Straßenbahn
Mein erster Versuch - solche Anzeigetafeln gibt es wirklich (auch wenn sie meistens nicht funktionieren...) Thanx an Joker für das Drübergucken!
Genervt starrte das Mädchen auf die Haltestellenanzeige, in der Hoffung, sie mit ihren eisblauen Augen hypnotisieren zu können. Schon seit fünf Minuten zeigte der schwarze Balken ‚0 Minuten’ an, doch weit und breit war keine Bahn zu sehen, nichtmal in der Gegenrichtung. Sie kramte ihr Handy aus der Tasche und sah auf das Display. Nichts, gar nichts. Er hätte sich wenigstens melden können! Sie verstaute das Telefon wieder, holte einen Spiegel hervor und sah sich prüfend an. Drei Stunden hatte sie gebraucht, um so auszusehen. In der ersten hatte sie sich in zehntausend Varianten ausgemalt, was passieren würde, alle Dialoge durchgeprobt, sich Themen zurechtgelegt, den verführerischen Augenaufschlag geübt. In der zweiten hatte sie geduscht, ihre Haare gewaschen, geföhnt, hochgedreht und zurechtgesteckt, etwas Make-up aufgelegt, sich mit ihrem Lieblingsparfüm eingesprüht, ihre am Vortag bereit gelegten Klamotten angezogen und ein Buch gelesen. In der dritten Stunde hatte sie festgestellt, dass sie wie ein Clown aussah und sich benahm wie ein junges Huhn beim ersten Date, obwohl es schon das dritte war. Sie hatte sich abgeschminkt und etwas Gloss aufgelegt, die Haare wieder glatt gekämmt und so lange weitergelesen, dass sie fast zu spät gekommen wäre. Und jetzt wartete sie seit fünf Minuten darauf, dass etwas passierte. Sie fing an ihn zu hassen. Dafür, dass er so schön war, dass sie die Augen nie abwenden konnte. Dafür, dass er sie akzeptierte, obwohl sie so inakzeptabel war. Dafür, dass er überhaupt da war. Warum war er auch in ihr Leben getreten? Ihres war so schön gewesen, mit den schönen Büchern, der langweiligen Arbeit, der täglichen Monotonie. Und dann kam er einfach hereingeplatzt und sie musste über Dinge nachdenken, über die sie nicht nachdenken wollte! Sie wollte nicht fröhlich sein, wenn sie von ihm hörte. Sie wollte nicht sauer sein, wenn er sich tagelang nicht meldete. Sie wollte sich nicht fragen, warum er ausgerechnet sie so mochte. Sie wollte gar nicht hier sein!
Doch es nützte nichts, der Balken der Haltestellenanzeige zeigte seit zehn Minuten ‚0 Minuten’ an und machte nicht den Hauch einer Bewegung. Vielleicht, dachte sie, hat die Straßenbahn auch eine Verabredung. Ja, vielleicht wollte sich die neue Niederflurbahn heimlich mit der alten Tatra treffen und wurde beim Hinausgehen von seiner Mutter erwischt, sodass diese ihn unter Hausarrest gestellt hatte. Oder es hatte einen Unfall gegeben, vielleicht hatte sich ein liebestoller Jugendlicher vor die Bahn geworfen. Oder die Bahnfahrer streikten. Sie hatten eine Lohnerhöhung von 20% gefordert, die die Verkehrsbetriebe abgelehnt hatten, die Bahnfahrer hatten sich gelbe Plastiksäcke angezogen und marschierten durch die ganze Stadt, vorbei an staunenden Fußgängern und verdutzen Autofahrern, bis….
„Hi!“, hörte sie plötzlich eine Stimme. Sie schlug die Augen auf und sah hinter den schokobraunen Diamanten ihres Gegenüber eine Straßenbahn. Während er langsam näher kam und die Arme ausbreitete, schlug ihr Herz immer schneller, ihre Lungen fingen an zu glühen und ihre Füße wollten sie wegschleppen. Was sollte sie tun? Seine Umarmung erwidern und seinen betörenden Duft einatmen, ihm freundlich die Hand geben oder völlig vermessen seine Lippen küssen, die so verführerisch waren?
