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You're not alone

von

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Ein neuer Freund?

Zur heutigen Zeit ist das Leben für einen Jugendlichen nicht gerade viel leichter als das eines Erwachsenen. Es besteht genauso aus Problemen, Sorgen und Ängsten, doch die Jugend von heute stellt es oft sehr geschickt an, mit diesen Problemen umzugehen. Während die einen versuchen, die Probleme zu beseitigen, sie bekämpfen, lassen andere sie einfach zu und zeigen keinerlei Scheu, das Gefühl der Angst zu zeigen. Eine weitere Gruppe gibt es, die weder dagegen ankämpft, noch es zulässt, sondern stattdessen die Probleme in sich hinein frisst, sie versteckt und davor davon läuft, was wohl die schlechteste Variante von allen ist. Umso mehr man sie schließlich in sich hinein frisst, desto schlechter würde es einem im Nachhinein gehen, desto mehr distanzierte man sich von seinen Mitmenschen und seiner Umwelt.

Miyuki Ichiba war so einer, lebte er doch schon seit zwei Jahren allein.

Sein Vater war bis vor zwei Jahren noch bei ihm gewesen, hatte mit ihm zusammen gelebt, ihn unterstützt und geliebt, sowie ein Vater seinen Sohn lieben sollte und war immer für ihn da gewesen.

Doch eines Tages wurde ihm sein geliebter Vater entrissen, der bei einem schweren Autounfall, bei dem Miyuki auch anwesend gewesen war, ums Leben kam.

Von diesem Tag an war Miyuki auf sich allein gestellt. Seine Mutter hatte ihn nicht haben wollen, weshalb er freiwillig nach der Scheidung zu seinem Vater gegangen war. Sie wollte immer schon, dass Miyuki in Wirklichkeit ein Mädchen war und machte ihm Vorwürfe, dass er das nicht geworden war. Oft sagte sie, dass sie ihn nicht ansehen konnte, weil er ein Junge war. In der Vergangenheit hatte Miyu das sehr verletzt, was nicht weiter verwunderlich war, doch sein Vater hatte ihm beigestanden und diese Wunden mit seiner Freundlichkeit und seiner Liebe geheilt. Doch seitdem dieser nicht mehr bei ihm war, begannen diese Wunden, wieder aufzureißen. Er fühlte sich sehr oft alleine und einsam, wünschte sich wieder diese Liebe, die er einst von seinem Vater bekommen hatte. Doch man konnte nichts erzwingen. Er konnte nur warten, bis eines Tages die richtige Person zu ihm kam und ihm wieder diese Liebe gab, die er so dringend brauchte. Es war schwer, doch er musste es akzeptieren und so versuchte er immer wieder, sein wahres Gesicht und seine Einsamkeit zu verstecken, die ihn so oft quälte.

Nicht nur in der Schule sondern auch bei seinem Nebenjob, den er ausübte, hatte er diese Maske auf. Er arbeitete als Aushilfe in einem Musikladen, was für ihn eigentlich wie geschaffen war, spielte er doch selbst Gitarre aus vollster Leidenschaft und kannte sich im Musikbereich wirklich sehr gut aus, was dort auch sehr geschätzt wurde. Die Musik war immerhin auch das Einzige, was ihn aufrechterhalten hatte, nachdem sein Vater gestorben war. Sie war das einzige, was ihn am Leben hielt, es war alles für ihn und das Wertvollste, was er je geschenkt bekommen hatte.

Sein Vater hatte ihm nicht viel Geld hinterlassen, weil er nie wirklich viel davon gehabt hatte. Er musste diesen Nebenjob übernehmen, schließlich musste er sich eine kleine Wohnung finanzieren, die er nur bekommen hatte, weil dem Besitzer des Hauses es egal war, wer in seinem Haus wohnte, ob minderjährig oder nicht. Wenn derjenige bezahlen konnte, war es gut, nur das Geld war wichtig und zählte. Einverstanden mit diesen Ansichten des Besitzers war der junge Schüler nicht wirklich, doch beschweren würde er sich bestimmt auch nicht. Er musste froh sein, dass er so ein Glück hatte, in dieser Wohnung wohnen zu dürfen. Es war immerhin besser, als zu seiner Mutter zurückzukehren, viel besser.

Neben seinem Job im Musikladen ging er natürlich auch noch zur Schule. Er war ein eher durchschnittlicher Schüler und schlief auch ab und zu mal im Unterricht vor Erschöpfung ein, was natürlich mit einer Standpauke des Lehrers bestraft wurde, die er jedoch einfach immer über sich ergehen ließ. Die Schule war ihm nicht so wichtig. Viel wichtiger war ihm, dass er später in dem Musikladen eine Lehre beginnen konnte, die ihm der Ladenbesitzer auch versprochen hatte, wenn er positiv die Schule abschloss. Wichtig war also nur, dass er in keinem Fach durchfiel und es war ja auch nicht so, dass er nur schlechte Noten hatte.

Würde er also die Schule mit einer guten Leistung bestehen, durfte er in diesem Laden eine Lehre beginnen, was ihm ein doch sehr sicheres Gefühl gab. Er dachte viel über seine Zukunft nach, was auch wichtig war, wenn man allein lebte, auch wenn er nicht davon ausging, dass dieser Zustand vom Alleinsein für ewig anhielt.

Wenn er seine Maske aufhatte, war Miyuki ein recht munterer Typ. Mit einigen frechen Ansagen und auffallendem Verhalten machte er sich bemerkbar, um nicht ganz in seiner Einsamkeit, die ihn bedrückte, unterzugehen. Auch war er sehr hilfsbereit und wenn er mal jemanden mochte, dann zeigte er das demjenigen auch. Und dennoch ging er bei den meisten aus Angst auf Abstand, wollte er doch nicht wieder verletzt werden oder gar einen für ihn wichtigen Menschen verlieren. Diese Angst begleitete ihn tagtäglich und machte ihm zu all dem Übel auch noch verletzlich und angreifbar, denn hinter seiner Maske war er sensibel und einsam und sein wahres Gesicht kannten wirklich nur sehr wenige.

Doch vom heutigen Tage an sollte sich das alles ändern. Ein neuer Mensch sollte in sein Leben treten und es von Grund auf verändern.

Am heutigen Schultag passierte etwas ganz Ungewöhnliches, kam doch mitten im Schuljahr ein neuer Schüler zu ihnen in die Klasse. Dieser betrat gerade, zusammen mit dem Lehrer, den Raum und wurde von diesem auch gleich vorgestellt.

