Über Scherben und Federn von blockhead (Manchmal tut es weh, manchmal nicht.) ================================================================================ Kapitel 1: Aneinander vorbei ---------------------------- Ein beschissener Tag Ein entschuldigendes Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. „Es tut mir wirklich Leid. Aber ich kann.. äh, deine Gefühle.. nicht erwidern.. Tut mir wirklich Leid, ehrlich.“ Sie wusste, dass sie sich wiederholte, aber die Worte sprudelten aus ihr hervor, bevor sie es verhindern konnte. Mit einer gekonnten – unleugbar schmalzigen – Bewegung, schob sich Jeff MacMillian die braunen Locken zurück und sah aus, als ob es ihm wirklich Leid täte. Wenn auch nur kurz. „Also bist du schon verknallt, huh?“, fragte er und grinste, offensichtlich in dem Glauben, es wäre charmant. Eine verlegene Hitze kroch über Lilys Wangen, als sie verzweifelt nach einer Antwort suchte, ohne ihm in irgendeiner Form die Wahrheit zu präsentieren – Jeff war so ziemlich einer der letzten Menschen auf der Erde, dem sie ihre Geheimnisse anvertrauen wollte. Denn in wen sie verliebt war wusste noch nicht mal ihre beste Freundin Jamie Woods. Jeff unterbrach mit seinem kehligen Lachen ihre aufkeimenden Panikgedanken über Geheimnisse und deren Lüftungen, indem er ihr zuzwinkerte. Auf eine ganz und gar unverfrorene Art und Weise. „Ich werte das mal als ja, Lils!“ Bei der Erwähnung dieses Namens zuckte Lily zusammen – dieser Spitzname wurde eigentlich nur von ihren Brüdern und ihrer restlichen Familie benutzt. In Jeffs Gedanken hatte er demnach herzlich wenig zu suchen. „Könntest du vielleicht aufhör-“ „Also stehst du echt auf Ältere und so.“ Lilys Mund spielte fast automatisch Fisch. Im Zwei-Sekunden-Takt klappte ihr Kiefer auf und zu, was Jeff dazu animierte, ein erneutes, kehliges Lachen hören zu lassen. „Hättest nicht gedacht, dass ich die Gerüchte kenne, oder?“ Lily gab sich einen Ruck, riss sich aus dem Fischstadium und warf ihre roten Haare über ihre Schulter nach hinten. Mit funkelnden Augen baute sie sich vor Jeff auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wer behauptet so einen Schwachsinn?!“, fauchte sie und in ihren braunen Augen blitzte der allseits bekannte Weasley-Zorn auf. „Niemand bestimmtes, Lils“, meinte Jeff stirnrunzelnd und wich vorsichtshalber ein wenig zurück, „Aber, na ja, dass Scorpius und du...“ Der Hufflepuff ließ den Satz ins Leere verlaufen und Lilys Geduldsfaden riss genau in dieser Sekunde. Ihre Gefühle brachen aus ihr hervor, wie ein Tornado, während sich rote Flecken auf ihren Wangen abzeichneten. Ihr Zeigefinger bohrte sich fast in seine Brust, nur mit Mühe konnte die Rothaarige ihren Arm in Körpernähe halten, dort, wo er hingehörte. „Scorpius und ich?! Hast du sie noch alle?! Hast du keine Augen im Kopf, du Froschhirn??“ Puterrot wirbelte sie herum und stapfte in Richtung Kerker, zu ihrem nächsten Fach. Zaubertränke. Juhu. Sein typisches Lachen wehte ihr hinterher. „Im Gegenteil! Jeder hat Augen im Kopf, Lily!“, rief er ihr hinterher und mit einem frustrierten Schrei warf Lily eine Rüstung um. Dann begann sie zu rennen, damit weder Mrs. Norris noch Filch die Chance hatten, sie zu ertappen. In Zaubertränke stand für Lily fest, dass dieser Tag nichts Gutes mehr bringen würde. Der Unterricht bei Slughorn war der Letzte für heute, aber trotz der wenigen Zeit, die noch zwischen den Schülern und ihrer Freizeit stand, schien mindestens die Hälfte der Klasse unfassbar schlechte Laune zu haben. Obwohl Professor Slughorn redete, herrschte ein kontinuierliches Quatschen und Scherzen unter den Schülern. Einige schmiedeten Pläne für das Wochenende, andere bereits für Weihnachten und alle anderen schwatzten einfach nur vor sich hin. Slughorn dagegen sprühte wie üblich vor