Schließlich hörte sie sich etwas sagen: „Schön, dass du auch schon kommst!“
Ü-Ei
Ein bisschen Nonsens, aber ich esse gerne Ü-Eier :-D
Es war einmal ein Ü-Ei. Das lag auf einem Tisch. Und es war einmal ein schöner Mann, der gerade aus der Dusche kam und das Ü-Ei entdeckte. Der schöne Mann nahm das Ü-Ei in die Hand und wickelte es aus dem Stanniolpapier.
„Hey, was machst du da!“, rief das Ü-Ei außer sich.
„Erst packe ich dich aus, danach fasse ich dich an und zum Schluss lüfte ich dein Geheimnis!“, sagte der schöne Mann und knüllte das Stanniolpapier zu einer Kugel zusammen, die er mit einem Volleyschuss am Mülleimer vorbei schoss.
„Hast du sie noch alle?“, schrie das Ü-Ei wütend, „Du denkst wohl, nur weil ich ein Ü-Ei bin, kannst du mich einfach aufessen? Ich“, das Ü-Ei streckte das schmale Rund in die Höhe, „ICH bin nicht für dich bestimmt! Meine Besitzerin hat mich gekauft, um mich genüsslich zu genießen!“
„Tja, deine Besitzerin wird wohl eher mich vernaschen als dich. Schließlich bin ich vor Dauer!“, erwiderte der schöne Mann arrogant.
„Wenn du dich an meinen Kleinteilen erstickst, bist du dauerhaft tot!“, sagte das Ü-Ei und drehte sich weg.
„Wenigstens sehe ich gut dabei aus! Ich bin noch eine Augenweide, selbst wenn ich tot bin!“, erklärte der schöne Mann und präsentierte sich im Sonnenlicht.
„Du denkst wohl, nur weil du braun bist, bist du viel schöner? Ha. Ha. Ha! Ich bin auch braun und innen sogar weiß, weißt du, was das heißt?“, fragte das Ü-Ei bissig.
„Du hättest mehr Selbstbräuner benutzen sollen?“, antwortete der schöne Mann ironisch. Obwohl. Vielleicht war das keine Ironie?
„Nein, mein lieber, schöner Mann!“, das Ü-Ei hob die Stimme, „Das bedeutet, dass ich viel mehr bin, als ein Ü-Ei, ICH bin vielseitig – ich bin süß und gesund, ich bin rund, man könnte mich sogar als Möbeluntergrund verwenden!“
„Aber ich hab mindestens ein Ei mehr als du!“, sagte der schöne Mann und blickte nach unten.
„Na und? Was nützen dir die vielen Eier – du kannst doch sowieso nicht damit umgehen!“, rief das Ü-Ei.
„Aber bei mir weiß man wenigstens, dass in jedem Ei ein Volltreffer steckt – bei dir weiß man doch nie, was drin ist – sinnloser Plunder oder eine wertvolle Figur!“, erwiderte der schöne Mann arrogant.
„Stimmt, bei dir weiß man, dass da immer was drin ist – heiße Luft!“, grinste das Ü-Ei, „Außer Schönheit hast du gar nichts!“
„Doch, ich habe einen schönen Körper!“, protestierte der schöne Mann, „Du bist einfach nur …rund!“
„Ich bin Spannung, Spiel und Schokolade!“, sagte das Ü-Ei stolz.
„Ich auch!“, erwiderte der schöne Mann, „Wenn mich die Weiber sehen, wird es spannend, dann spielen sie, um mich zu erobern und zum Schluss… dürfen sie meinen wunderbar schokoladigen Körper essen!“, der schöne Mann verging fast in seiner Begeisterung.
„Stimmt, und danach fühlen sie sich nüchtern, weil sie bis auf den heißen Kerl in ihrem Bett nichts bekommen haben! Mein Spielzeug hält für immer!“, rief das Ü-Ei aus, dem langsam heiß wurde.
