mochte. Langsam schloss Dylan die Augen, in denen nun vereinzelte Tränen schwammen. Verfluchter Mist...! Wieso musste er ausgerechnet jetzt heulen? Diesmal gab es doch wirklich keinen Anlass dafür; nun konnte er nicht mal die Sehnsucht nach seinen Eltern als Vorwand gebrauchen. Es tat unheimlich weh, nicht zu wissen was einem die Zukunft brachte. Der bittere Schmerz wühlte sein Inneres auf. Alte Bilder die Dylans Vergangenes Leben zeigten, seine Eltern und die alte Dame die ihm die Zauberei lehrte, drangen in seinen Geist. Ob seine Zukunft besser oder schlechter ohne Mephistopheles verlaufen wäre? Theoretisch gesehen würde er heute, in dieser Zeitzone, nicht mehr leben. Dylan stand mit geballten Fäusten auf, schaute mit getrübten Blick aus dem Fenster und auf die Menschenleere Straße, welche sich vor ihrem Haus erstreckte. Sah sie schon immer so kahl und Tod aus wie sie es heute Morgen tat? Sogar der Himmel war bedeckt und nirgendswo konnte er die Strahlen der Sonne erkennen. In dieser Jahreszeit zogen doch so gut wie nie Wolken auf. Seine Stirn runzelte sich, als Dylan weiter darüber nachdachte. Ließ da etwa Jemand seine schlechte Laune an dem Wetter aus...? Was im Gottesnamen stand ihm dann erst bevor?! Schmerzen durchzuckten seinen Kopf, als Dylan die Hand hob und seine pochende Stirn massierte. Verdammt, nun schlug sich die Müdigkeit also doch auf seinen Körper nieder. Mhm, er dachte jetzt schon mit Wonne an den Nachmittag und an sein weiches Bett, wo er hoffentlich später nach der Schule, seinen lädierten Körper rein packen konnte. Nicht, dass es ihm besonders wichtig wäre in seinem eigenen Bett zu schlafen, aber bis jetzt hatten viele Streitig,- und Meinungsverschiedenheiten dort ihr Ende gefunden. Für einen Außenstehenden mochte dies vielleicht eigenartig klingen, aber das gemeinsame Schlafzimmer bildete für Dylan und Mephisto ein Ruhepool, an dem keinen von beiden ein böses Wort über die Lippen kam. Dementsprechend hoch waren nun auch seine Erwartungen, um dort auch diesmal Frieden zu finden. Dylan fröstelte kurz und er schob rasch die Finger unter seinen Achseln. Na gut, nach einen prüfenden Blick auf den Wecker stellte er feste, das er so langsam mal ins Badezimmer gehen und fertig werden sollte... Sonst brachte ihm der zeitliche Vorsprung gar nichts und in spätestens 20 Minuten, würde Mephisto auf der suchte nach Teebeuteln die Küche stürmen. Mehr oder weniger geschmackvoll Angezogen, schlurfte Dylan knapp 10 Minuten später in die Küche, drehte Routinemäßig die kleine Standheizung auf und griff nach einen rotbäckigen Apfel, welcher im Obstkörbchen lag. Wie schon so oft in letzter Zeit mangelte es ihm an Appetit um ordentlich zu Frühstücken. Ein Apfel, oder vielleicht auch nur ein halber, genügte Dylan heute Morgen vollkommen. Normalerweise zwang ihn Mephisto dazu wenigstens eine halbe Schnitte Graubrot vor der Schule zu essen, aber wo er nun nicht da war und Dylan mit seinen grundlosen Ängsten im Nacken saß, umging er diese kleine Tradition Schulterzuckend. Das war nicht sein Problem, sein Körper machte keinen Ärger wenn er hin und wieder mal nichts zum Verbrennen bekam. So. Jetzt musste er nur noch herausfinden wann der nächste Schulbus abfuhr, danach konnte Dylan erst so richtig aufatmen. Es war kein Scherz zu behaupten das er tatsächlich etwas Nervös war, deswegen fühlte er sich ziemlich Unwohl bei den Gedanken daran, gleich alleine in ein öffentliches Verkehrsmittel zu steigen. Wann war er denn schon groß auf den Bus angewiesen gewesen, wo sonst doch immer Taxi-Papa zur Stelle stand und Sohnemann überfall hinbrachte, wo er sein musste? Dylan fühlte sich plötzlich verdammt elend als ihm einfiel, das es auch gut passieren konnte, das er Marcels Bruder Daimon wieder im Schulbus begegnete, aber was sollte er machen? Es gab halt leider keine vernünftige Alternative. Er war eben zu Stolz um jetzt noch nach Mephisto zu laufen und ihn um einen gefallen zu bitten. Dann biss Dylan lieber in den sauren Apfel und schlug sich stattdessen mit Daimon Sandojés dummen Sprüchen und Kommentaren rum, als Mephisto zu zeigen, wie Abhängig er von ihm war. Großartig. Sein Tag hatte schon mit dem Aufstehen scheiße begonnen und wurde von Minute zu Minute, immer schlimmer. Uff. Trotzdem, oder zumindest glücklicherweise, standen die Chancen genau so hoch das Daimon nicht alleine im Bus saß, sondern, das auch noch Kiley mit von der Partie war und seinen Zwillingsbruder rechtzeitig am Riemen riss, bevor er wieder auf Dylan losgehen konnte. Besonders freute sich Dylan aber auf die Chance, das er genauso gut Marcel treffen und mit ihm die Zeit der Busfahrt verbringen konnte. Es war ihm schon fast peinlich, aber er freute sich jedes Mal Mordsmäßig wenn er dem jüngsten Sandojé-Spross traf. Vor allem, nachdem die Nemesis sie unweigerlicher näher zusammen gebracht hatte. Ungewollt leckte Dylan über seine Unterlippe als er an dem Abend zurück dachte, wo er Marcel zum Kino eingeladen hatte und ihn zuhause später auf die Stirn küsste. Das war sein erster Kuss gewesen, bei dem er wirklich so etwas wie Sehnsucht nach einen Menschen verspürt hatte. Er musste sich sogar regelrecht dazu zwingen seine Gefühle geheim zu halten und um Marcel bei der richtigen Gelegenheit, nicht sofort an die Wäsche zu gehen, damit er irgendwann vielleicht noch eine Chance bei ihm kriegen konnte. Jor, so viel zum Thema des Tages. Dylan runzelte die Stirn und warf einen kurzen Blick auf die Wanduhr; es war schon Fünf nach Sieben. Um zwanzig nach wollte er an der Bushaltestelle sein, damit er noch genug Zeit hatte, falls er dank seiner Unwissenheit den regulären Schulbus verpasste. Auch wenn er mit aller Macht versuchte die Müdigkeit zu verdrängen, begannen Dylans Augen nach kurzer Zeit zu schmerzen, aber er schüttelte enthusiastisch den Kopf. Bis jetzt hatte er noch nie Probleme mit Schlaflosigkeit gehabt, doch die letzte Nacht überzeugte ihm vom Gegenteil. Normalweise gehörte er zu den Personen die Überall schlafen konnten, egal wo oder auf welchem Kissen sie lagen. Als Dylan seinen Nacken mit den Fingerkuppen knetete, sehnte er sich nach einer wohltuenden Massage. Oder wenigstens nach einer Viertelstunde in der heißen Badewanne. Er hätte auch nichts gegen Mephistos überteuerte Öle einzuwenden... Oder der Tatsache, das er diesmal sogar seine Anwesenheit im Badezimmer erdulden würde, Hauptsache, er redete wieder mit ihm. Manchmal fragte er sich ernsthaft, wer von ihnen eigentlich die größere Dramaqueen war? Er oder Mephisto? Da lebten sie nun schon über 300 Jahre zusammen und schafften es immer noch nicht, einen Streit auf Vernünftige Art und Weise zu klären. Aber wenn sie so weiter machten, würden sie es ebenso wenig in den nächsten 300 Jahren schaffen. Es konnte einfach nicht gut gehen, wenn sowohl er, als auch Mephisto den Dickkopf eines Drachenbullen besaß und keiner von seiner Meinung abweichen wollte. Leider sah es nicht so aus, als ob sich diese Tatsache in der nahen Zukunft änderte. Dämonen fiel es äußert schwer jemand anderen Recht zugeben und sich die eigene Schuld einzugestehen. Ach, auch wenn es Dylan es nicht wahr haben wollte, aber er und Mephisto waren doch nicht so unterschiedlich, wie er es bis jetzt immer angenommen hatte. Gestern Abend bei Marcel hatte Mephisto noch einen auf gebrochenen Vater gemacht, aber kaum waren sie zuhause, Dylan sicher in den eigenen vier Wänden, legte er diese Rolle ab und wurde wieder kalt und wortkarg. Gut, er selbst hatte auch nicht Versucht den Streit zu schlichten, aber es war doch wohl eindeutig, das diesmal wirklich Mephisto die Schuld an der Situation trug? Wenn sich einer Entschuldigen sollte, dann er! Natürlich war es zwecklos und nur eine Frage der Zeit, bis Mephisto endgültig die Sanftmütigkeit verlor und den Streit auf seine eigene, persönliche weise klärte. Dann löschte er nämlich einfach Dylans Erinnerung, ersetzte sie durch eine Neue und schon wäre die Sache für ihn gegessen. Nicht, das Mephisto oft von dieser Fähigkeit gebraucht machte, aber dennoch oft genug damit Dylan wusste, dass es sein liebest Mittel war um dicke Luft zu beseitigen, ohne das er sich für irgendetwas entschuldigen brauchte. Er schob eine Strähne, hellweißer Haaren hinter sein Ohr. In dieser Sache konnte ihnen niemand helfen. Das musste sie ganz alleine und aus eigener Kraft schaffen. „Oh man, das ist ja was... “, seufzte Dylan leise und schaute hoch an die Decke. In der 3 Etage der Villa befand sich das Doppelschlafzimmer. Und in ihm ihr saugeiles, Mega Bequemes Luxusbett aus London; rund, beheizt, mit Seidenwäsche bezogen, äußerst modern - und nach Mephistos eigener Aussage- ziemlich Strapazierfähig. Jetzt stellte Dylan sich nur die Frage, woher sein Vater das so genau wissen konnte. Er hatte doch wohl hoffentlich keine fremde Frau in das private Schlafgemach geführt? Bestimmt spielte seine Fantasie ihm nur einen Streich, aber der Gedanke das sich Mephisto dort mit jemand die Abendstunden versüßt hatte, bereitete Dylan Übelkeit. Es war immer wieder verstörend festzustellen, wie viel er in den letzten Jahrhunderten von seiner Menschlichkeit verloren hatte, aber das Thema Sex und Liebe stellte für Dylan immer noch ein verschwommenes Mysterium da, das er bis heute zu ergründen versuchte. In der Unterwelt genoss er damals zwar des Öfteren die Gesellschaft von jungen und hübschen Dämonen-Frauen, aber so richtig gefallen hatten ihn der Sex mit ihnen nie. Natürlich waren die Damen keine Trampeltiere gewesen, im Gegenteil; sie wirkten auf andere Männer ungemein Attraktiv und waren gewiss auch äußert begabt, doch Dylan... hmm, nicht selten musste er die Gespielinnen nach ein paar ereignislosen Stunden der Enttäuschung peinlichberührt aus seinem Schlafzimmer entlassen. Natürlich brauchte Mephisto nicht erst in Dylans Gedankenwelt einzudringen um diese Neuigkeit zu erfahren, der Flurfunk in der Unterwelt funktionierte bei ihnen genauso so gut, wie in den städtischen Büros der