„Das ist Sei Tetsune. Er ist mitten im Schuljahr zu uns gekommen, weil seine Familie hierher nach Tokyo gezogen ist“, erklärte der Lehrer nur kurz und der junge Schüler verbeugte sich auch schon vor der ganzen Klasse und ließ seinen Blick danach durch diese schweifen.

„Freut mich, euch kennen zu lernen“, meinte er mit einem Nicken und lächelte.

Sogleich hörte man auch leises Getuschel von den meisten Mädchen, während Miyuki das ganze beobachtete und den Neuen musterte, der doch einen recht sympathischen Eindruck auf ihn machte.

„Gut, setz dich doch neben Miyuki, da ist noch ein Platz frei“, kam es von dem Lehrer, der dabei auf den noch freien Platz deutete.

Nur ein leichtes Nicken war von Sei zu sehen und er setzte sich auch schon neben den Braunhaarigen, der ihn eine kurze Weile noch musterte und ihm dann die Hand reichte. „Hallo, ich bin Miyuki Ichiba“, stellte er sich auch schon vor und Sei nahm die Hand gerne an und drückte sie leicht, nickte ihm zu.

„Freut mich, dich kennen zu lernen, Miyuki“, meinte er lächelnd und musterte den Mitschüler ebenso.

„Aus welcher Schule kommst du denn?“ fragte der Braunhaarige ein wenig neugierig und drehte sich dabei seitlich zu ihm.

„Wir sind von Kyoto hierher gezogen und ich war in der Sportschule von Kyoto“, erklärte Sei kurz und Miyuki hob leicht eine Augenbraue, legte den Kopf schief.

„Sportschule? Wieso bist du dann in diese Schule und nicht in unsere Sportschule in Tokyo gegangen?“ fragte der etwas Kleinere nach, fand er das doch recht seltsam.

Schließlich hatte die Sportschule in Tokyo einen sehr guten Ruf und auch schon einige Spitzensportler unterrichtet.

„Nun... ich habe dort angefragt, aber die meinten, dass sie unterm Jahr keine Schüler aufnehmen, da diese zuviel verpassen. Also musste ich hierher“, erklärte der Schwarzhaarige weiter und Miyuki gab nur ein verständnisvolles Nicken von sich, ehe sie von dem Lehrer aufgefordert wurden, nun ruhig zu sein, da der Unterricht schon längst begonnen hatte.

Mit einem leichten Seufzen drehte sich der Junge mit den blauen Augen wieder nach vorn zur Tafel und gab ein leises, murrendes Geräusch von sich.

So konnte der Unterricht nun beginnen. Sie hatten gerade Englischunterricht, wobei Miyu sowieso schon hinterher hinkte. Zu allem Übel war er heute noch sehr müde, da der gestrige Tag doch sehr anstrengend gewesen war. Er hatte von sich aus Überstunden gemacht, da sehr viel im Laden los gewesen war und schließlich brauchte er das Geld. Doch er versuchte, so gut es ging, wach zu bleiben und dem Unterricht zu folgen, was ihm zu seinem Glück auch bis zum Schluss gelang, ehe es zur großen Pause läutete.

Erleichtert ließ der Braunhaarige seinen Körper auf den Tisch fallen und er fuhr sich durch die Haare, horchte dann auf, als er neben sich eine ganze Horde von Mädchen kichern hörte. Diese hatten Sei sofort eingekreist und begannen, ihn auszufragen, ihm schöne Augen zu machen und einfach auf sich aufmerksam zu machen, immer mit der Absicht, besser zu sein als die andere.

Der Schwarzhaarige schien das schon gewohnt zu sein, denn er antwortete immer mit kurzen Sätzen, mit denen sich die Mädchen auch zufrieden gaben. Tatsächlich war es so, dass Sei das alles schon gewohnt war und wusste, wie er damit umgehen musste, denn in seiner vorigen Schule war es nicht anders gewesen. Er war dort auch sehr beliebt bei dem weiblichen Geschlecht gewesen. Außerdem war er auch der beste Spieler in seiner Fußballmannschaft gewesen und noch dazu der Kapitän. Im Allgemeinen war er auch ein guter Schüler, brachte gute Noten nach Hause und war bei den Lehrern durch seine Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit positiv aufgefallen.

Miyuki beobachtete das mit einem leichten Grinsen, denn der andere stellte es wirklich geschickt an, einigen Fragen der flirtenden Mädchen auszuweichen und schließlich drehte dieser sich zu Miyu um und beugte sich zu ihm.

„Also wie wär’s? Könntest du mir das Gebäude ein wenig zeigen?“ fragte er dann ein wenig bittend und auch mit der Bitte in der Stimme, dass er ihn vor diesem Haufen Mädels retten sollte, da ihm das doch etwas zuviel wurde.

Die Mädchen waren in seiner alten Schule nicht so aufdringlich und beinahe schon nervig, gewesen. Ein leises Kichern war von dem Braunhaarigen zu hören und er nickte auch schon, erhob sich zusammen mit dem neuen Schüler und sie verließen beinahe fluchtartig das Klassenzimmer.

Im Schnelldurchlauf zeigte Miyuki Sei die wichtigsten Räume, ehe sie nach draußen in den großen Hof gingen, der im Sommer mit einer schönen grünen Wiese und vielen unterschiedlichen, bunten Blumen ausgestattet war. Bänke mit Tischen und ein kleines Fußballfeld für die Pausen befanden sich ebenso auf diesem Hof und zusammen mit seinem neuen Sitznachbarn setzte er sich auf eine freie Bank, entfernt von dem Trubel, den die Mädchen verursacht hatten.

„Also... und du kommst aus Kyoto und wieso seid ihr nach Tokyo gezogen? Ist doch viel schöner in Kyoto?“ kam es von Miyuki, der einfach mal ein Gespräch anfangen wollte, um den anderen auch ein wenig besser kennen zu lernen.

„Mein Vater arbeitet als Koch und hat hier sein eigenes, kleines Restaurant eröffnet, einfach weil ihm diese Stadt gefällt und meine Mutter auch schon immer hierher wollte. Also haben wir beschlossen, gleich hierher zu ziehen. Außerdem gibt es für mich später bessere Möglichkeiten, vielleicht eine Sportlerkarriere zu beginnen“, erklärte Sei und grinste bei seinen letzten Worten und auch der Braunhaarige horchte interessiert auf.

„Sport? Aha, was betreibst du denn für eine Sportart?“ fragte Miyuki auch gleich mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht.

