Syros von yukio-kun (Die Rückkehr des letzten Wächters) ================================================================================ Kapitel 1: Finstere Hallen -------------------------- Ein Jahr zuvor… Yukio schlenderte durch die Straßen. Wütend trat er einen Stein beiseite. Er hasste es. Alles und aus ganzem Herzen! Er hasste diese Stadt, diese Straßen, dieses elendige, arme Leben. Er hasste sein Zuhause, er hasste seinen Vater… Und wie er ihn hasste! Wie oft hatten sie in den letzten Tagen gestritten? Wegen Nichtigkeiten. Doch verhindern konnte Yukio es nicht. Vielleicht wollte er es auch gar nicht. Sein dunkelrotes Haar wirbelte leicht mit dem Wind, der durch die staubig schmutzigen Gassen wehte. Frustriert schlenderte er an einer Gruppe Mülleimer vorbei, die schon überquollen und einfach nur ekelhaft stanken. Kein Wunder, hier in der Unterstadt kam nur selten ein Müllwagen vorbei und das bedeutete auch nicht zwangsläufig, dass der Müll verschwand. Es bedeutete nur, dass die unmenschlichen Umstände hier registriert wurden und zwei Tage später ein Bericht in den Nachrichten kam, wie sehr das untere Viertel doch verkommen war. Das war doch alles zum kotzen. Alle wussten, was hier passierte, jeder tat so, als würde man es bedauern, doch in Wirklichkeit scherten sich die Leute einen Scheißdreck darum was hier passierte. Sie hätten hier alle elendig verrecken können und niemand hätte es bemerkt. Nicht vor der nächsten Steuerabgabe. Aber was scherten ihn eigentlich die Probleme der Erwachsenen? Okay, so jung war Yu ja nicht mehr, doch das hinderte ihn nicht daran im Geiste ein kleines Kind zu bleiben. Und daran würde sich, wenn es nach seiner Meinung ging, nichts so schnell ändern. Yukio schnaubte verächtlich. Er hatte seine eigenen Probleme. Zum Beispiel, dass er im Gegensatz zu den meisten anderen Kindern arm war wie eine Kirchenmaus. Gerade so, dass er nicht wirklich in einer Kirche oder einem Asyl leben musste. Seit Mutter weg war… war nichts mehr wie früher. Alles war anders. Alles war schlechter. Und daran war nur sein verfluchter Vater schuld! Der rothaarige Junge blieb an einer Bretterwand stehen. Das Holz war schon sehr alt und morsch und noch dazu voll gesprüht mit Graffiti. Yu wollte seine Wut abbauen, und da kam ihm diese Bretterwand gerade recht. Er holte aus. Sein Fuß krachte mit voller Kraft gegen die alte Absperrung. Das Knacksen ging in dem wutentbrannten Schrei des Jungen unter. Noch ein Tritt und noch einer und- Die morschen Bretter gaben nach. Der Fuß durchdrang die Absperrung, Yu fiel mit seinem ganzen Gewicht gegen die Holzwand, erneut gab das alte Gestell nach. „Scheiße!!“ Yukio flog durch die Bretter in einen dunklen Gang, etliche Stufen hinunter. Er konnte sich gerade noch die Arme schützend um seinen Kopf schlingen, so dass er nicht mit dem Schädel gegen die zahlreichen Stiegen knallte. Ächzend, mit wundem Körper, kam er am Absatz der Treppen zum Stillstand. Er gab ja zu manchmal ein wenig wehleidig zu sein, doch dieser Sturz war wirklich nicht ohne. Mit einem Wimmern öffnete er seine bisher zusammengekniffenen Augen. Geschockt blickter der Junge um sich und sah… Nichts. Er konnte absolut nichts sehen. Finsternis. Alles war dunkel. Irritiert drehte er sich in die Richtung aus der er seiner Meinung nach in dieses Drecksloch gefallen war. Nichts. Rein logisch betrachtet, hätte er von dieser, oder irgendeiner anderen Richtung, ein Licht oder einen Schein sehen müssen, immerhin hatte er mit seinem Sturz ein fettes Loch in die Bretterwand gerissen und draußen war sehr wohl noch Sonnenlicht gewesen, doch nichts der gleichen. Alles war absolut dunkel. Langsam, aber sicher, überkam Yukio die Panik. Er wollte hier raus, er hatte Angst vor der Dunkelheit, denn da fühlte er sich immer so alleine. Doch wie konnte er, wenn er nicht wusste in welche Richtung er gehen sollte? Moment! Wieso war er da nicht