„Wenn sie die Nacht mit mir verbringen, verbrennen sie tausende Kalorien! Weißt du, wie viele Kalorien in dir stecken?“, fragte der schöne Mann.
„Nein.“, antwortete das Ü-Ei, beeindruckt von der Erwartung auf eine ausnahmsweise intelligente Antwort.
„Ich auch nicht.“, bemerkte der schöne Mann, „Aber genug um dick und fett zu werden!“
„Na und, man darf doch auch mal fett sein!“, rief das Ü-Ei, „Und jetzt lass mich gefälligst runter, ich fange nämlich an zu schmelzen!“
Der schöne Mann legte das weiche Ü-Ei zurück auf den Tisch und leckte sich die Schokolade von den Fingern.
„Vorsicht, du wirst dick!“, sagte das Ü-Ei ironisch und kullerte sich auf dem Tisch, um nicht auf einer Seite abzuflachen.
„Das werde ich nachher alles abarbeiten!“, grinste der schöne Mann und strich sich über seinen wohldefinierten Sixpack.
„Was machst du eigentlich hier? Meine Besitzerin hat keinen Freund, nur mich!“, rief das Ü-Ei mürrisch.
„Da irrst du dich: Wir sind seit zwei Wochen zusammen, warum ist jawohl klar, und jetzt hat sie mir den Wohnungsschlüssel gegeben!“, erklärte der schöne Mann.
„Na toll, dann wirst du wohl öfters hier auftauchen?“, fragte das Ü-Ei skeptisch.
„Ja, ich wollte eigentlich eine Weile dableiben“, antwortete der schöne Mann.
„Dann iss mich!“, das Ü-Ei hoppelte bis zur Tischkante und wäre fast hinuntergefallen.
„Warum sollte ich dich essen?“, fragte der schöne Mann verwundert.
„Ich will nicht länger neben dir liegen, das ist zuviel!“, sagte das Ü-Ei traurig, „Nackt, ohne Aussicht darauf, irgendwann mal gegessen zu werden und dann auch noch zugequatzscht von einem schönen Mann! Ich will nur noch sterben!“
„Was redest du da? Das ist schlecht für meine Figur, und irgendwann wird sie schon kommen!“, sagte der schöne Mann besänftigend.
„Meinst du wirklich?“, fragte das Ü-Ei weinend.
„Ja! Ich lege dich erstmal in den Kühlschrank, damit du wieder fest wirst und dann sehen wir weiter! Sonst werde ich dich irgendwann doch noch essen!“, erwiderte der schöne Mann.
„Gut!“, sagte das Ü-Ei.
Der schöne Mann packte das Ü-Ei wieder sorgfältig in das Stanniolpapier ein und wollte es gerade in den Kühlschrank legen, als es an der Tür klingelte. Der schöne Mann öffnete sie und sah sich einem dicken Kind gegenüber.
„Hallo, ich bin der Fred und ich soll hier das Packet abholen! Sind Sie die Frau Blum?“
Der schöne Mann war empört über diese Ungeheuerlichkeit – sah er wirklich aus wie eine Frau?
„Falsche Tür, hier gibt es kein Paket, Barbie!“, fauchte der schöne Mann empfindlich getroffen.
„Oh…“, rief der dicke Junge und der schöne Mann dachte, er wollte sich entschuldigen, doch… „Ein Überraschungsei!“ Der dicke Junge riss dem schönen Mann das Ü-Ei aus der Hand und wollte verschwinden, doch daraus wurde nichts – der schöne Mann trat ihm in den Hintern und es begann eine wilde Prügelei – der schöne Mann war zwar schön, aber nicht geschickt genug – an dessen Ende der schöne Mann nicht mehr schön, sondern voller blauer Flecken war und das Ü-Ei zertrümmert auf dem Boden lag, sodass es gerade noch für einen Ü-Ei-Muffin reichte.
Und die Moral von der Geschicht: wenn sich zwei Männer streiten, bekommt meistens keiner die Frau, aber ein paar blaue Flecken!