„Fußball, schon seit einigen Jahren. Na ja eigentlich schon, seit ich ein kleines Kind bin und ich hoffe, dass man hier auch in einem Club spielen kann, sonst muss ich mir wohl woanders eine Möglichkeit suchen, um Fußball zu spielen“, antwortete Sei ihm etwas nachdenklich und auch abwartend, ob der andere ihm den vielleicht bestätigen konnte, dass es einen Club hier gab.

„Fußball also. Toller Sport, aber ich hab zwei linke Füße dafür... ich spiel lieber Tennis“, meinte Miyuki darauf leicht lachend und lehnte sich zurück an die Banklehne. „Aber einen Fußballclub gibt es hier“, fügte er noch hinzu und grinste dann leicht, woraufhin Sei nun auflachte.

„Haha... dafür hab ich zwei linke Hände, das konnte ich noch nie“, meinte er lachend und freute sich, dass es wirklich einen Club gab, in dem er einsteigen konnte, erleichterte ihn das doch sehr.

Auch Miyuki lachte nun bei dem auf, was ihm der andere sagte und kicherte zum Schluss leicht.

„Na ja, da haben wir ja schon fast was gemeinsam“, meinte er schmunzelnd und der Schwarzhaarige nickte ihm nur ebenso schmunzelnd zu.

„Aber auch nur fast“, fügte er noch leicht lachend hinzu und Miyuki nickte daraufhin grinsend.

„Und was für Clubs besuchst du?“ fragte Sei nach und wollte weiterhin mit Miyuki im Gespräch bleiben, da er dieses doch recht angenehm fand.

„Ich? Also den Tennis und den Musikclub, in dem ich auch der Clubchef bin“, erklärte er kurz und schmunzelte, als er die blinzelnden braunen Augen des anderen sah.

„Wow, sogar Chef von einem Club“, meinte Sei grinsend und bemerkte, wie im nächsten Moment ein Fußball auf sie zu rollte.

Da erhob er sich auch schon und nahm ihn zu sich hoch, sah in die Richtung, woher er gekommen war.

„Hey! Gehört der euch? Okay! Ich schieß ihn euch zurück!“ rief Sei den Schülern zu, nachdem sie zugestimmt hatten und ließ den Ball einfach aus seinen Händen gleiten, schoss ihn mit seinem rechten Fuß gezielt und direkt vor die Füße der anderen, die darauf nur beeindruckt zu ihm schauten, kurz tuschelten und ihm dann dankend zuwinkten.

„Wow! Ich kenn mich zwar in Fußball nicht so gut aus, aber das war doch ein verdammt guter Schuss!“ gab Miyuki beeindruckt von sich.

„Danke. Als ehemaliger Teamkapitän muss man so was auch drauf haben. Aber du solltest mich mal in Aktion erleben“, kam es selbstsicher von dem Schwarzhaarigen, der dabei grinste und sich wieder setzte.

„Aha, Kapitän also, na dann ist es kein Wunder. Ich wette, dass du dann auch der Kapitän unserer Mannschaft wirst, denn im Moment suchen sie einen, weil der letzte umgezogen ist“, erklärte der Kleinere kurz, woraufhin Sei nachdenklich zu ihm sah.

„Hm... ne tolle Sache wär’s schon, das würde mir einiges erleichtern. Ich werd auf jeden Fall nachfragen“, meinte er kurz lächelnd und nickend, woraufhin der Braunhaarige ihm ebenso ein Nicken schenkte.

Wie jede große Pause verging auch diese recht schnell und alle Schüler gingen zurück in ihr Klassenzimmer, wo der Unterricht auch gleich fortgesetzt wurde.

„Schlagt bitte Seite 25 auf und erledigt diese Aufgabe“, fing der Lehrer an, zu reden und erklärte in kurzen Worten, was zu tun war.

Miyuki beugte sich auch gleich hinab und holte aus seiner Schultasche sein Buch, schlug die angesagte Seite auf, blinzelte dann aber, als er von seinem Sitznachbarn Sei angestupst wurde. Er blickte auch gleich zu ihm und sah ihn fragend an.

„Lässt du mich mit schauen? Ich hab nur die Bücher von meiner alten Schule und das sind ganz andere. Die neuen bekomm ich erst in zwei Tagen“, kam es fragend und erklärend von dem Größeren und Miyu lachte leicht auf, nickte ihm dann aber auch schon zu und legte das Buch in die Mitte des Tisches. Sei schmunzelte dankend und sie begannen, zusammen diese Aufgabe zu erledigen.

Jedoch auch diese Stunde und auch die restlichen vergingen recht schnell und so läutete die Glocke zur letzten Stunde. Alle packten ihre Sachen und verließen das Schulgebäude. Miyuki und Sei gingen zusammen zur Bushaltestelle, denn wie sich herausstellte, wohnten sie nicht gerade weit weg voneinander. Als der Bus dann an ihrer Haltestelle stehen blieb, stiegen sie aus und gingen zusammen die Straße entlang, ehe sich ihre Wege trennten. Miyuki musste noch ein kleines Stück weiter gehen, um bei seiner Wohnung anzukommen, während Sei schon beinahe vor seinem Haus stand.

„Also dann bis morgen, ja?“ kam es von Sei und er winkte ihm zum Abschied noch mal zu, was Miyuki nur ebenso mit einem Winken erwiderte.

Zu Hause angekommen, sperrte und öffnete er auch gleich seine Tür.

„Bin zu Hause!“ rief er auch schon in die Wohnung hinein, auch wenn er wusste, dass niemals eine Antwort zurückkam.

Er machte das immer, um wenigstens für einen Moment lang zu hoffen, dass jemand um die Ecke kam und ihn begrüßte, ihn anlächelte oder umarmte, ihm einfach ein paar warme und nette Worte schenkte. Doch nichts kam, wie jeden Tag. Das einzige, was ihm entgegen gerannt kam, war seine treue Katze Miya. Sie maunzte auch gleich leise und schmiegte sich auch schon an seine Beine. Das zauberte jedes Mal ein Lächeln auf seine Lippen und wie jedes Mal beugte er sich zu ihr hinab und hob sie zu sich hoch, schmiegte sich an sie und streichelte sie sanft, woraufhin sie ihm ein dankendes Schnurren schenkte.

„Meine Süße... was würde ich nur ohne dich tun“, meinte Miyuki leise flüsternd und lächelte wieder, trug sie mit sich mit in die Küche, setzte sie dort am Boden ab und füllte ihren Futternapf mit Fressen und Wasser auf, worauf sie sich gleich stürzte.