früher draufgekommen? Natürlich, er musste doch nur nach den Stiegen tasten, die er herab gefallen war und ihnen nach oben folgen und schon wäre er raus aus diesem gespenstischen Ort. Vorsichtig tasteten seine Hände nach den rettenden Stufen. Vor ihm war nichts, auf der linken Seite auch nicht, rechts ebenfalls. Blieb nur noch… Yu stockte. Hinter ihm befanden sich ebenfalls keine Treppen… Das war doch wohl ein schlechter Scherz, oder? Er hatte doch deutlich gespürt, wie er direkt nach den Stufen zum Stillstand gekommen war. Schon leicht panisch erweiterte er seinen Tastradius und erforschte auch die etwas weiter entfernte Umgebung. Nichts. Nada. Keine Stiegen. Das war das Ende. Er war in einen tiefen Untergrund gefallen, ohne Licht, ohne Orientierung. Er hatte kein Handy und hören würde ihn hier auch niemand. Die blanke Panik packte den jungen Rothaarigen. Aus vollen Lungen schrie er um Hilfe, doch wie zu erwarten war, kam auch nach mehreren Rufen keine Antwort. Tränen rannen ihm die Wangen herab. Nein, so wollte er nicht sterben. Nicht in diesem modrigen, stinkenden Loch. Es musste doch einen Ausweg geben! Er war hier heruntergekommen, also gab es auch einen Ausweg! Von Todesangst ergriffen sprang Yukio auf und lief mit ausgestreckten armen los. Irgendwo hin. Nur weg. Er musste einen Ausgang finden, er musste einfach! Sein Blick war von Tränen getrübt, doch in dieser Finsternis half ihm die gute Sehkraft sowieso relativ wenig. Schon nach einigen Metern war der Paniklauf vorbei. Er stolperte über seine eigenen Füße und flog voll auf die Schnauze. Heulend und schluchzend blieb er auf dem kalten Steinboden liegen. „V-Vater..“, hickste er mir verweinter Stimme. Ja, sogar ihn würde er vermissen, wenn er hier nicht mehr rauskommen würde. Egal wie viel sie auch stritten, alles war besser als an einem dunklen Ort gefangen zu sein. So wollte er wirklich nicht enden. Zitternd zog er die Knie an die Brust und umschlang sie mit seinen Armen. So verweilte er. Minuten, vielleicht auch Stunden vergingen. Er wusste es nicht, er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Das einzige, das Yu hören konnte war sein Atem und sein eigener Herzschlag. Ab und zu knurrte auch sein Magen um ihn deutlich zu machen, dass er schon seit einer Weile nichts mehr gegessen hatte. Wieder vergingen endlose Weilen. Dann… Bildete er sich das etwa ein? Nein. Das konnte doch nicht sein, er hatte eindeutig ein Rauschen gehört. Yukio bemühte sich um seine ganze Konzentration und fokussierte diese auf sein Gehör. Tatsächlich. Ein Rauschen. Und… es wurde lauter! Yu sprang auf. Das bedeutete, dass es tatsächlich hier irgendwo einen Ausgang gab! Aber Moment… Wieso kam das Rauschen näher? Plötzlich ertönte eine weiche Frauenstimme, ja schon fast mädchenhaft, doch es kam so überraschend, dass Yukio einen halben Herzinfarkt bekam. „Achtung Bahnsteig. Zug fährt ein.“, hallte es durch die Dunkelheit. Was? Ein Zug? War er etwa auf einem alten Bahnhof? Oder einer stillgelegten U-Bahnstation? Aber dann würde es doch keine Durchsagen geben… Irgendwie ergab alles keinen Sinn. Zuerst fiel er durch eine alte Bretterwand. Dann konnte er weder Licht sehen, noch die Treppen finden, über die er gefallen war und auf einmal kam eine Warndurchsage, dass ein Zug kommen würde. Das war doch völliger Schwachsinn! Doch nun geschah etwas, womit Yukio noch weniger gerechnet hätte. Plötzlich gingen überall Lichter an. Warme lichter, wie von tausend Fackeln, nur ohne flackern. Yu fand sich in einer riesigen Halle wieder. Der Boden bestand aus schwarzem, blitzblank polierten Marmor, so dass die etlichen Lichter, die an der meterhohen Decke befestigt waren, sich darin spiegeln konnten. Selbst Yu konnte sein Spiegelbild in dem Boden erkennen. Er sah sich weiter um. Nur einige Meter vor ihm Befand sich ein kleiner Abgrund, in dem sich offenbar die Schienen verbargen. Nur einen Schritt zu seiner Rechten befand sich eine Sitzbank, wie man sie oft auf alten Bahnhöfen sah. Und er war die ganze Zeit daneben gesessen. Yukio musste fast lachen, so absurd war diese Tatsache. Doch egal wie oft er sich umblickte, einen Ausgang, oder Treppen sah er nicht. Die einzigen offensichtlichen Ausgänge waren die Tunnel durch die der Zug fahren konnte. Wieder ertönte die Frauenstimme: „Der Zug wird in kürze eintreffen. Bitte haben Sie noch etwas Geduld.