Menschenwelt. Zu Dylans Glücks bewies sein Vater hierbei das erste Mal so was sie Feingefühl und sprach ihn nicht sofort auf das Problem an, sondern hielt sich dezent im Hintergrund, beobachtete und analysierte im stillen. So vergingen noch viele weitere Frustrierende Nächte für einen gewissen Halbdämonen. Und mit der Zeit wollte auch keine Frau mehr zu ihm kommen, aus Angst, das sie wie ihre Vorgänger versagten und niemand wollte sich als Unfähig abstempeln lassen. Es dauerte ungefähr noch 2 Monate, bis Dylan endlich genügend Mut zusammen gekratzt hatte und Mephisto bezüglich seiner... wie sollte er es beschreiben?, seiner Lustlosigkeit...? um Rat fragte. Selbstmitleid und Zweifel waren keine empfehlenswerten Freunde, jedoch meldeten sie sich ständig und darum wollte er mit jemanden Sprechen, der so viel Lebenserfahrung besaß wie Mephistopheles. Also vertraute Dylan Mephisto während eines nächtlichen Gespräches alle seine geheimsten Ängste und Sorgen an. War er Unfähig zu lieben? Oder vielleicht Krank? Jedes Mal wenn er mit den Frauen geschlafen hatte, fühlte er sich kurz danach eigenartig und unglücklich. Die Fragen schwebten mehrere Minuten unbeantwortet im Raum, bis Mephisto eine Reaktion zeigte und sich von seinem Bett aus zu Dylan drehte, der ganz verkrampft auf einen weichen Sessel im Zimmer saß und den Höllenfürsten nicht in die Augen schauen konnte. Schon damals führten die beiden eine sehr innige und vertrauenssvolle Vater-Sohn-Beziehung, doch so ein Thema war bei ihnen noch nie auf den Tisch gekommen! „Na, na!“, sagte Mephisto gedämpft, ruhig und amüsiert. „Von so einem >Problem< lässt du dir wirklich die gute Laune verderben? Oh weh. Ich kenne dich aber ein wenig anders, mein Sohn. Ich dachte, das du dir über so eine Nebensächlichkeit wie das Triebleben keine Gedanken machen musst. Aber da habe ich mich wohl geirrt...“ Seine klare Stimme vibriert in seiner Brust und Dylan entwich ein kleiner Seufzer. Er bekam leicht Farbe und verstecke Trotzig das Gesicht in seiner aufgestützten Handfläche, den Blick immer noch auf den Boden gerichtet. „Nebensächlichkeit? Du findest Sex eine Nebensächlichkeit?“, fragte Dylan grimmig. „Sowas grade von dir so zuhören klingt wie ein schlechter Scherz. Das macht mein Selbstbewusst erst recht Kaputt. Danke Mephisto, aber ich dachte du würdest mir ein paar hilfreiche Antworten geben. “ Die positiven Erlebnisse und Erinnerungen an die schönen Zeiten in der Hölle verblassten schlagartig vor Dylans Geistigenauge. Vergessen waren seine gute Eigenschaften, die öffene, unkomplizierte Art und sein mutiges Herz, wofür er von vielen Dämonen mit Achtung beschenkt wurde. Tief in seinem Inneren fühlte sich Dylan Frustriert und Nutzlos. Zwar war ihn Sex bis jetzt noch nie sonderlich wichtig gewesen und gehörte eigentlich Wirklich zu den Nebensächlichkeit des Lebens, aber wo er nun wusste, dass er ein Problem auf diesem Gebiet hatte, ließ es Dylan einfach nicht mehr in Ruhe! Blut schoss ihn vor Wut in den Kopf. Mit funkelnden Augen riss er den Blick von den Fussboden los und schaute Mephisto in das feine, jugendliche und gebräunte Gesicht. So ganz wohl war ihm ja nicht. Der Höllenfürst war ihm zwar inzwischen so richtig ans Herz gewachsen, aber dennoch eine Respektperson und somit nichtunbedingt die Zielgruppe, mit dem Sorglos über gewisse Themen diskutieren konnte... Und jäh länger Dylan keine Reaktion bekam, desto nervöser rutschte er auf dem Sessel herum. „Jetzt sag doch endlich mal was! Sonst bist du doch auch nicht so Wortkarg.“, meinte er schließlich nach 5 weiteren Sekunden. Dylan verließ nun endlich allen Mut; Kraftlos ließ er sich nach hinten in die dunkelroten Polster sinken und schloss die brennenden Augen. Oh Grundgüter, wie Mephistos erhabener und gleichzeitig emotionsloser Blick ihn fertig machte. Dieses Biest hatte es wirklich drauf einen sowieso schon am Bodenzerstörten Menschen, noch einen ticken tiefer in den Abgrund zu stoßen. „Ich weiß einfach nicht mehr weiter, sag mir bitte was ich tun soll. Ich fühle mich schrecklich in meiner Haut. Alle Bediensteten im Schloss denken schon, das ich irgendwie >Komisch< bin. Ein junger Mann mit gestörter Libido? Das ist die neuste Sensation in der Klatschpresse. Ich werde zum Gespött der gesamten Bevölkerung, weißt du eigentlich, was das Bedeutet?! “ Gänzlich unbeeindruckt von dem Gesagten, stieß Mephisto einen kleinen Seufzer aus.„Jetzt mal Butter bei den Fisch! Du machst dich selbst völlig bekloppt. Wie lange bist du nun bei mir? Wenn ich mich nicht verrechnet habe, dann sind es nächsten Monat es genau 152 Jahre. Denk doch mal ein bisschen nach; Laut Erdenrechung bist du zwar erwachsen, sogar schon längst Überfällig, aber hier Unten spielen andere Gesetze eine Rolle. Dein Körper steht grade erst auf die Schwelle zum Mann. Verlang´ keine Dinge von ihn, die du als 10 Jähriger Junge auch nicht gekonnt hättest. Dieses Kind ist immer noch an deine Seele gebunden. Es will Schutz und Liebe erfahren, anstatt Sex und wilden Nächten mit jungen Frauen.“ Dylan ließ Mephistos Wörter ein paar Sekunden auf sich wirklich. Angespannt presste er die Ober- und Unterlippe zu einer schmalen Linie zusammen. „Dann bin ich also nur auf den Papier Volljährig und im inneren immer noch der 10 Jährige Junge, dem du vor zig Jahren die Seele geraubt hast?“ Als Mephisto sanft nickte wurde das brennen in Dylans Augen intensiver, doch sein Stolz versuchte mit allen Mitteln verhindern das er in Tränen ausbrach. Das war alles so ungerecht! Natürlich hatte er in der Vergangenheit schon bemerkt das sein Körper sich nicht richtig weiter entwickelte. Das egal wie viel Zeit verging, er immer noch zierlich und knabenhaft blieb. „Dann ist es kein Wunder warum mich die Frauen weder männlich noch sexuell Anziehend finden. Jetzt begreife ich, warum sie nicht mehr zu mir kommen.“, zischelte Dylan verletzt und rollte sich dann wie eine Katze auf den Sessel zu einer kleinen Kugel zusammen. In ein paar Minuten würde Mephisto das Interesse an dem Gespräch verlieren und ihn wieder vor die Türe setzten. Bis dahin wollte er erst mal eine Runde Schmollen und in Selbstmitleid baden. Doch Mephisto seufzte nur leise und legte seinen Kopf in den Nacken, um an die Decke zuschauen. Seine Augen fielen auf Halbmast und im nächsten Atemzug knallten sämtliche Fenster und Türen im Raum mit einen lauten Knall in den Rahmen zurück. Anscheinend wollte er die Zahl an möglichen Lauschern so gering wie nur möglich halten. „Dylan?“, summte er leise, seine Stimme klang schon minimal genervt. „Entschuldige die dumme Frage, aber wo liegt jetzt eigentlich das Problem? Bist du mit deinen Körper unzufrieden, oder mit deinem Sexualleben? Wir können uns deine Probleme nur Punkt für Punkt widmen. Alles zusammen, geht nicht.“ „Das Eine hängt aber mit den Anderen zusammen.“, konterte Dylan verbissen. „Wenn ich einen gespaltenen Körper habe, möchte ich nicht mehr mit den Frauen schlafen - Das würde sich für mich so an fühlen, als würde ich ein Kind misshandeln. Mein frustrierendes Sexualleben ist ein Witz dagegen. Wenn deine Aussage stimmt, dann haben ich dieses Innere-Kind Jahre lang genötigt, um mal nicht zu sagen, vergewaltigt.“ Er drehte den Kopf aus seinen Armen heraus und linste wieder verstohlen zum Bett. Irgendwie befürchtete er das Mephisto jeden Moment aufstehen und verschwinden könnte. Seine verbliebene Zeit war also Kostbar und galt zu nutzen. „Du kannst dem Harem mitteilen, das ich ihre Dienste nicht mehr beanspruche. Ich werde erst wieder Sex haben, wenn ich mit mir selbst im Reinen bin.“ „Dann beeil dich mal bitte damit. Ich würde heute gerne noch ein paar Stunden Schlaf bekommen und nicht Psychologe spielen. Andere werden für diese Arbeit bezahlt, ich muss sogar noch meine Freizeit opfern.“ Mit diesen Worten rutschte Mephisto nun ganz auf das Bett und schlug die Decke zurück. Er warf Dylan einen abwartenden Blick zu, zögerte kurz, und klopfte dann leicht auf die Matratze. „Komm´ her. Es ist gleich schon 3 Uhr und um so eine Zeit, möchtest du sicher nicht noch bis zum anderen Ende des Schlosses Laufen. Heute Nacht lasse ich dich ausnahmsweise bei mir schlafen.“ „Was?“ Die Verwunderung sah man Dylan deutlich an, als er sich endlich von einer Kugel in einen Menschen zurück verwandelte. Spätestens jetzt, floss alles gesammelte Blut aus seinem Gesicht abwärts und zurück blieb nichts als Verwirrung. Sollte das jetzt ein Scherz sein? Oder war das ernst gemeint? Grade hatte sich Dylan bei Mephisto über sein Leid ausgekotzt und jetzt bot er ihn an, bei ihm zu schlafen? Sofort schrillten sämtliche Alarmglocken in seinem Gehirn los. Plötzlich wurde ihm Mephistos Angebot höchst Unheimlich. Oft bewunderte Dylan seine direkte und offene Art, trotzdem fühlte er sich jetzt unbehaglich und leicht vor den Kopf gestoßen. Zum Glück saß er so nah an der Türe das er sofort aus dem Zimmer verschwinden könnte, aber plötzlich fühlten sich seine Beine so wackelig an wie Pudding und im Kontrast zu den Bedenken, wollte eigenartigerweise Dylan auch gar nicht flüchten. „Jetzt guck mich nicht so an, als ob ich dich fressen würde.“ Mephisto schüttelte kurz den Kopf und gluckste dann leicht über Dylans verschreckten Gesichtsausdruck. „Hey, ich tue dir nichts, du kannst dich ohne Bedenken zu mir legen. Wenn ich jemals vor gehabt hätte dich auf DIESE Weise anzufassen, dann wäre das schon lange passiert und nicht erst jetzt, wo sich die Gelegenheit anbietet.“ Okay, das kam für Dylan ziemlich überraschend. Ungelenkig stand er auf und lief mit wackeligen Beinen zu dem königlich aussehenden Bett - schon damals besaß sein Vater eine Leidenschaft für Luxusartikel- doch gedanklich musste er das grade Gehörte erst einmal verarbeiten. Einen Meter vor dem Bett blieb Dylan schließlich stehen und suchte den Blickkontakt mit Mephisto. „Und was machen wir, wenn Morgenfrüh die Kafferzofe kommt und uns zusammen sieht? Sie wird sicher denken das wir mit einander geschlafen haben.