Lebensfreude und traute seiner Lieblingsschülerin, die ihn an gute, alte Zeiten erinnerte, heute besonders viel zu. Lily bekam ein Buch der sechsten Klasse und die Aufgabe „Sud des lebenden Todes“, während alle anderen sich einen Trank aussuchen durften. Der Meister der Zaubertränke schien zu denken, dass ihr Ausnahmetalent groß genug war, um Tränke der sechsten Klasse in der Fünften zu behandeln. Missmutig betrachtete Lily die Zutaten, die sie aus dem Vorratsschrank geholt hatte, und machte sich an die Arbeit. Inzwischen ebenfalls schlecht gelaunt, da ihr Jeff MacMillian gründlich den Tag versaut hatte. Zusammen mit den idiotischen Gerüchten, die anscheinend ihre Runden machten. Jamie Woods stand Lily gegenüber und lächelte fast schon schadenfroh. „Daran scheiterst du!“, prophezeite sie hämisch und lachte. Sie mochte weder Zaubertränke noch Slughorn und schüttelte regelmäßig den Kopf, wenn Lily mit Freude die Hausaufgaben erledigte. „Sehr witzig! Hoffentlich fällst du beim Training heute vom Besen, direkt in Fred oder eine dicke, tiefe Schlammpfütze!“ Jamie, die Ordnung und Resolution in Person, verstand sich weder mit dem witzig-albernen Fred, noch mit stinkendem, schleimig-dreckigem Schlamm. Angewidert verzog sie das Gesicht und schüttelte sich regelrecht. Doch Lily hatte noch mehr zu sagen und anhand ihrer wütend nach vorne vorgeschobenen Unterlippe, erkannte Jamie, dass es nichts gutes war. „Sag mir lieber, woher Jeff Scorp-und-ich-lieben-uns-heiß-und-innig-Gerüchte kennt, anstatt Schadenfreude zu versprühen“, verlangte die Rothaarige irgendwie trotzig und rührte aggressiv ihren Zaubertrank durch. Jamie fuhr sich etwas unsicher durch die kurzen, braunen Haare und runzelte die Stirn. „Weiß er?“, echote sie und beobachtete ihren Furunkelverschwinde-Trank mit Misstrauen, weil er Blasen warf, „Ihr steht euch schon nahe, oder? Also du und.. Scorpius.“ Lily rührte immer noch in ihrem Trank herum und konnte sich nur mit Mühe zu einer Antwort durchringen, während sie einen Blick aus dem Augenwinkel zu Louis und Hugo warf, die am Nachbartisch miteinander flüsterten. „Ja, irgendwie schon. Dabei ist er echt nur der beste Freund meines Bruders für mich.“ Ein gequältes Seufzen wich über ihre Lippen und Jamie sah sie nachdenklich an. „Heute Abend nach dem Training erzählst du mir alles, okay?“ Es war einer dieser seltenen Momente, in denen ein weicher Ausdruck über Jamies Gesicht schwappte. Normalerweise war sie eher hart und anstrengend und zog es nicht mal ansatzweise in Betracht, an so etwas wie romantische Liebesgeständnisse oder Liebeskummer zu denken. Das Zaubertrank-Auserwähltentochter-Genie unter den Freundinnen – anders gesagt: Lily – schüttelte nur träge den Kopf und seufzte niedergeschlagen. Missmutig starrte sie durch die Dampfschwaden der Tränke hindurch zu ihrer Freundin rüber und schüttelte erneut den Kopf. „Ach, Jamie, du weißt doch, dass ich das nicht kann.Ist es einmal draußen... Ich weiß nicht..“ „Das mit Scorpius hast du mir ja schon mal erklärt.. Also.. Na gut.“ Zweifelnd sah Lily ihre Freundin an. „Na gut was?“, hakte sie nach und hoffte, das Jamie nicht doch beleidigt geworden war, weil ein Geheimnis ein Geheimnis blieb, „Was meinst du damit?“ Die Quidditchkapitänin grinste und zuckte nichtssagend mit den Schultern. „Dann musst du halt mit wem anders reden. Hätte dir bei mir wahrscheinlich eh nich so viel gebracht. Habs ja nich so mit romantischem Zeug..