Kartenspiel von moi_seize_ans (immer ein Ass im Ärmel) ================================================================================ Kapitel 12: Karo Dame --------------------- Kartenspiel immer ein Ass im Ärmel Kapitel 12 Karo Dame „Warum kommt es mir so vor, als würde ein handelsfreudiger Araber eine orientalische Teppichparty in meinem Mund feiern?“, Gilbert hechelte stoßweise gegen seine ausgestreckte, rechte Handfläche und versuchte krampfhaft den schäbigen, bereits seit Stunden vor sich hin dampfenden Mundgeruch durch heftiges Luftschnappen zu vertreiben. „Eine sehr alte, gammelige orientalische Teppichparty!“, fügte Paul, der ihm im Transporter gegenüber saß etwas trocken und ein wenig zu neckisch hinzu. Als Antwort erhielt er nicht nur zwei wutüberströmt zusammengekniffene Augenbrauen, sondern auch ein zischendes Grummeln seitens des miesepetrig gestimmten Ostdeutschen. „Das ist reine Nervosität!“, glückerweise war der allwissende Ruhrpottmensch in der Nähe, und knabberte an seinen dreckunterwucherten, fünf Millimeter zu langen Fingernägeln und lenkte so den Zorn ihres selbsterkorenen, prinzipiell immer Recht habenden Gaunergenies auf sich, „Völlig normal also.“ Ruhrpottmenschen – was waren sie nur für ein heilender Segen in dieser heruntergekommenen, herzlosen Welt. Doch bevor Gilbert die geheime, als fahrenden Blumenwagen getarnte Basis zur wortwörtlichen Explosion bringen konnte, schoben sich zwei engagiert und motiviert wirkende Gesichter in die Menge. „Wir gehen jetzt rein, ja?“ Otto und Fritz wirkten so unschuldig und unauffällig wie jeder stinknormale Bremer Bürger auch, keine Spuren von Nervosität oder Anspannung, doch insgeheim wussten sie, dass der Erfolg des gesamten Teams nun an ihnen hing. Einzig und allein an ihnen und dem ersten planmäßigen Schritt. Die drei über Perserteppiche philosophierenden Streithähne blickten ihren Gefährten aufmunternd ins Gesicht, ehe sie ihre Augen fast gleichzeitig auf den protzigen Haupteingang des “Blauweiß“ lenkten. Das getönte Fensterglas gab ihr Versteck nicht frei, aber sie wussten, dass es selbstverständlich einfach sicherer war, sich noch ein paar Häuserblocks entfernt einen anständigen Parkplatz zu suchen. Roland, der sich immerhin als Fahrer nützlich machte, besaß entsprechende Ortskenntnisse und zudem einen sanften, fast schon schleichenden Fahrstil mit der perfektionierten Profitechnik im seitlichen Einparken. „Ok, wir setzen euch gleich zwei Straßen weiter ab, dann geht zuerst Fritz in das Gebäude, eine halbe Stunde später, dann du Oskar.“ „Otto“ „Ach ja, egal. Otto, dann eben“, Gilberts finsterer, angespannter Blick vorbei an einem Strauß gebundener Primeln musterte den jungen Sechzehnjährigen und gab ihm präzise, nadelstichähnliche Anweisungen. „Und lass dich bloß nicht erwischen mit deinen 15 Jahren.“ „16!“ „Ach Mensch, egal, Hauptsache die kriegen dich nicht, bevor du fertig bist.“ ~ Ein normaler Arbeitstag. Wie jeder andere auch. Vormittags war es entsprechend leer und ruhig, einige verkaterte Seelen hatte sie mit Hilfe der Nachtwärter aus dem Gebäude auf die ziemlich abgenutzten und sicherlich mehr als nur unbequemen Fußgängerwege befördert, aber das war mittlerweile schon alltäglicher Kleinkram. Fast so schön wie Martini-trinkende Möchtegern James Bonds, die jede Nacht neben ihr und ihrem Dekolleté böse, ganz fiese, ja fast schon diabolische Gegenspieler ausstechen wollten. Sicher, genau das hatte sie sich unter ihrem neuen, aufregenden Leben vorgestellt. Hamburg, das war nichts weiter als eine graue, farbenleere Stadt mit unzähligen nutzlosen Brücken, noch nutzloserem Wasser und ohne jegliche Perspektiven. Aber hier, in Bremen, im “Blauweiß“, da gab es Spiel, Musik, Leidenschaft, Intrigen, und vor allem Geld. La dolce vita, wenn man so wollte. Als ob. Realität trifft einen oft härter als erwartet. Meist bringt sie dann auch noch ihre guten, alten Freunde mit: die zynisch lächelnde Illusion, und den harten Boden der Tatsachen. Alles alte Bekannte. Mit einem stummen Seufzer blickte die Rothaarige träumerisch und sich selbst zur Motivation aufrufend durch den Saal. Kartenspiele, als ob das Leben nicht schon Risiko genug wäre. Doch schneller als ihr lieb war, hatte sie sich unter die begrenzte Anzahl von Spielern gemischt und wollte an einer ausgedehnten, ziemlich lebhaft wirkenden Partie Texas Hold’em teilnehmen. Irgendetwas war hier nicht so wie an anderen Mittwochmorgen. Viel zu laut, und viel zu viele Menschen im Gewusel, und vor allem, ein viel zu glücklicher Spieler. „Schon genug?“, ihr weiblicher, sechster Sinn sagte ihr, dass etwas mit dem komischen Mann in geschmackloser, eintöniger Bauernkluft nicht stimmte, der trotz riesiger, ja übernatürlich hoher Gewinne aus dem Spiel auszusteigen schien. Keine Antwort. „Es würden hier sicher Viele eine Menge zahlen eine ebenso gute Glückssträhne zu erhaschen.“ Wieder keine Antwort, „Vielleicht“, sie fuhr sich nachdenklich durch ihre seidig schimmernden Haare, „kann man ja etwas von dem Glück abhaben.“ Ja, diesen Kerl würde sie sich genauer ansehen. Vielleicht mochte er ja jeden Anderen getäuscht haben, nur sie als ehemalige, aber dennoch mit weitaus mehr Erfahrung und Menschenkenntnis ausgestattete und durchtriebene Anwältin könne man nicht so leicht in die Irre führen. Da war etwas faul am Bauernjungen mit Stroh im Haar und offensichtlicher Schweineduftnote. Sie konnte es wortwörtlich riechen. „Wie wäre es mit einer Partie-“, spielerisch ließ sie ihre feminin funkelnden Augen tanzen und markierte den harmlos erscheinen Dorftrottel mit ihrem unwiderstehlichen Großstadtcharme, während sie ihren Kopf sinnlich und einladend zurückwarf, „du Hans im Glück?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)