“ „Na und? Selbst wenn es so wäre, unterliegt sie der absoluten Schweigepflicht. Nichts was sich in diesem Gemächern abspielt, wird jemals nach draußen sickern oder über ihre Lippen kommen.“ „Es ist mir trotzdem unangenehm.“, gestand Dylan kleinlaut und verlagerte das Gewicht auf sein anderes Bein. Demonstrativ wendete er das Gesicht ab und biss sich sanft auf die Zunge. „Auch wenn ich schon über 150 Jahre hier Unten lebe, sind wir uns in Grundegenommen immer noch fremd. So nah wie jetzt stehen wir uns erst seit knapp 50 Jahren... Und dann soll ich mit -Dir- in einem Bett schlafen?“ Das kurze Schweigen gab ihn die Gelegenheit, um sich selbst über sein eigenes Schamgefühl zu wundern. Dylan sah wie Mephisto in winziges bisschen den Mund verzog und merkte sofort, das er einen Wundenpunkt getroffen hatte. Man musste keine Gedankenleser sein um zu wissen, das Mephisto Dylan schon nach kurzer Zeit in sein Herz geschlossen hatte und ihn wie einen leiblichen Sohn liebte. Jedes Wort und jede Geste welche ihm zeigte, das Dylan nicht das selbe empfand, kränkte und verletzte den sonst so stolzen Herrscher zutiefst. Aber dieser Moment war nur von kurzer Dauer. Wenige Sekunden später hatte Mephisto seine Gesichtszüge schon wieder unter Kontrolle und die Maske aus Selbstsicherheit aufgesetzt. „Na gut. Dann gebe dir eben als dein Herr und Meister den Befehl.“ Er senkte die Stimme und verengte die glühenden Augen zu Schlitzen. Seine freundlich schien jetzt ihr Ende gefunden zu haben. „Ich will, das du hierbleibst du dich zu mir legst. Ich dulde keine Widerrede und falls du dich mir oder meinen Wünschen widersetzen solltest, werde ich mich vergessen und dich bestrafen.“ Die Ernsthaftigkeit in Mephistos Stimme war nicht zu überhören, und auch wenn es an seinem Stolz nagte musste Dylan gestehen, das er sofort klein bei gab und brav nickte. Erst jetzt wurde ihm wieder deutlich gemacht, wie sie zu einander standen. Welches Verhältnis sie eigentlich pflegten. Mephisto war sein Meister und er war der Sklave. Es grenzte an ein Wunder das Dylan dieses kleine, aber entscheidende Detail während den letzten Jahrzehnten vergessen hatte. Oder eher gesagt, Verdrängt. Bevor Mephisto endgültig die Geduld verlor wollte Dylan seinen Befehl jedoch nachkommen und auf das Bett steigen, doch eine unsichtbare Wand hielt ihn plötzlich von seinem Vorhaben zurück. Wie vom Blitz getroffen sprang er nach hinten und schaute ängstlich zu Mephisto, in dessen Gesicht sich aber immer noch keine Emotionen regten. „Spinnst du? Du willst dich doch nicht in deinen Straßenklamotten zu mir legen. Weißt du eigentlich, wie Unhygienisch das ist?“ Ein schnauben entglitt Mephistos Kehle, das eher wie ein unterdrücktes Lachen klang. „Zieh dich vorher aus.“ Zugleich gewann das Brennen in Dylans Augen neue Stärke. Trotzig blinzelte er diese aber weg und stieß ein warnendes Fauchen über die Lippen. Würde er sich jetzt ausziehen, hätte der verdammte Mistkerl gewonnen. Dann wäre er ihm schutzlos ausgeliefert! Dylan schüttelte aufgebracht seinen Kopf. „Nein! Vergiss es. Ich ziehe mich ganz sicher nicht aus - ich weiß doch genau was du willst!“ „Schlafen!“, zischte Mephisto genau so wütend zurück und brachte seinen Körper dann in eine Waagerechte Position. Er schnalzte genervt mit der Zunge und machte eine Handbewegung in der Luft, vorauf die Mauer vor Dylans Nase verschwand. „Verflucht nochmal! Wie oft muss ich es dir noch sagen? Ich habe keine bösen Absichten und werde dich ganz sicher nicht anpacken! Du bist nett und liebreizend, aber für meinen Geschmack viel zu langweilig und zurückhalten. Wenn ich mit einem Mann schlafe, dann ist es auch ein richtiger Kerl und kein kleines Kind. Vermutlich denkst du, das ich über jeden herfalle den ich in die Unterwelt hole, aber die Realität sieht ein bisschen anders aus. Ich besitze auch sowas wie gewisse Vorlieben. So, schön das wir das nun geklärt haben. Also, da hinten in dem Schrank liegen ein paar Hemden - Du kannst dir eins nehmen und anziehen. Obwohl... Warte mal. Ich mache das.“ In der nächsten Sekunde flogen die besagten Schranktüren auf und Dylan bekam ein weißes Leinenhemd an den Kopf geworfen. Murrend riss er es herunter und schleuderte das Hemd als Antwort auf den Teppichboden. Blöde, naive Angst. Pah! Von Mephisto musste er sich gar nichts sagen lassen! Wenn er gekonnt hätte, dann würde er nun seine telekinetischen Kräfte aktiveren und dem Kerl die komplette Zimmer Ausstattung auf den Hals hetzten. Aber dafür reichten sowohl seine Kräfte, als auch sein Mut nicht aus. „So kannst du nicht mit mir umgehen!“, knurrte Dylan bitterböse. „Es ist mir egal ob du mein Meister bist oder der Blumenverkäufer; von dir muss ich keine Befehle annehmen. Vielleicht gehört dir meine Seele, aber meinen Willen wirst du niemals brechen.“ Dylan drehte sich blitzschnell um und stürmte in Richtung Eingangstüre davon. Er wollte keine Sekunde länger mit diesen Arroganten Mistkerl zusammen sein. Jede einzelne wäre eine riesengroße Verschwendung. Doch bevor er noch in der Lage war, zwei weitere Schritte zu gehen packte ihn plötzlich eine undefinierbare Macht an der Schulter und riss ihn zurück. Durch den plötzlichen Angriff verlor er das Gleichgewicht und rutschte auf dem weichen Teppich aus, was mit einen ungelenkigen Sturz auf den Boden daher ging. Schwer atmend blieb er dort liegen und brauchte einen Moment um in die Gegenwart zurück zukommen. In seinen Kopf hämmerte es mit zunehmender Kraft und nun pochte auch noch sein gesamter Oberkörper wie Feuer. Dylans Wut war inzwischen fast vollständig verraucht. Jetzt fühlte er sich schwach und hilflos. Als der Junge langsam hoch kommen wollte, begann sich das ganze Zimmer um ihn herum zudrehen. Autsch. Wie dämlich war er nur gefallen? Auf den Kopf oder auf den Brustkorb? Wenn er dieses Karussell von seinen Augen beurteilte, dann sicher auf den Kopf. Dylan schüttelte den Kopf als er plötzlich einen warmen Wassertropfen auf seiner Hand spürte. Zugleich erstarrte er, und riss die eben geschlossenen Augen wieder auf. Ein weiterer Tropfen der Rubinrote Flüssigkeit fiel neben seine Hand auf die Erde und fing seinen Blick. Rotes Wasser? Nein... Das war kein Wasser, sondern Blut. Er blutete. Er konnte es fühlen, riechen und spüren... und sogar auf der Zunge schmecken.. Regungslos schaute er dabei zu, wie immer mehr der kleinen Tropfen den weißen Perserteppich unter seinem Körper mit Blut tränkte, und seine Bestrafung, mit jedem weiteren Schmutzfleck immer härter ausfallen ließe. Wie paralysiert hob er den Kopf und suchte den Kontakt Mephistos Augen. Nach so vielen Jahren, die Dylan und Mephisto damit verbracht hatten, ihre anfänglichen Startschwierigkeiten zu vergessen, brachen die alten Wunden erneut auf. Weder für den einen, noch für den anderen waren dies besonders schön Erinnerungen. Dylan musste zu Beginn viele Strafen ertragen und Mephisto musste sich immer Schlimmere Ausdenken und ihn zu bändigen. Gebannt und entsetzt zugleich, bemerkte Dylan nun wie eine weitere Grenze gefallen war; Es war schon lange her das Mephisto ihn verletzt hatte. Sicher, er war frech gewesen und verdiente nach Dämonen-Erziehung nun eine Lektion, aber seine letzte Bestrafung lag mehr als 40 Jahre zurück. „Warum sollte ich deinen Willen brechen?“, fragte Mephisto ruhig und war inzwischen von dem Bett aufgestanden. Mit einer lieblosen Handbewegung drehte er seinen Schützling zur Seite. Erwartungsvoll sah er ihn in die Augen und wartete auf die Tränen. Auf die Reue. Auf die Entschuldigung und auf die Bitte, bei ihn bleiben zu dürften. Als Dylan jedoch keine Reaktion erbrachte, sprach er weiter. „Damit ich noch eine Marionette mehr habe, die ich nach Belieben Rum Schupsen kann? Die keine Widerworte gibt, und sich nicht wehrt, wenn ich ihr Gewalt antue?“ Dylan hüstelte leicht und schluckte die Blutlache in seinem Mund runter. „Dann willst du mir also Gewalt antun, Mhm? So wie Jetzt oder wie Damals?“, fragte er fast schon sarkastisch. Doch der Sarkasmus sollte ihm schneller vergehen, als ihm lieb war. So flink wie Mephisto den Fuß gehoben und ihn in Dylans Seite gerammte hatte, konnte er gar nicht gucken. „Du dummer, einfältiger Junge! Wenn glaubst du eigentlich hast du vor dir?! Das hier unten ist mein Reich. Ich könnte dich noch hundertmal sterben lassen und du würdest immer noch keine Erlösung finden. Dann würde der Gedanken bei mir zu schlafen einen Inferno an Glückshormonen in dir auslösen, und du würdest mich anflehen, dich bei mir auf zu nehmen!“ Dylan schrie im ersten Moment auf, aber dann lächelte er gequält. Aha, darum ging es also. Jetzt hatte er es endlich begriffen. Natürlich, darauf hätte er aber sofort kommen können; Mephisto fühlte sich immer noch gekränkt, weil er das Angebot bei ihm zu übernachten, abgelehnt hatte. Langsam aber sicher klangen die Schmerzen des Trittes ab, sodass er sich wieder grade hinsetzten und normal atmen konnte. Ein kleines Rinnsal Blut floss nach wie vor aus seinem Mund und lief dann über das Kinn nach unten, bis es schließlich von dort abperlte. Gleichzeitigt verengten sich Dylans Augen, als er zu Mephisto hoch schaute. Seine Ausstrahlung und seine Körperliche Nähe bannten Dylans Blick. Seine Muskeln zeichneten sich zwar deutlich unter dem engen, schwarzen Shirt ab welches er an diesen Abend trug, aber sie waren nicht so definiert, dass die Sehnen oderAdern wie bei einem Bodybuilder hervortraten. Es machte nicht den Anschein, als würde er trainieren, sondern die Natur es einfach gut mit ihm gemeinte. Plötzlich fühlte er sich komplett in seinen Bann gezogen. Er war unfähig auch nur ein einzelnes Wort von sich zugeben. Dylan wurde heiser und fühlte, wie seine Stimme tiefer klang, rauchig wurde und es ihm schwerer fiel, klare Töne zu treffen. „Du hast Glück das ich so Müde bin und endlich ist Bett möchte.