Miyuki selbst nahm auch eine Kleinigkeit zu sich, brachte dann seine Schultasche erstmal in das große Wohnzimmer, was zugleich auch sein Schlafzimmer war und zog sich dann um, da er gleich weiter zur Arbeit musste, zu welcher er sich nach einer halben Stunde aufmachte.

Das harte Leben

Drei Tage waren nun schon vergangen, seitdem Sei auf seiner neuen Schule war, auf der es ihm immer besser gefiel.

Die Tatsache, dass er gleich Freundschaft mit seinem Sitznachbarn geschlossen hatte, machte die Sache noch besser und vor allem auch leichter. Er war froh, dass er sich gleich mit jemandem angefreundet hatte. Nicht dass er keine Freunde gefunden hätte, wenn Miyuki nicht gewesen wäre, aber er spürte einfach, dass sein neuer Freund etwas ganz besonderes war und bestimmt noch länger eine Rolle in seinem Leben spielen würde.

Immerhin war Sei ein sehr feinfühliger Mensch, was Gefühle anging. Er konnte erkennen, wenn es einem schlecht ging und des Öfteren auch in die Seele eines Menschen sehen.

Seine Mutter sagte immer, dass das eine besondere Gabe war, die nur er besaß.

Seine Eltern liebten ihn sehr, er war auch ihr einziges Kind, auf das sie sehr stolz waren, weshalb sie ihm auch ihre ganze Liebe schenkten. Alles in allem waren sie eine sehr harmonische Familie, hatten keine Geheimnisse voreinander und stellten sich jedem Problem mit einer Lösung entgegen.

Heute war der letzte Schultag in seiner ersten Woche und wie jeden Tag verabschiedete Sei sich mit einer kurzen Umarmung von seiner Mutter und machte sich danach gleich auf den Weg zur Bushaltestelle, wo er sich mittlerweile täglich mit Miyuki traf, um gemeinsam mit ihm zur Schule zu fahren.

Jedoch war Miyuki heute nicht hier, was Sei doch recht verwunderte. Jedoch beschloss er erstmal zu warten, ob der Braunhaarige nicht doch noch kam.

Als der Bus dann allerdings schon vorfuhr und Miyu immer noch nicht da war, stutzte Sei etwas.

„Vielleicht kommt er mit dem späteren Bus“, sprach er zu sich selbst und stieg in den Bus ein.

Schließlich wollte er in der ersten Schulwoche nicht unbedingt auffallen, weil er zu spät kam. Das machte keinen guten Eindruck.

In der Schule angekommen, ging er erst in die Garderobe, um sich dort wie immer und wie alle anderen Schüler auch seine Hausschuhe anzuziehen, die bekanntlich in jeder Schule Vorschrift waren. Danach ging er in das Klassenzimmer und setzte sich auf seinen Platz, holte auch gleich sein Musikbuch für die erste Stunde hervor und sah immer wieder mal zur Tür, ob Miyuki kam. Doch im nächsten Moment konnte er sich nicht mehr darauf konzentrieren, Ausschau nach Miyuki zu halten, da ein ganzer Haufen Mädchen auf ihn zukam und ihn mit Fragen überhäuften. Es war nach wie vor immer noch sehr laut um ihn herum, das würde sich wohl erst in der nächsten Woche legen, zumindest hoffte er das.

Ehe er sich dann versah, läutete die Schulglocke auch schon und der Lehrer betrat den Raum. Erneut sah Sei auf die Uhr und neben sich auf Miyus Sitzplatz. Miyuki war immer noch nicht hier. Ob was passiert war? Oder hatte er einfach nur verschlafen?

Schließlich begann die Stunde und wie jeden Tag in der ersten Stunde rief der Lehrer jeden einzelnen Schüler beim Namen auf, um die Anwesenheit von diesen zu prüfen. Jedoch als Miyukis Name fiel, meldete sich Sei bei dem Lehrer und erklärte, dass dieser noch nicht da war. Der Lehrer stutzte, als er das hörte. Das war gar nicht Miyukis Art, im Musikunterricht zu fehlen, das wusste selbst der Lehrer. Immerhin war Miyu der Beste in Musik.

Er notierte es sich kurz und schlug dann sein Buch auf, gab Anweisungen, was zu tun war, damit der Unterricht richtig beginnen konnte.

Nach einer halben Stunde Unterrichtszeit klopfte es plötzlich an der Tür und ein völlig erschöpfter und schnaufender Miyuki öffnete die Tür.

„Entschuldigung! Ich hab den Wecker nicht klingeln hören und dann ist mir der Bus auch noch vor der Nase weg gefahren“, gab er noch immer leicht schnaufend von sich und setzte sich auf seinen Platz.

Der Lehrer hörte sich die Entschuldigung kurz an und nickte dann verständnisvoll. Er kannte Miyuki schon länger und wusste, dass es nicht viele Möglichkeiten gab, was der Grund sein konnte, wenn er mal zu spät kam. Er war einer der wenigen Lehrer, die wenigstens einen kleinen Teil von Miyus Vergangenheit und seinem heutigen Leben wussten.

„Schon gut Miyuki, du hast nicht viel verpasst. Dein Sitznachbar wird dir zeigen, wo wir sind“, meinte er kurz nickend und warf Sei daraufhin einen kurzen Blick zu, der diesen gleich erwiderte und Miyu die Seite nannte.

Der Schwarzhaarige war nicht nur überrascht, sondern auch erleichtert, dass es dem anderen gut ging. Er hatte sich doch schon langsam Sorgen gemacht.

Leicht stupste er den Braunhaarigen an und musterte ihn. Man erkannte, dass dieser noch immer ziemlich erschöpft sein musste, was vielleicht aber daran lag, dass er doch ziemlich gerannt war.

„Alles klar?“ fragte er auch gleich und Miyuki nickt nur kurz lächelnd, sah in sein Buch hinein und konzentrierte sich auf den Unterricht.

Er wollte jetzt nicht noch mehr verpassen. War schon schlimm genug für ihn, dass er ausgerechnet zum Musikunterricht zu spät gekommen war.

Nachdem die nächsten drei Stunden vorüber gingen, begann wie jeden Tag die große Pause und eigentlich gingen Sei und Miyuki immer gemeinsam nach draußen in den Hof. Doch heute konnte der Größere mit ansehen, wie Miyuki halb am Tisch lag und beinahe einschlief. Dabei war er gerade eben erst vom Lehrer ermahnt worden, dass der Unterricht nicht zum Schlafen da war.