“ Ein Grinsen erschien ins Lilys Gesicht und sie nickte verstehend. Jamie war wirklich taktlos wie ein totes Stück Holz. Dann riskierte sie einen Blick auf die Uhr – noch schlappe fünfzig Minuten bis zur Freiheit des Wochenendes. Und zumindest für diese fünfzig Minuten keimte in Lily die Hoffnung auf, dass der Tag doch noch gut werden würde. Nach Zaubertränke war Lily gleich in den Gryffindorgemeinschaftsraum gehastet und hatte Jamie, Hugo und Louis bei den anderen aus ihrem Jahrgang zurückgelassen, anstatt – wie sonst üblich – mit ihnen gemütlich durchs Schloss zu schlendern. Momentan brütete sie intensiv und konzentriert über den Hausaufgaben, die für Montag anfielen und die sie sonst bis zur allerletzten Minute aufschob. Nicht nur ihren drei besten Freunden fiel auf, dass sie sich anders benahm, Hausaufgaben machte, manchmal – in einigermaßen unbeobachteten Momenten – ungewohnt niedergeschlagen wirkte und außerdem überall pünktlich war. Auch der Rest des Quidditchteams wunderte sich über Lily und zuckte nur ratlos mit den Schultern, als sie sich zum Quidditchfeld aufmachten, während Lily noch einmal ihren Aufsatz für Verwandlung überflog. „Da bist du ja.“ Da die Rothaarige ziemlich lange nur im Gemeinschaftsraum gesessen und sich so gut wie gar nicht bewegt hatte, war es ihr ein Rätsel, wie man sie übersehen konnte. Als sie von ihrem Pergament aufsah, erblickte sie ihre Cousine Rose, die lächelnd auf sie heruntersah, bevor sie sich setzte. Rose grinste gut gelaunt und Lily spürte fast augenblicklich, wie diese gute Laune auf sie übersprang. „Was gibt’s denn, Cousinchen?“, fragte die Jüngere und rollte ihren Aufsatz zusammen. Dann verstaute sie Federkiel und Tintenfässchen. Erst als Lily wieder komplett still auf ihren vier Buchstaben saß, begann Rose zu sprechen, wobei ein Lächeln durch Rose' komplettes Gesicht flutete und Lily ebenfalls zum Lächeln animierte. „Ich dachte, wir könnten in Hogsmeade vielleicht mal wieder etwas mehr Zeit als üblich miteinander verbringen. Du weißt schon, wie früher.“ Am Anfang der gemeinsamen Hogwartszeit waren Treffen, in denen die alltäglichen Geschehnisse und Probleme beredet wurden, eine angenehme Regelmäßigkeit gewesen, aber irgendwie hatten sich diese Treffen von selbst beendet, ohne, das eine der beiden es großartig bemerkt hätte. Eben weil das letzte Treffen schon eine ganze Weile zurücklag, strahlte Lily übers ganze Gesicht. „Ja! Unbedingt, das ist eine echt gute Idee, Rose.“ Während Lily dabei war, aufzustehen, begann sie Rose von dem neuen Laden für Hüte zu erzählen, der dort aufmachen würde und raffte dabei ihre Sachen zusammen. „Soll ich dir mit dem Tragen helfen?“, bot Rose lächelnd an, doch Lily winkte gut gelaunt ab. „Ach, lass mal, ich schmeiß das eh nur gerade auf mein Bett und räum das später weg. Ich muss los zum Quidditch! Danke und bis zum Abendessen, da können wir weiter reden!“ Und bevor Rose noch die Gelegenheit hatte, irgendetwas zu antworten, war Lily schon davon gerannt. Die ältere Weasley strich sich durch ihre rostbraunen Locken und sah aus dem Fenster, um das Quidditchfeld zu inspizieren. Fast sämtliche Weasleys – alle Potters sowieso – waren komplett verrückt nach diesem Spiel. Mit einem müden Grinsen stand Rose auf und beschloss, in die Bibliothek zu gehen. Solange sie keiner zwang mitzumachen, war alles gut. Wäre Lily wirklich in Scorpius verliebt, würde das Quidditchtraining sie zweimal pro Woche in eine tiefe, endlose Depression stürzen. Seit geraumer Zeit – niemand wusste genau, wie es wirklich dazu gekommen war – trainierten Gryffindor und Slytherin nebeneinander. Die eine Hausmannschaft am südlichen Ende der Arena, die andere am nördlichen. Slytherin hatte es mit ihrem Bruder Albus als Kapitän verhältnismäßig gut getroffen, während Gryffindor mit Jamie.. nicht so gut dran war. Das wirklich Peinliche am Training der Gryffindors war jedoch, dass Jamie sie mindestens fünfmal im Monat durch Schlamm kriechen und Konditionstraining machen ließ. Danach sah selbst der verhunzeltste Hauself schön neben Lily aus, die nach so einem Training mindetsens zwei Duschen brauchte, um wieder halbwegs annehmbar auszusehen. „Man! Der wäre rein gegangen!!