“, sagte Mephisto und ging langsam in die Hocke. Doch kaum war er unten, machte Dylan eine schnelle Bewegung, rutschte auf allen Vieren nach hinten und kniff feste die Augen zusammen. Grummelnd streckte er die Hände nach ihm aus. „Entweder kommst du freiwillig zu mir, oder ich muss dich holen kommen.“ Sofort zog Dylan den Kopf ein. Diesmal machte sich die Angst wirklich in seinen Gliedern breit. Er schluckte und sein Kehlkopf sprang ihm fast aus dem Hals, aber er schüttelte trotzdem gehemmt den Kopf. „Nein!“ Rasch schaute er nach rechts - aber leider war die Türe viel zu weit weg. Angespannt schaute er wieder zurück, sah wie Mephisto lächelte; er schien gelesen zu haben was Dylan dachte, und auch, das er wusste, dass es keine Chance gab. Erheitert schmunzelnd hielt Mephisto Dylan immer noch die Hand hin und musste sich zwingen ernst zu bleiben. „Vergiss es, du kommst hier nicht weg.“ Um am Ende doch recht zu haben, umfasste er Dylans zitternden Körper, scheinbar sorgsam darauf bedacht, ihn nicht noch mehr wehzutun und hob ihn schließlich wie ein kleines Kind auf seine Arme. Kurz erhellte ein winziges Lächeln sein Gesicht, als er sah wie sich die roten Lippen zu einen wütenden knurren zurück zogen. Doch das beeindruckt Mephisto nicht im Geringsten. „Lass mich...!“, zischte die kleine Kobra angriffslustig, aber sonst bewegungslos aus Angst vor neuen Schmerzen. Dylan versuchte stark zu bleiben und nicht in Tränen auszubrechen, während man ihn auf die Matratze legte, Mephistos Hände unter seine Klamotten fuhren und ihn langsam aus diesen schälten. „Erst wenn du ungezogen bist.“ Mephisto hob Dylans Hüfte an, löste mit der freien Hand den Knopf und zog ihn den Stoff geschwind über die schlanken Beine. Er beobachtete Dylan leicht grinsend, vor allem aber sein angespanntes Gesicht. „Hättest du dich selbst ausgezogen, müsste ich das jetzt nicht machen. Also halt den Rand und beschwer dich nicht bei mir.“ Stumm und machtlos musste Dylan mit ansehen, wie er ein Kleidungsstück nach den anderen verlor und es in irgendeine Ecke verschwand. Orange Augen musterten seinen Körper dabei so intensiv, als wollen sie sich jeden kleinen Fetzen Haut genaustes einprägen. Als Mephistos Augen schließlich bei seinen nackten, leicht hervorstehenden Hüftknochen angekommen waren, lächelte er Dylan an und fuhr mit den Daumen sanft über den kleinen Vorsprung. „Ich kann wirklich nicht verstehen, was du immer an dir auszusetzen hast. Du bist doch schön.“, sagte Mephisto genau so zärtlich, wie er Dylan auch noch von den Socken befreite. „Deine Worte trösten mich ja ungemein.“, meinte der Jüngere gedehnt und gähnte herzhaft. Trotzdem hinterließen sie ihre Spuren auf seinem Herzen; Dylan spürte wie er etwas ruhiger wurde und sogar der Groll nachließ. Er drehte den Kopf, schaute nach Oben in Mephistos rot glühenden Augen und grinste abfällig. „Na, gefällt dir was du hier Unten siehst? Willst du nicht ein Foto machen, für den Fall, dass ich mich morgenfrüh mit der Zahnbrüste ersticke?“ „Sei nicht albern, Junge.“ Mephisto griff nach dem weißen Hemd und schlug er mit der freien Hand auseinander. Mürrisch betrachtete er Dylans dünne, empfindliche Haut und die einzelnen Knochen, welche er aufgrund der kümmerlichen Fettverteilung auf das genauste erkennen konnte. Selbst nach 50 Jahren Völlerei wollte der Junge immer noch kein Kramm Speck ansetzten. Ob er sich heimlich erbrach, oder ob Dylans Stoffwechsel einfach nur so gut war? Mephisto konnte es nicht sagen. „Auch wenn du wirklich einer hübscher Junge bist, würde ich dich nicht für irgendwelche Sexpraktiken benutzen wollen. So Mager wie du bist, müsste ich doch jeder Zeit damit rechnen, von einer deiner spitzen Rippen aufgespießt zu werden.“ Dylan lachte gehässig. „Ach ja? Lass dich mal untersuchen.“, knurrte er verbissen und verlegen zu gleich. Er versuchte seinen sicherlich ehrfürchtigen Gesichtsausdruck mit einer gleichgültigen Miene zu ersetzen und streckte die Arme nach oben, um in das Leinenhemd zu schlüpfen, welches Mephisto schon für ihn bereit hielt. „Deine Stimmungsschwankungen sind wirklich ekelhaft. Ich dachte, das du nun endgültig Hundefutter aus mir machst und jetzt, befinden wir uns schon wieder am Anfang unsere Diskussion. Bist du sicher, dass du mich nicht anfassen möchtest, Meister? Deine Aussagen und Blicke sind eindeutig. Hat mein Körper denn so eine Wirkung auf dich, das ich ihn sofort heiß mache?“ „Wer weiß? Vielleicht mache ich das noch, wenn du später eingeschlafen bist und dich nicht wehren kannst.“ Mephisto tat schockiert, zog das Hemd runter und grinste spitzbübisch, während er es so postierte, das es alle wichtigen Körperstellen verdeckte. Der Andere antwortete mit einem herablassenden Lächeln und streckte ihm die Zunge heraus. „Dann mach es aber bitte so, dass ich nicht aufwache. Du weiß ja, das Kinder ihren Schlaf brauchen um gesund zu bleiben, und mein Körper ist doch erst 10 Jahre alt...“, erwiderte Dylan und zuckte unbeeindruckt mit den Achseln. Er schmunzelte leicht und unterdrückte ein weiteres Lachen als er plötzlich von einem Finger in die Seite gepikst wurde. „Lass´ das und hör auf mich zu befummeln! Wolltest du nicht Schlafen gehen? Eben hast du die ganze Zeit davon gejammert, das du werweißwie Müde bist.“ „So?“, Mephisto hob eine Augenbrauen an. Wenn er die Zeichen richtig deutete, dann war sein Schützling doch nicht so langweilig und zurückhaltend auf dem Gebiet Liebe, wie er es immer angenommen hatte. Vielleicht musste er einfach anders mit ihm umgehen... „Aber wer redet denn die ganze Zeit von Sex? Du oder Ich? Ich habe dir meinen Standpunkt vor ein paar Minuten klar gemacht, aber du gibst immer noch keine Ruhe.“ Er ließ seine Hand noch einmal über Dylans Hüfte fahren und brachte ihn dadurch zum Zittern. Kurz flackerten seine grünen Augen auf, aber ansonsten blieb er still und gehorsam auf der Decke liegen. Entweder hatte Dylan Angst, oder er mochte die Berührung. „Kann es sein das du derjenige bist, der was von seinem alten Herren möchte?“ „Ha! Ist das Wunschdenken?!“, konterte Dylan hochnäsig und versuchte weiterhin den Unnabahren Held zu mimen, aber mit jeder Sekunde die verging, fiel ihm das immer schwerer. Nun war er an dem Punkt angekommen wo er gestehen musste, das ihn Mephistos anzügliche Blicke und Berührungen doch nicht kalten ließen, sondern erregten. Verdammt. „Falls du es genau wissen möchtest, ich habe keinen Vaterkomplex!“ „Ich bin nicht dein Vater.“ Sofort schüttelte Mephisto den Kopf und sofort setzte er ein Knie auf das Bett um Dylan näher zu sein. So konnte er ihn notfalls mit Gewalt festhalten wenn ihn wieder die Panik packte und er wieder abhauen wollte. „Ich bin immer das, was grade am passendsten ist. Und im Moment will ich wirklich alles andere sein, als dein Vater. Viel lieber wäre ich dein...“ Er ließ seinen Satz unausgesprochen und umfasste Dylans Kinn, welches er sanft nach hinten in den Nacken drückte. „... mach die Augen zu und lass dich von mir führen. Ich werde dein kleines >Problem< mal selbst testen...“ Dylan biss die Zähne zusammen, doch kein Laut kam über seine Lippen. Verflogen war sein Mut! So wollte er den Abend ganz sicher nicht beenden, doch seine Zunge schien das Sprechen verlernt zu haben. Verfluchter Mist. Warum hatte er das Gespräch nicht am Tag gesucht? Da hätte sich Mephisto so eine Aktion sicher nicht erlaubt. Mephisto verharrte einen Augenblick in seiner Position und atmete langsam aus. „Du verspannst dich, Kleiner. So wird das nichts...“ Den Kopf nach unten beugend streichelte er mit der Lippen über Dylans Schlüsselbein und lächelte, als er unbeabsichtigt den Schluckreflex auslöste. Der Jüngere wirkte so verkrampft, als müsste er mit Schmerzen und Pein rechnen. „... hast du so große Angst vor mir?“ „Niemals...“, flüsterte Dylan schwach und presste seine Zähne noch fester auf einander. Er schloss die Augen und versuchte seine besonderen Kräfte zu aktivieren, aber selbst nach der schweißauftreibenden Ausbildung im Schloss bei dem besten Zauberer der Unterwelt, konnte er gegen die finsteren Künste seines Herren nichts ausrichten. Unsicher legte er die Hände auf Mephistos Brust und spannte seine Muskulatur an. Am liebsten hätte Dylan die Finger auch ein gutes Stückweiter südlich platziert, nur um zu sehen, ob seine Wirkung auf Mephisto schon körperliche Reaktionen zeigte. Und warum auch nicht? Immerhin sah er nicht schlecht aus. Süß, entdeckungsfreudig und mit einen sensibler Riecher ausgestattet, für allerhand belange. Das gab sein Ziehvater sogar selber zu! „Dann bleib ganz ruhig. Öffne deine Augen.“, summte Mephisto leise und beendete sein Tun indem er wieder nach Oben kam. Tatsächlich dauerte es nicht mehr lange da öffneten sich große, grünen Augen zu einem schmalen Spalt und schauten ihn flehend an. Auch ohne Tränen hätten sie nicht deutlich sagen können, was sie wollten; >Was auch immer du machst; Ich wehre mich nicht, aber tu mir nicht weh.< „Emotional gesehen sind wir beide Erwachsen, aufgeheizt von unserem Gespräch und durch die letzten Jahrzehnte sowieso eng mit einander verbunden. Warum sollen wir auch nicht den letzten Schritt wagen? Früher oder Später passiert es sowieso.“ Zart streichelte Mephisto über Dylans Wange und zwinkerte ihm zu. „Lass uns diese Nacht genießen und es dann nie wieder tun. Und wenn doch, dann wissen wir wenigstens das es keine falsche Entscheidung gewesen war.“ Er schaute den Braunhaarigen Junge feste in die Augen und blinzelte kein einziges Mal.„Ich vertraue dir, Dylan. Wahrscheinlich sogar mehr, als du dir selbst.“ „ Scheiße. Jetzt hast du mich am Hacken.“, gestand Dylan zittrig und legte die Hände auf warme, breite Schultern, welche sich ihm langsam näherten. Die Stellen, die Mephisto mit den Lippen berührte brannten und er musste alle selbst Beherrschung zusammen kratzen, um nicht zu jammern. Was auch immer Mephisto vorhatte, er würde es nicht lange aushalten. Seine Küsse waren wie Feuer! Doch es war Scham, nicht Schmerz was Dylan übermannte.„Ich...Ich habe deine Befehle vorhin nicht ernst genommen. Willst du dich jetzt an mir Rächen? Ist das meine Strafe?