„Hey du Schlafmütze!“ kam es lachend von Sei und er stupste ihn mit einem Finger an.

Nur ein leises, grummelndes Geräusch war von dem beinahe leblosen Körper zu hören, woraufhin der Größere auch schon auflachte.

„Wow, hast du die Nacht durchgemacht?“ fragte er grinsend nach und beugte sich etwas zu ihm runter.

„Hast du etwa ein Mädchen bei dir gehabt?“ fragte er weiter grinsend und hob seine Augenbrauen einige Male, stupste ihn wieder an.

Doch dafür kassierte er auch schon einen finsteren Blick, als der beinahe Leblose seinen Kopf anhob und sah Sei kopfschüttelnd entgegnete: „Nein, nein, schön wär’s“, meinte Miyuki zurück grinsend und streckte ihm die Zunge entgegen.

„Hab einfach so gut geschlafen das ich nicht aufgekommen bin. Deshalb hab ich auch den Wecker überhört.“, fügte er noch hinzu und legte seinen Kopf wieder seitlich auf seine Arme, die er verschränkt auf dem Tisch liegen hatte.

Miyuki wollte Sei nicht sagen, dass er bis am späten Abend gearbeitet hatte und dann nicht hatte einschlafen können, weil ihn wieder etwas Altbekanntes gepackt hatte - die Einsamkeit. Denn als er nach Hause gekommen war, bekam er von niemanden ein „Hallo“ oder ein „Schön dich zu sehn!“. Leider konnte seine Katze noch nicht sprechen. Sie konnte nur einfach da sein und ihn mit ihrem leisen Schnurren beruhigen, auch wenn das nicht immer half.

Sei gab sich mit dieser Antwort mal zufrieden, auch wenn er sich sicher war, dass da noch etwas anderes war. Der Braunhaarige hatte etwas an sich, was ihn traurig machte und mitfühlen ließ. Selbst wenn er nicht wusste, was es war oder um was es ging, fand er nicht, dass Miyuki gerade glücklich aussah.

„Na komm, gehen wir nach draußen an die frische Luft, das bringt deinen Kreislauf auch voran“, kam es von dem Schwarzhaarigen aufmunternd, klopfte Miyu kurz auf die Schulter und zog ihn sachte an seinem Arm hoch.

Ein seufzen war von dem Kleineren zu hören und er erhob sich wirklich. Schließlich hatte der andere nicht Unrecht.

Draußen angekommen, setzten sie sich wie immer auf ihren Platz und holten ihre Lunchboxen hervor, wobei die von Miyuki wie immer mager ausfiel. Er hatte gelernt, besser gesagt, musste es lernen, sich sein Geld einzuteilen, da er sonst nicht über die Runden kam, deshalb hatte er auch immer nur eine Scheibe Brot mit etwas Käse belegt als Jause bei sich.

Sei hingegen hatte eine großzügige Mutter, die ihm immer wieder zuviel mit gab. Das konnte er alles gar nicht verdrücken, aber er wusste, dass sie es nur gut meinte und sagte nichts. Doch jedes Mal, wenn er Miyukis mickrige Lunchbox sah, dachte er sich, dass er selbst entweder ein verwöhnter Schnösel war oder der andere einfach nur ein armer Schlucker.

„Hier! Nimm was“, sagte der Schwarzhaarige anbietend und hielt ihm seine Jausenbox hin.

Darin befanden sich, ein paar Scheiben Brot, Maki und Sushi, etwas Wasabi und noch etwas Gemüse wie Tomaten und Paprika.

Sogleich blinzelte Miyuki und schaute aus Reflex in die Box hinein. Er konnte nicht verleugnen, dass ihm gerade das Wasser im Mund zusammenlief und das nicht nur, weil er all das, was sich darin befand, schon seit Ewigkeiten nicht mehr gegessen hatte, sondern weil es auch zu seinen Lieblingsspeisen gehörte. Doch er verneinte und schüttelte den Kopf. Schließlich wollte er dem anderen nichts wegessen, der als Sportler doch mehr zu Essen als ein normaler Mensch brauchte und da war diese gesunde Box doch genau das Richtige für Sei.

„Nein, lass mal, ich will dir nichts wegessen. Außerdem ist doch nichts dran an dir, also iss lieber du“, meinte er grinsend und biss wieder in sein Brot hinein, konnte aber nicht verhindern, immer wieder mal zu dieser Box zu blicken, mit all den leckeren Sachen darin.

Sei blinzelte bei Miyukis Antwort und hob leicht eine Augenbraue, sah leicht an sich herab und lachte dann auch schon.

„Ach was, glaub mir, ich bekomme zu Hause genug zu essen. Meine Mutter versorgt mich gut und gibt mir auch immer soviel als Jause mit. Komm schon, alleine pack ich das nicht und es schmeckt zu lecker, um es übrig zu lassen oder weg zu werfen“, kam es weiter bittend.

Er hielt seinem Sitznachbarn die Box gleich noch mehr hin und setzte einen Hundeblick auf, den er wohl wahrlich gut beherrschte, zauberte sich doch glatt ein Lachen auf Miyukis Gesicht, was wiederum Sei auch auflachen ließ.

„Na wenn du mich schon so bittest“, meinte der Braunhaarige lächelnd und überwand sich, nahm sich auch schon eines der Maki aus der Box, nahm es mit einem Bissen in den Mund und schloss die Augen dabei.

Wie sehr er diesen Geschmack doch mochte und wie sehr er dieses eine Maki nun genoss!

Zufrieden stellte Sei die Box in die Mitte und blinzelte leicht, als er den anderen beobachtete, wie er das Maki verschlang.

„Also ich hab noch nie jemanden gesehen, der mit soviel Genuss ein Maki gegessen hat“, kam es lachend von Sei und er nahm sich selbst eine Scheibe Brot, etwas Tomaten und Paprika.

Miyuki blickte ertappt zu dem anderen und errötete ganz leicht, sagte jedoch nichts darauf.

„Hör mal, Miyuki... wenn du möchtest, kann ich dich ja zu Hause abholen und wir gehen zusammen zur Bushaltestelle. Dann besteht die Gefahr auch nicht, dass du wieder verschläfst“, schlug er dem anderen vor und nahm sich auch etwas von dem Sushi.

Bei dem Vorschlag horchte Miyu auf und schluckte sogleich, hielt auch für einen Moment mit dem Essen inne.

„Äh, nein, ist nicht nötig... das passiert schon nicht wieder. Das war doch nur, weil ich so gut geschlafen habe. Zehn Stunden Schlaf würden dich auch verschlafen lassen“, meinte er grinsend und ablehnend.