“ Gab es hier eigentlich Freisprechanlagen? Sehen konnte der Rothaarige keine. Egal wie Yu es drehte und wendete, der Zug war seine einzige Möglichkeit hier raus zukommen. Also setzte er sich auf sie Bank und wartete, dass der lang ersehnte Zug endlich eintraf. Sein Magen machte sich erneut bemerkbar. Bei all der Aufregung hatte er doch glatt vergessen, dass er Hunger hatte. Stille. Yu dachte nach. Würde er doch seinen Vater bald wieder sehen? Wenn ja würde er sich sofort bei ihm entschuldigen, sobald es soweit war. Wo der Zug überhaupt hinfahren würde? Hoffentlich würde er am Hauptbahnhof der Stadt stehen bleiben. Von dort fand er den Weg nach hause… Aber… Brauchte man um mit einem Zug mitfahren zu können nicht eine… „Eine Fahrkarte?“ Erstaunt blickte Yu auf den freien Platz neben ihm. Dort lag in der Tat ein Stück Papier, das aussah wie eine Fahrkarte. „One way…“ Also nur eine Fahrt. Hoffentlich war es der richtige Weg. Denn Geld hatte er keines um sich eine neue Karte zu kaufen. Ihm blieb nichts anderes übrig als zu beten, dass der Zug ihn irgendwo hinbringen würde, wo er den Weg heim finden konnte… Unsicher steckte er die Fahrkarte in seine Hosentasche. Apropos… Wo blieb dieser verdammte Zug eigentlich? Die erste Durchsage war schon vor einer gefühlten viertel Stunde gekommen… Seufzend beobachtete er die kalt wirkend Halle in der er sich seit geraumer Zeit befand. Yukio fühlte sich noch immer unwohl hier, obwohl er nicht mehr in völliger Dunkelheit saß und es bereits Aussicht auf Freiheit gab. „Bitte treten Sie von den Schienen zurück, der Zug fährt ein.“, ertönte eine weitere Durchsage. „Na endlich… Hat der Zugführer eine Kaffeepause gemacht, oder was hat ihn so lange aufgehalten?“, sprach Yu erbost zu sich selbst. Langsam stand er auf und stellte sich in einer sicheren Entfernung zu den Schienen. Doch der Zug, der nun einfuhr, war bestimmt keiner, der zum Hauptbahnhof fuhr. Er sah sehr ungewöhnlich aus. Die Führerlok, als auch die vier Waggons, waren alle seltsam gewölbt und vollkommen schwarz, bis auf einige seltsame, weiße Schriftzeichen, die Yu zu keinem Land zuordnen konnte, dass er kannte. Die Fensterscheiben hatten einen eisblauen Schimmer und waren für Zugfenster relativ schmal. Was noch sehr auffällig war, war, dass die Führerlokomotive zwar wie die einer Dampflok aussah, aus dem riesigen Schornstein zwar auch Dampf aufstieg, der Zug jedoch außergewöhnlich leise war. Der Gesamteindruck vermittelte eher den eines Geisterzuges, als eines sicheren Rettungsweges. Aber wie viele Möglichkeiten hatte Yukio denn schon? Also ging er zum zweiten Waggon hinter der Lok. Die Tür öffnete sich von selbst und Yu stieg ein. Alle Sitze waren leer. So hatte er wenigstens reichlich Platzwahl. Irgendwo in der Mitte des Waggons setzte sich der Rothaarige hin. Im selben Augenblick fuhr der Zug auch schon los. Es war doch schon alles sehr seltsam. Yukio kam sich vor wie in einem Märchen oder einem Film. Denn das, was er gerade erlebte konnte man zweifelsfrei nicht als normal einstufen. Yu starrte aus einem der schmalen Fenster. Dunkelheit zog an ihm vorbei. Die gleiche Dunkelheit, die ihn umgeben hatte, als er in dieser Halle eingesperrt war. Allein der Gedanke an die Angst und Verzweiflung, die er empfunden hatte, ließ ihn erschaudern. Yukio schloss die Augen um nicht mehr in diese finstere Leere starren zu müssen… und döste weg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)