“ Aber Mephisto schüttelte verneinend den Kopf. „Als ob.“, sagte er ernst und ruhig. „Ich möchte dich nicht bestrafen, ich möchte dir noch nicht mal Schmerzen bereiten. Ich dachte eher das dir das gefallen könnte, nach deinem Benehmen zu urteilen. Du bist Unterwürfig und ein Mann wie ich der weiß was er will, sollte gewisse Reize auf dich ausüben.“ „Boor, halt die Klappe!“, rief Dylan aufgebracht und das blanke Entsetzen stand ihm mit einem Mal ins Gesicht geschrieben. „Ich will nichts von Unterwerfung hören, klar!? Wir sind hier doch nicht in einem SM-Club gelandet.“ Er schniefte leise. „Ich will in mein Zimmer zurück, Mephisto. Darf ich gehen?“ „Nein. Ich habe gesagt das du hier bleibst und jetzt hör´ auf zu fragen. Das nervt mich langsam.“ Mephisto entfernte sich wieder von Dylan, stützte seine beiden Hände links und rechts neben seinen Kopf ab und schaute ihn abwartend an. „Ich habe das Gefühl, als ob ich diesen Satz heute schon hundertmal gesagt habe.“ „Ist ja gut, ich bin ja schon ruhig.“ Langsam tasteten Dylans Finger die Matratze ab und zog seinen Oberkörper hoch, ein Stück weg von dem Freiflug ins Verderben. „Danke für Nichts.“, grummelte Mephisto und drückte Dylan einen schnellen Kuss auf die Nasenspitze. Danach rollte er sich auf die Seite und schenkte seinen Sohn etwas mehr Freiraum. „Dann wird jetzt aber geschlafen. Und ich will kein Wort mehr von dir hören, ist das klar?“ „Ja.“, meinte Dylan und lächelte leicht zerknittert. Er spürte jetzt schon den Verlust von Mephistos warmen Körper und begann vor Kälte zu zittern. Die glatte Seidenwäsche unter seinen Händen, erzeugte nicht grade viel Wärme und ließ ihn frösteln. Brr. Wäre er doch mal unter Mr. Heizung liegen geblieben! Dylan hob den Blick und versuchte, so lässig wie möglich zu klingen. „Ist dir auch so kalt wie mir oder werde ich womöglich krank? Ich friere mir gleich den Arsch ab! Deine Bettwäsche ist nicht besonders angenehm, da warst deine Haut schon besser.“ Kurz bekam Mephisto große Augen. „Sag mir nicht, das du neuerdings auch unter Stimmungsschwankungen leidest. Erst weißt du mich ab, und jetzt fragst du indirekt ob ich mich nochmal auf dich lege?“, meinte er scharf, während seine tiefe Tonlage etwas bedrohliches bekam. „Mir aber ist kalt.“, murmelte Dylan und zog eine Augenbraue nach Oben. Natürlich löste Mephistos Einwand einen kleinen Stich in seinem Herzen aus, aber wer sollte ihm das verübeln, wo er fast bei lebendigen Leibe erfror. Langsam kroch er ihn Richtung Wärmequelle. Allerdings kam Dylan nicht sehr weit, denn kurz bevor er Mephisto erreichten konnte, knallte er wieder gegen eine unsichtbare Mauer aus reiner Energie. Innerlich begann er zu schmollen, doch äußerlich bemühte er sich kühl zu bleiben und lächelte den Dunkelhaarigen Dämon Spitzzahnig an. „Du bist fies...“, zischte Dylan leise. „Und du Grausam.“, konterte Mephisto keck und seine Mundwinkel rutschten nach unten. Da grüne Augen ihn nur verständnislosen musterten, ahnte er, das Dylan nicht genau Verstand was er meinte, und fügte noch hinzu. „Weil du Miststück mich heiß gemacht hast! Ich habe dir doch ausführlich erklärt das ich kein Interesse an dir habe, aber das ist dir scheißegal. Du umgarnst mich solange, bis ich meine eigene Meinung ändere! Würdest du für mich nicht zu den wichtigsten Personen dieser Erde gehören, könntest du nun dein letztes Gebet sprechen.“ Jetzt ging Dylan endlich im wahrsten Sinne des Wortes ein Licht auf. „Aso!“ Dann grinste er anzüglich und schob seine Unterlippe über die Zähne nach hinten. „Bist du so einfach zu beeindrucken? Was habe ich den erstaunliches gemacht, das du so schnell so heiß bist?“ Mephisto pustete er sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht und verdrehte die Augen. „Alles, Dylan. Alles. Wenn du nur mal in den Spiegel schauen würdest, während du einer Person deine Meinung aufzwingst, wüsstest du, was ich meine.“ „Ah?“ machte Dylan skeptisch und verknüpfte rasch die Aussage. „Wie sehe ich denn deiner Meinung nach dabei aus? Erotisch?“ Bösartig lächelte Mephisto ihn an. Die Luft im Schlafzimmer schien plötzlich wie unter einem Erdbeben zu vibrieren. „Wie eine Dirne auf Beutezug.“ Er griff nach Dylans Handgelenk und drückte ihm die heißen Lippen auf die Haut. „Keine Frau und kein Mann auf dieser Welt macht mich scharf und lässt mich dann einfach so abblitzen, ohne ungeschoren davon zu kommen.“ „Bis auf ich?“, fragte Dylan und wirkte plötzlich unsicher. Mit ängstlichen Blick beobachtete er Mephistos Mund, welcher langsam nach oben wanderte und schließlich in seiner Armbeugte hängen blieb. Kurz tauchte seine Zunge in die kleine Kuhle ein und Dylan erschauerte unter der intimen Berührung. Sofort überzog eine leichte Röte seine blassen Wangen. „Hey... willst du es jetzt schon wieder versuchen? Reicht dir nicht der eine Korb?“ Sachte summend ließ Mephisto seine andere Hand in Dylans Nacken verschwinden und zog ihn etwas näher an sein Gesicht heran, um den Jüngern seinen warmen Atmen gegen die Lippen zu hauchen. „Ich versuche hier gar nichts. Wenn du möchtest das ich aufhöre, dann sag es mir. Soll ich?“ „Du hältst dich auch an dein Wort?“, erkundigte sich Dylan sicherheitshalber nochmal und ließ den Anderen dabei für keine Sekunde aus den Augen. Mephistos Finger streichelten die feinen Härchen unter seiner Haut so liebevoll, als hätten er noch nie etwas anderes getan. Sanft umkreiste er den spitzen Knochen der Wirbelsäule, hob den Kopf und grinste Dylan frech an. „Nur weil du es bist.“ „Dann hör auf. Ich mag es wenn du mich anfasst, aber nicht so.“ Zärtlich umfasste Mephisto das hübsche, aber verlegen wirkende Gesicht und hob es an bis es nicht mehr ging. „Was anders habe ich auch gar nicht von dir erwartet, mein Sohn.“ Seufzend ließ er die Hände fallen und musste ein leichtes Lachen unterdrücken, als er sah das Dylan nun tatsächlich etwas schockiert dreinblickte. „Was ist? Dachte du, ich würde allen Ernstes gegen deinen Willen mit dir Schlafen? Mein Gott, enttäusch` mich doch nicht so! Ein bisschen Würde besitze ich immer noch.“ Dylan brauchte ein paar Minuten um sich wieder zu fangen. Mephisto hatte ihn verarscht? Schon wieder? „Du wolltest mich nie...?! Ähm...“, stotterte er etwas von der Rolle. „Nein.“, bestätigte Mephisto und strich mit der Zungenspitze über seine trocken geküssten Lippen. „Keine Sekunde lang. Aber wenn du mich mit deinen Gedulds-Spielchen ärgst, musst du dich nicht wundern, wenn ich irgendwann zurückschlage und dich auf eine meines Erachtens Verdiente Art, zurück ärgere.“ „Dann sind wir jetzt Quitt?“ „Würde ich mal sagen.“, antwortete Mephisto mit einem Lächeln und nun konnte auch Dylan sich wieder entspannen. „Na gut.“, sagte er und rieb leicht über seine Augen. „Dann gibt es jetzt Frieden. Aber als du mir Vorhin in die Seite getreten hast, hast du glaube ich eine Rippe erwischt. Ich Blute sogar aus dem Mund. Vielleicht habe ich mir dabei auf die Zunge gebissen. Guck mal nach, ja?“ Mephisto nickte sachte. „Natürlich, dann mach mal >Aah<“, befahl er, richtete sich wieder auf und strich mit den Zeigefinger animierend über Dylan Kinn, zog es leicht nach unten und warf einen Blick in die Mundhöhle. Nach einer kurzen Inspektion lehnte er seinen Körper nach vorne, drückte die Lippen auf eine helle Stirn und sich dann wieder zurück. „Jap, du hast dir auf die Zunge gebissen, Süßer. Aber sie ist noch dran.“ „Gut.“ Kurz kräuselte Dylan die Nase. Nun hingen ihm auch noch Mephistos Nachtschwarze Haare im Gesicht und kitzelten mit jeder kleinen Bewegung seine Nase. Fast hätte er niesen müssen, doch er konnte es in der letzten Sekunde unterdrücken und atmete sichtlich entspannt aus, sein Kopf sank etwas tiefer in die Decke. „Ich darf also hier bleiben? Aber du musst wissen, dass ich mir wirklich sorgen um die Zofe mache. Ich möchte nicht, dass irgendwelche Gerüchte über uns in die Welt gesetzt werden und sie dir dann schaden.“ Die Augen geschlossen und kaum hörbar atmend, nahm Dylan einen weiteren Kuss auf die Wange hin und einen leichten Kniff in die Seite, während seine Fingerspitzen Mephistos Nacken streichelten. Er die genoss die angenehme Wärme, welche von der ebenmäßig gebräunten Haut ausging. Die Nähe zu Mephisto fühlte sich wieder richtig an und während er von der tröstlichen Hitze umhüllt wurde, verdrängt Dylan endgültig die Wut aus seinem Herzen. „Du bist ja süß, Dylan. Aber solange die Zofe kein Hexenmeister ist, wird sie keinen Fuß in dieses Zimmer setzte könnten. Als ich vorhin reingekommen bin, habe ich die Türen magisch versiegelt - hier kommt also nichts rein, ohne dass ich es möchte.“ Plötzlich schoss ein leichter Schmerz durch Dylans Gesicht und er wusste, was das zu bedeutend hatte. Mephisto wollte nicht mehr spielen, sondern endlich seinen Willen kriegen und unter die Bettdecke kriechen. Der Liebesbiss war mehr als nur Beweis genug. Ohne etwas zu erwidern, zog Dylan Mephisto etwas näher an sein Gesicht und drückte ihn als Dankeschön einen leichten Kuss auf die Wange. Die Tatsache, dass Mephisto ihn vor ein paar Minuten offenbar nur Ärgern wollte und sogar das Zimmer verzaubert hatte, um Dylan zu schützen imponierte ihn so sehr, dass er sich auf den Bauch rollte und zum Kopfende krabbelte. „Wo bleibst du, Meister?“, fragte er grinsend, legte sich bewusst in die Mitte der Matratze und streckte die schlanken Arme zu beiden Seiten aus. Das er in die Pose ziemlich aufreizend auf seinen Betrachter wirkte, war ihm relativ Gleichgültig. Sobald Mephisto auch nur einen Finger an die falsche Stelle legte, würde er ihn ohne zu zögern abbeißen.„Ich warte hier schon seit Stunden auf dich.“ Etwas Träge kam Mephisto der Aufforderung nach und ließ sich neben seinem Schützling in die weichen Daunen gleiten. „Endlich.“, seufzte er mit Genugtuung und blinzelte leicht, woraufhin das elektrische Licht im Zimmer erloscht. Eine Sekunde später fingen die verzauberten Kerzen Feuer und Mephisto wendete Dylan das Gesicht zu. Sein linker Mundwinkel hob sich zu einem schiefen grinsen..