Innerlich jedoch hatte es ihn stark zusammen gezogen. Das war das allerletzte, was er wollte, dass einer seiner Schulkollegen jemals sah, unter was für Umständen er lebte und vor allem in was für einer Gegend!

Gegen seine Wohnung war nichts zu sagen, sie war sauber und ordentlich, aber das Haus, in dem sich diese befand, sah alles andere als einladend aus. Außerdem hatte er sehr laute Nachbarn, doch aufregen würde Miyuki sich nicht. Dafür war er zu dankbar, dass er dort Leben durfte. Er gab sich einfach damit ab und meckerte nicht. Es war allemal besser, als auf der Straße zu leben.

Sei seufzte innerlich leicht und verschränkte seine Arme.

„Ach jetzt komm schon, ich würde das wirklich gern machen“, meinte er wieder mit seinem Hundeblick.

Doch diesmal wirkte dieser Blick nicht bei Miyuki, der eisern blieb und erneut mit einem Lachen verneinte.

„Na gut, wie du meinst. Aber ich hol dich irgendwann mal ab, wirst schon sehn“, kam es grinsend von dem Schwarzhaarigen, der ihm noch zuzwinkerte und dann die geleerte Box schloss.

„Ich werd mich in Acht nehmen“, kam es lachend von Miyuki, wobei er jedoch hoffte, dass Sei das gerade nicht ernst gemeint hatte.

Er wusste nicht, wie er diesen Zustand erklären sollte, was er sagen sollte. Das machte ihm zu schaffen, da er noch nie jemandem sein Heim gezeigt hatte. Bisher hatte er es immer geschafft, diese Fragen um sein Leben zu umgehen und auszuweichen.

Der Größere musterte den anderen, da dieser doch recht nachdenklich aussah.

Sei wurde das Gefühl nicht los, dass es dem anderen nicht wirklich gut ging und auch, dass er ihn gerade angelogen hatte. Doch er sagte nichts. Bei so was musste man immer vorsichtig sein. Vielleicht erzählte Miyuki ihm eines Tages die Wahrheit. Dann konnte er ihm hoffentlich auch helfen, darauf würde er sich schon mal vorbereiten. Denn Tatsache war, dass er Miyuki sehr gern und ihn bereits in sein Herz geschlossen hatte.

Schließlich läutete die Schulglocke und die nächsten Stunden vergingen wie im Flug.

Bald auch schon saßen die beiden im Bus und warteten nur noch, bis dieser an ihrer Haltestelle stehen blieb. Dort angekommen, stiegen sie auch schon aus und gingen ein Stück nebeneinander her. Diese Gelegenheit nutzte Sei und blieb stehen, drehte sich zu dem anderen, der daraufhin ebenso zum Stillstand kam.

„Sag mal, hast du heute noch was vor? Wir könnten doch irgendwohin gehen und was unternehmen?“ schlug er vor und sah Miyuki fragend an.

Wie gerne hätte Miyuki jetzt sofort zugestimmt. Wie gerne hätte er wieder einmal mit jemandem was unternommen. Doch er musste seinen Kopf schütteln, lächelte ihn aber an.

„Tut mir leid, aber ich muss noch lernen, Hausaufgaben machen und im Haushalt helfen“, erklärte er kurz, auch wenn es in seinem Herzen wehtat, dass er Sei anlügen musste, denn in Wirklichkeit musste er ja wieder zur Arbeit.

Er brauchte das Geld dringend, sonst könnte er die Miete dieses Monats nicht bezahlen, da diesen Monat schon zu viel für die Schule draufging.

Etwas enttäuscht sah Sei den anderen nun an und verschränkte wieder seine Arme.

„Du wirst doch wohl für eine Stunde weg können... das tut dir bestimmt auch gut“, versuchte Sei es noch einmal und hoffte, dass Miyu doch noch zustimmte.

Doch ein erneutes Kopfschütteln kam von Miyuki.

„Tut mir leid. Es geht wirklich nicht“, kam es ruhiger und mit leichtem Bedauern in der Stimme von dem Kleineren, der auch etwas seinen Kopf gesenkt hatte.

Es tat ihm wirklich leid und er fühlte sich richtig schlecht deswegen.

Genau musterte und beobachtete Sei den anderen und es tat ihm gerade irgendwie leid, dass er diese Frage gestellt hatte, denn Miyuki schien das doch recht fertig zu machen. Doch er wollte nicht nachhacken, was denn der genaue Grund war, warum er nicht konnte. Sanft legte er eine Hand auf seine Schulter und klopfte sie leicht, lächelte ihn an.

„Schon gut, dann ein anderes Mal“, kam es leicht aufmunternd und der Braunhaarige sah daraufhin auch gleich auf, schmunzelte etwas und nickte ihm zu.

Daraufhin trennte sich ihre Wege wieder und jeder ging in sein eigenes Heim.

Der eine in das schöne und harmonische. Der andere in das hässliche, traurige und einsame.
 

Schließlich wurde es schon später Nachmittag. Sei hatte beschlossen, nachdem er die Abfuhr von Miyuki bekommen hatte, alleine etwas Shoppen zu gehen. Wie immer hatte er einen Zettel in seiner Hand, wo seine Besorgungen oben standen und das letzte würde er in einem Musikladen finden. Schon seit längerem suchte er nach einer alten Band, die wirklich gute Musik gemachte hatte, doch da diese sich schon lange getrennt hatten und dadurch nicht mehr in den Charts waren, sondern mehr in Vergessenheit gerieten, konnte er sie bis jetzt in keinem Musikladen finden. Deshalb hatte ihm ein Freund von ihm die Adresse eines Geschäftes gegeben, die so gut wie alles hatten und Sei hoffte nun, dass er seine Band und noch ein paar andere Alben dort auch finden konnte.

Nach einer Weile stand er schließlich vor dem Laden und musterte diesen.

„The Music“, las er für sich vor, was auf dem großen Schild über dem Geschäft stand.

Der Laden sah etwas altmodisch aber doch wieder modern aus. Es war eine gute Mischung aus alt und neu und das gefiel ihm. Er zögerte auch nicht länger und trat ein, sah sich erstmal um.

Erst versuchte Sei, die Band alleine zu finden, aber es gab so viele Bereiche, verschieden Genre und Länder in diesem Laden, dass er sich gezwungen sah, jemanden zu fragen und so sah er sich nach einem Angestellten um.