“ Die Mannschaft hatte das Training mit einigen Torschuss-Aufwärmübungen begonnen. Lily war die Letzte gewesen und ausgerechnet – oder gerade? – Louis hatte sie mit Absicht abgelenkt, sodass ihr Quaffel nicht nur ein bisschen, sondern total daneben geflogen war. Alle landeten wieder auf dem Boden, Lily sogar wieder auf dem Boden der Tatsachen. Ein missmutiges Gefühl schraubte sich aus ihrem Inneren hoch und nahm ihr die gute Laune, die sie bis eben noch gehabt hatte. Sie streckte dem blonden Weasley die Zunge raus und wollte noch etwas sagen, als sie eine ziemlich große Ladung Schlamm im Gesicht traf, gefolgt von einem Quaffel an der Schulter. „Reg dich mal ab, Lily!“, lachte das eingeschworenste Team der Mannschaft albern und übersah, dass die Rothaarige zitterte. Max Bell und Brad O'Conner klopften anerkennend auf die Schulter des jeweiligen anderen und grinsten vor sich hin. „Guter Schlammwurf“, meinte Max, und Brad nickte zurück, „Hervorragender Quaffelwurf, danke vielmals.“ Zehn Meter weiter sahen sich die Slytherinspieler irritiert an. Dass jemand aus der Gryffindormannschaft anfing, aggressiv zu brüllen, kam eher selten vor und im Bruchteil einer Sekunde starrte die Mannschaft zu ihren Gegnern, wo Lily gerade ihrerseits die beiden Jungs in den Dreck schubste und Zeter und Mordio schrie. „Was euch den Zauberstab verknotet hat, das würd ich echt gern mal wissen!! Geht doch und spielt ein bisschen bei den Knallrümpfigen Krötern!“ Der Rest des Gryffindorteams starrte die Jägerin überrascht an. Lily fluchte so gut wie nie. Manchmal war sie ein wenig frech und manchmal spielte sie einen kleinen Streich, ja, aber das kam nur ein paar Mal vor. Und dass Lily wirklich die Fassung verlor.. Das passierte höchstens einmal im Jahr. Und das sie ihre Fassung auch noch in den ersten – unspektakulären – zehn Minuten des Trainings verlor, machte die Sache noch komischer. Louis machte einen Schritt auf seine beste Freundin zu, Jamie klappte verärgert den Mund auf und Hugo wirkte ernsthaft besorgt. „Lily, wenn du willst können wir reden“, sagte Louis beschwichtigend und fuhr sich durch die glänzenden, blonden Haare, während Jamie im selben Moment ein verärgertes „Na toll“ über die Lippen glitt. Training, das unterbrochen wurde, gehörte nicht wirklich zu den Dingen, die Jamie schätzte. Und für den Verursacher der Störung hatte die Kapitänin in den Momenten des gestörten Trainings kein Mitleid übrig, egal, wie es um die Gefühlswelt des Störenfrieds stand. Bevor die Freundinnen in einen – für alle Anwesenden lebensgefährlichen – Streit rutschten, ging Hugo dazwischen. Seine braunen Augen funkelten entschlossen und er drückte Lily genauso entschieden Richtung Umkleide, wie er sie angeguckt hatte. Hugo war groß, schlaksig und hatte dunkle Kupferhaare, die an warme Herbstabende erinnerten. Meistens war er unbeholfen, gut gelaunt und ertrug das Leben mit viel Witz, aber manchmal hatte er auch diese unglaublich erwachsenen Momente. Allerdings konnte auch sein Anfall von plötzlicher Reife Lilys momentanen Gefühlsausbruch nicht beschwichtigen. „Du solltest heute das Training lieber aussetzen“, sagte Hugo ruhig und Lily drehte sich einfach um und ging über den Rasen zu den Umkleideeingängen. Ihre Lippen waren fast wie aufeinander geschweißt – stumm und nachdenklich zu gehen kostete sie keine Mühe. Nur ein Teil der Slytherinmannschaft konnte sehen, dass sie weinte und ihre plötzliche Wut von eben langsam einer verlegenen Verzweiflung wich. Heute war alles seltsam und dumm und unbegreiflich. Und ihre Gefühle fuhren Achterbahn. Die Frage war nur, wie lange es Lily auf dieser Achterbahn aushalten würde, bis ihr endgültig schwindelig wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)