„Mann, war das eine Arbeit dich in die Kiste zukriegen. Wenn das in Zukunft immer so ausartet dann kannst du davon ausgehen, dass es das letzte Mal war, dass ich so Nachsicht mit dir Umgehe.“ „Tzz! Wer sagt denn, das ich nochmal bei dir übernachte?“ Dylan drehte sich nun auch auf den Bauch damit er Mephistos Blick erwidern konnte. Zaghaft streckte er eine Hand nach ihm aus und fuhr mit den Fingerkuppen über die dicken, schwarzen und seidigen Haare des Dämons. Es war ihm immer noch ein Rätsel, wie Mephisto es als gestandenes Monster schaffte Gleichmaßen feminin und männlichen zu erscheinen. „Ich sage das. Besser du gewöhnst dich heute Nacht schon mal an dieses Zimmer, in Zukunft wirst du mir noch häufigere Besuche abstatten.“ Der taxierende Blick verlor seinen Schalk und wich nun endgültig einem liebevollen Lächeln. „Ich mag deine Anwesenheit, ich fühle mich wohl bei dir, Dylan. Du bist das erste Wesen und erst recht die erste Seele, mit der ich so offen und ehrlich umgehen kann, wie jetzt grade.“ Dylan nickte und verzichtete auf den Ratschlag, Mephisto darauf hin zu weißen, das die anderen Seelen und Wesen ihn wohl auch offener begegneten, wenn er mal von seinem hohen Ross runter kam und sie so gut behandelte, wie er es mit ihm machte. Aber vielleicht wollte Mephisto das auch gar nicht. Wie er eben schon selbst erwähnt hatte, besaß er auch gewisse Vorlieben und diese Bezogen sich wohl nicht nur auf Sex, sondern auch auf Freundschaften. Anscheinend passte Dylan in die Schublade für Freundschaften. „Dafür bist du die erste Person die mich so akzeptiert, wie ich bin.“, murmelte Dylan und verbarg das Gesicht leicht in seinem Kopfkissen. Er spürte die Wärme in seinen Wangen aufsteigen und auch das trockene kratzen in seinem Hals blieb ihm nicht länger verborgen. „Du nimmst mir meine Ehrlichkeit nicht Übel und bist auch noch eingeschnappt, wenn ich dir während einer Diskussion Kontra geben. Außerdem kann man sich wunderbar mit dir Zofen.“ Dylan mochte ihre hin und wieder Ernstaussehenden Machtspiele und freute sich dann umso mehr, wenn er es schaffte, das Mephisto nicht nur passiv, sondern auch aktiv daran teilnahm. Und seit heute wusste er, das er es sogar mochte, wenn Mephisto ihr Spiel nach seinen eigenen Wünsche veränderte und ihn Unterwarf. Wenn er Dylan seine Macht zeigte. Überall, wo er ihn bis jetzt berührte hatte, kribbelte es angenehm auf Dylans Haut. Früher hatte der Höllenfürst dieses Spiel nicht verstanden, es ernst genommen und Dylan wirklich verletzt, aber heute wusste er, das sein Ziehsohn sich nur nach Aufmerksamkeit und Fürsorge sehnte, wenn er von einem Problem gequält wurde. Dieses Problem war nachwievor die Sexuelleunlust, aber heute wollte er Mephisto nicht mehr damit belasten. Und sich selbst natürlich auch nicht. Dann breitete Dylan die Arme aus, streckte seine Hände mit ausgebreiteten Fingern von sich und begann, mit diesen zu wackeln. „Dann lass mich doch mal sehen, wie gerne du mich hast. Ich gebe dir die Erlaubnis mich zu Umarmen - aber komm bloß nicht auf die Idee, das du das in der nächsten Zeit immer machen darfst oder das das die Zustimmung für etwas anderes ist. Mir ist grade nur ein bisschen nach Zwischenmenschlichen Kontakt. Und du bist die einzige Person weit und breit.“ „Wenn es nicht anders geht.“, murmelte Mephisto plötzlich angespannt. Ein heißer Schreck fuhr durch seine Glieder und plötzlich bekam er Angst. Angst vor dem Unbekannten. Meinte Dylan das ernst? Unschlüssig kam er seinen Armen entgegen. Verlangte Dylan tatsächlich eine Umarmung von ihn? Die wenigen Küsse und Berührungen die sie teilten waren etwas anders; sie passieren im Affekt und waren nicht Zielgerichtet - Was Dylan jetzt wollte, schon. Es war ihm anzusehen, das Mephisto nicht genau wusste was er von so einer Aufforderung halten sollte, aber er einen Rückzieher wollte er auch nicht machen. Noch nie hatte ihm jemand eine Umarmung angeboten. Noch nie hatte er jemanden umarmt, ohne irgendwelche primitiven Hintergedanken zu haben. Mit einer Mischung aus Unbehagen und Vorfreude griff Mephisto nach Dylans Hüfte, schaute ihn noch einmal fragend in die Augen und zog ihn dann als keine Verneinung kam, vorsichtig an seine Brust. „Lass dich fallen.“, raunte Dylan und bettete sein Gesicht vorsichtig in Mephistos Halsbeuge. Er spürte wie sich der dazugehörige Körper sofort verspannte und die Muskeln unter seinen Fingern unnatürlich hart wurden. Fürchtete sich Mephisto etwa vor ihn? „Du tust ja so, als würde ich dich Fressen wollen. Unglaublich das es dir so schwer fällt meiner kleinen Bitte nach zu kommen. Ich dachte du betrachtest mich als Sohn. Und von seinem Vater kann man doch auch mal eine Umarmung verlangen, oder meinst du nicht, Vater?“ *xXx* Das dröhnen eines vorbeifahrenden Autos ließ Dylan die Augen aufreißen und in die Höhe springen. Irritiert sah er sich in dem Raum um, bis er begriffen hatte, das er in der Küche stand und nicht mehr als Menschenjunge neben Mephisto im Bett lag. Offenbar war er vor lauter Müdigkeit am Tisch eingeschlafen. Verdammter Dreck! Sofort suchten seine Augen die Uhr an der Küchenwand und weiteten sich vor Schreck und Wut. Nochmal Dreck! Die Zeit war unerbittlich und der große Zeigen sprang grade um, während er Dylan gnadenlos verkündete, das er nicht nur den Bus, sondern sogar schon die erste Unterrichtsstunde verpasste hatte. 9. Uhr! So ein verdammter Mist. Dylan setzte sich noch einmal auf den Stuhl und starrte eine Weile einfach nur vor sich her. Jetzt brachte es ohnehin nichts mehr. Jetzt konnte er auch zuhause bleiben und über seine Situation nach denken. Was war denn das schon wieder für ein freakiger Traum gewesen? Es war noch gar nicht so lange her, das er auch über die verstrichene Zeit in der Hölle geträumt hatte, und nach dem Aufwachen plötzlich total neben der Spur stand. Aber das waren keine Träume gewesen, das waren Bilder und Erinnerungen aus der Vergangenheit. Und Dylan wusste auch, dass sie ihm nicht zufällig in den Sinn kamen... Jemand hatte sie mit purer Absicht heraufbeschwören! Dylan musste sich nun ernsthaft den Schrei verkneifen, der aus seinem Mund kommen wollte. Stattdessen fletschte er die Zähne und schlug die Faust auf den Küchentisch. „Na warte.“, grollte er wütend und stand plötzlich auf den Beinen, die Augen an die Decke gerichtet. „Das hast du nicht umsonst gemacht, Meister! Das war eine offizielle Kriegserklärung.“ Ein Teil von ihm schämte sich zwar dafür so zu empfinden, doch ein anderer Teil in ihm hatte vor Freude gejubelt, als er sich selbst und Mephisto im Traum beobachtete und zusah, wie vertraut und liebevoll sie mit einander umgingen. Das war aber sicher nur ein Irrtum gewesen! Das waren einfach nur normale Glücksgefühle. Das hatte nichts mit der Tatsache zutun, das Dylan enttäuscht darüber war, das Mephisto ihn heute distanzierter und viel kalter behandelte, als damals. Wann er hatte er den bitteschön das letzte mal gesagt, das er ihn Hübsch fand? Wann hatte Mephisto ihn das letzte Mal auf die Wange geküsst oder Gebissen, wenn ihn etwas an seinem Verhalten störte und er Dylan damit eine gut gemeinte Warnung geben wollte? Wann?! Diese Gesten wären alle schon seit Ewigkeiten vergessen. Nur mit größter Mühe konnte Dylan sein dämonisches Temperament im Zaun halten, ohne sofort an die Decke zu gehen und den Verantwortlichen zur Strafe für seine schlechte Laune durch den Fleischwolf drehen. Wenn er wirklich eine echte Chance gegen Mephisto haben wollte, dann musste er die Sache sachlich und strategisch angehen. Ansonsten könnte er einpacken und für die nächsten Zehn Jahre im Gästezimmer schlafen. Und dabei wäre das noch die angenehmste Konsequenz. Gefangen zwischen Wut und Ehrfurcht stieg Dylan langsam die zwei endlos erscheinenden Wendeltreppen zur dritten Etage rauf. Eigentlich liebte er die weiße Villa im alten Baustil mehr als alle anderen Häuser, in denen er bis jetzt lebten dürfte, aber in Momenten wie diesen, verfluchte er sie bis auf die Grundmauern. Wenn er die halb zerfallen Baupläne richtig gelesen hatte, dann stand sie seit dem 18. Jahrhundert und war früher ein gewöhnlicher Pferdestall gewesen. Doch das alte, beeindruckende Gebäude konnte heute ruhig als einer der dominantesten Baukörper der Stadt betrachtet werden und lag auf einem großen Grundstück, an der nördlichen Grenze einer vornehmenden Wohngegend. Als dreigeschossiger Bau mit ausgeprägter Horizontalgliederung in Form von mehrstufigen Gurt- und Traufgesimsen konzipiert, galt die Villa am Höllenberg als ein bemerkenswertes und begehrtes Ensemble aus der vergangen Zeit, wofür sich viele Künstler und Historiker interessierten. Von außen sah zwar das Gebäude vielleicht alt aus und erweckte den Eindruck von Nostalgie, aber im Inneren schien ein Modedesigner aus der USA sein Unwesen getrieben zu haben. Im 1.Obergeschoss befanden sich u.a. die Empfangshalle, ein Wintergarten, die Küche, das Wohn- und Esszimmer mit Designer Möbel, sowie weitere repräsentative Räume. Die große Wendeltreppe, welche Dylan so hasste, erschloss das Gebäude von der nördlichen Seite und bildet mit einem Turm als Eckbekrönung eine beeindruckenden Silhouette. Im 2. Obergeschoss gab es drei, schwindelerregt teurere Badezimmer aus grauen, weißen und schwarzen Marmor, mehrere Leerstehende Räume, der geräumige Balkon aus weißen Stein, auf welchen Dylan oft seine Hausaufgaben erledigte oder einfach nur nach einem anstrengenden Tag entspannte. Dann hatte Mephistos hier sein Büro eingerichtet, es gab noch mehr unbewohnte Zimmer und eine eigene, separat vom Bad getrennte Spa; bestehend aus einer Holz-Sauna, mit kleinen Swimming-Pool und Dampfbad, als private Wellness-Oase und Rückzugsort für gestresste Dämonen. Eine Massageliege, eine Strahldusche, ein Sound System und Whirlwanne gehören sowieso zu der ihrer traditionellen Wellness Bad-Einrichtung. Allerdings war Dylan kein langgesehener Gaste in der Hauseigenen Terme; Irgendwie