Für einen Moment stockte er allerdings, als er glaubte, Miyuki gesehen zu haben, schüttelte dann aber den Kopf.

//Er hat doch gesagt, er muss lernen...// dachte Sei sich und schüttelte erneut den Kopf.

Dennoch ging er auf diese Person zu, denn wie es ihm schien, arbeitete diese hier, was man an den typischen Klamotten sah.

„Entschuldigen Sie! Könnten Sie mir helfen? Ich suche eine bestimmte Band und kann sie hier aber nicht finden. Ich bin zum ersten Mal hier in diesem Laden“, fragte er schräg lächelnd und tippte den anderen dabei auf die Schulter.

Daraufhin drehte sich die angesprochene Person auch schon um und blinzelte ihn an, hatte leicht geweitete Augen.

Auch Sei war sehr erstaunt und weitete ebenso seine Augen, als er plötzlich Miyuki vor sich stehen sah. Er stockte sogleich und beide schwiegen sich einen Moment lang an, waren sie doch zu überrascht, den jeweils anderen hier anzutreffen. Speziell Miyuki blieben in diesem Moment die Worte im Hals stecken.

Er hatte bis jetzt immer großes Glück gehabt, dass ihn keiner seiner Schulkollegen bei der Arbeit gesehen hatte. Aus welchen Gründen auch immer hatte er noch nie jemanden hier angetroffen, zu seinem Glück. Doch jetzt hatte ihn das erste Mal jemand bei der Arbeit gesehen, noch dazu war es Sei, dem er erst gesagt hatte, dass er heute keine Zeit für ihn hatte. Ausgerechnet Sei, den er angelogen hatte!

Jetzt fühlte er sich wieder schlecht, schluckte er auch gleich und überlegte, was er jetzt schnell sagen konnte, um diese Situation nicht noch unangenehmer zu machen.

„Miyuki“, kam es auch gleich erstaunt von Sei, der auch gleich seine Arme verschränkte und ihn ernst ansah.

Als der Braunhaarige diesen Blick erkannte, zog er auch schon etwas den Kopf ein und machte sich auf das schlimmste gefasst. Der andere musste nun sehr enttäuscht von ihm sein, vor allem weil er ihn angelogen hatte.

„Du hast mir gar nicht erzählt, dass du neben der Schule noch arbeitest“, kam es ruhig von dem Schwarzhaarigen, der den anderen dabei musterte.

Miyuki schluckte erneut und seufzte innerlich etwas erleichtert auf, da der Schwarzhaarige nicht überreagierte.

„Ja... also es ist nur ein Nebenjob, um ein bisschen Geld zu verdienen“, meinte er leicht grinsend und auch etwas abweichend von der Wahrheit.

Schließlich war es nicht die ganze Wahrheit. Diese war bitter und er wollte nicht, dass sie jemand erfuhr oder sich damit belastete, schon gar nicht so ein Mensch wie Sei.

„Ach so... das ist dann wohl auch der wahre Grund, warum du nicht mit mir was unternehmen konntest“, gab er feststellend und mit einem leichten Grinsen von sich, woraufhin ein Nicken von dem Braunhaarigen zu erkennen war.

„Ja, entschuldige bitte. Ich erzähle nicht gerade gerne herum, dass ich nebenbei arbeite“, erklärte Miyuki kurz und fuhr sich leicht lächelnd durch die Haare.

Die Situation war ihm sehr unangenehm, weshalb er froh war, dass Sei nicht weiter fragte.

Dieser sah das ganze locker, auch wenn er so das Gefühl hatte, dass mehr hinter diesem Grund steckte, als Miyuki zugab. Doch er beließ es dabei und wollte dem anderen unnötige Peinlichkeiten ersparen.

„Schon vergessen! Im Gegenzug kannst du mir sicher helfen, ein paar Alben zu finden. Ich kenn mich hier nämlich überhaupt nicht aus, so viele Abteilungen sind verwirrend“, gab er grinsend an und hielt dem anderen einen Zettel hin, worauf die Band und Alben standen, die er gerne hätte.

Für einen Augenblick lang starrte Miyuki nur dieses Stück Papier an. Er konnte gar nicht glauben, mit wie viel Freundlichkeit der andere ihm entgegen kam, obwohl er ihn angelogen hatte. Das haute ihn für einen Moment lang um.

Nachdem Sei ihn schon mit schiefem Kopf ansah und ihn auch noch mal ansprach, blinzelte der Kleinere und lachte kurz auf.

„Haha... ich kann dich gut verstehen. Am Anfang war es für mich hier auch wie in einem Labyrinth“, erklärte Miyu kurz und nahm dann den Zettel entgegen, las sich kurz durch, was Sein Klassenkamerad suchte.

„Dann lass mal sehen, was du da hast“, fügte er dabei hinzu und sah sich kurz um, ging dann los in eine ältere Abteilung und begann zu suchen, wobei ihm Sei folgte.

„Hm... das ist schon eine sehr alte Band, aber wir haben hier ein paar Alben, da bin ich mir sicher“, gab Miyuki an und nach wenigen Sekunden des Suchens hatte er das Album auch schon in der Hand.

Sei war froh, dass es endlich mal einen Laden gab, wo er seine Sachen finden konnte, doch mehr überraschte ihn, dass Miyuki sich so gut auskannte und wusste was für eine Band das war. Er war also nicht ohne Grund der Chef des Musikclubs.

„Ja, ich weiß, ist schon ziemlich alt die Band, aber sie machte gute Musik. Ich hab schon überall gesucht, aber hier findet man anscheinend mehrer solcher alten Exemplare!“ gab er sehr erfreut an, als der Kleinere ihm das Album in die Hand drückte.

„Ja, da hast du Recht, du hättest auch reichlich lange suchen können in den üblichen Läden. Dieser Musikladen ist bekannt dafür, dass er jede Musikrichtung hat und auch alte, bald vergessene Alben weiterhin verkauft. Viele kommen nur deswegen her, weil sie wissen, dass sie hier so gut wie alles finden können. Allerdings gibt es diesen Laden erst seit zwei Jahren, weshalb er noch nicht überall bekannt ist, aber wir machen immer mehr Fortschritte“, erklärte der Braunhaarige ihm und suchte schon das nächste Album für Sei heraus, was in dem Regal nebenan zu finden war.

„Du kennst dich anscheinend sehr gut mit Musik aus, bist nicht umsonst der Chef des Musikclubs“, gab Sei grinsend an und nahm das nächste Album entgegen.

Ein wenig schmunzelte der Braunhaarige und drehte sich zu dem anderen.