vertrug er die feuchte Hitze nicht so gut und Mephisto musste ihn mehr als nur einmal, mit einem Kreislauf-Kollaps aus dem Dampfbad zerren. Im 3. Obergeschoss befanden sich die Schlafräume und die Bereiche für Gäste, welche allerdings unbenutzt waren, da niemals jemand zu Besuch kam. In dieser Etage gab es auch noch eine kleine Wäschekammer, ein zweites Wohnzimmer mit Heimkino-System und allen andrem Hightech-Schnickschnack, was die Neuzeit auf den Markt brachte. Und zu guter Letzt Mephistos Lieblings-Ort; Eine Mini-Bar, welche nicht sehr Mini war, sondern eher Mega aussah. Hier gab es alles, was einem wachechten Barkeeper aus der Oberschicht das Herz höher schlagen ließ; Verschiede Mixgeräte, Kühlschrank usw. Das Dachgeschoss hatte Dylan bis heute nicht betreten; irgendwie gruselte es ihm dort hoch zu steigen und den Mäusen einen Guten Tag zu wünschen. Also im großen und ganzen konnte er eigentlich ganz zufrieden sein, mit seinem Leben. Dank Mephisto schwamm er in Luxus und konnte sogar den einen oder anderen Prominenten, mit der Villa den Neid ins Gesicht treiben. Mephisto selbst fand die alte Villa zwar Nett und für die nächste Zeit durchaus bewohnbar, aber tief in seinem Inneren sehnte er sich, nach dem Finsteren Schloss in der Unterwelt. Nur dort konnte er sich richtig heimisch fühlen. Außerdem, fand er es in der Menschenwelt sowieso viel zu kalt und langweilig. Nach knapp einer Minute hatte Dylan endlich die letzte Stufe der zweiten Wendeltreppe erklungen und lief den langen Flur, bis er schließlich vor ihren gemeinsamen Schlafzimmer zum stehen kam. Als er die Hand nach der Türklinke ausstreckte, rutschte ihm plötzlich das Herz in die Hose; Was wollte er eigentlich hier? Mephisto eine Moralpredigt wegen Gestern halten? Oder sich über die mangelnde Beachtung in den letzten Jahrzehnten beschweren? Aber eins sollte schon im Vorfeld sicher sein; Wenn es sich bei seinem Traum wirklich nur um einen gewöhnlichen Traum gehandelt hatte, und er Mephisto als Unschuldigen aus den Schlaf riss, bedeutete das großen Ärger für ihn. Irgendwie verging Dylan plötzlich die Lust Mephisto unter die Augen zu kommen. Vielleicht sollte er es später nach der Schule probieren. Da war der Herr Papa ausgeschlafen und stellte eine deutlich geringere Gefahr für sein Leibliches wohlergehen dar. Diese Idee fand Dylan auf einmal so gut, das er sofort kehrt machte und grade zurück zur Treppe laufen wollte, als es neben ihm sanfte klickte und sein Herz kurz stehen blieb. Oh weh... Oh weh! Keine Sekunde später schwang die Massive Holztür noch ein Stückchen weiter auf, bis ein schmaler Spalt entstanden war und Dylan einen kurzen Blick in die Dunkle Stube werfen konnte. Der Befehl hätte deutlicher nicht sein können. Komm rein! Na dann, dachte Dylan leicht panisch und leckte sich angespannt über die kleinen Reißzähne, wenigstens muss ich ihn nicht mehr wecken. Von dem einen auf den anderen Moment hatte er das Gefühl, wieder als 10-Jähriger Menschenjunge in der Hölle zu sitzen und auf seine Bestrafung zu warten. Aber dieser Moment hier war eindeutig schlimmer! Jetzt als Halbdämon war sein Körper stärker und Mephisto konnte ihn schwerer Verletzten, bis ihn endlich in die erlösende Ohnmacht überkam! Nein. Dylan wollte ganz sicher nicht in das Schlafzimmer gehen! Ängstlich huschten seine goldgelben Katzenauge den Flur entlang runter. Wie lange würde Mephisto vom Bett aus brauchen um ihn an der Haustüre abzufangen? Hoffentlich lange genug bis Dylan sicher auf der Straße stand. Aber in der gleichen Sekunde verwarf er seine fixe Idee schon wieder. Wie dumm von ihm, das er angenommen hatte, das Mephisto die Jagd tatsächlich zu Fuß aufnehmen würde. Mephisto konnte sich jederzeit und überall hin teleportieren. Okay. Nun sah Dylan ein das es für ihn kein Entkommen gab. Er musste jetzt ins Schlafzimmer gehen und seinen armen Kopf hinhalten. Wie viele anderen Sklaven zitterte er bei den Gedanken daran, das er seinen Verärgerten Meister nun Rede und Antwort stehen musste. Langsam setzte er einen Fuß über die Türschwelle und rechnete schon mit einer sofortigen Schimpfkanone, aber im Raum war es unnatürlich Ruhig. Und Dunkel. Huch? Jetzt sagte aber bitte keiner, das die Türe wegen einem jähen Luftzug aufgesprungen war und Mephisto eigentlich immer noch tief und fest schlief. Dylan nahm allen seinen Mut zusammen und regte den Kopf. Seine Augen reagierten zugleich auf die neue Lichtbedingung, sie wurde so groß und weit wie bei einer Katze. Dank ihnen konnte er selbst bei dunkelster Finsternis genauso gut sehen, wie auch am helligen Tag. Er erkannte das runde Doppelbett in der Mitte des Zimmers und auch die schmale Gestalt, welche auf ihm lag und der Türe den Rücken zugewendet hatte. Ganz leicht zog Dylan die Luft ein. Es gefiel ihm nicht, das Mephisto so Ruhig war und nichts von seiner Anwesenheit zu bemerken schien. In Horrorfilmen wurde es auch erst immer so richtig Übel, wenn der Hauptcharakter einen stillen Raum betrat und von dem Killer keine Reaktion kam. Die gespenstische Ruhe leitete nur den Nervenkitzel auf das anschließende Massaker ein. Aber umso mehr Dylan über solche Dinge nachdachte, desto unruhiger wurde sein Körper. Er spürte, das ihm jetzt schon der Schweiß in Bächen über das Gesicht floss und kleine, dunkle Flecken auf seinem t-Shirt hinterließ. Mephisto würde ihn Umbringen! Aber es war nicht die Frage Wann das machte, sondern Wie! In dem Augenblick als sich Dylans Verstand komplett dem Kopfkino hingab, reagierten seine Beine mit Vernunft und trugen seinen paralysierten Herren zum Bett. Geschmeidig sank er auf die Matratze und wartete einen Augenblick lang. Okay, diese Hürde hatte er schon mal gemeistert; er hatte es ins Bett geschafft, ohne Verletzt oder Gefoltert zu werden. „Mephisto?“, fragte Dylan leise und seine Stimme klang so ungewohnt piepsig, das er vor Schreck deswegen fast selbst vom Bett gefallen wäre. „Bist... Bist d-du wach?“ Er wartete darauf das irgendwas passierte, aber es geschah nichts. Noch immer schlief Mephisto in aller Ruhe auf der Seite. Er hatte einen Arm angewinkelt, unter das Kissen geschoben und den Kopf drauf abgelegt. Auch seine Beine wirkten entspannt, lagen leicht angezogen auf der warmen Matratze und in der Decke eingewickelt. Dylan schluckte geräuschlos. Wurde er wieder hinters Licht geführt? Oder schlief Mephisto tatsächlich schon die ganze Zeit über? Unsicherheit und Neugierte tobten in seinem Gesicht. Er wollte wenigstens nicht Unwissend sterben! Doch sein Meister ließ ihn warten. Wenn er wirklich wach war und nur so tat als ob er schlief, dann konnte er wirklich verdammt gut schauspielern! Also ließ er sich auf den Po fallen und zog ebenfalls die Beine an. Geistesgegenwärtig strichen Dylans Finger über den Stoff des Bettes, aber erst bei der zweiten Bewegung stellte er fest, das er sofort die Matratze zu fassen bekam. Na nu? Was sollte das denn? Dylan blinzelte ein paar Mal und ließ seine Augen noch einmal über das Bett fahren. Diesmal langsam, nicht so hektisch wie beim ersten Mal. Was war ihm entgangen? Er hatte hier nicht geschlafen und trotzdem war seine Decke zurückgeschlagen? „Was zum...“, murmelte Dylan und verkrampfte seinen Körper sichtlich. Hier war etwas Faul! Instinktiv wich er zurück nach hinten. Fast standen seine Beine wieder auf dem Boden, aber bis auf das ihm das Herz fast aus der Brust sprang, passierte nicht das winzigste Bisschen im Zimmer. Also so langsam kam sich Dylan ungeheuer Verarscht vor. Irgendwie schien die Antwort ganz simple zu sein, aber er konnte sie einfach nicht finden. Er löcherte Mephistos Rücken mit einem durchdringend Blick. Nun streckte er auch noch eine Hand nach ihm aus und legte sie sanfte auf die warme, leicht geschwungen Schulter seines Ziehvaters. Dylan musste wieder Schlucken, woraufhin sein Herzschlag sich diesmal beschleunigte und er die Lippen öffnen musste, um schneller atmen zu können. Da fiel ihm der geradezu sündhaft guter Duft auf, der bis jetzt unbemerkt in der Luft schwebte. Der Geruch kam keinen Shampoo der Welt gleich und auch kein Duschgel konnte da mithalten. Aber was auch immer es war, es ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Schlucken! rief Dylans Gehirn ihm eindringlich zu. Schlucken. Sonst sabberst du den Boden voll. Gequält wischte er den Schweiß von seiner Stirn und würgte den Speichel aus seinem Mund herunter. Immer stärker fühlte er sich von dem Geruch angezogen - von der schlanken, aus der Ferne betrachteten, unscheinbaren Gestalt seines Meisters, Mephistos. Er ging noch einen Schritt nach hinten. Doch plötzlich stieß er gegen eine böse, sicher grade noch nicht dagewesene Teppischkante und schlug der Länge nach hin. Vom plötzlichen Zusammenstoß brannte sein Ellenbogen wie Feuer und vor Überraschung stieß Dylan einen spitzen Schrei aus, erschrak heftig, und quietschte erneut wie eine verende Ratte. Eine Sekunde später schlug er krachend die Hände auf seinee Lippen. Hoffentlich war der Schrei nicht so laut gewesen, wie er nun in seinen Ohren widerhallte! Dylans Körper begann unter den Schmerzen zu rebellieren, aber er spürte sie kaum und warf dem Bett einen bangen Blick zu. Er sah wie sich Mephistos Augenlider unruhig bewegten ,seine dunklen Haare lagen jedoch immer noch wie ein Vorhang ausgebreitet auf dem Kissen. Leichte schauderte überzogen seine Brust, dann schlug er langsam die Augen auf. Scheiße. Einfach nur Scheiße. Wenn Mephisto ihn neben dem Bett entdeckte, konnte Dylan abdanken. Sachte zog er also den Kopf ein und machte sich ganz Klein. Alleine schon die Tatsache, dass er ihn wirklich aus dem Schlaf gerissen hatte, reichte aus, damit Mephisto auf Touren kam. „Dylan?“, murmelte eine kratzige Stimme von Oben und der Angesprochene biss feste auf seine Zunge. Fuck, ihm blieb aber auch wirklich gar nichts erspart...! Nach einem zitternden Atemzug legte Dylan die Fingerspitzen auf die Bettkante und zog sich an ihr hoch. „Ja?“, fragte er unsicher. Als er Mephisto in die Augen schaute, ging sein Puls schneller und ein kalter Schauder jagte seinen Rücken hinab. „Was machst du da Unten? Warum kriechst du auf den Boden rum? Oh Gott...“ Mephisto gähnte leise maunzend. Er ließ die Schulterblätter kreisen und betrachtete Dylan mit wachsender skeptisch, während er langsam näher zum Rand kam. „Echt mal. Hast du was verloren?“ „Nein, habe ich nicht.“ Langsam rutschte Dylan Rückwerts auf die Türe zu. Während er mit jeder weiteren, verstrichen Sekunde immer mehr das Zentrum der Macht verließ und sich sein Herzschlag verdreifachte , ohne das Mephisto Anzeichen von Aggressivität zeigte, würde er liebend gern Tod umfallen. „Ich habe nichts verloren. Ich wollte nur...“ „Du wolltest nur...? Was ist denn los mit dir? Mach mal die Zähne auseinander! Du siehst so aus, als ob du was verbrochen hast.“, fragte Mephisto und zog warnend eine schmale Augenbraue hoch. Die Verwirrtheit verwandelte sich in Misstrauen und Dylan japste nach Luft. „Hast du Scheiße gebaut, Kleiner? Wenn ja, dann sag es mir sofort.“ Seine Blicke jagte ihm heiße Schauer über die Haut, sodass sich Dylan die Nackenhaare sträubten. Es war Mephisto an zusehen, dass er heute Morgen nicht die beste Laune an den Tag legte. „Ich habe nichts gemacht! Wirklich nicht.“, rief Dylan panisch und strich eine Haarsträhne hinter sein Ohr. Er merkte auch ohne magische Eingebung, das Mephisto nicht zum Spielen aufgelegt war; Normalerweise schlief er mindestens noch eine halbe Stunde, und er verteidigte jede einzelne mit Klauen und Zähnen. „Es ist nur ein bisschen Blöd gelaufen, das ich hier jetzt sitze. Tut mir leid, das ich dich auf geweckt habe... Soll ich wieder gehen?“ Mephisto hielt einen Augenblick inne, und zwischen seinen arrogant geschwungenen Brauen bildete sich eine Falte. „Nein nein, bleib hier. Warum hast du denn so Geschrienen? Ist etwas passiert? Mensch, Kleiner. Muss ich dir jedes Wort aus der Nase ziehen?!“ Nun fiel die trunkene Schläfrigkeit von Mephisto ab und Dylan sah, wie die Wirkung der Karminfarbenden Augen ihre alten Kräfte entfesselten, und mit unheimlicher Intensivität die Macht über seinen Körper erlangten. Dylan keuchte leise. „Verdammt, setzt mir doch nicht gleich die Pistole auf die Brust.“ Mühsam entzog er sich der Finsternis und nahm auf der Bettkante Platz. Mephisto betrachtete ihn voller Argwohn - Das konnte er ganz deutlich an dem Kribbeln im Nacken spüren. „Dann mach den Mund auf.“, befahl der Höllenfürst kühl. In dem Moment wo Dylan Mephistos Macht endgültig abschütteltet hatte, umschlossen ihn eng und warm plötzlich zwei Arme von hinten und er zuckte kurz zusammen. Heftiger noch als vor zwei Sekunden. Dann hieß er Mephisto mit einem leichten seufzten Willkommen. Ganz wie er vermutete hatte, gab es im Schlafzimmer keine Streitigkeiten - Anscheinend war Mephisto die Lust darauf vergangen und ihm nach dem Traum, erst recht. „Es ist nichts. Ich habe mich nur erschrocken und bin hingefallen. Darum habe ich auch so laut geschrienen. Der scheiß Teppich hat plötzlich meine Füße angefallen.“, sagte Dylan. Er sträubte sich leicht gegen den haltenden Griff, aber er sah auch ein, das er sowieso nicht frei kommen würde, bis er Mephisto nicht eine befriedigte Antwort gegeben hatte. Außerdem fühlten sich die warmen Hände auf seiner kalten Haut nicht schlecht an. „Bist du grade erst aufgewacht?“ Mephisto nickte. Dann legte er die Wange in Dylans Halsbeuge und gähnte wieder. „Ja.“ Er atmete sachte die Luft ein und im gleichen, langsamen Tempo zog er die Bettdecke über sich und seinen Schützling. „Wenn nichts passiert ist, was wolltest du denn hier? Mich sehen, Mhm?“ „Nein... oder? Doch, eigentlich wollte ich dich wirklich sehen.“ Verlegen kicherte Dylan und rieb mit den Daumen sanft über Mephistos Handgelenke. „Ich hatte ein Traum.“, erklärte er sachlich und ließ sich ein Stück nach hinten fallen. „Es ging um damals, um das erste Mal wo du wolltest, das ich bei dir Schlafe. Kannst du dich noch daran erinnern? Das hat ein ziemliches drunter und drüber gegeben - wir haben uns wahnsinnig in den Haaren gelegen.“ „Das weiß ich noch. Und du warst Frech wie Sau.“, raunte Mephisto und erwiderte die seltene Streicheleinheit genauso zärtlich, indem er Dylan wie ein kleines Kind in seinem Armen wiegte. „Habe ich dir da nicht auch eine Rippe gebrochen?“ Leise schnaufend drückte er die Nase fester gegen den weichen Hals. „Ich bin immer noch Müde. Wie Spät ist es eigentlich?“ Dylan warf einen Blick über die Schulter. Er sah Mephistos funkelnde Augen genau hinter sich, in denen trostlose Einöde und heiße Leidenschaft stritten. „Ich weiß.“, gab er zurück. „Es ist Halb 10, oder vielleicht schon Viertel vor. Ich weiß nicht genau wie lange ich vor dem Bett gestanden und dich beobachtet habe.“ „Heh.“ lachte Mephisto rau und die Vibration seiner Stimme brachte seine Brust zum beben. „Du hast mich beobachtet während ich geschlafen habe? Scheiße. Du bist ein Spanner.“ Schmunzelnd glitten Dylans Hände über die wärmenden Arme, seine Finger kneteten die leicht angespannte Muskulatur unter der Sonnen gebräunten Haut. Mit kreisenden Bewegungen und etwas Zeit löste er die Versteifung- selbst im Halbschlaf und nahezu Handzahm hatte Mephisto einen erstaunlich festen Griff . Der wiederrum klemmte Dylan die lebensnotwendige Sauerstoffversorgung ab. Einen Moment lang sah es aus, als wolle er sich gar nicht von ihm lösen, doch dann holte die Müdigkeit Mephisto langsam zurück in den Scheintod. Er zitterte und sank mit den Rücken wieder auf die Matratze, Dylan nahm er gleich mit nach Unten. Überwältigt von dem Gefühl und der Wärme, ließ Dylan seinen Körper runter ziehen, zog die Beine an und rollte sich im selben Augenblick auf Mephisto zu einer Kugel zusammen. „Ich bin auch noch Müde.“, flüsterte er und streckte sein Gesicht der Wärmequelle entgegen. Dylan fühlte sich unheimlich Geborgen und war dankbar dafür, weil Mephisto offensichtlich von >Streiten< auf >Vertragen< umgeschaltet hatte, und er nun mit ihm kuscheln durfte. „Hhm!“, stöhnte Mephisto heiser und zwickte dem Albino frech in die Nase. „Süßer, du bist schwer und wiegst keine 40 Kilo mehr.“ Mehr schlecht als Recht schob er Dylan ein Stück Richtung Süden, damit er wenigstens die Lunge frei bekam und normal atmen konnte. Bevor Dylans Vernunft reagierte, krallte er die spitzen Fingernägel in Mephistos Haut und hielt sich an ihr fest. Er zischte leise und wollte so bleiben, wie er lag. „Aber es ist Bequem! Deine Hüfte ist mir viel zu Knochig - Die tut mir weh!“ Mephisto stürzte die Lippen. „Das ist deine eigene Hüfte die du spürst, kleiner Jammerlappen! Weißt du was? Du bist nicht nur frech, sondern auch noch Verwöhnt.“ Während Dylan ihn aus verengten Augen beobachtete, dachte er an die luxuriöse Villa, den Lamborghini in der Garage und an das Hauseigenen Sanatorium. Gleich darauf musste er schmunzeln und lachte Mephisto mitten ins Gesicht. Schließlich befreite er ihn von seinem provozierenden Blick, indem er den Kopf abwendete, und die Hände vor sein Gesicht drückte. „Ich bin überrascht, dass du nach gestern so freundlich zu mir bist.“, gestand Dylan murmelnd. Nach kurzen zögern kroch er auf Mephistos Oberkörper zurück schaute ihn fragend an. In den hellroten Augen erkannte er sein eigenes Spiegelbild. Gerötete Wangen und unnatürlich goldglänzende Augen blickten Dylan entgegen. Diesen Ausdruck kannte er – er gebrauchte ihn immer, wenn er jemanden mit seinen Charme um den kleinen Finger wickeln wollte. „Gefällt dir das?“, erwiderte Mephisto und ließ ein seliges Lächeln in seinem Mundwinkel erscheinen. „Oder hätte ich dir eher den Hintern versohlen sollen? Bei dir weiß man das nie so genau. Hättest du mich gestern gefragt, dann hätte ich dich wohl über ´s Knie gelegt.“ „Danke... aber jetzt liege ich ja auf deiner Brust. Das ist auch ein guter Tausch.“ Schmunzelnd rieb Dylan die Wange an die besagte Körperstelle. Er zog den Duft ein, der von der Haut ausging und der plötzlich erneut in der Luft hang. Der aromatische Geruch hüllte Dylan wie eine zweite Decke ein. „Möchtest du einfach nur dösen oder richtig schlafen? Ich für meinen Teil würde lieber Schlafen. Ich habe eine echt verdammt miese Nacht hinter mir...“ „Oh ja, ich auch.“ Mephisto leckte mit der Zunge über seine Unterlippe und strich sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Sichtfeld. „Ich konnte auch nicht richtig Pennen. Es ist komisch wenn ich aufwache und du nicht neben mir liegst. In der Nacht habe ich mehr mal nachschaut, weil ich dachte, das du vielleicht doch noch kommst. Aber leider ist das nicht geschehen.“ Verwirrt stellte Dylan wieder Blickkontakt her und stutzte. In einer fließenden Bewegung legte er den Kopf auf die Seite. „Aha? Ist deshalb auch meine Seite aufgeschlagen?“ „Richtig erkannt.“ Beschämt verzog Dylan den Mund. Und er hatte schon damit gerechnet, das da irgendwas Faul war; Vielleicht ein nächtlicher Besuch von einer oder einem Fremden, während er nicht da gewesen war? Er legte den Zeigefinger auf Mephistos Oberarm, und umspielte den harten Bizeps mit leichten, kreisenden Bewegungen. „Warum bist du denn nicht einfach zu mir gekommen? Sonst hast du doch auch kein Problem damit um mir überall hin zu folgen.“, fragte er lächelnd. „Süßer...“ Mephisto schloss entspannt die Augen und holte tief Luft.„...ich komme doch nicht in der Nacht zu dir und kassiere eine Ohrfeige, nur weil ich Sehnsucht habe und mich neben dich legen möchte.“ Dylan stützte eine Hand auf die Matratze und beugte sich zu Mephisto, wobei ihm seine langen Ponyfransen in das weiße Gesicht fielen. „Ohho...! Die hättest du definitiv bekommen, wenn du so viel Schamlosigkeit besaßen hättest.“ „Siehst du? Dann habe ich ja die richtige Entscheidung getroffen.“ Schmunzelnd regte Mephisto das Kinn nach vorne und gab seinen Sohn einen letzten Kuss auf die Stirn, bevor er ihn und sich selbst in der Reich der Träume entließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)