„Na ja, Musik ist eben mein Leben, ohne sie kann ich nicht“, meinte Miyuki grinsend und sah dann wieder auf den Zettel.

„Hm... für dieses Album müssen wir in den 1. Stock hoch“, erklärte er kurz und nachdem er ein Kopfnicken des anderen wahrgenommen hatte, gingen sie nach oben in den ersten Stock.

Nachdem Sei auch das letzte Album in die Hand gedrückt bekam, gingen sie gemeinsam zur Kasse, wo er diese auch gleich bezahlte.

„Also dann, wir sehen uns ja morgen wieder“, kam es lächelnd von Miyuki, während er ihn hinaus begleitete.

Der Schwarzhaarige nickte sogleich und schenkte ihm ebenso ein Lächeln.

„Ja! Vergiss nicht, deinen Wecker zu stellen! Oder soll ich dich anrufen?“ fragte er lachend und Miyuki setzte ein schmollendes Gesicht auf, meinte es aber nicht ernst.

„Nein, nein schon gut... ich werd schon auftauchen... außerdem ist mein Handy kaputt“, kam es grinsend, zwinkerte er ihm dabei auch zu und Sei schmunzelte.

„Na gut, dann bis morgen früh und danke noch mal fürs Helfen“, kam es lächelnd von ihm, winkte er ihm noch mal zu und verließ dann endgültig den Laden.

Eine Weile sah Miyuki dem anderen noch nach und seufzte schließlich schwer auf.

Schon wieder hatte er gelogen. Wieso nur log er immer? Er hätte doch nur sagen müssen, dass er gar kein Handy besaß! So was konnte er sich nun mal nicht leisten. Wahrscheinlich hatte er gelogen, weil er unnötige und unangenehme Fragen aus dem Weg gehen wollte. Wie immer.

Doch er fühlte sich erneut schlecht deswegen. Es machte ihn fertig, dass er die Menschen in seiner Umgebung immer wieder anlügen musste.
 

Als Sei in seinem schönen, harmonischen und familiären zu Hause ankam, begrüßte er gleich seine Eltern mit einer kurzen Umarmung, brachte seine Alben in sein Zimmer und gesellte sich dann zu seinen Eltern in die Küche.

Sein Vater war erst vor fünf Minuten nach Hause gekommen und nahm gerade das leckere Essen seiner geliebten Frau zu sich. Auch wenn er selbst von Beruf Koch war und ein eigenes Restaurant führte, gab es kein besseres Essen als das seiner Frau. Nicht mal er selbst kam da ran, wie er immer behauptete.

Während Seis Mutter das Geschirr spülte, machte auch er sich eine Kleinigkeit zu essen und setzte sich zu seinem Vater an den Tisch.

„Ich war gerade in einem super Musikladen und hab endlich die Alben gefunden, die ich immer haben wollte!“ gab er auch gleich zufrieden von sich und biss in seine Scheibe Brot hinein.

„...und ihr werdet nicht glauben, wen ihn da getroffen habe!“ fügte er noch hinzu und seine Mutter sah auf, drehte sich zu ihm, während seiner Vater nur im Augenwinkel zu ihm rüber sehen musste.

„Ich hab euch doch von meinem Sitznachbarn in der Schule erzählt. Der arbeitet dort, es ist sein Nebenjob!“ erklärte Sei auch gleich und die Mutter hörte nun für einen Moment mit dem Spülen auf, trocknete sich die Hände und kam näher an den Esstisch heran, um sich das, was ihr Sohn sagte, näher anzuhören.

„Er arbeitete dort?“ fragte sie auch gleich nach, nachdem sie sich neben ihren Mann gestellt und sanft einen Arm um die breiten Schultern gelegt hatte.

„Ja, glaubt mir, ich finde das genauso seltsam wie ihr. Ich weiß nicht, ich habe so das Gefühl, als erzählt er mir nicht ganz die Wahrheit. Als steckt hinter all dem noch viel mehr. Dabei kenne ich ihn doch gerade erstmal eine Woche. Ich glaube, es geht ihm nicht so gut wie mir. Ich würde das gerne irgendwie herausfinden und ändern“, erklärte sich Sei und seine Gedanken.

Seine Mutter seufzte daraufhin etwas und fuhr ihrem Sohn kurz durch die Haare.

„Hm... vielleicht steckt wirklich mehr dahinter. Aber sei lieber vorsichtig. Wenn wirklich mehr dahinter steckt und du bohrst vielleicht in einer Wunde herum, kann das böse Folgen haben“, erklärte sie ihm und Sei seufzte daraufhin nur.

„Gute Taten brauchen Geduld und viel Einfühlvermögen, aber das besitzt du ja reichlich. Wenn du ihm wirklich helfen willst, dann schenk ihm dein Lächeln und deine Freundschaft. Einem traurigen und einsamen Menschen ein Lächeln zu schenken, ist für diesen das schönste und beste Geschenk, was er bekommen kann“, fügte sie noch hinzu und lächelte ihren Sohn an, gab ihrem Mann dann einen Kuss auf die Wange und ging wieder zur Spüle.

„Deine Mutter hat Recht. Aber du wirst schon wissen, was du tust“, gab auch sein Vater versichernd von sich, klopfte seinem Sohn kurz auf die Schulter, ehe er sich erhob und im Badezimmer verschwand.

Sei sah den beiden mit einem Lächeln nach und nickte kurz.

Er hatte so ein Glück mit seiner Familie. Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie es wohl wäre, wenn nicht soviel Harmonie zwischen ihnen bestehen würde. Er wollte sich das auch gar nicht vorstellen!

Sei hatte es sich gerade zur Aufgabe gemacht, herauszufinden, ob Miyuki Probleme hatte. Wenn es wirklich so war, dann wollte er ihm unbedingt helfen. Den Grund konnte er sich nicht ganz erklären. Er wusste nur, dass jedes Mal, wenn er dem anderen in seine blauen Augen sah, er dort Traurigkeit und Einsamkeit erkennen konnte. Das wollte er nicht. Sei wollte, dass Miyuki diese Augen der Traurigkeit und Einsamkeit nicht zeigte, sondern Augen der Freude, des Glücks und vielleicht auch die der Liebe.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von: abgemeldet
2010-07-02T20:12:00+00:00 02.07.2010 22:12
Ja, so wie ich dir heute schon per SMS gesimst habe, sie liest sich gut und ich finde sie ein bisschen traurig ^^. Aber das passt schon, ich bin schon gespannt wie's weiter geht XD.

glg, Stella_Stern


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